2. Ökonomik der Institutionen - uni-muenster.de · PAT, TKT, PRT. 47/224 Prof. Dr. Theresia Theurl...
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Prof. Dr. Theresia Theurl37/224
Inhalt: Ökonomik der Institutionen
2.1 Institutionenökonomischer Analyserahmen2.1.1 Das Grundmodell des Homo Oeconomicus2.1.2 Die Tragik institutionenloser Ökonomik2.1.3 Institutionenökonomisches Analysemodell
2.2 Notwendigkeit von Institutionen2.2.1 Arbeitsteilung2.2.2 Dilemmasituation2.2.3 Informationsasymmetrien
2.3 Definition, Inhalt und Struktur von Institutionen2.3.1 Fundamentale und abgeleitete Institutionen2.3.2 Formelle und informelle Institutionen2.3.3 Institutionenhierarchie2.3.4 Vertragsarten
2.4 Entstehung und Wandel von Institutionen2.4.1 Evolutionärer und konstruktivistischer Ansatz2.4.2 Stabilität und Flexibilität von Institutionen2.4.3 Institutionelle Effizienz2.4.4 Analysewegweiser institutionellen Wandels
2.5 Fallbeispiel: Arbeitsmarktregulierung2.6 Institutionen und wirtschaftliche Entwicklung
2.6.1 Messung des Einflusses von Institutionen2.6.2 Institutionelle Konsistenz
2.7 Die Neue Institutionenökonomik
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2.1 Ökonomik der Institutionen: Institutionen-ökonomischer Analyserahmen
Modell menschlichen Verhaltens
Institutionelle Basis
Wirk
unge
n
Impuls
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2.1.1 Grundmodell des Homo Oeconomicus
Präferenzen
Restriktionen
Untersuchung der Wahlhandlungen
nach bestimmten Prinzipien (s.u.)
Erg
ebni
sse
gegeben und konstant
erzwingen Wirtschaften und schränken Hand-lungsalternativen ein
+
Homo Oeconomicus
= Institutionen
Δ Institutionen = Reoptimierung
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2.1.1 Grundmodell des Homo Oeconomicus
1. Methodologischer Individualismus
Eigenschaften von sozialen Systemen (Menschengruppen, Aggregaten) lassen sich immer und ausschließlich auf
Eigenschaften und Anreizsysteme von Individuen zurückführen.
• Individuelle Ziele und Anreize bestimmen die Ergebnisse(Individualprinzip, Eigeninteressen, Präferenzen)
• Individuum als einzige Quelle von Werten unddamit als Beurteilungsinstanz alternativer Zustände
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Bestimmter Problemausschnitt wird betrachtet
2.1.1 Grundmodell des Homo Oeconomicus
2. Problemorientierung
• Individuelles Handeln unter Knappheit
• Auswirkungen der relevanten Präferenzen und Restriktionen für eine konkrete Situation der Knappheit sind bekannt
3. Trennung von Präferenzen und Restriktionen
Verhaltensänderung wird immer auf Veränderung von Restriktionen zurückgeführt (Reoptimierung)
• Präferenzen: Konstanz, Unersättlichkeit, konsistente Ordnung
• Restriktionen: als Kosten operationalisiert
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2.1.1 Grundmodell des Homo Oeconomicus
4. Rationalitätsprinzip
Vorhersehbare Reaktion auf Restriktionsänderung
5. Repräsentatives Verhalten
Abweichungen im Einzelfall üblich und möglich
• Nicht Einzelfall, sondern typisches Verhaltensmuster in isolierbaren Situationen (Gesetzmäßigkeiten)
• unterstellt: Kenntnis aller relevanten Alternativen
• Entscheidung nach Kosten/Nutzen-Kalkül gemäß relativem Vorteil gemessen an eigenen Präferenzen
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Anknüpfungspunkte der NIÖ
Individuen als Mengenanpasser, Atomistische Marktstruktur, Homogene Güter
Unendliche Anpassungsgeschwindigkeit
Markttransparenz: vollst. Information über Preise und Gütereigenschaften
Vollständige Verträge
Keine Transaktionskosten
Preisspielräume, wirtschaftliche Macht
Anhaltende Marktungleichgewichte
Asymmetrische Informationsverteilung
Unvollständige Verträge
Transaktionskosten
Neoklassik: einfach zu handhabende Annahmen
aber: Beobachtungen in der Realität
Ziel: Pareto-Optimalität
2.1.2 Tragik institutionenloser Ökonomik
… …
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2.1.2 Tragik institutionenloser Ökonomik
Ohne explizite Berücksichtigung der Ausgestaltung der institutionellen Grundlagen und deren Einfluss auf Erwartungen und Handlungen …
geringer Erklärungsgehalt für konkrete wirtschaftliche Probleme und wirtschaftspolitische Lösungen
nur sehr allgemeine Musteraussagen über wirtschaftliche Zusammenhänge möglich
keine Möglichkeit, Informationen über die Folgen von Veränderungen für die Wirtschaft und Gesellschaft zu bieten
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2.1.3 Institutionenökonomisches Analysemodell
Präferenzen
Restriktionen
Untersuchung der Wahlhandlungen
nach modifizierten Prinzipien
Erg
ebni
sse
gegeben und konstant
erzwingen Wirtschaften und schränken Hand-lungsalternativen ein
+
Opportunismus
Individuen reagieren auf und gestalten institutionelle Arrangements nach einem (privaten) Kosten/Nutzen-Kalkül.
Institutionen Beschränkte
Rationalität
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Das weitere Vorgehen
Positive Analyse Normative Analyse
Institutionen exogen gegeben
Warum sind Institutionen notwendig?
Institutionen endogen
Wie müssen Institutionen gestaltet werden, um bei gegebenen Problemen ein besseres Ergebnis zu erzielen?
Wie entstehen Institutionen?
Wann und wie wandeln sich Institutionen?Wie wirken
Institutionen?
Wie sehen Institutionen aus?
mikroökon. Analyse
makroökon. Ebene
Elemente des institutionenökonomischen Forschungsprogramms
Kapitel 2.2: Notwendigkeit von Institutionen
2.3: Struktur und Inhalt von Institutionen
2.4 Entstehung und Wandel von Institutionen
2.7 Institutionen und wirtschaftliche Entwicklung
2.4.4 Analyserahmen institutionellen Wandels+ Motiv taucht in allen
Kapiteln immer wieder aufKapitel 3-5:
PAT, TKT, PRT
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2.2.1 Arbeitsteilung
Arbeitsteilung
Problem derBereitstellung
Koordinationsproblem
Problem der Suche
Motivationsproblem
Problem derSpezifität undAbhängigkeit
Problem derMessung und
Bewertung
Institutionen zur Problemlösung
Beschränkte Rationalität
Beschränkte Rationalität
Opportunismus
Notwendigkeit von Institutionen
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2.2.2 Dilemmasituation
Dilemmasituation• Wirtschaftssubjekte stehen in Abhängigkeit zueinander mit
gemeinsamen und konfligierenden Interessen.
• Ein Akteur alleine kann das Resultat nicht bestimmen (Interdependenz des Verhaltens).
• Erwartungen über das Verhalten der anderen beeinflussen das eigene Verhalten.
kooperieren defektieren
defektieren
kooperieren
B
A3 4
42
31
1
2
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2.2.2 Dilemmasituation
Ursachen• Individuelle Nutzenmaximierung, keine Berücksichtigung der
Interaktion• Keine wirksame Verhaltensbindung
• Einschränkung der Handlungsalternativen• Glaubwürdige Verhaltensbindung über
Spielregeln (z.B. Bestrafungsmechanismen)• Konsistente Anreizstruktur
Problem• Individuell rationales Verhalten führt zu kollektivem
Selbstschädigungsprozess
Lösung über Institutionen:
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2.2.2 Dilemmasituation
Quelle: HOMANN/SUCHANEK (2005)
Institution = Sanktion für Defektieren: -3
kooperieren defektieren
defektieren
kooperieren
B
A3 4 - 3
4 - 32 - 3
31
1
2 - 3
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2.2.3 Informationsasymmetrien
Hold-upMoral HazardAdverse SelektionProblem
Fischer und Konservenfabrik, Autozulieferer und Autofabrik
Patient und Arzt, Leistungsverhalten von Mitarbeitern, Risikoverhaltender Kreditnehmer
Kreditnehmer und –geber, Versicherungsnehmer und -anbieter, Einstellung von Mitarbeitern
Beispiel
ex post (nach Vertragsschluss)ex post (nach Vertragsschluss)ex ante (vor Vertragsschluss)
Verhaltens-spielraum
Spezifische Investitionen (Abhängigkeit)
Fehlende Überwachungs-möglichkeiten & hoheÜberwachungskosten, Art der Ressourcennutzung schwer zu beobachten.
Verbergbarkeit von Eigenschaften und fehlende Möglichkeiten positive Merkmale zu offenbaren
Problem-ursache oderwesentlicheEinflussgröße
Absichten des Vertragspartners unbekannt; opportunistisches Verhalten kann nicht verhindertwerden.
Anstrengungen des Vertrags-partners nicht beobachtbar bzw. nicht beurteilbar bei bekanntemErgebnis.
Qualitätseigenschaften der Leistung oder der Person des Vertragspartners unbekannt.
Informations-problem
Hidden intention
Absichten
Hidden action / hidden information
Handlungen
Hidden Characteristics
Merkmale
Asymmetrische Informations-verteilung
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2.3 Definitionen von Institutionen
Institutionen als sozial sanktionierbare Erwartungen, die sich auf die Handlungs- oder Verhaltensweisen von Individuen beziehen.
Institutionen als Verträge oder Regeln inklusive ihrer Durchsetzungsmechanismen, durch die das Verhalten von Individuen kanalisiert wird.
Was sind Institutionen?Keine einheitliche Definition in der Literatur.
DIETL (1993)
ERLEI/LESCHKE/SAUERLAND (2007)
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2.3 Definitionen von Institutionen
Institutionen als Mechanismen für eine Gestaltungder Handlungsspielräume der Interaktionspartner,durch die Informations- und Anreizprobleme behoben werden sollen.
Institutionen als standardisierte (verlässliche) Lösungenwiederkehrender Interaktionsprobleme (Informations- undAnreizprobleme).
HOMANN/SUCHANEK (2000)
NORTH (1992)Institutionen als Spielregeln einer Gesellschaft oder die von Menschen erdachten Beschränkungenmenschlicher Interaktion.
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2.3 Definitionen von Institutionen
Institutionen sind• Systeme von verhaltenssteuernden Regeln bzw. durch diese
gesteuerte Handlungssysteme,
• die Problembereiche menschlicher Interaktion gemäß einer Leitideeordnen,
• die für längere Zeit und einen größeren Kreis von Menschen gelten
• und deren Beachtung auf unterschiedliche Art und Weise durchgesetzt wird.
Quelle: G
ÖB
EL (2002)
• Individuelles Verhalten lenken
• Anreize setzen
alltägliche Handlungen
ordnen
Unsicherheit mindern
Ziel von Institutionen
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2.3 Definitionen von Institutionen
Institution vs. OrganisationOrganisation = „the personal side of institutions“.
Eine Organisation ist eine Gruppe von Personen mit gemeinsamem Ziel. Sie benötigen dazu Regeln, um effizient zu arbeiten.
Organisation = Personen + Institutionen
Beispiel:
Ehe Institution
Familie Organisation
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2.3 Arten von Institutionen
Politische Institutionen
• Staatsform: Demokratie, Monarchie
• Wahlregeln (Mehrheitsregeln), Listenwahl vs. Direktstimme
• Exekutive: Präsident oder Parlament
• Aufteilung der Ressorts, Ministerien, Kammern
• Föderale Struktur, Einfluss niederer politischer Ebenen
• Verstrickung militärischer- und politischer Positionen
• Ausprägung von “Checks and Balances”
• Legitimation zur Ausübung von Macht
• …
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2.3 Arten von Institutionen
Rechtliche Institutionen
• Rechtsstaatlichkeit: Durchsetzung von Verfügungsrechten
• Ernennung und Amtszeit Richter
• Zuständigkeit, Kompetenzen und Hierarchien der Gerichte
• Rechte von Investoren und Schuldnern
• Regulierung:
-Umweltauflagen
-Verbraucherschutz
-Arbeitsverträge
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2.3 Arten von Institutionen
Wirtschaftliche Institutionen
• Institutionen der Kapitalallokation: Bank- vs. Kapitalmarktsystem
• Rating-Agenturen
• World-Trade-Organization
• Organisation von Unternehmen
• Verträge, Patente
• allg. Wettbewerbsrecht
• Rechnungslegungsstandards
• Regulierung: Haftungsregeln, Offenlegungspflichten,
Verhaltensrestriktionen, Aufsichtsbehörden, …
-Anforderungen für Unternehmensgründung
-Finanzmärkte, Energiesektor, Telekommunikationsmärkte
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2.3 Arten von Institutionen
Kulturelle/informelle Institutionen• NGOs• Medien• Lobbying• Korruption• Werte und Einstellungen
→ Ausgeprägte Interdependenzen zwischen den einzelnen Arten von Institutionen
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2.3.1 Fundamentale und abgeleitete Institutionen
• Grenzen Handlungs- und Gestaltungsspielraum auf den folgenden Ebenen ein,
• legen grundlegendeHandlungsrechte und -pflichten fest,
• bilden sich in Evolutionsprozessen heraus,
• werden häufig unbewusst verfolgt und nicht hinterfragt,
• haben eine starke Bindungskraft ohne gesetzliche Strafen,
• verbinden eine „Interpretationsgemeinschaft“
• z. B. Sprache, Umgangsformen, Religion, Menschenrechte, Wunsch nach stabilem Geld.
Quelle: DIETL (1993)
Fundamentale Institutionen
• Können (müssen aber nicht) geplant/gestaltet sein
• nutzen Spielräume fundamentaler Institutionen,
• beschränken die Handlungs- und Ausgestaltungsmöglichkeiten der folgenden Institutionenebene ein,
• gewinnen häufig durch gesetzliche Sanktionen Bindungskraft.
• z. B. Gesetze, Gerichtsurteile, Verträge, organisatorische Regelungen in Unternehmen, Europäische Währungsunion, Rechtschreibregeln, Straßenverkehrsordnung.
Sekundäre (abgeleitete) Institutionen
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2.3.2 Formelle und informelle Institutionen
Informelle und formelle Institutionen (NORTH (1992)
• evolutionäre Entwicklung• hohe Bindungskraft (auch
ohne formelle Sanktionen): interne Selbstbindung
• informelle Verhaltensregeln wie Sprachen, Religionen, Kultur, Unternehmenskultur
• „ungeschrieben“
• sind gestaltbar• erhalten Bindungskraft durch
Sanktionen (extern)
• Verfassungen, Gesetze etc.
• „geschrieben“
Informelle (formlose, interne) Institutionen
Formelle (formgebundene, externe) Institutionen
Vgl. NORTH (1992), S. 43ff.
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2.3.3 Institutionenhierarchie
Institutionenhierarchie nach WILLIAMSON (2000): vier Ebenen (Einschränkung von Gestaltungsfreiräumen)
Institutionenökonomik analysiert jede dieser Ebenen
4. Ebene: Ressourcenallokation Vertragstheorie
Principal Agent-Theorie,Neoklassik
2. Ebene: Institutioneller RahmenProperty Rights-Theorie,
Ökonomische Theorieder Politik
1. Ebene: Institutionelle EinbettungGesellschaftstheorie,
Soziologie,Wirtschaftsgeschichte
3. Ebene: Governance-StrukturenTransaktionskosten
-ökonomik
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2.3.3 Institutionenhierarchie
• Traditionen, Religion, Kultur (informelle Institutionen)• Sehr langsame Veränderung; evolutionäre Veränderung; starke
Beharrungskraft• Wenig Informationen über die Determinanten der Veränderung
• Verfassung, Gesellschaftsvertrag, Definition und Durchsetzung von Eigentumsrechten, Regeln der Regulierung, des Rechts und der Politik, Aufgaben des Staates
• Teils evolutionäre Entstehung, teils bewusste Gestaltung (Systembrüche)
Grundsätzliche Spielregeln, formelle Regeln
Informelle Regeln, Werte
1. Ebene: institutionelle Einbettung
2. Ebene: institutioneller Rahmen
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2.3.3 Institutionenhierarchie
• Möglichkeit zum Abschluss privater Verträge (Privatrecht)• Grundlagen für die Organisation wirtschaftlicher Transaktionen• Differenzierung unterschiedlicher Transaktionen und
unterschiedlicher Governance Strukturen (Märkte, Unternehmen, Hybride Organisationen, Bürokratie, etc.)
Steuerungs- und Anreizsysteme
3. Ebene: Governance-Strukturen
• „Neoklassisches Optimieren“• Formulierung von Verträgen für konkrete Entscheidungen
Konkreter Abschluss von Verträgen
4. Ebene: Ressourcenallokation
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2.3.4 Vertragsarten
Interaktionsbeziehungen werden in Verträgen geregelt:Verträge: Näher konkretisierte Übertragung von
Verfügungsrechten
Klassische Verträge
Neoklassische Verträge
Relationale Verträge
vollständig unvollständig
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2.3.4 Vertragsarten
Vertrags-form/ -recht
Eigenschaften Regelung von Streitfällen
Beispiele
klassisch • Zeitpunktorientierung• Vollständige Verträge• Eindeutige Spezifizierung von Leistung und Gegenleistung
• Identität der Vertragspartner spielt keine Rolle
Durch Gerichte anhand formalisierter Kriterien
Einfache, spontane Kaufverträge, Spotmarkt
neoklassisch • Zeitraumorientierung (mittelfristig) • Teilweise Unvollständigkeit der Verträge• Identität der Vertragspartner ist von Bedeutung
• Vertragsbruch: Nachteile
Durch Drittpartei (Schlichter, Sachverständiger)
Bauverträge, Projektverträge
relational • Zeitraumorientierung (auf Dauer angelegte Beziehung)
• Unvollständige Verträge (unvollständige Beschreibung der Leistungen)
• Identität der Vertragspartner ist von großer Bedeutung
• Gegenseitiges Abhängigkeitsbewusstsein• Implizite Vertragsbestandteile
• Durch Vertragspartner selbst
• Routinen für Konfliktregelung
• Weiterentwicklung
F+E Kooperationen, Bankbeziehungen, Vertrag über EWU, Europäischer Stabilitätspakt
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2.4.1 Evolutionärer und konstruktivistischer Ansatz
• „als unintendiertes Ergebnis individuellen Verhaltens“, sich spontan herausbildende Institutionen:
Konstruktivistischer Ansatz: Evolutionistischer Ansatz:• „als Ergebnis der (rationalen)
Gestaltung durch institutionen-bildende Agenten (Politiker)“:
Entstehung von Institutionen
abgeleitete Institutionen; formelle Institutionen
fundamentale Institutionen; Informelle Institutionen
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2.4.2 Stabilität und Flexibilität von Institutionen
Institutionelle KonsistenzFormelle (sekundäre) Institutionen sind funktionsfähig, wenn sie in informelle Institutionen eingebettet sind und diesen nicht widersprechen.
Instabilität, wenn Anreize aus informellen und formellen Institutionen widersprüchlich sind
Druck zur Veränderung formeller Institutionen bei Inkonsistenz
(Transformation)
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Erfolgsbedingungen von Institutionen
Veränderung (Flexibilität)Stabilität
Häufig widersprüchliche
Anforderung
„Management von Institutionen“ wird zur Aufgabe einer Gesellschaft.
Beurteilung der Konsequenzen alternativer institutioneller Arrangements wird wichtig. (komparative Institutionenanalyse)
Verbesserungen sind ausgehend vom Status Quoumzusetzen (gegen den „Nirvana-Approach“).
Gestaltung institutioneller Anpassungsprozesse:
Institutionelle Effizienz als Kriterium
2.4.2 Stabilität und Flexibilität von Institutionen
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2.4.3 Institutionelle Effizienz
Institutionelle EffizienzZustimmung der potenziell Betroffenen
Allokative EffizienzStatisch
Dynamisch
Distributive Effizienz
Administrative Effizienz
Implementierung Überwachung
PfadabhängigkeitVereinbarkeit mit den existierenden institutionellen Grundlagen
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• Gesellschaftliche / wirtschaftliche / wirtschaftspolitische Probleme identifizieren.
• Institutionen (= Verhaltensrestriktionen) und Gruppen von Wirtschaftssubjekten mit ähnlichen Präferenzen identifizieren.
• Herausarbeiten der Anreize, Erwartungen, einzelwirtschaft-lichen Entscheidungen, die die Probleme verursachen.
• Analyse der Problemlösungsmöglichkeiten im aktuellen Institutionengefüge.
• Entwicklung institutioneller Alternativen und Implementierungsstrategien.
Analysewegweiser
2.4.4 Analysewegweiser institutionellen Wandels
Prof. Dr. Theresia Theurl72/224
2.5 Fallstudie
Fallstudie:
Anwendung der Institutionenhierarchie am Beispiel
der Arbeitsmarktregulierung
Prof. Dr. Theresia Theurl73/224
2.5 Fallbeispiel Arbeitsmarktregulierung
1. Ebene: institutionelle Einbettung
USA
• Vertrauen in staatliche Organisation öffentlicher und sozialer Belange
• Lange Geschichte eines starken „Obrigkeitsstaates“• Kulturelle Verankerung eines umfassenden,
versorgenden Staates• Verbreitetes Verständnis „soziale Marktwirtschaft“:
Staat sorgt für sozialen Ausgleich• Historisch (evolutionär und konstruktivistisch)
gewachsen: Berufsständische Hilfe in Gilden und Zünften, Bismarck‘sche Sozialgesetze, öffentlicher Ausbau der Infrastruktur, …
Unterschiedliche Vorstellungen über die Verteilung wirtschaftlicher und sozialer Rechte
und Pflichten zw. Individuen, Gruppen und Staat.
• Geschichtlich bedingt stärkere Betonung individueller Freiheit, Leistungsgerechtigkeit, Privateigentum, Wettbewerb, Privat- und Bürgerinitiative
• Aufbau öffentlicher Infrastruktur weitgehend durch private Initiative (Eisenbahn, Telekommunikation, Energie, Bildung, …)
• Arbeitsmarkt als funktionierender Markt eingeschränkt
USA tendenziell schwächere Regulierung des Arbeitsmarktes (Finanzmarkt, …)
Deutschland
Prof. Dr. Theresia Theurl74/224
2.5 Fallbeispiel Arbeitsmarktregulierung
• Verfassung: Sozialstaatsprinzip • Arbeitsgesetze• Arbeitsgerichte
• Betriebsräte, Mitbestimmung• Lohnfindung durch Tarifparteien• Aufsichtsratsmandate von
Betriebsräten und Gewerkschaften• Entstehung von Zeitarbeitsfirmen,
Beschäftigungsgesellschaften• Genderregelungen
2. Ebene: institutioneller Rahmen 3. Ebene: Governance-Strukturen
Prof. Dr. Theresia Theurl75/224
2.5 Fallbeispiel Arbeitsmarktregulierung
• z.B. Kündigungsschutz: soziale Klauseln bzgl. Alter, Familienstand, Betriebszugehörigkeit („Sozialauswahl“), Betriebsgröße etc.
einzelwirtschaftliche Reaktion: Reduktion von Entlassungskosten durch:
- Zeitarbeit statt eigene Vollzeitbeschäftigte- Unterlassene Einstellung- Abfindungen zur Kündigungserleichterung
-0
- Outsourcing/ Offshoring von Leistungen
- Befristete Verträge, wiederholte Probezeiten
4. Ebene: Ressourcenallokation
Prof. Dr. Theresia Theurl76/224
2.5 Fallbeispiel Arbeitsmarktregulierung
Internationaler Wettbewerb, Struktur-wandel, strukturelle Arbeitslosigkeit
Allokative (und distributive) Ineffizienz
Veränderungsdruck:
aber: v.a. Bedenken bzgl. distributiver Effizienz kulturell tief verankert (Ebene: institutionelle Einbettung)
institutionelle Effizienz erlaubt nur langsamen Wandel, kein abruptes Umschwenken (Pfadabhängigkeit)
z.B. Agenda 2010:
• Ausnahmen von Sozialauswahl bei Kündigung• Öffnung der Tarifverträge für Betriebsvereinbarungen• Teilweise länger befristete Arbeitsverträge gestattet (bei
Existenzgründung); etc.
Widerspruch zu informellen Institutionen
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2.6 Institutionen und wirtschaftliche Entwicklung
Traditionelle Wachstumstheorien:
Wirtschaftsleistung
• Arbeit
• (Human-) Kapital
• Technischer Fortschritt
Empirische Studien: Nur ein Teil des Wachstums lässt sich so erklären. Institutionen als weiterer Faktor?
Institutionen werden nicht
explizit berücksichtigt
DOUGLASS C. NORTH: „Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung“ (1992)
Institutionen sind wesentliche Bestimmungsfaktoren der langfristigen Wirtschaftsleistung und damit auch der wirtschaftlichen Entwicklung.
Hypothese:
Prof. Dr. Theresia Theurl79/224
2.6 Institutionen und wirtschaftliche Entwicklung
Institutionelle Arrangements
Senken Transaktionskosten
Mehr Transaktionen
Höhere Wohlfahrt
Argumentation North:
Empirische Evidenz
Qualität der InstitutionenLo
g B
IP p
ro K
opf (
1995
)
Entwicklungsländer
Industrieländer
Quelle: IMF (2003)
Signifikanter Zusammenhang zwischen Institutionen und wirtschaftlicher Entwicklung
Prof. Dr. Theresia Theurl80/224
2.6.1 Messung des Einflusses von Institutionen
Grundsätzliches Problem: Operationalisierung und Messung des Einfluss von Institutionen
• Governance-Indikator (KAUFMANN/KRAAY/MATRUZZI (KKM)):Korruption, Rechtsstaatlichkeit, politische Stabilität, Effektivität der Regierung, Qualität der Regulierung, politische Partizipation und Verantwortung
• International Country Risk Guide Database
Beispiele der Messung ökonomischer Freiheit und Sicherheit
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• Index of Economic Freedom (Fraser Institute):
Staatsquote, Transfers und Subventionen rel. zum BIP, Bedeutung öffentlicher UN, staatlicher Anteil an Gesamtinvestitionen, marginale Steuerlast, …
Unabhängigkeit der Judikative, Vertragsdurchsetzung, Schutz geistigen Eigentums, Schutz vor willkürlichen Staatseingriffen, …
Geldmengenexpansion rel. zu Wirtschaftswachstum, Inflationsrate, Varianz der Inflationsrate, …
Zugang zu Fremdwährung, Integration in Welthandel, Steuern und Zölle auf Importe, Nicht-tarifäre Handelshemmnisse, Kapitalverkehrskontrollen, …
Finanzmarktregulierung, Arbeitsmarktregulierung, Gütermarktregulierung
- Umfang Staatssektor:
- Rechtsstaatlichkeit und Durchsetzung von Verfügungsrechten:
- Geldpolitik und Preisstabilität:
- Freihandel:
- Regulierungsintensität:
2.6.1 Messung des Einflusses von Institutionen
Prof. Dr. Theresia Theurl82/224
• Indikatoren für „Qualität der Institutionen“ uneinheitlich und subjektiv ausgewählt und interpretiert
• Keine Berücksichtigung der Genauigkeit, mit der sich die institutionelle Qualität beurteilen lässt (Standardfehler)
• Keine nähere Differenzierung zwischen unterschiedlichen institutionellen Arrangements
• Fraser Index of Economic Freedom: Transferzahlungen, Steuern, Regulierung etc. haben auch positive Wirkungen (Akzeptanz der Ordnung, Reduktion Risikoaversion, Heilung von Marktversagen)
bleibt unberücksichtigt
• Datenverfügbarkeit
• Kausalität: Sind „gute“ Institutionen die Ursache für mehr Wachstum oder umgekehrt?
Herausforderungen
2.6.1 Messung des Einflusses von Institutionen
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Bestehende und träge informelle Institutionen
2.6.2 Institutionelle Konsistenz
Implementierung wohlfahrtsfördernder Institutionen
Intendierte Reform formeller Institutionen
• Glaubwürdiges Commitment der Regierung an Gesetze, Policies und regulatorische Regimes
• Transparenz öffentlicher Finanzen und Verwaltung
• Unbestechliche und unabhängige Gerichte und Bürokraten
Fit?
• Informationsfluss zu Öffentlichkeit (Medien) bzw. Geschäftspartnern
Kontrollfunktion• Soziale Akzeptanz der Ordnung
und Konsensbereitschaft• Bereitschaft zu wettbewerblichem
Verhalten• Persönliche Netzwerke, Reputation • Sekundärtugenden: Pünktlichkeit,
Ehrlichkeit,…
Vgl
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(200
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Kanalisieren Ressourcen(re-)distribution, Informationsflüsse, Kontrollmöglichkeiten und Verhalten
Prof. Dr. Theresia Theurl84/224
2.6.2 Institutionelle Konsistenz
Washington Consensus (IMF, Weltbank)
Transformationsprozess in Osteuropa
•Starres Reformpaket: Privatisierung, Deregulierung, Liberalisierung Kapitalmarkt
Kaum Berücksichtigung unterschied-licher Rahmenbedingungen„importierte“ formelle Regeln passten nicht in den institutionellen Kontext der betroffenen Länder
•Schnelle Privatisierungen ohne marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen
•Liberalisierung des Finanzsektors ohne hinreichend definierte Verfügungsrechte, Rechtssicherheit und Kontrollinstanzen
•Möglichst schnell: formeller Wandel von Planwirtschaft zu Marktwirtschaft
•Langsamerer Wandel informeller Institutionen
Inkonsistenz
Transaktionskosten
Lobbyarbeit, Rent-seeking
Korruption Unsicherheit
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2.6.2 Institutionelle Konsistenz
Fazit: Institutionen und wirtschaftliche Entwicklung• Positiver Zusammenhang zwischen Institutionen und
wirtschaftlicher Entwicklung durch zahlreiche Studien belegt.
• Kein Patentrezept: Institutionen müssen in den lokalen Kontext passen.
• Entwicklungsunterschiede zwischen Transformationsländern sind auch durch unterschiedliche informelle Institutionen zu erklären
• Pfadabhängigkeit
• Reiche Empirie: Emerging markets, Transformationsökonomien
Prof. Dr. Theresia Theurl86/224
2.7 Die Neue Institutionenökonomik
Aber: Neoklassik und Keynesianismus vernachlässigen Institutionen.
Betonung der Bedeutung von Institutionen für Wirtschaft und Politik sowie der Analyse von Entstehung und Wirkungen von Institutionen.
• Adam Smith (1723-1790)Handlungsrestriktionen in Form informeller Institutionen
• David Hume (1711-1776)Eigentumsrechte
• John Stuart Mill (1806-1873)Bedeutung von Gewohnheiten für Marktpreisbildung
Einige Klassiker:
Prof. Dr. Theresia Theurl87/224
2.7 Die Neue Institutionenökonomik
1840 1870 1900 1930 1960 2002Quelle: ERLEI/LESCHKE/SAUERLAND (2007)
Amerikanischer Institutionalismus
Österreichische Schule
Deutsche HistorischeSchule
Ältere Jüngere Freiburger Schule
Prof. Dr. Theresia Theurl88/224
2.7 Die Neue Institutionenökonomik
„Alte“ Institutionenökonomik:Teilweise ähnliche Ansätze und Intentionen wie die Neue Institutionenökonomik, aber keine systematischen Konzepte, die sich allgemein durchsetzen konnten.
Neue Institutionenökonomik:Beginnend mit COASE (1937): „The Nature of the Firm“ sukzessive Entwicklung eines „harten Kerns“ der NIÖ.
Prof. Dr. Theresia Theurl89/224
2.7 Die Neue Institutionenökonomik
Property-rights-
Theorie
Transaktions-kosten-theorie
Prinzipal-Agent-Theorie
Vorlesung NIÖ
Neue PolitischeÖkonomik
Verfassungs-
ökonomik
VL Wirtschafts-politik
Institutionen der Wirtschaft
Institutionen des Rechts
Institutionen der Politik
NeueInstitutionenökonomik
Prof. Dr. Theresia Theurl90/224
Literatur
• ERLEI/LESCHKE/SAUERLAND (2007), Neue Institutionenökonomik, Stuttgart. S 1-26; 43-50; 547-579.
• GÖBEL, E. (2002), Neue Institutionenökonomik, Stuttgart. S. 1-59.
• SHIRLEY, M.M. (2005), Institutions and Development, in: Ménard, C. / Shirley, M. (eds.) (2005): Handbook of New Institutional Economics, Dordecht, S. 611-638.
• WILLIAMSON, O. E. (2000), The New Institutional Economics: Taking Stock, Looking Ahead. Journal of Economic Literature 38, S. 595-613.
Basisliteratur
• DIETL (1993), Institutionen und Zeit, Tübingen.
• HOMANN/SUCHANEK (2005), Ökonomik: Eine Einführung, Tübingen.
• IMF (2003), Growth and Institutions, in: World Economic Outlook 2003, Washington.
Weiterführende Literatur
Prof. Dr. Theresia Theurl91/224
Literatur
• IMF (2005), Building Institutions, in: World Economic Outlook 2005, 125-160, Washington.
• KAUFMANN/KRAAY/MASTRUZZI (2008), Governance Matters V: Aggregate and Individual Governance Indicators for 1996-2007, World Bank Working Paper.
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