2007-08-05, Predigt 'Jahresringe des Lebens'

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Und deswegen, weil Gott Schöpfer ist, bleibt uns die Hoffnung, daß er uns selbst die unverständlichsten Dinge „zum Guten mitwirken“ lassen kann, wie es die folgen- de Geschichte beschreibt. Ein altes Märchen berich- tet von der Palme, die in einer Oase stand, und der von einem bösen Men- schen ein schwerer Stein in ihre Baumkrone gelegt wurde. Jahre später kehrte derselbe Mensch wieder an den Ort seiner Tat zu- rück, schaute sich um, und suchte die verkrüppelte Pflanze zu finden, die er glaubte, zurückgelassen zu haben. Aber tatsächlich begegnete ihm die gröss- te und schönste Palme der Oase, die rauschte leicht mit ihren Blättern und sag- te sanft: „Ich danke Dir dafür, dass Du mir damals den Stein in die Krone gelegt hast. Dadurch hast Du mich dazu gezwungen, meine Wurzeln viel mehr nach dem Was- ser auszustrecken und meine Blätter nach der Sonne, als meine Altersgenossen. So bin ich stärker als alle geworden.“ Nehmen wir Gottes Einladung an, unsere Lasten zu ihm zu bringen. Seine Bereit- schaft dazu wird im Abendmahl symboli- siert. Das Abendmahl: Ein Ort, um seine Lasten zu bringen Die Äusseren: Umstände, die uns be- drängt haben oder noch tun Die Inneren: Unsere Schuld, die wir ablegen möchten Wenn Gott uns vergibt, ist die Tür frei, nicht nur die Beziehung zu ihm zu heilen, sondern auch die zu Partner, Freunden und anderen. Und wenn unsere eige- ne Seele frei geworden ist, ist sie auch frei dazu, den Frieden mit anderen wiederherzustel- len. So ist das Abendmahl ein Angebot des Friedens: Mit uns selbst, mit Gott und miteinander. Amen. Wolfgang v. Ungern-Sternberg Tel. 055 241 16 35 [email protected] „D er ist wie ein Baum, ge- pflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.“ Psalm 1,3 Wie sieht unser Wachstum aus, vergli- chen mit der biblischen Verheissung? Jedes Jahr einen Ring—so wachsen Bäume in der Re- gel, sagen wir. Aber wie wachsen sie denn? Wenn sie genügend Licht, Wasser und Nährstoffe haben, bilden sie ihre Ringe schön regelmässig, wie hier. Aber allzu leicht, schnell und oft kann es geschehen, dass das regelmässi- ge Wachstum ins Stocken kommt—die Erde vertrocknet, andere Bäume nehmen das Licht, Stürme kommen auf, Ameisen und Käfer überfallen die Pflanze. Wenn wir uns einmal vorstellen, Bäume wären Menschen — wie wären wir dann gewachsen? Nur leicht unregelmässig (aber dafür überall etwas verkrümmt)? „Das Leben ist wie ein langer ruhiger Fluss … nur voller Hindernisse“ hiess das Bonmot eines Films einmal—und genauso ist es mit unserem Leben: Manche Dinge treffen uns aus dem Blauen, aus heiterem Himmel heraus, und ihr Einschlag kann Narben für‘s Leben hinterlassen. Oder eigentlich regelmässig, aber mit einem deutli- chen Einschlag, als ob etwas durchge- schossen wäre? Die Zeit heilt nicht alle Wunden, sie deckt sie manchmal nur zu… Falkenstrasse 1 8630 Rüti Predigt vom 5. August 2007

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Und deswegen, weil Gott Schöpfer ist, bleibt uns die Hoffnung, daß er uns selbst die unverständlichsten Dinge „zum Guten mitwirken“ lassen kann, wie es die folgen-de Geschichte beschreibt.

Ein altes Märchen berich-tet von der Palme, die in einer Oase stand, und der von einem bösen Men-schen ein schwerer Stein in ihre Baumkrone gelegt wurde. Jahre später kehrte derselbe Mensch wieder an den Ort seiner Tat zu-rück, schaute sich um, und

suchte die verkrüppelte Pflanze zu finden, die er glaubte, zurückgelassen zu haben. Aber tatsächlich begegnete ihm die gröss-te und schönste Palme der Oase, die rauschte leicht mit ihren Blättern und sag-te sanft: „Ich danke Dir dafür, dass Du mir damals den Stein in die Krone gelegt hast.

Dadurch hast Du mich dazu gezwungen, meine Wurzeln viel mehr nach dem Was-ser auszustrecken und meine Blätter nach der Sonne, als meine Altersgenossen. So bin ich stärker als alle geworden.“ Nehmen wir Gottes Einladung an, unsere Lasten zu ihm zu bringen. Seine Bereit-schaft dazu wird im Abendmahl symboli-siert. Das Abendmahl: Ein Ort, um seine Lasten zu bringen • Die Äusseren: Umstände, die uns be-

drängt haben oder noch tun • Die Inneren: Unsere Schuld, die wir

ablegen möchten Wenn Gott uns vergibt, ist die Tür frei, nicht nur die Beziehung zu ihm zu heilen, sondern auch die zu Partner, Freunden und anderen. Und wenn unsere eige-ne Seele frei geworden ist, ist sie auch frei dazu,

den Frieden mit anderen wiederherzustel-len. So ist das Abendmahl ein Angebot des Friedens: Mit uns selbst, mit Gott und miteinander. Amen.

Wolfgang v. Ungern-Sternberg Tel. 055 241 16 35 [email protected]

„D er ist wie ein Baum, ge-

pflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken

nicht. Und was er macht, das gerät wohl.“ Psalm 1,3 Wie sieht unser Wachstum aus, vergli-chen mit der biblischen Verheissung?

Jedes Jahr einen Ring—so wachsen Bäume in der Re-gel, sagen wir. Aber wie wachsen sie denn?

Wenn sie genügend Licht, Wasser und Nährstoffe haben, bilden sie ihre Ringe schön regelmässig, wie hier. Aber allzu leicht, schnell und oft

kann es geschehen, dass das regelmässi-ge Wachstum ins Stocken kommt—die Erde vertrocknet, andere Bäume nehmen das Licht, Stürme kommen auf, Ameisen und Käfer überfallen die Pflanze. Wenn wir uns einmal vorstellen, Bäume wären Menschen — wie wären wir dann gewachsen? Nur leicht unregelmässig (aber dafür überall etwas verkrümmt)? „Das Leben ist wie ein langer ruhiger Fluss … nur voller Hindernisse“ hiess das Bonmot eines Films einmal—und genauso ist es mit unserem Leben: Manche Dinge treffen uns aus dem Blauen, aus heiterem Himmel heraus, und ihr Einschlag kann Narben für‘s Leben hinterlassen.

Oder eigentlich regelmässig, aber mit einem deutli-chen Einschlag, als ob etwas durchge-schossen wäre? Die Zeit heilt nicht alle Wunden, sie

deckt sie manchmal nur zu…

Falkenstrasse 1 8630 Rüti

Predigt vom 5. August 2007

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Oder sind wir gar-nicht wir selbst geblieben, son-dern haben wie „viele Kerne“ ent-wickelt, versucht, es allen recht zu

machen und wissen selbst nicht mehr recht, wer wir selbst eigentlich sind? Wenn wir genau hinsehen, dann können wir in den verzerrten Holzkernen Sinnbil-der unserer eigenen Geschichte entde-cken …

Diese Holzskulptur zeigt einen Mann, der von seiner schweren Last, sei-nem Rucksack, auf den Boden gedrückt worden ist und dort

in einer gebetsähnlichen Pose verharrt (sie steht in einem christlichen Hotel).

Amerikanische Forscher haben eine Liste der Dinge erstellt, die uns am meisten stressen—und sie ist lang… Dauernder Stress kann uns körperlich krank machen.

Wie wird es uns am Ende ergehen? Wird uns der Kopf verqualmen und wegfliegen wie dem Büroarbeiter, oder werden wir uns im New-Age-Supermarkt zu bedienen versuchen, um unsere Probleme aus-schliesslich selbst zu lösen?

Manchmal fühlen wir uns am Ende, seelisch und körperlich am Ende unserer Kraft. Wir wissen nicht mehr weiter. Wir fühlen uns

unfähig noch einen klaren Kopf zu behal-ten und richtige Entscheidungen zu tref-fen. "Weisheit ist die Fähigkeit, zu merken, wenn man mit seiner Weisheit am Ende ist." Thomas Prünte Und genau hier begegnen wir jemandem, der uns voraus gegangen ist, und der uns etwas geben kann, was weit über eine Detailhilfe in der einzelnen Situation hi-nausgeht: Sich selbst , Gemeinschaft mit ihm, Frieden, der über unseren Verstand geht.

In der Begegnung mit dem Auferstande-nen vollzieht sich etwas Wunderbares: Unsere Perspektive verändert sich—“Grosses wird groß, Kleines wird klein.“ Die Probleme können plötzlich verschwin-den, aber selbst wenn sie es nicht tun, fühlen wir uns auf einmal deutlich freier! Äussere Lasten bringen

Im Abendmahl erinnert uns Gott an seine Ein-ladung: Sie gilt uns. Egal, wie sehr wir be-drängt sind von unse-ren Umständen—er hat uns zugesagt, ganz dicht bei uns zu sein. Brot und Wein beim

Abendmahl sind ein Zeichen dafür, dass wir unsere Lasten zu ihm bringen kön-nen.

Sehen sie das Bild nochmals und entde-cken sie in ihm einen neuen Sinn. Wenn wir uns am Ende unserer Kräfte finden, sind wir in bester Gesellschaft: Gott hat sich selbst bis zur Hilflosigkeit zu uns herabgelassen, damit wir besser verste-hen können, wie nahe er ist! Die Lasten, die uns bedrängen, hat auch er erlebt und getragen. Deswegen kann er uns verstehen! Daher musste er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott, zu sühnen die Sünden des Volkes. Denn worin er selber gelitten hat und ver-sucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden. Hebr. 2,17f.

Seine Einladung zum Abendmahl ist also eine Erinnerung daran, wie er für uns die Hilflosigkeit gewählt hat. Deswegen, weil er das getan hat—egal, welcher Punkt aus der Stressliste uns betrifft, er kann uns ganz verstehen, und darauf können wir uns verlassen! Innere Lasten bringen Und noch eine andere Art von Last kön-nen wir bringen: Die innere Belastung, die unsere Seele quetscht, Schuld.

Die Tänzerin i m B i l d schreibt die ganze Wand voll mit zwei W o r t e n : „ F o r g i v e me“ („Vergib mir“). W a r u m schreibt sie das wohl so oft? • Z w e i f e l t sie daran, dass sie ge-

hört wird? • Hat sie Angst vor demjenigen, den sie

damit anspricht, und versucht, ihn gü-tig zu stimmen?

• Hat sie ein strenger Lehrer vielleicht gezwungen, es so oft zu schreiben?

Alle drei Punkte sind Missverständnisse: • Gott hört uns gern, wenn wir ihn um

Vergebung bitten • Er stellt sich voller Liebe zu seinen

Kindern • Er sagt uns zwar, wie nötig es ist,

aber er zwingt ganz sicher nicht!