2010 Tiroler Schützenkalender - Texte

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Freiheit und Würde des Menschen Zur Treue zu Gott und zum Erbe der Väter und Müt- ter gehört unweigerlich „Freiheit und Würde des Men- schen“. Freiheit braucht ein gutes Gedächtnis, ansons- ten lässt sie sich leicht kolonisieren und besetzen. Das Freiheitsbewusstsein erfuhr im Verlauf der Geschich- te Einfärbungen und auch Verdunkelungen. Es ist ein Wert, sich für Freiheit und Unabhängigkeit zu entschei- den. Freiheit heißt ja auch: Sich nicht besetzen lassen, sich nicht vereinnahmen lassen. Das inkludiert eine Un- abhängigkeit von fremden Machthabern, aber auch eine innere Freiheit von herrschenden Meinungen und von den Zwängen der Strukturen. Freiheit, das heißt andere nicht als Mittel für eigene Interessen ge- oder missbrauchen. Freiheit, d.h. andere nicht hörig oder abhängig machen. Freiheit ist gefährdet, wenn sie auf Egoismus redu- ziert wird und von einem reinen Anspruchs- und Ver- sorgungsdenken geprägt wird. (Fortsetzung siehe Rückseite Kalenderblatt Januar!) S chützen, beschützen, zum Schutzengel beten, Schutzmacht, Schutzbefohlene, Schutzman- telmadonna, Unter deinen Schutz und Schirm, Schutzbrille, Schutzbündnis, Schutzanzug, Schutzbrief, Schutzweg, Schutzraum, Schutzpatron, Schutzimp- fung, Schutzhütte, Schutzgeld, Schutzgelderpressung, Schutzhaft, Schutzgebühr, Knieschützer, Schützenhil- fe, Schutzherrschaft, Schützengraben, Schütze, Schie- ßender, Schützling, Flurschütz, Schutzmann (Polizist), Schützenbruder, Schützenfest, Schützenversammlung, Schützenbund. Das alles und noch mehr findet sich im Duden unter dem Stichwort Schutz, Schütze, Schützen. Zunächst bedeutete schützen im Mittelhochdeutschen „aufdämmen, (Wasser) aufstauen, das entwickelte sich dann zur Bedeutung: Schutz gewähren, beschirmen. Und der „Schütze“ stand zunächst im Zusammenhang mit „schießen“. Es meinte ursprünglich den Bogen- schützen, später den Armbrust- und Gewehrschützen. Unter dem Einfluss des Verbs „schützen“ war mit dem Schützen auch der Feldhüter, d.h. der Flurschütz, ge- meint. Der Wesenskern einer Institution besteht in ihrer geistigen Zielsetzung Anknüpfend an die jahrhundertealte Tradition des Schützenwesens in Tirol wurden die Grundsätze des Bundes der Tiroler Schützenkompanien in Anlehnung an die Präambel der Tiroler Landesverfassung einmütig beschlossen. Sie lauten: Die Treue zu Gott und zum Erbe der Väter. Der Schutz von Heimat und Vaterland. Die geistige und kulturelle Einheit des ganzen Landes. Die Freiheit und Würde des Menschen. Die Pflege des Tiroler Schützenbrauches. Treue zu Gott und zum Erbe der Väter und Mütter In einer Zeit, in der Treue und Bindungsfestigkeit auf vielen Ebenen zu zerrinnen drohen, ist die Rück- besinnung auf das Bekenntnis unserer Väter und Müt- ter umso dringlicher. In unserer Zeit, in der der Glaube in weiten Teilen der Gesellschaft zu verlöschen droht wie eine Flamme, die keine Nahrung mehr findet, ist die allererste Priorität, Gott gegenwärtig zu machen in dieser Welt und den Menschen den Zugang zu Gott zu öffnen. In unserem Land sind viele Kirchen und Kapel- len Zeugnisse für die Bindung der Tiroler an den leben- digen Gott. Die Schützen haben sehr viel für die Erhal- tung und Renovierung der Kirchen und Kapellen getan. „Der Glaube hat den Charakter dieses Landes und seine Menschen tief geprägt. Es muss daher ein Anliegen al- ler sein, nicht zuzulassen, dass eines Tages womöglich Heimat gibt uns Halt - Teil 1 Predigt von Bischof Manfred Scheuer beim Gottesdienst anlässlich der Bundes- und Festversammlung der Tiroler Schützen im Gedenkjahr 2009 in der Dogana in Innsbruck Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck. nur noch die Steine hierzulande vom Christentum reden würden. Ein Tirol ohne lebendigen christlichen Glau- ben wäre nicht mehr Tirol. Es geht nicht um irgendeinen Gott, sondern um den Gott, der am Sinai gesprochen hat; um den Gott, des- sen Gesicht wir in der Liebe bis zum Ende (Joh 13, 1) - im gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus erkennen. „Dazu kommt die Notwendigkeit, dass alle, die an Gott glauben, miteinander den Frieden suchen, versuchen, einander näher zu werden, um so in der Unterschiedenheit ihres Gottesbildes doch gemeinsam auf die Quelle des Lichts zuzugehen - der interreligiöse Dialog.“ Diese Treue zu Gott verlangt persönlichen und ge- meinschaftlichen Umgang mit Gott, ruft zur Feier und Einhaltung des Sonntags. Der möglichst arbeitsfreie Sonntag als gemeinsamer Tag größerer Ruhe ist ein hohes Gut, dessen Preisgabe der ganzen Gesellschaft schweren Schaden zufügen würde. Uns Christen ist der Sonntag heilig. Er ist ein Tag des Feierns vor Gott und mit Gott, ein Tag des Dankes für Schöpfung und Erlö- sung und ein Tag der Familie. „Verantwortung tragen, einander Hüter und Beschützer sein.” Bischof Manfred Scheuer bei der Predigt in der Dogana. Die Gemeinschaft der Schützen bemüht sich, zwischen den Generationen Brücken zu schlagen. (Fotos: M. Wedermann)

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Tiroler Schützenkalender 2010 Texte

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Freiheit und Würde des MenschenZur Treue zu Gott und zum Erbe der Väter und Müt-

ter gehört unweigerlich „Freiheit und Würde des Men-schen“. Freiheit braucht ein gutes Gedächtnis, ansons-ten lässt sie sich leicht kolonisieren und besetzen. Das Freiheitsbewusstsein erfuhr im Verlauf der Geschich-te Einfärbungen und auch Verdunkelungen. Es ist ein Wert, sich für Freiheit und Unabhängigkeit zu entschei-den. Freiheit heißt ja auch: Sich nicht besetzen lassen, sich nicht vereinnahmen lassen. Das inkludiert eine Un-abhängigkeit von fremden Machthabern, aber auch eine innere Freiheit von herrschenden Meinungen und von den Zwängen der Strukturen.

Freiheit, das heißt andere nicht als Mittel für eigene Interessen ge- oder missbrauchen. Freiheit, d.h. andere nicht hörig oder abhängig machen.

Freiheit ist gefährdet, wenn sie auf Egoismus redu-ziert wird und von einem reinen Anspruchs- und Ver-sorgungsdenken geprägt wird.

(Fortsetzung siehe Rückseite Kalenderblatt Januar!)

Schützen, beschützen, zum Schutzengel beten, Schutzmacht, Schutzbefohlene, Schutzman-telmadonna, Unter deinen Schutz und Schirm,

Schutzbrille, Schutzbündnis, Schutzanzug, Schutzbrief, Schutzweg, Schutzraum, Schutzpatron, Schutzimp-fung, Schutzhütte, Schutzgeld, Schutzgelderpressung, Schutzhaft, Schutzgebühr, Knieschützer, Schützenhil-fe, Schutzherrschaft, Schützengraben, Schütze, Schie-ßender, Schützling, Flurschütz, Schutzmann (Polizist), Schützenbruder, Schützenfest, Schützenversammlung, Schützenbund.

Das alles und noch mehr findet sich im Duden unter dem Stichwort Schutz, Schütze, Schützen.

Zunächst bedeutete schützen im Mittelhochdeutschen „aufdämmen, (Wasser) aufstauen, das entwickelte sich dann zur Bedeutung: Schutz gewähren, beschirmen. Und der „Schütze“ stand zunächst im Zusammenhang mit „schießen“. Es meinte ursprünglich den Bogen-schützen, später den Armbrust- und Gewehrschützen. Unter dem Einfluss des Verbs „schützen“ war mit demSchützen auch der Feldhüter, d.h. der Flurschütz, ge-meint.

Der Wesenskern einer Institutionbesteht in ihrer geistigen Zielsetzung

Anknüpfend an die jahrhundertealte Tradition des Schützenwesens in Tirol wurden die Grundsätze des Bundes der Tiroler Schützenkompanien in Anlehnung an die Präambel der Tiroler Landesverfassung einmütig beschlossen. Sie lauten:Die Treue zu Gott und zum Erbe der Väter.Der Schutz von Heimat und Vaterland.Die geistige und kulturelle Einheit des ganzen Landes.Die Freiheit und Würde des Menschen.Die Pflege des Tiroler Schützenbrauches.

Treue zu Gottund zum Erbe der Väter und Mütter

In einer Zeit, in der Treue und Bindungsfestigkeit auf vielen Ebenen zu zerrinnen drohen, ist die Rück-besinnung auf das Bekenntnis unserer Väter und Müt-ter umso dringlicher. In unserer Zeit, in der der Glaube in weiten Teilen der Gesellschaft zu verlöschen droht wie eine Flamme, die keine Nahrung mehr findet, ist die allererste Priorität, Gott gegenwärtig zu machen in dieser Welt und den Menschen den Zugang zu Gott zu öffnen. In unserem Land sind viele Kirchen und Kapel-len Zeugnisse für die Bindung der Tiroler an den leben-digen Gott. Die Schützen haben sehr viel für die Erhal-tung und Renovierung der Kirchen und Kapellen getan. „Der Glaube hat den Charakter dieses Landes und seine Menschen tief geprägt. Es muss daher ein Anliegen al-ler sein, nicht zuzulassen, dass eines Tages womöglich

Heimat gibt uns Halt - Teil 1Predigt von Bischof Manfred Scheuer beim Gottesdienst anlässlich der Bundes- und Festversammlung

der Tiroler Schützen im Gedenkjahr 2009 in der Dogana in Innsbruck

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

nur noch die Steine hierzulande vom Christentum reden würden. Ein Tirol ohne lebendigen christlichen Glau-ben wäre nicht mehr Tirol.

Es geht nicht um irgendeinen Gott, sondern um den Gott, der am Sinai gesprochen hat; um den Gott, des-sen Gesicht wir in der Liebe bis zum Ende (Joh 13, 1) - im gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus erkennen. „Dazu kommt die Notwendigkeit, dass alle, die an Gott glauben, miteinander den Frieden suchen, versuchen, einander näher zu werden, um so in der Unterschiedenheit ihres Gottesbildes doch gemeinsam auf die Quelle des Lichts zuzugehen - der interreligiöse Dialog.“

Diese Treue zu Gott verlangt persönlichen und ge-meinschaftlichen Umgang mit Gott, ruft zur Feier und Einhaltung des Sonntags. Der möglichst arbeitsfreie Sonntag als gemeinsamer Tag größerer Ruhe ist ein hohes Gut, dessen Preisgabe der ganzen Gesellschaft schweren Schaden zufügen würde. Uns Christen ist der Sonntag heilig. Er ist ein Tag des Feierns vor Gott und mit Gott, ein Tag des Dankes für Schöpfung und Erlö-sung und ein Tag der Familie.

„Verantwortung tragen, einander Hüter und Beschützer sein.”

Bischof Manfred Scheuer bei der Predigt in der Dogana.

Die Gemeinschaft der Schützen bemüht sich, zwischen den Generationen Brücken zu schlagen. (Fotos: M. Wedermann)

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Die Freiheit in unserem Land lebt von vielen Eh-renamtlichen, von den Netzwerken und von der Freundschaft, von der Gratisgabe der Zeit und

von der Solidarität. Zur Freiheit im christlichen Sinn gehört die soziale Dimension des christlichen Glau-bens. Ein großes Vergelt’s Gott den Schützen für die Allianz mit Kirche, Land und Gemeinden im sozialen, kulturellen und kirchlichen Bereich.

Der umfassende Schutz des Lebens ist eine Grund-haltung der Bibel und damit der Christen. Die Fragen am Lebensanfang und Lebensende wie Embryonenfor-schung, Abtreibung und Euthanasie stehen in intensiver Wechselwirkung mit dem Problem des Umgangs mit-ten im Leben: Zugang zu medizinischer Behandlung und Leistung, soziale Lebensbedingungen, Bildung als wichtige Grundlage für Lebenschancen, Vorsorge im Alter, Sicherheit, Frieden. Was um die Lebensränder gesellschaftlich besprochen wird, ist ein Signal für das, was uns künftig auch in der Lebensmitte betreffen kann. Der menschlichen Person kommt eine unantastbare Würde zu, die in der Gottebenbildlichkeit eines jeden Menschen und seiner Berufung zur Gotteskindschaft begründet ist. „Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Kain entgegnete: Ich weiß es nicht. Bin ich denn der Hüter meines Bruders? (Gen 4,9)“ - Die Botschaft der Heiligen Schrift mutet uns zu, dass wir einander aufgetragen sind, einander Patron sind, für-einander sorgen,

Verantwortung tragen, einander Hüter und Beschüt-zer sein. Das Evangelium traut euch, den Schützen, zu, dass ihr Freunde und Anwälte des Lebens seid, dass ihr Lebensräume schafft, in denen in die Enge getriebene Menschen Ja zum Leben sagen können. - Umso er-freulicher ist eure Bereitschaft, liebe Schützen, diesen Grundwert menschlichen Lebens hineinzutragen in das neue Jahrtausend unserer christlichen Geschichte.

Der Schutz von Heimat- und VaterlandHeimat gibt uns Menschen Halt. Heimatlosigkeit be-

deutet Entwurzelung des Daseins und Entwurzelung ist eine Krankheit. Sie betrifft nicht nur jene, die flüchten müssen oder aus anderen Gründen ihre Heimat verlas-sen. Und gar nicht so wenige haben hier bei uns kein seelisches Obdach, kein Zuhause mehr, weil sie keinen Menschen haben, weil sie nirgends dazu gehören.

Die Treue zum Vater- bzw. Mutterland bedeutet, dessen Geschicke mitzutragen und mitzugestalten, dass dieses Land kostbare Heimat bleiben oder werden kann.

Wenn ihr bereit seid, die Schöpfung als Lebens-grundlage des Menschen - bis hin zu Fragen des Tran-sitverkehrs - zu bewahren, wenn ihr bereit seid, in Ka-

tastrophen und Gefahren auch unter schweren Opfern den Mitmenschen zu helfen, dann verwirklicht ihr den Grundauftrag Jesu.

Die geistige und kulturelle Einheitdes ganzen Landes

Die Spannungen und Kriege vergangener Jahrzehn-te und Jahrhunderte sind Gott sei Dank einem freund-schaftlichen und bewussten Miteinander im Herzen Europas gewichen. Es gibt keinen anderen Weg, das Gemeinsame zu stärken und zu fördern, als Begeg-nung, Dialog und Austausch auf allen Ebenen. Dass es da und dort - auch heute noch - Spannungen gibt, ist Herausforderung, das Wesentliche zu gewinnen. Als Schützen versteht ihr euch als Diener des Friedens, der von Freiheit und Gerechtigkeit geprägt ist. Die Einheit des Landes ist auch eine soziale Frage, eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Die Tiroler Landesverfassung hebt hervor, dass der innere und äußere Friede, die Freiheit, die Gerechtigkeit und der Wohlstand für alle nur zu schaffen sind, wenn die Verantwortung vor Gott und den Menschen wahrgenommen wird. Und es ist ei-ne Frage der Gerechtigkeit kommenden Generationen gegenüber, wie wir mit der Umwelt, mit dem Lebens-raum, mit der Schöpfung umgehen.

Einheit, das stellt euch vor die Aufgabe, mit Unter-schieden und Grenzen schöpferisch umzugehen. In je-der Schützenkompanie, in jeder Gruppe und in jedem Verein gibt es ganz unterschiedliche Menschen und Typen, unterschiedlich von der Art und vom Charakter her, unterschiedlich vom beruflichen Werdegang, von irgendwelcher fachlichen Qualifikation und Ausbil-dung, unterschiedlich auch von Zielen, die angestrebt werden. Manchmal denke ich mir, was ist das für eine Chance für eine Gesellschaft, wenn diese Unterschiede nicht vom Neid, nicht von der Konkurrenz und nicht von der Rivalität her geprägt sind. Die Schützen schla-gen Brücken. In der Schützenkompanie marschiert der Akademiker neben dem Hilfsarbeiter, der Beamte ne-ben der Sekretärin, der Bauer neben dem Geschäfts-mann, der 60-jährige neben der 16-jährigen.

Die Pflege des Tiroler SchützenbrauchesMit Dankbarkeit und Sympathie nehme ich bei gro-

ßen Festlichkeiten in den Dörfern und Städten Tirols eure Ehrensalve, liebe Schützen, entgegen und freue mich über eure aktive Mitbeteiligung und Mitgestal-tung unserer kirchlichen Feste. Wir brauchen Bräuche! Der Mensch braucht Bräuche wie das tägliche Brot. Es klingt überraschend und ist es dann doch nicht, wenn im Lexikon als Sprachwurzel für „Brauch“ angegeben wird: Nahrung aufnehmen, verwenden, genießen. Die

Urbitte: „Und gib uns unser täglich Brot“, heißt: Gib, was wir heute und jeden Tag zum Leben brauchen.

Sicher: Bräuche sollen nicht zum bloßen Ritual er-starren, es geht auch nicht um reine Folklore, schon gar nicht um die kommerziell orientierte Aufführung für Gäste. Es wäre aber fatal, wenn mit den Bräuchen und Trachten auch die Liebe zum Leben, der gute Stolz auf die Heimat, die Zusammengehörigkeit und die innere Verbundenheit sowie auch die Tradition des Glaubens und des Betens weggeworfen werden würden. Es wäre ein großer Verlust an Menschlichkeit, eine Verarmung in den Beziehungen und auch eine Ausdünnung des christlichen Glaubens.

Taten gelten mehr als Worte. Der deutsche Dichter Erich Kästner hat einmal in einem Gedicht geschrie-ben: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Und das ist wirklich wahr. Und wenn ihr jetzt fragt, was hat das alles mit der Religion und dem Glauben zu tun, dann möchte ich euch sagen: Die Mitmenschlichkeit hat sehr viel mit dem Glauben und Gott zu schaffen. Denn wer sich im Gutsein, im Verstehen, im Abbauen von Vorur-teilen, wer sich in Hilfsbereitschaft und Kameradschaft übt, wer das soziale, kulturelle und kirchliche Mit- einander aufbaut, der ist nie weit von Gott entfernt, selbst wenn er sich in Glauben schwer tut.

Dr. Manfred Scheuer ist Bischof von Innsbruck.

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Heimat gibt uns Halt - Teil 2Von Manfred Scheuer

Bräuche sollen nicht zum bloßen Ritual erstarren - es wäre aber fatal, wenn mit den Bräuchen und Trachten der Stolz auf die Heimat, sowie auch die Tradition des Glaubens und des Betens weggeworfen würden. Im Bild die Fronleichnamsprozession 2008 in Axams. (Fotos: M. Wedermann)

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Die letzten Kämpfe in diesem so ereignisreichen Jahr 1809 hatten noch am 6. Dezember im Ei-sacktal bei Brixen sowie an der Lienzer Klause

und am 8. Dezember bei Ainet im Iseltal stattgefunden. Diese letzte militärische Auseinandersetzung war für die Tiroler zwar gewonnen worden, änderte aber nichts mehr am Schicksal des Landes. Tirol wurde flächen-deckend von französischen und bayerischen Truppen besetzt und es begann die Suche nach den Anführern der Erhebung, von denen mehrere nach Österreich flie-hen konnten.

Andreas Hofers VersteckDer Oberkommandant, der Sandwirt Andreas Hofer,

war nicht dazu zu bewegen, das Land zu verlassen. Er hielt sich sogar in seiner engeren Heimat, im Passeier-tal, versteckt, zunächst am Pfandlerhof und dann durch Wochen in einer Mähderhütte auf der Pfandleralm hoch über Prantach.

Nur der getreue Cajetan Sweth, einer seiner Schrei-ber, begleitete ihn. Seine Lebensbeschreibung ist eine wichtige Quelle zur Kenntnis der letzten Wochen in Hofers Leben. Gegen Ende des Jahres 1809 kam auch des Sandwirts Gattin, Anna, mit dem 15 Jahre alten Sohn Johann auf die Hütte, nachdem ihr Versteck am Schneeberg bekannt geworden war. Der Alltag in der winterlichen Bergeinsamkeit verlief einfach und wohl auch nervlich zermürbend. Verlässliche Freunde wuss-ten von Hofers Aufenthaltsort; sie versorgten ihn und seine Leute mit Nahrungsmitteln, brachten Briefe bzw. übernahmen solche zum Weiterleiten und sie berichte-ten ihm über die Lage im Tal und im Land.

Einen Eindruck von Hofers geistiger Verfassung und seinem Entrücktsein von jeder Realität gewinnt man aus seinem letzten Brief, datiert mit 26. Jänner 1810, gerichtet an den von ihm so verehrten Erzherzog Jo-hann: Er, Hofer, habe den Tirolern immer die Hilfe von österreichischer Seite in Aussicht gestellt, wenn diese ausbleibe, stehe er als Lügner da. Aber selbst die „Fluchreden“, er sei die Ursache großen Unglücks, die ihn bis in das Grab verfolgen würden, ertrage er ger-ne; er fürchte nur das gestrenge Gericht Gottes. Hofer fühlte sich immer noch für das Seelenheil der Bevöl-kerung verantwortlich! Bei dieser „feindlichen Re-gierung“ würden viele Tausende Seelen ein Opfer des Teufels werden, daher müsse weiter gestritten werden.

Er bittet den Erzherzog, den Tirolern „nur eine kleine Hilfe an Truppen“ zu senden, um gemeinsam den Feind schlagen zu können. Der Sandwirt unterzeichnete das Schreiben mit der „armbe verlassne ßinder [= Sünder] Andere Hofer“.

Vor einem Jahr, im Jänner 1809, hatte sich Hofer in Wien u. a. mit dem Erzherzog getroffen und in optimis-tischer Weise die Tiroler Erhebung geplant. Niemand hatte sich ein so deprimierendes Ende erwartet!

Raffl entdeckt Hofers VersteckAnfang Jänner 1810 hatte der Sandwirt unliebsamen

Besuch erhalten. Auf dem Weg zu seiner Mähderhüt-te entdeckte Franz Raffl, ein einheimischer Bauer, des Sandwirts Versteck. Da Hofer von der schlechten wirt-schaftlichen Lage Raffls wusste, übergab er ihm eine als

„Schweigegeld“ gedachte Summe, worauf dieser ver-sprach, sein Versteck nicht bekannt zu geben. Dennoch scheint ihn das hohe „Kopfgeld“ von 1.500 Gulden, das auf den ehemaligen Oberkommandanten ausgesetzt war, gereizt zu haben. Nach einigen Wochen, am 27. Jänner, meldete er seine Entdeckung dem Richter von St. Leonhard, der ein Protokoll aufnehmen musste und daraufhin Raffl mit dem Akt zum kommandierenden französischen General Léonard Huard de Saint-Aubin nach Meran schickte. Um kein Risiko einzugehen, ent-sandte dieser sofort rund 600 Mann zur Festnahme Ho-fers auf die Pfandleralm.

Die Gefangennahme des Sandwirts und seiner Leute erfolgte in den frühen Morgenstunden des 28. Jänner. Der Zug führte von der Alm hinunter ins Tal und wei-ter nach Meran. Nach ersten Verhören ging es weiter nach Bozen; dort musste sich Hofer von Gattin und Sohn verabschieden. Hier besuchte ihn der hohe Of-fizier Charles Pierre Grisois und er hinterließ eine re-spektvolle Beschreibung Andreas Hofers (in deutscher Übersetzung):

„Eine hohe Figur, breite Schultern, ein dichter schwarzer Bart, der ihm bis auf die Brust reichte und grau zu werden begann, und ein strenger, aber ruhiger und schicksalsergebener Ausdruck verliehen seiner Erscheinung etwas Ehrwürdiges, das mich sehr beein-druckte, eine patriarchalische Gestalt aus alten Zeiten.“

Der Transport nach MantuaAm 5. Februar 1810 gelangte der Gefangenentrans-

port nach Mantua. Die dortigen Bürger, denen der „General barbone“ längst ein Begriff war und die ein Herz für ihn gefasst hatten, versuchten vergeblich, ihn dem französischen Militär um 5.000 Scudi Lösegeld „abzukaufen“. Kaiser Napoleon, von der Gefangen-

nahme unterrichtet, hatte zunächst vor, Andreas Hofer nach Vincennes in Frankreich, wo mehrere Prominen-te inhaftiert waren, bringen zu lassen, wies aber seinen Adoptivsohn Eugène Napoleon (Beauharnais), Vizekö-nig von Italien, an, nun in Mantua eine Militärkommis-sion einzuberufen, die ihn aburteilen und innerhalb von 24 Stunden erschießen lassen sollte. Unter diesen Um-ständen war der Prozess, der am 19. Februar stattfand und bei dem der Mantuaner Rechtsanwalt dott. Gio-acchino Basevi den Sandwirt gekonnt zu verteidigen suchte, eine Farce! Schon Tage vorher hatte sich Hofer, sein Schicksal ahnend, Cajetan Sweth gegenüber ge-äußert, dass es besser sei, er opfere sich für das ganze Land, als dass noch weitere Tiroler seinetwegen oder für das Land sterben müssten.

Hofers TodAm Tag nach dem Prozess musste das Urteil, Hin-

richtung durch Erschießen, vollstreckt werden. Es zeugt von Hofers innerer Festigkeit, nur aus seinem tiefen christlichen Glauben heraus erklärbar, wenn er einige Stunden vorher noch die Kraft hatte, einen Brief mit letzten Anweisungen zu schreiben und darin auch seinen Freund Vinzenz von Pühler in Neumarkt bat, seiner Ehefrau Trost zuzusprechen. Er verabschiedete sich nicht nur von seinem Freund, sondern vom irdi-schen Leben überhaupt: „Vo[n] der welt lebet alle wohl, wiß mir [= bis wir] in himel zam khomen vnd dortten gott loben an ent … Ade mein schnede welt, so leicht khombt mir das sterben vor, das mir nit die augen nasß werden …“

Gegen 11 Uhr war es soweit, dass Hofer aus seiner Zelle geholt und von den französischen Grenadieren unter dem Kommando des Feldwebels Michel Eiffes auf den Hinrichtungsplatz in der Nähe der Porta Mag-giore der Festung Mantua gebracht und füsiliert wurde.

Mehrere Legenden ranken sich um Andreas Hofers Tod. Übereinstimmend aber wurde berichtet, dass er ihn standhaft und unerschrocken erlitten habe, wie es auch Giovanni Battista Manifesti, Erzpriester der Kol-legiatsbasilika S. Barnaba, der den Sandwirt auf seinem letzten Weg begleitet hatte, in einem Schreiben vom 21. Februar 1810 ausdrückte (in deutscher Übersetzung):

„Gestern, kurz vor Mittag, wurde Herr Andreas Ho-fer, ehemaliger Kommandant Tirols, füsiliert. Von der Militärkommission, die ihn verurteilt hat, wurde ich aufgefordert, ihm Beistand zu leisten, … Ich habe einen Mann bewundert, der als christlicher Held in den Tod gegangen ist und diesen als unerschrockener Märtyrer erlitten hat.“

Dr. Meinrad Pizzinini ist Universitätsdozent für Neuere Geschichte an der Universität Innsbruck

Historische Aufnahme der Mähderhütte auf der „Pfandler-alm“, auf der der Sandwirt Andreas Hofer am 28. Jänner 1810 von französischen Soldaten verhaftet worden ist. Die Hütte ist im November 1919 abgebrannt und wurde 1984 re-konstruiert. (Ansichtskarte; Sammlung Ute Pizzinini, Völs)

Das Ende des Oberkommandanten Andreas Hofervon Meinrad Pizzinini

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Franz Raffl verrät das Versteck des ehemaligen Ober- kommandanten Andreas Hofer; Ölgemälde von Leopold Puellacher, 1820 (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

Erschießung des Sandwirts Andreas Hofer in Mantua am 20. Februar 1810; Ölgemälde von Leopold Puellacher, 1820 (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

Darstellung der Gefangennahme Andreas Hofers auf einer zeitgenössischen bayerischen Propaganda-Radierung, er-schienen bei Friedrich Campe in Nürnberg (Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

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Früher spielten Gebirgskämme eine untergeordnete Rolle. Für die Wirtschaft waren die Allmendever-bände und personenbezogenen Pfarrbezirke wich-

tiger. Diese Verbindungen führten zu den als „Talschaf-ten“ bezeichneten Einheiten, deren Bevölkerung ein starkes Gemeinschaftsgefühl entwickelt hat.

Eine Grenze zerschneidet ein Tal Dafür ist das Wipptal ein eindrucksvolles Beispiel,

weil es seit dem Mittelalter die Landschaften nördlich und südlich des Brenners umfasst hat. Der Name geht auf das römerzeitliche Vipitenum zurück. Der gemeinsame Na-me weist auf die engen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen hin. Dies gilt vor allem für die Haupttalge-meinden, in welchen der Brennerverkehr eine große Rolle gespielt hat.

Die in der Friedenkonferenz von Saint Germain (1919) beschlossene Brenner-grenze entsprach dem machtpolitischen und strategischen Anspruch Italiens. Die Tiroler Bevölkerung war über den Verlust Südtirols hingegen sehr enttäuscht. Sie kannte zwar den Londoner Geheimvertrag vom 26. 4. 1915, in welchem die Alliier-ten dem Königreich Italien neben ande-ren Gebieten Südtirol bis zum Brenner versprochen hatten, hoffte jedoch auf den amerikanischen Präsidenten Wilson, der das Selbstbestimmungsrecht der Völker verkündet, den Londoner Vertrag nicht unter-schrieben und im Herbst 1917 eine Kommission von Fachwissenschaftlern eingesetzt hatte, die Vorschläge für die politische Neuordnung Europas ausarbeiten soll-te. Diese sah den Brenner zwar als strategisch optimal an, schlug aus ethnischen Gründen jedoch die Grenze südlich von Bozen vor. Bei den Verhandlungen spielte das Wissen der Experten keine Rolle mehr. Präsident Wilson suchte vielmehr, zwischen den Siegermächten Serbien (Jugoslawien) und Italien zu vermitteln und war für Argumente, die für Österreich gesprochen hätten, nicht zugänglich. Die österreichische Delegation wurde nicht einmal gehört und war gespalten. Die deutschna-tional eingestellten Mitglieder sahen in den Italienern Verbündete beim Wunsch für den Anschluss an das deutsche Reich und glaubten, für dieses Ziel müsse man bereit sein, Südtirol zu opfern. Nur die Christ-lichsozialen traten kompromisslos für dessen Verbleib bei Österreich ein.

Verzögerter StrukturwandelDie Grenzziehung zerschnitt die intensiven Bezie-

hungen zwischen dem nördlichen und dem südlichen

Wipptal. Bis in die 1950er Jahre löste der Großteil der ländlichen Bevölke-rung keinen Reisepass. Daher wurden Verwand-te und Bekannte jenseits der Grenze kaum besucht. Diese Abschottung hat sich auf das Wanderungs-

verhalten stark aus-gewirkt, welches aus der Abnah-me der Heiraten über den Bren-ner abgeleitet werden kann.

Vor dem Bahn-bau (1864–1867) hatte der Fuhr-werksverkehr zu engen Beziehungen zwischen den Ortschaften entlang der Straße geführt, weshalb viele ihren Ehepartner jenseits des Alpenhauptkammes ge-funden haben. Nachher nahmen die Nord-Süd-Kontakte bereits etwas ab, ehe die Wipptaler

Hochzeiten über den Alpenhauptkamm nach dem Ersten Weltkrieg infolge der Teilung Ti-rols sehr stark zurückgingen.

Starke ZuwanderungWie die Ergebnisse der Volkszählung

des Jahres 1921 belegen, setzte im südlichen Wipptal gleich nach dem Ersten Weltkrieg die erste Zuwande-rungswelle von Italienern ein. Wichtige Zielorte waren Franzensfeste, Sterzing und der Grenzort Brenner. Mit-te der 1930er Jahre kam es erneut zu einer starken Zu-wanderung, weil Mussolini die Grenze verstärkte und die deutschsprachigen Südtiroler aus dem vom Staat kontrollierten Wirtschaftsleben verdrängt hatte. 1939 war bereits ein Fünftel der Bevölkerung des südlichen Wipptales der italienischen Volksgruppe zugehörig. Während des Zweiten Weltkrieges nahm deren Anteil zu, als diese die abgewanderten Südtiroler „Optanten“ ersetzten. Im gesamten Südtiroler Wipptal nahm in den letzten Jahrzehnten der italienisch sprechende Bevölke-rungsanteil nach den Ergebnissen der Volkszählungen kontinuierlich ab.

Schwierige WitschaftsverhältnisseIm nördlichen Wipptal konnte sich die Wirtschaft

nach dem Zerfall der Donaumonarchie zunächst nur langsam an die neuen Marktverhältnisse anpassen. Die hohen Arbeitslosenraten verhinderten das Abwandern der überschüssigen ländlichen Bevölkerung in andere Berufe und begünstigten eine arbeitsintensive Land-wirtschaft.

Die Verzögerung der gesamtgesellschaftlichen Ent-wicklung kommt dadurch zum Ausdruck, dass 1951 noch rund 50 % der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft ihren Arbeitsplatz fanden. Berücksich-tigt man den Anteil der Italiener, so kommt man im Ge-biet südlich des Brenners auf eine Agrarquote von rund 75 %. Weil italienische Zuwanderer die außeragrari-schen Arbeitsplätze besetzt hielten, waren viele junge Einheimische bis in die 1960er Jahre gezwungen, ins Ausland zu gehen. Die Bauern hatten zu beiden Seiten des Brenners 10 bis 15 Rinder im Stall, daher waren die Höfe für eine stärkere Modernisierung zu klein und hielten weiterhin an agrargesellschaftlichen Wertvor-stellungen und an den traditionellen Wirtschaftsformen ihrer Vorfahren fest. Erst als die nachfolgende Genera-tion einen höheren Lebensstandard verlangte, kam es zu tiefgreifenden Veränderungen in der bäuerlichen Le-benswelt.

Wirtschaftsentwicklung nach 1960 In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg er-

kannten viele Jungbauern des nördlichen Wipptales, dass das Einkommen aus der Landwirtschaft für die Deckung ihrer bescheidenen Konsumansprüche nicht ausreichte. Sie stellten ihre Betriebe auf Nebenerwerb um. Dementsprechend entfielen bei der Agrarstruk-

turerhebung 1999 über 75 % der Höfe des Nordtiroler Wipptales auf diesen Betriebstyp. Dabei orientierten sich die Bauern weiterhin an agrargesellschaftlichen Wertvorstellungen und waren darauf bedacht, die Kul-turlandschaft zu pflegen. Im Anschluss an die Heuernte im Tal werden vielfach auch heute noch die extensiven Lärchenwiesen und Bergmähder gemäht, deren Gräser auf Grund der Höhenlage später als im Tal reif werden. Im Südtiroler Wipptal, wo der Nebenerwerb wegen des Bergbaues früher eine größere Rolle gespielt hatte, wur-den im Jahre 2000 hingegen noch mehr als die Hälfte der Bauernhöfe als Haupterwerbsbetriebe geführt, wel-che die landwirtschaftliche Nutzung intensiviert haben.

Vieh- oder MilchwirtschaftNördlich des Brenners stand die Aufzucht von Jung-

vieh seit jeher im Vordergrund. Als ab Mitte der 1970er Jahre der Absatz stockte und die Preise verfielen, wären viele Bauern gerne auf die Milchviehhaltung überge-gangen. Dies war jedoch nur in einem geringen Um-fang möglich, weil sie nach der staatlichen Einschrän-kung der Milchproduktion 1978 über kein oder nur ein sehr geringes Milchkontingent verfügten. Im Südtiroler Wipptal, wo die Milchviehhaltung bereits früher eine größere Rolle gespielt hatte, spezialisierten sich die bäuerlichen Betriebe hingegen verstärkt auf das Milch-vieh. Die Anlieferung an den Milchhof Sterzing ist dementsprechend von 1978 (6,6 Mio. t) bis 2007 (42,3 Mio. t) angestiegen. Im Nordtiroler Wipptal (1978: 0,4 Mio. t, 2007: 3,2 Mio. t) nahm er zwar auch zu, jedoch wird eine wesentlich geringere Milchmenge erzeugt.

(Fortsetzung siehe Rückseite Kalenderblatt April!)

Die Bedeutung der Brennergrenze für die Entwicklung des WipptalesTeil 1 - von Hugo Penz

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

der das Selbstbestimmungsrecht der Völker verkündet, den Londoner Vertrag nicht unter-

verhalten stark aus-gewirkt, welches aus der Abnah-me der Heiraten über den Bren-ner abgeleitet werden kann.

Vor dem Bahn-bau (1864–1867) hatte der Fuhr-werksverkehr zu engen Beziehungen zwischen den Ortschaften entlang der Straße geführt, weshalb viele ihren Ehepartner jenseits des Alpenhauptkammes ge-funden haben. Nachher nahmen die Nord-Süd-Kontakte bereits etwas ab, ehe die Wipptaler

Hochzeiten über den Alpenhauptkamm nach dem Ersten Weltkrieg infolge der Teilung Ti-rols sehr stark zurückgingen.

des Jahres 1921 belegen, setzte im südlichen Wipptal

weil es seit dem Mittelalter die Landschaften nördlich und südlich des Brenners umfasst hat. Der Name geht auf das römerzeitliche

Die in der Friedenkonferenz von Saint Germain (1919) beschlossene Brenner-grenze entsprach dem machtpolitischen und strategischen Anspruch Italiens. Die Tiroler Bevölkerung war über den Verlust Südtirols hingegen sehr enttäuscht. Sie

Etliche Bauern sind im Nebenerwerb bei der Brenner Auto-bahn beschäftigt. (Foto: M. Wedermann)

Der Gardelerhof in Obernberg

Der Hl. Johannes Nepomuk ist der Schutzpatron der mittel-alterlichen Stadt Sterzing.

Page 5: 2010 Tiroler Schützenkalender - Texte

Die Bedeutung der Brennergrenze für die Entwicklung des WipptalesTeil 2 - von Hugo Penz

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: BBO Mjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

der 1960er Jahre waren auch im Südtiroler Wipptal zu wenige Arbeitsplätze vorhanden. Erst Ende der 1960er Jahre verbesserten sich die Aussichten. Noch bevor das Südtirol-Paket von den Außenministern Moro und Waldheim (1969) verhandelt war, nahmen die italieni-schen Staatsbahnen 1966/67 die ersten deutschsprachi-gen Südtiroler auf, später folgten andere staatsnahe Un-ternehmen und auch die Industrie wurde im Südtiroler Wipptal verstärkt ausgebaut.

NahversorgerBedingt durch die Lage an der Brennerlinie war das

Wipptal in der Vergangenheit besser mit zentralörtli-chen Einrichtungen ausgestattet als andere Tiroler Tä-ler. Im nördlichen Wipptal waren diese Dienste infolge der geschichtlichen Entwicklung auf den alten Marktort Matrei und auf Steinach aufgeteilt. Allerdings muss-ten beide Orte einen Bedeutungsverlust hinnehmen, seitdem die Bevölkerung ihren Bedarf zunehmend in der nahen Großstadt Innsbruck deckt. Im Südtiroler Wipptal konnte Sterzing hingegen seine Position im Rahmen der zentralörtlichen Hierarchie behaupten. Das kleine Krankenhaus wurde nach dem Bezug des Neu-baues beträchtlich erweitert, daneben ist die Stadt Sitz des Talschaftsverbandes und Schulstandort. Nach dem Fallen der Grenzkontrollen am 1.5. 1999 als Folge des Schengen-Vertrages und der Einführung des Euro am 1. 1. 2002 glichen sich die Preise an und der kleine Grenz-verkehr ging zurück. Diese Krise sucht die Gemeinde Brenner u. a. durch privatwirtschaftliche Projekte wie das von ihr ermöglichte, am 28. 11. 2007 eröffnete „De-sign-Factory-Outletcenter Brenner (DOB)“ zu überwin-den.

Kontaktpflege zwischen Nord und Süd Während sich die Wirtschaft in den beiden Teilge-

bieten des Wipptales im Verlauf der letzten 40 Jahre infolge der abweichenden Standortbedingungen sehr unterschiedlich entwickelt hat, nahmen die gesell-schaftlichen Kontakte zwischen Nord und Süd wieder zu und die Bevölkerung identifiziert sich zunehmend mit der alten Talschaft. Nach der Grenzziehung wurde der Name „Wipptal“ auch im landeskundlichen Schrift-tum zumeist nur für das Gebiet nördlich des Brenners verwendet, den Südteil bezeichnete man hingegen in Anlehnung an das italienische „Alto Isarco“ als oberes Eisacktal.

Die einheimische Bevölkerung konnte sich damit nicht anfreunden und bestand darauf, dass der 1972 geschaffene Talschaftsverband südlich des Brenners ebenso den Namen Wipptal trägt wie die angrenzende Nordtiroler Kleinregion, für welche die Tiroler Landes-regierung 1988 ein regionales Entwicklungsprogramm erlassen hat. Inzwischen arbeiten beide Gebiete in vie-len Bereichen, wie die folgenden Beispiele zeigen, vor-bildlich zusammen:• Die Bürgermeister treffen jährlich zweimal zusam-

men und besprechen aktuelle Probleme der Raum-ordnung.

• Im Rahmen von EU-Projekten (Intereg- und Leader-Projekte) werden wichtige Maßnahmen gemeinsam vorangetrieben.

• Die Gewerbebetriebe aus beiden Teilen beschickten 2007 die Expo-Brenner.

• Das Kapital für Designer-Outlet-Center am Brenner wurde von Unternehmern aus dem nördlichen und dem südlichen Wipptal aufgebracht.

• Die Musikkapellen des Blasmusikverbandes Wipp- und Stubaital (Nordtirol) und des Südtiroler Wipp-tales pflegen enge Kontakte. Dasselbe gilt für die übrigen Traditionsvereine, vor allem für die Schüt-zenkompanien.

• Die Feuerwehren der Gemeinden Steinach, Gries und Brenner arbeiten eng zusammen.

• Bereits seit Jahrzehnten werden gemeinsame Schul-projekte durchgeführt, bei welchen vor allem die Hauptschule Gries am Brenner und die Mittelschule in Gossensass eng kooperieren.Durch diese vielfältigen Kontakte sind sich die Wipp-

taler dies- und jenseits des Brenners nahe gekommen. Diese von der Basis getragene Entwicklung kann als Vorbild für ganz Tirol dienen und Wege aufzeigen, wie die Vorurteile zwischen den Ländern Alttirols nachhal-tig abgebaut werden können.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Hugo Penz, ist Ehrenvorsitzender der Innsbrucker Geographischen Gesellschaft.Hugo Penz, ein gebürtiger Obernberger, ist ein über die Grenzen hinaus renommierter Agrargeograph und hat die Zeit der großen Wende von einer seit Jahrhunderten primär durch die Landwirtschaft geprägten alpinen Ge-sellschaft hin zur modernen Dienstleistungsgesellschaft miterlebt, wissenschaftlich analysiert und dokumen-tiert. Seine räumliche wissenschaftliche Spezialisierung drückt die Verbundenheit mit der Region Tirol - Südtirol - Trentino aus.

(Fortsetzung von Rückseite Kalenderblatt März!)

TourismusVor dem Ersten Weltkrieg hatten Orte (wie Gos-

sensass, Brennerbad, Steinach) zu den bedeutendsten Touristenzentren Tirols gehört. In der Zwischenkriegs-zeit wurde der Fremdenverkehr südlich des Brenners durch die Auswirkungen der Grenze beeinträchtigt und im nördlichen Wipptal stagnierte er infolge der Wirt-schaftskrisen. Erst nach 1945 stieg die Bedeutung des Tourismus an, bis dieser um 1975 einen (bescheidenen) Höhepunkt erreichte. Seither nahmen die Übernach-tungen laufend ab. Im Südtiroler Wipptal brachten die Anschläge zu Beginn der 1960er Jahre den Tourismus zwar nahezu zum Erliegen, seit der Mitte der 1970er Jahre hat er hingegen wieder laufend zugenommen.

BerufspendlerIm Nordtiroler Wipptal hat die Pendelwanderung seit

dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich zugenommen. Dabei handelt es sich größtenteils um autochthone Pend-ler, die aus dem Wipptal stammen und ihren Wohnsitz beibehalten haben. Sie sind voll in die Heimatgemeinde integriert und tragen durch die Mitgliedschaft bei Ver-einen wesentlich zum gesellschaftlichen Leben bei. Im Südtiroler Wipptal arbeiten hingegen nur sehr wenige Leute außerhalb der Talschaft. Die Pendlerproblematik spielt daher dort keine nennenswerte Rolle.

Im Nordtiroler Wipptal weist die negative Pend-lerbilanz auf die unzureichende Ausstattung mit Ar-beitsplätzen hin, welche nach dem Zweiten Weltkrieg zur Gründung des wichtigsten Industriebetriebes, der Werksgenossenschaft Matrei, geführt hat. Zu Beginn

Die Grenze der Katastralgemeinde Brenner vor der Teilung Tirols verlief nicht an der Wasserscheide, sondern reichte von dem durch die Sill entwässerten Venntal und dem Brennersee bis zur Fraktion Gigglberg oberhalb von Gossensass.Nach der Landesteilung verblieben neben dem Venntal nur der Weiler Kerschbaumer und der Hof Griesberg bei Österreich.

Der Straßenort Matrei a. Br, eine Marktgemeinde, ist wie die anderen Orte Steinach und Sterzing durch den Verkehr entstanden.

Neben dem Besuch des „Designer Outlet Brenner” erfreuen sich die „Brenner-Märkte“ jeweils am 5. und 20. eines jeden Monats ungebrochener Beliebtheit.

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Was bleibt vom Gedenkjahr 1809-2009?Von Brigitte Mazohl und Ellinor Forster

Nach einem ereignisreichen Gedenkjahr, das im Vorfeld zu viel Forschung angeregt hat, stellt sich die Frage, was über dieses eine Jahr hinaus an

Erkenntnis bestehen bleibt. Ertragreich erwies sich vor allem der umfassende Blick, der das Jahr 1809 sowohl aus österreichischer als auch Tiroler Perspektive in ei-nen breiteren Rahmen stellte.

Tirol 1809 im Kontext eines mehr alszwanzigjährigen europäischen Krieges

Der sogenannte „Freiheitskampf“ von 1809 in Ti-rol (der Begriff wurde erst viel später dafür erfunden, die Zeitgenossen sprachen von „Landesverteidigung“) muss zeitlich und räumlich in einen sehr viel größeren Zusammenhang gestellt werden. Seit 1792, drei Jahre nach der großen französischen Revolution, gab es über-all in Europa Krieg. Es war ein Krieg, der - unterbro-chen von wenigen kurzen Friedensjahren - über mehr als zwanzig Jahre währte und erst mit den Pariser Frie-denschlüssen und dem anschließenden Wiener Kon-gress 1814/1815 zu Ende kam.

Hinsichtlich seiner geographischen Reichweite er-fasste dieser Krieg alle europäischen Länder, von Por-tugal bis Russland, von Schweden bis Nordafrika, der Kampf um die britischen Kolonien führte sogar weit über Europa hinaus. Mit Fug und Recht könnte man daher von einem ersten „Weltkrieg“ sprechen, der ins-gesamt etwa 4,7 Millionen Kriegstote und mehr als eine Million zivile Tote forderte (in Tirol fielen - alle Kampfjahre zusammengenommen, nicht nur im Jahr 1809 - etwa 1.800 bis 2.000 Mann).

Worum ging es in diesem Krieg? Überall - nicht nur in Tirol - war die bisherige hierarchisch (ständisch) ge-gliederte Gesellschaftsordnung in die Krise geraten und die modernen Kampfparolen von Freiheit und Gleich-heit forderten eine neue - heute würden wir sagen: de-mokratische - Gesellschaft ein, in der bisher benachtei-ligte Schichten politische Mitspracherechte verlangten. Die traditionellen Autoritäten - Adel und Kirche - wur-den in Frage gestellt, der Glaube selbst als Hindernis auf dem Weg zum modernen säkularisierten Rechtsstaat gesehen. Das revolutionäre Frankreich trat - selbst noch unter seinem Kaiser Napoleon, der sich ja als „Volks-kaiser“ verstand - als jene missionarische Macht auf, die das alte System beseitigen und die neue Freiheit überall in Europa, wenn nötig mit Gewalt, einführen würde. Kein Wunder, dass zu Beginn halb Europa den französischen „Befreiern“ zujubelte.

Dass es in diesem Krieg, je länger er dauerte, auch um den üblichen Machtkampf der beteiligten Mächte, um die Hegemonie in Europa ging, zeigte sich bald. So nutzte beispielsweise Franz II., der bisherige Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, seine militärische und po-litische Niederlage dahingehend aus, dass er 1804/1806

ein neues Kaisertum Österreich (mit erheblichen Ge-bietsgewinnen vor allem im Süden) aus den Trümmern des Alten Reichs hervorzauberte, mit dem er als Franz I. , Kaiser von Österreich, dem französischen Usurpa-tor Napoleon als machtvoller Widerpart entgegentreten konnte. Der (neuerliche) Krieg von 1809, den Österreich in gefährlicher Selbstüberschätzung und in der (vergeb-lichen) Hoffnung auf seine bisherigen Verbündeten in Süddeutschland, vom Zaun brach, war eine weitere, für Tirol fatale, Etappe in diesem Ringen - keineswegs die letzte. Die Bereitschaft der Tiroler, diesen Krieg gegen das mit Napoleon verbündete Bayern mitzutragen, ver-dankte sie zweierlei: zum einen dem Widerwillen gegen die „freiheitlichen“ Neuerungen, welche das frankreich-freundliche Bayern auch in Tirol durchzusetzen meinte (Bayern verdankte Napoleon seine Königswürde und erhebliche Territorialgewinne), zum anderen der Lo-yalität gegenüber einem Landesfürsten, der unmissver-ständlich zur militärischen Gefolgschaft aufgefordert hatte.

Das Trauma von 1805Tirol hatte durch einen neuerlichen Krieg jedoch noch

mehr zu gewinnen, nämlich wiederhergestelltes Anse-hen. Das Jahr 1805 wurde in Tirol nicht nur mit dem Frieden von Preßburg verbunden, der unter anderem das Land Tirol dem zukünftigen Königreich Bayern zu-sprach, sondern mit dem schnellen Verlust des Krieges, der zu dieser Vereinbarung geführt hatte. Der Krieg war auch auf Tiroler Boden ausgefochten worden. Diese Er-eignisse seien „so sonderbar und unvorhergesehen“ ge-wesen, „dass Resultate entstanden, die niemand erwar-tete“, urteilte ein anonym bleibender, „wohl unterrichte-ter Österreicher“ 1808 in der Zeitschrift „Der Sammler für Geschichte und Statistik von Tirol“ (4. Bd., S. 105). Als Folge sank offensichtlich das Ansehen der Tiroler Bevölkerung im Ausland. Beispielsweise schrieb im Oktober 1805 die Voss’sche Monatsschrift „Die Zei-ten“ über Tirol: „Fast nie sind die streitbaren Tiroler so schnell und so leicht überwunden und entwaffnet wor-den, als in diesem Kriege. (…) Man wird geneigt, an eine gänzliche Entartung, in Betreff ihres militärischen Characters, zu glauben.“ (zit. nach Sammler, 4. Bd., S. 106f.) Die Tiroler Identität, die sich - zumindest seit den Gefechten im Zuge des Spanischen Erbfolgekrie-ges 1703 - über die eigene „Wehrhaftigkeit“ definiert hatte, schien in Gefahr, Risse zu bekommen.

Dieses Bild wieder gerade zu rücken, trat der zitierte anonyme Schreiber an, indem er auf 50 Seiten akribisch genau die Vorgänge im Herbst 1805 schilderte. Nicht überraschenderweise kam er zum Schluss, dass es nicht Tirols Schuld gewesen sein könne, die Gefechte auf Tiroler Boden verloren zu haben. Die Intensität dieses Wiederherstellungsversuches des Ansehens und das ausdrückliche Anschreiben gegen ausländische Urteile legen die Intensität des erlebten Traumas nahe. Wenn also die Geschehnisse rund um den Aufstand von 1809 - trotz der letztlichen Niederlage - als Erinnerungsort der eigenen Verteidigungsfähigkeit eine zentrale Rolle in der Tiroler Identität einnahmen, dann sollte mitbe-dacht werden, dass ein Grund für die Überstilisierung dieser Ereignisse in der so willkommenen und offen-sichtlich höchstnotwendigen Rehabilitierungsmöglich-keit des Ansehens im Ausland und der Behebung der eigenen „Identitätskrise“ lag.

ErinnerungskulturDaran knüpft sich die Frage, wie in Tirol mit der

Vergangenheit umgegangen wurde und wird. Bei der Bewältigung der unmittelbaren Kriegsfolgen war für Heroisierungen wenig Raum. Mitte der 1840er Jahre bedauerte der bayerische Reisende Ludwig Steub, wie wenig der „Heldentaten“ von 1809 in Tirol gedacht wurde. Erst viel später begann das offizielle Gedenken an die „ruhmreiche“ Vergangenheit, als man der Gegen-wart - mit Hilfe der Geschichte - Werte wie Kaisertreue, Loyalität zur (katholischen) Kirche, Vaterlandsliebe und „nationales“ Selbstbewusstsein vermitteln wollte. Als Kaiser Franz Joseph I. im Jahr 1909 Tirol besuchte und das ganze offizielle Land feierte, waren die Zeitgenos-sen von 1809 längst ausgestorben und die Nachgebo-renen konnten sich ihre eigene glorifizierte Vergangen-

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

heit neu erfinden: Andreas Hofer und die „Helden von 1809“ waren mittlerweile zu „deutschen Österreichern" geworden, konservativ, kirchenfreundlich und kaiser-treu und, was die Gegner betrifft, sehr viel mehr itali-en-, als franzosenfeindlich, weil dies - angesichts der aufmüpfigen Trentiner - im Jahr 1909 sehr viel besser passte (der ursprüngliche Hauptgegner Bayern spielte kaum noch eine Rolle). Wiederum „zeitgerecht“ wur-den sie im Austrofaschismus zu klerikal-katholischen „Österreichern“ gemacht, im Nationalsozialismus um-gekehrt zu aufrechten „Deutschen“, die von Habsburg (Österreich) „verraten und verkauft“ worden waren. Unersetzlich wurden das Jahr 1809 und seine „Helden“ dann 1959, als es darum ging, die Trennung des Lan-des nach 1919 zu betrauern, wo doch bereits 200 Jahre zuvor dank der „Freiheitskämpfer“ gegen eine solche Trennung zu Felde gezogen worden war. Gegenwart und Vergangenheit misch(t)en sich seither zu einer von jeder Generation weitertradierten Gegenwartslegende, die mit der tragischen Geschichte von 1809 selbst nur noch wenig zu tun hat.

Die Erforschung der Erinnerungskultur rund um das zentrale Ereignis des Tiroler Aufstandes und seine Bedeutung für die Tiroler Geschichtsschreibung wird weiterhin einen wesentlichen Bestandteil des 2005 ge-gründeten „Zentrums für Erinnerungskultur und Ge-schichtsforschung“ (ZEG) bilden. Dort werden in einer Reihe von Forschungsprojekten Schlüsselthemen des Umgangs mit 1809 bearbeitet. Durch die Positionie-rung des ZEG als Nahtstelle zwischen Forschung und Öffentlichkeit bleibt der lebendige Austausch der Uni-versität mit der Bevölkerung gewährleistet. Die wach-senden Bestände an Vor- und Nachlässen bieten zudem die Möglichkeit, dort selbst Forschung zu betreiben.

Dr. Brigitte Mazohl-Wallnig ist Universitätsprofessorin für Neuere Geschichte an der Universität Innsbruck.Dr. Ellinor Forster wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Innsbruck.

Zentrum für Erinnerungskultur und Geschichtsforschung (ZEG) www.zeg-ibk.at

Plakat zur Tiroler Anschlussabstimmung am 24. April 1921

Page 7: 2010 Tiroler Schützenkalender - Texte

Andreas SpeckbacherVon Erika Felkel

Das Bild „Josef Speckba-cher und sein Sohn An-derl“, gemalt von Franz

von Defregger, macht Anderl als Sohn des Tiroler Freiheits-kämpfers erst so richtig be-kannt.

Seine Jugend Andreas ist am 26. Februar

1798 in Judenstein bei Rinn geboren. Seinen Namen be-kommt er nach dem legenden-umrankten „Anderl von Rinn“, der im 15. Jh. gelebt haben soll. Andreas ist das älteste von fünf Kindern der Familie Josef und Maria Speckbacher.

Sein Vater, Josef (1767–1820), stammt aus Gnadenwald und ist seit 1794 mit Maria Schmiderer (1763–1846), der Besitzerin eines Bauerngutes in Rinn, verheiratet.

Josef Speckbacher hat sich 1797 bei der Schlacht von Spinges als Scharfschütze hervorgetan. 1805 kämpfte er auch in Scharnitz gegen Marschall Ney.

Das Jahr 1809 übt auf den 11-jährigen Anderl einen großen Einfluss aus. Ständig hörte er von den Helden-taten seines Vaters. So interessierte er sich sehr für die Schützen, die auf Vaters Hof ein- und ausgehen. Daher möchte auch er beim „Boarnschießen“ dabei sein.

Die Schlacht am BergiselDie am 25. Mai begonnene Schlacht am Bergisel,

wird am 29. Mai wieder aufgenommen. Die rechte Flan-ke der Tiroler, die unter dem Kommando Josef Speck-bachers stand, erstreckte sich am rechten Innufer von Innsbruck bis Hall und Volders.

Während des zweiten Angriffs sieht Jo-sef Speckbacher plötzlich seinen Sohn Anderl neben sich. Vom Kampfgetö-se angelockt, hat es der Bub zu Hause nicht mehr ausgehalten und wollte am „Boarnschießen“ teilnehmen.

Sein Vater schickt ihn aber sofort wieder heim. Anderl geht vorerst weg, sammelt dann aber Bleiku-geln in seinem Hut, die er aus der Erde ausgegraben hatte und bringt sie dem Vater, weil er wusste, dass die Schützen zu wenig Munition hatten.

Stolz über die Kühnheit seines Sohnes schickt der Vater Anderl trotzdem zur Mut-ter zurück und verbannt ihn auf eine weit abgelegene Alm.

Dort wird es Anderl bald zu langweilig, er reißt aus und schließt sich einer Schützenkom-panie an, die auf dem Weg nach St. Johann ist.

In St. JohannAls am 22. September 1809 Josef

Speckbacher im „Bärenwirtshaus“ in St. Johann gerade Kriegsrat hält, sieht er die Schützenkompanie mit seinem Sohn Anderl ankommen. Da gibt der Va-ter nach und Anderl darf an seiner Sei-te mitkämpfen. Der Bärenwirt schenkt ihm ein altes Radschlossgewehr. Weil Anderl den Hahn des Radschlosses aber nicht spannen kann, erfindet er eine Vor-richtung, die das Spannen erleichtert.Diese Erfindung wird dann auch von anderen Schützen nachgebaut. Bei einem Besuch am Königssee verewigt er sich in einem Fremdenbuch: „Andreas Speckbacher heiß ich, des Kommandanten Sohn, ein Knabe von 11 Jahren, schie-ßen kann ich, die Boarn haben's wohl erfahren.“

Kampf in Mellek Beim Kampf am 17. Oktober in Mellek (Lofer) ge-

gen die Bayern wird Josef Speckbacher ergriffen, doch gelingt ihm die Flucht.

Anderl wird auch von den Bayern gefangen genom-men und mit allen anderen Gefangenen nach Ingolstadt gebracht. Als er von seinen Landsleuten getrennt wer-den soll, weigert er sich und sagt: „Ich bin nicht weni-ger schuldig als meine Landsleute und will mit ihnen dulden und sterben.“

In MünchenDer bayrische König Max Josef interessierte

sich für Anderl und ließ ihn nach München kom-men. Er fragte Anderl: „Was glaubst du, was nun

mit dir geschehen wird?“ Anderl antwortet tapfer: „Umbringen wird’s mi halt, wie mein’ Vater, aber i

fürcht’ den Tod nit.“ (Anderl weiß noch nicht, dass sein Vater lebt). „Nein, so arg wollen wir’s mit dir nicht machen“, gibt der König zur Antwort und lässt ihn auf seine privaten Kosten im Erziehungsinstitut

„Holländisches Seminar“ in München ausbil-den und stattet ihn mit allen notwendigen

Kleidungsstücken und Gebrauchsgegen-ständen aus. Anderl gehörte zu den be-

sten Schülern und freundete sich auch mit den Bayern an.

Wie gut es ihm dort er-ging, zeigt folgender Brief, den er am 4. April

1811 an seine Mutter schrieb:

„Liebste, theuerste Mutter! Du hast mich mit Deinem Briefe ganz über-rascht. Es freut mich herz-lich, dass ich nun weiß, dass Du gesund bist und mein Va-

ter noch lebt. Herzlich gerne wollte ich jetzt für ihn bitten, aber ich glaube, dass es für jetzt nicht thunlich ist. Was

mich betrifft, geht es mir gut, ich bin mit meinem Zustande sehr zufrieden und gesund. Der

König hat sehr viel Gnade für mich, was ich bedarf, schafft er

mir bei. Er ließ mir heuer schon so viele Kleider, Wäsche und ein

prächtiges Bett machen, was alles über 400 fl. kostet, auch hätte ich das Glück, dass der

allergnädigste König mein Firmgöd geworden wäre, wenn ich nicht schon gefirmt wäre. Ich bin nun im kö-niglichen Seminar, wo ich deutsch, lateinisch, Musik und Zeichnen lerne; auch bin ich heuer schon siebenmal der Erste geworden. Ich werde mir alle Mühe geben, durch Fleiß und gutes Betragen die vielen Wohlthaten zu ver-

dienen. Nun lebe wohl. Meine Ge-schwisterte, Deine Schwester und den Kuhn grüße ich herzlich und verbleibe Dein dankbarer Sohn

Andrä Speckbacher

Ende September 1816 kann An-derl nach Hause zurückkehren.

StudiumVom österreichischen Kaiser

Franz bekommt Anderl ein Stipen-dium für das Montanistik-Studium in Chemnitz, das er 1820 mit aus-gezeichnetem Erfolg abschließt. Danach besucht er die Eisenwerke in Niederungarn, Mariazell und in Eisenerz in der Steiermark, wo er sich Kenntnisse über Hochöfen und Hammerschmieden aneignet.

In JenbachMit 24 Jahren (1822) wird An-

derl Beamter (Amts- und Zeug-schreiber) beim Berg- und Hütten-

werk in Pillersee. Rasch wird er befördert und kommt anschließend zum Berg- und Hüttenamt nach Brixlegg. Ab 1824 wohnt und arbeitet er zehn Jahre in Jenbach.

Im k.k. Eisenhüttenamt in Jenbach ist er zwei Jah-re Kontrollorstellvertreter, danach Kontrollor und von 1828 bis 1832 provisorischer Verwalter. Schließlich wird er Verwalter der Berg-, Hütten- und Hammerwer-ke in Jenbach. Sogleich führt er im Werk wesentliche Verbesserungen ein, die den Kohlenverbrauch stark verringerten und die Qualität des Roheisens steigerten.

1828 heiratet Anderl Aloisia Mayr (1800–1855) und wohnt mit ihr im Kontrollorhaus in der Achenseestraße in Jenbach. Drei Kinder werden ihnen geschenkt: Max Josef, Luise und Emilie. Das erste Kind nennt er nach dem bayrischen König (leider verstarb es bald nach sei-ner Geburt).

Im März 1834 bekommt Anderl eine Lungenentzün-dung, von der er sich nicht mehr erholt. So verstirbt er am 25. März 1834 im Alter von 36 Jahren und wird am Friedhof in Hall im Familiengrab beigesetzt. Ein einfa-ches Monument, das in den Jenbacher Werken gestaltet wurde, ist heute noch an der Südwand der Pfarrkirche in Hall zu sehen.

Skulptur vor dem Jenbacher Museum Seit 25. April 2009 steht vor dem Jenbacher Museum

eine Holzskulptur, die Andreas Speckbacher als Kind darstellt. Sie wurde von Bernhard Hell aus Schwaz an-gefertigt. Die Darstellung zeigt Anderl, der nach den Kampfplätzen Ausschau hält.

Aus: Tiroler Heimatblätter, Jg.8/1930, Heft 2, S36/37Ein Tiroler Bub, von Wladimir Kuk; St. Wolfgangsstimmen - Prof. Hans TuschPfarrblatt von Jenbach, 13. Jg. Februar, März, Mai 1934 Tiroler Anzeiger Nr. 23 vom Sa., 29. Jänner 1927, 20. Jg.

Erika Felkel ist Vorstandsmitglied im Museumsverein Jenbach.

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Das Geburtshaus von Andreas Speckbacher in Rinn

Grabmal des Andrä Speckbacher an der südlichen Außen-wand der Pfarrkirche St. Nikolaus in Hall in Tirol.

Denkmal von Josef Speckbacher mitseinem Sohn Anderl in Hall i.T.

Page 8: 2010 Tiroler Schützenkalender - Texte

Die Tradition der Marketenderinnen in TirolVon Ellinor Forster und Astrid von Schlachta

Zum heutigen Erscheinungsbild von Schützenkompanien gehören die Marketenderinnen offensichtlich un-

abdingbar dazu. Im gleichen Maß wie sich Schützen aufgrund ihrer Tradition definie-ren, ist es auch legitim, nach der histori-schen Entwicklung der Marketenderinnen in Tirol zu fragen.

Frauen waren keine SeltenheitBlickt man in die Epoche vor 1800, so

sind Frauen im Militär keine Seltenheit, sondern normaler Bestandteil eines Heeres - die Forschung geht davon aus, dass auf 1.000 Soldaten in einem Heer 500 Frau-en und 300 Kinder kamen. Die Familie zog mit ihren Männern in den Krieg. Für den Soldaten bedeutete die „Frau an sei-ner Seite“, dass sich sein Lebensstandard hob. Dies galt sowohl für Freundinnen als auch für Ehefrauen, die, meist aus wirt-schaftlichen Gründen, ebenfalls im Tross mitzogen. Sie gingen wie die Männer auf Beutezug - „Doppelverdiener“ hatten es eben besser. War der Mann verwundet, musste die Frau die Versorgung der Familie völlig allein übernehmen und plündern gehen. Die Tiroler Söldnerheere, wie bei-spielsweise das „Wolkenstein’sche Regiment“ bildeten hier keine Ausnahme.

Schnell erscheint im Zusammenhang mit dem Mili-tär das Bild der Frauen als Prostituierte - doch wie alle Bilder, die es von Frauen im frühneuzeitlichen Militär gibt, entspringen diese häufig der Rollenzuschreibung durch die männlichen Autoren oder Kupferstecher, die ihre Vorstellungen verewigten. Zwar gab es „Lagerdir-nen“ oder „Landsknechthuren“, die sich einem Tross militärischer Einheiten anschlossen und dort auch für die Verpflegung der Soldaten und die Zubereitung des Essens verantwortlich waren, doch stellten diese eben nur einen Bruchteil der Frauen dar, die mit in den Krieg zogen. So treffen wir auch auf Frauen, die sich einem Soldaten anschlossen, in der Hoffnung auf eine reiche Beute, die den Verdienst als Magd oder Näherin über-stieg. Die ökonomische Notwendigkeit ließ die Frauen den Verlust der „Ehre“ vergessen, der mit diesem Schritt verbunden war - Frauen im Umkreis des Militärs wur-den in der frühen Neuzeit nicht zu den „ehrbaren Frau-en“ gerechnet.

Familien im Tross - da stellte sich auch die Frage nach der Erziehung der Kinder. In frühneuzeitlichen Heeren waren es meist die Feldgeistlichen, die sich um die Schulausbildung der Soldatenkinder kümmerten. Auch für Tirol ist überliefert, dass im 18. Jahrhundert die Soldatenkinder, deren Väter im „Tyroler Feld- und Land-Regiment“, kämpften, das als stehendes Heer von Tirol aus in verschiedenen Kriegen eingesetzt wurde, eine schulische Ausbildung erhielten. Ehefrauen von Angehörigen des „Feld- und Land-Regiments“ erhiel-ten spätestens ab 1770 eine Pension.

Auch kämpfende Frauen kennen wir aus der frühen Neuzeit. Aus der Schweiz beispielsweise ist überliefert, dass Frauen in der Vorfront militärischer Einheiten mit-marschierten. Sie wurden von Bannerträgerinnen ange-führt - eine Figur, die auch in anderen Regionen des alten Reichs nicht so selten vorkommt.

Frauen im Aufstand von 1809?Fragt man nach der Beteiligung von Frauen am Tiro-

ler Aufstand von 1809, bieten sich zwei Wege der Annä-herung an - die Darstellung von Frauen auf Bildern und die Erwähnung von Frauen in schriftlichen Quellen. Das 1896 entstandene Riesenrundgemälde des dritten Gefechts am Bergisel zeigt beispielsweise eine Frau, wie sie einem Kämpfer einen Becher reicht. Dies ent-spricht wiederum dem typischen Bild einer Frau im Mi-litär, hier der Marketenderin, wie man sie zu dieser Zeit verstand. Auch andere Darstellungen, wie etwa jene von Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld aus dem Jahr 1830, zeichnen Frauen im typischen Kontext der ihnen zugeschriebenen Tätigkeiten: pflegend und fürsorgend. Solche Bilder verstellen jedoch den Blick auf die tat-sächliche Beteiligung von Frauen am Aufstand von

1809, weil sie nur das propagierte Idealbild von Frauen widerspiegeln: Der wissenschaftlichen Theorie des 19. Jahrhunderts folgend seien Frauen aufgrund ihrer Na-tur insbesondere zum liebenden Umsorgen der Familie und des Haushalts geeignet, weshalb ihnen auch der ausschließliche Platz im Haus zugewiesen wurde. Eine höhere Bildung sei nicht vonnöten, im Gegenteil - ei-ne solche würde das weibliche Naturell zurückdrängen und „höchst unangenehme Geschöpfe“ aus den Frauen machen. Diese Idee stammte aus der Aufklärung, die gleiche Rechte für alle (männlichen) Staatsbürger ge-fordert hatte. Wären diese gleichen Rechte auch auf die Staatsbürgerinnen ausgedehnt worden, hätte man mit der historisch entwickelten Ungleichheit bezüglich der Rechte aufräumen müssen. Daher bot es sich an, mittels vermeintlich wissenschaftlicher Fundierung den recht-lichen Unterschied zwischen Frauen und Männern an deren jeweiligem Charakter festzumachen und somit an der Ungleichberechtigung festhalten zu können.

Frühere Bilder des Aufstandes zeigen ein anderes Geschehen. Beim Angriff in der Sachsenklemme wer-den Frauen beispielsweise aktiv bei der Vorbereitung und dem Lostreten der Gerölllawinen dargestellt. Zieht man nun die schriftlichen Quellen zum Nachweis der tatsächlichen Beteiligung von Frauen am Aufstand heran, so ist gleichermaßen Vorsicht geboten. Viele Tagebücher wurden wie Erinnerungen erst viel später abgefasst und spiegeln daher weniger das Geschehen selbst als vielmehr die gewünschte Erinnerung. Auch

Dokumente aus der betreffenden Zeit sind kritisch auf ihren Zweck zu befragen. Ins-besondere Briefe aus bayerischer und französischer Hand griffen Gerüchte von kämpfenden Tiroler Frauen, die vor Gräu-eltaten nicht zurückschreckten, auf. Darin lag unterschwellige Rechtfertigung oder offene Propaganda: Wenn sich sogar die Frauen in diesem Land im Kampf so stark einsetzten, wie furchtbar müssten dann erst die Männer sein - und daher könne man es niemandem übel nehmen, der gegen die Bevölkerung dieses Landes verloren habe. Innerhalb Tirols dienten solche Geschich-ten dazu, die männliche Bevölkerung zum Weiterkämpfen zu motivieren: Wenn sogar Frauen sich so aktiv am Aufstand beteiligen würden, dann müssten die Männer minde-stens doppelt so tatkräftig mitkämpfen.

Je weniger spektakulär also die Teilnah-me von Frauen am Aufstand geschildert wurde, desto mehr kann man den Beschrei-bungen Glauben schenken. Demnach wa-ren Frauen selbstverständlich involviert in

das Aufstandsgeschehen, indem sie sich an Tumulten beteiligten oder in der Vorbereitung von Aktionen ak-tiv waren, aber weder kämpften sie an vorderster Front, noch waren sie ausschließlich für die Versorgung der Kämpfer oder die Pflege der Verwundeten zuständig. Wie bei jedem Kriegsgeschehen musste die Verpfle-gung von Kämpfenden behördlich organisiert werden, um zu funktionieren.

Die ersten MarketenderinnenIm 19. Jahrhundert definierten sich die Schützen-

kompanien und Schützengesellschaften in erster Linie über ihre - im Zuge der österreichischen Heeresrefor-men immer geringer werdende - militärische Funktion. Die Schießfähigkeit wurde während eines Jahres in einer Vielzahl von sportlichen Schießveranstaltungen geübt. Österreichische und deutsche Bundesschießen luden regelmäßig zu Wettbewerben ein. Frauen hatten in dieser Tradition nur als Fahnenpatinnen Platz. Als ab den 1850er Jahren auch Frauen an den Schießbewer-ben teilnehmen wollten, wurden sie stets kategorisch abgewiesen. Nur einzelne Schießstände ließen Frauen zu. Passierten dort jedoch Schießunfälle, war ihnen der Hohn der übrigen Schützengesellschaften sicher.

Neben den Fahnenpatinnen gewannen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Schießstandswirtinnen eine größere Bedeutung für die Schützen. Diese wur-den geehrt für die Versorgung, die sie ihnen angedeihen ließen - sei es in Form von Essen oder der Verzierung der Bestgaben. Wenn Umzüge veranstaltet wurden, gab es zudem häufig eine Gruppe junger Mädchen, die in schönen Kleidern mitmarschierten.

Als im Zuge der Großereignisse um die Jahrhun-dertwende - Einweihung des neuen Schießstandes und Enthüllung des Andreas-Hofer-Denkmals am Bergisel 1893 oder die Jahrhundertfeier 1909 - die ersten Mar-ketenderinnen erwähnt werden, scheinen hier verschie-dene Traditionen zusammenzufallen: die Funktionen der Frauen im Tross der frühneuzeitlichen Heere und die versorgenden Schießstandswirtinnen der Schützen mit der repräsentativen Aufgabe junger Mädchen in Umzügen.

Dass die Position der Marketenderinnen zu dieser Zeit nicht unumstritten und noch keineswegs fest ver-ankert war, zeigen kritische Stimmen zum Umzug von 1909: Wenn sich Marketenderinnen wirklich auf eine historische Funktion beziehen würden, dann müssten sie auf einem Marketenderwagen fahren und dürften nicht einzeln mit den verschiedenen Kompanien mitge-hen. Doch ungeachtet solcher Kritik wurde die Einrich-tung von Marketenderinnen bei den Schützenkompani-en auch in Tirol zu einer neuen Tradition, die seit dem frühen 20. Jahrhundert fest besteht.

Dr. Ellinor Forster ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Innsbruck.Mag. Dr. Astrid von Schlachta ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Innsbruck.

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

„Andreas Hofer erhält am 12. April 1809 die Nachricht, dass österreichische Truppen zu Hilfe eilen" von Ludwig Schnorr von Carolsfeld, 1830 (Original im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck). (Archiv Martin Reiter)

Sachsenklemme, frühes 19. Jahrhundert(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck)

Page 9: 2010 Tiroler Schützenkalender - Texte

Kaiser Karl I. war ein Märtyrer des FriedensVon Heinz Wieser

Kaiser Karl war ein äußerst verantwortungsvoller und sittlich sowie moralisch integerer Herrscher, der leider für seine vielen Völker nicht mehr den

von ihm geplanten föderalistisch verankerten Staat ver-wirklichen konnte, da der entbrannte Weltkrieg zu weit fortgeschritten war. Aus der Heimat verbannt und mit-tellos, musste Kaiser Karl in Funchal, auf der Atlantik-insel Madeira, im Alter von erst 35 Jahren aus dieser Welt scheiden.

Die FamilieErzherzog Karl Franz Josef wurde am 17. August

1887 in Persenbeug in Niederösterreich geboren. Nach dem Tode seines Vaters, Erzherzog Otto, 1906, ein Nef-fe von Kaiser Franz-Josef I., wurde sein Onkel Thron-folger Erzherzog Franz Ferdinand, Mitvormund zur Großjährigkeitserklärung im Jahre 1907. Die Mutter war Maria Josepha von Sachsen. Am 21. Oktober 1911 vermählte sich Erzherzog Karl mit Prinzessin Zita, der Tochter des Herzogs Robert von Bourbon-Parma. Aus der Ehe gingen acht Kinder hervor:Otto Franz Josef (* 1912) ∞ 1951 Regina Prinzessin von Sachsen-Meiningen (* 1925) Adelheid (1914–1971) Robert Karl Ludwig (1915–1996) ∞ 1953 Margherita von Savoyen (* 1930) Felix Friedrich (* 1916) ∞ 1952 Anna Eugenie Herzo-gin von Arenberg (* 1925) Carl Ludwig (1918–2007) ∞ 1950 Yolande von Ligné (* 1923) Rudolf Syringus (* 1919) 1. ∞ 1953 Xenia Tscher-nyschew Besobrasow (1929–1968), 2. ∞ 1971 Anna Gabriele Prinzessin von Wrede (* 1940) Charlotte (1921–1989) ∞ 1956 Georg Herzog zu Meck-lenburg (1899–1963) Elisabeth Charlotte (1922–1993) ∞ 1949 Heinrich, Prinz von und zu Liechtenstein (1916–1991)

Otto von HabsburgAm 20. November 1912 erblickte der Stammhalter,

Erzherzog Otto Franz Josef, das Licht der Welt. Otto von Habsburg, der nach Karl einmal hätte Kaiser wer-den sollen, ist als langjähriger Europaparlamentarier und Historiker bekannt. Infolge der Ermordung von Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 wurde er plötzlich Thronfolger. Im Vorfrühling 1916 wurde Erzherzog Karl an die Spitze des 20. (Edelweiß-) Korps berufen, als man eine Gegenoffensive gegen Italien plante. Nach dem Tode Kaiser Franz Josefs am 21. November 1916 wurde Karl Kaiser von Österreich und König von Un-garn. Schon bald nach der Thronbesteigung hatte Karl unter dem Druck der Ungarn sich mit Zita am 30. De-zember 1916 durch den Primas von Ungarn, den Erzbi-schof von Gran, mit der Stephanskrone zum Herrscher von Ungarn krönen lassen. Dabei erhielt er die Weihe zum Herrscheramt über die magyarische Nation und leistete den Krönungseid. In der ungarischen Zählung wird dieser König als Karl IV. geführt.

Der Kaiser und die KaiserschützenIm Jahre 2010 ist es 95 Jahre her, dass die Tiroler

Kaiserschützen in der Schlacht östlich von Lemberg ihre Feuertaufe erhielten. Vor dem Ersten Weltkrieg führten die drei Regimenter, die seinerzeit in Lemberg kämpften, die Bezeichnung k.k. Landesschützen und waren in Trient, Bozen und Innichen in Garnison. Sie waren speziell für den Grenz-schutz und Gebirgsdienst ausgebildet. Die Spielhahn-feder und das Edelweiß auf der Bergmütze waren ihre äußeren Erkennungszeichen. Mitte 1915, nach der Kriegs-erklärung Italiens, standen die drei Regimenter in den Tiroler Grenzgebirgen. Bekannte Na-men wie Monte Piano, Drei Zinnen, Col di Lana, Lavaro-ne-Folgeria und Tonale waren die ersten Einsatzgebiete: Am 16. Jänner 1917 wurde anläs-slich eines Truppenbesuches in

Calliano im Etschtal den tapferen Landesschützen von Kaiser Karl der Ehrentitel „Kaiserschützen“ mit dem Wahlspruch „ Mir zur Ehr, dem Land zur Wehr“ ver-liehen.

Am 24. März 1917 empfingen Kaiser Karl I. und sei-ne Frau zu Laxenburg die Prinzen Sixtus und Xavier von Bourbon-Parma zum Zweck, auf Umwegen Frie-densgespräche mit Paris aufnehmen zu können, was aber ein Fehlschlag war. Trotzdem ließ sich Kaiser Karl von seinen Friedensbemühungen nicht abbringen. Am 2. Februar 1918 wurde ein Sonderfriede mit der Ukrai-ne, am 4. März 1918 mit Russland und etwas später mit Rumänien geschlossen. Die Veröffentlichung der sogenannten Sixtus-Briefe durch Frankreich brachte Kaiser Karl in größte Schwierigkeiten. Der Versuch des Kaisers, durch Verkündigung eines Manifestes vom 16. Oktober 1918 Österreich in einen Bundesstaat umzu-gestalten, veranlasste Ungarn zur Kündigung des Dua-lismus.

Der Regierungsverzicht des KaisersAm 11. November 1918 unterzeichnete Kaiser Karl

I. ein Dokument über seinen Verzicht der Ausübung der Regierungsgeschäfte und übersiedelte mit seiner Fami-lie nach Eckartsau, wo er am 13. November eine fast gleichlautende Urkunde für Ungarn unterfertigte. Die Erklärung vom 11. November nahm er in Feldkirch im März 1919 zurück. Der erste Rückkehrversuch nach Ungarn zu Ostern 1921 scheiterte an der Weigerung des Reichsverwesers Nikolaus von Horthy, die Regierungs-gewalt zu übergeben. Eine zweite Rückkehr nach Un-garn am 20. Oktober 1921 scheiterte am Widerstand der Truppen Horthys. Kaiser Karl und seine Frau wurden gefangen genommen und auf britischen Kriegsschiffen nach Madeira gebracht. Am 1. April 1922 um 12.23 Uhr starb Kaiser Karl an einer Lungenentzündung. Er wurde in der Wallfahrtskirche Nossa Senhora do Mon-te beigesetzt. Zurück blieb die Kaiserin Zita mit sieben Kindern im Alter von neun bis eineinhalb Jahren - zwei Monate später kam das achte Kind zur Welt.

Karl war als Erzherzog Thronfolger 1916 an der Tiroler Front und besuchte als Kaiser im Jänner 1917 Innsbruck und im September 1917 Südtirol. Er war der letzte Tiroler Landesfürst. Kaiser Karl I. hat trotz sei-ner kurzen Regierungszeit Format erkennen lassen. Er

hatte ganz moderne Vorstellungen von einem Staats-wesen: Soziale Fürsorge, Volksgesundheit, Volkshy-giene, Jugendfürsorge, Sozialversicherung, Regelung der Arbeitszeit für Frauen und Jugendliche usw. Prof. Dr. Ignaz Seipel, den späteren Bundeskanzler, ernannte Kaiser Karl zum ersten Sozialminister der Welt. Kaiser Karl bekannte sich zur Selbstbestimmung der Völker. Am 1. April 1923 schrieb Dr. Wilhelm Miklas, damals noch Staatssekretär für Kultusangelegenheiten und spä-terer Bundespräsident, einen Brief an den damaligen Erzbischof von Wien, Friedrich Gustav Kardinal Piffl, mit der Bitte, alles in die Wege zu leiten, dass der Selig-sprechungsprozess für Kaiser Karl beginnen könne.

Die Seligsprechung 20041925 approbierte Weihbischof Sigismund Waitz die

Gebetsliga kirchlich, die 1924 rein privat als Gebets-gemeinschaft gegründet worden war. Von der Gebets-liga angestrengt ist dann der Diözesanprozess für die Seligsprechung Kaiser Karls bei der Erzdiözese Wien eröffnet, durchgeführt und abgeschlossen worden. Am 22. Mai 1954 kamen die Prozessakten zur Ritenkon-gregation in den Vatikan. Die Seligsprechung fand am 3. Oktober 2004 in Rom durch Papst Johannes Paul II. statt. Mehr als ein halbes Jahrzehnt nach der Seligspre-chung ist eine Verehrung an vielen Orten - nicht nur auf Madeira - spürbar, so vor allem in Mariazell, Budapest und Agram. Auch literarisch bekommt die Verehrung des letzten regierenden Habsburger-Kaisers Zuwachs.

Wörtlich hatte Kaiser Karl in seinen letzten Lebens-tagen gesagt: „Ich muss so viel leiden, damit meine Völker wieder zusammenfinden.“ Der Salzburger Kir-chenhistoriker Gerhard Winkler sieht in Karl - noch vor den Katholiken Robert Schuman und Konrad Adenauer - deshalb einen der ersten Väter des vereinten Europas. Karl sei ein Märtyrer des Friedens und auch ein wenig ein Märtyrer seiner Minister geworden.

Nach den Worten des Kirchengeschichtlers Flori-dus Röhrig war Kaiser Karl nicht nur ein Märtyrer des Friedens, sondern auch ein Vater der Armen und der Kleinen“. Auch der Priester Tadeusz Pyzdek und der Schriftsteller Erich Feigl schilderten die sozialen Maß-nahmen Karls und dessen Orientierung in der christli-chen Soziallehre. „Karl war seiner Zeit weit voraus“, so Pyzdek.

Reliquien in Stams beigesetztEnde Oktober 2007 wurden Reliquien des seligge-

sprochenen Kaisers in der Stiftsbasilika Stams beige-setzt. Dem Leichnam des in Madeira bestatteten Kaisers waren zwei Rippen entnommen worden. Teile davon finden an den verschiedensten Plätzen der untergegan-genen Donaumonarchie und auch in anderen Ländern Platz. In der Grablege von Stams sind neben zahlrei-chen Adeligen auch Tirols Landesfürsten „Friedl mit der leeren Tasche“, „Sigismund der Münzreiche“ und der Graf Meinhard II. begraben. Eine Reliquie wird auch in der Herz-Jesu-Basilika in Hall aufbewahrt. Im Juni 2008 wurde am rechten Seitenaltar in einer Mons-tranz eine wertvolle Reliquie „ex ossibus“ des seligge-sprochenen Kaisers Karl sichtbar deponiert.

Kaiser Karl hatte noch in seiner Zeit als Erzherzog von Österreich eine enge Beziehung zur Herz-Jesu-Basilika in Hall. Den Abschluss bildete der Vortrag des Münchner Pfarrers Friedrich Oberkofler „Der selige Kaiser Karl von Österreich - Diener des Willens Gottes

als Friedenskaiser, Visionär ei-nes neuen Europas und Anwalt Gottes in der Welt“.

Durch seine Tapferkeit im Leben und Sterben, durch sei-ne christliche Friedfertigkeit, Standhaftigkeit und seinen Mut gab er ein Beispiel für Opferbereitschaft, aber auch für die österreichische Kultur und Idee des friedlichen Aus-gleichs unter den Völkern.

Hofrat Dr. Heinz Wieser ist langjähriger Mitarbeiter des Tiroler Schützenkalenders.

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Aus der Ehe von Kaiser Karl und Prinzessin Zita gingen acht Kinder hervor. Das jüngste, Elisabeth Charlotte, kam zwei Monate nach dem Tode ihres Vaters auf die Welt.

Kaiser Karl mit Kronprinz Otto Franz Josef

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Schützenehre - Hauptmann Joseph PraxmarerVon Paul Lampl

Hand. Hptm. Praxmarer versammelte noch einmal seine Schützen in Rattenberg, um die Stadt vor dem Zugriff Lefebvres zu schützen.

In einer Botschaft des Generals wurde Praxmarer auf-gefordert, Rattenberg kampflos zu übergeben, andern-falls werde die Stadt beschossen und niedergebrannt. Nach kurzer Beratung trat Praxmarer vor seine Männer: „Ihr habt gehört, General Lefebvre verlangt die bedin-gungslose Kapitulation. Was würdet ihr tun? - Ratten-berg zu übergeben ist keine Frage der Ehre, sondern eine Frage der Vernunft; oder soll Rattenberg dasselbe Los ereilen wie Schwaz?“

Einige Heißsporne schüttelten den Kopf: „Kampflos übergeben! Niemals werden wir das verstehen, nie-mals!“ Punkt 12 Uhr gingen die Stadttore auf.

RücktrittDie Schützen kehrten heim. Die einen stolz, weil

Blutvergießen verhindert wurde, die anderen zornig, weil sie sich wie Feiglinge vorkamen, die kampflos Rattenberg aufgegeben hatten.

Bald danach flog ein umwickelter Stein mit einer Botschaft in Praxmarers Gaststube in Reith. Auf dem Zettel stand: „Verräter!“ Daraufhin rief er die Männer zusammen und erklärte ihnen noch einmal sein Ver-halten, dass ihm das Leben hunderter Schützen und Zivilisten größeren Wert bedeutete, als Rattenberg dem Beschuss, dem Feuer und der Schande preiszuge-ben. Unbelehrbare beschimpften ihn als Feigling. Da nahm Hptm. Praxmarer seinen Säbel ab und legte ihn auf den Tisch, räusperte sich und sagte: „Wenn ich eu-er Vertrauen nicht mehr habe, dann wählt einen neuen Hauptmann. Auch das Amt des Bürgermeisters lege ich zurück, denn ohne euer Vertrauen kann ich dieses Amt nicht mehr ausüben.“

AbschiedJoseph Praxmarer zog von Reith weg und baute in

Brixlegg sein Sägewerk aus, das ihm ein neues Stand-bein war. Nach zweimaliger Überschwemmung gab er auch diesen Standort auf und ließ sich in Absam nieder. Obwohl Joseph Praxmarer wegen seiner Degradierung in die Fremde zog, war es sein Wunsch, in Reith begra-ben zu werden. Dieser Wunsch wurde ihm erfüllt.

Eine Frage der Ehre1959 wurden die Nachfahren zu einer Gedenkver-

anstaltung auf den Bergisel eingeladen. Dabei wurde der Ereignisse von 1809 gedacht. Rattenberg fand kei-ne Erwähnung. Da meldete sich Ernst Praxmarer, ein Nachfahre, zu Wort und sagte: „Ich bin mit meinem Bruder, dem Herrn Monsignore, Dekan von Hall, und meinem Sohn (Ernst) der Einladung gefolgt. Wir sind direkte Nachkommen des erwähnten Hautmannes Jo-seph Praxmarer. Doch warum wurde im Rückblick mit keinem Wort Rattenberg erwähnt? Schwer muss es da-mals unserem Vorfahr gefallen sein, Rattenberg kampf-los in Feindeshand zu wissen, zumal ihm klar war, dass er deshalb zum Feigling und Verräter gestempelt würde. Und so war es auch. Alle seine Ämter legte er nieder, starb entehrt und verbittert. Ich frage Sie, Herr Landes-

Wir schreiben das Jahr 1809. In Tirol sind unru-hige Zeiten angebrochen, weil die Bayern und Franzosen rundherum das Land bedrängen. In

diese Zeit fällt auch das Leben eines berühmten Alp-bachtalers, Joseph Praxmarer, der in Reith Gastwirt und Bürgermeister war. Ihm fehlte es weder an Umsicht noch an Weitblick. Als Hauptmann befehligte er die Schützen von Reith, Brixlegg und Rattenberg.

Die Zeiten werden unruhig

Joseph Praxmarer reiste mit einer Delegation nach Wien, da Erzherzog Johann zu einer Besprechung ge-laden hatte. Dabei ging es um die Unterstützung der Länder im Kampf gegen Napoleon. Dieser traf mit den Bayern Vorbereitungen, Tirol zu besetzen.

Zutritt verwehrtGeneral Lefebvre rückte mit seinen Soldaten von

Kufstein kommend vor. Die Reither Schützen hatten den Auftrag, die Bayern und Franzosen am Vordringen ins Zillertal zu hindern: „Herr Hauptmann, ich melde 682 Schützen angetreten. Was sind Ihre Befehle?“, mit diesen Worten unterstellten sich auch die Zillertaler Schützen dem gemeinsamen Kommando. „Wir ver-wehren dem Feind den Eintritt ins Zillertal“, antwortete Praxmarer.

Nahkampf sinnlos„Wir lassen uns auf keinen Nahkampf ein! Wir ma-

chen einen Stellungskrieg!“, erklärte er seinen Schützen. „Stellungskrieg“ murmelten einige, „noch nie gehört, das ist feige und unehrenhaft.“ Als ob Hptm. Praxmarer die Gedanken seiner „Mander“ hätte lesen können, fuhr er fort: „Manche von euch werden meinen, ich wäre feig und meine Anordnungen wären unehrenhaft. Das sind sie nicht. Es ist nur eine andere Art, einem über-mächtigen Feind entgegenzutreten.“ Schützengräben wurden ausgehoben und Steinwälle errichtet.

FeindberührungLefebvre rückte mit seinem Heer an. Die Tiroler wa-

ren fest entschlossen, ihr Land „für Gott, Kaiser und Vaterland“ zu verteidigen. Kaum ertönte das Signal zum Angriff, schon eröffneten die Schützen aus zwei Stellungen das Feuer. Ein Höllenlärm erfüllte das Tal. Da die Franzosen und Bayern den Wall nicht überren-nen konnten, zogen sie sich zurück. Schwaz, das sich auch verteidigte, wurde hingegen niedergebrannt.

KapitulationDie Franzosen und Bayern waren bald Herren im

Land. Rattenberg war noch ein Bollwerk in Tiroler

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

hauptmann, wann wird unser heldenmütiger Vorfahr rehabilitiert? - Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.“ Zuerst betretenes Schweigen, dann Applaus.

RehabilitiertVierzehn Tage später schrieb LHptm. Tschiggfrey an

die Familie Praxmarer in Absam: „Werter Herr Prax-marer! Danken möchte ich Ihnen für Ihre mutige Rede, die Sie am Bergisel gehalten haben. Ich habe mich dar-aufhin mit den Schützenhauptmännern Nord-, Ost- und Südtirols zusammengesetzt. Wir sind der einhelligen Meinung, dass Ihr Vorfahr, der Schützenhauptmann Jo-seph Praxmarer, nach heutigem Ermessen kein Verräter an der Sache war. Ganz im Gegenteil, er hat weise und mutig gehandelt und das alte Städtchen Rattenberg in seiner Schönheit erhalten.

Da ich weiß, dass Sie nicht mehr in Reith wohnhaft sind, habe ich mit gleicher Post den Schützenkomman-danten von Reith beauftragt, das Grabmal des Haupt-mannes Joseph Praxmarer zu pflegen und ihm die ge-bührende Ehre zu erweisen.

Ich hoffe, Ihrem Wunsch damit gerecht zu werden und verbleibe hochachtungsvoll Ihr Landeshauptmann Dr. Hans Tschiggfrey“

DankDank und Anerkennung gebührt heute noch dem mu-

tigen Schützenhauptmann Joseph Praxmarer, der durch seine Weitsicht, seinen gesunden Hausverstand und durch seine Charakterstärke das Städtchen Rattenberg, ein Kleinod Tirols, der Nachwelt erhalten hat.

Meine Infor-mationen und Zitate habe ich aus dem lesenswerten Buch von Ernst M. Praxmarer „Eine Frage der Ehre“ - Ein Tatsachenbe-richt aus dem Tiroler Frei-heitskrieg 1809 - entnommen. Berenkamp 2008, 159 S., ISBN 978-3-85093-233-2

OStR. Mag. Paul Lampl ist Prof. i. P. der ehemaligen Pädagogischen Akademie des Bundes in Tirol.

Hptm. Joseph Praxmarer

Schützen der Kompanie Reith im Alpbachtal(Foto: M. Wedermann)

Die Kompanie Reith bei einer Fronleichnamsprozession in früherer Zeit.

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Das Wunder der Landschaftlichen Pfarrkirche Mariahilf in InnsbruckVon Josef Wieser

als Herzog Bernhard von Weimar zum zweiten Mal in Tirol eingefallen war und Reutte besetzt hatte, das Volk damals auch die Hilfe Mariens erfleht hatte und Hilfe bekam. Man hat ihr zu Ehren eine Kapelle gebaut.

So gelobten die Stände des Landes Tirol in höchster Not und Bedrängnis, den Glauben zu erneuern, nach Art einer Volksmission, und eine Kirche jenseits des Höttinger Baches mit dem Namen Mariahilf zu bauen.

Harte Arbeit macht ein Volk geistig starkTirol war damals ein verarmtes Land. Es war nie für

Kriege gerüstet, die Menschen nahmen lieber Pflug und Werkzeuge anstatt Waffen zur Hand. Sie hatten aber ei-ne innere Stärke: einen unerschütterlichen Glauben und eine tiefe Liebe zur Heimat. Damit waren sie zu jeder Zeit bereit, jedem Feind, der das Land angriff, zu trot-zen. Einen Glauben, wie Paulus sagte: „Feststehen in dem, was man erhofft, überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht.“ (Hbr.11,1) Die harte Arbeit auf den Feldern und in den Bergen hat das Volk geistig stark gemacht und gelehrt, Schwierigkeiten durchzustehen. Und wo die eigene Kraft nicht mehr reichte, da haben sie sich an Gott gewandt.

Claudia von Medici war damals, nach dem Tod ihres Ehemannes, des Erzherzogs Leopold V., 14 Jahre Tiroler Landesfürstin. Sie verstarb 1646 mit 44 Jahren. Claudia war die Tochter des Großherzogs der Toskana, Ferdi-nand I. Erzherzog Leopold V. war Bischof von Passau, hatte aber keine höheren Weihen. 1626 verzichtete er zu Gunsten seines Vetters auf das Bistum Passau, heiratete Claudia von Medici und widmete sich nur mehr seiner Aufgabe als Tiroler Landesherr. Er verstarb 1632.

Der Abt von Wilten, Andreas Mayr, war zunächst ge-gen den Bau der Mariahilf Kirche, da dieses Gebiet ein Teil der Kuratie des Stiftes war. Man schrieb ihm, er sol-le nicht länger protestieren, sondern sich freuen, dass man den teuren Schatz, das wundertätige Marienbild, auf welches das ganze Vaterland stets seine Hoffnung und Heil setzte, unserer Pfarre anvertraue.

Ein Wunder hat sich ereignetNoch im selben Jahr wurde mit dem Bau der

Kirche begonnen. Und das Wunder hat sich ereig-net. Ein tiefer Winter ist in das Land eingezogen. Das Heer mit den Söldnern wurde am Pfänder eingeschneit. Die Söldner konnten nicht mehr ausreichend verpflegt werden und wurden entlassen. Bis dann im Frühjahr ein Heer re-krutiert war, verging viel Zeit, es kam zu Ver-handlungen und im September 1648 wurde der Westfählische Friede ausgerufen und der 30-jährige Krieg war zu Ende.

Das Gebet wurde erhört, niemand kam zu Schaden, weder die Feinde noch die Tiroler. Als Zeugnis dafür steht heute noch die Landschaftliche Kirche Mariahilf in Innsbruck, die vor gut 200 Jahren zur Pfarrkirche er-hoben wurde..

Solche Wunder haben Menschen immer erlebt, wenn sie sich in auswegloser Not Gott anvertrauten. Auch Mose hat das Volk Israel ermuntert, als der Pharao mit seinen Truppen hinterher stürmte und sie am Ufer des Roten Meeres nicht mehr weiter kamen: „Habt keine Angst, steht fest. Ihr werdet sehen, was Gott heute für euch tun wird!“ (Ex.14,14)

„Wenn ihr glaubt“, sagt Jesus, „könnt ihr Berge ver-setzen.“ Zu den Kranken, die Jesus geheilt hat, sagte er nie: „Ich habe dich geheilt“, sondern immer: „Dein Glaube hat dir geholfen.“

Schon der Prophet Jesaja, 700 Jahre vor Christus, sag-te den Leuten: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!“

Um der Schützenkompanie St. Nikolaus-Mariahilf für die Treue zum Glauben und zu unserem Heimatland Tirol und der Verbundenheit mit unseren Pfarrgemein-den zu danken, hat der Pfarrer der Landschaftlichen Pfarre Mariahilf, Monsignore Josef Wieser, bei seinem Abschied eine Kopie der Sturmfahne von Spinges aus den Befreiungskämpfen 1796/97 anfertigen lassen und überreicht. Auf einer Bandschleife mit dem Herz Jesu stehen die Worte:

„In diesem Zeichen wirst du siegen!“

Msgr. Josef Wieser war langjähriger Pfarrer der Land-schaftlichen Pfarre Mariahilf

Jedes menschliche Leben braucht den größeren Zu-sammenhang, damit es sinnvoll wird. Der Glaube an Gott entscheidet, ob wir imstande sind, Erfah-

rungen vom Wirken Gottes in der Geschichte und im persönlichen Leben zu machen. Um die Gegenwart zu bewältigen, braucht es den Blick zurück in die Vergan-genheit und die Erinnerung, die „Memoria“. Wer sich nicht mit der Vergangenheit beschäftigt, ist auch nicht berechtigt, über die Zukunft zu entscheiden.

Wunder sind keine Sensationsereignisse Das Handeln Gottes in der Geschichte gibt uns die

Gewissheit, dass er auch heute unsere Zuversicht ist. Ohne Gott ist alles sinnlos.

Das Judentum kennt eine eigene Alltagskultur, um die Aufmerksamkeit wach zu halten, den Blick und das Herz für Gottes Wirken offen zu halten. Es sind die „Barochot“ - die Lobpreisungen. Sie loben Gott jeden Tag für all sein Wirken, das sie erfahren haben. So blei-ben ihnen alle Wunder gegenwärtig und begleiten ihr tägliches Tun. Jede Baracha beginnt mit den Worten: „Gepriesen seiest du Ewiger, der du die Welt regierst.“

David Ben Gurion, der erste Ministerpräsident Isra-els, hat einmal gesagt: „Wunder erleben wir jeden Tag! Nur ein Nichtrealist glaubt nicht an Wunder.“

Wunder sind keine Sensationsereignisse. Wunder sind Zeichen, dass Gott uns nicht vergessen hat und Zeichen seiner Sorge um uns Menschen. Jesus hat nie Wunder gewirkt, um zu imponieren oder Menschen zu gewinnen. Er hat sogar den Geheilten verboten, davon weiter zu erzählen. Wenn der Glaube an seine göttliche Sendung fehlte, konnte er auch keine Wunder wirken. Den Glauben kann man niemandem aufdrängen. Wo kein Glaube, da keine Wunder.

Kerzen und GebeteAls vor 20 Jahren mitten in der Nacht die Berliner

Mauer lautlos einbrach, ohne dass ein Schuss fiel, und ohne dass ein Mensch nur einen Kratzer abbekam, da hat ein hoher, atheistischer Offizier gesagt: „Wir haben mit allem gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebe-ten.“ Wochenlang sind gläubige Menschen Abend für Abend betend in einer Prozession um den Leipziger Dom gezogen. Dieses Friedensgebet hat der Himmel erhört.

Ein solches Wunder erlebten die Tiroler Ende des 30-jährigen Krieges. Im Jahre 1646 war unser Land in großer Gefahr. Als im Jahre 1647 die vereinigten schwedischen, französischen und hessischen Heere Süddeutschland grausam verwüsteten und nach der Er-oberung von Bregenz und der Verheerung Bayerns im Winter 1647 / 48 auch Tirol überfallen wollten, versam-melten sich die Tiroler Landstände (Landschaft Tirol) vom 29. Jänner bis zum 11. Februar 1647 in Innsbruck, um über Abwehrmaßnahmen zu beraten. Tirol hatte kein Heer, um die Feinde aufzuhalten. Im Zuge dieser Verhandlungen erinnerte man sich, dass bereits 1632,

Das Hochaltarblatt von Johann Paul Schor zeigt das Ge-löbnis der Tiroler Landstände 1646 mit der Kirche im Hintergrund. Im Zentrum des Hochaltars befindet sich seit 1654 eine von Michael Waldmann geschaffene Kopie des Mariahilfbildes von Lucas Cranach d.Ä.

Landschaftliche Pfarrkirche Mariahilf, gestiftet 1647 v. den Tiroler Landständen, erbaut 1647-49 von Christoph Gumpp

Strickner Josef: Blick vom Gasthof „Goldener Adler“ gegen Innbrücke und Mariahilf um 1819.

(Stadtarchiv / Stadtmuseum Innsbruck)

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien, Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Page 12: 2010 Tiroler Schützenkalender - Texte

Der Ritterorden vom Heiligen Grab zu JerusalemVon Engelbert Pfurtscheller

Das „Jerusalemkreuz” (ein von vier griechischen Kreuzen umgebenes „verstärktes Kreuz”) ist das Zeichen der Ordensgemeinschaft. Es symbo-

lisiert die fünf Wundmale Christi und soll an die Ver-pflichtungen im Heiligen Land erinnern. Seine rote Far-be gilt als Zeichen der Liebe und des Geistes Gottes. In Österreich ist der Orden territorial in elf Komtureien gegliedert, die nach ihren Zentren benannt sind Wien, Baden-Wiener Neustadt, Eisenstadt, St. Pölten, Graz, Linz, Klagenfurt, Salzburg, Salzkammergut, Innsbruck und Bregenz.

Geschichte des RitterordensDer Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem hat

seinen Ursprung in dem seit 1333 bezeugten Brauch adeliger Jerusalempilger, sich in der Grabeskirche in Jerusalem zum Ritter schlagen zu lassen. 1496 wurde dem Franziskaner-Guardian in Jerusalem vom Papst das Privileg verliehen, dass er und nur er Ritter vom Hei-ligen Grab ernennen dürfe. Der Orden geht also nicht auf die Kreuzzüge zurück. 1655 werden vom Papst Ale-xander VII. die bisherigen Privilegien der Franziskaner bestätigt. Papst Pius IX. erneuerte 1847 das Lateinische Patriarchat und übertrug dem ersten Patriarchen der Neuzeit wieder das alleinige Recht der Ritterernen-nung. Seit damals besteht der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem als eigenständige juristische Person des Kirchenrechts unter der Oberhoheit des Heiligen Stuhls.

Durch das Breve vom 24. Jänner 1868 „Cum multa“ bestätigte Papst Pius IX. den Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem formell als päpstlichen Ritterorden. Eine neue Ära leitet das Statut von 1949 „Quam Roma-ni Pontifices“ ein, mit dem ein Kardinalgroßmagisteri-um mit Sitz in Rom geschaffen und dem Kardinalgroß-meister die Leitung des Ordens übertragen wurde.

Zurzeit existieren nur drei katholische Ritterorden, die vom Heiligen Stuhl als Institutionen des internatio-nalen Rechtes anerkannt sind, nämlich der Päpstliche Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, der Sou-veräne Malteser-Ritter-Orden und der Deutsche Orden. Allerdings ist im deutschen Orden der ritterliche Zweig alten Stils durch eine Reform der Statuten erloschen.

Der Ritterorden vom Heiligen Grab umfasst weltweit derzeit etwa 22.000 Personen: Damen, Ritter, Kleriker und Laien. Er steht unter der Leitung eines Großmei-sters S.E. John Patrick Kardinal Foley, der vom Heiligen Vater aus den Reihen der Kardinäle ernannt wird und in Rom residiert. Der jeweilige Lateinische Patriarch von Jerusalem, derzeit S.S. Erzbischof Fouad Twal, ist in bewusster Fortsetzung der Ursprungstradition Großpri-or des Ordens.

Derzeit bestehen 52 Statthaltereien, die wieder in Komtureien gegliedert sind. In Österreich gibt es der-zeit 401 Damen und Ritter.

Dem Orden gehören bekannte Persönlichkeiten an: Dr. Christoph Kardinal Schönborn, Erzbischof Dr. Alois Kothgasser, Diözesanbischof Dr. Paul Iby, Altbischof Dr. Reinhold Stecher, Abt Dr. Kassian Lauterer und Landtagspräsident DDr. Herwig van Staa.

Am 4. Oktober 1954 erhob Kardinal-Großmeister Nicola Canali mit Dekret die „Regentschaft des Ritter-ordens vom Heiligen Grab“ in Österreich zur Statthal-terei. Sie ist nach den Bestimmungen des Konkordates von der Republik Österreich anerkannt. Derzeit steht HR DDr. Karl Lengheimer der österr. Statthalterei vor, Großprior - der geistliche Leiter der Statthalterei Öster-reich - ist Erzbischof Dr. Alois Kothgasser.

OrdensauftragDie Aufgabe des Ordens besteht einerseits in der

Stärkung des christlichen Lebens der Mitglieder und andererseits in der Unterstützung der Christen im Heili-gen Land. Den österreichischen Rittern liegt besonders die katholische Pfarre von Gaza am Herzen, die im vo-rigen Jahrhundert vom Tiroler Pfarrer Georg Gatt ge-gründet wurde. Ein weiteres großes Anliegen ist derzeit auch die Unterstützung der Christen in Bethlehem weil viele dort außerordentlich bedürftig sind.

Politische Aufgaben nimmt der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem nicht wahr. Noch weniger strebt er nach wirtschaftlicher Macht. Vielmehr arbeitet er engagiert auf unterschiedlichen Ebenen an der Ver-wirklichung christlicher Ziele und Aufgaben.

Traditionell unterstützt der Orden vom Hl. Grab zu Jerusalem das Lateinische Patriarchat, um den „institu-tionellen Aufwand“ und die Schulkosten für die christ-lichen Schüler möglichst zu finanzieren.

Heilig-Land-KommissionAlle Aktivitäten der österreichischen Statthalterei im

Heiligen Land werden von der „Heilig-Land-Kommis-sion” koordiniert, die dem Statthalter für diese Aufgabe zur Verfügung steht. Durch Sammelaktionen inner– und außerhalb des Ordens werden jene Mittel aufgebracht, die für die Finanzierung der fünf Programme erforder-lich sind:1. Familienprogramm Derzeit werden 40 christliche Familien - ca. 250 Per-

sonen - in Gaza, Bethlehem und im Westjordanland unterstützt. Die Familien erhalten finanzielle Zu-wendungen für den notwendigsten Lebensunterhalt (Lebensmittel, Hygiene, Medikamente und ärztliche Behandlung, aber auch Schulstipendien). Ordensan-

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

gehörige besuchen regelmäßig diese Familien und erfassen genauestens die Familiensituation.

2. Sozialfonds Notleidende christliche Personen und Gemeinschaf-

ten im Heiligen Land werden vom Sozialfonds des Gesamtordens unterstützt.

3. Schulprogramm Auch mit österreichischen Ordensmitteln wurden u.

a. die Schulen des Lateinischen Patriarchats in Gaza und Kerak gebaut. Beide Schulen bilden Mädchen und Buben vom Kindergarten bis zur Matura (Tawji-hi) aus.

4. Kindergartenprogramm Die Österreichische Ordensgemeinschaft stattet in

Jordanien, in Gaza und im Westjordanland Pfarr-kindergärten nach den neuesten pädagogischen Erkenntnissen aus. Kindergärtnerinnen der Patriar-chatsschulen wurden in Österreich in Management und Kindergartenpädagogik ausgebildet.

5. Priesterseminar Vom Österreichischen Ritterorden werden seit mehr

als 20 Jahren Priesterstudenten durch persönlichen und familiären Kontakt im Heiligen Land betreut. Derzeit werden zehn Seminaristen in Beit Jala (Nä-he Bethlehem) unterstützt und begleitet.

Alle Unternehmungen des Ritterordens - in Öster-reich und weltweit - sind vom Erfolg einzelner Spen-denaktionen und Jahresopfer der Mitglieder abhängig.Weitere Informationen unter www.oessh.at

Das Heiligen Land in ZahlenEinwohner: 6 Mio. Israel (5 Mio. Juden, 1 Mio. Palä-stinenser), 3 Mio. Palästinenser in den besetzten Gebie-ten, Jordanien 4 Mio.Christen: 400.000 insgesamt, davon 170.000 Katholi-ken (davon 70.000 Lateiner, 70.000 Griechisch-Katho-lische, 5.000 Maroniten, Syrer und Armenier)Katholische Kirche: 63 kath. Pfarrgemeinden, 81 Diö-zesanpriester, 2.000 Mönche und NonnenZahl der Pfarren: in Palästina 18, in Jordanien 33, in Israel 14, für hebräische Katholiken 6Bildungseinrichtungen des Lateinischen Patriar-chats: Zahl der Schulen: in Palästina 14, in Jordanien 22, in Israel 5Zahl der Schüler und Anteile der Christen: insges. Christen d.s. in %in Palästina 5.696 2.671 47 %in Jordanien 10.838 7.693 71 %in Israel 2.294 1.730 75 %insgesamt: 18.828 12.094 64 %

Der Orden der Grabesritter deckt etwa 80 Prozent der Ausgaben des Lateinischen Patriarchates (2008 waren es ca. 6 Mio. Euro).

Der Ritterorden vom Heiligen Grabzu Jerusalem in Innsbruck

Die Bemühungen zur Gründung der Komturei Inns-bruck gehen auf die Mitte der 60er Jahre zurück. Dem damaligen Großprior Weihbischof DDr. Jakob Wein-bacher gelang es den Abt von Wilten, Prälat Alois Stö-ger, für den Orden zu gewinnen. 1968 kam es dann zur Komtureigründung. Seit damals finden die Treffen re-gelmäßig im Stift Wilten statt. Derzeit gehören drei Da-men und 56 Ritter der Komturei an.

Ing. Engelbert Pfurtscheller ist leitender Komtur der Komturei Innsbruck.

Auszug der Ritter vom Heiligen Grabe zu Jerusalem nach der Einweihung der renovierten Stiftskirche Wilten am 19. Oktober 2008.

Der scheidende (links) und der neue Seelsorger der katholischen Gemeinde von Gaza mit Gemeindemitgliedern und demLateinischen Patriarchen Fouad Twal.

Page 13: 2010 Tiroler Schützenkalender - Texte

Das naturhistorische Kabinett im Vinzentinum in BrixenVon Verena Steinmair

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Eine Tür öffnet sich, den Besucher emp-fangen schummriges Licht und relativ kühle Temperaturen, im Halbdunkel

eines langgestreckten Raumes sind zahllose Holzschränke mit Gläsern zu erkennen, hin-ter der Ecke lugt die Schnauze eines Kroko-dils hervor: Bei der ersten Begegnung mit der naturkundlichen Sammlung des Vinzen-tinums in Brixen empfindet so mancher eine gewisse Scheu. Sobald aber das Deckenlicht aufflammt und der Besucher erfährt, dass die tiefen Temperaturen der Konservierung dienen, kann sich kaum einer der Faszinati-on des Schauraumes entziehen.

Umfangreiche TierpräparateDie naturkundliche Sammlung des Vin-

zentinums trägt den Namen „Naturhisto-risches Kabinett“. Als Kabinett wurde ur-sprünglich ein kleines, einfenstriges Zimmer bezeichnet, das oft als Abstellraum benutzt wurde. Später wurde der Begriff deshalb auch für einen Raum für Sammlungen ver-wendet. Der Ausdruck „naturhistorisch“ erinnert daran, dass im Fach Naturkunde früher vor allem die Entste-hung der Erde und der Lebewesen gelehrt wurde.

Die Sammlung setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen: Am umfangreichsten und damit am auf-fälligsten sind die zahlreichen Tierpräparate, daneben gibt es eine große Sammlung an Mineralien, Gesteinen und Fossilien. In einem eigenen Raum befindet sich das „Herbar Rupert Huter“, eine Sammlung getrockneter und gepresster Pflanzen. Schließlich gibt es noch ei-ne Reihe sogenannter Kuriositäten, die weniger einen wissenschaftlichen oder didaktischen Zweck haben, bei den Besuchern aber einen besonderen Eindruck hinter-lassen.

Die Tiersammlung umfasst vor allem Wirbeltiere: Dabei überwiegen Vögel und Säugetiere, denn diese Gruppen lassen sich am leichtesten präparieren, weil man sie ausstopfen kann. Von einigen Arten sind Felle bzw. Häute vorhanden, von anderen Skelette, sogar die Stimmapparate vieler Singvögel finden sich in einem eigenen Schrank. Empfindlichere Arten wie Schlangen oder Fische sind in Alkohol eingelegt.

Die wirbellosen Tiere erspäht man erst auf den zwei-ten Blick: Sie sind entweder unscheinbar, wie etwa die Korallen, oder, wie die lichtempfindlichen Insekten, in Schubladen untergebracht.

Zu sehen sind aber auch Seesterne und Seeigel und als besonderes Highlight in einer großen Vitrine in der Mitte des Raumes seltene und besonders schöne Mu-scheln, Schnecken und Schmetterlinge.

Die Sammlung von Mineralien, Gesteinen und Fos-silien hat in Vinzentinum eine lange Tradition. Es gab dort immer wieder Professoren, die sich auf diesem Gebiet spezialisiert hatten. Zudem erwiesen sich die umliegenden Gebirgszüge als wahre Fundgruben: die Dolomiten als „locus classicus“ für viele Fossilien, der Alpenhauptkamm als Schatzkammer für Mineralien-sammler.

Herbar Rupert HuterIm Besitz des Vinzentinums befindet sich eine der

bedeutendsten alten Pflanzensammlungen (Herbare) über die Flora der Ost- und Südalpen. Sie umfasst ca. 120.000 Pflanzenbelege und stammt vom berühmten Ti-roler Priester und Botaniker Rupert Huter (1834-1919).

Rupert Huter hat zeit seines Lebens nicht nur an den verschiedensten Orten in Tirol Pflanzenmaterial gesammelt, sondern zusammen mit den befreundeten Botanikern Pietro Porta (1832-1923) und Giorgio Ri-go auch mehrere Forschungsreisen unternommen, unter anderem nach Carnia/Friaul (1873), Unteritalien (1874, 1875, 1877), Spanien (1879) sowie auf die Balearen (1885). Zudem erhielt er durch seine Kontakte mit vie-len europäischen Botanikern umfangreiches Pflanzen-material.

Die gesammelten Pflanzen wurden von Huter be-stimmt, gepresst, getrocknet, auf Herbarbögen aufgezo-gen und in einem Katalog festgehalten. Auf diese Weise entstand eine umfangreiche private Pflanzensammlung,

die er auf Veranlassung von Fürstbischof Vinzenz Gas-ser dem Vinzentinum vermachte und vor der Übergabe noch genauestens ordnete.

Das Herbar Rupert Huter ist für die wissenschaftli-che Forschung äußerst bedeutsam. Es bildet eine der zentralen Grundlagen für die Erforschung der mit-teleuropäischen Flora sowie für die Flora Tirols. Die Pflanzensammlung Rupert Huters war nicht nur eine der wichtigsten Grundlagen für das letzthin erschiene-ne fünfbändige Grundlagenwerk „Flora von Nordtirol, Osttirol und Vorarlberg“ von Adolf Polatschek, sondern wird zunehmend stärker auch von Universitäten und Museen genutzt, die einzelne Herbarbögen entlehnen.

Seit 1996 wird das Herbar im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum restauriert: Die Pflanzenbelege werden dabei auf neue Bögen gespannt, neu etikettiert, gegen eventuellen Schadinsektenbefall schockgefroren, digi-tal erfasst und - sofern erforderlich - von anerkannten Spezialisten nachbestimmt. Die erneuerten Belege wer-den ins Vinzentinum zurückgebracht und dort in einem speziell eingerichteten und auch für die interessierte Öf-fentlichkeit zugänglichen Raum sachgerecht deponiert.

KuriositätenAm längsten in Erinnerung bleibt vielen Besuchern

aber eine Reihe von sogenannten "Kuriositäten": Das ausgestopfte Krokodil beeindruckt durch seine Größe und die scharfen Zähne im weit geöffneten Maul. Das Kalb mit zwei Köpfen zeigt, dass auch in der Natur im-mer wieder etwas „schiefgehen“ kann. Das echte Men-schenskelett stammt aus einer Zeit, als es noch unmög-lich war, ein Skelett aus Kunststoff herzustellen. Den Stoßzahn eines Elefanten dürfte man heute aufgrund der internationalen Artenschutzabkommen nicht mehr erwerben bzw. importieren. Wer ihn in der Vinzentiner Sammlung sehen und in der Hand halten kann, ist be-eindruckt von seiner Mächtigkeit und seinem Gewicht und unterstützt hoffentlich mit Nachdruck den Schutz der vom Aussterben bedrohten Elefanten.

Sehr wertvoll, weil mit einem aufwändigen und in-zwischen fast vergessenen Verfahren hergestellt, sind die Gipsabdrücke alter Apfel- und Birnensorten.

Bei so vielen unterschiedlichen Ausstellungsstücken ist auch die Art der Präparation bzw. Konservierung entsprechend vielfältig: Neben den vielen ausgestopf-ten Schaustücken gibt es Tiere, die in getrockneter Form aufbewahrt werden, so zum Beispiel die Insekten oder die Seeigel und Seesterne. Wenig haltbare Expo-nate wie die Schlangen sind in Alkohol eingelegt. Ein-zig die Schnecken und Muscheln, von denen nur die Schale erhalten bleibt, sind pflegeleicht und bedürfen keiner Wartung.

GeschichteImmer wieder stellen Besucherinnen und Besucher

die Frage, woher diese Fülle an Ausstellungsstücken stammt. Um manches Exponat ranken sich die wildes-ten Geschichten: So hält sich in Brixen hartnäckig das Gerücht, das Menschenskelett stamme vom letzten in der Stadt Brixen Gehenkten und beim ausgestopften

Lama soll es sich um ein sterbenskrankes Exemplar eines Zirkus handeln.

Beim genaueren Hinsehen erweist sich die Herkunft aber meist viel weniger spek-takulär: Liest man in den jährlich erschie-nenen Vinzentiner Schulberichten der er-sten 50 Jahre nach, so findet man dort Jahr für Jahr alle Neuerwerbungen penibel auf-gelistet.

Die Sammlung wurde regelmäßig und großzügig ergänzt, zu einem Großteil durch Schenkungen von Gönnerinnen und Gön-nern, aktuellen und ehemaligen Schülern und vielen Geistlichen, die öfters ihren Nachlass dem Vinzentinum vermachten. Auffallend oft gelangten Spenden von Missionaren aus Übersee ins Vinzentinum. Ein beträchtlicher Teil der Exponate wur-de auch - vor allem in den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg - von Lehrmittelverlagen aus allen Teilen des Habsburgerreiches an-gekauft, so auch das genannte Menschens-kelett, das 1904 durch Kauf von einem Pra-

ger Lehrmittelverlag erworben wurde. Manche besonders gut ausgestatteten Bereiche zeu-

gen heute noch von der wissenschaftlichen Leiden-schaft einiger Professoren, die im Vinzentinum lebten und ihre ganze Energie der Erforschung einer Tiergrup-pe widmeten: Bekannt sind die Schmetterlingssamm-lung von Prof. Michael Hellweger (1865-1930) und die Schneckensammlungen von Leonhard Wiedemayr (1853-1912) und Florian Schrott (1884 - 1971).

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges brach der Neuer-werb von Exponaten radikal ein: Zum einen waren die Geldmittel knapp, zum anderen waren die Schulklassen bzw. die Professoren auf die nähere Umgebung Brixens verstreut, weil im Vinzentinum ein Militärspital ein-gerichtet worden war. Aus diesem Grund musste man - wie Direktor Alois Spielmann im Jahresbericht von 1917 schrieb - „Neuanschaffungen auf bessere Zeiten verschieben“.

Diese erhofften besseren Zeiten stellten sich aller-dings nicht ein. Im Gegenteil, das Vinzentinum musste eine folgenschwere Teilung hinnehmen: Das Einreise-verbot der Faschistischen Regierung für die Studenten aus Nord- und Osttirol sowie aus Vorarlberg zwang die Diözese Brixen, 1926 mit dem „Paulinum“ in Schwaz eine Parallelstruktur aufzubauen. So wie die Schüler, die Professoren und der Hausrat zwischen dem Vinzen-tinum und dem Paulinum „aufgeteilt“ wurden, so mus-ste das Vinzentinum auch große Teile seiner didakti-schen Ausstattung und damit auch der naturkundlichen Sammlung abtreten.

Auch in den folgenden Jahren war an Neuankäufe nicht zu denken. Zudem wurden - bis auf einige wenige Jahrgänge in den Dreißigerjahren - bis zum Jahr 1973 keine Jahresberichte mehr gedruckt, sodass die weitere Entwicklung der Sammlung heute im Dunkeln liegt.

NutzungDie Unterweisung in den Fächern „Naturgeschich-

te“ und „Naturlehre“ nahm im Vinzentinum seit jeher einen breiten Raum ein. Entsprechend wurde die na-turkundliche Sammlung in erster Linie für den Einsatz im Unterricht angelegt und wird dort auch heute noch intensiv genutzt: Die Schülerinnen und Schüler können Vertreter der einheimischen Fauna hautnah betrachten, sie bekommen aber auch Einblick in die Vielfalt der Lebewesen anderer Kontinente und können bei Verglei-chen zwischen einzelnen Tieren die oft beeindruckende Anpassung der Lebewesen an ihre Umwelt besonders gut erfassen.

Immer wieder werden auch Teile der Sammlung von Wissenschaftlern für ihre Forschung genutzt. Die na-turkundliche Sammlung kann nach Voranmeldung im Schulsekretariat auch von Interessierten jederzeit be-sichtigt werden, wobei auch Führungen, z.B. für Schul-klassen angeboten werden.

Mag. Verena Steinmair ist Professorin für natur-wissenschaftliche Fächer am bischöflichen Seminar Vinzentinum in Brixen.

Zahlreiche Tierpräparate und eine umfangreiche Mineraliensammlung sind das Herzstück des naturhi-storischen Kabinetts in Brixen.