2011 Tiroler Schuetzenkalender - Texte

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Ü ber einer Gedenkstätte in St. Leonhard im hinters- ten Passeiertal weht die Tricolore Frankreichs. Diese Stätte wird „Franzosenfriedhof“ genannt. Was lässt sich historisch über diesen Friedhof sagen? G. P. Marzoli aus Meran, ein emeritierter Chi- rurg, erforschte dessen Geschichte, weil dieser Ort seit 1809 von den Einheimischen pietätvoll gepflegt wird. Das Französische Generalkonsu- lat in Mailand überweist alljährlich zur Pflege und Erhaltung des Friedhofs einen G e l d b e t r a g und gedenkt damit der gefallenen Landsleute im Tiroler Freiheits- kampf. Letzte Kampfhandlungen Vom 17. auf den 18. November 1809 marschierten 1500 Franzo- sen unter Major Dorelli (größten- teils wohl Bayern und andere Ver- bündete Napoleons) über den Jaufenpass in Richtung Meran. Sie sollten sich den Truppen des Generals S. B. Rusca anschließen. Die Schützen hielten die Durch- marschierenden aber auf und dabei kam es bis zum 22. November zu erbitterten Kämpfen. Die Franzosen machten in Walten Halt, wo sie über- nachteten. Um 4 Uhr in der Früh läuteten in St. Leon- hard die Sturmglocken. Darauf sammelten sich 70 bis 200 Schützen unter der Führung J. Holzknechts, des Stroblwirts, und G. Laners, des Salzträgers Jörgl. Sie stiegen in Richtung Walten auf und warteten in einem Hinterhalt. Gleichzeitig schickte Laner einen Boten zu Pferd auf den Tschöggelberg, wo sich die drei Schüt- zenkompanien des Tales befanden, die von der Höhe aus den Rückzug des Generals Rusca gegen Bozen verfolgten. Die Franzosen ließen eine schwache Kom- panie in Walten zurück und verließen das Dorf in den ersten Stunden des 18. November und stiegen Mann für Mann, staffelweise getrennt, im Abstand von ungefähr einer Viertelstunde ins Tal hinab. Zweimal wurden die Franzosen von den Tirolern angegriffen. Das erste Mal in der Hochkehre. Hier, wo der Steig besonders schmal und ausgesetzt ist, ließ man un- ter dem Gewehrfeuer Felsbrocken auf sie hinunter. Sie beklagten Tote, Verwundete und mehrere wurden gefangen genommen. Doch die Truppe der Franzosen hielt nicht an, sondern stieg eilends nach St. Leonhard ab. Gegen Mittag besetzten sie die größeren Häuser, die Kirche, den Turm und die be- nachbarten Anhöhen. Die Tiroler waren zu schwach, um ernsthaft Widerstand zu lei- sten. Später trennten sich die Franzosen. Während es Do- relli vorzog in St. Leonhard zu bleiben, verließ Klipp- feld mit seinem Bataillon das Dorf und zog talwärts. Doch auf den Gandöllwiesen stieß er auf das Gewehr- feuer der Schützen. In der Überzeugung, eine große Schar von Feinden vor sich zu haben, zog Klippfeld sich zurück und besetzte die Höfe Happerg und Kol- ber. Für einen Augenblick entstand eine Pattsituation. Die Franzosen hatten sich im Dorf verschanzt und die Tiroler behinderten ihre Bewegungsfreiheit. Später er- zwangen die Schützen durch Beschuss den Rückzug der Franzosen von den Höfen der Umgebung. Hilfe in der Not In der Nacht kamen drei Schützenkompanien des Ta- les herbei, denen sich die Schützen von Schenna, Tirol, Kuens und Riffian anschlossen. Am 19. November in der Früh begann der Kampf erneut. Die Tiroler drangen in das Dorf ein. Die Franzosen zogen sich aber in die größeren Häuser zurück, die sie wie Bunker benützten und aus den Fenstern schossen. Es war ein ungleicher Kampf. Da und dort griffen mit wilder Hartnäckigkeit die Tiroler bald dieses, bald jenes Haus an, in denen die Franzosen verschanzt waren. Entfesselte Tiroler schlu- gen auch mit den Gewehrkol- ben zu, wäh- rend die Franzo- sen sich mit den Bajonetten verteidigten. Die Belagerer erhielten Hil- fe und eröffneten mit einer Kanone, die sie den Franzosen bei Sinich na- he Meran abgenommen hatten, erneut das Feuer. Aus Meran kam auch Pater Haspinger herbei. Im „Strick- lerhaus“ hatten zwei Dutzend Franzosen Zuflucht ge- sucht. Sie schossen aus allen Fenstern. Alle Versuche der Tiroler, dieses Haus zu stürmen, wurden vereitelt. Laner befahl J. Thurnwalder, ins Haus einzudringen und die Kapitulation der Franzosen zu fordern. Dieser lief mit gezücktem Schwert (er war Offizier) auf das Haus zu, trat in die Stube ein, doch da starrten ihm drei schießende Gewehrläufe entgegen. Eine Kugel durch- löcherte seinen Hut. Da floh er über den Söller. Laner wollte, dass er es noch einmal versuchte. Ein zweiter Sturmversuch veranlasste einen Offizier, die Kapitulation anzubieten, wenn die Tiroler versprechen würden, sie nicht zu misshandeln. Hofer kehrte inzwi- schen zum Sandhof zurück. In einem Brief nennt er diese Kämpfe „eine Affäre in Passeier“. (Fotos: B. Pfeifer) Kapitulation Am 20. November ersuchten die Franzosen um frei- en Abzug. Hofer lehnte ab. Auf seinen Befehl hin stürz- te sich J. Öttl, „der große Schwarze“, ein wahrer Riese, gegen die von innen versperrte Tür eines Hauses und ein wilder Kampf brach los. Zimmer für Zimmer wurde erobert, bis die Franzosen aufgaben. Am 22. November sahen sich die Franzosen in ei- ner ausweglosen Situation, weil sie in der Kirche und im Friedhof eingeschlossen waren. Ohne Lebensmittel, ohne Munition und ohne Wasserzufuhr konnten sie sich nicht mehr halten. Da die Tiroler nun mit zwei Kano- nen zu schießen begannen, boten sie die bedingungslo- se Kapitulation an. Nach der Kapitulation verließen die Tiroler die Stät- te des Geschehens und zogen sich zum Teil physisch und psychisch erschöpft nach Hause zurück. Weil es unmöglich war, alle Gefangenen im Passeiertal zu be- halten, beauftragte Hofer Pater Haspinger, die Marsch- fähigen in den Vinschgau zu beordern. Pater Haspinger verabschiedete sich von Hofer - sie sahen einander zum letzten Mal - und führte die Franzosen fort, die von we- nigen Tirolern bewacht wurden. Opferbilanz Bei diesen Kämpfen starben etwa 200 französische Soldaten, 30 Offiziere und 22 Tiroler (nur einer ist von St. Leonhard). Viele Franzosen und auch Tiroler wur- den verwundet. Hofer in einer „offenen Ordre“: „An die löbliche Ge- meinde Mais, Schenna. Einen neuen Beweis des Gött- lichen Beistandes seht ihr jetzt in Passayer, wo der Feind, auf eine leichte Art, bey größter Verwirrung unseren Truppen, in der Zahl über 1000 Mann, sich gefangen gegeben haben“. Sant i. Passeyer. 22.11.09 Bitteres Ende Schon am 23. November stieg eine weitere Kolonne von 2.000 französischen Sol- daten unter dem Kommando des Generals J. Barbou De- sconniers vom Jaufen herab. Die Nachricht davon verbrei- tete sich in Windeseile im Passeiertal. Die Bewohner verließen ihre Dörfer. Aus dem Sandwirtshaus brachten die Tiroler die Beute in Sicherheit. Hofer verließ den Sandhof und nahm in der Kellerlahn Zuflucht. Am 24. November rückte Barbou von St. Leonhard ab und ließ eine Abteilung zurück, die beauftragt war, die Waffen zu sammeln. Franzosenfriedhof Bisher war man der Meinung, dass die Franzosen auf einem eigenen „Franzosenfriedhof“ in Passernähe begraben worden wären. Dort haben 1959 die Schüt- zen eine Tafel angebracht, auf der es heißt, dass hier 200 Franzosen sowie 30 Offiziere begraben sind. Die Quelle dieser Information ist unbekannt. 2007 wurden Grabungen durchgeführt, die bestätigen, dass nur zwei russische Soldaten an diesem Ort begraben sind. Nach Aufzeichnungen des Johann Thurnwalder wurden die Passeirer am Ortsfriedhof begraben und die Franzosen dort, wo sie im Kampf starben, verscharrt. Das Grund- stück des heutigen Franzosenfriedhofs wurde bereits 1763 angelegt, um bei einem Ausbruch einer Epidemie (Pest, Cholera,…) einen Platz für die vielen Verstorbenen zu haben. Er scheint in den Ur- kunden als „Freythof Wiß“ auf, also geraume Zeit vor den Freiheitskriegen. Dass dort kei- ne Franzosen begraben sind ist wohl deshalb so, weil das Grundstück dem Schwarzadler- wirt und damit einem Privaten gehörte, der die Wiese mähte und wahrscheinlich auch die Beerdigung der Franzosen nicht zuließ, da er in der Schlussphase des Freiheitskamp- fes ohnehin ein Gegner weiterer Aufstände war. 1913 gibt es in einer Wiener Zeitung den Hinweis, dass dieser Friedhof restauriert werden sollte, weil al- te Leute sagten, dort seien Franzosen begraben. Wegen des Ersten Weltkrieges unterblieb dann die Restaurie- rung. Diese Vermutungen haben dann wohl zur An- bringung der Tafel unter Sepp Doná 1959 geführt. In- teressant ist der Hinweis, der sich in den Schriften des Johann Thurnwalder fand, dass „Alle todte Bauern in St. Leonhard wurden im Kirchhof begraben, alle Fran- zosen, wo sie lagen eingescharrt, so abergläubisch war man“. Auch vom Küchlberg weiß man, dass die Fran- zosen an Ort und Stelle eingegraben wurden. Dennoch blieb dieser Ort als Gedenkstätte an die Freiheitskriege erhalten. Dr. Werner Graf aus St. Leonhard hat in seinem Buch „Andreas Hofer und die Passeirer 1809“ die neuesten Erkenntnisse über die Kämpfe und die Gefallenen auf- gezeichnet. Quellen: Albin Pixner, Obmann des MuseumPasseier, Veröffentli- chung in der Monatszeitschrift „Der Schlern“ von Gian Marzoli OStR. Mag. Paul Lampl ist Prof. i. P. der ehemaligen Pädagogischen Akademie des Bundes in Tirol. Der letzte Sieg der Tiroler 1809 – 18. bis 22. November in Sankt Leonhard im Passeier von Gian Marzoli, Berni Pfeifer und Albin Pixner - zusammengefasst von Paul Lampl Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

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Tiroler Schützenkalender 2010 Texte

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Über einer Gedenkstätte in St. Leonhard im hinters-ten Passeiertal weht die Tricolore Frankreichs. Diese Stätte wird „Franzosenfriedhof“ genannt.

Was lässt sich historischüber diesen Friedhof sagen?

G. P. Marzoli aus Meran, ein emeritierter Chi-rurg, erforschte dessen Geschichte, weil dieser Ort seit 1809 von den Einheimischen pietätvoll gepflegt wird. Das Französische Generalkonsu-lat in Mailand überweist alljährlich zur Pflege und Erhaltung des Friedhofs einen Geldbe t rag und gedenkt damit der gefallenen Landsleute im Tiroler Freiheits-kampf.

Letzte Kampfhandlungen

Vom 17. auf den 18. November 1809 marschierten 1500 Franzo-sen unter Major Dorelli (größten-teils wohl Bayern und andere Ver-bündete Napoleons) über den Jaufenpass in Richtung Meran. Sie sollten sich den Truppen des Generals S. B. Rusca anschließen. Die Schützen hielten die Durch-marschierenden aber auf und dabei kam es bis zum 22. November zu erbitterten Kämpfen.

Die Franzosen machten in Walten Halt, wo sie über-nachteten. Um 4 Uhr in der Früh läuteten in St. Leon-hard die Sturmglocken. Darauf sammelten sich 70 bis 200 Schützen unter der Führung J. Holzknechts, des Stroblwirts, und G. Laners, des Salzträgers Jörgl. Sie stiegen in Richtung Walten auf und warteten in einem Hinterhalt. Gleichzeitig schickte Laner einen Boten zu Pferd auf den Tschöggelberg, wo sich die drei Schüt-zenkompanien des Tales befanden, die von der Höhe aus den Rückzug des Generals Rusca gegen Bozen verfolgten. Die Franzosen ließen eine schwache Kom-panie in Walten zurück und verließen das Dorf in den ersten Stunden des 18. November und stiegen Mann für Mann, staffelweise getrennt, im Abstand von ungefähr einer Viertelstunde ins Tal hinab.

Zweimal wurden die Franzosen von den Tirolern angegriffen. Das erste Mal in der Hochkehre. Hier, wo der Steig besonders schmal und ausgesetzt ist, ließ man un-ter dem Gewehrfeuer Felsbrocken auf sie hinunter. Sie beklagten Tote, Verwundete und mehrere wurden gefangen genommen. Doch die Truppe der Franzosen hielt nicht an, sondern stieg eilends nach St. Leonhard ab. Gegen Mittag besetzten sie die größeren Häuser, die Kirche, den Turm und die be-nachbarten Anhöhen. Die Tiroler waren zu schwach, um ernsthaft Widerstand zu lei-sten.

Später trennten sich die Franzosen. Während es Do-relli vorzog in St. Leonhard zu bleiben, verließ Klipp-feld mit seinem Bataillon das Dorf und zog talwärts. Doch auf den Gandöllwiesen stieß er auf das Gewehr-feuer der Schützen. In der Überzeugung, eine große Schar von Feinden vor sich zu haben, zog Klippfeld sich zurück und besetzte die Höfe Happerg und Kol-ber. Für einen Augenblick entstand eine Pattsituation. Die Franzosen hatten sich im Dorf verschanzt und die Tiroler behinderten ihre Bewegungsfreiheit. Später er-zwangen die Schützen durch Beschuss den Rückzug der Franzosen von den Höfen der Umgebung.

Hilfe in der Not

In der Nacht kamen drei Schützenkompanien des Ta-les herbei, denen sich die Schützen von Schenna, Tirol, Kuens und Riffian anschlossen. Am 19. November in der Früh begann der Kampf erneut. Die Tiroler drangen in das Dorf ein. Die Franzosen zogen sich aber in die größeren Häuser zurück, die sie wie Bunker benützten und aus den Fenstern schossen. Es war ein ungleicher Kampf. Da und dort griffen mit wilder Hartnäckigkeit die Tiroler bald dieses, bald jenes Haus an, in denen die Franzosen verschanzt waren. Entfesselte Tiroler schlu-

gen auch mit den Gewehrkol-ben zu, wäh- rend die Franzo-sen sich mit den Bajonetten verteidigten. Die Belagerer erhielten Hil- fe und eröffneten

mit einer Kanone, die sie den Franzosen bei Sinich na-he Meran abgenommen hatten, erneut das Feuer. Aus Meran kam auch Pater Haspinger herbei. Im „Strick-lerhaus“ hatten zwei Dutzend Franzosen Zuflucht ge-sucht. Sie schossen aus allen Fenstern. Alle Versuche der Tiroler, dieses Haus zu stürmen, wurden vereitelt. Laner befahl J. Thurnwalder, ins Haus einzudringen und die Kapitulation der Franzosen zu fordern. Dieser lief mit gezücktem Schwert (er war Offizier) auf das Haus zu, trat in die Stube ein, doch da starrten ihm drei schießende Gewehrläufe entgegen. Eine Kugel durch-löcherte seinen Hut. Da floh er über den Söller.

Laner wollte, dass er es noch einmal versuchte. Ein zweiter Sturmversuch veranlasste einen Offizier, die Kapitulation anzubieten, wenn die Tiroler versprechen würden, sie nicht zu misshandeln. Hofer kehrte inzwi-schen zum Sandhof zurück. In einem Brief nennt er diese Kämpfe „eine Affäre in Passeier“.

(Fotos: B. Pfeifer)

Kapitulation

Am 20. November ersuchten die Franzosen um frei-en Abzug. Hofer lehnte ab. Auf seinen Befehl hin stürz-te sich J. Öttl, „der große Schwarze“, ein wahrer Riese, gegen die von innen versperrte Tür eines Hauses und ein wilder Kampf brach los. Zimmer für Zimmer wurde erobert, bis die Franzosen aufgaben.

Am 22. November sahen sich die Franzosen in ei-ner ausweglosen Situation, weil sie in der Kirche und im Friedhof eingeschlossen waren. Ohne Lebensmittel, ohne Munition und ohne Wasserzufuhr konnten sie sich nicht mehr halten. Da die Tiroler nun mit zwei Kano-nen zu schießen begannen, boten sie die bedingungslo-se Kapitulation an.

Nach der Kapitulation verließen die Tiroler die Stät-te des Geschehens und zogen sich zum Teil physisch und psychisch erschöpft nach Hause zurück. Weil es unmöglich war, alle Gefangenen im Passeiertal zu be-halten, beauftragte Hofer Pater Haspinger, die Marsch-fähigen in den Vinschgau zu beordern. Pater Haspinger verabschiedete sich von Hofer - sie sahen einander zum letzten Mal - und führte die Franzosen fort, die von we-nigen Tirolern bewacht wurden.

Opferbilanz

Bei diesen Kämpfen starben etwa 200 französische

Soldaten, 30 Offiziere und 22 Tiroler (nur einer ist von St. Leonhard). Viele Franzosen und auch Tiroler wur-den verwundet.

Hofer in einer „offenen Ordre“: „An die löbliche Ge-meinde Mais, Schenna. Einen neuen Beweis des Gött-

lichen Beistandes seht ihr jetzt in Passayer, wo der Feind, auf eine leichte Art, bey größter Verwirrung unseren Truppen, in der Zahl über 1000 Mann, sich gefangen gegeben haben“.Sant i. Passeyer. 22.11.09

Bitteres Ende

Schon am 23. November stieg eine weitere Kolonne von 2.000 französischen Sol-daten unter dem Kommando des Generals J. Barbou De-sconniers vom Jaufen herab. Die Nachricht davon verbrei-tete sich in Windeseile im Passeiertal. Die Bewohner verließen ihre Dörfer. Aus

dem Sandwirtshaus brachten die Tiroler die Beute in Sicherheit. Hofer verließ den Sandhof und nahm in der Kellerlahn Zuflucht. Am 24. November rückte Barbou von St. Leonhard ab und ließ eine Abteilung zurück, die beauftragt war, die Waffen zu sammeln.

Franzosenfriedhof

Bisher war man der Meinung, dass die Franzosen auf einem eigenen „Franzosenfriedhof“ in Passernähe begraben worden wären. Dort haben 1959 die Schüt-zen eine Tafel angebracht, auf der es heißt, dass hier 200 Franzosen sowie 30 Offiziere begraben sind. Die Quelle dieser Information ist unbekannt. 2007 wurden Grabungen durchgeführt, die bestätigen, dass nur zwei russische Soldaten an diesem Ort begraben sind. Nach Aufzeichnungen des Johann Thurnwalder wurden die Passeirer am Ortsfriedhof begraben und die Franzosen dort, wo sie im Kampf starben, verscharrt. Das Grund-stück des heutigen Franzosenfriedhofs wurde bereits 1763 angelegt, um bei einem Ausbruch einer Epidemie

(Pest, Cholera,…) einen Platz für die vielen Verstorbenen zu haben. Er scheint in den Ur-kunden als „Freythof Wiß“ auf, also geraume Zeit vor den Freiheitskriegen. Dass dort kei-ne Franzosen begraben sind ist wohl deshalb so, weil das Grundstück dem Schwarzadler-wirt und damit einem Privaten gehörte, der die Wiese mähte und wahrscheinlich auch die Beerdigung der Franzosen nicht zuließ, da er in der Schlussphase des Freiheitskamp-fes ohnehin ein Gegner weiterer Aufstände war.

1913 gibt es in einer Wiener Zeitung den Hinweis, dass dieser Friedhof restauriert werden sollte, weil al-te Leute sagten, dort seien Franzosen begraben. Wegen des Ersten Weltkrieges unterblieb dann die Restaurie-rung. Diese Vermutungen haben dann wohl zur An-bringung der Tafel unter Sepp Doná 1959 geführt. In-teressant ist der Hinweis, der sich in den Schriften des Johann Thurnwalder fand, dass „Alle todte Bauern in St. Leonhard wurden im Kirchhof begraben, alle Fran-zosen, wo sie lagen eingescharrt, so abergläubisch war man“. Auch vom Küchlberg weiß man, dass die Fran-zosen an Ort und Stelle eingegraben wurden.

Dennoch blieb dieser Ort als Gedenkstätte an die Freiheitskriege erhalten.

Dr. Werner Graf aus St. Leonhard hat in seinem Buch „Andreas Hofer und die Passeirer 1809“ die neuesten Erkenntnisse über die Kämpfe und die Gefallenen auf-gezeichnet.

Quellen: Albin Pixner, Obmann des MuseumPasseier, Veröffentli-chung in der Monatszeitschrift „Der Schlern“ von Gian Marzoli

OStR. Mag. Paul Lampl ist Prof. i. P. der ehemaligenPädagogischen Akademie des Bundes in Tirol.

Der letzte Sieg der Tiroler 1809 – 18. bis 22. November in Sankt Leonhard im Passeiervon Gian Marzoli, Berni Pfeifer und Albin Pixner - zusammengefasst von Paul Lampl

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

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Rückblick auf das Gedächtnisjahr 2009 im Bundesland TirolTeil 1 - Von Otto Sarnthein

ren des BTSK ernannt und Obm. Dr. Hermann Eben-bichler mit der Silbernen Verdienstmedaille des BTSK ausgezeichnet. Abschließend erfolgte vor der Hofburg der Landesübliche Empfang mit der Ehrenkompanie Axams und der Marsch der rund 1.000 Teilnehmer durch die Altstadt mit der Defilierung am Rennweg.

Landesschießen

Um die Zusammenarbeit mit dem Tiroler Schüt-zenbund und dem Südtiroler Sportschützenverband zu fördern, wurde mit den Gilden in allen Bezirken der Landesteile auf KK-Ständen ein gemeinsames Landes-schießen organisiert. Die Eröffnung erfolgte traditionell am 29. Mai am Bergisel, dem Tag der zweiten Bergi-selschlacht von 1809 (Ehrenkompanie Wilten). Das im Juni durchgeführte Landesschießen war leider von ver-schiedenen Pannen geprägt, die sich für das beabsich-tigte kameradschaftliche Zusammenrücken zwischen den Schützenbünden und den Gilden nicht nützlich erwiesen. Den feierlichen Abschluss organisierte Mjr. Hubert Straudi am 31. Oktober in St. Leonhard im Pas-seier.

„Glaube und Heimat“

Ein voller Erfolg hingegen war die Veranstaltungsrei-

Gedenkfeier 20. Feber Bergisel

Das 200-jährige Geden-ken an die Tiroler Frei-heitskämpfe von 1809 be-gann für uns Schützen am 20. Feber 2009 mit einer feierlichen Kranznieder-legung am Andreas-Ho-fer-Denkmal am Bergisel und einem anschließen-den Pontifikalamt in der Hofkirche in Innsbruck in Anwesenheit der Landes-hauptleute, der Landes-kommandanten und zahl-reicher Ehrengäste aus dem historischen Tirol.

Bundes- und Festver-sammlung des BTSK

Die Dogana des Inns-brucker Congresshauses bot den würdigen Rah-men für die Bundes- und Festversammlung des BTSK am 26. April. Im Anschluss an die Bundesversammlung und den Fest-gottesdienst, der von Bischof Dr. Manfred Scheuer gemeinsam mit den Prälaten Prof. Dr. Johann Paar-hammer (Erzdiözese Salzburg) und Abt Mag. Raimund Schreier (Stift Wilten) sowie dem Landeskuraten Msgr. Josef Haselwanner zelebriert wurde, erfolgte als Bei-trag der Tiroler Schützen zum Gedächtnisjahr die feier-liche Unterzeichnung des Allianzvertrages. Darin ver-pflichten sich die Kompanien des BTSK gegenüber den Bischöfen und den Gemeinden des Bundeslandes Tirol - in Beachtung der Grundsätze des Tiroler Schützenwe-sens - für kirchliche, soziale und kulturelle Belange in den Gemeinden Tirols zur Verfügung zu stehen und ihre Hilfe anzubieten – soweit es ihnen neben der Erfüllung ihrer sonstigen Aufgaben möglich ist.

Dieser Vertrag wurde von Bischof Dr. Scheuer (Diö-zese Innsbruck), Prälat Dr. Paarhammer (Erzdiözese Salzburg), Bgm. Schöpf (Tiroler Gemeindeverband) und Landeskdt. Dr. Sarnthein (BTSK) unterzeichnet. Musikalisch umrahmt wurde die Festveranstaltung von der BMK Matrei-Mühlbachl-Pfons sowie vom Chor Vocappella.

Als äußeres Zeichen der Verbundenheit zu den an-deren Schützenbünden sowie zum Tiroler Blasmusik-verband wurden der Landeshptm. der Bayerischen Ge-birgsschützenkompanien Karl Steininger und der ehem. stv. Landeskdt. des SSB Hans Graber zu Ehrenmajo-

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

he zum Gedenkjahr 2009 „Glaube und Heimat“. Diese Veranstaltungsreihe wurde von der Diözese Innsbruck, den katholi-schen Bildungswerken von Tirol und Salzburg (für den Tiroler Teil der Erzdiözese Salzburg) und dem BTSK durchgeführt.

Insgesamt fanden 106 Veranstaltungen statt, und zwar 85 in der Diözese Innsbruck und 21 im Ti-roler Teil der Erzdiözese Salzburg. Involviert wa-ren dabei 160 Schützen-kompanien und 145 Pfar-ren; die Gesamtteilneh-merInnenzahl betrug er-freuliche 7.412 Personen.

Erzbischof Kothgas-ser, die Bischöfe Scheu-er, Stecher und Laun, die Generalvikare Hofer und Bürgler, die Äbte Erd und Schreier sowie weitere zahlreiche Persönlichkei-ten stellten sich als Vor-

tragende zur Verfügung und gaben damit dieser Veran-staltungsreihe nicht nur einen besonderen Inhalt. Ein besonderer Dank gilt der Initiatorin, Seelsorgeamtslei-terin Mag. Elisabeth Rathgeb und ihren MitarbeiterIn-nen.

Herz-Jesu-Prozessionen

Am Herz Jesu Sonntag (21. Juni) wurden unter dem Motto „im Glauben verbunden“ in allen Gemeinden die Herz-Jesu-Prozessionen oder -Andachten abgehalten. Als Grundlage hiefür diente ein von den Bischöfen des historischen Tirols gemeinsam verfasster Hirtenbrief. Gleichzeitig fand mit der Herz-Jesu-Prozession in Bo-zen der kirchliche Höhepunkt des Gedenkjahres statt. In Anwesenheit von Erzbischof Kothgasser - Salzburg, Erzbischof Bressan - Trient, Bischof Scheuer - Inns-bruck und Bischof Golser - Bozen/Brixen, der Äbte der Hochstifte von Stams, Wilten, Georgenberg/Fiecht, Neustift und Marienberg, der Landeshauptleute sowie der Landtagspräsidenten und Mitglieder der Landtage beteiligten sich mit der Bundesleitung über dreitausend Gläubige an dieser eindrucksvollen Prozession.

Gedenktag 3. Bergiselschlacht 13. August

Anlässlich des Gedenktages an die 3. Bergisel-schlacht am 13. August 1809 feierte das Militärkom-mando Tirol seinen 43. Traditionstag gemeinsam mit einer gemischten Ehrenformation der Kompanien Wil-ten und Meran am Eduard Wallnöfer Platz vor dem Landhaus in Innsbruck. In Anwesenheit des Gardere-giments aus Wien, der Traditionsverbände und zahlrei-cher Ehrengäste legten zu diesem Anlass 350 im Juli 2009 einberufene Präsenzdiener des Österr. Bundeshee-res den feierlichen Treueeid ab.

Hoher Frauentag

Die Ehrung verdienter Bürgerinnen und Bürger am Hohen Frauentag durch die Landeshauptleute von Ti-rol und Südtirol fand in besonders feierlicher Form im Congress statt.

Zuvor gab es einen Landesüblichen Empfang vor der Hofburg mit der Ehrenkompanie Elbigenalp und einen Festgottesdienst in der Jesuitenkirche.

(Fortsetzung siehe Rückseite Kalenderblatt März!)

HR Dr. Otto Sarnthein ist seit 1993 Kommandant desBataillons Wipptal und seit 1999 Landeskommandantdes Bundes der Tiroler Schützenkompanien.

Vor der Hofburg erfolgte der Landesübliche Empfang mit derEhrenkompanie „Georg Bucher“ Axams.

Die Dogana des Innsbrucker Congresshauses bot den würdigen Rahmen für die Bundes- und Festversammlungdes BTSK am 26. April. (Fotos: M. Wedermann)

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Die deutschen Sprach-inseln am Südrand der Alpen haben frühzeitig

das Interesse der Forschung erweckt, wobei für die Erklä-rung ihrer Entstehung zahlrei-che, teilweise abenteuerliche, stark vom Zeitgeist geprägte Hypothesen entwickelt wur-den.

Zur Entstehung der Sprachinseln

Die Bewohner der „Sieben Gemeinden“ (Sette Comuni) galten bereits im Spätmit-telalter als „Zimbern“. Der dort und in Lusern (Luserna) gesprochene alte deutsche Dialekt wird heute noch als „zimbrisch“ bezeichnet und viele Bewohner sind über-zeugt, sie würden von diesen in der Schlacht bei Vercelli (101 v. Chr.) von Römern geschlagenen Germanen abstammen. Andere haltlose Hypothesen führen das Deutschtum auf die Goten und Langobarden zurück. Obwohl die sprachwissenschaft-lichen Befunde dagegen sprechen, werden diese An-sichten noch häufig in den Medien vertreten. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jh. erkannte der Verfasser des „Bayerischen Wörterbuches“, Johann Andreas Schmel-ler (1785–1852), dass in den „Sieben und Dreizehn Gemeinden“ tirolisch-bairische Mundarten gesprochen werden. 1925 bestätigte der österreichische Germanist Eberhard Kranzmayer in seiner Dissertation diesen Befund. Zum gleichen Ergebnis kam Maria Hornung, welche sich in den letzten Jahrzehnten intensiv mit den Dialekten und der Volkskunde der Sprachinseln be-schäftigt hat.

Besiedlung durch den deutschen Hochadel

Die Besiedlung der deutschen Sprachinseln erfolgte nicht durch die Landnahme eines germanischen Stam-mes, sondern war in die Kulturlandschaftsentwicklung der einzelnen Regionen eingebunden. Daher treten regionale Unterschiede hervor, die teilweise mit dem Zeitpunkt der Kolonisation zusammenhängen. Nach-dem der deutsche König Otto I. der Große die italieni-sche Königskrone erlangt hatte und 962 zum römischen Kaiser gekrönt worden war, suchten er und seine Nach-folger die Herrschaft zu festigen, indem sie die weltli-che Macht den Bischöfen übertrugen und am Verbin-dungsweg von Deutschland nach Rom treue Gefolgs-leute aus dem deutschen Hochadel als Kirchenfürsten einsetzten, welche als Herren über die Allmende neue Höfe im Waldland anlegen konnten. Auf diese Weise entstanden die „Dreizehn Gemeinden“ (XIII Comu-ni), die von Verona aus besiedelt wurden, und die vom Bischof von Padua gegründeten „Sieben Gemeinden“ (VII Comuni). Mit dem Aufkommen der städtischen Bürgerschaft schwand in der ersten Hälfte des 12. Jh. die Macht der Bischöfe und nach der Niederlage von Friedrich I. in der Schlacht bei Legnano (1176) setzten sich die Städte endgültig durch. Dadurch kam der Zu-zug deutscher Siedler in Oberitalien am Ende des 12. Jh. zum Erliegen. In das zum Deutschen Reich gehö-rende Trentino wanderten hingegen bis in das Spätmit-telalter deutsche Kolonisten zu.

Besonders gut ist die deutsche Besiedlung von Fol-garia, dem deutschen Vielgereuth, durch Urkunden belegt. Dort ließ der mächtige Fürstbischof von Tri-ent, Friedrich von Wangen, um 1216 durch die Brüder Odolricus und Henricus aus Posina in der Nähe der Dreizehn Gemeinden 20 Höfe anlegen. Zur gleichen Zeit organisierten romanische Adelsgeschlechter die Rodung der Hochfläche von Lavarone und von Palai im hintersten Fersental sowie des sonnseitigen Hanges zwischen Pergine und Castel Telvana durch deutsche Bauern. Der schattseitige Florutzer Berg (Fierozzo) im Fersental, der vorher dem Domkapitel von Trient un-

terstanden war, wurde erst um 1300 unter der Anlei-tung der Herren von Schenna, die als Hauptleute der Grafen von Tirol auf der Burg Pergine saßen, durch Kolonisten aus dem Burggrafenamt erschlossen. Als letzte der Sprachinseln entstand das Dorf Lusern (Lu-serna) im 15. Jahrhundert, als Bauern aus dem damals gemischtsprachigen Val d’Astico ihre Almen in Dauer-siedlungen umwandelten. Alle deutschen Sprachinseln liegen östlich der Etsch, im westlichen Trentino hat das Deutschtum hingegen nie eine Rolle gespielt.

Der Rückgang der deutschen Besiedlung im Verlauf der Neuzeit

In der national eingestellten Literatur wird vielfach behauptet, das gesamte Berggebiet zwischen der Etsch und dem Durchbruchstal der Brenta sei am Ende des Mittelalters von Deutschen besiedelt gewesen. In den alt besiedelten Haupttälern, dem Etschtal, dem Avisio-tal, der Valsugana und dem Primiero, haben jedoch seit der Antike Romanen gelebt. Die bairischen Dialekte wurden nur in den Hanglagen, in manchen Seitentälern und auf den Hochflächen der Lessinischen Alpen ge-sprochen, wobei es auch dort zahlreiche Mischgebiete gegeben hat.

Das Deutschtum wurde im Verlauf der Neuzeit in mehreren Phasen zurückgedrängt. Im 16. und 17. Jh. unterstützten die Kirche und die Tiroler Landesfürs-ten die italienische Sprache aus Furcht, die Deutschen könnten sich dem Protestantismus zuwenden. Als Folge davon verschob sich die Sprachgrenze von der Mün-dung des Avisio kapp nördlich von Trient bis nach Salurn. Nach 1700 hing der Rückgang mit der gesamt-gesellschaftlichen Entwicklung zusammen. Als die Ei-genversorgung abnahm, verstärkten sich die Handels-beziehungen zu den von Italienern bewohnten zentralen Orten in den Haupttälern. Infolge dieser Kontakte wur-de die deutsche Bevölkerung in der Nähe dieser grö-ßeren Siedlungen zwischen 1600 und 1800 zunehmend assimiliert und konnte sich am längsten in Gebieten mit geringen Beziehungen nach außen halten. Als ab dem 18. Jahrhundert immer mehr Bergbewohner als Saison-arbeiter in die oberitalienische Ebene zogen, verstärkte sich dieser Prozess. Als nach 1850 die Bemühungen zum Schutz der altbairischen Dialekte einsetzten, wur-den diese nur noch in sehr peripheren Siedlungen ge-sprochen. Um 1900 ist die deutsche Sprache auch in

der Fraktion San Sebastiano erloschen. Diese gehört zur Gemeinde Folgaria, wo heute noch eine Schützenkompanie die Erinnerung an das alte Tirol hoch-hält. Seither gibt es im Trentino mit dem deutschen Fersental und der Ge-meinde Lusern nur noch zwei Sprach-inseln, in denen rund 1.000 Personen die alten deutschen Dialekte noch ver-stehen.

Gegenwärtige Entwicklungs-tendenzen im Fersental

und in Lusern

Im Fersental und in der Gemeinde Lusern konnte sich das Deutschtum in-folge der peripheren Lage und der Sai-sonarbeit bis in die Gegenwart halten. Während die Frauen und Kinder das ganze Jahr zu Hause blieben, zogen die Fersentaler Männer seit dem 17. Jh. als Hausierer in die Fremde und belie-

ferten die Südtiroler Bergbauernhöfe bis in die 1970er Jahre mit Stoffen und Kurzwaren. Die Luserner ver-dingten sich hingegen während der Sommermonate als Maurer und arbeiteten vorwiegend in deutschsprachi-gen Gebieten, nach dem II. Weltkrieg vor allem in der Schweiz. Infolge des Berliner Abkommens (1939), das auch für die Sprachinseln galt, mussten viele im Rah-men der „Option“ die Heimat verlassen, wurden nach Südböhmen umgesiedelt und von dort 1945 wieder ver-trieben. Von diesen kehrten nur wenige nach Hause zu-rück, die Restlichen sind in Österreich geblieben.

Als es nach 1970 im Trentino zu einem beachtlichen Wirtschaftsaufschwung kam, wanderten immer mehr Junge aus den Sprachinseln ab und fanden in den na-he gelegenen Zentren eine Arbeit. Dies führte zu be-trächtlichen Bevölkerungsverlusten, die durch amtliche Zahlen nur unvollständig erfasst werden, weil viele mit dem Hauptwohnsitz in der Heimatgemeinde gemeldet sind, obwohl sie nur die Wochenenden dort verbrin-gen (Bevölkerungsentwicklung siehe nachstehende Tabelle!). Als Folge des zweiten Autonomiestatutes kam es zu einer verstärkten kulturellen Förderung der beiden Sprachinseln durch die Provinz Trient. Neben dem Kulturinstitut Bersntol Lusérn/Istituto Culturale Mòcheno-Cimbro fördert diese zahlreiche weitere kul-turelle Aktivitäten. Der Schulunterricht erfolgt jedoch in italienischer Sprache. Daneben werden die Schüler in der Grundschule in den altbairischen Dialekt (zwei Wochenstunden) eingeführt und in den zuständigen Mittelschulen ist Deutsch die erste Fremdsprache. Am stärksten ist der Weiterbestand der Sprachinseln jedoch durch die geringe Wirtschaftskraft der Gemeinden ge-fährdet, die angehoben werden müsste, um den weni-gen Jungen vor Ort Chancen für die Zukunft zu bieten.

Literaturhinweise:Gorfer, A.: Le valli del Trentino..Guida geografico-storico-artistico-ambientale. Trentino orientale. Calliano (TN)1977, 1118 S.Steinicke, Ernst (Hsg.): Geographischer Exkursionsführer Europaregion Tirol, Südtirol, Trentino. Band 4: Spezi-alexkursionen im Trentino und in Ladinien (=Innsbrucker Geographische Studien 33/4). Innsbruck 2005, 423 S., be-sonders Beiträge: Hans Mirtes: Das Fersental S. 157-194; Hugo Penz: Lusern. S. 125-156.

Ao. Prof. Dr. Hugo Penz. Seine räumliche wissenschaft-liche Spezialisierung drückt die große Verbundenheit mit der Region Tirol - Südtirol - Trentino aus.

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Die deutschen Sprachinseln im TrentinoVon Hugo Penz

Bevölkerungsentwicklung 1869 1910 1951 1971 1991 2001 2009Palai i. F./Palú 432 402 340 323 221 195 179Florutz/Fierozzo 620 681 601 447 437 441 474Gereuth/Frassilongo 720 703 638 472 380 357 329Fersental 1.772 1.786 1.579 1.242 1.038 993 982Lusern/Luserna 649 842 640 561 386 297 299Summe 2.421 2.628 2.219 1.803 1.424 1..290 1.281

Um 1900 ist die deutsche Sprache auch in der Fraktion San Sebastiano erloschen. Diese gehört zur Gemeinde Folgaria (Vielgereuth), wo heute noch eine Schützenkompanie die Erinnerung an das alte Tirol hochhält. Seit-her gibt es im Trentino mit dem deutschen Fersental und der Gemeinde Lusern nur noch zwei Sprachinseln. (Foto: M. Dalprà)

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Rückblick auf das Gedächtnisjahr 2009 im Bundesland TirolTeil 2 - Von Otto Sarnthein

Bundespräsident Fischer meinte: „Tirol ist ein ge-schichtsbewusstes und zukunftsorientiertes Land. Ti-rol hat nicht vergessen, was vor 200 Jahren geschehen ist, nicht vergessen den Vertrag von Saint Germain und die schändliche Behandlung von Hitler und Mussolini. Heute steht Tirol nördlich und südlich des Brenners auf beiden Beinen. Südtirol kann sich wie bisher auf Öster-reich verlassen“.

Unter dem Moto „Unsere Jugend – Unsere Zukunft“ führten 3.000 Jugendliche aus allen Landesteilen, da-von 898 Jungschützen (778 vom BTSK und 120 vom SSB) mit ihren Betreuern, den Festumzug an und be-eindruckten nicht nur die weiteren Ehrengäste wie Bundeskanzler Faymann, Vizekanzler Pröll, National-ratspräsident Graf, Landtagspräs. van Staa, Bgm. Zach (Innsbruck), Bgm. Spagnolli (Bozen), Bischof Scheuer, die Generalvikare, die Äbte der Hochstifte u.v.m. mit ihrer Begeisterung und ihren Einlagen. Als sichtbares Zeichen für eine gemeinsame Zukunft wurden eine von 40 Jugendlichen getragene Europafahne und ein Trans-parent „Wir Jungschützen bauen Tirol“ mitgetragen so-wie ein aus 2009 Dahlien zusammengesetzter Tiroler Adler mitgeführt.

Der Jugend folgten die Landestrachtenverbände, die Sängerbünde, der Tiroler Landes- und der Südtiroler Sportschützenbund, der Kameradschaftsbund, die Blas-musikverbände, Freiheitskämpfer, Kaiserjäger und Kai-serschützen, das Österr. Bundesheer, die Mittelschul- und Studentenverbindungen sowie die Partisaner- und Landsturmgruppen.

Die Landeskommandanten Bacher, Cadrobbi, Sarnthein und der Landeshptm. des BBGK Steininger sowie die jeweiligen Bundesleitungen führten unter dem Trommelwirbel des Ötztaler Schützenbataillons die Schützen der Europaregion Tirol an. Die in Achter-reihen formierten Marschblöcke der einzelnen Schüt-zenbataillone und -bezirke in einer Stärke von 150 bis 400 Ausrückenden wurden von ihren Musikblöcken

(ca. 115 MusikantInnen) angeführt, wobei die Marschreihenfolge auf die Einheit und Zusam-mengehörigkeit der Landesteile abgestimmt war.

Die offiziellen Gesamtteilnehmerzahlen der einzelnen Schützenbünde betrugen: 90 aus dem ladinischen Teil, 313 vom Welschtiroler Schützenbund , 2.747 vom Südtiroler Schüt-zenbund und 9.634 vom Bund der Tiroler Schützenkompanien. Der Blasmusikverband war mit 3.971 MusikantInnen vertreten.

Die von den Jungschützen, Ladinern, Süd- und Welschtirolern mitgetragenen Transparen-te (siehe Schützenzeitung: 33. Jahrgang, Nr. 6) unterstrichen den Willen nach Zusammenge-hörigkeit und Selbstbestimmung und wurden

von den Zusehern mit unterschiedlichem Applaus be-dacht.

Ein besonderer Höhepunkt des Festumzuges war die unter der Verantwortung von Hptm. Hermann Pittl mit-geführte und mit 2009 Rosen geschmückte Rosenkrone, die abwechselnd von zwei Partien von je 20 Schützen aus allen Landesteilen getragen wurde. Große Beach-tung fand auch die unter der Bewachung der Schildhof-bauern mitgetragene Goldene Kette und der Säbel von Andreas Hofer.

Die reibungslose Verpflegung der 17.000 Teilneh-merInnen erfolgte anschließend in der Messehalle durch die Fa. Piegger. Dazu waren 40.000 Scheiben Brot, 4.000 kg Erdäpfel, 30.000 l Getränke und 4.000 kg Bratwurst (aneinandergereiht entspricht dies einer Länge von fünf km) notwendig.

Ein besonderer Dank gilt der Protokollabteilung des Landes Tirol unter der Regie von ADir. Herbert Gassler und seinen über 1.500 Helfern für die mustergültige Planung und Abwicklung dieser mehr als gelungenen Großveranstaltung.

Schützenwallfahrt

An der traditionellen Gesamttiroler Schützenwall-fahrt am 2. Sonntag im Oktober in Absam nahmen an die 800 Schützen mit ihren Familien teil. Als besonde-re Geste zu unseren ehemaligen Feinden von 1809 und nunmehr in Freundschaft verbundenen Nachbarn lei-tete erstmals ein bayerischer Bischof, der Weihbischof Dr. Bernhard Haßlberger der Erzdiözese München und Freising, die Wallfahrt und beeindruckte mit seiner le-bensnahen Predigt.

Bundesausschuss und Nationalfeiertag

Im Zeichen des Gedenkjahres stand auch der zwei-tägige Bundesausschuss am 25. und 26. Oktober in St. Michael in Pfons. Am Vorabend des Nationalfeierta-ges spielte die Militärmusikkapelle Tirol am Eduard- Wallnöfer-Platz vor dem Landhaus den Österr. Zapfen-streich unter der Beteiligung der Ehrenkompanie Lienz und des gesamten Bundesausschusses. Im Anschluss daran bedankten sich LHptm. Platter und Landesrätin Dr. Palfrader im großen Landhaussaal bei den Landes-kommandanten Bacher und Sarnthein und den Mitglie-dern des Bundesausschusses für ihren Beitrag zum Lan-desfestumzug und überreichten persönlich die bezugha-benden Erinnerungsmedaillen und Fahnenbänder.

Sonstige Veranstaltungen

Zusätzlich zu diesen Festlichkeiten haben die Bezir-ke, Bataillone und Kompanien im gesamten Bundes-land zahlreiche Gedenk- und Festveranstaltungen zur Erinnerung an die Freiheitskämpfe von 1809 durch-geführt oder diesbezügliche Ausstellungen organisiert. Darüber hinaus wurden viele Kapellen und Denkmäler renoviert. Die Vielzahl der Veranstaltungen, die leider aus Platzgründen nicht einzeln angeführt werden kön-nen, wie auch deren Inhalte und Visionen haben nicht nur den Stellenwert der eigenen Geschichte in der Be-völkerung aufgezeigt, sondern geben auch Zeugnis da-von, wie diese in einer objektiven Form aufgearbeitet und die Zukunft mit den daraus gewonnenen Erkennt-nissen mit Optimismus angegangen werden kann.

(Fortsetzung von Kalenderblatt Januar!)

Landesfestumzug

Höhepunkt des Gedenkjahres war der Lan-desfestumzug am 20. September in Innsbruck. Die im Vorfeld vor allem in den Medien breit-getretenen Störaktionen und Unstimmigkei-ten wie: Kosten des Festumzuges, Mittragen von Dornenkrone und Transparenten oder Be-schränkung der Teilnehmer, waren an diesem Wochenende kein Thema mehr. Im Gegenteil - es herrschte eine derart positive Stimmung, wie sie auch von den Verantwortlichen des ORF noch bei keiner Großveranstaltung erlebt wur-de. Bei strahlendem Sonnenschein verfolgten sicherlich 90.000 begeisterte Zuschauer den über vier Stunden dauernden Aufmarsch der 26.000 Teinehmer von 1.000 Vereinen der Traditionsverbände aus allen Landesteilen Tirols, aus den österr. Bundesländern, aus Bayern, Liechtenstein, Belgien, Rumänien und aus den Partnerstädten.

Bis 350.000 TV-Zuseher verfolgten die Übertragung aus Innsbruck, allein in Tirol saßen 90.000 vor dem Fernseher. Rund ein Viertel der Tiroler Bevölkerung hat den Festumzug vor Ort oder im Fernsehen mitverfolgt.

Es war der größte Transportauftrag in der Geschichte der ÖBB-Postbus GmbH, welcher an einem Tag abge-wickelt wurde. Über 400 Busse mit Teilnehmern muss-ten koordiniert nach Innsbruck kommen, sodass es zu keinem Verkehrschaos kam. Dazu wurde ein genaues Verkehrskonzept ausgearbeitet. Es wurden insgesamt über 50.000 km mit Bussen zurückgelegt.

Für die An- und Abreise der Teilnehmer waren 22 Sonderzüge erforderlich. Das dafür benötigte Rollmate-rial musste zur Gänze in anderen Regionen ausgeliehen werden, da die in Tirol stationierten Wagen und Nah-verkehrszüge für die Beförderung der Besucher benö-tigt wurden. Für den Transport der Besucher waren 25 Sonderzüge im Einsatz. Bei weiteren 16 Zügen wurden zusätzlich Verstärkungsmaßnahmen geplant. Insgesamt wurde daher an diesem Tag eine Zusatzleistung von fast 12.000 km auf der Schiene erbracht. Das Angebot wurde von etwa 40.000 Besuchern und Teilnehmern ge-nutzt.

Nach einem von Bischof Dr. Manfred Scheuer im Dom St. Jakob zu Innsbruck zelebrierten Pontifikalamt kündigte pünktlich um 11.30 Uhr Bundeshornist Mag. Manfred Heidegger das Eintreffen des Österreichischen Bundespräsidenten auf der Ehrentribühne vor der Hof-burg an. Mit 21 Salutschüssen zu seinen Ehren aus sieben Kanonen des Bataillons Sonnenburg unter dem Kommando ihres Kdt. Mjr. Toni Pertl begann der fei-erliche Akt.

Der Gesamtkommandierende, LKdt. Mjr. Dr. Otto Sarnthein, meldete Bundespräsident Dr. Heinz Fischer die zum Landesüblichen Empfang vor der Hofburg an-getretenen Formationen: Bundesstandarte des BTSK, Ehrenmusikkapelle „Peter Mayr“ Pfeffersberg, Ehren-kompanie Breitenbach am Inn und Kommandanten, Präsidenten und Obleute der Traditionsverbände des historischen Tirols mit ihren Landesfahnen sowie den Beginn des Landesfestumzuges.

Nach der Bundeshymne und der Frontabschreitung mit dem Bundespräsidenten und den drei Landeshaupt-leuten Platter, Durnwalder und Dellai erfolgte unter dem Kommando von Hptm. Josef Gruber eine erstklas-sige Salve der mit 101 Marketenderinnen und Schützen ausgerückten Ehrenkompanie. Das Abspielen der Tiro-ler Landeshymne, die symbolische Überreichung der Fahnenbänder an die Schützenbünde (BTSK, SSB und WSB), das obligatorische „Schnapsl“ und die Anspra-chen von LHptm. Platter und Bundespräsident Fischer gaben dem Empfang eine besondere Note.

Landeshauptmann Platter sagte unter anderem in sei-ner Ansprache: „Heute ist unser Tag; Geschichte trifft Zukunft. Vor 200 Jahren haben Andreas Hofer und mit ihm viele Tiroler um ihre Freiheit gekämpft. Tirol ist heute frei im Herzen Europas. In diesem Europa wer-den wir die Grenzen in unseren Köpfen überwinden. Schauen wir mit Respekt zurück und mit Optimismus nach vorne“.

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien, Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Bischof Dr. Manfred Scheuer zelebrierte im Dom St. Jakob zu Innsbruck ein Ponti-fikalamt mit hohen und höchsten Repräsentanten des Bundes und des Landes.

Unter dem Motto „Unsere Jugend - Unsere Zukunft“ führten 3.000 Jugendliche aus allen Landesteilen mit ihren Betreu-ern den Festumzug an. (Fotos: M. Wedermann)

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Das zeitgenössisch genannte „Elfjährige Landli-bell“, das in der Form eines kaiserlichen Privilegs ausgefertigt wurde und den Landtagsabschied (=

Landtagsbeschluss) vom 23. Juni 1511 beinhaltet, hat eine Jahrhunderte lange politisch-rechtliche Rezepti-onsgeschichte.

In dieser und nicht in den Bestimmungen oder in der Form, auch nicht im Vergleich zur wehrgeschicht-lichen Entwicklung anderer benachbarter Territorien liegt das Einzigartige dieses Libells, das nicht nur das Tiroler Wehr-, sondern auch das Steuerrecht regelt. Da man sich bei der Steuerberechnung auf den Landtags-abschied von 1511 beziehen musste, dürften auch die Wehrbestimmungen immer wieder in Erinnerung ge-rufen worden sein. Im Gegensatz dazu hatte das aus-schließlich Fragen der Landesverteidigung behandeln-de „Libell der Rüstung halben“ aus dem Jahre 1518 keine entsprechende Nachwirkung.

Das Landlibell, das durch den Venetianerkrieg ini-tiiert wurde, sollte vor allem die Verteidigung des al-pinen Tiroler Raums sichern, die durch die üblichen Söldnerheere kaum zu bewerkstelligen war. Sein Vor-teil lag auf beiden Seiten: Kaiser Maximilian I. hatte eine starke ortskundige Streitmacht in der Zitadelle des Reiches, die Tiroler waren nicht gezwungen, außer-halb der Grenzen, außer bei Verfolgung des Feindes, zu kämpfen. Schon sehr früh, bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts, wurde das Landlibell als Rechtsgut instrumentalisiert, als 1552 festgestellt wurde, dass die zuletzt durch die Landstände verabschiedete Zuzugs-ordnung „nit anders, dann was und sovil hierynnen die landtsfreyhaiten und das 11. jarig libell maß und ord-nung geben, verstanden werden wolle.“

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts blieb es in Tirol mit Ausnahme der kurzen Episode im Schmalkaldischen Krieg ruhig und friedlich. Dement-sprechend gab es auch kaum eine Diskussion um das Landlibell im militärischen Bereich; dies galt aber nicht für die steuerrechtlichen Bestimmungen, die Gegenstand heftiger Debatten waren, obwohl letzt-lich drei Jahrhunderte lang grundsätzlich am alther-gebrachten, im Landlibell normierten Steuerwesen festgehalten wurde. Auch der in den 1770-er Jahren entstandene Maria-Theresianische Kataster hielt an den 5.000 Steuerknechten à 36 Gulden fest.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts, besonders aber im Dreißigjährigen Krieg, trat die Landesverteidi-gung und mit ihr das Landlibell naturgemäß wieder in den Vordergrund. Bereits die Zuzugsordnung des Jahres 1605 unter Erzherzog Maximilian III. betonte, dass das Landlibell unverändert weiter gelten soll-te – die neue Ordnung wurde also quasi als Aus-führungsgesetz begriffen. Im Dreißigjährigen Krieg diente das Landlibell den Landständen als hervorragen-des Mittel, um neue Belastungen durch den Landesfür-sten abzuwehren. So 1621 und 1629 unter Erzherzog Leopold V. Auch die Milizreform von 1636 unter Clau-dia von Medici durfte das Landlibell nicht tangieren.

Die Stände setzten sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch weitgehend mit ihrer Rechtsauffas-sung durch, beim Landlibell handle es sich um eine ver-traglich vereinbarte Landesfreiheit, die nicht einseitig vom Landesfürsten abgeändert werden könne. Auch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ebenso wie im 18. Jahrhundert argumentierten sie in diesem Sin-ne, wenn es auch schon seit dem späten 17. Jahrhundert greifbare Ansätze zur Nichtbeachtung einzelner Be-stimmungen des Landlibells gab.

Daher argumentierten die Stände im 18. Jahrhun-dert nicht nur, wenn auch stetig, mit dem Landlibell, sondern zunehmend auch mit der großen finanziellen Belastung und der Armut des Landes, um Begehrlich-keiten des Landesfürsten zurückzuweisen. So rangierte schließlich insbesondere nach dem Aussterben der Ti-roler Linie (1665) bis zur Aufhebung der Landstände durch die Bayern (1808) das Argument des Landlibells untergeordnet, wenn es auch stets erwähnt wird, um belastenden Neuerungen entgegenzutreten. Der tiefere Grund dieses Wandels lag im zunehmend erstarkenden Absolutismus, der insbesondere seit dem 17. Jahrhun-dert die Macht der Stände zurückdrängte. Allerdings wird zumindest verbal bei allen Zuzugsordnungen des

Das Tiroler Landlibell und seine Bedeutung in der Geschichte TirolsVon Richard Schober

17., 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts auf das Landlibell Bezug genommen. (1605, 1636, 1704, 1714, 1799, 1802 und 1804).

Inhaltlich fand jedoch in diesen Ordnungen eine Viel-zahl von das Aufgebot bzw. die Landmiliz regelnden Bestimmungen im Landlibell keine Grundlage. Es gab sogar Bestimmungen, die diesem diametral entgegen-gesetzt waren. Als eines von mehreren, weil zentrales Beispiel, sei angeführt, dass bereits bei Aufstellung des Tiroler Landregiments (1636) die Landschaft zugestan-den hatte, dass unter der Voraussetzung, dass Tirol nicht bedroht sei, die Hälfte der Mannschaft an auswärtigen Kriegsschauplätzen eingesetzt werden dürfe.

Daher war es nur folgerichtig, dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr nur auf das Landlibell al-leine, sondern auch auf die noch folgenden Zuzugsord-nungen von 1605, 1636, 1647, 1704 und 1714 als „Fun-damental-„ oder „Grundgesetze“ Bezug genommen wurde.

1803 bezeichneten selbst die Stände das Landlibell von 1511 nur mehr als „Urverfassung“, wobei „diese dem Land so wichtige Vertrags-Urkunde den Grund-stein zur geheiligten Verbindlichkeit“ zur Landesver-

teidigung legen würde. Schon zuvor hatte Kaiser Franz I. in der Präambel zur Zuzugsordnung von 1802 klar gemacht, dass das Libell von 1511 wohl das „Grund-gesetz“ des Landes sei, dass aber auch „die Fortschritte der Kriegskunst“ bei der Organisierung der Landmiliz berücksichtigt werden müssten. Von einer ausschließ-lichen Geltung des Landlibells konnte also keine Rede mehr sein.

Trotzdem blieben viele Besonderheiten der Tiroler Wehrverfassung bis zur Aufhebung der landständischen Verfassung (1808) bestehen: Josef II. scheiterte mit der Einführung der Konskription, das Rekrutenkontingent war deutlich geringer als in anderen Erbländern. Das Aufgebot blieb bis zur Zuzugsordnung von 1804 das-selbe. Darüber hinaus gab es weiterhin den Landsturm sämtlicher wehrfähiger Männer. Konkrete und direkte rechtliche Bedeutung hatte das Landlibell allerdings noch immer in zwei Bereichen: der internen Lastenver-teilung der Landesverteidigung und des Verhältnisses zu den bis 1803 rechtlich rechtsunmittelbaren Fürsten-tümern Brixen und Trient.

Der in Summe zumindest formalen Gültigkeit kam zugute, dass die Hofstellen, Hofkanzlei und Hofkriegs-rat, in ihrer Einstellung zu den Partikularitäten der Ti-

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

roler Wehrverfassung uneins waren; vor allem befürch-tete die Hofkanzlei nicht grundlos Ausschreitungen bei der Einführung von Neuerungen, wie die Tumulte im Burggrafenamt 1762 und die Vorgänge rund um die Einführung der Konskription durch Josef II. deut-lich gezeigt hatten. Der Offene Landtag von 1790 war schließlich bei seiner Forderung nach der Rücknahme der Konskription erfolgreich, wobei ebenfalls wohl auf das Landlibell rekurriert wurde, aber hauptsächlich pragmatische Gründe wie die wirtschaftlichen und de-mographischen Rahmenbedingungen des Landes ange-führt wurden.

Es kann also festgehalten werden: Das Landlibell spielte im 18. Jahrhundert wohl in den Debatten durch-wegs eine wenn auch zunehmend geminderte Rolle. Die Besonderheiten des Tiroler Landesverteidigungs-wesens konnten sicher weniger wegen des Landlibells, sondern wegen wirtschaftlicher und demographischer Argumentationslinien und der Furcht vor Unruhen im Falle zwangsweiser Einziehung halten.

Auch nach der Rückkehr Tirols zu Österreich 1814 blieb die Kontinuität der Tiroler Argumentation erhal-ten, wenn es um die Tiroler Landesverteidigung ging,

allerdings mit wenig Erfolg. Schon im Jahr 1815 war die Pflicht Tirols zur Stellung des Kaiserjä-gerregimentes als Beitrag des Landes zum stehen-den Heer festgelegt worden - einzige Konzession: Die Stellung erfolgte durch Los und nicht durch Zwangsaushebung. Die weitere Ausgestaltung des Tiroler Landesverteidigungswesens ließ allerdings das Verfassungspatent vom 24. März 1816 offen.

In den Debatten der nächsten Jahrzehnte spiel-te das Landlibell keine Rolle mehr, vor allem aber nicht im rechtlichen Sinne. Selbst formale Nen-nungen erfolgten im Vormärz nur sehr sporadisch. Die militärpolitische Sonderstellung Tirols wurde vielmehr mit Verweis auf die Verdienste der Lan-desverteidiger bis 1809 und auf die strategische Stellung des Landes beansprucht.

Wenn die Tiroler Landesverteidigung auch bei den Reformen nach 1848 und bis 1918 gewisse Partikularitäten behielt, so waren diese nicht mehr auf das Landlibell, sondern auf die föderalistische Tradition des Landes zurückzuführen. Die bedeu-tendste Besonderheit stellte die in der Landesord-nung von 1861 festgelegte „Mitwirkung bei der Regelung des Landesverteidigungs- und Schieß-standswesens“ dar - eine Regelung im Sinne einer

Ausführungsgesetzgebung im Bereich der Landes-verteidigung, über die kein anderes Kronland ver-fügte. Bemerkenswert erscheint aber, dass selbst

nach der Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht (1868) die Landesverteidigungsordnung von 1871 noch festlegte, dass die Landesschützen außerhalb der Grenzen Tirols nur bei Fehlen einer Bedrohung des Landes und mit Zustimmung des Landtages eingesetzt werden dürften.

Letztmalig in seiner Geschichte beschloss der Tiroler Landtag unmittelbar vor dem I. Weltkrieg eine Landesverteidigungsordnung (1913), die allerdings we-sentliche traditionelle Besonderheiten verloren hatte. Was vor allem blieb waren die Standschützen, die im Ersten Weltkrieg mit Erfolg eingesetzt wurden.

Obwohl naturgemäß das Landlibell von 1511 im Lau-fe der Jahrhunderte im Zuge des historischen Prozesses zunehmend an direkter Bedeutung verloren hatte, wur-de auf dieses zur Verteidigung der Rechte des Landes bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts Bezug genomnen.

Dann wurde es wohl stiller um das Landlibell, aber es hatte bereits seine Wirkungsmächtigkeit in der Ge-schichte insoferne bewiesen, als es die ideelle und iden-titätsstiftende Grundlage der Partikularismen der Tiro-ler Landesverteidigung über Jahrhunderte darstellte. Nach 1918 wurde und ist es bis zum heutigen Tage ein wesentlicher Teil der historischen, aber insbesondere der politischen Erinnerungskultur. Vor allem darin be-steht in erster Linie das vielfach behauptete Alleinstel-lungsmerkmal und nicht sosehr in Form, Ausstellungs-art und Inhalt.

A.o. Univ.-Prof. HR Dr. Richard Schoberist Direktor des Tiroler Landesarchivs.

Landlibell, 23. Juni 1511.Original Tiroler Landes-archiv (Landschaftliches Archiv), 1. Seite

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1809-2009 - „Vergangenheit trifft Zukunft“Von Josef Haselwanner

Die Festlichkeiten und Höhepunkte des Gedenkjah-res sind vorüber und es ist wiederum der Alltag eingekehrt. Wie niemals zuvor wurde versucht,

die vergangene Geschichte aufzuarbeiten und aufzu-bereiten und man hat damit eine breite Bevölkerung Tirols und weit darüber hinaus erreicht. Eifrig wurde auch die Zukunft beschworen und man versuchte, nach vorne zu schauen und Hoffnung aufzuzeigen für ein gu-tes Gelingen für unser Land und die Leute.

Was bleibt vom Gedenkjahr?

Und haben wir Schützen uns da nicht zu fragen: Was bleibt, was ist gefragt, was zu tun angesichts der ak-tuellen Entwicklungen und Herausforderungen unserer Gesellschaft.

Im Sog der Finanzmarktkrise und deren negativen Folgen, des Werteverlustes bei uns Heutigen, der Un-verbindlichkeit gegenüber von Ethik und Moral, des Glaubensschwundes und des Glaubensverlustes.

Ist es nicht eine modische Tendenz zu einer unver-bindlichen Auswegsethik und Auswegsreligiosität: Hier ein Quäntchen Menschlichkeit, Menschenrecht

und Nächstenliebe, dort ein Häppchen aus fernöstli-chen Religionen mitnehmen oder Schamanenweisheit und Jesus „irgendwie gut“ finden. Es läuft der Trend in Richtung „ich bastle mir meine Religion und Moral selbst und gut ist all das, was mir nützt“.

Welche Chancen haben da unsere Grundsätze, zu de-nen wir uns bekennen: Der Glaube an Gott, die Treue zum Erbe der Väter, das Bekenntnis zur Heimat, zur Einheit und einem brüderlichen, geschwisterlichen Miteinander, zur Freiheit und Menschenwürde. Ja, was ist zu erwarten und zu erhoffen von einer Wertegemein-schaft wie wir Schützen es sind und wozu wir uns auch bekennen.

Sind unsere Grundsätze eine Alternative zu den Heilsbotschaften der Welt, deren Verheißungen sich wohl nicht erfüllen in einem bloß künstlichen Glück-gefühl des Konsumierens, des Hedonismus und Genie-ßens, des Auslebens und den Drogen.

Sind wir Schützen selbst davor gefeit: Dem Ver-schwinden der Religion und dem Verdunsten des Glau-bens aus unserem Alltag, unserem Leben, Tun und Lassen. Erfahren wir nicht gerade in unserer Zeit der Globalisierung und der Internationalisierung eine star-ke Sehnsucht der Menschen nach Heimat, einem guten und geglückten Verlauf ihrer Unternehmungen, ein ge-lingendes Leben, menschliche Erfüllung in einer stabi-len, glücklichen Familie, Geborgenheit im Freundes- und Kameradenkreis, einer gut nachbarschaftlichen Beziehung, Einbettung in ein soziales Netzwerk von Sicherheit in Krisen - und Notlagen, auf auskömmliche soziale Verhältnisse, auf Gesundheit und Lebenskraft, ein glückliches Alter, ein umsorgtes Scheiden aus die-ser Welt, auf Frieden im Nahen und im Fernen.

Möge das für so manchen Skeptiker oder Pessimis-ten nicht zu verwirklichen sein, da es ja nicht möglich sei, die Welt zu verändern, der möge sich an den Rat-schlag Voltaires, des Aufklärers und Polemikers halten, er möge sich zufrieden geben, wenn er sagt: „Unseren Garten gilt es zu bestellen“. Und Bischof Dr. Reinhold Stecher meint in seinem Büchlein „Der Gletscherhah-nenfuß“, diese Blume in einer eisigen Umwelt müsste uns mit ihrer Lebens- und Wiederstandskraft Vorbild sein, denn wenn das Makroklima in der Welt nicht ver-änderbar scheint, im Mikroklima läge noch alles offen.

Haben wir Schützen nicht deshalb den Allianzvertrag mit den beiden Tiroler Diözesen und dem Gemeinde-bund geschlossen aus dem Wissen, dass die genannten Grundbedürfnisse der Menschen verwirklicht werden müssen in unseren kleinen, überschaubaren Gemein-schaften und den freiwilligen Diensten, die in unserem Lande geleistet werden, in der Kirche und der Welt. Herbergen der Hoffnung und der Solidarität gilt es zu schaffen, Schutzräume des Lebens. Und werden nicht

ständig immer wieder Leuchtfeuer des Miteinander ent-zündet in unseren Kompanien und Verbänden, die es nur immer wieder auch neu zu entdecken gilt wie Ju-gendarbeit, Behindertenbetreuung, Sonntagsdienst im Krankenhaus und Altersheim, in Pflegeeinrichtungen und im Hospiz, Essen auf Rädern. Und haben wir nicht in unserem Lande ein großes Netzwerk helfender und unterstützender Kräfte wie Feuerwehr, Bergrettung, Rotes Kreuz, karitative Vereinigungen, Vinzenzgrup-pen und die verschiedensten Serviceclubs.

Quelle der Kraft dazu müsste für einen Schützen die christliche Gemeinschaft sein, die auf Gottes Wort hört, die sich um seinen Tisch versammelt, die Sakramente feiert und daraus die Kraft gewinnt für das achte Sakra-ment - so der große Theologe Guardini - jenes Sakra-ment, das außerhalb der Kirchtüren gespendet wird in der Tat der Liebe und Solidarität. Und würde ein solch Bauen auf das „Gottmögliche“ nicht den Horizont un-seres Lebens erweitern und uns neue Möglichkeiten und Perspektiven eröffnen für eine gute Zukunft.

Monsignore Josef Haselwanner ist als Landeskurat geistlicher Berater und Begleiter unserer Schützenkom-panien.

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Sind wir Schützen selbst davor gefeit: Vor dem Verschwin-den der Religion und dem Verdunsten des Glaubens aus un-serem Alltag, unserem Leben, Tun und Lassen?

Quelle der Kraft dazu müsste für einen Schützen die christli-che Gemeinschaft sein, die auf Gottes Wort hört, die sich umseinen Tisch versammelt, die Sakramente feiert und darausdie Kraft gewinnt.

Fulpmer Jungschütze als Ministrant beim Festgottesdienst anlässlich des Alpenregionsfestes in Fulpmes 2010: Und werden nicht ständig immer wieder Leuchtfeuer des Mit-einander entzündet in unseren Kompanien, die es nur immer wieder auch neu zu entdecken gilt: wie Jugendarbeit, . . .

(Fotos: M. Wedermann)

Haben wir Schützen nicht deshalb den Allianzvertrag mit den beiden Tiroler Diözesen und dem Gemeindebund geschlossen aus dem Wissen, dass die genannten Grundbedürfnisse der Menschen verwirklicht werden müssen in unseren kleinen, über-schaubaren Gemeinschaften und den freiwilligen Diensten, die in unserem Lande geleistet werden, in Kirche und Welt.

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50 Jahre „Feuernacht“ - Wendepunkt für SüdtirolTeil 1 - Von Bruno Hosp

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: BBO Mjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

lerinnen und Südtiroler wachzurütteln und ihr Selbst-bewusstsein in Zeiten stärkster politischer Repression zu stärken.

Mussolini-Standbild gesprengt

1961, vor nunmehr genau 50 Jahren - inzwischen auch im Auftrag der UNO-Generalversammlung zwi-schen Österreich und Italien laufende Verhandlungen zum Abbau der Spannungen in Südtirol bewegten sich ergebnislos auf der Stelle - begann die Lage zu eskalie-ren.

Bereits zum Jahresbeginn, am 30. Jänner um 4 Uhr

früh, wurde beim Kraftwerk Waidbruck das überlebens-große Reiterstandbild Be-nito Mussolinis vom Sockel gesprengt. Zwei Tage spä-ter, am 1. Februar, erfolg-te ein ebenfalls Aufsehen erregender Anschlag auf das Haus Ettore Tolomeis (1865–1952), berüchtigt als „der Totengräber Südti-rols“, in Glen bei Montan.

Hausdurchsuchungen und Festnahmen, auch für mehrere Tage, insbesondere von Schützenoffizieren und

SVP-Funktionären, standen von nun an auf der Tages-ordnung. Anschläge im Sinne der von Sepp Kerschbau-mer vorgegebenen Strategie der „feinen Nadelstiche“ folgten in beinahe regelmäßiger Abfolge.

Der große Schlag

In der Nacht des Herz-Jesu-Sonntags vom 11. auf den 12. Juni schließlich wurde zum großen Schlag aus-geholt. 37 Hochspannungsmasten und weitere Objekte wurden in dieser „Feuernacht“ durch mächtige Spreng-ladungen zerstört, eine Reihe weiterer Masten stark beschädigt. Einige blieben auch unversehrt, da die dar-

an angebrachten Ladungen durch Versagen der Zeitzünder nicht zur Explosion gelangt waren. Einzelne dieser Masten wiederum wurden sogar noch in der Nacht darauf er-folgreich „nachgezündet“.

(Forsetzung siehe RückseiteKalenderblatt September!)

Ab Mitte der 50er-Jahre wurde das politische Klima in Südtirol immer unerträglicher. Längst waren Sinn und Zweck des Pariser Südtirol-Abkommens

vom 5. September 1946 ins Gegenteil verkehrt worden.Nicht der Südtiroler Landtag, sondern der Regional-

rat schöpfte die Kompetenzen aus, die zum Schutz der deutschen Volksgruppe von den Außenministern Alci-de Degasperi und Karl Gruber vereinbart worden wa-ren. Im Regionalrat aber, dem gemeinsamen Parlament der beiden Provinzen Südtirol und Trentino, waren die Südtiroler einer Zweidrittelmehrheit von italienischen Ratsmitgliedern ausgeliefert. Die durch das Pariser Abkommen völkerrechtlich garantierte Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt für das Land Südtirol allein war uns versagt geblieben. Es herrschte mehr und mehr eine Atmosphäre geradezu provokativer Repression. Unsere Landsleute waren laufend Anpöbelungen, Verhöhnun-gen und Diffamierungen ausgesetzt. Vor dem Bozner Schwurgericht wurden am laufenden Band so genannte Schmähprozesse (z.B. wegen des Hissens von Tiroler Fahnen) abgewickelt. Immer wieder wurden öffentliche Versammlungen der Südtiroler Volkspartei (SVP) von neufaschistischen Randalierern gestört.

Forcierte Zuwanderung aus Italiens Süden

Mit der praktischen Ausgrenzung der Südtiroler von den staatlichen und halbstaatlichen Stellen ging eine forcierte Zuwanderung aus dem Süden Italiens einher, die geradezu beängstigende Ausmaße annahm. Mehrere Tausend Südtiroler mussten jährlich ihre angestamm-te Heimat verlassen, um in Deutschland und in der Schweiz Arbeit zu suchen, weil sie von den öffentlichen Stellen ausgesperrt blieben und weil gleichzeitig durch die Technisierung der Landwirtschaft immer mehr Ar-beitskräfte freigesetzt wurden. Durch ein vom Staat massiv gefördertes Wohnbauprogramm wurden in Süd-tirol, vorab in Bozen, mehrere Tausend Volkswohnun-gen errichtet, von denen aber nur knapp 6% Südtirolern zugewiesen worden sind. Auf diese beängstigende Ge-samtsituation eingehend schrieb damals Kanonikus Mi-chael Gamper (1885–1956), über Jahrzehnte hindurch bewährt als Fels in der politischen Brandung Südtirols, in einem „Dolomiten“-Leitartikel: „ . . . Es ist ein To-desmarsch, auf dem wir Südtiroler uns seit 1945 befin-den, wenn nicht noch in letzter Stunde Rettung kommt.“

Der BAS wurde gegründet

So nimmt es nicht wunder, dass eine große Mehr-heit der Südtiroler, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, zustimmend reagierte, als ab Herbst 1956 eine kleine Gruppe um Hans Stieler (1920-2010) mit eini-gen demonstrativen Sprengstoffanschlägen aufhorchen ließ. Noch im selben Jahr haben ein paar Patrioten mit dem Frangarter Kaufmann und SVP-Ortsobmann Sepp Kerschbaumer (1913-1964) an der Spitze den „Befrei-ungsausschuss Südtirol“ (BAS) gegründet, der in den folgenden Jahren mit Flugzetteln und Rundbriefen auf die unhaltbar gewordene politische Lage in Südtirol aufmerksam machte mit dem Ziel, über das Selbstbe-stimmungsrecht die Wiedervereinigung mit Tirol und Österreich zu erlangen.

„Los von Trient“

Die Ankündigung des Ministers für öffentliche Ar-beiten Giuseppe Togni, in Bozen weitere 5.000 Volks-wohnungen errichten zu lassen, brachte das Fass zum Überlaufen. Die SVP rief unter dem Motto „Los von Trient“ zu einer Protestkundgebung nach Schloss Sig-mundskron. 35.000 Südtiroler haben sich am 17. No-vember 1957 im Schlossareal versammelt und der da-mals frisch gebackene Parteiobmann Silvius Magnago hatte alle Mühe, die Menge von einem Marsch nach Bozen abzuhalten. Den damals noch wenigen BAS-Leuten um Sepp Kerschbaumer missfiel dies genauso wie das „Los von Trient“.

Sie standen für das „Los von Rom“ und konnten in den Monaten nach der Kundgebung einen starken Zu-lauf verzeichnen. Die friedlich verlaufene Großkund-gebung hatte es überdies vermocht, tausende Südtiro-

Vor 50 Jahren - am 30. Jänner 1961 - wurde das Mussolini-Reiterstandbild in Waidbruck gesprengt.

Luis Amplatz beim Vorbereiten einer Sprengladung.

Page 8: 2011 Tiroler Schuetzenkalender - Texte

Des Reiches Adlerhorst nennt Maximilian Tirol. Innsbruck mit der Hofburg, die Albrecht Dürer malt, ist seine Lieblingsresidenz. Innsbruck und

nicht Wien ist die Kaiserstadt. Zentrale Behörden ma-chen Innsbruck zu einer Art Reichshauptstadt, auch wenn es diesen Begriff nie gab. Zwischen Innsbruck und Brüssel funktioniert die 1. Postverbindung seit der Antike. Von Innsbruck aus wird Weltpolitik gemacht. Maximilian erbt ein Land, das kleiner ist als das heutige Österreich. Seinen Nachfolgern hinterläßt er das größ-te Weltreich vor dem Britischen Empire. Die Hochzeit mit der Erbin Burgunds macht Austria zur Großmacht. Mit der spanischen Hochzeit steigt Österreich zur Welt-macht auf. Die böhmisch-ungarische Hochzeit begrün-det die Donaumonarchie. Sie überlebt Maximilian um genau 400 Jahre.

Goldenes Prunkdachund größtes Kaisermonument Europas

Diese Politik übertrifft alle Vorstellungen. Die Kunst-werke sind kaiserliche Propaganda. Auch damit will Maximilian alles übertreffen. Im Jahre 1500 vollendet er seinen goldenen Prunkerker. Nicht der Protz eines Neureichen, sondern Symbol für seine Überzeugung, er sei jener Kaiser, der die Welt in ein neues Zeitalter führt. Man sagte „Neuzeit“ und glaubte an ein „Golde-nes Zeitalter“. Es ist aufregender als die Mondlandung. Die Spanier bringen Gold aus Amerika und die Portu-giesen entdecken jedes Jahr neue Länder von Afrika bis Indien. Alle diese Länder gehören einmal zur Casa de Austria, glaubt Maximilian. Er fühlt sich als Herr des Erdkreises. Der Realpolitiker Papst Julius II. nennt die-sen Kaiser einen Narren und verweigert ihm die Krö-nung in Rom, doch der „Narr“ behält recht.

1502 bestellt Maximilian das größte Kaisergrab al-ler Zeiten. Seine Vorfahren sollen ihn umgeben und die größten Herrscher seit Julius Cäsar. Deshalb stehen in Innsbruck großartiger als in ihren Heimatländern Herr-scher von Spanien und Portugal, Burgund und Polen, Böhmen und Ungarn, England, Italien und Frankreich, Deutschland und sogar der König von Jerusalem. Über-lebensgroße Bronzefiguren. Der Bronzeguss ist so hoch entwickelt, weil Maximilian im Bergwerksland Tirol die modernsten Kanonen gießen läßt - zum ersten Mal als kriegsentscheidende Waffe. Sie durchschlagen sechs Meter dicke Mauern.

Neue Dimensionen in der Kunstgeschichte

Maximilian holt die besten Künstler des Reiches. Albrecht Dürer entwirft die Statuen von König Artus von England oder von König Theoderich, dem Dietrich von Bern der deutschen Heldensage. Kopien davon ste-hen im Puschkinmuseum in Moskau. Mit der Statue des Grafen Albrecht stößt Dürer in eine neue Dimension der Kunstgeschichte vor. Die kühnste Figur wird kaum beachtet, weil ein kleiner Graf nicht mit dem Weltruhm eines König Artus mithalten kann. „Dieses Monument

sollte ganz anders in unserem Bewusstsein stehen als es heute der Fall ist“. Das schrieb vor 85 Jahren Wil- helm Pinder, damals der bedeutendste Kunsthistoriker in Berlin. Tatsäch- lich war das Werk für Innsbruck zeit- weise „ein paar Schuhnummern zu groß“, wie man in Wien sagte. 1816 wurden die Bron-zefiguren mit schwarzer Öl-farbe über- strichen.

Die irreführende Bezeichnung „Schwarze Mander“ blieb bis heute, obwohl die schwarze Schmiere seit 130 Jahren entfernt ist und obwohl der Kaiser seine Figuren ebenso goldstrahlend wünschte wie sein Prunkdach.

So wie in seiner Weltpolitik verliert Maximilian auch bei seinem Riesenmonument jedes Maß. Doch der Phantast erreicht alles, was er erträumte: Sein Enkel und sein Urenkel bezahlen ein Vermögen für die Fertig-stellung. Die Figur des Kaisers im Mittelpunkt der Kir-che wird erst 82 Jahre nach Beginn der Arbeiten fertig. Die Hofkirche und das Kloster werden nur für dieses ei-ne Monument gebaut. An keinem Herrschermonument der Welt von den Pharaonen bis zum Kaiser von China wurde ähnlich lange gearbeitet und eine vergleichba-re Erhöhung eines Kaisers gegenüber dem Hochaltar gibt es nur noch einmal, im Escorial in Spanien für den Nachfolger Maximilians, Kaiser Karl V., nach dem Vor-bild in Innsbruck.

„Nur“ 28 Figuren wurden fertiggestellt

Statt sich in die Größe des Werkes zu vertiefen nörgeln manche bis heute, das Monument sei ja noch größer geplant gewesen. Von 40 Monumentalfiguren

wurden „nur“ 28 vollendet. In Wirklichkeit gelang die gewaltigste Erhöhung eines Herrschers. Am Kenotaph zeigen 24 Marmorreliefs das aufregende Leben des Kaisers vom Einzug in Wien nach der ungarischen Be-setzung bis zum Weltreich mit so vielen Figuren, dass man sie nicht zählen kann. Man sieht die berüchtigsten Machtpolitiker der Epoche, den Borgiapapst Alexan-der VI. und den herrschsüchtigen Julius II., die Köni-ge von Frankreich, Spanien, Böhmen und Ungarn, den Dogen von Venedig, den Fürsten von Mailand und den blutrünstigen König Heinrich VIII. von England. Ihm schenkte Maximilian nach dem gemeinsamen Sieg über die Franzosen etwas vom Kostbarsten, das Innsbruck damals produzierte: Einen Groteskhelm von Konrad Seusenhofer. Heute wirbt dieser Helm für die königli-che Harnischsammlung in England. Von seinen Bogen-schützen hatte Maximilian Englisch gelernt. Der Mann, der Innsbruck zur Weltstadt machte, beherrschte sieben Sprachen. Er sagte, ein König ohne Bildung ist wie ein gekrönter Esel. Leider weiß man erst im nachhinein, wann Esel regiert haben.

Und leider wissen viele Innsbrucker bis heute nicht, daß sie das internationalste Monument der Welt besit-zen.

Dr. Norbert Hölzl war viele Jahre Referatsleiter im ORF-Tirol. Er verfasste zahlreiche Publikationen und ist ein besonderer Kenner der Zeit Kaiser Maximilians.

Innsbruck, die Weltstadt Maximilians I.von Norbert Hölzl

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Kaiser Maximilian I. auf dem Kenotaph in der Hofkirche.

Die überlebensgroßen Bronzestatuen Kaiser Friedrich III., des Vaters Maximilian I., Maximilians erste Frau Maria von Burgund, deren Sohn Philipp der Schöne, des Kaisers zweite GattinMaria Bianca Sforza (v.l.) in der Hofkirche in Innsbruck. (Fotos: M. Wedermann)

Page 9: 2011 Tiroler Schuetzenkalender - Texte

Innsbruck - eine Berg(bau)stadt?Von Peter Gstrein

Tirol gehörte einst zu den klassischen Bergbauländern der Alpen. Wenn wir allerdings etwa einen Passanten

in der Landeshauptstadt fragen, wo denn in unserem Land im Gebirge Bergbau be-trieben wurde, so wird man fast nur das „Schwazer Silber“ in den Antworten ver-nehmen. Vielleicht auch noch den Salz-bergbau bei Hall in Tirol. Imst, Kitzbühel und Rattenberg sind sicherlich sehr weit abgeschlagen.

Gruben am „Höttinger Berg“

Den Schwazer Bergbüchern von 1556 (wie auch späteren Abschriften) ist ein „Bildteil“ angeschlossen, in dem die einst bergbaulich wichtigen Orte - es mussten keine Städte sein - mit einiger geogra-phisch-künstlerischer Freiheit dargestellt sind. Und da treffen wir auch auf eine Darstellung von Innsbruck. Sie zeigt den Stadtteil Hötting mit der dahinter aufragenden Nord-kette. Besonders fällt natürlich das „Wahrzeichen“, der eigenwillige Turm der alten Höttinger Kirche auf. Es muss also dort Bergbau bestanden haben.

Den zentralen Bereich - und hier konnten auch die reichsten Erze gebrochen werden, bilden die Gruben am „Höttinger Berg“. Das ist der Bereich des Höttin-ger Grabens mit seinem weiteren Umfeld in einer Höhe zwischen 850 m und 900 m ü.A., also ober- und unter-halb des Kollnerweges etwa zwischen dem Höttinger-Bild-Kirchl im Westen und Gramart im Osten. Eigent-lich ist der Bereich der einst betriebenen über 100 Gru-ben viel größer und reicht von der Kranebitter Klamm bis zum Halltal.

1479 - Erste schriftliche Erwähnung

Hötting war bereits in vorgeschichtlicher Zeit unge-wöhnlich „dicht“ besiedelt und da ein Verkehrsknoten-punkt wahrscheinlich nicht vorliegt, könnte der Grund in einem sehr alten, vielleicht bereits vor fast 4.000 Jah-ren betriebenen Bergbau zu sehen sein. Auch montan-archäologische Befunde weisen in diese Richtung.

Auch ist, wie bei den meisten Altbergbauen Tirols, der genaue Zeitpunkt nicht festzulegen, wann im spä-ten Mittelalter der erste Venediger den Höttinger Gra-ben hinaufgestiegen ist, um die leicht erkennbare La-gerstätte beim „Wasserfall“ zu lokalisieren und somit den ersten Knappen den Weg bereitete, hier ihre Eisen anzulegen.

Es war sicherlich lange vor der ersten schriftlichen Erwähnung von 1479, da damals ein Knappe beim Forstmeister um Zimmerholz angesucht hat - es muss ein „jüngerer“ Unterbaustollen gewesen sein, der nicht mehr direkt im gut standfesten Fels angeschlagen und aufgefahren worden ist. Eine Zeit um 1420–1440 dürf-te für die Betriebsaufnahme am wahrscheinlichsten in Frage kommen. Die Blütezeit kann man zwischen 1450 und 1560 annehmen. Dann wird es zusehends ruhiger um diese relativ weit reichenden Gruben. Es scheinen zwar jüngere Verleihungen von Gruben auf - über eine Erzförderung finden sich nach 1650 keine eindeutigen Hinweise mehr.

Dies zeigt auch das Bild in den Gruben: Nahezu al-le Stollen, Strecken und Abbaue sind mit Schlägel und Eisen in klassischer Schrämtechnik getrieben, was für eine Zeit vor (etwa!) 1650 spricht. Spuren der jüngeren Schießarbeit mit Schwarzpulver finden sich zwar im-mer wieder. So die Grubenaufschlüsse zeigen, konnten aber nur mehr Erzreste gebrochen werden.

Um welche Erze handelt es sich, die das Ziel des Bergbaues am Höttinger Berg waren?

In erster Linie waren es Arsenfahlerze (Tennanti-te), komplexe Verbindungen von Schwefel mit Kup-fer (≈ 40%), Arsen (≈ 20%), Zink, Eisen sowie Silber mit ≈ 0,8%. Also Erze ähnlich den „Silbererzen“ von Schwaz-Brixlegg, allerdings mit viel mehr Arsen, aber nahezu keinem Antimon und Quecksilber, dafür aber

mehr Silber im Konzentrat (Schwaz: Ø 0,5%!). Mengenmäßig zurücktretend war das genauso wich-

tige Erzmineral, der Bleiglanz (Galenit), den man un-bedingt benötigte, um aus diesen Fahlerzen das Silber „herauszubringen“. Während man im Unterinntal dafür die Bleierze aus Südtirol (Bergbau Schneeberg, Rid-naun) und dem Karwendel (Haller Anger) sowie dem Raum Imst-Nassereith mühsam zuliefern musste, war der Höttinger Bergbau diesbezüglich ziemlich autark. Ein Grund mehr, ein „Liebling“ des/der Landesherren zu sein, die nur das Silber interessierte.

Die Hütte an der Sull

Die gebauten, geförderten und nachfolgend an Ort und Stelle, besonders aber bei Gramart aufbereiteten Erze wurden anfangs in der landesfürstlichen Hüt-te „an der Sull“ (= Sill) verhüttet. Die Kohlstattgasse in Dreiheiligen erinnert noch daran. Später wurde, da meist am Nachmittag der übel riechende (giftige) „Hüt-tenqualm“ vom „Unteren Wind“ in die Stadt geblasen wurde, dieses Hüttenwerk an den Mühlauer Bach ver-legt, wodurch sich auch die Erzanlieferwege änderten. So wurde nun der Knappensteig angelegt, der unterhalb der Hungerburg hindurch nach Mühlau führt(e).

Die vom Oberland am Inn angelieferten Erze, die für die landesfürstliche Hütte Innsbruck bestimmt wa-ren, mussten nun vom Rechen (Rechengasse) durch die Stadt, über die Innbrücke und den Alpenzoo - Juden-bichl - nach Mühlau gebracht werden.

Wegen dieser Mühsal wurde dann der „Hohe Weg“ gebaut, der etwa von der Voliere bei der Villa Blanca hangquerend inntalabwärts führte. Ein Teil des Steilan-stieges bestand noch immer und die angeschnittene

Grundmoräne verlegte den Erzweg sehr oft, sodass Maximilian dann den „Neuen Weg“ bauen ließ, der nun als der am tiefs-ten drunten verlaufende sinnigerweise „Hoher Weg“ heißt. Er musste zum Teil aus dem Fels herausgearbeitet werden, was Schwazer Bergleute besorgten. Da-bei ist man auf „Glaserze“ (silberreiche Erze mit über 10 % Silber) gestoßen.

Sie waren sehr wahrscheinlich der An-lass für eine tiefer reichende Erzsuche, den Vortrieb des Maximilianstollens, der uns auch zeigt, dass das damalige Wis-sen über den geologisch-tektonischen Aufbau der Innsbrucker Nordkette aus-gezeichnet war und dieser Vortrieb nicht nur auf die Suche nach den „Nördlichen Erzen“ ausgerichtet war, sondern auch als über drei Kilometer langer „Erbstol-len“ zur Unterfahrung der Gruben am Höttinger Berg angedacht war. Er muss-te nach einer Vortriebslänge von 623 m,

unterhalb der Hungerburg stehend, wegen nicht mehr bewältigbarer technischer Probleme vorzeitig aufgege-ben werden. Er war zu seiner Zeit nicht nur das kühnste montanistische Projekt, sondern auch der wahrschein-lich größte bergbauliche Defizitbetrieb, was eine Ein-zelgrube betrifft!

Das Höttinger-Bild-Kirchl

Was wenige wissen: Das Höttinger-Bild-Kirchl, einst Bet- und Bittplatz der Innsbrucker Studenten vor schwierigen Prüfungen, wurde 1774 erbaut (erste Ver-ehrungen ab 1690, also noch innerhalb der „bergbauli-chen“ Zeit). Es liegt auf einem deutlichen „Bödele“, der Halde des St.-Matheus-Stollens, Hauptgrube des dor-tigen Revieres „Perwinchl“. Wie die Erfahrung zeigt, handelt es sich dabei mit großer Wahrscheinlichkeit um eine „Nachfolgekapelle“ einer alten Knappenkapelle. Immerhin sind drei der vier Heiligen am Altar solche, die mit dem Bergbau verbandelt sind. Es sind dies die hl. Notburga, der hl. Christophorus und der hl. Isidor.

Die älteste Innsbrucker Wasserleitung

Das älteste „Innsbrucker Wassergeleit“ (Wasserlei-tung von der Quelle in die Stadt) nutzte übrigens bereits Mitte des 15. Jahrhunderts die Wässer des bereits sehr früh aufgelassenen Lehnerstollens, der einst auf ca. 1.150 m ü.A. vorgetrieben wurde.

Die tieferen Quellen der Stollen am Höttinger Berg werden zum Teil als Trinkwässer genutzt. Dabei ent-sprechen die tief im Berg gelegenen Wasseraustritten von der Art der Wässer her - und das ist aufgrund der geologischen Verhältnisse leicht erklärbar - jenen der Mühlauer Quellen! Die in den vorderen Grubenteilen erschroteten Bergwässer entstammen einer tektonisch tiefer gelegenen Gesteinseinheit, weshalb ihre physika-lischen und chemischen Daten deutlich anders liegen.

Somit darf sich Innsbruck mit Recht auch als Berg-baustadt bezeichnen. Schrifttum und besonders die zum Teil gut gebauten Gruben am Höttinger Berg bezeugen dies.

Literaturhinweis: Gstrein, P. und G. Heißel (1989): Zur Geschichte und Geologie des Bergbaues am Südabhang der Innsbrucker Nordkette. Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum, Bd.69, S.5-58, Innsbruck.Gstrein, P: (2008): Der Bergbau am Höttinger Berg – ältes-ter Kupferbergbau Tirols? In: Westwind. Die Stadtzeitung von Hötting-West und Kranebitten, Innsbruck, 13. Jg, 2. Ausgabe, Juni 2008.

Dr. Peter Gstrein ist Landesgeologe und mit Leib und Seele mit seinem Beruf verbunden. Er ist Autor mehre-rer Bücher über das Schwazer Silberbergwerk und Eh-renmitglied des Bergwerksvereins Tarrenz. Der Berg-werksfan Gstrein, in Schwaz auch als Stollenpeterle bekannt, hat beim Konzept der Knappenwelt in Tarrenz und Schwaz massiv mitgearbeitet und zeichnet für die Schulung der Führer verantwortlich.

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Schwazer Bergbuch, Codex Vindobonensis (1556??), Ansicht von Hötting mit der Innsbrucker Nordkette. Typisch ist der Turm der Pfarrkirche.

Bergbau bei St. Nikolaus, Maximilianstollen, zweite Focher-stube (Raum, in dem ein Blasebalg für die „Frischluftzu-fuhr“ an den Ort eingebaut war), etwa bei Stollenmeter 310, knapp westlich und gut 100 m unterhalb des Gämsengehe-ges des Alpenzoo. Zuletzt wurde der Focher mittels eines unterschlächtigen Wasserrades angetrieben.

(Fotos und Archiv: P. Gstrein, Innsbruck)

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50 Jahre „Feuernacht“ - Wendepunkt für SüdtirolTeil 2 - Von Bruno Hosp

(Fortsetzung vom Kalenderblatt Juni!)

Aber auch ein erstes tödliches Unglück am Mon-tagvormittag der Feuernacht senkte sich wie ein schwarzer Schatten auf das ganze Unternehmen.

Der Straßenarbeiter Giovanni Postal entdeckte an ei-nem Baum an der Sprach- und Provinzgrenze bei Salurn einen Sprengsatz, dessen Zeitzünder offensichtlich ver-sagt hatte. Beim leichtsinnigen Versuch, die Ladung zu entfernen, fand er den Tod. Die BAS-Aktivisten wa-ren von dieser Tragödie umso schwerer betroffen, als ihr Führer Sepp Kerschbaumer ja auch in ihrem Sinne immer wieder betont hatte, einen unblutigen Freiheits-kampf führen zu wollen. Ein wesentliches politisches Ziel jedenfalls hat der BAS durch die Feuernacht er-reicht: Die Welt blickte nun auf den Konfliktherd Südti-rol, der noch dazu im Herzen Europas lag.

Der Ausnahmezustand wurde verhängt

Waren in Südtirol schon vorher Polizei- und Heeres-kräfte überpräsent, so glich das Land nun binnen kürzes- ter Zeit einem einzigen Heerlager. Mit der Verhängung des Ausnahmezustandes wurden ganze Heeres- und Polizeieinheiten, 40.000 Mann an der Zahl, ins kleine Südtirol verlegt. Das Mittel der Folter wurde in den Ca-rabinieri-Kasernen mit skrupellosem Sadismus einge-setzt, hatte doch der christdemokratische Innenminister Mario Scelba (1901–1991) unbeschränkte Vollmachten für die Anwendung von Foltermethoden bei Verhören ausgestellt. Bis Ende September erfolgten nicht weni-ger als 140 Verhaftungen.

Genau einen Monat nach der Feuernacht wurde in Laas als erster Verdächtiger Schützenmajor Franz Muther (1922–1986) verhaftet und in der Carabinieri-Kaserne von Meran einer zweitägigen „Sonderbehand-lung“ unterzogen. Beinahe täglich erfolgten von nun an neue Verhaftungen mit anschließender Folter, dar-unter Schützenmajor Jörg Pircher aus Lana und auch Sepp Kerschbaumer selbst. Schützenmajor Georg Klotz (1919–1976) konnte, wie vor ihm schon Schüt-zenleutnant Luis Amplatz (1926–1964), den Häschern entkommen. Beide agierten künftig zusammen mit an-deren Freiheitskämpfern vom österreichischen Exil aus. Amplatz wurde in der Nacht auf den 7. September 1964 in einer Heuhütte auf den „Brunner Mahdern“ (Pas-seier) von einem vom italienischen Geheimdienst ge-dungenen Mörder im Schlafe erschossen. Klotz wurde dabei schwer verwundet und konnte sich wie durch ein Wunder aus eigener Kraft über die Grenze nach Nordti-rol in Sicherheit bringen. Der Mörder Christian Kerbler hat seine Strafe bis zum heutigen Tag nicht verbüßen müssen. Aufsehen erregende Aktionen nach der Feuer-nacht, sogar über mehrere Jahre hindurch, setzten die so genannten „Puschtra Buibm“ um Siegfried Steger und Sepp Forer. Sie und andere in Österreich lebende Süd-tirol-Aktivisten warten nach bald fünf Jahrzehnten im-mer noch vergeblich auf eine Begnadigung durch den italienischen Staatspräsidenten! Dies ist umso schänd-licher, als in Italien der „schwarze“ und der „rote“ Ter-rorismus einige Jahre nach der Südtiroler Feuernacht wahre Blutbäder angerichtet hat. Richter und Staatsan-wälte, sogar ein Aldo Moro (1916–1978) sind gewalt-samen Entführungen und Mordanschlägen zum Opfer gefallen. Da waren wirkliche Terroristen am Werk, aber schon seit über 10 Jahren sind sie alle in Freiheit.

Eiskalter Zynismus durch die Obrigkeit

Inzwischen sickerten grässliche Einzelheiten über er-littene Folterungen an die Öffentlichkeit (im Buch „Für die Heimat kein Opfer zu schwer“ von Helmut Golo-witsch sind die Folterbriefe authentisch abgedruckt).Mit eiskaltem Zynismus hat die staatliche Obrigkeit versucht, jede Freiheitsregung zu unterbinden. Die offi-zielle Politik in Südtirol wie auch in Österreich reagierte nur zaghaft. Erst als kurz hintereinander zwei politische Häftlinge, am 22. November 1961 Schützen-Oberjäger Franz Höfler aus Lana und am 7. Jänner 1962 der Fa-milienvater Anton Gostner aus St. Andrä, an den Folgen der erlittenen Folterungen starben, gingen die Wogen der Erregung bei der Bevölkerung dies- und jenseits der

Unrechtsgrenze derart hoch, dass die offizielle Politik endlich reagieren musste.

Demütigungen für die Gefolterten

Ab Frühherbst 1961 brachten nach und nach 44 Häft-linge den Mut auf, Anzeigen gegen die Folterknechte zu erstatten, nachdem von seiten der Politik trotz des Vorliegens Dutzender von Folterbriefen nichts zu ih-rem Schutz unternommen worden war. Im August 1963 wurden zehn Folter-Carabinieri vom Gericht in Trient freigesprochen, für die restlichen kam eine Amnestie zur Anwendung. Gelinde gesagt, eine Farce sonders-gleichen! Schon drei Tage nach diesem Urteilsspruch wurden die Freigesprochenen in voller Uniform vom Oberbefehlshaber der Carabinieri und Chef des mili-tärischen Geheimdienstes „SIFAR“, General Giovanni De Lorenzo, feierlich in Rom empfangen und für ihren „vorbildlichen Einsatz“ öffentlich ausgezeichnet, ja ei-nige von ihnen wegen „beispielhafter Pflichterfüllung“ sogar befördert. Eine glatte zweite Demütigung somit - nicht nur für alle Gefolterten, sondern auch für alle Tiroler.

Monsterprozess in Mailand

Am 9. Dezember 1963 begann im Justizpalast von Mailand ein Monsterprozess rund um die Geschehnis-se der Feuernacht gegen 94 Angeklagte, von denen 68 schon seit über zwei Jahren in Untersuchungshaft wa-ren. Der Prozessverlauf und vor allem die teils drako-nischen Urteile nach fast achtmonatiger Prozessdauer (Urteilsverkündung am 16. Juli 1964) erregten großes, auch internationales Aufsehen. Alle Häftlinge, ob sie nun zu kürzeren oder sehr langen Gefängnisstrafen ver-urteilt worden sind, haben diese aufrecht verbüßt und zusammen mit ihren Familien, ihren Frauen und Kin-dern, unsägliches Leid erlitten.

Jedes Jahr am 8. Dezember wird in St.Pauls am ur-sprünglichen Grab von Sepp Kerschbaumer vor der Gedenktafel für die verstorbenen Freiheitskämpfer

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

der Sechzigerjahre eine vom Südtiroler Heimatbund, der Vereinigung der ehemaligen politischen Häftlinge, und vom Südtiroler Schützenbund gemeinsam ausge-richtete Gedenkfeier an alle Opfer der hier angespro-chenen Schicksalsjahre ausgerichtet. Dass diese Feier Jahr für Jahr einen sehr starken Besucherandrang ver-zeichnet, ist ein Zeichen dafür, dass die Bevölkerung sich dankbar dessen bewusst ist, dass die Aktivisten ei-nen wesentlichen Beitrag zur Internationalisierung des Südtirol-Problems geleistet haben, womit wiederum die säumige italienische Regierung unter gehörigen Druck geriet. Folgerichtig hat diese auch nicht von ungefähr schon bald nach der Feuernacht, am 1. September 1961, die „19er-Kommission“ eingesetzt. Diese erarbeitete in den Folgejahren ein Paket von Maßnahmen für eine bessere Autonomie natürlich für Südtirol allein. Im Jän-ner 1972 ist das so genannte „Neue Autonomiestatut“ schließlich in Kraft getreten.

Für eine verbesserte Autonomie

Wer die geschilderten schweren, ja turbulenten Zei-ten hautnah miterlebt hat, hegt keinen Zweifel darüber, dass die Aktivisten der 60er-Jahre durch ihren beherzten Einsatz und ihr großes Opfer einen wesentlichen Bei-trag zur Erreichung der neuen, qualitativ unvergleich-lich besseren Autonomie Südtirols, geleistet haben.

Die Fotos, alle aus dem Buch von Dr. Helmut Golowitsch: „Für die Heimat kein Opfer zu schwer: Folter - Tod - Er-niedrigung, Südtirol 1961–1969“, Edition Südtiroler Hei-matgeschichte, wurden uns freundlicherweise vom Autor zur Verfügung gestellt.

Dr. Bruno Hosp wurde 1968 zum Bundesmajor des SSB bestellt, 1977 wird er LKdt.-Stv., 1984 Landeskomman-dant. 1989 wird er Kulturlandesrat in der Südtiroler Landesregierung und tritt wegen der Unvereinbarkeit beider Ämter von der Spitze des SSB ab. Er ist EMjr. beider Schützenbünde - nördlich und südlich des Bren-ners.

Unvergessen - Sepp Kerschbaumer, Franz Höfler und Georg Klotz.

Unzählige Trauergäste gaben Sepp Kerschbaumer das letzte Geleit.

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sind, solche Leute umgeben von einer Schar servi-ler Speichellecker zu sehen, mit Panzerautos und den höchsten Gehältern Europas, stößt es scharf auf und wir beginnen nachzudenken.

Der Zug fährt ab, die Wägen sind übervoll mit Schüt-zen, die in ihre Dörfer zurückkehren; am Boden, in den Gängen, Bündel von Gewehren. Mit Mühe finden wir einen Tisch im Speisewagen. Ich biete meinen Nach-barn, die ich als Kameraden empfinde, einen Trunk an, dann trinken auch wir einen Schnaps aus dem Sil-berbecher einer hübschen Marketenderin, die ich an den Tisch eingeladen habe.

Mit dem Schluck Alkohol kommt die Inspiration ins Herz: Ich leihe mir von meinen Nachbarn eine Mannli-cher; mit der Rechten schwinge ich die Waffe, mit der Linken umarme ich das Mädchen: So lasse ich mich fo-tografieren.

So, in der einen Hand der kalte, glänzende, kurz an-gebundene Realismus der Waffe, in der anderen, die pulsierende Wärme des Lebens und der Jugend des Ti-roler Mädchens, sehe ich für mich die Essenz, die Be-deutung, die ideale Personifizierung des Tiroler Landes. Ich weiß, dass ich zusammen mit dem Foto die unver-gessliche Erinnerung an diesen Frühherbsttag forttra-gen werde, während der Zug immer schneller in die ersten Abendschatten fährt.

Dr. Franco Bellegrandi war Journalist beim »L'Osser-vatore Romano«, der Zeitung des Heiligen Stuhls in Rom. (Fotos: M. Wedermann, W. Kathrein)

Früh am Morgen des 20. September 2009, Bahnhof Wörgl. Während wir auf den Zug nach Innsbruck

warten, trinken wir einen Kaffee im Gasthaus, wo man den besten der Stadt kriegt. An der Theke trinken zwei Schützen und reden leise miteinander. Ihre Trachten schallen wie Trompeten-stöße in der stillen Alltäglichkeit des Lokals und der Gäste, die an den Tischen sitzen. Ich beobachte sie aus meinem Eck und fühle mich wie zu Hause. Sie sind das Tirol von gestern und heute; von immer; wo ich mich wieder erkenne, wo ich mich er-hebe in einem ganz persönlichen Stolz von alter Kame-radschaft, von überzeugter, ungescheuter Bruderschaft mit diesen Kriegern, die in einer Welt, vergiftet von Op-portunismus und Kriecherei, hoch im Berghimmel mit ausgebreiteten Schwingen den (roten) Adler schweben lassen, Symbol ihrer Ehre und ihrer Treue.

Dann der Zug, die Fahrt in der Sonne, Innsbruck. Heute feiert man das zweihundertste Jahr der berühm-ten Schlacht am Bergisel und den Triumph des Andreas Hofer mit einer feierlichen Kundgebung von tausenden Menschen, Schützen, Delegationen aus Österreich und aus dem Ausland.

Frau Anna Enzinger, Gattin des Kommandanten des Innsbrucker Schützenbataillons, wartet; effizient und informiert leitet sie unsere Schritte in dieser Welt . . . hinein in eine andere.

Vom Bahnhof weg sind die Straßen, die zur Hofburg führen, ein ununterbrochener Strom kleiner vielfarbiger Gruppen, eingebettet in einem Gesumme von Erzählen, Rufen, Trommelrollen.

Die alte Alpenstadt scheint heute Früh in einem Mor-gen des neunzehnten Jahrhunderts erwacht zu sein. Das Herz schlägt hoch, während wir inmitten dieses Volkes gehen, wo die Mannlicher über der Schulter und die Sä-bel am Gürtel in den Sonnestrahlen Blitze schleudern.

Wir kommen zur Hofburg, sehen die Tribünen ent-lang der breiten Straße, wo sich schon die Zuschauer und die Würdenträger versammeln.

Aus einer Gruppe von Schützenoffizieren löst sich die Riesengestalt des LKdt.-Stv. Stefan Zangerl, er kommt uns mit einem anderen Offizier entgegen, be-grüßt uns und schenkt uns den Band „Die Tiroler Schüt-zen und ihre Geschichte“ von Professor Hye.

Wir erreichen unsere Tribüne und können von da aus, links gewärmt von der Sonne und rechts umschmeichelt von einer Brise voller Wald- und Schneegerüche vier Stunden lang den Vorbeimarsch bewundern.

Kompanien und Bataillone in Achterreihen zum Klang der alten Märsche mit den Fahnen an der Spitze; Kanonensalven; Mädchen in Tracht, im Tanz sich wie-gend; fremde Abordnungen in altertümlichen Unifor-men. Aber in erster Linie die Schützen. Anna Enzinger

„Mit den Schützen“ - 20. September 2009Von Franco Bellegrandi

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

nennt uns die Kompanien. Es defiliert das Inns-brucker Bataillon, Erich Enzinger,

der Kommandant, ihr Mann, ist an der Spitze und grüßt mit

dem Säbel. Der lange, gellende Ruf, kenn-

zeichnend für die Tiroler, zerreißt mehrmals die Luft; beschriftete Banner kommen und wehen über

den Reihen, erin-nern an Ereignisse

der Vergangenheit, schmerzhafte und un-

auslöschliche. Die Kaiserjäger marschieren

vorbei und ein Zug kaiserli-cher Dragoner, von je-nem Regiment, in dem

auch Kaiser Karl und Hugo von Hofmannsthal gedient haben, Aristokratie der Soldaten, denen in den Zeiten der grauen demokratischen Sintflut nie wieder etwas gleich kam. Vielleicht blickte hinter den großen Fen-stern der Hofburg der Geist Franz Josephs herab und salutierte.

Die große Dornenkrone, Symbol des Leidens seines entzweigerissenen Tirols, der Säbel und die Ehrenkette Andreas Hofers, von Schützenoffizieren auf Kissen ge-tragen, bilden den Höhepunkt der beeindruckenden Fei-er. Die Menge applaudiert, Bundespräsident, Bundes-kanzler und Landeshauptleute, die ganze Ehrentribüne uns gegenüber, sind aufgestanden und applaudieren.

Das ist Tirol, das sind die Tiroler, sie haben nichts zu tun mit dem Politisieren-Feilschen des uneinigen Ver-einten Europas.

Während wir zurückgehen, tönen die Straßen Inns-brucks von Trommeln und Liedern. Züge und Kompa-nien von Schützen streben von allen Seiten zum Bahn-hof. Der ist heute ein Schauspiel: keine Stadtstreicher, keine Zivilisten, ein einziges Gewimmel von Kriegern.

Unter dem Vordach, wo unser Zug nach Wien steht, geht nahe an uns ein Herr in schwarzem Anzug vorbei. Das ist der Bundeskanzler, sagt man mir. Er geht ganz allein und nimmt den Zug nach Hause. Ich schaue un-gläubig. Einer wie jeder andere, ohne Leibwache, ohne einen Polizisten, der ihm den Aktenkoffer trägt. Uns, die wir auf der anderen Seite des Brenners gewohnt

Mädchen der Jungschützengruppeder Kompanie Lienz. (Foto: Ch. Pertl)

Page 12: 2011 Tiroler Schuetzenkalender - Texte

Der Pilgerweg nach Santiago de Compostela und seine Spuren in TirolVon Sebastian Huber

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

In den letzten Jahrzehnten hat die Pilgerbewegung nach Santiago de Compostela einen großen Auf-schwung genommen und knüpft damit an eine große

mittelalterliche Tradition an. Was aber steckt dahinter?

Santiago de Compostela -St. Jakob am Steinfeld

Der Name verrät schon, dass es sich um eine Wall-

fahrt zum hl. Jakobus handelt. Wer ist der hl. Jakobus? Jakobus der Ältere, Sohn des Zebedäus, gehört mit seinem Bruder Johannes zu den erstberufenen Jüngern (Mk 1,19) und mit Simon Petrus zu den Jüngern, die besonders eng mit Jesus verbunden waren (bei der Er-weckung der Tochter des Jairus, bei der Verklärung Jesu am Berg und bei seiner Todesangst im Garten Getsema-ni). Als erster Apostel hat Jakobus 43/44 seine Zeugen-schaft für Jesus mit dem Tod besiegelt (Apg 123,1f). Was aber hat der Apostel Jakobus, der in Jerusalem den Tod erlitten hat, mit dem äußersten Nordwesten Spani-ens zu tun?

Das Evangelium Christi ist schon bald bis an die Grenzen der (damals bekannten) Erde verkündet wor-den (vgl. Apg 1,9), in diesem Falle bis nach Finister-re (= finis Terrae, Ende der Welt), dem heute noch so genannten westlichsten Kap Spaniens in den Atlantik hinein, nicht weit entfernt von Santiago. Wie das ganz genau geschehen ist, wissen wir nicht; doch schon früh wurde darauf sehr Wert gelegt, dass diese erste Evange-lisierung Spaniens mit dem Ursprung, der Sendung der Apostel in die Welt, verbunden ist. Auch der Apostel Paulus hatte Reisepläne, in den äußersten Westen, nach Spanien, zu kommen (Röm 15, 239). Paulus gelangte nicht nach Spanien, natürlich auch Jakobus nicht: Im Nordwesten Spaniens aber, im äußersten Westen der spanischen Provinz Galicien, die sicher um 400 christ-lich geworden ist, entstand eine lateinische Überset-zung des griechischen Bibeltextes mit zwei wichtigen Einschüben zur Tätigkeit der Apostel, wonach Philip-pus und Jakobus der Ältere Spanien missioniert hätten (ein Gedanken, auf den man später um 1100 verzichtet hat). Um 600, vom 3. Konzil von Toledo, gibt es den frühesten schriftlichen Beleg, der von einer spanischen Missionstätigkeit Jakobus des Älteren spricht.

Wir dürfen mit unseren heutigen Augen diese Annah-men nicht einfach als geschichtlichen Schwindel und als Lüge ansehen. In dieser Berufung auf den Apostel Jakobus drückt sich das tiefe Bewusstsein der Apostoli-zität der Kirche, dass sie ihren Ursprung bei den Apos-teln hat, und der (tief berechtigte) Wunsch aus, dass die Kirche eine Einheit ist (und sein soll/muss).

Kurz vor 834 fand man das sogenannte Grab Jakobus des Älteren und errichtete darüber eine erste Kirche, womit man die alte, auf die Missionsberichte gestützte Verehrung des Apostels wiederbeleben wollte. So be-gründete man die auf Jakobus bezogene Apostolizität der spanischen Kirche - eine wichtige Stütze gegen die Macht des Islams, gegen die Mauren, die zu die-ser Zeit einen Großteil Spaniens erobert hatten. Schon bald nach 900 fanden sich die ersten Pilger von jenseits der Pyrenäen ein, um den Apostel des Westens an seiner Grabstätte zu verehren. Pilgergruppen aus Frankreich, Italien und Deutschland sind seit 1072 nachgewiesen.

So war die „Echtheit des Apostelgrabes“ de facto durch den massenhaften Zustrom von Pilgern gegeben.

Die vielen Pilgerwege aus ganz Europa waren zeit-weise die größte europäische Pilgerfahrt (neben der Wallfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus in Rom – und nachdem der Weg in das Heilige Land, in das Land Jesu, wegen der Eroberung der heiligen Stät-ten durch den Islam fast nicht mehr möglich war.)

Die Pilgerwege nach Santiago de Compostela, die im 12. Jahrhundert ihren Höhepunkt und ab der 2. Hälf-te des 16. Jahrhunderts ihren Niedergang erlebten, ha-ben eine immense Bedeutung für die Entstehung eines gemeinsamen christlichen Europas. In ganz Europa weihte man dem hl. Jakobus Kirchen - er ist nach dem hl Nikolaus und mit dem hl. Christopherus der große Patron der Pilger der Wege. Diese Kirchen wurden an besonders ausgesetzten Plätzen, z. B. an Berg- oder Flussübergängen, errichtet, bei uns in Tirol z.B. in St. Jakob am Arlberg, in St. Jakob in Nößlach oder in St. Jakob in der Au - heute Innsbruck, St. Jakob. Man grün-dete Pilgerherbergen und Bruderschaften, die die Ja-kobsverehrung und die Jakobspilgerfahrt förderten.

Die Wallfahrt nach Santiago war vor allem eine be-schwerliche Bußwallfahrt. Nach einem schweren Un-recht, Verbrechen oder einem sündigen Leben hat sich jemand selbst auf den Weg gemacht - oder er wurde zur Buße und Sühne auf diesen weiten Weg geschickt. Da manche die Strapazen nicht überlebten, musste ein Ja-kobspilger vor Antritt der Pilgerschaft sein Testament machen. Auch wurde die Wallfahrt zeitweise mit einem vollkommenen Ablass versehen, der den auf dem Weg nach Santiago verstorbenen Pilgern gewährt wurde. Im

Lauf der Zeit schloss sich dem Pilgerzug auch „leich-tes Volk“ an, sodass die Jakobuspilger bisweilen in schlechten Ruf gerieten, Angst verbreiteten oder ihnen der Zutritt zu Ortschaften verwehrt und sie vertrieben wurden. So hatte die Wallfahrt seit dem 16. Jahrhun-dert mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen, ist aber nie gänzlich zum Erliegen gekommen. Heute ist eine erstaunliche Wiederbelebung der Jakobspilgerfahrt zu beobachten. 1982 pilgerte Papst Johannes Paul II nach Santiago de Compostela und rief dort Europa dazu auf, seine christlichen Wurzeln neu zu beleben - wohl nicht zu Unrecht . . .

Der hl. Apostel Jakobus ist in vielen unserer Kirchen, die vielleicht auf einem der Jakobswege liegen, zu se-hen. Als oberster Schutzherr aller Pilger und Wallfahrer erscheint er seit dem 13. Jh. selbst in Pilgertracht: mit Pilgerstab, Pilgermuschel und Pilgerkalabasse (Trink-gefäß aus einem Flaschenkürbis). Vielleicht können wir ihn in unserer eigenen Pfarrkirche entdecken. Das Fest des hl. Apostels Jakobus feiert die ganze Kirche jedes Jahr am 25. Juli. Dieser Festtag ist auch der Patrozini-umstag unserer Domkirche, der Bischofskirche zu St. Jakob in Innsbruck. (Übrigens war in Santiago de Com-postela ein Heiliges Jahr; denn 2010 ist der 25. Juli auf einen Sonntag gefallen.)

Sebastian Huber OPraem. ist Pfarrer in Tulfes.

Die Stadt Le Puy in Le Puy-en-Velay in der französischen Region Auvergne ist der Ausgangspunkt des Französischen Jakobsweges „Via Podiensis“. Blickfang der Stadt ist die Kirche Saint-Michel d'Aiguilhe (Heiliger Michael auf der Nadel) auf einer Basaltspitze.

Die Benediktinerabtei Einsiedeln ist der meistbesuchte Wallfahrtsort der Schweiz, eine bedeutende Station auf dem Jakobsweg und das Ziel zahlreicher Pilger. Die Schwarze Madonna von Einsiedeln in der Gnadenkapelle ist Anzie-hungspunkt für Pilger und Touristen.

Pilgereinzug: Der in Saint-Jean-de-Pied-de-Port, Frank-reich beginnende und quer durch Nordspanien Camino Francés sich erstreckende Pilgerweg stellt den wohl be-rühmtesten Abschnitt der Europa durchziehenden Jakobswe-ge dar. Hier bekommt man den Pilgerpass und die Jakobs-muschel, die als Erkennungszeichen und treuer Wegbegleiter dient.

Jakobus: Festaltarschmuck im Dom zu St. Jakob, Innsbruck: der Hl. Jakobus wurde 1732 von Franz Christoph Mäderl in Silber getrieben. (www.kunstverlag.peda.de)

Die Kathedrale von Santiago de Compostela. Als Ziel des Jakobsweges gehörte sie neben Rom und Jerusalem zu den bedeutendsten Pilgerzielen des christlichen Mittelalters. Seit dem Heiligen Jahr 1976 erlebt der Jakobsweg eine Renais-sance. Jährlich treffen etwa 75.000 Pilger zu Fuß, auf dem Fahrrad, zu Pferd oder als Rollstuhlfahrer in Santiago ein. (Fotos: Alois Norz)

Page 13: 2011 Tiroler Schuetzenkalender - Texte

Es gibt Hinweise aus den Jahren 1314 und 1316 über die Einsetzung eines Hauptmannes als Vertreter des Landesfürsten in seiner Abwesenheit. Damit ist

noch keineswegs die Einrichtung einer Landeshaupt-mannschaft geschaffen, wohl aber schon die ursprüng-liche Funktion des Landeshauptmannes, nämlich die Vertretung des Landesfürsten, angesprochen.

Zu einer ständigen Einrichtung wurde das Amt des Landeshauptmannes von Tirol, als sich Margarethe Maultasch nach Vertreibung des Prinzen Johann mit Markgraf Ludwig von Brandenburg im Jahre 1342 verband. Markgraf Ludwig von Brandenburg setzte in diesem Jahr Con-rad von Schenna in dieses Amt ein. Ihn setzte dann Markgraf Ludwig 1342 zum ersten eigentlichen Landeshauptmann ein. Er führte dieses Amt als Landeshauptmann und Burggraf bis 1346. Die Einrichtung eines Lan-deshauptmannes von Tirol wurde auch von den Habs-burgern übernommen. Im Freiheitsbrief der Herzoge Leopold und Friedrich von Österreich 1406 wird ausdrücklich versprochen, „unsere Hauptmannschaft an der Etsch und unser Burggrafenamt auf Tirol mit Landsleuten an der Etsch zu besetzen“. 1551 wurde der Landeshaupt-mann verpflichtet, der katholischen Religion zu dienen und für die öffentliche Sicherheit zu sorgen. 1420 er-folgte die Verlegung des Sitzes des Landeshauptman-nes nach Innsbruck.

Als 1720 die ständische Aktivität eingerichtet wurde, übernahm der Landeshauptmann den Vorsitz. Die Lan-desverfassung von 1816 bestimmte, dass das Amt des Landeshauptmannes mit der Funktion des Landesgou-verneurs vereinigt wird. Der letzte vom Kaiser ernann-te Landeshauptmann war Joseph Schraffl. Dieser war auch der erste gewählte Landeshauptmann nach den am 15. Juni 1919 stattgefundenen Landtagswahlen.

Der in Sillian am 13. Juni 1855 geborene Sohn ei-nes Wirtes und Kramers war von 1917 bis 1921 Lan-deshauptmann von Tirol und starb am 11. Jänner 1922. Bereits 1884 zum Bürgermeister seines Heimatortes Sillian gewählt, entsandten ihn 1898 die Landgemein-den der Bezirke Lienz, Sillian und Windisch-Matrei in den Tiroler Landtag. Zwei Jahre später zog Schraffl in das Abgeordnetenhaus in Wien ein. 1898 hatte er zu-sammen mit Prälat Aemilian Schöpfer die Cristlich-Soziale Partei Tirols gegründet, womit er zu einem der maßgeblichsten Politiker Tirols vor dem Ersten Welt-krieg wurde. Schraffl gründete im Jahre 1902 die „Ti-roler Bauernzeitung - politisches Organ zur Förderung der Interessen des Bauernstandes“, für die er selbst bis April 1920 als Herausgeber zeichnete. 1904 gründete Schraffl trotz heftigsten Widerstandes der katholisch-konservativen Landtagsmehrheit und des hohen Klerus in Sterzing den Tiroler Bauernbund. Die Erweiterung des Tiroler Landtagswahlrechtes im Jahre 1914 gehört sicherlich zu Schraffls schönsten politischen Erfolgen. Am 23. Mai 1917 wurde er vom Kaiser zum Landes-hauptmann von Tirol ernannt. Vom Tiroler Landtag am 25. November 1920 zum Bundesrat gewählt, übte Schraffl dieses Mandat bis zu seinem Tode aus.

Dipl.-Ing. Dr. Karl Gruber war der erste Landes-hauptmann der 2. Republik. Er wurde am 3. Mai 1909 in Innsbruck geboren, in Wien 1936 zum Dr. der Rech-te promoviert und war schon während des Studiums frühzeitig in der Gewerkschaftsbewegung und katholi-schen Studentenschaft tätig. Er war Mitglied der Wi-derstandsbewegung, wurde zum Operationsleiter dieser Organisation bestellt und trug wesentlich zur Befreiung Innsbrucks von den Nationalsozialisten noch vor dem Einmarsch der Amerikaner im Frühjahr 1945 bei. Am 22. Mai 1945 bestellte ihn der Chef der Militärregie-rung Lt. Co. Watt zum Landeshauptmann von Tirol und damit erhielt Gruber die schwierige Aufgabe, die neue

Landesverwaltung einzurichten. Bereits im Septem-ber 1945 wurde er ins Außenministerium berufen. Als Außenminister schloss er 1946 das sogenannte Gruber-Degasperi-Abkommen ab, das den Grundstein für das Mitspracherecht Österreichs für eine Autonomie Süd-tirols legte. Er starb am 1. Februar 1995 in Innsbruck.

In der Bevölkerung besonders beliebt war Eduard Wallnöfer (Landeshauptmann von 1963 - 1987), wel-cher am 15. März 1989 seine Augen für immer schloss. Am 13. Juli 1963 wählte ihn der Tiroler Landtag ein-

stimmig zum Landeshauptmann von Tirol. Der große Landespolitiker, der am 11. Dezember 1913 in Schlu-derns im Vinschgau zur Welt kam, 1949 Abgeordneter zum Tiroler Landtag wurde und dann das Landwirt-schaftsreferat in der Tiroler Landesregierung über-nahm, wurde in den langen Auseinandersetzungen um die Südtirol-Frage zu einer Politikererscheinung, der in Italien von vielen politischen Kreisen hoher Respekt gezollt wurde. Als ein Pionier der europäischen Integra-tion galt er als einer der bekanntesten und respektierte-sten Politiker der europäischen Alpenregion. Der Name Eduard Wallnöfer war mit dem Namen unseres Landes stets auf das engste verbunden. Der Mann, der das Land Tirol entscheidend prägte und auch auf bundespoliti-sche Entscheidungen großen Einfluss ausüben konnte, hat mit seinem Lebenswerk tiefe Spuren in der neueren Geschichte Tirols hinterlassen. Wallnöfer hat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln das Kunststück vollbracht, das ihm anvertraute Land mit Geschick und starker Hand in eine wirtschaftlich blühendes Land zu verwandeln, nachdem er es von seinen Vorgängern als ein von den Kriegsereignissen gut restauriertes Land übernommen hat.

Zu seinem 20-jährigen Regierungsjubiläum im Juli 1983 gab Wallnöfer in herzlichen und bewegten Worten einen kleinen Einblick in seinen Werdegang. Zunächst erinnerte er an seine Wahl zum Landeshauptmann von Tirol am 13. Juli 1963 und meinte dazu, er habe die-se Wahl mit gemischten Gefühlen angenommen, da es durch die kurzen Regierungsperioden seiner Vorgänger fast als eine Gesetzmäßigkeit galt, dass man auf diesem Posten nicht lange lebt. „Mir kommt heute das Gan-ze fast vor wie ein Traum.“ Er habe seit 1969 an über 1.200 Regierungssitzungen teilgenommen und davon 700 als Landeshauptmann geleitet. „Mich freut es sehr, dass wir dabei nie in Bosheit oder Gehässigkeit aus-einander gegangen sind. So sei dies bei Hüttenberger, Heinz, Kunst, Zechtl und Salcher von der SPÖ sowie auch bei FPÖ-Klubobmann Eigentler stets gewesen. Es war jedenfalls „Gott-sei-Dank“ nie so, dass man den anderen als Todfeind betrachtet hätte. Lauter Uneben-heiten habe ich jedenfalls mit den Vertretern der ande-ren Fakultäten nie gehabt“.

Eduard Wallnöfer legte am 2. März 1987 das Amt des Landeshauptmannes von Tirol nach rund 24-jäh-riger Tätigkeit zurück. Der arme Halbwaisenbub aus dem Vinschgau war ein Mensch mit einer tiefen Liebe zur Heimat, zu den Menschen des Landes, zu den Be-nachteiligten, zur Kirche und zu seinem Herrgott.

Landeshauptleute: Konrad von Schenna 1342 - 1346; Friedrich Mautner 1346; Swicker von Gundelfingen 1346; Engelmar von Villanders 1346 - 1347; Herzog

Konrad von Teck 1348 - 1352; Albrecht von Wolfstein 1353 - 1354; Heinrich von Bopfingen 1354 - 1359; Kon-rad von Frauenberg 1359 - 1361; Ulrich von Matsch 1361 - 1363; Bertold von Gufidaun 1364 - 1371; Ru-dolf Graf von Habsburg-Laufenburg 1373; Heinrich IV. von Rottenburg 1374 - 1400; Heinrich V. von Rotten-burg 1400 - 1404; Peter von Spaur 1404 - 1406; Hein-rich VI. von Rottenburg 1406 - 1408; Leonhard von Lebenberg 1408 - 1409; Heinrich VI. von Rottenburg 1409 - 1410; Vogt Ulrich von Matsch 1410 - 1411; Pe-

ter von Spaur 1412 - 1416; Wilhelm von Matsch 1417 - 1428; Ulrich der Jüngere von Matsch 1428 - 1448; Parzival von Annenberg 1449 - 1455; Oswald Seb-ner von Reifenstein 1456 - 1460; Christoph Botsch 1460 - 1471; Ulrich von Matsch 1471 - 1475; Chri-stoph Botsch 1476 - 1478; Gaudenz von Matsch 1478 - 1482; Jörg Häl von Maienburg 1482 - 1483; Degen Fuchs von Fuchs-berg 1483 - 1484; Viktor von Thun 1484 - 1487; Nikolaus von Firmian 1488 - 1498; Leonhard I.

von Völs 1499 - 1530; Leonhard II. von Völs 1531 - 1532; Georg von Firmian 1533 - 1540; Hans Jakob von Völs 1545 - 1551; Hans von Trautson 1551 - 1589 (Titularhauptmannschaft); Simon Botsch zu Auer 1551 - 1562; Wilhelm Freiherr von Wolkenstein 1562 - 1570; Lukas Römer von Maretsch 1570 - 1582; Franz Hendl von Goldrain 1582 - 1592; Hans Jakob Khuen von Belasi 1592 - 1607; Ferdinand von Khuepach 1607 - 1610; Jakob Andrä Freiherr von Brandis 1610 - 1622; Ehrenreich von Trauttmanstorff 1622 - 1628; Hans Viktor von Kässler 1628; Hans Frei-herr von Wolkenstein-Rodenegg 1628 - 1636; Domi-nikus Vigilius Graf zu Spaur 1636 - 1647; Veit Benno Graf zu Brandis 1647 - 1651; Anton Girardi Freiherr von Castell 1651 - 1660; Johann Dominikus Graf zu Wolkenstein-Trostburg 1661 - 1675; Johann Georg Graf Künigl 1675 - 1694; Johann Georg Sebastian Künigl 1695 - 1739; Paris Kaspar Dominikus Graf Wolkenstein-Trostburg 1739 - 1774; Johann Gottfried Graf Heister 1774 - 1786; Wenzel Graf von Sauer 1787 - 1790; Franz Joseph Graf von Lodron 1790; Josef Graf Spaur 1791 - 1793; Paris Graf Wolkenstein-Rodenegg 1793 - 1808; Graf Ferdinand Bissingen-Nippenburg 1815 - 1819; Karl Graf Chotek 1820 - 1825; Friedrich Graf Wilczek 1825 - 1837; Hofrat Robert Ritter von Benz (mit der Verwaltung des Amtes betraut) 1837 - 1841; Clemens Graf Brandis 1841 - 1848; Leopold Graf Wolkenstein 1848 - 1852; Erzherzog Karl Ludwig 1852 - 1860; Leopold Graf Wolkenstein 1860 - 1861; Dr. Hieronymus von Klebelsberg 1861 - 1862; Johann Kiechl 1862 - 1866; Dr. Johann Haßlwanter 1867 - 1869; Dr. Eduard von Grebmer zu Wolfsthurn 1869 - 1871; Dr. Franz Xaver Maria Josef Rapp, Freiherr von Heidenburg 1871 - 1876 und 1881 - 1889; Dr. Wilhelm Freiherr von Bossi-Fedrigotti 1877 - 1881; Anton Graf Brandis 1889 - 1904; Dr. Theodor Freiherr von Ka-threin 1904 - 1916; Joseph Schraffl 1917 - 1921; Dr. Franz Stumpf 1921 - 1935; Dr. Josef Schumacher, 1935 - 1938; Dr. Karl Gruber 1945; Dr. Ing. Alfons Weiß-gatterer 1945 - 1951; Alois Grauß 1951 - 1957; Dr. Hans Tschiggfrey 1957 - 1963; Eduard Wallnöfer 1963 - 1987; Dipl.-Ing. Dr. Alois Partl 1987 - 1993; Dr. Wen-delin Weingartner 1993 - 2002; Univ.-Prof. DDr. Her-wig van Staa 2002 - 2008; Günther Platter seit 2008.

Landeshauptleute von Südtirol: Dr. Karl Erckert 1948 - 1955; Dr. Ing. Alois Pupp 1956 - 1960; Dr. Sil-vius Magnago 1960 - 1989; Dr. Luis Durnwalder seit 1989.

HR Dr. Heinz Wieser war viele Jahre persönlicher Se-kretär von LT-Präsident Prof. Helmut Mader. Er ist auch für viele interessante Artikel in der Tiroler Schüt-zenzeitung und im Schützenkalender verantwortlich.

Herausgegeben vom Bund der Tiroler Schützenkompanien - Innsbruck. Redaktion: EMjr. Karl Pertl, Völs. Herstellung: dtp Tyrol, Klaus Leitner, Innsbruck.

Landeshauptleute von TirolVon Heinz Wieser

Die Tiroler Landeshauptmänner Joseph Schraffl, Karl Gruber und Eduard Wallnöfer. (Fotos: Heinz Wieser)