2012 04 19 FEM Simulation

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ForschungausdemInstitutf urWerkzeugmaschinenundBetriebstechnikderUniversitatKarlsruhe(TH)Herausgeber:o.Prof.Dr.-Ing.H.WeuleBand118JorgSohnerBeitrag zur Simulation zerspanungstechnologischer VorgangemitHilfederFinite-Element-MethodeCopyright:Institutf urWerkzeugmaschinenundBetriebstechnikUniversitatKarlsruhe(TH),2003alleRechtevorbehaltenDruck:SchnelldruckErnstGrasser,KarlsruheTel.:0721/615050ISSN0724-4967VorwortdesHerausgebersDerrascheFortschrittderProduktionstechnikundderweltweiteWettbewerbumtechnisch-wirtschaftlicheSpitzenpositionenmacheneinenintensivenAus-tausch von Wissenund Erfahrung zwischenUniversitatenund der Industrieer-forderlich.IndiesemSinnesoll imRahmendieserSchriftenreiheinzwangloserFolge uber aktuelle Forschungsergebnisse des Instituts f ur WerkzeugmaschinenundBetriebstechnikderUniversitatKarlsruhe(TH)berichtetwerden.Die Forschungsaktivitaten des Instituts umfassen neben der Untersuchungund Optimierung von Bearbeitungsverfahren, Maschinenkomponenten und Fer-tigungseinrichtungen insbesondere Aufgabenstellungen, die durch Nutzunginformationsverarbeitender Systeme eine Verbesserung der Leistungsfahig-keit fertigungstechnischer Einrichtungen und deren informationstechnisch-organisatorische Einbindung in automatisierte Produktionssysteme ermogli-chen.HartmutWeuleBeitragzurSimulationzerspanungstechnologischerVorgangemitHilfederFinite-Element-MethodeZurErlangungdesakademischenGradeseinesDoktorsderIngenieurwissenschaftenvonderFakultatf urMaschinenbauderUniversitatKarlsruhe(TH)genehmigteDissertationvonDipl.-Ing.JorgSohnerausSpeyerTagderm undlichenPr ufung 30.April2003Hauptreferent Prof.Dr.-Ing.J urgenSchmidtKorreferent Prof.Dr.-Ing.EberhardAbeleVorwortdesVerfassersDievorliegendeArbeit entstandwahrendmeiner Tatigkeit alswissenschaftli-cherMitarbeiteramInstitutf urWerkzeugmaschinenundBetriebstechnikderUniversitatKarlsruhe(TH).DerkollegialenInstitutsleitung,Herrno.Prof.Dr.-Ing.HartmutWeule,Herrno. Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath und Herrn Prof. Dr.-Ing. J urgen Schmidtmochte ich f ur die fachliche und personliche Unterst utzung wahrend dieser Zeitrechtherzlichdanken.MeinbesondererDankgiltmeinemDoktorvater,HerrnProf. Dr.-Ing. J urgenSchmidt, f urdieUbernahmedesHauptreferatsunddiemir dadurch zuteil gewordene konstruktive und wertvolle Forderung meiner wis-senschaftlichenArbeit.HerrnProf.Dr.-Ing.EberhardAbeledankeichf urdasderArbeitentgegengebrachteInteresseunddieUbernahmedesKorreferats.HerrnProf. TaylanAltanmochteichf ur diefruchtbareKooperationunddiefachliche Betreuung wahrend meines USA-Aufenthaltes an seinem Institut dan-ken. Weiterer Dank gilt der Deutschen Forschungsgemeinschaft f ur die im Rah-mendieserArbeitgewahrtenFordermittel.EinenwesentlichenBeitragzumeiner ArbeithabendieTechniker, dieWerk-stattmannschaftsowiedieStudentenundHilfswissenschaftlerdesInstitutsge-leistet.Stellvertretendmochteichmichbei HerrnMichael Heinz,HerrnKlausSimon und Herrn Friedbert Mathes aus dem Technikerbereich und Herrn Euge-ne Yen, Herrn Carsten Schmidt und Herrn Anurag Jain aus dem akademischenKreisbedanken. Meinweiterer Dankgilt auchdemRechenzentrum, stellver-tretenddaf ur HerrnDr. IvanTzitzelkovundFrauMargit Scheidt. WeiterhinbinichallenMitarbeiterndes Instituts, diemichinmeiner taglichenArbeitunterst utzthaben,zuDankverpichtet.Besonders mochteichmichbei meinenElternbedanken, diedurchdieUn-terst utzung meinerAusbildung den GrundsteindieserArbeit gelegthaben. F urdas Korrekturlesen bedanke ich mich recht herzlich bei Frau Martha Gegenhei-merundmeinerEhefrauEvaSohner.Neuluheim,April2003 JorgSohnerInhaltsverzeichnis1 Einleitung 11.1 Motivation der Zerspanungssimulation . . . . . . . . . . . . 11.2 Einussgroen auf den Zerspanungsprozess . . . . . . . . . 32 StandderErkenntnisse 52.1 Physikalische Zusammenhange wahrend der Zerspanung . . 52.2 Kompendium der Zerspanungsmodellierung . . . . . . . . . 82.2.1 Arten der Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . 92.3 Aspekte der Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.3.1 Dynamisches Materialverhalten. . . . . . . . . . . . 152.3.2 Warme ubertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202.3.3 Reibungsverhaltnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.3.4 Werkzeugverschlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.3.5 Oberachentopographie und Randzoneneigenschaften 292.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 ZielsetzungundVorgehensweise 374 2D-SimulationdesZerspanungsprozesses 404.1 Anforderungen an eine Zerspanungssimulation . . . . . . . . 404.2 Aufbau der 2D-Simulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.3 Selbstkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434.4 Automatische Neuvernetzung (adaptive meshing) . . . . . . 454.5 Scherspansimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454.5.1 Scherspanbildung durch Versagenskriterium. . . . . 464.5.2 Scherspanbildung durch thermische Entfestigung . . 474.6 Benchmarking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494.7 Sensitivitatsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.8 Verschleisimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59IInhaltsverzeichnis4.8.1 Motivation der Verschleisimulation . . . . . . . . . 604.8.2 SimulationszykluszurBerechnungdesVerschleizu-stands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614.8.3 Validierung der Verschleisimulation . . . . . . . . . 714.9 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 3D-SimulationdesStirnplanfrasprozesses 775.1 Aufbau der 3D-Simulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775.2 Qualitative Bewertung der 3D-Simulation . . . . . . . . . . 795.3 Modikationen der 3D-Simulation . . . . . . . . . . . . . . 805.4 Quantitative Bewertung der 3D-Simulation . . . . . . . . . 845.4.1 Berechnung der Schnittkrafte . . . . . . . . . . . . . 845.4.2 Berechnung der Temperaturen . . . . . . . . . . . . 855.4.3 Weitere Berechnungsgroen . . . . . . . . . . . . . . 905.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 916 ExperimentelleCharakterisierungdesZerspanungsprozesses 936.1 Schnittkraftmessungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936.1.1 Dynamische Charakterisierung der Zerspankraftmes-sung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 946.1.2 Versuchsbeschreibung zur Schnittkraftmessung . . . 1016.1.3 Ergebnisse der Schnittkraftmessung . . . . . . . . . 1036.2 Makroskopische Spancharakterisierung . . . . . . . . . . . . 1076.3 Oberachencharakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1096.4 Temperaturmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1106.4.1 Werkst ucktemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 1106.4.2 Werkzeugtemperatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1166.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1247 Zusammenfassung 126Literaturverzeichnis 129IINomenklaturAbk urzungen2D Zweidimensional3D DreidimensionalALE Arbritary Lagrangian-Eulerian MethodERC Engineering Research CenterFE Finite-ElementFEM Finite-Element-MethodeFFT Fast-Fourier-TransformationHSC High Speed Cutting, HochgeschwindigkeitsbearbeitungKNN K unstliche neuronale NetzeVB VerschleimarkenbreiteVUMAT Vectorized User Dened MaterialEP Elastisch-plastischKonstanten ProportionalitatskonstanteA 1. Konstante im VerschleimodellB 2. Konstante im VerschleimodellCTKonstante in Taylor-GleichungD Dampfungskonstante 0Geschwindigkeitskonstantek Boltzmann-KonstanteLuftThermische Konduktivitat der Luftn Konstante in Taylor-GleichungR GaskonstanteIIINomenklaturSymbole Freiwinkel []thWarme ubergangskoezient [W/m2K]aeSchnittbreite [mm]apSchnitttiefe [mm]AZZerspanungsarbeit [Nm]b Spanungsbreite [mm]d Knotenverschiebung [mm]s Weg einer Fraserumdrehung (Fraserumfang) [mm]t Zeitinkrement [s] Aufhartungstiefe [m] plInkrement der plastischen Vergleichsdehnung [1]dcFraserdurchmesser [mm]diVerschleitiefe f ur Knoteni [mm] plfVersagenskritische Dehnung [1] Verformungsgeschwindigkeit, Dehnungsrate [1/s] pDehnungsrate in der primaren Scherzone [1/s] sDehnungsrate in der sekundaren Scherzone [1/s] Dehnung [1]pDehnung in der primaren Scherzone [1]sDehnung in der sekundaren Scherzone [1]E Aktivierungsenergie [J]f Vorschub [mm]FAuere Kraftbelastung [N]FCSchnittkraft [N]FPPassivkraft [N]fZZahnvorschub [mm/Zahn]G Freie Aktivierungsenthalpie [J]G0Das Hindernis bestimmende G [J] Spanwinkel []0Eektiver Spanwinkel []fSeitenspanwinkel []IVNomenklaturpR uckenspanwinkel []GsSegmentierungsgrad [1]GxxHauptfrequenzgang in X-Koordinate [1]GyyHauptfrequenzgang in Y-Koordinate [1]GzzHauptfrequenzgang in Z-Koordinate [1]h Spanungsdicke [mm]H(x) Harteverlauf [HV]H0Harte des unverformten Grundwerkstos [HV]hminMinimale Spanungsdicke [mm]HmMaximaler Hartewert [HV]hmaxMaximale Spandicke [mm]hminMinimale Spandicke [mm] Einstellwinkel []KL Kontaktlange [mm]kCSpezische Schnittkraft [N/mm2] Neigungswinkel []thWarmeleitfahigkeit [W/mK]l Kontaktlange [mm]L Werkzeugstandzeit [min]lcharCharakteristische Lange [mm]cReibungskoezient [1]Nu Nusseltzahl [1] Schadensparameter [1] Scherwinkel [] Eingriswinkel []Q Warmeu [J/s]rEckenradius der Schneide [m]RaArithmetischer Mittenrauhwert [m]RtRauhheit [m]RzGemittelte Rauhtiefe [m]YSchubiespannung [N/mm2] Spannung [N/mm2]VNomenklaturThermische Fliespannung [N/mm2]NNormalspannung [N/mm2]SSchubspannung [N/mm2]EsEigenspannung [N/mm2]thTemperaturabhangige Grenzspannung [N/mm2]s Zur uckgelegter Weg des Frasers [rad]RReibungsschubspannung [N/mm2]maxMax. Temperatur des Frasprozesses [C]minMin. Temperatur des Frasprozesses [C]t Spandicke [mm]T Temperatur, Zerspanungstemperatur [C]T0Dehnungsgeschwindigkeitsabhangige Temperatur [C]tkZeitpunkt des Werkzeugeinsatzes [s]TSSchmelz- bzw. Solidustemperatur [C]tLSZeit der Luftschnittphase [s]tSZeit der Aufheizphase [s]vCSchnittgeschwindigkeit [m/min]VSSpanablaufgeschwindigkeit [m/min] w Werkzeugverschleirate [mm3/mm2/s]W Werkzeugverschlei [mm3/mm2]VI1 EinleitungVoraussetzung f ur industrielles Wachstum und Fortschritt in einer hochent-wickelten Technologiegesellschaft sind produktive und wirtschaftliche Ferti-gungsprozesse, wozu die Kenntnis der optimalen Zerspanungsparameter vonNoten ist. In jahrzehntelanger Forschungsarbeit wurde versucht, durch Ent-wicklung analytischer und empirisch ermittelter Modelle pradiktive Aussa-gen uber einen Fertigungsprozess anstellen zu konnen, um damit zum einendie Einfahrzeit bis zur prozesssicherenGestaltungdes Bearbeitungspro-zesses herabzusetzen und zum anderen weitere RationalisierungspotenzialezunachstzudeterminierenunddurchentsprechendeOptimierungsansatzezu nutzen.Eine vielversprechende Methode zur Abbildung zerspanungstechnologischerVorgangebietetdieAnwendungderMethodederFinitenElemente. Ur-spr unglichinderStrukturmechanikangewandt, lasstsiesichnundurchWeiterentwicklungauchinkinematischen, dynamischenundanderenAn-wendungsgebieten einsetzen, wodurch sich ein weites Spektrum der Finiten-Element-Methode (FEM) f ur die Anwendung in der Zerspanungstechnologieaufzeigt [SS02].1.1 MotivationderZerspanungssimulationZiel der Zerspanungssimulation ist die Diskretisierung von zerspanungstech-nologischen Vorgangen mit modernen Rechnern, wodurch die Grundlage zurindustriellen Anwendung erreicht wird, die eine Substitution von zeit- undkostenintensiven Zerspanungsversuchen ermoglicht. Mit Hilfe der Simulati-onsmodelle kann anschlieend eine Optimierung der BearbeitungsprozessehinsichtlichfolgenderPunkte, dieinAbbildung1.1nochmal verdeutlichtsind, erfolgen.11 EinleitungSpanbildungssimulation:Kenntnis des Spanprozesses = f(vc, fz, ap, ae, WSS, WKZ) z.B. FliespanunterbrechungWerkzeug- / Werkstckbelastungsanalysen:Ermittlung von experimentell schwer zugnglichen Daten Temperatur Zerspankrfte/SpannungenEinfluss auf Verschlei =>Bearbeitungsqualitt,Wirtschaftlichkeit, Prozesssicherheit, ...Zerspanvolumenoptimierung: unter Bercksichtigung von VerschleiGratbildungssimulation: Vermeidung Gratbildung durch Wahl Zerspanparameter=> Bearbeitungsqualitt, Wirtschaftlichkeit, PersonenschutzWerkstoffdesign:Zerspanbarkeitsbetrachtungen durch Variation vonLegierungsanteilenQuelle: ThirdWaveSystems, Minneapolisohne experimentellen Aufwand, ProduktionsunterbrechungSpanbildungssimulation:Kenntnis des Spanprozesses = f(vc, fz, ap, ae, WSS, WKZ) z.B. FliespanunterbrechungSpanbildungssimulation:Kenntnis des Spanprozesses = f(vc, fz, ap, ae, WSS, WKZ) z.B. FliespanunterbrechungWerkzeug- / Werkstckbelastungsanalysen:Ermittlung von experimentell schwer zugnglichen Daten Temperatur Zerspankrfte/SpannungenEinfluss auf Verschlei =>Bearbeitungsqualitt,Wirtschaftlichkeit, Prozesssicherheit, ...Werkzeug- / Werkstckbelastungsanalysen:Ermittlung von experimentell schwer zugnglichen Daten Temperatur Zerspankrfte/SpannungenEinfluss auf Verschlei =>Bearbeitungsqualitt,Wirtschaftlichkeit, Prozesssicherheit, ...Zerspanvolumenoptimierung: unter Bercksichtigung von VerschleiZerspanvolumenoptimierung: unter Bercksichtigung von VerschleiGratbildungssimulation: Vermeidung Gratbildung durch Wahl Zerspanparameter=> Bearbeitungsqualitt, Wirtschaftlichkeit, PersonenschutzGratbildungssimulation: Vermeidung Gratbildung durch Wahl Zerspanparameter=> Bearbeitungsqualitt, Wirtschaftlichkeit, PersonenschutzWerkstoffdesign:Zerspanbarkeitsbetrachtungen durch Variation vonLegierungsanteilenWerkstoffdesign:Zerspanbarkeitsbetrachtungen durch Variation vonLegierungsanteilenQuelle: ThirdWaveSystems, Minneapolisohne experimentellen Aufwand, Produktionsunterbrechung ohne experimentellen Aufwand, ProduktionsunterbrechungAbbildung 1.1: Motivation der ZerspanungssimulationMit Hilfe der FEM lassen sich Spanbildungsprozesse abbilden, wodurch ei-neVorhersagederSpanformrealisiertwerdenkann.Damitlasstsichbei-spielsweise die Fliespanbildung, die gegebenenfalls einen negativen EinussaufdieProzesssicherheiteinesBearbeitungsprozesseshabenkann,verhin-dern, indem durch konstruktive Anderung der Schneidengeometrie oder An-bringung von sog. Spanleitstufen k urzere Spane eingestellt werden konnen[MO95]. Die Gratbildung, die einen entscheidenden Einuss auf die Wirt-schaftlichkeit eines Bearbeitungsprozesses hat, ist auch f ur komplexe Bear-beitungskinematiken, wie z. B. beim Bohren, simulierbar [MDKS01]. Haupt-motivationspunkt ist sicherlich das Optimieren des Zeitspanvolumens. Da-bei werdendieoptimalenZerspanungsparameterdurchsimulativeVorge-hensweise ermittelt, die zu einem Maximum des Zeitspanvolumens f uhren,jedoch unter Ber ucksichtigung wirtschaftlicher Aspekte, wie z. B. der Ver-schleibildungdesWerkzeugesdurchzuhoheBelastungenanderWerk-zeugschneide, um einen Anstieg der Werkzeugkosten zu vermeiden. Ebensoist das Bearbeitungsergebnis (Oberachenqualitat) zu beobachten und dieKriterien einzuhalten. Mit Hilfe der Zerspanungssimulation lassen sich Pro-zessgroen, wie sie auch messtechnisch zu ermitteln sind, bestimmen. Dabei21.2 EinussgroenaufdenZerspanungsprozessergeben sich jedoch durch die getrennte Betrachtungsweise unterschiedlicheAuswertungsmoglichkeiten, diewiederumf ureineOptimierungdesBear-beitungsprozessesgenutztwerdenkonnen. SosindzumeinenthermischeundmechanischeBelastungenimWerkzeug, zumanderenaberauchdieBelastungenimWerkst uckberechenbar. DurchdieVariationderMateri-aleigenschaftensindAussagen uberdieZerspanbarkeitderverschiedenenMaterialienmoglich, ohnedaf ur, unddas gilt f ur alleMotivationspunk-te,einenzusatzlichenexperimentellenAufwandzubetreiben,deroftmalsdurch fehlende Forschungskapazitaten zu Engpassen oder Verlusten in denProduktionseinheiten f uhren kann.All diesen utzlichenInformationen, dieaus der Simulationzuermittelnsind, erweitern die Charakterisierung des Zerspanungsprozesses und f uhrenzu einem besseren Verstandnis. Damit wird die Basis f ur eine ganzheitlicheOptimierung eines Bearbeitungsprozesses im Rechner geschaen. Die Simu-lationverlagertdenWunschnachganzheitlicherProzesscharakterisierungvom experimentellen Versuchsfeld in die virtuelle Fertigungswelt im Com-puter.1.2 EinussgroenaufdenZerspanungsprozessZurOptimierungvonZerspanungsprozessenistdiegenaueKenntnisderEinussfaktorenauf denBearbeitungsprozessnotwendig(vgl. Abbildung1.2). So haben die physikalisch-chemischen Materialeigenschaften einen ent-scheidenden Einuss auf die Zerspanbarkeit des Werkstos [SS01, HGLM96]und somit auf die Zerspanungsgroen, wie Krafte und Temperaturen,die den Verschlei unmittelbar beeinussen. Verwendete K uhlschmier-stoeoderdieMinimalmengen-TechnologieveranderndieReibungs-undK uhlungsverhaltnisse im Schnittstellenbereich der Schneide und des Werk-stos (Wirkstelle) [SW96, BRM+95, Wal98]. Dritter Parameter im tribolo-gischenZerspanungssystemistdasWerkzeug, welchesdurchdenSchneid-sto, durch seine Schneidengeometrie und durch die Beschichtungstechno-logie entscheidend verandert werden kann [SW96]. Nicht zu vernachlassigenist der Einuss der Maschinensteigkeit und -dynamik, die durch die Ma-schinenkonstruktiongegebenist. EinbegriensindauchdieSpannmittel,diediedirekteSchnittstellezwischenWerkst uckundMaschinedarstellen[Sch96, SS, SS96].31 EinleitungWerkstckstoffHrteverlaufTexturGefgeEigenspannungWerkstoff-eigen-schaftenWirkstelleSpanbildungs-mechanismenReibungBeschichtungSpangefgeKhlschmier-stoffZerspanparam.Kontakt-bedingungenWerkzeugSchneidstoffBeschichtungWerkzeug-grundkrperGeometrieMaschineMaschinen-konstruktionAntriebssys.Spannmittelkinematischkinematischstrukturmech strukturmech. .dynamischdynamischWerkstckstoffHrteverlaufTexturGefgeEigenspannungWerkstoff-eigen-schaftenWirkstelleSpanbildungs-mechanismenReibungBeschichtungSpangefgeKhlschmier-stoffZerspanparam.Kontakt-bedingungenWerkzeugSchneidstoffBeschichtungWerkzeug-grundkrperGeometrieMaschineMaschinen-konstruktionAntriebssys.Spannmittelkinematischkinematischstrukturmech strukturmech. .dynamischdynamischAbbildung 1.2: Einussgroen auf den ZerspanungsprozessZur Simulation zerspanungstechnologischer Vorgange lassen sich dreiGrundtypen der Finite-Element-Methode zur Abbildung der Einussgroenauf denZerspanungsprozess anwenden. Mit einer kinematischenZerspa-nungssimulation sind die Haupteinussgroen Werkst ucksto und Wirkstel-leabgebildet.DiestrukturmechanischeBelastungsanalyseeinesFraswerk-zeugs bildet die Grundlage zur Werkzeugcharakterisierung. DynamischeMaschineneigenschaften und deren Komponenten lassen sich mit einer dy-namischen Simulation charakterisieren (vgl. Abbildung 1.2).Die Vision der Zerspanungssimulation in heutigen Forschungsarbeiten soll-te die ganzheitliche Betrachtung von Fertigungsprozessen durch Simulationmit Hilfe der Finite-Element-Methode beinhalten. Dazu sind nach Bildungder drei Grundlagensimulationsmodelle die Schnittstellenundsomit dieWechselwirkungenzwischendeneinzelnenSimulationsartenundEinuss-groenzubestimmen, umdieBasiszurganzheitlichenProzesssimulationzu schaen.Inhalt dieser Arbeit ist die Simulation zerspanungstechnologischerVorgange, vor dem Hintergrund einer industriellen Applikation mitmoglichst genauer Realitatstreue undeiner angemessenenBerechnungs-dauer. DazukonzentrierensichdieweiterenBetrachtungenderArbeitenauf die kinematische Zerspanungssimulation.42 StandderErkenntnisse2.1 PhysikalischeZusammenhangewahrendderZerspanungWahrend des Kontakts des Fraswerkzeugs mit demWerkst uck in derSchnittphasekommteszurOberachen-undVolumenbeanspruchungderkontaktierenden Partner.Aus den vom Eingriswinkel abhangigen Zerspankraften resultiert eine in-nere Biegewechselbeanspruchung des Fraswerkzeugs, die an den Oberachenmaximal ist. An den beiden Reibungszonen, der Span- und der Freiache,wirken jeweils Normalkraftverteilungen und durch lokal und temporar g ulti-ge Reibungskoezienten bestimmte Reibungskraftverteilungen, die auf denOberachen des Schneidkeils Scherspannungen induzieren, die sich der Bie-gewechselbeanspruchung uberlagern.AufgrunddesperiodischenSchneidenein-und-austrittsinbzw. ausdemSchnitt m ussen beim Frasen zusatzlich Ein- und Austrittsstoe ber ucksich-tigt werden, da sie einen groen Einus auf das Werkzeugstandzeitverhaltenhaben.Wahrend der Schnittphase, auch Aufheizphase genannt, muss durchAufbringen einer Zerspanungsarbeit der Zerspanungswiderstand desWerkst uckstos uberwunden werden. In Abbildung 2.1 sind die Gebiete derEnergieumsetzungbeimFrasensowiedieMechanismenderWarme ubert-ragung wahrend der Aufheiz- und Abk uhlphase schematisch dargestellt.Die Zerspanungsarbeit wird durch (vgl. Abbildung 2.1(a)):plastische Verformungsarbeit in der primaren Deformationszone (1)Trennarbeit vor der Schneidkante des Werkzeugs (2)52 StandderErkenntnisse(a)Aufheizphase (b)Abk uhlphaseAbbildung 2.1: Warme ubertragung durch Aufheiz- und Abk uhlvorgangebeim unterbrochenen Schnittauere ReibungzwischenSpanundSpanache inder sekundarenDeformationszone(3) sowie zwischen Werkst uck und Freiache in dertertiaren Deformationszone (4)auere und innere Reibung des ablaufenden Spans (5)grotenteils in Warme und zu einem geringen Prozentsatz in latente Energieim Span, Werkst uck und Werkzeug umgewandelt. Die latente Energie setztsich aus Anteilen kinetischer Energie zur Spanbeschleunigung, aus Anteilenf ur Eigenspannungsanderungen des Werkst uckstos sowie aus chemischen,elektrischenunddurchplastischeFormanderungenimWerkst uckstoge-bundenenAnteilenzusammen[Kno96]. Bei der Umwandlungder einge-brachtenZerspanungsenergieinWarmekannderZerspanungsprozessalsadiabatischer Vorgang betrachtet werden. Diese Annahme ist nachKrau-se [Kra62] bereits bei relativ langsamen Formanderungsvorgangen (Umfor-men) und erst recht bei der Bearbeitung mit sehr hohen Schnittgeschwin-digkeiten, wiesiebeispielsweisebei der Hochgeschwindigkeitszerspanungvorherrschen, zulassig.62.1 PhysikalischeZusammenhangewahrendderZerspanungKmaxKmi nKuKttStLSAbbildung 2.2: Temperaturverlauf beimunterbrochenenSchnitt(schema-tisch)DieindeneinzelnenEntstehungszonenanfallendenWarmemengenwer-den durch folgende Warme ubertragungsmechanismen abgeleitet (Abbil-dung 2.1(a)):KonduktioninnerhalbvonWerkst uck(1, 2, 4), Werkzeug(3) undSpan (5). Sie ist durch die temperatur- und werkstoabhangigeWarmeleitfahigkeitthquantitativ beschreibbar.Warme ubergangzwischen zwei sich ber uhrenden Festkorpern (Span-Werkzeug, Werkst uck-Werkzeug) bzw. zwischen einemFestkorperundeinemangrenzendenFluid(Umgebungsluft, K uhlschmiersto,Minimalmenge).EristdurchdenWarme ubergangskoeziententhquantitativ beschreibbar.Freie oder erzwungene Konvektion, d. h. Warmeabfuhr uber die Um-gebungsluft oder uber den K uhlschmiersto.Strahlungzwischen Systemen unterschiedlicher Temperatur.Die Luftschnittphase, auch Abk uhlungsphase genannt, ist durch dieAbk uhlung des Werkzeugs durch Konduktion, Strahlung sowie Konvektiongekennzeichnet (Abbildung 2.1(b)).AlsFolgediesesWarmeusseswerdensowohl imWerkst uckalsauchimWerkzeugTemperaturfelder erzeugt, diesichimunterbrochenenSchnitt72 StandderErkenntnissesolangeverandern, bis einGleichgewichtszustanderreicht wird. Diehei-esteStelleistdabei derOrtdergrotenGesamtbelastungausReibung,Spanumlenkung, Adhasion und Abrasion [Kno96].InAbbildung2.2istderTemperaturverlaufbeimunterbrochenenSchnittin Abhangigkeit von der Zeit f ur zwei vollstandige Fraserumlaufe schema-tisch dargestellt. Der Temperaturverlauf eines Fraszyklus (ein vollstandigerFraserumlauf) ist durch eine Aufheizphase (Schnittphase) der Dauer tSaufdie maximale Temperatur des Frasprozessesmaxund durch eine Abk uhl-phase (Luftschnittphase) der DauertLSauf die minimale Prozesstempera-turmincharakterisiert.DieUberlagerungder mechanischen, der thermischensowieder Stobe-anspruchungf uhrtzueinerWerkzeugbeanspruchung,diesichbeimUber-schreiten bestimmter materialspezischer Werte in Ribildung, Ausbr uchenoder sogar Schneidenbruch auert.2.2 KompendiumderZerspanungsmodellierungModellierung ist die Vorstufe zur Simulation. Wie imvorangegange-nenKapitel erlautert, ist die Zerspanung einSystemvonkomplexzu-sammenhangenden physikalischen Vorgangen. Demzufolge und gezwungendurch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess der Fertigung, um demansteigendenMarktdruckeinerimmerwirtschaftlicherenProduktionundFertigungstandzuhalten, wirdstetsversucht, Zusammenhangeindiesemkomplexen System zu nden. Ziel der damit durchgef uhrten ModellierungdesFertigungsprozessesistes, RationalisierungspotenzialeschonimVor-feld einer Prozessauslegung zu nden und zu nutzen. Untersuchungen vonWerkzeugherstellern [IKD99] zeigen, dassin 50 % der Bearbeitungsfalle falsche Werkzeuge eingesetzt werden,in 42 % der Anwendungen, die Werkzeuge nicht mit den empfohlenenSchnittparametern verwendet werden und62 % der Werkzeuge nicht bis zur Standzeit ausgereizt werden.82.2 KompendiumderZerspanungsmodellierungDies verdeutlicht die immensen Rationalisierungspotenziale, die in den Be-arbeitungsprozessenimmer nochsteckenunddiees gilt durchOptimie-rungsmethoden zu nutzen.Trotz intensivster Forschungsarbeiten in den letzten 50 Jahren ist es nichtgelungen, einenganzheitlichenmathematischenZusammenhangzwischendenEingangsgroenderZerspanungunddemdarausresultierendenZer-spanungsergebniszubestimmen[Lut01]. Vielversprechendeunddaherinder Praxis der Prozessmodellierung angewandte Vorgehensweisen basierendaheroftmalsaufreinempirischenAnsatzen.DiedarausgewonnenenEr-gebnisse sind jedoch leider nur f ur einen begrenzten Anwendungsfall g ultig.DurchanalytischeAnsatze, diemeistausenergetischenUberlegungenre-sultierten, wurden erste mathematische Zusammenhange entwickelt, derenAnwendung jedoch auf spezische Falle eingeschrankt ist. Im folgenden wer-dendiewichtigstenSchritteundErfolgederModellierungundsomitdieGrundlage der Simulation von Zerspanungsprozessen zusammengefat.2.2.1 ArtenderModellierungIm Grunde lassen sich vier Grundtypen der Zerspanungsmodellierung ent-sprechend deren Vorgehensweise und Ansatze denieren. Die Aufzahlungs-reihenfolge entspricht ingrober Naherung1der chronologischenAnwen-dungsreihenfolge in Forschung und Technik:1. Empirische Vorgehensweise2. Analytische Zerspanungsmodelle3. Numerische Berechnungsverfahren4. K unstliche Intelligenz2.2.1.1 EmpirischeVorgehensweiseDie Empirie basiert auf (wissenschaftlicher) Erfahrung im Unterschied zurTheorie, diephysikalischbegr undbareGesetzmaigkeitenbeschreibt. Sie1Es existieren weiterhin erfolgversprechende Vertreter der aufgezahlten Ansatze, so dasseineKoexistenzfestzustellenist[MTAM01].92 StandderErkenntnisseistauchalsErfahrungswissendeniert.AusdieserDenitionherauswirdersichtlich, dass zumWissens- undErfahrungsaufbaueine Vielzahl ex-perimenteller Datenerfassungschritteerfolgenmuss, umdaraus eineGe-setzmaigkeit erfassen zu konnen.Als eine der ersten bekannten empirischen Zerspanungsmodelle gelten wohldie Verschleiformel vonTaylor [Tay07], die mitvC Ln= CT(2.1)einenZusammenhang zwischender Standzeit undder Schnittgeschwin-digkeit gibt, mit vCals Schnittgeschwindigkeit, L=als Standzeit desWerkzeugsundnundCTalsKonstantenunddieSchnittkraftformelvonVictor-Kienzle [KV57], die mitFC = kC b h (2.2)die Standardformel zur Maschinenauslegung f ur die Berechnung derSchnittkraftFCaus einerspezischenSchnittkraftkCundder Spanungs-breiteb und der Spanungsdickeh f ur bestimmte Werkstoe stellt.Eine Vielzahl von Veroentlichungen beschaftigt sich mit unterschiedlichs-tenModikationendieserFormelndurchIntegrationvonanderenZerspa-nungsparametern wie Vorschub, Spanungsdicke, etc. [Kro63]. So entwickelteWoxen[Lut01] eineBeschreibungzurMaschinenleistung, Kronenberg[Kro63],Colding [Col91, Col59] undHastings [HPOT79] u.a. benutztenahnliche Formeln zur Bestimmung von Zerspankraften und -temperaturen.Eine l uckenlose Darstellung der empirisch ermittelten Zerspanungsmodellew urde den Rahmen jeder Veroentlichung sprengen.2.2.1.2 AnalytischeZerspanungsmodelleMitdemModell vonMerchant, denmanalsVaterderScherebenen-Theorie bezeichnenkann, lasst sichder Beginnder analytischenZer-spanungsmodelle determinieren [Mer45a]. Mit seinen materialtheoretischenUberlegungen zum Verhalten der Werkstoe, der Spanbildung und den Rei-bungsverhaltnissenzwischenSpanundSchneide hat er denGrundsteinzuvielenweiterenanalytischenAnsatzengelegt. EingroerTeil derFor-schungsarbeiten basiert meist aufUberlegungen aus der Plastizitatstheorie102.2 KompendiumderZerspanungsmodellierungund legt den ebenen Deformationszustand beim Orthogonalschnitt zu Grun-de. Daraus wurden verschiedenste Beziehungen wie z. B. von Oxley u.a. f urdie Vorhersage der Schnittkraft FC, der Kontaktlange KL, des Scherwinkels und bestimmter Prozesstemperaturen ermittelt [Oxl89, Oxl74].IndemScherebenenmodell vonMerchant[Mer45a] kannder gesamteSpanbildungsprozessdurcheineeinfacheBestimmungderSpanstauchungbeschriebenwerden. DieSpanstauchungenthalt nachdiesemModell al-lenotwendigenInformationen uber das WerkstoverhaltenunddieRei-bungsverhaltnisse wahrend des Zerspanvorgangs. Das gleiche gilt auch f urdaseinfacheGleitlinienmodell vonLeeundShaffer[LS51]. Jedochistersichtlich, dassdieExistenzeinerausgepragtenScherebeneausphysika-lischenGr undennichtmoglichbzw. nurinExtremfallennaherungsweisevoraussetzbar ist [Zor66], da bei einer notwendigerweise vorliegenden plotz-lichenRichtungsanderungeineunendlichhoheBeschleunigungvorhandenseinm usste. Die erweitertenGleitlinienmodelle von Leeund Shaffer[LS51], [Web68], sowie das Scherzonenmodell vonZorev [Zor66] erforderneinezusatzlicheMessungderSchnittkrafte, die uberdenCoulombschenReibungsansatz dieRandbedingungenlangs der Spanache beschreiben.DurchdieEinbeziehungdergemessenenSchnittkraftesindgenauereBe-stimmungendes Scherwinkels bzw. der Groe der Scherzone moglich.DerCoulombsche Reibungsansatz und die meist zugrundeliegende Bedingung,dass die Reibungskrafte langs der Spanache konstant sind, stellenje-dochstarke Vereinfachungender realenVerhaltnisse dar. Wirdzusatz-lichdieGeschwindigkeits- undTemperaturabhangigkeit der Werkstoei-genschaften ber ucksichtigt, so konnen diese vereinfachten Annahmen nichtmehr ausreichen. InallengenanntenModellenwirddieSpanbildungalseinquasi-statischer Vorgangbetrachtet. Sie ber ucksichtigenkeine dyna-mischen Ein usse, wie Maschinendynamik, Spandickenschwankungen, Ein-trittsstoebeimunterbrochenenSchnittundvorallemkeindynamischesMaterialverhalten. Wu [WL85] ubertragt deshalb die vonMerchant ge-fundenen Beziehungen auf ein schwingungsfahiges Spanbildungsmodell. Inden daraus hergeleiteten Bewegungsgleichungen sind die durch den Spanbil-dungsprozess selbsterregten Schwingungen ber ucksichtigt, die aufgrund vonSchwankungen der Spangeschwindigkeit Schwankungen der Reibungskraftelangs der Spanache bewirken. Die Schwankungen der SpangeschwindigkeitwerdendurchSpandickenschwankungenverursacht, dier uckwirkend uberdenZerspanungsprozesswiederumSpandickenschwankungenverursachen.112 StandderErkenntnisseEr vernachlassigt jedoch auch hier die Materialeigenschaften, da damit kei-ne geschlossene analytische Beschreibung moglich ist.2.2.1.3 NumerischeBerechnungsverfahrenBei der Verwendung numerischer Berechnungsverfahren wird uberwiegenddie Methode der Finiten Elemente herangezogen. Die Methode basiert aufdem Prinzip der Diskretisierung, deren Erndung auf Archimedes von Sy-rakus(287bis212v. Chr.)zur uckzudatierenist. DerAufgabenstellung,den Umfang eines Kreises zu bestimmen, entgegnete er mit der Annahrungdes Kreisumfangs durch Einf ugen und Vermessen des Abstandes von endli-chen St utzpunkten auf dem Kreisumfang (vgl. Abbildung 2.3(a)). Auf demgleichenPrinzipbasiertdieMethodederFinitenElemente, wobei durchZerlegungkomplexergeometrischerStruktureninkleineeinfacheElemen-te, deren physikalische Eigenschaften und Verhalten durch Dierentialglei-chungenbeschreibbarsind,eineDiskretisierungdesBerechnungsproblemserfolgt. Die Anzahl der St utzpunkte (Anzahl der Elemente) hat dabei einenentscheidendenEinussauf dieBerechnungsgenauigkeitundauf dieRe-chendauer. Eine Erhohung hat eine Verbesserung der Losung aber auch eineVergroerungderRechendauerzurFolge. LeistungsstarkeBerechnungsal-gorithmen und Rechner sind heute in der Lage, Berechnungsprobleme mitmehr als einer Million Freiheitsgrade zu berechnen, womit auch die Moglich-keitzurBerechnungkomplexerkinematischerKollisionsprobleme(Crash-Simulationen,Zerspanungssimulationen,etc.)gegebenist(vgl.Abbildung2.3(b)). Eine ausf uhrliche Beschreibung der theoretischen Grundlagen ist inder Standardliteratur zur Finite-Element-Methode enthalten [Zie84, Bat95]DieSimulationvonZerspanungsprozessenmit Hilfeder Finite-Element-Methode ist nun seit mehreren Jahren verstarkt Gegenstand wissenschaft-licher Arbeiten [Lut01]. Erste Erfolge resultieren aus Simulationsprogram-men mit der Fahigkeit, pradiktive Aussagen bez uglich fertigungstechnischerZerspanungsgroeninAbhangigkeit vorgegebener Zerspanungsparameteranzugeben[MBT02,OA98]. DieSimulationliefertzudemweitereErgeb-nisgroen, die bisher nur schwer oder gar nicht messtechnisch zu erlangenwaren. So beschreibt die FE-SimulationSpannungsverteilungen und Tem-peraturgradientenaufderWerkzeugschneideodergibtAuskunft uberdieRelativbewegung zwischen Span und Werkzeugschneide in mikroskopischenTeilgebieten der Schneide.122.2 KompendiumderZerspanungsmodellierungl8Umfang U = 8 l8Umfang U = 8 l8l8Umfang U = 8 l8Umfang U = 8 l8l8l8Umfang U = 8 l8(a)Quelle:SpektrumderWissenschaft2/99(b)Quelle:DaimlerChrysler,SindelngenAbbildung 2.3: Prinzip und Anwendung der Finite-Element-MethodeDurch die Forschungsarbeiten des von der DFG geforderten Schwerpunkt-programms Spanen metallischer Werkstoe mit hohen Geschwindigkeiten(DFG-SPP 1057) sind im Bereich der FEM-Zerspanungssimulation heraus-ragende Ergebnisse auf nationaler Ebene erzielt worden, die mit internatio-nalen Ergebnissen vergleichbar sind. So lassen sich aus diesen Forschungsak-tivitaten mehrere Beispiele f ur die zweidimensionale [Leo99, BS99, KRH01]unddreidimensionaleZerspanungssimulation[Ger98, SS02] zitieren. Eineausf uhrliche Darstellungder Ergebnisse ist in[TH99] vorhanden. Inter-nationaleVeroentlichungenzeigenahnlicheErgebnissemit unterschied-lichenSchwerpunkten. Dabei kommenauchselbstentwickelteFEM-Codes[Mol01] und andere Modellierungsansatze auf atomarer Ebene zum Einsatz[RI95, ITK93]. Der uberwiegendeTeil derinternationalenForschungsak-tivitatenverwendetjedochkommerzielleFEM-Codes, diespeziell f urdieZerspanungssimulation, beispielsweise zur Abbildung der Scherspanbildung,mit weiteren Berechnungsalgorithmen angepasst werden [CA99]. Ein erstesrein kommerzielles Simulationsprogramm speziell f ur die Zerspanungssimu-lation ist mit AdvantEdge von Third Wave Systems aus den USA erschienen[Thi]. DieValidierungderSimulationsergebnisseliefertmeistvielverspre-chendeErgebnisse. DazuwerdendieSchnittkrafte, Temperaturen, Span-formen und Gratbildung experimentell ermittelt und mit den ErgebnissenausderSimulationverglichen. DiemeistenZerspanungssimulationenzei-gen eineUbereinstimmung im Bereich< 10 %, womit der Nachweis f ur ei-132 StandderErkenntnissene zuverlassige Bestimmung der Prozessgroen unter Annahme spezischerRandbedingungen gegeben ist.Esistanzumerken,dassvieleEinussfaktoren, wiez.B.dieDynamikdesBearbeitungsprozesses, Verschleientwicklung, K uhlschmierstoe, beschich-tete Schneidstoe und anderes in der Simulation noch nicht ber ucksichtigtwerden, so dass eine kontinuierliche Verbesserung und Erweiterung der Si-mulationsprogramme in den nachsten Jahren vorangetrieben werden muss,dies gilt insbesonderef ur diedreidimensionaleSimulation. Des weiterenm ussenandere Groenherangezogenwerden, dief ureineindustrielleAp-plikationderSimulationvonbesonderemInteressesind. Diesbetritvorallem Groen zur Charakterisierung der Bauteileigenschaften, wie z. B. dieEigenspannungen und Oberachentopographie.2.2.1.4 K unstlicheIntelligenzMitneuencomputerbasiertenMethodenzurBeschreibungk unstlicherIn-telligenzwirdversucht,diekomplexenZusammenhangewahrendderZer-spanung abzubilden. Dabei kommen sogenannte k unstliche neuronale Netzezum Einsatz, die ein konnektionistisches Modell des Zerspanungsprozessesaufbauen [SK98].K unstliche neuronale Netze (KNN) sind in ihrer Funktionsweise an biologi-schen Neuronennetzen (z. B. das Gehirn) angelehnt. Sie haben jedoch nichtalle (bekannten) Eigenschaften biologischer Neuronennetze. Daher sind sieeinfachaufgebautundf urdieImplementierungindenRechnergeeignet.KNN bestehen aus vielen einzelnen Verarbeitungseinheiten (Neuronen), diemiteinanderverbundensindunddurchmitGewichtungsfaktorenversehe-nen Summationen Relationen zwischen den Eingangs- und Ausgangsgroenherstellenkonnen. Zur Funktionsfahigkeit neuronaler Netzemuss jedochein Training erfolgen, wozu eine groe Datenbasis von experimentellen Ver-suchennotwendigist. ImGrobenlasstsichdasneuronaleNetzmiteinerk unstlichen Abbildung des Erfahrungswissens des Maschinenbedieners ausderempirischenVorgehensweiseausKapitel 2.2.1.1beschreiben. DieAn-wendung der KNN-Technologie f ur die Zerspanungstechnologie bendet sichnoch in den Kinderschuhen und ist daher als neuartige, zuk unftige Art derModellierung von Zerspanungsprozessen zu betrachten. Wesentliche Erfolgesind in [ZH95, Hor89, DLX+01] aufgef uhrt.142.3 AspektederModellierung2.3 AspektederModellierungDieimKapitel2.1aufgef uhrtenphysikalischenZusammenhangewahrendder spanenden Bearbeitung m ussen zur Modellierung von Zerspanungspro-zessen unabhangig von den verwendeten Methoden oder Ansatzen aus Ka-pitel 2.2 durch ein der Simulation zugangliches Modell beschrieben werden.Dabei gestaltet sich die Zerspanungssimulation als interdisziplinare Aufga-benstellung, dazurrealitatsgetreuenModellbildungderZusammenhangeund der anschlieenden Verikation mit der messtechnischen Zerspanungs-prozesscharakterisierung grundlegende Fragestellungen aus vielen Bereichendes theoretischen und angewandten Maschinenbaus mit eingebunden sind.2.3.1 DynamischesMaterialverhaltenDieBeschreibung desMaterialverhaltenswahrendderZerspanungistmitden klassischen quasi-statischen Verhalten metallischer Werkstoe bei Zug-versuchennichtmehrzulassig. MitErhohungderBelastungsgeschwindig-keit oder der Temperatur wirddas Verformungsverhaltendes Materialscharakteristisch geandert und weist eine signikante Abhangigkeit von derDehnung, derDehnungsrateundderinduziertenTemperaturauf. DiesesVerhalten muss in dynamischen Materialmodellen erfasst und beschriebenwerden. Neben der Beschreibung des Verformungsverhaltens muss ein Ma-terialmodell auchdasVersagensverhaltenbei derWerkstotrennungunddas lokalisierte Gef ugeumwandlungsverhalten nachbilden konnen.2.3.1.1 VerformungsverhaltenPrinzipiell lassen sich drei Arten zur Beschreibung des Verformungsverhal-tens unterscheiden [Wes01]:1. Die tabellarische Beschreibung der Fliekurve liefert die entsprechen-den Fliespannungen in Abhangigkeit der Eingangsgroen: Dehnung,Dehnungsrate, Temperatur. DieDatenwurdenzuvorexperimentellermittelt [AMRD97].152 StandderErkenntnisse2. Die semi-empirische Vorgehensweise passt eine zuvor festgelegte ma-thematische Beschreibung des Werkstoverhaltens an experimentelleDaten an, das sog. curve tting [SKA01a, SKA01b].3. Basierend auf physikalisch begr undbaren materialkundlichen Vor-gangen wurden konstitutive Gleichungen entwickelt, die nach Anpas-sung der Koezienten an verschiedene metallische Werkstoe das dy-namische Werkstoverhalten vollstandig beschreiben [MBV+02].V ohringer stellt eine konstitutive Gleichung vor, die auf dem Eekt derthermischaktiviertenVersetzungsbewegungenimMaterial unterdynami-scher Belastung basiert [BSVM96]. Die elastisch-plastische Verformung vonStahlenwirdjenachTemperaturTundVerformungsgeschwindigkeitvonunterschiedlichen Mechanismen bestimmt. Bei TemperaturenT 0, 3 TS(TS=Schmelz- bzw. Solidustemperatur)lasstsichdieTemperatur- undVerformungsgeschwindigkeitsabhangigkeitderFliespannungaufdiether-mischaktivierteUberwindungkurzreichenderHindernissedurchGleitver-setzungen zur uckf uhren [See54, KAA75, Ono68, Voh74]. Die Fliespannungsetztsichdabeiunterhalbeinerkritischen,vonderVerformungsgeschwin-digkeit abhangenden TemperaturT0gema = G(Struktur) +(T, , Struktur) (2.3)additiv aus einemathermischen (nur imAusma des Schubmoduls Gbzw. desElastizitatsmoduls EvonderTemperaturabhangenden)Anteilund einem thermischen Anteil zusammen (vgl. Abbildung 2.4) [BSVM96].Ersterer beruht auf der Wirkung weitreichender Gleithindernisse. Dies sindz. B. das Spannungsfeld anderer Versetzungen, die Korngrenzen, das Span-nungsfeld geloster Fremdatome oder Teilchen, die geschnitten oder umgan-genwerdenm ussen. DerzweiteAnteil hingegenistauf dieWirkungkurzreichenderGleithindernissewiedasperiodischeGitterpotenzial (Pei-erlspotenzial)zur uckzuf uhrenundwirdmitHilfethermischerGitterener-gieschwankungen uberwunden [See81, SS78]. Die bei der thermischen Flie-spannungverf ugbarefreieAktivierungsenthalpieGistmitderVerfor-mungsgeschwindigkeit, derTemperaturundderBoltzmann-Konstantenkdurch die Gleichung (T, ) = 0 exp_G()kT_(2.4)162.3 AspektederModellierung