2012 Das vielleicht letzte Magazin der Welt

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2012 DER LETZTE EURO Die Apokalypse der Wirtschaft 12 11 10 09 08 07 06 05 04 03 02 01 8,50 Euro WWW.2012.AT Das vielleicht letzte Magazin der Welt

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Das vielleicht letzte Magazin der Welt

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Der letzte euro Die Apokalypse der Wirtschaft

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requiem für einen Planeten

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Pleite.Aber wie!Am Schluss ist das Geld weg: hundert finanzielle Katastrophen, manche groß, manche klein, manche egal. Dabei fängt jede Geschichte so an, als brächte sie das große Glück.

Das Aus der AztekenVier Welten gingen bereits unter: Blutige Tränen, Feuerregen und gefräßige Jaguare zerstörten drei. Ein Wind führte zur vierten Apokalypse. Wir warten auf das letzte Ende.

Der Schnitt ins eigene FleischDie Entdeckung der Metalle bringt der Menschheit Reichtum und Fortschritt, die Herrschaft über den Planeten – und das Ende der Gleichheit aller Menschen.

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0607 0577 Krise wie immerDas Leben, die Wirtschaft, alles ein Spiel, ein Glücksspiel, alles wie beim TV-Programm: eine Reihe ständiger Wiederholungen. Wirtschaftsblasen und Bankrotte der letzten 500 Jahre.

Was bist du wert?Alles hat seinen Preis. Auch der Mensch, sein Körper und sein Leben.

Geld oder LiebeDie Mutter ist bereit, ihrem Kind alles zu geben. Der Geliebte riskiert für die Liebe sein Leben. Und die Ungeliebten wollen alles zerstören. Raimunds Zaubermär-chen „Der Bauer als Millionär“ als Reise in der Menschen Seelen.

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Von Seite 0676 bis 0513Inhalt #04

So lesen Sie 20122012 beginnt mit dem Ende. Mit Heft Nummer 12, auf Seite 2012 und zählt hinunter. Am Zwölften jeden Monats erscheint ein neues 2012. Bis Dezember 2012. Dann ist Schluss. Sie befinden sich in Nummer 04 – auf Seite 662.

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Freunde lieben, Feinde bezahlenGeld, sagen Ethnologen, wurde nicht erfunden, um die Wirtschaft zu vereinfachen, sondern um Kriege zu finanzieren und Menschen zu kontrollieren. Denn Handel gab es nur zwischen Feinden, Freunden wurden Geschenke gemacht.

Der neue große KriegFalls die Welt nicht untergeht, geht die Welt unter: Zukunfts-skeptiker Gerald Celente prophezeit für 2012 den Kollaps der Weltwirtschaft und den ersten großen Krieg des 21. Jahrhunderts.

Das letzte HemdWas trage ich zum Weltunter-gang? Vier junge Modemache-r innen geben vier ungewöhnliche Antworten aus Knochen und Eis, Nacktheit und Nachthimmel.

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Die vier Elemente

Die letzte Sintflut

Geht die Welt unter, ist der Euro gerettet.

Schulden 0521 Zukunft

0653065106480645Wie möchten Sie sterben?

Die letzte Rettung

Leben ohne Geld

Das letzte Geld

Der letzte Dodo

Das Ende

Die Sekunde des JägersBörsencomputer verschieben jetzt schon Milliarden in Bruch-teilen von Sekunden. Der Finanz-wirtschaft ist das zu wenig. Sie will das Tempo erhöhen – und damit das Risiko katastrophaler Fehler.

Der letzte SchreiEndzeitstimmung rechtfertigt keine Vernachlässigung des Äußeren. Ohnehin ist die Mode äußerst untergangsresistent. Sie verschwindet regelmäßig – und erἀfindet sich doch alle paar Monate neu.

„Die Bank gibt Ihnen Geld, das sie nicht hat“Wirtschafts professor Franz Hörmann möchte die Grundlage seiner Arbeit abschaffen: das Geld. Die Vision: kein Geld, keine Konkurrenz. Damit hat er sich nun Feinde gemacht.

0655 Palfrader/Ofczarek 0640 Keira Knightley

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Ein Magazin zu kaufen erscheint noch als logischer Tauschhandel: Für bedruck-tes Papier erhalten Sie bedrucktes Papier. Der Rest der (Geld-)Wirtschaft entzieht sich aber dem menschlichen Verstand. Bild: Mandy Fischer

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Geschichten von den letzten Dingen

Der Letzte Schein

EndEAuf den Euro-Scheinen ist die Welt bereits untergegangen, kein Mensch hat auf ihnen überlebt: nicht Mozart, nicht Shakespeare, nicht Leonardo da Vinci, nicht Einstein.

D as Geld wurde erfunden, um Kriege zu fi-nanzieren (Seite 0569). Es sollte am besten abgeschafft werden (S. 0551). Sagen die

einen. Wo Geld fließt, fließt kein Blut, sagen die anderen (S. 0653). Und nach dem Geld wurden die Schulden erfunden (S. 0543). Die Menschen klein zu halten, ihnen Opfer abzuverlangen, sie zu unterdrücken, sagen die einen. Um das Wirt-schaftswachstum voranzutreiben, die anderen. Denn ohne Kredite: keine Geschäfte, keine Ar-beitsplätze. Geschäfte macht man nur mit Fein-den, entgegnen wiederum die einen. Freunden macht man Geschenke (S. 0569). Und Arbeit? Das ist nichts anderes als moderne Sklaverei, eine fremdbestimmte Tätigkeit (S. 0546). Welcher ver-nünftige Mensch würde schon freiwillig arbeiten wollen – gäbe es das Geld nicht.

Zuerst kam es in Form von Metall, aus Metall wurden ja zwei Dinge hergestellt: Münzen und Waffen. Beides beendete die Gleichheit der Men-schen. Und es begann die Zeit der Wirtschaft und der Kriege, die untrennbar zusammenblieben: Der US-Dollar in billigem Papier zum Beispiel wurde 1862 eingeführt – von Abraham Lincoln, mitten im Amerikanischen Bürgerkrieg, um die Soldaten und Waffen der Nordstaaten zu bezahlen (S. 0648).

Doch wenn die Geschichte etwas lehrt, dann, dass sie niemanden etwas lehrt: Die Menschen haben aus Kriegen und Krisen nichts gelernt. In schöner Regelmäßigkeit und stets demselben Muster folgend, haben sie ihren Besitz, ihr Leben und ihren Seelenfrieden verspekuliert (S. 0577).

Wie gut, dass jetzt Computer die Geschäfte für uns machen, sie sind zwar nicht wirklich zu kontrollieren, dafür aber umso schneller (S. 0563). Wohin das alles führen wird? Zu noch viel mehr Geld! Da sind sich alle einmal einig. Auch wenn die einen damit Hyperinflation und die ande-ren gute Geschäfte meinen. Und schon warnen Zukunftsforscher vor dem großen neuen Krieg (S. 0539) – denn schließlich wurde das Geld ja dafür erfunden.

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elementeDer Untergang der Welt durch Wasser, Luft, Erde und Feuer.

Texte: Thales, Anaximenes & Heraklit; Bilder: Philipp Comarella/Salon Alpin

4WASSER

Wasser ist alles, alles ist Wasser: Diese Meinung vertrat der griechische Philosoph Thales von Milet angesichts der unüber-

schaubaren Weite des Ozeans, die ihn um-gab. Die Gegenwart sieht das erste Element ökonomisch: als Rohstoff, der zusehends knapp wird, aber auch als Gefahr, die den

Küsten der Welt durch die Schmelze der Polkappen droht.

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Der Tod des Börsianers.Bild: Tomás Vasquez Pedraza

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Am Schluss ist das Geld weg: hundert finanzielle Katastrophen, manche groß, manche klein, manche egal. Dabei fängt jede Geschichte so an, als brächte sie das große Glück.Zusammengetragen von Elisabeth Gronau, Julia Harlfinger, Oliver Junge, Susann Mücke, Karin Pollock

Pleite.Aber wie!

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Die Tempel von Tenochtitlán, Hauptstadt der Azteken. Zer­stört durch die Spanier, wieder aufgebaut als Mexiko­Stadt, wartet sie auf das prophezeite nächste Ende – das Erdbeben.

Das aus D er azteken0611

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Das aus D er aztekenDie Welt, in der wir leben, ist nicht die erste. Vier gingen bereits unter, weil Götter stritten, weil Menschen nicht an ihre Götter glauben wollten. Blutige Tränen, Feuerregen und gefräßige Jaguare zerstörten drei Welten. Ein Wind führte zur vierten Apokalypse. Wir warten auf das letzte Ende. Text: Mathias Morscher

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DER SCHNITT INS EIgENE FLEISCH

Die Entdeckung der Metalle bringt der Menschheit Reichtum und Fortschritt, die Herrschaft über den Planeten – und das Ende der Gleichheit aller Menschen.Text: Estella Weiss-Krejci

Gier nach Gold. Die spanischen Eroberer treffen in Amerika auf eine hoch entwickelte Kultur, die noch in der Steinzeit lebt und weder Eisen braucht noch kennt – das ist ihr Untergang.

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DER SCHNITT INS EIgENE FLEISCH

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geldoder liebeDie Mutter ist bereit, ihrem Kind alles zu geben. Der Geliebte riskiert für die Liebe das eigene Leben – um reich zu werden. Und jene, die nicht geliebt werden, wollen alles zerstören. Ferdinand Raimunds Zaubermär-chen „Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär“ ist eine Reise in der Menschen und der Geister Seelen. Hier der Kurztrip. Text: Ferdinand Raimund Bearbeitung: Doris Schretzmayer Bilder: Luisa Franz Kleopatra

Der Bauer als Millionär hat am 11. Oktober 2012 Premiere im Landestheater Niederösterreich in St. Pölten; Doris Schretzmayer spielt die Fee Lakrimosa, Regie führt Jérôme Savary.

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KRISE, WIE IMMER

Das Leben, die Wirtschaft, alles ein Spiel, ein Glücksspiel, alles wie beim TV-Programm: eine Reihe ständiger Wiederholungen.Text: Clemens Makanaky

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1557Die Habsburger, ein KreditrisikoWas gibt es Besseres für einen Kaufmann, als den Kaiser selbst zu seinen Schuldnern zu zählen? Man leiht dem Herrscher einen Batzen Geld und kriegt zum Dank wirtschaftliche Vorrechte und wohlklingende Adelstitel. Ganz ab-gesehen von den stattlichen Zinsen, die die Kredite über die Jahre abwerfen. Nach diesem scheinbaren Erfolgsmodell finanzieren europäische Kaufleute – allen voran die Fugger aus Augsburg – jahrzehntelang den Kaiser des Heili-gen Römischen Reiches, Karl V. (im Bild stehend neben Anton Fugger). Doch die Millionen versickern in den nicht enden wollenden Kriegen des Habsbur-gers, der sich immer mehr borgen muss, was wiederum die Zinsen steigen lässt. Karls Sohn und Nachfolger als König von Spanien, Philipp II., zieht 1557 die Notbremse. Er erklärt sein König reich de facto für bankrott. Statt Golddukaten zahlt er seinen Gläubigern Wertpapiere, die bald an Wert verlieren. Viele europäische Banken brechen zusammen. Auch die Fugger lei- den unter horrenden Verlusten und finden nie mehr zu alter Größe zurück.

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KRISE, WIE IMMER

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1637Die Verrückten der TulpeAlles beginnt mit ein paar Tulpenzwiebeln aus Istanbul. Der Botaniker Charles de l’Écluse bringt Ende des 16. Jahrhunderts die bis dahin in Hol-land unbekannte Pflanze im Garten der Universi-tät Leiden zum Sprießen. Dann macht es Boom! Die Menschen verfallen der farbintensiven Blü-tenpracht. Unter den reichen Familien des Landes wird die Tulpe zum Statussymbol, und ein reger Handel mit den (noch) seltenen Zwiebeln be-ginnt. Gärtner züchten immer neue Sorten, jede noch wundersamer und leuchtender als die letzte. Das Kaufen und Verkaufen von Tulpenzwiebeln wird zum Volkssport, die Preise steigen in un-wirkliche Höhen. Für das teuerste Exemplar wer-den am Höhepunkt der Tulpenmanie 5.500 Gul-den gezahlt – nach heutigem Goldwert 200.000 Euro. Natürlich ist alles Illusion, ein Marktspiel ohne reellen Gegenwert. Als 1637 immer mehr am Zauber der Zwiebel zweifeln, platzt die Blase. Die Preise purzeln auf Normalniveau, tausende Familien haben Hab und Gut verspielt.

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Liebe deine freunde, bezahLe

deine feinde

Geld, sagen Ethnologen, wurde nicht erfunden, um die Wirtschaft zu vereinfachen, sondern um Kriege zu finanzieren und Menschen

zu kontrollieren. Denn: Handel gab es nur zwischen Feinden, Freunden wurden Geschenke gemacht.

Text: Estella Weiss-Krejci

Der älteste Schuldschein der Welt. Die 5.200 Jahre alte Tontafel dokumentiert in Piktogrammen einen Getreidekredit – aus den

Bildzeichen entwickelt sich die erste Schrift der Menschheit. Bil

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D as Märchen von der Entstehung des Gel­des geht so: In einem fernen Land lang vor unserer Zeit lebte einmal ein Stamm von

Jägern und Hirten, die alles zum Leben hatten, was sie brauchten. Einer der Jäger war besonders geschickt in der Herstellung von Pfeil und Bogen. Und weil er schöne und hochwertige Waffen an­fertigte, begannen die anderen, diese gegen Vieh und Wildbret zu tauschen. Eines Tages bemerkte der Jäger, dass er mehr bekommen konnte, wenn er nicht selbst auf die Jagd ging, und machte von da an die Herstellung von Pfeil und Bogen zu seiner Hauptbeschäftigung. Als die anderen das sahen, taten sie es ihm gleich, versuchten es zu­mindest, denn niemand wollte sich die mühseli­ge, gefährliche Jagd antun: Der eine baute Zelte, ein anderer wurde Kupferschmied und ein Dritter wiederum Gerber. Es war aber schwierig, Dinge direkt gegeneinander zu tauschen, die Menschen begannen daher, bestimmte Tauschmittel einzu­setzen. Zuerst Waren wie Salz, Zucker, Leder und Tabak, später dann Metalle, da diese unverderb­lich und leichter zu transportieren waren. Um die Metalle nicht bei jeder Transaktion abwiegen zu müssen, erfanden sie schließlich das Geld.

Diese Geschichte wurde erstmals 1776 erzählt und stammt vom schottischen Moralphilosophen Adam Smith. In seinem Buch „Der Wohlstand der Nationen“ geht es ihm vor allem darum, die zu seiner Zeit landläufige Vorstellung zurückzu­weisen, die Herrschenden hätten das Geld erfunden und in Umlauf gebracht. In den letzten zwei Jahrhunderten haben Ökonomen diese Geschichte unkritisch weitergesponnen und ausgebaut. In unglaublich bunten Variationen findet man sie in der modernen Fachliteratur, in Lexika, Schulbüchern und im Internet: Geld wur­de erfunden, weil der Tauschhandel einfach zu kompliziert war. In manchen Versionen ist es ein Bauer, der einen Pflug benötigt, diesen aber nicht bekommt, weil der Schmied keine Verwendung für seine Kuh hat, in einer anderen ein Jäger, der die benötigten Pfeilspitzen erst erhält, nachdem er das Biberfell gegen Salz eingetauscht hat.

Für den Ethnologen David Graeber – sein Buch „Schulden. Die ersten 5000 Jahre“ ist vor einigen Monaten auf Deutsch erschienen – han­delt es sich bei dieser Geschichte um den größten Gründungsmythos der Wirtschaftswissenschaften. Denn dieses sagenhafte Land des Tauschhandels, in dem das Geld erfunden wurde, was letztend­

lich zu Krediten, Banken und Schulden führte, hat es nämlich nie gegeben. Das soll nicht heißen, dass es in der Vergangenheit keinen Tausch gege­ben hat. In vorindustriellen Gesellschaften gibt es viele Arten von Tausch. Allerdings findet Tausch so gut wie nie zwischen Nachbarn in einem Dorf statt. Tausch, wie die Ethnologen ihn beschreiben, ist ein Geschäft, bei dem oft auch latente Feind­schaft zwischen den Tauschpartnern deutlich zur Schau gestellt wird. Mit Freunden und Nachbarn hingegen tauscht man nicht. Ihnen macht man Geschenke, wobei natürlich erwartet wird, dass diese irgend­wann einmal erwidert werden. Auch in moder­nen Gesellschaften, vor allem in wirtschaftlichen Krisensituationen, ist Tausch manchmal ein pro­bates Mittel, die Verwendung entwerteten Geldes zu umgehen. Allerdings ist dabei den Tauschen­den das Prinzip Geld bereits gut bekannt.

Zu Smiths Ehrenrettung muss gesagt werden, dass er zu einer Zeit lebte und schrieb, in der in Schottland keinerlei Informationen über die wirt­schaftlichen Systeme vorindustrieller Gesellschaf­ten zu finden waren. Im 19. und 20. Jahrhundert war die Situation jedoch schon etwas anders, und seit ungefähr hundert Jahren weisen Ethnologen darauf hin, dass Smiths Geschichte so nicht stim­men kann. Bloß hören die Ökonomen nicht zu. Ein Tausch system, wie Smith und andere es be­schreiben, hat die Wissenschaft nirgendwo auf der Welt gefunden. Und schon gar keinen Beweis da­für, dass sich daraus jemals Geld entwickelt hätte. Die Geschichte des Geldes, so wie sie die Ökono­men erzählt haben und wie sie in der Zwischen­zeit Unzählige unkritisch nachbeten – erst der Tauschhandel, dann Geld als vereinfachtes Han­delsmittel, dann Darlehen, Schulden und virtuel­

„Geld hat keine Essenz. Eigentlich ist es nichts, und

daher ist seine Natur seit jeher politisch umstritten und wird es

vermutlich immer sein.“ Zitat aus: David Graeber:

„Schulden. Die ersten 5000 Jahre“

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Die Vision: Wenn der letzte Mensch längst gestorben ist, werden sie noch immer gute Geschäfte machen – die Börsencomputer. Schon jetzt verschieben sie Milliarden in Bruchteilen von Sekunden. Aber auch das ist der Finanzwirtschaft immer noch zu langsam. Sie will das Tempo weiter erhöhen – und damit das Risiko katastrophaler Fehler. Text: Raffael Fritz

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Franz Hörmann arbeitet daran, die Grundlage seiner Arbeit abzuschaffen: das Geld. In der perfekten Welt des Wirtschafts­

professors gibt es aber sowieso keine Arbeit und keine Konkurrenz – damit hat er sich nun Feinde gemacht.

Interview: Teresa Reiter, Bilder: Marko Mestrovic

F ranz Hörmann lebt mit seiner Familie im idyllischen St. Andrä-Wördern an der  Donau. Das Haus wirkt gemütlich, hat einen großen

Garten voll blühender Blumen. Auf dem Tisch steht ein großer Korb mit roten Äpfeln, und durchs Fenster dringen Harfenklänge auf die Terrasse. „Soll unsere Tochter leiser Harfe spielen oder auf- hören?“, fragt Frau Hörmann rücksichtsvoll. Die ganze Szenerie schreit förmlich: „So könnte auch Ihr Leben sein, wenn Sie sich nur für meine Vi- sion erwärmen können.“ Franz Hörmann emp- fängt uns freundlich. Er genießt es sichtlich, über seine Idee einer besseren Zukunft zu sprechen.

2012: Warum sind Sie so ein heftiger Kriti­ker des Geldes?

Franz Hörmann: Weil Geld nicht so funktio- niert, wie man es heute der Bevölkerung erklärt. Geld ist weder ein Tauschmittel noch ein Wert-maßstab noch ein Wertaufbewahrungsmittel. Ge-tauscht wird nur symbolisch, das heißt: Würden wir, wenn wir in einem Geschäft bezahlen, einen Preis einfach nur aufschreiben und dann später unsere eigene Leistung erbringen, dann könnten wir rein mathematisch symbolisch verrechnen, ohne dass dazwischen überhaupt ein materielles Tauschmittel stehen müsste.

Das meiste Geld, das im Umlauf ist, ist Buchgeld und hat keinen realen Geldschein als Gegenwert. Könnten wir uns zumindest das Bargeld sparen?

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sie nicht hat

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Der neue grosse Krieg

Falls die Welt nicht untergeht, geht die Welt unter: Der Zukunftsskeptiker Gerald Celente sagt für 2012 (und die kommenden Jahre) den Kollaps der Weltwirtschaft, globale Volksaufstände und den ersten großen Krieg des 21. Jahrhunderts voraus. Wer anderes glaubt, ist ein Fantast.Text: Peter Hiess

vielgepriesene „Change“ nicht vom „bomben­werfenden Friedensnobelpreisträger“ Barack Obama oder seinem republikanischen Konzern­Gegenkandidaten Mitt Romney kommen werde. Auch nicht von „den korrupten EU­Kommissaren und Abkassierern“ in der Brüsseler Zentrale. Ver­ändern werde sich, so Celente im Editorial zur Sommerausgabe seines Journals, erst dann etwas, wenn wir aufhören, unseren „Führern“ zu folgen, den gleichgeschalteten Massenme­dien zu glauben und uns immer tiefer in Armut und Sklaverei treiben zu lassen. Jeder Einzelne von uns müsse auf sich selbst setzen, endlich echten Widerstand leisten und gegen die Unter­drücker vorgehen.

Gerald Celente, als Sohn italienischstämmiger Eltern 1946 im New Yorker Stadtteil Bronx ge­boren, arbeitete in seinen frühen Berufs jahren in der Politik („der schlimmste Job, den ich je hatte“), bevor er 1980 das Trends Research In­stitute gründete. Seither hat er vieles ange-kündigt, was später eintraf, vom Zusammenbruch der Sowjetunion über das Platzen der Dotcom-Blase

D as Cover ist eindeutig: Jesus verjagt mit hocherhobener Peitsche die Händler aus dem Tempel. Nur sind diese keine Orien­

talen mit wallenden Burnussen, sondern aalglatte Typen in smarten Anzügen und roten Krawatten, auf deren Verkaufstischen Namen wie Goldman Sachs und JPMorgan Chase zu lesen sind.

„History Before it Happens“, heißt es unter dem Bild – und The Trends Journal wird diesem Slogan mehr als gerecht. Sein Herausgeber Ge­rald Celente nimmt sich kein Blatt vor den Mund, wenn er die Zukunft vorhersagt: Die Welt steuere seit der Finanzkrise von 2008 unaufhaltsam auf den Abgrund zu, auf den „ersten großen Krieg des 21. Jahrhunderts“. Und schuld daran seien die Politiker, ihre mafiösen Kumpane in den Banken und Kon-zernen, die Kriegstreiber (ein Autor der Publi­kation nennt die amerikanische Außenministerin in seinem Artikel über den geplanten US­Angriff auf Russland und China gleich einmal „Hitlery Clinton“) – und natürlich wir selbst.

Aber warum ausgerechnet wir, die wir doch (wie immer) nichts dafür können? Weil der

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Ökonomisches 9/11. Die Billio­nen Dollar teuren – Celente sagt: „scheinheilig im Namen der Demokratie“ geführten – Kriege der USA werden das Ende und den Ruin der Super­macht Amerika bringen.B

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das letzte hemd

Was trage ich zum Weltunter-gang? Vier junge Modemache- r innen geben vier ungewöhnliche Antworten aus Knochen und Eis, Nacktheit und Nachthimmel.Kuratorin: Teresa Reiter Fotos: Susanne Stemmer

E s heißt, es gibt einfach für jeden Anlass das perfekte Kleid. Ein leichtes für die Sommerhochzeit der Cousine, ein schlicht-

elegantes für ein Vorstellungsgespräch in einer Anwaltskanzlei, ein kurzes und buntes zum Cock-tailtrinken mit der besten Freundin. Was aber trägt man zur Apokalypse? Das letzte Kleid muss nicht mehr praktisch und leicht zu waschen sein. Es kann provozieren, auffallen, und das Beste ist: Es ist völlig egal, wie teuer es war. Aber wie sieht es tatsächlich aus? Vielleicht ist es warm, damit einen in der hereinbrechenden Dunkelheit nicht friert. Möglicherweise ist es aufblasbar, damit man möglichst lange überlebt, wenn die Flut kommt. Oder starr wie ein tragbarer Sarg oder aus Sternen geschmiedet. Aber was bedeutet es überhaupt, das letzte Kleid? Wie sieht es aus und welche Ge-fühle soll es der Trägerin vermitteln? Vier junge Designerinnen machten sich für „2012“ Gedanken zum perfekten Kleid für den Weltuntergang.

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BildungKünftig investieren Menschen (und Unterneh­men) mehr in Bildung und Weiterbildung. Die Wirtschaft verzahnt sich stärker mit dem Bildungs­sektor. In Österreich ist Bildungssponsoring noch in der Aufwärmphase, in Deutschland sponsert bereits jedes zweite Unternehmen eine Bildungs­einrichtung.

GesundheitBei einer höheren Lebenserwartung müssen wir länger fit und gesund bleiben, zumal wir künftig auch weit über das 70. Lebensjahr hinaus arbeiten werden. „Fit for Future“ ist die Devise, und die­se kostet immer mehr Geld – auch privates und nicht nur öffentliches.

SicherheitDer Mensch versucht sich gegen die Unwägbar­keiten des Lebens abzuschirmen, Unternehmen wählen Betriebsstandorte nach (sozialer) Sicher­heit aus. Und die Überwachung des privaten wie öffentlichen Raums nimmt zu. Sicher ist also, dass nichts mehr sicher ist.

SozialprestigeDie Ich­AG als Lebensentwurf ist gescheitert, Menschen begreifen sich wieder als Knoten in Netzwerken, der soziale Nutzen wird Triebkraft des menschlichen Handelns. Das gute Gewissen regiert Business und Konsumverhalten. „Die Welt hat eine Dichte erlangt, in der die Tat unmittelbar zum Täter zurückkommt“ (Peter Sloterdijk).

Rohstoffe und EnergieDie Zukunft wird von erneuerbaren Energien be­

stimmt: Blue Buildings, Ökostädte wie Masdar, die sich energetisch autark versorgen, gehen pio­nierhaft voran. Bis 2050 sollen die erneuerbaren Energien rund ein Drittel des weltweiten Energie­bedarfs decken.

Retro-ProdukteWarum die Retrowelle die nächsten Jahre do­miniert? Weil Retro immer Zeichen eines gesell­schaftlichen Atemholens ist. Noch fehlen der Ge­sellschaft die kraftvolle Vision, der lange Atem und der Mut zu radikalen Brüchen. Bis das Neue sich herausschält, greift man auf das Alte zurück.

AttraktivitätDie körperliche Attraktivität ist hart erarbeitet, in Wellness­Resorts und Fitness­Studios. Wird sich am Lifestyle in einer alternden Gesellschaft etwas än­dern? Nein, morgen wird erst recht begehrt sein, woran es der Gesellschaft dann mangelt: Jugend.

Außergewöhnliche ErlebnisseDie Freizeitwirtschaft wird zur Erlebniswirtschaft. Generell werden Freizeitlocations zu Spielplätzen, auf denen man sich neu entdeckt, seine Grenzen auslotet, sie überwindet.

OrientierungWas den Seefahrern der Kompass, ist uns mor­gen das semantische Netz. Erst kam Google, heu­te helfen Apps und geobasierte Netze, sich im Alltags dschungel zurechtzufinden.

AufmerksamkeitDafür geben wir alles. Ist mit Geld nicht aufzu­wiegen.

WOFÜR WIR IN ZUKUNFT

NOch GELD AUSGEBEN

Zukunftsforscher Andreas Reiter sagt uns, auf was wir sparen sollen …Bild: Die letzte Münze als Retro-Produkt von Igino

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Vorschau auf Heft # 03

Die Natur-KatastropheN

Es gibt ihn noch, den Weltuntergang, an dem wir Menschen keine Schuld tragen: Erdbeben, Tsunamis und Supervulkane. Was nicht heißt, dass wir nicht alles noch viel schlimmer machen können.

Das nächste vielleicht letzte Magazin der Welt erscheint am 12. 10. 2012.

Diesmal waren es nicht wir!

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