2012 Das vielleicht letzte Magazin der Welt

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2012 REQUIEM FÜR EINEN PLANETEN Musik und Apokalypse 12 11 10 09 08 07 06 05 04 03 02 01 8,50 Euro WWW.2012.AT Das vielleicht letzte Magazin der Welt

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Das vielleicht letzte Magazin der Welt

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REQUIEM FÜR EINEN PLANETEN

Musik und Apokalypse

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8,50 EuroWWW.2012.AT

Das vielleicht letzte Magazin der Welt

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Zu spät!

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LICHTE

Zwölf Musiker. Alle aus verschiedenen Genres. Ein Thema. Das Ende der Welt. Hörproben der Stücke 12 bis 07 und Vor-bestellungen auf: www.2012.at/requiem. Die vielleicht letzte Platte der Welt.

REQUIEM FÜR EINEN

PLANETEN

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REQUIEM FÜR EINEN PLANETEN (1)DIE LICHTE SEITE, KÜNSTLER 12–07

12. DER NINO AUS WIENDes ollaletzte Liad (Text & Musik: Nino Mandl)Mit 15 war er in einer Gang, mit 25

hat er eine Band und ist Literat und

Liedermacher, ein Unikat aus Johnny

Ramone und André Heller. Zuletzt

erschien sein Album „Schwunder“

bei Problembär Records mit visionä-

ren Tracks wie „Venedig geht unter“

(problembaerrecords.net).

07. HELMUT JASBARRequiem für jedermann(Musik: Helmut Jasbar)Gitarrist, Komponist, Autor und

Radiojournalist (regelmäßig zu hören

auf Ö1: „Pasticcio“ und „Apropos

Musik“). Im Oktober 2012 gibt er

zusammen mit Cornelius Obonya im

Wiener Stadtsaal „Das Konzert am

Ende der Welt. Best of Apocalypse“,

siehe Seite 0827 (jasbar.at).

11. KYRRE KVAMDer Montag ist so traurig (Text: Peter Turrini, Musik: Kyrre Kvam)Komponist (für Theater in der Josef-

stadt und Volkstheater), Schauspieler,

Sänger (Hauptrollen in: „Jesus Christ

Superstar“ in London, „Poppea“ in

Sydney). Schrieb zuletzt die Musik

für die Fernsehserie „Braunschlag“

von David Schalko und davor jene für

„Falco – Verdammt wir leben noch!“.

08. ROLAND NEUWIRTHDes End vom Liad(Text & Musik: R. Neuwirth)Der Extremschrammler. Der Erneue-

rer des Wienerliedes. Nächste Auf-

tritte: beim Jazzfestival in Saalfelden

auf dem Rathausplatz, 25. August

2012 (jazzsaalfelden.com) und ganz

stilecht beim Heurigen Bernreiter in

Wien-Floridsdorf, 2. September 2012

(bernreiter.at).

10. FRITZ OSTERMAYERKärntner Requiem(Bearbeitung: Fritz Ostermayer) Vorleser des Untergangs und Chef-

Poet der Wiener „schule für dichtung“,

FM4-Moderator („Im Sumpf“) und

Mitglied der „Neigungsgruppe Sex,

Gewalt & Gute Laune“. Berühmt ist

Ostermayer auch für seine „Dead &

Gone“-Kompilationen von Trauermär-

schen und Totenliedern (trikont.de).

09. NAKED LUNCHEvery Sucker Needs a Home (Text: Oliver Welter, Musik: Oliver Welter, Herwig Zamernik)Eine Rockband wie ein Roman von

William S. Burroughs – und das aus

Kärnten. Ja, da – und dort – muss

es auch etwas anderes geben. In

„Amerika“ (2011), dem Soundtrack

zu einem Theaterstück, vereinen sie

Kafka und Pop (monkeymusic.at).

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Requiem für einen Planeten (2), die dunkle Seite, Künstler 06–01,enthüllen wir im September-Heft.

HÖREN UND BESTELLEN AUF: W

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Musik rettet/zerstört die Welt. Der Gute (Bono Vox) und der Bad Boy (Michael Jackson), der Himmlische (David Bowie) und der Satanische (Marilyn Manson). Bild: Mateusz Lesman

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Apokalyptische Philosophie Pessimismus ist Humanismus, die vernichtenden Analysen des Menschen dessen letzte Rettung. Das Denken des Günther Anders.

Katastrophen des AlltagsVon der Angst zu lachen über das Einschlafen (und Schnarchen) bei einem Klassikkonzert bis zu peinlichen Verletzungen beim Sex.

Überleben in WienDie Welt geht unter. Und niemand bereitet sich vor. Das geht nicht. Wir haben unseren Autor zum Überlebenstraining geschickt. Ein Selbstversuch in körperlichen Schmerzen.

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0783 0755 Der Blick in den AbgrundDer Rock ’n’ Roll frisst seine Kinder, und die Kinder wissen nicht, dass sie längst dem Unter-gang geweiht sind. Noch lächeln sie, aber bald fließen die Tränen. Untergangsszenarien von Falco bis Amy Winehouse.

Being Ben BeckerWer weiß schon, ob das Leben nicht das Totsein ist und das Tot-sein das Leben. Ein Mysterienspiel um den „Tod“ im Jedermann.

Soundtrack des SterbensBöse Dinge haben Lieder: von der Populärmusik der Pest, Toten-tänzen und Kometenliedern.

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Von Seite 0856 bis 0677INHALT #05

So lesen Sie 20122012 beginnt mit dem Ende. Mit Heft Nummer 12, auf Seite 2012 und zählt hinunter. Am Zwölften jeden Monats erscheint ein neues 2012. Bis Dezember 2012. Dann ist Schluss. Sie befinden sich in Nummer 05 – auf Seite 842.

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Die Magie der 12 TöneAnton von Weberns großes Ziel: die Erschaffung einer neuen Musik, die weit mehr können sollte als die alte – etwa eine metaphysische Realität vermitteln. Dass dieses Vor-haben scheiterte, ist einem töd-lichen Zufall zu verdanken.

Als ich keine Zukunft hatteEinst war der Untergang eine produktive Kraft. Die Gewissheit des Endes hatte etwas Befrei-endes. Der Ausdruck dieses Lebensgefühls: Punk.

Der Weg in die EwigkeitSteirische Höhlenforscher entdeckten mysteriöse Gänge, Höhlen und Kammern, die auf untergegangene Zivilisationen hinweisen – oder auf fremde, unterirdische Welten. Eine Expedition ins Dunkle.

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Wie klingt der Weltuntergang?

Letzte Fragen

Letzte Lieder

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Der letzte Maya-Musiker

Die Letzten ihrer Art

Die letzten Bilder

Die letzte Hymne

Das Ende

Ich + du: Wir sind einsGeschichte eines romantischen Existenzialisten, der mit seiner toten Frau zu einem neuen Wesen verschmelzen will.

„Kreativ ist destruktiv“Die Popkultur hat die Kunst mit dem Alltag versöhnt und die Menschen zu Kreativen erklärt. Die erfinden nun ihr eigenes Ich immer wieder neu und zerstören es dabei, sagt Zukunftsforscher Andreas Reiter.

„Alles muss zer stört werden“Wer sich der Apokalypse in der Musik ausliefern will, steuert am besten ihr Epizentrum an – TT, das Mastermind der legendären österreichischen Black-Metal-Band Abigor, die seit den frühen 1990er-Jahren den Weltuntergang herbeisehnt.

2012Die gefährlichste Waffe Der WeltDas Gehirn. Und wie es versucht, die Welt zu zerstören.

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8,50 EuroWWW.2012.at

Das vielleicht letzte Magazin der Welt

# 06 Die gefährlichste Waffe Der Welt

001_0612_cover [P];10.indd 1 02.07.12 17:58

Letzter FehlerBeim Cover von Heft 2012/06 fehlte die kor-rekte Quellenangabe, das Bild stammt von Daniela Leitner/Salon Alpin. Pardon!

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Fünf musikalische Apo kalypsen (2). Beethovens 5. Symphonie („Schicksalssymphonie“) inter-pretiert von Filius de Lacroix.

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Fünf musikalische Apoka-lypsen (5). Mozarts Requiem, interpretiert von Philipp Comarella/Salon Alpin

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Geschichten von den letzten Dingen

DAS LETZTE COVER

ENDEPennie Smith hielt es für kein gutes Foto. Unscharf war es. Als sie es schoss – sie stand direkt vor der Bühne –, wich sie schutzsuchend zurück. Sie wollte nie, dass es auf einem Cover veröffentlicht wird.

P aul Simonon konnte – wie auch Sid Vicious, der Bassist der Sex Pistols (Seite 0707) – keine einzige Note spielen, als er 1976 mit

Joe Strummer und Mick Jones The Clash gründete und ihr Bassist wurde. Dafür aber hatte er Stil, ein Gespür für Mode und für gute Shows. Drei Jahre später, als die britische Punk-Band in den USA tourte, konnte Paul noch immer nicht Bass spie-len. Aber das war egal. Am 21. September 1979 wurde er zum berühmtesten Bassisten der Musik-geschichte: Im New Yorker Palladium zerschmet-terte er seine weiße Fender Precision – ein solide gebautes, schweres Bass-Modell mit Massivholz-korpus und schönem Ahornhals.

Eine junge Londonerin begleitete damals die Band, Pennie Smith war schon auf Tour mit Led Zeppelin, The Rolling Stones und The Who gewe-sen und hatte sich einen guten Ruf als Musikfoto-grafin erworben. Diesen Ruf wollte sie nun nicht verlieren. Ihr Foto mochte den richtigen Moment eingefangen haben, aber für eine Veröf fent lichung war es definitiv ungeeignet: völlig unscharf, ver-wackelt, kein Gesicht zu erkennen.

Für eine Band, die nicht spielen konnte, war das Foto einer Fotografin, die scheinbar nicht foto-grafieren konnte, perfekt. The Clash wollten das

Bild unbedingt für ihr nächstes Album haben. Pennie wehrte sich lang, ließ sich aber schließlich doch erweichen. Das „London Calling“-Album wurde zu einem der berühmtesten Musikalben der Welt, Pennies Foto 2002 in London zum „Best Rock ’n’ Roll Photograph of All Time“ gewählt.

Dennoch wollte Pennie nicht, dass ihr Bild je wieder auf einem Cover erscheint, schon gar nicht auf einem Magazin-Cover. 33 Jahre lang blieb sie hart – bis heute.

Thank you, Pennie!

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5Pessimismus ist Humanismus, die vernichtenden Analysen des Menschen

dessen letzte Rettung. Das Denken des Günther Anders.Text: Julia Grillmayr, Bilder: Felix Auer

APOKALYPTISCHE

PHILOSOPHIE IN

BILDERN

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AndersDer ewige

Apokalyptiker

„Wir sind Titanen“, schreibt Günther Anders und meint damit die Mensch-heit seit dem Besitz der Atombombe. Der Hiroshimatag, am 6. August 1945, machte Anders zum apokalyptischen Philosophen. In der monströsen Kata-strophe sah er aber nicht nur einen Wendepunkt in seiner eigenen Philoso-phie, sondern in der Philosophie allgemein. Durch die Macht, die gesamte Menschheit auszulöschen sei der Mensch „Wesen einer neuen Spezies“ ge-worden, schreibt er in seinem Hauptwerk „Die Antiquiertheit des Menschen“ von 1956. Nicht zuletzt der Zweite Weltkrieg und Hiroshima machten Anders zum politischen Denker. Er verwehrte sich dagegen, allein für einen klei-nen akademischen Kreis zu schreiben, denn seine Themen – wie etwa die Auslöschung der Menschheit – gingen alle an.

Günther Anders wurde 1902 als Günther Stern in Breslau, im heutigen Polen, geboren. Er studierte bei den großen deutschen Philosophen Ernst Cassirer, Edmund Husserl und Martin Heidegger – und wurde später einer der schärfsten Kritiker Heideggers. Als Jude von Verfolgung bedroht, emi - grierte Anders 1933 nach Paris und später in die USA, wo er als freier Jour-nalist und Philosoph lebte, bis er 1950 nach Wien zurückkehrte. Hier starb er im Dezember 1992.

Zu Unrecht geriet Anders’ Philosophie in Vergessenheit. Erst in jüngster Zeit scheinen seine Bücher eine Renaissance zu erleben. Neben der technik-kritischen „Antiquiertheit des Menschen“ schrieb er zahlreiche engagierte Texte gegen die Atombombe und auch Literarisches. Vielen ist Anders durch seine Ehe mit der politischen Denkerin Hannah Arendt ein Begriff. „Die Kirschen schlacht“ ist sein zuletzt erschienenes Buch, in dem er sich an die Gespräche mit seiner Frau erinnert.

Anders’ Philosophie ist dunkelschwarz. Kulturpessimismus und Apokalyp-tik prägen ihren Ton. Dennoch entspringen seine vernichtenden Analysen des postmodernen Alltags keiner Frustration, sondern einem humanistischen Ideal und großer Fürsorge für den Menschen. Er gibt sich nicht geschlagen. Als ewiger Apokalyptiker schreibt er gegen den Untergang an. Verstehen wir seine Hiobsbotschaften als Denkanstöße und Liebesbriefe an das Menschliche!

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Akustische Katastrophe. Falsche Musik am falschen Ort spielen.Bild: Fabienne Feltus

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Von der Angst zu lachen über das Einschlafen (und Schnarchen) bei einem Klassikkonzert bis zu peinlichen Verletzungen beim Sex.Zusammengetragen von Elisabeth Gronau, Julia Harlfinger, Susan Mücke, Nadine Oberhuber und Karin Pollack

DIE KLEINEN

KATA STRO PHEN DES ALLTAGS

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inÜberleben

Wien

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Die Welt geht unter. Und niemand bereitet sich vor. Das geht nicht. Wir haben unseren Autor zum Über­lebenstraining geschickt. Ein Selbst­versuch in körperlichen Schmerzen und persönlicher Erniedrigung.Text: Mike Mandl, Bilder: Kurt Prinz

ÜberlebenWien

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BEING

BEN BECKER

Nur noch ein Tag bis zur Premiere. Ausnahme-zustand. Ben Becker ist angespannt und zwischen den Welten unterwegs. Er geht auf in seiner Rolle als Tod, spielt ihn zum zweiten Mal bei den Salz-burger Festspielen. So intensiv und authentisch, dass man nicht weiß, wie nah Ben Becker dem Tod bereits war. Oder ist. Und wer weiß schon, ob das Leben nicht das Totsein ist und das Totsein Leben.Ein kleines Mysterienspiel von Doris Schretzmayer über Ben Beckers Leben mit dem Tod.

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„Durch Gott vergießen wir unser Blut, das ist uns für die Sünde gut.“ Geißler ziehen singend durch Europa und bekämpfen mit ihren Reimen die Pest im 14. Jahrhundert.

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SOUNDTRACK DES

STERBENS

Die Dörfer sind längst entvölkert. Alle bislang verschont Gebliebenen drängen in die Städte. Als würden deren Mauern Schutz bieten. Doch auch hier wütet die Pestilenz. Die Toten werden nicht mehr bestattet, man wirft sie übereinander in eilig ausgehobene Gruben. Jeden Tag sind es Dutzen-de, in den Städten Hunderte. Ein Ende des gro-ßen Sterbens ist nicht abzusehen. Der Schwarze Tod breitet seinen Mantel über Europa aus. Die Welt geht unter. Wir schreiben das Jahr 1349.Und dann hört man sie. Obwohl sie noch kilo-meterweit entfernt sein dürften, hört man sie. Sie nähern sich der Stadt, langsam, Schritt für Schritt. Ihre Gesänge gehen durch Mark und Bein. Über-laut und monoton singen sie vom Leid und von der Buße. Gruselige Männerchoräle der Landstra-ße. „Nun hebet auf eure Hände, dass Gott dies große Sterben wende!“ Sie tragen weiße Mäntel und Hüte, beide mit roten Kreuzen versehen. Ganz vorne, ein großes Holz-kreuz fest umklammernd, schreitet ihr Anfüh-rer. Dahinter folgen Fahnenträger und dann, in Zweier reihen, die übrige Schar. Es sind vierzig, achtzig, vielleicht zweihundert. Unheimliche Ge-stalten, erfüllt von Sendungsbewusstsein und be-bend vor Rage. Zielstrebig nähern sie sich dem Stadttor. Ihr Anblick jagt den gebeutelten Men-schen Ehrfurcht und Schauer ein. Und ihr Gesang hört niemals auf. „Nun hebet auf eure Arme, dass Gott sich über uns erbarme!“Ihr erstes Ziel ist die Kirche, wo sie eine dreistün-dige Andacht abhalten, sich wieder und wieder auf den Boden werfen, immerzu betend, um Ver-

gebung flehend, ihre Lieder singend. Am Abend beginnt dann das große Schauspiel: Der Festzug formiert sich erneut und nimmt, begleitet von ei-ner staunenden Menge, auf einer Wiese vor der Stadt Aufstellung. „Jesus, durch deine Namen drei, mach, Herr, uns von den Sünden frei!“ Die jaulenden Männer entblößen ihre Oberkörper. Sie greifen zu ellenlangen Stöcken, von denen drei Schnüre herabhängen, an deren Enden jeweils zwei Eisenzinken über Kreuz verknotet sind. „Jesus, durch deine Wunden rot, behüt uns vor dem jähen Tod!“ Mit weit ausholenden Schwün-gen schlagen sie sich die Eisenspitzen über die Schultern hinweg ins eigene Fleisch, geißeln sich so lange, bis ihnen das Blut über Rücken und Arme rinnt. „Durch Gott vergießen wir unser Blut, das ist uns für die Sünde gut.“ Die nächsten 33  Tage wiederholt sich die grausige Inszenie-rung. Jeden Morgen. Jeden Abend. Dann verlässt der Geißlerzug die Stadt. Mit Dutzenden neuen weiß gekleideten Anhängern in seinen Reihen.Eine Welle des kollektiven religiösen Wahns be-wegte sich parallel zur Pest durch Europa. Die Geißlerzüge, deren eindringliche Reimgesänge in Österreich, Deutschland, Frankreich und Italien zum Soundtrack des großen Sterbens wurden, verloren jedoch nach einem knappen halben Jahr an Popularität. Offenbar hatten sie zur tatsächli-chen Heilung wenig beizutragen. In der Hochzeit ihrer Verbreitung allerdings waren ihre kruden Aufrufe zu Reinigung und Sühne mitverantwort-lich für die größten Judenverfolgungen in Europa vor dem 20. Jahrhundert.

Die Populärmusik der Pest

Gesang des Schwarzen Todes

Böse Dinge haben Lieder: Kriege, Krankheiten und das Krepieren. Text: Clemens Makanaky

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DER BLICK IN DEN ABGRUND

Der Rock ’n’ Roll frisst seine Kinder, und die Kinder wissen nicht, dass sie schon längst dem Untergang geweiht sind. Noch lächeln sie, aber bald fließen die Tränen. Untergangsszenarien von Falco bis Amy Winehouse.

Falco. Er ist der erste Österreicher, der einen Nummer-eins-Hit in Amerika landet („Rock Me, Amadeus“), und seine Attitüden sprengen ebenso die Grenzen wie sein Erfolg. Als er noch Bassist bei der Szeneband Drahdiwaberl ist, singt Falco schon die Drogenhymne „Ganz Wien“. Als Weltstar ist er die Hauptperson der eigenen Drogenfantasien. Er stirbt 1998 bei einem Verkehrsunfall in der Dominikanischen Republik.

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Fünf musikalische Apo-ka lypsen (3). Schuberts „Tod und das Mädchen“ interpretiert von Knarf & Bazuco (Lumpenpack).

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Es gibt Songs, die sind so todtraurig, todessehnsüchtig und böse, dass sie ihre Zuhörer in Depression und

Verzweiflung stürzen können – und manchmal sogar in den Selbstmord treiben. Die Charts der Apokalypse.

Text: Mathias Morscher & Peter Hiess

LETZTE LIEDER

W as steht auf dem Grabstein eines Blues-Musikers? „Didn’t wake up this mor-ning …“ (Heute Morgen bin ich nicht

aufgewacht …). Ist ja auch gescheiter so, für den Bluesman. Schließlich begann zu seinen Leb-zeiten jeder Tag mit einem „Woke up this mor-ning …“, gefolgt von einer schier endlosen, wenn auch musikalisch meisterhaft umgesetzten Lita-nei des Elends. Von der Frau und meistens auch gleich dem besten Freund hintergangen, beim Glücksspiel alles verloren, verkatert vom schlech-ten Selbstgebrannten – und wenn er seine Seele unten an der Kreuzung dem Teufel verkauft hat, dann wollte ihn der trotzdem schon holen, bevor die erste Platte auf dem Markt war.

Diese scheinbare Hoffnungslosigkeit, die An-einanderreihung von privaten Apokalypsen und Tragödien, ist genau der Grund, warum wir den Blues lieben – und nicht nur ihn. Fast je-des Lied, jeder Popsong, der über Jahrzehnte hinweg im Gedächtnis hängenbleibt (Ausnah-men bestätigen die Regel, wie immer – aber von denen soll ja hier nicht die Rede sein), ist traurig, depressiv, handelt von unglücklicher Liebe, Schicksalsschlägen, innerer Zerrissen-heit, Tod und Verderben – zumindest teilweise. Wie wir auch aus dem Kinofilm wissen, ist der interessanteste Teil der uralten Entertainment-Formel „Boy meets girl, boy loses girl, boy

gets girl“ der mittlere – in dem die junge Liebe verloren scheint und der „Boy“ alle möglichen Widerstände überwinden muss, um sie dann doch noch zu retten. Oder auch nicht.

Das mit dem Mädchen und der Liebe lässt sich auch auf jede andere Lebenssituation übertra-gen, weil wir ja immer auf der Suche sind: nach Reichtum, einem erfüllten Leben, Selbstverwirkli-chung, einer glücklichen Familie, Harmonie und dem Sinn des Daseins im Allgemeinen. Dass uns die Welt auf dem Weg dorthin eine Hürde nach der anderen in den Weg stellt, davon handeln alle gelungenen Lieder. Ein Grund dafür ist sicher, dass jeder wirklich begabte Musiker seine Karri-ere im Teenager-Alter beginnt, voller Zwei-fel und Weltschmerz, traumatisiert, unzufrieden mit der Gesellschaft und der menschlichen Natur. Und weil auch jeder echte Musikfan seine Ohren als Jugendlicher erstmals der Kunst öffnet, setzen sich eben diese Dinge in der Erinnerung fest. Selbst im fortgeschrittenen Alter denken wir beim Hören eines dieser prä-genden Songs wieder daran, wie wir einst von Gefühlen übermannt wurden, uns dem Schmerz hingaben und uns im Selbstmitleid suhlten – The Soundtrack of Our Lives (die Hits unseres Lebens).

Die Evolution hat dafür gesorgt, dass schlechte Erfahrungen sich dem Gehirn stärker einprägen als gute – weil wir uns später in bedrohlichen

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DIE MAGIE DER 12 T O N E

Die Zwölftonmusik war eines der gewagten Kunstprojekte des 20. Jahrhunderts: die Erschaffung einer neuen Musik, die weit mehr können sollte als die alte – unter anderem eine metaphysische Realität vermitteln. Dass dieses Vorhaben scheiterte, ist einem tödlichen Zufall zu verdanken.Text: Michael Ginthör

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Geschichte eines romantischen Existenzialisten, der mit seiner toten Frau zu einem neuen Wesen verschmelzen will. Text: Florian Horwath, Bilder: Yasmina Haddad

Im Leben von Genesis Breyer P-Orridge ha-ben sich die Grenzen entmaterialisiert. Die zwischen dem Selbst, dem Individuellen und

dem Kollektiven ebenso wie die zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen, dem Realen und Non-Realen, dem Tun und dem Sein. Über seinem Leben und Wirken steht geschrieben: Pandrogynie. Das Ziel lautet: S/He – Verschmel-zung mit der geliebten, inzwischen verstorbenen Lebenspartnerin Lady Jaye zu einem einzigen körperlosen, androgynen Zwitterwesen.

S/He, Lady Jaye (li.) und Genesis. Zwei Körper, ein Leben, ein Geist.

WIR SIND ICH+DU EINS

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Wer sich der Apokalypse in der Musik ausliefern will, steuert am besten ihr Epizentrum an – die Höhle von TT,

Mastermind der legendären öster- rei chischen Black-Metal-Band Abigor,

die seit den frühen 1990er-Jahren den Weltuntergang herbeisehnt.

Text: Rokko Marschall und Peter Balon

„ALLES MUSS ZERSTÖRT WERDEN“

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Rituale ohne Personen-kult. „Anders als im Pop-Rock-Zirkus stehen bei Abigor Musiker und Protagonisten im Hintergrund, um nicht vom eigentlichen Inhalt abzulenken“, sagt TT.

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„God Save the Queen!“, Sex Pis-tols, 1977. Sid Vicious, der sich gerade „Gimme a fix“ mit einer Rasierklinge in die Haut ge-ritzt hat, spielt blutig am Bass, Johnny Rotten singt: „No future for you, no future for me.“

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Einst war der Untergang eine produktive Kraft. Die Gewissheit des Endes hatte etwas Befreiendes. Der Ausdruck dieses Lebens-gefühls: Punk.Text: Frank Apunkt Schneider

Als ich keine Zukunft hAtte

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Abstieg ins Schattenreich. Hier beginnt die Reise zum Mittelpunkt der Erde – und endet nach 100 Metern auch schon wieder. Warum vor Jahrhunderten alle Wege ins Innere unseres Planeten ver-schlossen wurden, weiß heute niemand …

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Die Welt geht nicht zum ersten Mal unter. Steirische Höhlenforscher entdeckten mysteriöse Gänge, Höhlen und Kammern weit unter der Erdoberfläche, die auf verschüttgegangene Zivilisationen hinweisen – oder auf fremde, unterirdische Welten. Eine Expedition ins Dunkle.Text: Peter Hiess & Heidelinde Moser, Bilder: Kurz Prinz

DER WEG IN DIE EWIGKEIT

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Vorschau auf Heft # 04

Das EnDE DEs GElDEs

Der Marktwert des Menschen sinkt. Wirtschaftlich betrachtet sind wir ein Auslaufmodell. Macht nichts: Wenn der letzte Mensch gestorben ist, werden Börsencomputer noch immer gute Geschäfte machen.Das nächste vielleicht letzte Magazin der Welt erscheint am 12. 9. 2012.

Die Apokalypse der Wirtschaft

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