2014 10 24 eppendorf leseprobe

39
KARIN KUPPIG MIT GRINDELVIERTEL, HARVESTEHUDE, ROTHERBAUM, HOHELUFT-OST UND GROSS BORSTEL EPPENDORFBUCH

description

 

Transcript of 2014 10 24 eppendorf leseprobe

Page 1: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

Karin Kuppig

mit GRindelvieRtel, HaRvesteHude, RotHeRbaum, HoHeluft-ost und GRoss boRstel

eppendoRfbucH

Page 2: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

13

65

42

GRINDELVIERTEL

ROTHERBAUM

HARVESTEHUDE

EPPENDORF-WEST/GROSS BORSTEL

EPPENDORF

HOHELUFT-OST/EPPENDORF

Page 3: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

inHalt

Einleitung 4 Chronik 8 Grindelviertel 12 Soldatenalltag in der Bundesstraße 19 Neues Jüdisches Leben am Grindel 27 Adressen Grindelviertel 44 Harvestehude 48 »Die verwünschte Linde bei Harvestehude um 1350« 66 Klosterlandkonsortium 73 Adressen Harvestehude 78 Rotherbaum 80 Gartenhäuser, Landhäuser, Villen 92 Alsterflotte 101 Adressen Rotherbaum 108 Leute aus Eppendorf 110 Hoheluft-Ost / Eppendorf 118 Stolpersteine 125 Ringlinie 138 Adressen Hoheluft-Ost / Eppendorf 144 Eppendorf-West / Groß Borstel 148 Stiftsviertel Eppendorf 157 Kommunistisches Eppendorf 163 Adressen Eppendorf-West / Groß Borstel 176 Eppendorf 178 Terrassen, Passagen, Wohnhöfe 184 Alsterkanalisierung 191 Adressen Eppendorf 204 Literatur 206 Bildnachweis 208

13

65

42

GRINDELVIERTEL

ROTHERBAUM

HARVESTEHUDE

EPPENDORF-WEST/GROSS BORSTEL

EPPENDORF

HOHELUFT-OST/EPPENDORF

12

34

56

Page 4: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

4

Die Stadtteile, von denen dieses Buch handelt, gehören zu Hamburgs bevorzugten und exklusivsten Wohngebieten – Harvestehude und Ro-therbaum können sich sogar im europaweiten Vergleich mit den besten Wohnlagen messen. Großen Anteil daran hat zum einen die im Zweiten Weltkrieg nur wenig zerstörte Villenarchitektur und das Fortbestehen der zahlreichen Parkanlagen, zum anderen aber auch das im Mittelalter noch recht unscheinbare Flüsschen Alster, das durch zweimaliges Aufstauen 1189 und 1235 zuerst wirtschaftlich und dann auch lebensräumlich seine volle Wirkung entfalten konnte: Der Hamburger Rat erkannte früh, dass die Mühlen an der Alster die Nahrungsmittelversorgung Hamburgs si-cherstellten, und kaufte den Schauenburgern bis 1310 in Raten die Alster sowie die beiden Mühlen am Ober- und Niederdamm in der Altstadt ab. Für die Holzversorgung verschaffte sich die noch überschaubare Stadt zudem Ländereien im Umland, die als sogenannte Landherrenschaften seit 1410 jeweils von einem Landherrn, der gleichzeitig Ratsherr oder Se-nator der Stadt Hamburg war, verwaltet wurden. Daneben verfügten die drei geistlichen Einrichtungen, das St. Johannis-Kloster, das Maria-Mag-dalenen-Kloster und das Frauenkloster »Im Jungfrauenthal«, über um-fangreichen Grundbesitz rund um Hamburg. Eppendorf, Harvestehude, der Grindel und Groß Borstel gehörten zum Kloster »Im Jungfrauenthal«, Rotherbaum jedoch zur Landherrenschaft Hamburger Berg. Nach der Re-formation fielen auch die geistlichen Ländereien unter das Verwaltungs-recht der Stadt. Das in »St. Johannis-Kloster« umgetaufte Frauenkloster durfte die Gewinne aus der Stiftung zwar weiterhin behalten, musste

einleitunG

Page 5: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

EinlEitung

5aber das Patronat über das Kloster an die beiden ersten Bürgermeister der Stadt abgeben, wodurch die milden Stiftungen eine Sonderstellung mit fast unbeschränkten landesobrigkeitlichen Rechten erlangten. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde im Rat der Wunsch deutlich, die vielen kleinen und zersplitterten Gebiete in zwei große Verwaltungsbezirke zusammen-zufassen, und so entstanden 1830 die Landherrenschaft der Geestlande, zu der alle Gebiete nördlich des durch Hamburg verlaufenden Geesthangs gehörten, und die Landherrenschaft der Marschlande, die alle südlich des Geesthangs liegenden Gebiete umfasste. 1871 wurden die in diesem Buch beschriebenen Gemeinden – bis auf Groß Borstel – aus der Landherren-schaft der Geestlande ausgegliedert, da man aufgrund der städtischen Bebauung nicht mehr von Landgemeinden sprechen konnte. Sie wurden jetzt der Stadt direkt unterstellt und hießen nunmehr Vororte. Als die Stadt sich in den folgenden zwanzig Jahren weiter ausdehnte, erfolgte 1894 eine weitere Umbenennung in »Stadtteil«. Groß Borstel folgte 1913.

Wie viele andere Stadtteile Hamburgs sind Eppendorf und Groß Bors-tel aus ehemaligen Bauernstellen und den Gartenhäusern begüterter Ham-burger entstanden. Bis Ende des 19. Jahrhunderts führten viele Familien eine Doppelexistenz als Städter und Landbewohner und pendelten je nach Jahreszeit und Wochentag von der Stadt aufs Land und umgekehrt, gaben dann Ende des 19. Jahrhunderts aber ihre Stadtwohnungen auf oder ver-wandelten sie in Kontore und zogen in Villen, die für den ganzjährigen Aufenthalt geeignet waren. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts bestand so rund um Hamburg ein Ring von Gärten. 1801 beschreibt Friedrich Johann Lorenz Meyer (1760–1844), Jurist und Reiseschriftsteller, diese Vorliebe der Hamburger Bürger: »Der allgemeine Hang zum Gartenleben ist für Ham-burg gewissermaßen ein charakteristischer Zug. Ich kenne keine andere Stadt, die mit Vorstädten von Gärten und mit Gartendörfern so rings um-geben ist, worin jedes Haus eine große Familie und Stadthaushaltung faßt, manche Gebäude mit Geschmack, die meisten mit mehr oder weniger Auf-wand errichtet und meubliert sind. [...] In der jetzt allgemein gesuchten

Page 6: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

6

EinlEitung

Dammthors-Gegend, die sich unmittelbar vom Thor ab nach allen Seiten hin erstreckenden aneinander hängenden Reihen oder einzeln angeleg-ten Gärten; am Alsterufer bis Eppendorf, aufwärts und tiefer im Lande in vielen Dörfern.« Im 18. Jahrhundert hatte sich eine Rangordnung der einzelnen Gartengebiete herausgebildet, und erstaunlicherweise galt das Gelände vor dem Steintor (heute St. Georg) als das prestigeträchtigste. Pa-lastartige Gartenhäuser, prächtige Alleen und Kutschencorsos liefen dem Gebiet vor dem Dammtor den Rang ab, Harvestehude galt im Vergleich zu St. Georg, Hamm und Billwerder als zu einsam. Nur »Officiere der Bürger-Compagnien« hätten es damals zu Ausfahrten genutzt, berichtet eine zeitgenössische Quelle. Von der großen Anzahl der Gartenhäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert hat sich heute nur eine Handvoll erhalten, zum Beispiel das Willsche Palais in Eppendorf und Fontenays Gartenhaus am Mittelweg. Fast flächendeckend die Jahrhunderte überdauert haben hingegen die hochherrschaftlichen Etagenhäuser, Reihen- und Einzelvil-len, die heute die Atmosphäre in den Vierteln prägen. Und obwohl Groß Borstel für das 19. Jahrhundert in relativ großer Entfernung zu Hamburg lag, entstand auch hier ein kleiner, überraschend schöner Villenbezirk. Daneben prägen großräumige Gewerbeparks, zwei Wohnsiedlungen der 1950er Jahre und Kleingärten den Stadtteil.

Die Entwicklung Eppendorfs seit den 1960er Jahren liest sich wie ein Lehrbeispiel für die in zahlreichen Hamburger Stadtteilen auf dem Vor-marsch befindliche Gentrifizierung. In die stark sanierungsbedürftigen, mit Kohleöfen und Einfachverglasungen ausgestatteten Altbauwohnun-gen zogen damals bevorzugt Studenten und Künstler. Sie schätzten die günstigen Mieten, gründeten Wohngemeinschaften und machten das Viertel bunt und lebendig. Nach und nach wurden die Häuser saniert, die frischgebackenen Akademiker zogen her, und jeder weitere Wechsel trieb und treibt die Preisschraube nach oben – die gern zitierten »ver-rosteten Fahrräder neben dem Rolls Royce« sieht man heute nur noch selten, während das Präsentieren von Statussymbolen mittlerweile zum alltäglichen Straßenbild Eppendorfs gehört. Die Harvestehuder sind da

Page 7: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

EinlEitung

7zurückhaltender und verfügen über diskretere Rituale der Zurschaustel-lung ihrer Wohlhabenheit. In den rückwärtigen Straßen um die Alster und den Innocentiapark begegnen dem Besucher Gelassenheit, Ruhe und hanseatisches Understatement. Vergleicht man die durchschnittlichen Jahreseinkommen der Stadtteilbewohner miteinander, so hat ein Harves-tehuder anderthalb Mal höhere Einkünfte als ein Eppendorfer, Menschen aus Rotherbaum liegen ungefähr dazwischen. Aber auch inmitten dieser exklusiven Wohnlagen gab und gibt es Arbeiterquartiere, Fabriken und Industrieanlagen sowie ein großes Quartier mit sozialem Wohnungsbau aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende. Die Entstehungsgeschichte und Dichte des Stiftsviertels nördlich des Universitätskrankenhauses stellt deutschlandweit eine Besonderheit dar.

Zwei der insgesamt sechs Spaziergänge in diesem Buch erkunden Eppendorf und den dazugehörigen Stadtteil Hoheluft-Ost, eine Tour beschäftigt sich mit dem nördlichen, ehemals kommunistischen Teil Eppendorfs und führt anschließend nach Groß Borstel. Rotherbaum, Har-vestehude und das Grindelviertel werden durch je einen eigenen Rund-gang erschlossen. Auf die detaillierte Beschreibung der Alstervillen am Harvestehuder Weg und seiner Umgebung wird in diesem Buch weitge-hend verzichtet, denn fast jede Villa würde mit der Besonderheit ihrer Architektur, den Umbauten und den zahlreichen Besitzerwechseln schon für sich genug Stoff für einen eigenen kleinen Band hergeben. Im Fokus dieses Stadtteilführers stehen dagegen Gebäude mit öffentlicher Nutzung wie die Universität, das Universitätskrankenhaus, Sportplätze, Kirchen, der Flugplatz, Hayns Park und verschwundene Architekturen wie Müh-len, Synagogen, Kasernen, das Fernmeldeamt, eine Pferderennbahn und eine große Ausstellungshalle. In den Exkursen innerhalb der Spaziergänge werden stadtteilspezifische Themen vertieft, die Adressen am Ende der Touren geben Tipps zu empfehlenswerten Geschäften und zum sozialen Leben des Stadtteils.

Stadtgeschichte verändert sich schnell. Wir hoffen, dass bei Redak-tionsschluss alle Informationen dem aktuellen Stand entsprochen haben.

Page 8: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

8

1140 Eppendorf wird erstmals urkundlich erwähnt, zum Kirchspiel Eppendorf gehören 15 Dörfer.

1247 Gräfin Heilwig gründet das Zisterzienserinnenkloster »Im Jungfrauenthal« nahe der Mündung des Peper-mölenbek in die Elbe.

1267 Die St. Johannis-Kirche in Eppendorf wird erstmals urkundlich erwähnt.

1295 Das Zisterzienserinnenkloster »Im Jungfrauenthal« zieht vom Pepermölenbek an die Stelle des heutigen Eichenparks.

1343 Die Grafen von Schauenburg und Holstein verkaufen das Dorf Eppendorf an das Kloster »Im Jungfrauenthal«.

um 1350 Die »verwünschte Linde« wird gepflanzt.1410 Rotherbaum untersteht der Landherrenschaft Hambur-

ger Berg.1530 Das Kloster »Im Jungfrauenthal« wird zerstört, die 19

verbleibenden Nonnen müssen zum evangelischen Glauben konvertieren und ziehen in die von den Mön-chen geräumte Klosteranlage St. Johannis am heutigen Rathausmarkt.

1536 Gründung des »Evangelischen Conventualinnenstifts für unverheiratete Hamburger Patrizier- und Bürger-töchter«

cHRonik

Page 9: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

9

1773 Samuel Heinicke gründet die erste Taubstummen-Lehranstalt Deutschlands.

1811 Eppendorf hat 708, Harvestehude 257 Einwohner.1813 Eppendorf wird von den Franzosen besetzt.1830 Die Verwaltung des Klosterlandes geht auf die Land-

herrenschaft der Geestlande über.1836 Umzug des Damenstifts St. Johannis an den Kloster-

wall, Gründung des zweitältesten Ruderclubs der Welt1838 Eppendorf hat 953 Einwohner.1842 Juden erhalten das Recht zum Grundbesitz.1859 Zwischen Eppendorf und Mühlenkamp verkehrt die

erste Alsterfähre.1864 Eppendorf wird an die Gasversorgung angeschlossen.1865 Eppendorf bekommt die ersten Briefkästen.

cHRonik

eppendoRf, 1776

Page 10: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

80

Kennedybrücke * Ruder Club * Amerikanisches Generalkonsulat * »Affenfelsen« * John Fontenay’s Testament * Bunker * »Plastik im Freien« * Alstertunnel * St. Johannis-Harvestehude * Villa Moller-straße * Brunnen Feldbrunnenstraße * expressionistische Villa

RotHeRbaum

sDAMMTORDB

GÄNSEMARKTu

uSTEPHANSPLATZ

s uHAUPTBAHNHOFDB

uHALLERSTRASSE

uHOHELUFTBRÜCKE

GRINDELBERG GRINDELALLEE

HALLERSTRASSE

HOCHALLEE

BRAHMSALLEE

OBERSTRASSE

ROTHENBAUMCHAUSSEE

MITTELWEG

SOPHIENTERRASSE

ALSTERCHAUSSEE

HARVESTEHUD ER WEG

MAGDA-LENENSTRASSE

ALTE RABENSTR.

ALST

ERUF

ER

WAR

BURG

STR.

FONTENAY AUSSENALSTER

BINNENALSTER

KENNEDY-BRÜCKE LOM-BARDSBRÜCKE

St. Georg

Neustadt

PLANTEN UN BLOMEN MOORWEIDE

ALSTER-PARK

SCHL

ANKR

EYE

BOGENSTRASSE

BUNDESSTRASSESCHRÖDERSTIFTSTR.

REN

TZELS

TRASS

E

GRIN

DELH

OF

TIERGARTENSTRASSE

KAROLINENSTRASSE

HEIMHUDER STRASSE

SCHLÜTERSTRASSE

VO N-MELLE-PARK

PÖSELDORFER WEG

INNOCENTIA-PARK

H.-WEICHMANN-STRASSE SCHÖNE AUSSICHT

FEENTEICH

BELLEVUE

ST. PETERSBURGER STR.

JOHNS-ALLEE

BEIM SC

HLUM

P

AN DER ALSTER

GORCH-FOCK-WALL1

2

34

5

6 79

8

10

11

12 A

3

Page 11: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

RotheRbaum

81

3

staRtpunkt: U-Bahn-Station Stephansplatz (U1)endpunkt: S-Bahn-Station Dammtor (S11, S21, S31)daueR: 2 Stunden

Mit dem Bau der gigantischen Festungsanlagen, die Hamburg vor dem Dreißigjährigen Krieg abschirmten, war das Gebiet des heutigen Stadt-teils Rotherbaum von der Stadt plötzlich nur noch durch ein Stadttor, das Dammtor, zugänglich. Hinter den Stadtmauern begann die weitgehend unbebaute »Gegend vor dem Dammthor« (Abb. 1). Den südlichen Teil des Gebiets hatte seit 1647 die Kämmerei (heute heißt sie Finanzbehörde) ge-pachtet, er gehörte zum städtischen Hamburger Berg (H.B.), der nördli-che Teil war im Besitz des Johannis-Klosters (J.K.). Zwei Grenzsteine auf beiden Seiten des Mittelwegs auf der Höhe von Hausnummer 174 zeugen noch von der alten Tren-nungslinie. Als natürlicher Grenzverlauf trennte der Hundebek das Kämmerei-land vom Klosterland, die Grenze wurde mit acht Scheidesteinen markiert. 1752 gelangte das Kämme-reiland in den Besitz des Staats und wurde im Laufe der Zeit als Gemeindeweide, Schindanger, Exerzierplatz, Armenfriedhof und als städ-tische Baumschule genutzt. Erschlossen wurden die Strecken bis nach Eppen-dorf und Eimsbüttel durch drei große, vom Dammtor

1 ländeReien nöRdlicH des dammtoRs, 1772

Page 12: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

82

RotheRbaum

nach Norden führende Straßen, den Mittleren Fahrweg (Mittelweg), den Oberen Fahrweg (Rothenbaumchaussee) und den Neuen Fahrweg (Ed-mund-Siemers-Allee). Die alte Dreiergabelung ist noch heute auf dem Stadtplan erkennbar.

Erstaunlicherweise wurden die drei Sandwege bereits 1729 mit Bäumen bepflanzt, obwohl sich zu dieser Zeit dort kaum Häuser befanden. Allge-mein erleichterten Alleen bei Schnee, Nebel und in der Dämmerung die Orientierung, und die Baumwurzeln festigten zudem die lockeren Fahr-bahnen (Abb. 2). Zudem waren Alleen häufig Bestandteile herrschaftlicher Schlossanlagen – und vielleicht wollte es der Staat Hamburg den vielen kleinen deutschen Fürstentümern ja gleichtun. Ein großer Pächter in dem Gebiet war fast zweihundert Jahre lang, von 1680 bis 1856, die Gärtnerfa-milie Böckmann. Auch die Klosterbleiche an der Mündung des Hunde-beks und weitere Gartenanlagen prägten das Bild, bis die französischen Truppen 1813 alle Gebäude einschließlich der Alleen niederbrannten (Abb. 3). Doch die Wirtschaftsgebäude der Böckmanns zwischen Alter Raben-straße und Milchstraße und die vereinzelten Gartenhäuser der Hamburger wurden schnell wieder aufgebaut. Als die Stadt Mitte des 19. Jahrhunderts über ihre Grenzen hinauswuchs, bildete sich zwar eine staatliche Baukom-mission, doch bis 1892 der Bebauungsplan offiziell in Kraft trat, hatten sich Rotherbaum und Harvestehude längst nach den Wünschen der han-

2+3 allee am dammtoR, 1783, und blick von deR alsteR auf RotHeRbaum, 1807

Page 13: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

RotheRbaum

83

3seatischen Grundstücksbesitzer und dem Prinzip des freien Markts ent-wickelt.

Seit dem Bau der Verbindungsbahn 1865/66 (heute S31) schotten die Gleisanlagen den Stadtteil Rotherbaum von der benachbarten Neustadt und St. Pauli ab. Der wichtigste Zugang nach Rotherbaum führt bis heute über die Dammtorstraße, das alte Stadttor. Die nächste Möglichkeit, die Bahn zu kreuzen, ist dann erst wieder die Rentzelstraße.

Unser Rundgang startet auf der rechten Seite der Esplanade und führt geradeaus bis zur Binnenalster unten am Wasser entlang und dann links durch die Unterführung unter der Lombardsbrücke hindurch, an deren Ende wir auf die Kennedybrücke stoßen.

1 kennedybRücke

Die Kennedybrücke ist eine von 2284 Brücken in Hamburg. Sie verbindet die beiden Stadtteile Rotherbaum und St. Georg und wurde 1952/53 zur Verkehrsentlastung der parallel verlaufenden Lombardsbrücke errichtet. Anfang der 1950er Jahre, als die »Ost-West-Straße« noch nicht realisiert war, fuhren täglich 52 000 Kraftfahrzeuge über die Lombardsbrücke (Abb. 4), die damit das größte Verkehrsaufkommen Hamburgs zu verbuchen hatte. Sie galt als der unfallträchtigste Verkehrszug Norddeutschlands.

4 lombaRdsbRücke, um 1860

Page 14: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

84

RotheRbaum

Die Zahl ist umso erstaunlicher, wenn man berücksichtigt, dass damals insgesamt nur 87 500 Fahrzeuge in Hamburg gemeldet waren.

Der Entwurf für die Neue Lombardsbrücke, wie die Kennedybrücke die ersten zehn Jahre genannt wurde, stammt von Bernhard Hermkes (1903–1995). Eine sechzig Meter breite Hauptöffnung dient als Passage für die Alsterschiffe, umgeben ist sie von zwei zwölf Meter breiten Seitenöff-nungen (Abb. 5). Der Abstand der Stützen ist so gewählt, dass die Pfeiler bei einer frontalen Ansicht die Bögen der Lombardsbrücke nicht über-schneiden. Während die Gestaltung der Brückenoberseite so dezent ge-halten ist, dass sie kaum wahrnehmbar ist, entfaltet sich an der Unterseite eine Spannbetonkonstruktion aus fünf formschönen Betonträgern, die am Ufer auf je fünf Stützen ruhen (Abb. 6), wobei die grobkörnige Oberfläche des Betons den ästhetischen Reiz der Untersicht noch steigert. Zur Anlage gehören außerdem das runde Bassin zwischen den beiden Brücken sowie

5 neue lombaRdsbRücke, um 1955

Page 15: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

RotheRbaum

85

3

das neu gestaltete und aufgeschüttete westliche Außenalsterufer, wo sich einst das Vereinshaus des 1854 gegründeten, zweitältesten Ruderclubs Deutschlands, Favorite Hammonia, befand (Abb. 7).

Die Kennedybrücke wurde zur Internationalen Gartenausstellung 1953 vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss eingeweiht. Die am linken Ufer unterhalb der Brücke stehende Skulptur »Jüngling mit Möwe« von Fritz Fleer (1921–1997) entstand nach einem Auftrag der Kunst-am-Bau-Kommission 1955. 1963 wurde die Brücke nach der Ermordung John F. Kennedys dem amerikanischen Präsidenten zu Ehren in Kennedybrücke umbenannt. Auch heute noch spielen beide Brücken für den städtischen wie für den überregionalen Verkehr eine bedeutende Rolle. Die Kennedy-brücke wird täglich von rund 58 000, die Lombardsbrücke von rund 67 000 Fahrzeugen und eintausend Zügen überquert. Von Bernhard Hermkes befindet sich vor den Gewächshäusern in Planten un Blomen noch eine weitere, der Kennedybrücke ähnliche Spannbetonbrücke.

Auf der Brücke verläuft übrigens der 10. Längengrad östlich von Green-wich. Er ist auf dem nördlichen Gehweg Richtung Außenalster im Pflaster markiert.

Weiter geht es jetzt am linken Alsterufer immer geradeaus bis zum gel-ben Vereinshaus der Ruderer.

6+7 unteRsicHt deR kennedybRücke und bootsHaus des RudeRclubs favoRite Hammonia, um 1915

Page 16: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

86

RotheRbaum

2 deR HambuRGeR und GeRmania RudeR club, alsteRufeR 21

Der 1836 gegründete Hamburger und Germania Ruder Club ist nach einem britischen Verein der zweitälteste Ruderclub der Welt (Abb. 8). 1844 fand auf der Alster die erste Ruderregatta statt, aus der der Hamburger Club als

Dr. Carl MerckDr. W. Heyk

Edg. RossAd. Godeffroy A. Lutteroth

C.M. Schröder jr.

Cesar Godeffroy

Ernst MerckAugust Heeren

F. Schwartz Dr. HeckscherCharles Parish

Dr. C.G. FischerCarl Sillem

Ed. AbendrothGust. Godeffroy

Gust. Goslar

8 illustRe Runde im RudeRclub, um 1841

9+10 veReinswappen und -Haus des HambuRGeR und GeRmania RudeRclubs

Page 17: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

RotheRbaum

87

3

Sieger hervorging. Es folgten weitere große und kleine Erfolge wie eine erste olympische Goldmedaille im Rudern und zahlreiche Weltmeister- und Europatitel. Aber nicht nur der Leistungssport, sondern auch der Breitensport, im Verein »Kulturrudern« genannt, hat seinen festen Platz. »Rudern ist die preußische Art der Meditation«, ist der Festschrift zum 175-jährigen Bestehen des Clubs zu entnehmen. Und wer sich einmal dem Rudern verschrieben hat, der rudert wohl sein ganzes Leben.

Fast genauso wichtig wie der Sport ist dem Verein das Vereinsleben. Das findet nach dem Training an der Vereinsbar statt, wo Hamburgs Upper-class gern unter sich bleibt. Für Feste und Vorträge ist die Club-Krawatte, getragen zur dunklen Jacke, erwünscht (Abb. 11). Wer eine Mitgliedschaft beantragt, muss zuvor von zwei stimmberechtigten Mitgliedern vorge-schlagen worden sein. Wenn es vom Verein gewünscht wird, dürfen nä-here Auskünfte über das neue Mitglied eingeholt werden. Anschließend muss der Antrag vom sechsköpfigen Aufnahmeausschuss angenommen werden. Wenn ein Mitglied gegen das Ansehen des Clubs verstößt, kann der Ältestenrat den Ausschluss aus dem Verein erwirken. Auf seiner In-ternetseite wird der Verein kurz »der CLUB« genannt. Die Bande, die im Club geschlossen wird, hält meistens das ganze Leben und ist in vielerlei Hinsicht nützlich. Frauen sind genauso wie beim benachbarten Ruderclub Favorite Hammonia von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Das gelbe Clubhaus (Abb. 9+10) von 1901 ruht auf fünfzig Holzpfählen und Stahl-konstruktionen aus den 1920er Jahren. In naher Zukunft müssen die morschen Holzstämme aufgrund der Bausicher-heit ersetzt werden.

Neben den Ruder-booten und Alster-

11 dResscode im RudeRclub, 1916

Page 18: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

88

RotheRbaum

dampfern sind es vor allen Dingen die Segelboote, die zum typischen Sommerpanorama der Außenalster gehören. Dass man hier mitten in der City plötzlich aufs Boot springen und lossegeln kann, ist in den großen Städten der Welt wirklich eine Rarität. Am westlichen Alsterufer gibt es drei Anlaufstellen, an denen Segelboote gemietet werden können. Direkt an der Kennedybrücke, am Fährdamm (gemeinnütziger Alster-Jugend Se-gelclub) und nahe der Krugkoppelbrücke. Kenner betonen, dass es wegen der besonderen Winde, die nach jedem Kanalzufluss und jeder Straßen-kreuzung wechseln, auf der Alster schwieriger sei, den Segelschein zu machen, als auf der Ostsee.

Einige Meter weiter geradeaus befindet sich der nächste Haltepunkt des Spaziergangs.

3 villa – eHemaliGes ameRikaniscHes GeneRalkonsulat, alsteRufeR 27/28

Der Standort am Alsterufer mit zwei Hausnummern ist bereits die 30. Adresse des amerikanischen Konsulats in Hamburg und wird dies – nach vom Konsulat zu Redaktionsschluss dieses Buchs bestätigten Informati-onen – nicht mehr lange sein. Denn die Vertretung möchte sich verklei-nern und plant den Umzug in eine neue Immobilie. Das Haus birgt das architektonische Geheimnis, aus ehemals zwei Villen zusammengesetzt zu sein. Nummer 27 war eine freistehende Neorenaissance-Villa, die 1882 für den Kaufmann Gustav Michaelsen erbaut und einige Jahre später an den Gründer der Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Gesellschaft (spä-ter Deutsche Esso) Wilhelm A. Riedemann verkauft wurde. Mit dem Eck-turm und den steilen französischen Dächern wirkte sie wie ein kleines Loire-Schloss (Abb. 12). Im Innern beeindruckten den Besucher 34 Zim-mer, lederbezogene Türen und eine von Marmorsäulen getragene große Halle. Auch der Nachbarvilla am damaligen Ende der Fahrstraße fehlte es mit dem rundem Turm und dem getreppten Renaissancegiebel nicht an Eleganz (Abb. 13). Sie gehörte dem Kaufmann Julius Rée, der die Villa

Page 19: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

RotheRbaum

89

3

kurz nach der Fertigstellung an den Geschäftspartner und Schwiegersohn Riedemanns, Eduard Sanders, verkaufte. Beide Villen stammen aus dem Architekturbüro Martin Hallers und waren gestalterisch durch die sich spiegelnden Türme und räumlich durch zwei Torbögen verbunden. Wie bei vielen anderen Villen an der Alster lagen die Wirtschaftsgebäude auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks an der Klopstockstraße (heute Warburgstraße). Von der architektonischen Ausgestaltung her ließen es die Stallgebäude mit einer Wohnung für die Dienerschaft an nichts feh-len. Schon 1906 fand ein erster von Martin Haller geleiteter vollständiger Umbau der Villa statt. Trotzdem sind im Innern der beiden Häuser eine Vielzahl von Räumen mit ihrer originalen Wand- und Deckenausstattung erhalten. Auch die Fassade der Villa Nummer 27 entspricht noch weitge-hend der Ausführung Martin Hallers.

1934 ließ der Gauleiter Karl Kaufmann die beiden Villen durch Elingius & Schramm zu einem Bau vereinigen, um dort für seinen Stab ein Haupt-quartier der Nationalsozialisten einzurichten. Dazu wurden die Dächer und der rechte Turm abgetragen und eine Brücke sowie ein schmaler Ver-

12+13 villa micHaelsen und villa Rée, beide um 1910

Page 20: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

90

RotheRbaum

bindungsgang im ersten Stock hinzugefügt. 1945 konfiszierten die bri-tischen Besatzungstruppen die Häuser, und fünf Jahre darauf kaufte das US-Außenministerium die beiden ehemaligen Villen zur Unterbringung des amerikanischen Konsulats auf. Der neu angefügte Balkon mit Säulenvorbau soll bewusst an das Weiße Haus in Washington erin-nern. An Weihnachten schmückt ein großer Baum mit roten, weißen und blauen Kerzen den Balkon. Der erste amerikanische Konsul John Parish amtierte ab 1790 in Hamburg. Als eingebürgerter Hamburger war er bisher der einzige nicht-amerikanische Ge-sandte dieser Einrichtung (Abb. 14). Seit dem Anschlag am 11. September genießt das Konsulat besonderen Schutz, und die Straße Alsterufer wurde bis auf Weiteres für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrt.

Der nächste Haltepunkt des Rundgangs befindet sich zwei Hausnum-mern weiter.

4 büRoHaus »affenfelsen«, alsteRufeR 30

Laut Bebauungsplan aus den 1950er Jahren war an der Außenalster nur Wohnbebauung vorgesehen, an dieser Stelle sollte ein Hotel entstehen. Der Investor zog sich jedoch frühzeitig zurück, weil ein Drittel des Bau-grundstücks für die Anfang der 1970er Jahre projektierte Stadtautobahn (die als Tunnelstrecke unter der Alster entlangführen sollte) freigehalten werden musste. Mit verändertem Bebauungsplan als Zugeständnis an die Wirtschaftlichkeit baute die Robert Vogel AG hier nun ein elfgeschossi-ges Bürohaus für Gruner + Jahr. Auf verkleinerter Fläche entstand dabei 1971/72 ein kompakter Baukörper, dessen Wuchtigkeit und Höhe die Rela-tionen seiner Umgebung sprengte. Durch die getreppte, zum Alsterufer hin abgestufte Fassade und die dezente Farbigkeit gelang es den Archi-tekten Fritz Rafeiner und Anton Gnech allerdings, das mächtige Volumen teilweise abzumildern.

14 JoHn paRisH (1742–1829)

Page 21: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

RotheRbaum

91

3Der Skelettbau besteht aus Stahlbeton-Fertigteilstützen und -decken. Auch die Balkongalerien sind aus Stahlbeton, der Kern ist aus Ortbeton. Verwendet wurde ein in den 1960er Jahren vor allem für den Hochschul-bau entwickeltes Fertigteilbausystem, das jedoch auch bei anderen Bau-aufgaben Verwendung fand. Die Fertigteilbauweise rastert den Bau in Module und ermöglichte es, ihn variabel zu halten, das heißt ihn an den Knotenpunkten sowohl in der Breite als auch in der Höhe zu späteren Zeit-punkten zu erweitern beziehungsweise abzubauen. In diesem Modulsys-tem, das sich aus Anregungen des japanischen Architekten Kenzo Tange speist, wurden damals nicht nur praktische, sondern auch gestalterische Vorzüge gesehen. Tange übertrug die Formen traditioneller japanischer Holzarchitektur mit Galerien auf zeitgenössische Materialien und mo-derne Fertigungsprinzipien. Zum Komplex am Alsterufer gehört auch ein viergeschossiges Büro- und Wohngebäude an der Warburgstraße 45. Im Hamburger Volksmund, der nur wenigen Bauten einen Spitznamen gibt, heißt das Gebäude mit der auffälligen Kubatur »Affenfelsen« (Abb. 15). Es ist das jüngste Gebäude, das in diesem Buch vorgestellt wird.

Nun geht es links in die Straße Klein Fontenay. Am Straßenende sieht man zu unbelaubten Zeiten das Wohn- und Gartenhaus von John Fon-tenay.

15 büRoHaus »affenfelsen«

Page 22: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

92

RotheRbaum

GaRtenHäuseR, landHäuseR, villenZu den ersten Häusern vor dem Dammtor zählten die Wirtschafts-

gebäude der Böckmann’schen Gartenanlagen. Auch andere Hambur-ger errichteten hier draußen in der Landschaft ihre Gartenhäuser (vgl. Grindelviertel-Spaziergang, Abb. 29). Typisch waren aus waagerech-ten Holzbohlen zusammengesetzte Unterkünfte wie das Gartenhaus John Fontenays (vgl. Station John Fontenay’s Testament). Beispiel für ein steinernes Gartenhaus ist das ehemalige »Theater im Zimmer« in der Alsterchaussee 30. Um 1850 standen an der Wasserseite des Harves-tehuder Wegs ungefähr 25 Gartenhäuser. Als der Platz und die Luft in-nerhalb der Stadtmauern knapper wurden, zog es die reichen Kaufleute immer häufiger in ihre Landhäuser mit Ausblick auf den Alsterteich. Und so veränderte sich auch die Architektur. Man legte auf eigene Kosten Privatstraßen an und baute nunmehr dauerhafte Unterkünfte. Die erste ganz-jährig bewohnte Villa ist die noch erhal-tene Slomanburg von 1848/49 am Harvestehuder Weg 5. Spezialist für den Bau der prunkvollen Villen war der Architekt Martin Haller, der enge Bezie-hungen zur Hamburger Society pflegte. Gefragt waren Häuser im Stil der mediterranen Renaissance und des Barock. Bei seinen Kunden waren besonders Säulenvorbauten, glasüberwölbte Hallen und aus der Symmetrie gestellte Türme beliebt. In Geschmacksfragen konnte die seit 1898 einmal in der Woche erscheinende »Illustrierte Villen-Zeitung« zu Rate gezogen werden, die für fünfzig Pfenning

landHäuseR, 1857

Page 23: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

RotheRbaum

93

3

5 JoHn fontenay’s testament, fontenay, fontenay-allee, klein fontenay

Unser Weg geht nun tiefer in das Fontenay’sche Areal und führt nach rechts durch die mit Linden bepflanzte Fontenay-Allee (Abb. 17). John Fontenay war ein erfolgreicher Hamburger Schiffsmakler (Abb. 16). Nach eigener Aussage wurde er 1769/70 in den USA geboren und soll 1797 von Philadelphia nach Hamburg gekommen sein. Hier erhielt er 1801 das Hamburger Bürgerrecht und heiratete ein Jahr später die wohlhabende Witwe Anna Catharina Kirsten, die vier Kinder mit in die Ehe brachte. Während der ersten Elbblockade stellte Fontenay mit seinem lebenslan-gen Geschäftspartner Thomas Goulton Hesleden von Tönning aus einen Teil der Versorgung Hamburgs sicher. Während der Franzosenzeit wich die Familie, durch ihre amerikanische Staatsbürgerschaft begünstigt, nach London und Frankreich aus. Nach ihrer Rückkehr konnte der Kauf-mann zusammen mit Hesleben seine Stellung als Schiffsmakler in be-

im Quartal nach Hause geliefert wurde. Ganz aus Eigennutz versuchten die Villenbesitzer, den landschaftlichen Reiz der Gegend, von dem die grüne Stadt Hamburg noch heute profitiert, durch eine sparsame Bebauung zu erhalten. Und als die Sandwege für den seit Mitte des 19. Jahr-hunderts zweimal am Tag verkehrenden Omnibus planiert und Gaslaternen aufgestellt wurden, beschwerten sich die Landhausbesitzer, dass die natürliche Ländlichkeit der Gegend verloren gehe. Davon hat sich wenig bewahrheitet. Trotz der Besorgnis der Villenbesitzer ist das Als-terufer bis heute eine der reizvollsten und exklusivsten Wohngegenden Deutschlands geblieben.

slomanbuRG, 1911

Page 24: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

108cafés / RestauRants

Osteria Due Badestraße 4 www.osteriadue.de ➜ 15 Punkte im Gault Millau 2013

Ristorante Portonovo Alsterufer 2 www.ristorante-portonovo.de ➜ Italien an der Alster

Sgroi Restaurant Milchstraße 7 www.annasgroi.de ➜ Restaurant der Sterneköchin Anna Sgroi – Rezepte von ihr gibt es in älteren Ausgaben des SZ-Magazins

läden

Brillenhaus Wilke Bei St. Johannis 4 www.brillenhaus-wilke.de ➜ Museumsbrillen aus den 1930er bis 1980er Jahren, außerdem schicke aktuelle Modelle

Hauswedell & Nolte Pöseldorfer Weg 1 www.hauswedell-nolte.de ➜ Auktionshaus für Kunst, wertvolle Bücher und Autographen

Pöseldorf-Center Mittelweg 130 ➜ Ladenpassage für den Alltagsbedarf der Pöseldorfer

Flohmarkt am Turmweg im April und September www.melan.de ➜ einer der schönsten Flohmärkte Hamburgs

Wochenmarkt Turmweg www.hamburger-wochenmaerkte.de ➜ donnerstags von 8.30 bis 14 Uhr

Hotels

Alsterappartements (Boarding House) Heimhuder Straße 13 www.alsterappartements.de ➜ einfach ausgestattete 1–4-Zimmer-Appartements

Grand Elysée Hotel Hamburg Rothenbaumchaussee 10 www.grand-elysee.com ➜ 5-Sterne-Hotel mit über 500 Zimmern

Hotel am Rothenbaum Rothenbaumchaussee 107 www.hotelamrothenbaum.de ➜ zentral gelegenes Mittelklassehotel

Hotel Heimhude Heimhuder Straße 16 www.hotel-heimhude.de ➜ Hotel in ruhiger Wohnstraße

adRessen RotHeRbaum

Page 25: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

109Hotel-Pension Fink Rothenbaumchaussee 73 www.hotel-fink.de ➜ familien- und haustierfreundliche Pension

fReizeit / spoRt

Alster-Jugend- Segelclub e.V. Fährdamm 12 ajus.ynnor.de ➜ fördert den Segelsport für Kinder, Jugend-liche und Schulklassen

Deutscher Hochseesportverband HANSA e.V. Rothenbaumchaussee 58 www.dhh.de ➜ betreibt u.a. Yachtschulen an der Ostsee, am Chiemsee und am Mittelmeer

Staatliche Jugendmusikschule Hamburg Mittelweg 42 www.hamburg.de/jugendmusikschule/ ➜ qualifizierter Musikunterricht für Kinder

kultuR

AMD Akademie Mode & Design Alte Rabenstraße 1 web.amdnet.de ➜ Hochschule für kreative und nicht- kreative Berufe in der Modebranche

Hochschule für Musik und Theater Harvestehuder Weg 12 www.hfmt-hamburg.de ➜ staatliche Ausbildung für Instrumental-musik, Gesang und Regie

Institut Francais de Hambourg Heimhuder Straße 55 www.institutfrancais.de ➜ offizielle französische Kulturvertretung in Hamburg – Sprachkurse und Kulturver-anstaltungen

Konfuzius-Institut an der Universität Hamburg e.V. im Chinesischen Teehaus »Hamburg Yu Garden« Feldbrunnenstraße 67 www.ki-hh.de ➜ Förderung des deutsch-chinesischen Kulturaustauschs – Sprachkurse

soziales / non-pRofit

UNESCO Institute for Lifelong Learning Feldbrunnenstraße 58 uil.unesco.org ➜ setzt sich für das Recht auf Bildung ein, Erwachsenenförderung

adRessen RotHeRbaum

Page 26: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

110 leute aus eppendoRf

cHRistian blunck (*1968) ist ein Hamburger Hockeyspieler. Mit dem Har-vestehuder Tennis- und Hockeyclub e.V. (HTHC) wurde er fünfmal Deut-scher Meister, mit der deutschen Nationalmannschaft holte er 1991 den Europatitel und die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1992. 1998 beendete er seine Karriere als aktiver Spieler, war kurzzeitig Trainer und schreibt heute für die Mopo und die Bildzeitung. Außerdem moderiert er Sportveranstaltungen.

Der Schriftsteller wolfGanG boRcHeRt (1921–1947) wurde im ersten Obergeschoss des Hauses in der Tarpen-bekstraße 82 geboren. Er und sein Vater, der Lehrer war, gingen auf dieselbe Schule in der Erikastraße. Mit 17 Jahren nahm Borchert heimlich Schauspiel-unterricht bei Helmut Gmelin und begann Gedichte zu schreiben. Kurz nach seinem ersten Engagement in Lüneburg wurde er 1941 zum Kriegsdienst einberufen. An der Ostfront zog er sich schwere Infektionen zu, von denen er sich auch nach seiner Rückkehr aus dem Krieg nicht richtig erholte. Im Krankenbett entstand neben zahlreichen Kurzgeschichten das bekannte Drama »Drau-ßen vor der Tür«, das einen Tag nach Borcherts Tod uraufgeführt wurde. Im Rosengarten an der Eppendorfer Landstraße wurde dem Schriftsteller 1994 ein Denkmal mit der Inschrift »Sagt Nein! Mütter, sagt Nein!« ge-setzt.

Page 27: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

111Der gebürtige Emdener kaRl dall (*1941) verließ Ostfriesland nach seiner Schulzeit und einer Schriftsetzerlehre. In Berlin-Kreuzberg gründete er 1967 die Musikgruppe Insterburg & Co. In den 1980/90er Jahren moderierte

der Komiker im Fernsehen zahlreiche eigene Shows wie »Dall-As« oder »Jux und Dallerei« und war in »Ver-

stehen Sie Spaß?« der kalauernde Filmvorführer. In über zehn Kinofilmen war er als Schauspieler in der Hauptrolle zu sehen. Karl Dall wohnt in einer

Jugendstil-Villa in Harvestehude und besitzt außer-dem eine alte Mühle in Ostfriesland.

Jan delay (*1976) wuchs in Eppendorf in einem Künstlerhaushalt auf. Er besuchte das Helene-Lange-Gymnasium und gründete als 15-Jähriger die Musikgruppe »Absolute Beginnerz«, mit der er als einer der wenigen Mu-siker in den 1990er Jahren auf Deutsch rappte. In den folgenden Jahren wechselte er zwischen Hip-Hop, Funk&Soul, Reggae und Rock und veröf-fentlichte in allen Musikrichtungen zum Teil mehrere Alben. Auch als DJ gelang ihm jeweils ein erfolgreicher Genremix. Sein englischer Künstler-name Delay bedeutet im Deutschen »Verzögerung« – ein typisches Stil-mittel in der Reggaemusik.

fReimut duve (*1936) ist ein Publizist und SPD-Politiker. Fast zwanzig Jahre lang gab er unter anderem die Buchreihe »rororo aktuell« heraus. Von 1980 bis 1998 war Duve über ein Hamburger SPD-Direktman-dat Mitglied des Bundestages. Als OSZE-Beauftrag-ter setzte er sich auf internationaler Ebene für die Freiheit der Medien ein. 1997 erhielt er zusammen mit Joachim Gauck den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken und 2004 das Große Bundesver-dienstkreuz. Freimut Duve wohnt in der Mollerstraße.

leute aus eppendoRf

Page 28: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

178

U-Bahn-Station Kellinghusenstraße * Friedhof Eppendorf * Wohnhof-allee Schrammsweg * Willsches Palais * Haus des Klostervogts * Hayns Park * Urban Gardening * Eppendorfer Mühle * Biskuitfabrik Lang-nese * Reihenhäuser Kösterstraße * Garten Alma de l’Aigle

eppendoRf

KELLINGHUSENSTRASSEu

HUDTWALCKERSTRASSEu

uSIERICHSTRASSE

LATTENKAMP (SPORTHALLE)u

b

BORSTELER CHAUSSEE

DEELBÖGEBRAAMKAMP

BEBE

LALL

EE BILSER STRASSE

INSE

LSTR

ASSE

OHLS

DORF

ER ST

RASS

E

BEBELALLEE

M

EENKWIESE BAUMKAMP

ALSTERDORFER STRASSE

DOROTHEENSTRASSE

SIERICHSTRASSE

LEINPFAD

HEILWIGSTRASSE

LOO

GEST

RASS

E

BREITENFELDER STRASSE

SCHOT

TMÜLLE

RSTR.

MARTINISTRASSE

EPPE

NDOR

FER L

ANDS

TRAS

SE

EPPEND.

M ARKTPLATZ

GESCHWISTER-SCHOLL-STRASSE

LOKSTEDTER WEG ERIKASTRASSE

NEDDERFELDTARPENBEKSTRASSE

BRÖDERM A N NSW

EG

TARPENBEK

EPP END. MÜHLENTEICH

ALST

ER

EPPENDORFER PARK

HAYNS PARK

UNIVERSITÄTS-KLINIKUM

EPPENDORF (UKE)

1

23

45

6

7

9

8

1011

6

Page 29: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

EppEndorf

179

6

staRtpunkt: U-Bahn-Station Kellinghusenstraße (U1/U3)endpunkt: Lokstedter Weg bei Nr. 102 (Haltestelle Frickestraße/ Buslinien 22, 39)daueR: etwa 1,5 Stunden

Eppendorf ist das älteste urkundlich nachweisbare Dorf im Umkreis der Stadt Hamburg. Der einstige Kern des Bauerndorfs lag von der Geest er-höht zwischen Ludolfstraße, Eppendorfer Landstraße und Schramms-weg. Südlich des Schrammswegs, zwischen Alsterfluss und Isebek, befand sich ein tiefer liegendes Gebiet, das als Gemeindewiese genutzt wurde. Auf der sogenannten Looge hatten die Kätner (die Bewohner und Eigentümer einer Kate) das Recht, Kühe und Pferde weiden zu las-sen sowie Torf zu stechen. Im Gegenzug mussten sie vertraglich festge-setzte, unentgeltliche Arbeitsdienste für das Kloster »Im Jungfrauenthal« erbringen, zu dessen Besitz Eppendorf seit 1343 gehörte. Zu dieser Zeit bestand Eppendorf bereits aus acht abgabepflichtigen Höfen. Ein Stand-ortvorteil Eppendorfs war die eigene Kirche, deren großes Einzugsgebiet Handwerker und kleine Gewerbetreibende dazu ermutigte, sich hier an-zusiedeln. Im politisch unruhigen 17. Jahrhundert mussten die Eppendor-fer jedoch drei Plünderungen der St. Johannis-Kirche über sich ergehen lassen – kaiserliche, schwedische und polnische Truppen raubten die Kir-chenschätze jeweils vollständig aus. Einen entscheidenden Schritt seiner Entwicklung machte Eppendorf im selben Jahrhundert, als die Hambur-ger Bürgermeister Sebastian von Bergen und Albrecht von Eitzen – als eine der ersten Städter – Land von den Eppendorfer Bauern erwarben, um dort Gartenhäuser zu errichten. Ende des 18. Jahrhunderts reichte die Bebauung mit Landsitzen an der Ostseite der Eppendorfer Landstraße fast bis zur Höhe des Eppendorfer Baums. Auf einer Karte von 1776 ist zu sehen, dass zu den meisten Häusern ein symmetrisch angelegter, wahr-scheinlich in Barocktradition stehender großer Garten gehörte (Abb. 1). Wie die Ausfallstraßen am Dammtor waren auch die meisten Straßen in

Page 30: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

180

EppEndorf

Eppendorf ein- oder doppelseitig mit Bäumen bepflanzt. Für Reisende muss Eppendorf ein angenehmer Flecken gewesen sein, denn in Reise-beschreibungen wird es mehrfach als landschaftlich reizvolles Gebiet er-wähnt. Die Looge wurde wegen des feuchten Untergrunds erst zwischen den beiden Weltkriegen parzelliert und mit gehoben ausgestatteten Eta-genhäusern in geschlossener Blockrandbebauung bebaut. Im Zweiten Weltkrieg blieb Eppendorf in weiten Teilen von den Bombenangriffen verschont. Unsere Tour durch den Dorfkern von Eppendorf beginnt an der U-Bahn-Station Kellinghusenstraße.

1 u-baHn-station kellinGHusenstRasse

Das Haltestellengebäude Kellinghusenstraße war einer der ersten Hoch-bahnbauten der 1912 eröffneten Ringlinie (vgl. Exkurs Ringlinie, S. 138).

1 eppendoRf, 1776

Page 31: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

EppEndorf

181

6

Seitdem trennte nicht mehr der Isebekkanal die feinen Harvestehuder von den bürgerlichen Eppendorfern, sondern die Hochbahntrasse. Der Station kam als Abzweige-Haltestelle Richtung Ohlsdorf mit vier Gleisen beson-dere Bedeutung zu. Das mit fränkischem Muschelkalk verblendete Halte-stellengebäude entwarf das Altonaer Architekturbüro Raabe & Wöhlecke. Auffällig ist die nur ästhetischen Zwecken dienende Überdachung des Ringgleises mit einem kupferbekrönten Portalbogen (Abb. 2). Auch der Aufgang zu den Gleisen wird durch einen Portalvorbau mit Dreiecksgiebel betont. Die Wandpfeiler des Portals bestehen aus zwei überlebensgroßen Figurengruppen des Bildhauers Johann Michael Bossard (1874–1950), wobei die dreiviertelplastischen Reliefs »Kraft und Schnelligkeit« als Ge-bälkträger die Funktion der klassischen Atlanten übernehmen. Die Mäd-chen jeweils zu Füßen eines Mannes und einer Frau tragen Girlanden und sitzen auf einem Rad, aus dem Blitze schießen. Diese versinnbildlichen die Dynamik des modernen Verkehrs und des technischen Fortschritts. Die Architekten Raabe & Wöhlecke hatten für die Ringlinie unter vie-len anderen Stationen auch die Haltestellengebäude Landungsbrücken (nicht mehr erhalten), Rödingsmarkt, Rathaus und Mundsburg entwor-fen. Aus der Feder des Büros stammt außerdem das Eingangsgebäude des Alten Elbtunnels. 1927/28 wurde das U-Bahnnetz mit der Kelljung-Linie von der Kellinghusenstraße bis zum Stephansplatz beziehungsweise zum

2+3 poRtal deR station kellinGHusenstRasse, 1912, und baHnsteiG, 1953

Page 32: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

182

EppEndorf

Jungfernstieg erweitert (heutige U1). Für den Bau wurde der Bahnsteig verlängert (Abb. 3), und um ein reibungsloses Umsteigen zu ermögli-chen, wurden die Gleise mit einer Fußgänger-brücke verbunden. Der Überbau ist eine Holz-Glas-Konstruktion

von Walther Puritz (1882–1957), mit dessen kubischer Rasterstruktur sich die Hochbahn zur Moderne bekannte (Abb. 4). Auch die übrigen Stationen der Kell-Jung-Linie prägen eine zur damaligen Zeit hoch-moderne Haltestellenarchitektur. Hervorzuheben ist besonders die U-Bahn-Station Klosterstern, ebenfalls von Walther Puritz entworfen. 1964 wurde die Haltestelle umfassend modernisiert und 2012 barriere-frei ausgebaut. Die U-Bahn-Station, die Straße und der gleichnamige Park sind nach Heinrich Kellinghusen (1796–1879) benannt. Im jährli-chen Wechsel war er Präsident des Senats und Präsident des Hamburger Obergerichts.

4 fussGänGeRbRücke kellinGHusenstRasse, 1982

5+6 HoltHusenbad, scHnitt, GRundRiss und fReibad, um 1937

Page 33: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

EppEndorf

183

6

Der U-Bahn-Station gegenüber schauen wir auf Eppendorfs Badean-stalt, das Holthusenbad (Abb. 7). Es wurde als Ersatz für die Flussba-deanstalt am Oberlauf der Alster eröffnet, die wegen der Alsterkana-lisierung (vgl. Exkurs Alsterkanalisierung, S. 191) aufgegeben werden musste. Die Bauweise der 1914 eröffneten Ba-deanstalt von Fritz Schumacher galt als musterhaft. Das Parterre um-fasste zwei tonnengewölbte voneinander getrennte Schwimmhallen für Männer und Frauen (Abb. 5). Sehr große Sorgfalt wurde der Reinhaltung des Schwimmbeckenwassers gewidmet. Die Gesundheitsbehörde ge-währleistete, dass ständig so viel Reinwasser zugeführt wurde, »daß das Wasser auch bei stärkstem Besuch solche Durchsichtigkeit behält, daß Unglücksfälle durch Ertrinken sicher vermieden werden können«. 1937 kam das Freibad hinzu (Abb. 6), und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der gemischte Badebetrieb eingeführt. Bis zu dieser Zeit war im ersten Stock das Standesamt mit holzgetäfeltem Hochzeitszimmer und im zwei-ten Geschoss eine Bücherhalle untergebracht.

Wir gehen nun weiter durch die Goernestraße bis zur Kreuzung Eppen-dorfer Landstraße. Dort liegt auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Marie-Jonas-Platz.

2 fRiedHof eppendoRf, maRie-Jonas-platz

Der Gemeindefriedhof befand sich bis 1837 an der Ostseite der Eppen-dorfer St. Johannis-Kirche. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung bot der kleine Kirchhof jedoch keine ausreichenden Bestattungsmöglichkeiten

7 HoltHusenbad, um 1914

Page 34: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

184

EppEndorf

mehr, sodass nach einer Beerdigung teilweise nur acht Jahre vergingen, bis Gräber wieder neu belegt wurden. Zeitweise sollen Gebeine und zer-schlagene Särge in der Nähe der Kirche zu finden gewesen sein. Deshalb wurde 1837 zwischen Kümmellstraße und Eppendorfer Landstraße an der Stelle des heutigen Marie-Jonas-Platzes ein neuer Friedhof angelegt, auf dem beispielsweise die Großbauernfamilie Timmermann, Pastor Ludolf, die Sierichs und die Kellinghusens bestattet wurden. Kurz nach dem Bau des Ohlsdorfer Friedhofs wurde der Eppendorfer Friedhof 1894 geschlos-sen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dann der Baumbestand abge-holzt, und die Fläche diente dem Anbau von Kartoffeln und Kohl, bis 1951 Karstadt dort ein großes Warenhaus eröffnete.

Auf der Eppendorfer Landstraße geht es nun ein kleines Stück gerade-aus und in die nächste Straße rechts hinein. Am Schrammsweg findet sich auf beiden Straßenseiten eine ausgedehnte Hinterhofbebauung.

teRRassen, passaGen, woHnHöfeArchitektonisch knüpfen Terrassen an die vorindustrielle ham-

burgische Hinterhofbebauung der Gängeviertel an und entwickeln die für Hamburg typischen, in Fachwerkbauweise errichteten Wohnhöfe der Innenstadt fort. Eine »Terrasse« bezeichnet zwei sich parallel ge-genüberstehende, vom Vorderhaus senkrecht in die Grundstückstiefe abgehende Häuserzeilen in den Stadterweiterungsgebieten. Sie dienen der besseren Ausnutzung der Blockinnenflächen, sind meist durch einen Torbogen von der Straße aus zugänglich und enden in der Regel als Sackgasse. Zur nächsten Straße hin offene Terrassen werden als Passagen bezeichnet. In Hamburg sind die Hinterhäuser der Wohn-höfe abgesetzte selbständige Gebäude und weisen in der Regel weniger Stockwerke als das Vorderhaus auf. Seit 1892 waren Wohnkeller und ein drittes Obergeschoss im Hinterhof verboten. Im Unterschied zu Berlin wurde in Hamburg der Anbau von gleich hohen Flügelbauten an die Vorderhäuser vermieden. Das Spektrum reichte von Gartenter-

Page 35: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

EppEndorf

185

6

3 woHnHofallee, scHRammsweG 19 a–l

Den Mittelpunkt des Terrassenensembles zwischen Eppendorfer Weg und Schrammsweg bildet die Wohnhofanlage Nummer 19 A–L (Abb. 8+9). Der Wohnkomplex von 1892/94 beginnt hinter der geschlossenen fünfge-schossigen Straßenrandbebauung mit einem untypischen Vorplatz vor der eigentlichen vertikal geschnittenen Häuserzeile. Die gestalterische Benachteiligung der Hinterhöfe ist hier weniger zu spüren. Das Eckhaus zur Terrasse wurde als historistische Stadthausarchitektur bauplastisch

8+9 woHnHof scHRammsweG 19 a–l, HofansicHt und teRRasse, 1983

rassen für das Bürgertum bis zu verschatteten, engen und mehrstö-ckigen Terrassen für die proletarischen Unterschichten. Je größer der Abstand zwischen den Hinterhauszeilen war, desto teurer waren die Mieten. Der Begriff Terrasse wurde aus dem Englischen entlehnt und sollte den Unterschied zwischen den dunklen und heruntergekomme-nen Gängen in der umwallten Stadt und den modernen, besser ausge-statteten Wohnhöfen in den Vororten deutlich machen. Während er in England für vornehme, fern vom Straßenlärm errichtete Reihenhäuser gebräuchlich war, diente er den Immobilienmaklern in Hamburg häu-fig zur Verschleierung manch dunkler Hinterhoftatsachen.

Page 36: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

186

EppEndorf

aufgewertet, sein Erdgeschoss ist mit hellen Zementquadern als So-ckelgeschoss ausgebildet, das erste Obergeschoss mit doppelten Fens-terverdachungen als Beletage und das zweite Obergeschoss als sparsa-mer ausgestaltetes Dachgeschoss. Die Aufteilung der Ziegelverblen-derfassade hat gründerzeitlichen Seriencharakter und entsprang dem Wunsch der Spekulanten nach

einer wirtschaftlich rentablen, standardisierten Baugestaltung. Nach zeit-genössischen Aussagen machte die Wohnhofallee dennoch einen »sehr behaglichen und freundlichen Eindruck«, und wegen des »baulichen sehr guten Zustandes« wurde sie als »Capitalanlage« empfohlen. Nicht zu-letzt steigerte auch die mit der orange-roten Fassade korrespondierende Blütenfarbe der Alleebäume die Wohnqualität. Was den Wert allerdings minderte, war eine kleine Hühnerzucht. Aus einer nachbarschaftlichen Beschwerde von 1897 geht hervor, dass auf den Hofflächen am Tage min-destens zwanzig Hühner frei umherliefen, die nachts in einen Bretterver-schlag gepfercht wurden. Auch von anderen Wohnhöfen ist bekannt, dass die Erdgeschossbewohner zur Aufwertung ihres Speiseplans Kleinvieh vor den Fenstern hielten. Trotz der verhältnismäßig aufwendigen Terrassenge-staltung am Schrammsweg gab es, was die Grundrisse, das Fassadendekor und das soziale Gepräge angeht, ein deutliches Gefälle zum Vorderhaus (Abb. 10). Heute spielen soziale Unterschiede im Terrassenensemble eine geringere Rolle, vielmehr sehen viele Bewohner einen Vorteil darin, in einer großstädtischen Oase ohne Verkehrslärm und parkende Autos vor der Haustür nachbarschaftliches Miteinander pflegen zu können.

Weitere knapp zwanzig Jahre später entstandene Hinterhofbebauung befindet sich im Hof der Hausnummern 12 und 33 sowie, nahezu zeit-gleich errichtet, bei Nummer 13 und 25/27.

10 scHRammsweG 17+21, voRdeRHaus, 1983

Page 37: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

EppEndorf

187

6

Wir gehen nun den Schrammsweg weiter bis zur Kellinghusenstraße, biegen dort links ein und gehen bei der nächsten Möglichkeit wieder links in die Hahnemannstraße. Wer mag, kann einen kurzen Abstecher zum Spielplatz und einer imposanten alten Kastanie im Blockinnern von Hausnummer 7 machen. Am Ende der Straße überqueren wir die Heini-ckestraße und haben von dort einen Blick auf das gegenüber, an der Lu-dolfstraße stehende Willsche Palais.

4 willscHes palais, ludolfstRasse 19

Dort, wo sich heute kein Fußgänger freiwillig hin verirrt, steht eines der ältesten Gebäude Eppendorfs. Es ist eines der wenigen Landhäuser, das die Industrialisierung überlebt hat, und liegt direkt im alten Dorfkern an der ältesten Wegeverbindung nach Hamburg. Das Gebäude, dessen Gar-ten bis an die Alster reichte, wurde in mehreren Phasen errichtet (Abb. 11). Der älteste zweiachsige Kernbau aus Backstein entstand um 1700. Zu diesem Bau gehören – wenn man von der Ludolfstraße auf das Gebäude blickt – die beiden linken Fensterachsen. Ihn gliedern Kolossalpilaster mit korinthischen Sandsteinkapitellen, ein stark betonendes Holzge-sims sowie ein weit ausschweifendes gewalmtes Satteldach. Im Parterre des Kernbaus befand sich ein Gartensaal. Die fünf (EG) beziehungsweise

11+12 willscHes palais: GaRtenseite, 1944, und fRont, 1984

Page 38: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

204

adRessen eppendoRf

baRs /kneipen / nacHtleben

Café Borchers Geschwister-Scholl-Straße 1–3 www.borchers-hamburg.de ➜ jeden 3. Samstag im Monat von Sep tember bis April Tanznächte mit wech-selnden DJs

Café Silwar Bucht Eppendorfer Landstraße 148 B www.bootshaus-silwar.com ➜ jeden Mittwoch Jam Session mit inter-nationalen Jazzgrößen, Café kann auch komplett angemietet werden

cafés / RestauRants

Konditorei Lindtner Eppendorfer Landstraße 88 www.konditorei-lindtner.de ➜ Familienbesitz in dritter Generation, fertigt feine Pralinen, Marzipan, Petit Fours und Torten

Cornelia Poletto Eppendorfer Landstraße 80 www.cornelia-poletto.de ➜ Feinkostladen mit familiärem Restaurant, geführt von der bekannten Sterneköchin

Schramme 10 Schrammsweg 10 www.schramme10.de ➜ existiert seit den 1950er Jahren und hieß früher »Schikane«. Es werden jedes Jahr vier Tonnen Erdnüsse ausgegeben.

Shukria India Eppendorfer Marktplatz 8 www.shukria.de ➜ indisches Restaurant mit reich- haltiger Karte

läden

Antiquitäten Carsten Brundert Wolfgang-Borchert-Haus Tarpenbekstraße 82 www.brundert-hamburg.de ➜ An- und Verkauf von Kunst, Antiqui-täten und skandinavischen Designermöbeln

BoConcept Eppendorfer Marktplatz 2 www.boconcept.com ➜ dänisches Möbeldesign seit 1952

Das Buch in Eppendorf Eppendorfer Landstraße 56 20249 Hamburg ➜ tolle belletristische Buchhandlung mit beschlagenen Buchhändlerinnen

Page 39: 2014 10 24 eppendorf leseprobe

205

adRessen eppendoRf

Kaufrausch Isestraße 74 www.kaufrausch-hamburg.de ➜ Mutter aller Concept-Stores in Hamburg

Otto F. K. Koch Eppendorfer Landstraße 104 www.papeterie-hamburg.de ➜ Papierwarenparadies und Fachgeschäft, Beratung inklusive

Milchmädchen Lehmweg 47 www.milchmaedchen-design.de ➜ handverlesene internationale Designs aus kleinen Manufakturen

Speicherstadt Kaffeerösterei Eppendorfer Baum 38 www.speicherstadt-kaffee.de/filiale-eppendorf.html ➜ vierzig Sorten röstfrische Kaffees aus der Speicherstadt

Weichsel78 Tischlerei Tarpenbekstraße 78 www.weichsel78.de ➜ schöne Formen und feine Funktionen, Maßanfertigungen für Möbel

Weltrecord Eppendorfer Landstraße 124 www.weltrecord.de ➜ Spezialist für »Weltmusik«

Hotels

Privatzimmer Bed and Breakfast, www.bed-and-breakfast.de/Hamburg/Eppen-dorf-Nord-Doppelzimmer-HHPieDz.html ➜ Privatzimmer mit Frühstück

fReizeit / spoRt

Alster-Canoe-Club e.V. Ludolfstraße 15 www.alster-canoe-club.de ➜ Angebot für Kanadier, Kajaks, Drachen-boote, Kanuwandern, Wildwasserfahrten, Kanupolo

Bootshaus Barmeier Eppendorfer Landstraße 180 www.bootshaus-barmeier.de ➜ Kanu- und Kajaklagerung seit 1926, Gartencafé, kein Verleih

Bootshaus Silwar Eppendorfer Landstraße 148 B www.bootshaus-silwar.com ➜ ganzjährige Bootsplätze und Kanu-Ver-leih, hier gibt’s den Schwan und die Ente

W.E.T. Winterhude-Eppendorfer Turnverein von 1880 e.V., Erikastraße 196 www.wet-sport.de ➜ 14 Sportarten für Freizeit- und Breiten-sportler