2015-04-29 Paul Krugman - Schaeuble nichts gelernt - MZ

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Tweet Drucken per Mail BERLIN. 19.04.2015 13:48 Uhr | Aktualisiert 19.04.2015 13:49 Uhr Nobelpreisträger Paul Krugman „Schäuble hat nichts dazu gelernt“ VON MARKUS SIEVERS Der US- Starökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman ist fassungslos über die deutsche Euro-Politik. Er sieht in Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die deutsche Halsstarrigkeit, die Europa zwinge, sich kaputt zu sparen und zu reformieren. Von Volkswirten hält Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), um es vorsichtig auszudrücken, herzlich wenig. Eine ganz spezielle Abneigung aber verbindet den Juristen mit dem US-Starökonomen Paul Krugman, der 2008 den Nobelpreis gewann und als international gefeierter Kolumnist sein Publikum mit Attacken gegen die deutsche Sparpolitik begeistert. Für Schäuble steht der scharfzüngige Kritiker für das, was er besonders verachtet: die angelsächsischen Wirtschaftsprofessoren, die eine lockere Geldpolitik und schuldenfinanzierte Konjunkturprograme lieben – also alles, was Schäuble ablehnt. Für Krugman symbolisiert der Bundesfinanzminister die deutsche Halsstarrigkeit, die Europa zwinge, sich kaputt zu sparen und zu reformieren. Einmal im Leben sind sich die beiden Männer beiläufig begegnet. Das war vor vielen Jahren, als Schäuble in Kiel eine Rede bei einer Preisverleihung an den US-Star- Ökonomen Paul Krugman hielt. Doch diese Woche nutzten die beiden die Griechenland- Debatte, um ihre Fehde neu aufleben zu lassen. Inhaltlich steht ihre Kontroverse für die grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten über die Euro-Krise, ihre Ursachen und mögliche Lösungen. Schäuble rechtfertigt die deutsche Position Den Aufschlag machte Schäuble mit einem Gastbeitrag in der New York Times. Nobelpreisträger Paul Krugman (BILD: DPA)

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2015-04-29 Paul Krugman: Schäuble nichts gelernt - Mitteldeutsche Zeitung.

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    BERLIN.

    19.04.2015 13:48 Uhr | Aktualisiert 19.04.2015 13:49 Uhr

    Nobelpreistrger Paul Krugman

    Schuble hat nichts dazu gelernt

    VON MARKUS

    SIEVERS

    Der US-

    Starkonom

    und Nobelpreistrger Paul Krugman ist fassungslos ber die deutsche Euro-Politik. Er

    sieht in Bundesfinanzminister Wolfgang Schuble die deutsche Halsstarrigkeit, die

    Europa zwinge, sich kaputt zu sparen und zu reformieren.

    Von Volkswirten hlt Bundesfinanzminister Wolfgang Schuble (CDU), um es

    vorsichtig auszudrcken, herzlich wenig. Eine ganz spezielle Abneigung aber verbindet

    den Juristen mit dem US-Starkonomen Paul Krugman, der 2008 den Nobelpreis gewann

    und als international gefeierter Kolumnist sein Publikum mit Attacken gegen die deutsche

    Sparpolitik begeistert. Fr Schuble steht der scharfzngige Kritiker fr das, was er

    besonders verachtet: die angelschsischen Wirtschaftsprofessoren, die eine lockere

    Geldpolitik und schuldenfinanzierte Konjunkturprograme lieben also alles, was

    Schuble ablehnt. Fr Krugman symbolisiert der Bundesfinanzminister die deutsche

    Halsstarrigkeit, die Europa zwinge, sich kaputt zu sparen und zu reformieren.

    Einmal im Leben sind sich die beiden Mnner beilufig begegnet. Das war vor vielen

    Jahren, als Schuble in Kiel eine Rede bei einer Preisverleihung an den US-Star-

    konomen Paul Krugman hielt. Doch diese Woche nutzten die beiden die Griechenland-

    Debatte, um ihre Fehde neu aufleben zu lassen. Inhaltlich steht ihre Kontroverse fr die

    grundstzlichen Meinungsverschiedenheiten ber die Euro-Krise, ihre Ursachen und

    mgliche Lsungen.

    Schuble rechtfertigt die deutsche Position

    Den Aufschlag machte Schuble mit einem Gastbeitrag in der New York Times.

    Nobelpreistrger Paul Krugman

    (BILD: DPA)

  • Ausgerechnet in der New York Times, dem Hausblatt Krugmans, in dem der seine

    gefrchteten Kolumnen verffentlicht. Schuble rechtfertigte die deutsche Position, die

    bei den Volkswirtschafts-Professoren der Eliteunis in Harvard, Yale, Princeton und Oxford

    auf pures Unverstndnis stt, genau wie bei den von ihnen ausgebildeten konomen

    der internationalen Organisationen wie dem IWF. Europa sei auf gutem Weg, die Krise

    und ihre Ursachen bekmpfen, betonte Schuble. Trotz aller Vorwrfe haben

    Deutschland nicht die Krise mit einer berzogenen Sparpolitik verschrft. Vielmehr setzte

    sich die Bundesregierung mit Erfolg fr eine wachstumsfreundliche Konsolidierung ein.

    Dies heit, die Euro-Krisenlnder sollen ihre Verschuldung konsequent reduzieren. Sie

    sollen mit Strukturreformen ihre Wettbewerbsfhigkeit steigern. Strukturreformen - das

    Wort steht fr harte Vernderungen, den Umbau der Wirtschaft durch eine ffnung der

    Arbeitsmrkte, also etwa einen Abbau der Kndigungsschutzregeln, durch steuerliche

    Anreize fr Investoren oder durch weniger soziale Absicherung. Diese Therapie ziele

    darauf, Vertrauen in die Lnder wieder herzustellen. Einfach mehr ffentliches Geld

    auszugeben htte nichts gebracht und bringt auch heute nichts, so Schuble.

    Schon dieser Satz ist fr Krugman eine einzige Provokation. Auf einem internationalen

    Kongress, zu dem ihm die Hans-Bckler-Stiftung nach Brssel geladen hatte, setzte er

    zum Konter an. In seiner gewohnt ironisch-satirischen Art bezeichnete er das Konzept der

    wachstumsfreundlichen Konsolidierung als konomische Innovation, die ebenso

    bemerkenswert wie unsinnig sei. Die Austeritt also ein zu harter Sparkurs - habe

    Europa in eine Lage gefhrt, die mit der groen Depression der 1930er Jahre in den

    USA vergleichbar sei. Eine Volkswirtschaft knne nicht wachsen, wenn die Politik die

    Nachfrage mit Einsparungen und Krzungen immer weiter drcke. Niederschmetternd

    sei die Position Schubles. Er hat in fnf Jahren nichts dazu gelernt. Und dann erzhlte

    Krugman noch von einer Fernsehsendung aus seiner Kindheit. Immer wieder sei darin ein

    Mann mit dem Kopf gegen eine Wand gelaufen. Als er gefragt worden sei, warum er dies

    tue, habe er geantwortet: Es fhlt sich so schn an, wenn es aufhrt.