2015-06 Kims Ex-Hofpoet Jang Jin Sung bekaempft nun Diktatur

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Kims Ex-Hofpoet Jang Jin Sung bekämpft nun Diktatur, in: Die Welt vom 17. Juni 2015.

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  • 20.6.2015 Kims Ex-Hofpoet Jang Jin-sung bekmpft nun die Diktatur - DIE WELT

    http://www.welt.de/politik/ausland/article142604198/Er-war-Kims-Hofpoet-jetzt-bekaempft-er-die-Diktatur.html 1/5

    Jang Jin-sung war der Hofpoet von Diktator Kim Jong-il. Dann musste er fliehen. Heute

    kmpft er mit seinem Insiderwissen gegen das System, das er einst lyrisch umschmeichelte.

    Eine Begegnung.

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    Politik Ausland Kims Ex-Hofpoet Jang Jin-sung bekmpft nun die Diktatur

    POLITIK LYRIK FR DEN FHRER 17.06.15

    9 Twittern Von Bjrn Rosen

    In Berlin zu sein, erinnert ihn an die "Titanic". "Wissen Sie, wer die Katastrophe das

    erste Mal verfilmt hat?", fragt Jang Jin-sung. Das Publikum im sdkoreanischen

    Kulturzentrum am Leipziger Platz ist irritiert; eigentlich soll es am heutigen Abend

    doch um Nordkorea gehen. Einer ruft: "Die Amerikaner?" "Die Nazis!", antwortet

    Jang.

    Das stimmt zwar nicht ganz Goebbels' antibritischer Propagandafilm von 1943

    war blo die erste groe Produktion , doch fr Jangs Geschichte spielt das keine

    Rolle. Wie einst bei den Nazis werde die Schiffskatastrophe auch in seiner Heimat

    als Untergang des Westens gedeutet, erklrt er. Weil am gleichen Tag, dem 15.

    April 1912, Staatsgrnder Kim Il-sung geboren wurde, heit es in Nordkorea, dass

    die Sonne damals im Westen unterging, um im Osten aufzugehen.

    Es ist Anfang Juni, und Jang, einer der ranghchsten berlufer, die Nordkorea je

    Richtung Sden verlassen haben, ist fr ein paar Tage zu Gast in der deutschen

    Foto: Bjrn Rosen

    Jang Jin-sung war Dichter in Diensten des Diktators Kim Jong-il

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    Er war Kims Hofpoet, jetztbekmpft er die Diktatur

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    Gedicht ber Kim Jong-ilvon Jang Jin-sung

    Hauptstadt. Komo, eine rtliche Menschenrechtsorganisation, hat den 44-Jhrigen

    eingeladen. Viele Koreaner sehen im wiedervereinten Berlin ein Symbol dafr, dass

    auch ihr Land die Teilung berwinden kann. Bei Jang Jin-sung lst die Stadt andere

    Assoziationen aus. "Nordkorea hat mehr mit dem Naziregime als mit der DDR

    gemein, es gibt Lager fr politische Gefangene, eine vlkische Ideologie, und das

    Land befindet sich in permanenter Kriegsbereitschaft."

    Der Ex-Hofpoet braucht jetzt Personenschutz

    Jang ist berzeugt, dass westliche Medien und Experten das abgeschottete,

    totalitre Nordkorea falsch verstehen. Er will aufklren, immerhin war er ein Insider.

    Anders als die meisten der 27.000 Nordkoreaner, die es in den Sden geschafft

    haben, ist er nicht vor Hunger und Not geflohen. Bis zu seinem Seitenwechsel 2004

    war er Dichter in Diensten des Staates, fhrte als Hofpoet des mittlerweile

    verstorbenen Diktators Kim Jong-il ein privilegiertes Leben. Das System, dem er

    einst diente heute ist es sein grter Feind.

    Am Tag nach dem Auftritt im Kulturzentrum erscheint Jang zum Interview, sein

    mittellanges Haar sieht wie am Abend zuvor ein wenig zerzaust aus. "Ich bin

    heimlich nach Berlin gekommen", sagt er und lacht. Die Personenschtzer, die ihn

    sonst auf Schritt und Tritt begleiten, habe er in den Niederlanden zurckgelassen;

    dort forscht er gerade als Nordkorea-Fachmann an der Uni Leiden. Bis heute

    beschimpfen ihn die nordkoreanischen Medien, er erhlt Drohmails.

    Jang betreibt "New Focus", ein Nordkorea-Portal im Internet. Vergangenes Jahr hat

    er auerdem ein Buch verffentlicht, das zum internationalen Erfolg geworden ist.

    Eine deutsche bersetzung gibt es noch nicht, auf Englisch trgt es den Titel "Dear

    Leader", eine Anspielung auf Kim Jong-il, offiziell der "Geliebte Fhrer". Das Buch

    vereint auergewhnliche Einblicke in den nordkoreanischen Machtapparat mit den

    Qualitten eines Thrillers. Jang berichtet darin von seinem Leben in Nordkorea und

    von seiner Flucht.

    Der Diktator wirkt vulgr und verzweifelt

    Ein Hhepunkt: die Schilderung einer seltenen Begegnung mit Kim. Der Diktator

    hatte Jang wegen eines Gedichts, das ihn hochleben lie, in den Kreis seiner

    Auserwhlten aufgenommen Immunitt und teure Geschenke inbegriffen. Die

    Audienz besteht aus einem feinen Essen. Die Gste sind angewiesen, dem Fhrer

    nicht in die Augen zu blicken. Als Kim bei der Darbietung eines russischen

    Volksliedes zu weinen beginnt, tun es ihm alle Anwesenden gleich. Jang ist irritiert:

    Der vermeintliche Gott wirkt auf ihn vulgr und verzweifelt.

    Jang Jin-sungs Liebe zur Poesie begann mit den gesammelten Werken Lord

    Byrons. Als Jugendlicher konnte er einen Blick in das Buch werfen, von dem es in

    Nordkorea nur hundert markierte Exemplare gab, zu denen kaum jemand Zugang

    hatte. Die Gedichte des Briten, die er in koreanischer bersetzung liest, faszinieren

    ihn. Durch sie lernt Jang auch, dass das Adjektiv "geliebt" nicht allein fr Kim Jong-il

    existiert.

    Whrend Kim Il-sung vor allem Romanautoren protegierte, setzte sein Sohn auf die

    Lyrik als Propandainstrument. Jangs gefeiertes Gedicht "Der Frhling ruht auf dem

    Pistolenlauf des Herrn" portrtierte den jngeren Kim als Beschtzer der gesamten

    koreanischen Halbinsel und propagierte dessen "Militr zuerst"-Politik.

    General Kim Jong-il, / und nur er, / ist der Herr

    der Waffe, / Herr der Gerechtigkeit, / Herr des

    Friedens, / Herr der Wiedervereinigung. / Ah,

    der wahre Fhrer des koreanischen Volkes!

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  • 20.6.2015 Kims Ex-Hofpoet Jang Jin-sung bekmpft nun die Diktatur - DIE WELT

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    aus dem Gedicht Der Gefangenevon Jang Jin-sung

    Es schliet mit den Zeilen: "Das ist die Waffe/ die in den Hnden eines niedrigen

    Mannes/ nur Mord begeht,/ aber wenn sie von einem groen Mann gehandhabt

    wird/ alles berwinden kann./ Die Geschichte hat gezeigt,/ Krieg und Gemetzel

    gehren/ den Schwachen./ General Kim Jong-il,/ und nur er,/ ist der Herr der

    Waffe,/ Herr der Gerechtigkeit,/ Herr des Friedens,/ Herr der Wiedervereinigung./

    Ah, der wahre Fhrer des koreanischen Volkes!"

    "Unter Kim Jong-il war Nordkorea voll auf die Bedrfnisse dieses einen Mannes

    ausgerichtet", sagt der berlufer. Kim Il-sung erscheint in Jangs Buch dagegen in

    vergleichsweise mildem Licht. Der Staatsgrnder habe die Macht auch nicht

    wirklich an seinen Sohn weitergereicht. Kim Jong-il habe sie sich erschlichen,

    indem er den bizarren Personenkult um den Vater geschickt nutzte.

    Sein zentrales Mittel war dabei angeblich die "Organisations- und

    Lenkungsabteilung", eine kleine Gruppe Getreuer, die schrittweise alle wichtigen

    Positionen im Lande besetzt habe. Nach dem Tod von Kim Jong-il 2011 liege die

    Macht nun bei den Mnnern dieser verborgenen Organisation nicht beim Militr,

    wie oft vermutet wird, und schon gar nicht beim jungen Kim Jong-un, der keine

    Seilschaften besitze und blo eine Marionette sei. "Die Exekution seines Onkels

    Jang Song-thaek Ende 2013 war gleichbedeutend mit der Exekution des Fhrers

    selbst."

    Jang Jin-sung hlt das System nicht fr reformierbar. Die Hoffnung, Kim Jong-un

    knne es schrittweise ffnen, sei eine Illusion. "Die entscheidenden Leute im

    Apparat kennen nur die geschlossene Welt, in der sie leben."

    Jang legt Wert darauf, Nordkorea und seine Menschen nicht verraten zu haben.

    "Das Regime hat mich verraten." Lange hat er selbst an dessen Lgen geglaubt.

    Etwa, dass es Kim Il-sung war, der Japan im Zweiten Weltkrieg besiegte, oder

    dass die Sdkoreaner in Armut leben. Seine Zweifel wuchsen, als er whrend der

    Hungerkatastrophe der 90er-Jahre sein Heimatdorf besuchen durfte.

    Dort erlebte er damals apokalyptische Szenen, von denen er in Pjngjang nichts

    ahnte. Die Gedichte, die Jang im Anschluss daran zu schreiben begann, hielt er

    versteckt. In "Der Gefangene" beschreibt er die Exekution eines Diebes: "Wo

    immer Menschen versammelt sind,/ kann man Schsse hren./ Heute, unter den

    Blicken der Menge,/ wird ein weiterer Mann verurteilt./ ,Wir drfen kein Mitgefhl

    haben!/ Selbst wenn er schon tot ist, mssen wir ihn noch einmal umbringen!'/ Die

    Losung wird unterbrochen: Peng! Peng!/ whrend man den Rest der Botschaft

    berbringt./ Wie kommt es,/ dass die Menge heute still ist?/ Das Verbrechen des

    Gefangenen: der Diebstahl eines Sacks Reis./ Seine Strafe: 90 Kugeln ins Herz./

    Sein Beruf:/ Bauer."

    Ein Buch zwingt den Psycho-Krieger zur Flucht

    Zuletzt arbeitet Jang in der psychologischen Kriegsfhrung. Um sich in den Kopf

    des Feindes hineinversetzen zu knnen, ist es ihm erlaubt, sdkoreanische Medien

    zu nutzen ein Privileg, das unter 25 Millionen Einwohnern vielleicht 500 Leute

    haben, wie er heute schtzt. Was er liest und hrt, ffnet ihm die Augen.

    Eines Tages verleiht Jang ein sdkoreanisches Buch. Das ist streng verboten. Als

    sein Freund das Buch in Pjngjangs Metro vergisst, haben die beiden keine Wahl.

    Sie mssen fliehen. Jang verlsst seine Eltern, ohne ihnen sagen zu knnen, was

    er vorhat. Die einmonatige Odyssee ber den zugefrorenen Grenzfluss und durch

    das winterlich kalte China berlebt er nur mit Glck.

    Das Verbrechen des Gefangenen: der Diebstahl

    eines Sacks Reis. / Seine Strafe: 90 Kugeln ins

    Herz. / Sein Beruf: / Bauer.

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    Die Leute im Apparat kennen nur

    die geschlossene Welt, in der sie

    leben

    Jang Jin-sungEx-Hofpoet von Kim Jong-il

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    "Irgendwann mchte ich zurckkehren", sagt

    Jang. Er gibt dem Regime noch fnf bis sieben

    Jahre. Dessen Brutalitt vor allem die

    Sippenhaft bis in die dritte Generation halte die

    Menschen nieder. Doch die Krfte des

    Schwarzmarkts wrden immer mehr zu einem

    Gegengewicht zum Staat. Und die zunehmende

    Zahl ffentlicher Hinrichtungen deute auf starke

    interne Machtkmpfe hin. "Die Elite ist an das

    Geben und Empfangen von Befehlen gewhnt,

    es fehlt die Fhigkeit, Kompromisse einzugehen."

    Jang rechnet damit, dass die

    Auseinandersetzungen noch intensiver werden "bis keiner mehr da ist". Wirklich

    optimistisch klingt das nicht.

    Von auen knne man den Nordkoreanern am besten helfen, indem man sie, so

    gut es geht, mit der Wahrheit vertraut mache, glaubt Jang. Er ist inzwischen mit

    einer Sdkoreanerin verheiratet, das Paar hat einen Sohn. Eine Wiedervereinigung

    im Kleinen. Und wie geht es seiner Familie im Norden? Jang Jin-sung schweigt. Es

    ist die einzige Frage, die er nicht beantwortet.

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