2015-06 Top-Oekonomen fordern Ende des Spardiktats

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26 bekannte Ökonomen, darunter Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und Starautor Thomas Piketty, wenden sich an die Öffentlichkeit. Sie verlangen, dass die Geldgeber Griechenlands großzügiger agieren. Wirtschaft Top-Ökonomen fordern Ende des Spardiktats für Athen WIRTSCHAFT OFFENER BRIEF 06.06.15 223 Twittern Von Wirtschaftsredakteur Stefan Beutelsbacher Sie kommen gleich zum Punkt, die 26 Verfasser des Briefes, die Nobelpreisträger und früheren Regierungschefs, die Professoren und Berater. "Sehr geehrte Damen und Herren", beginnt ihr Schreiben, das sie soeben veröffentlicht haben: "Die Zukunft Europas ist in Gefahr." Das Wohl des Kontinents stehe auf dem Spiel, jetzt, da die Verhandlungen zwischen Griechenland und den Gläubigern in der entscheidenden Phase seien. Da es darum geht, ob das Land in die Pleite taumelt – oder ob die Geldgeber es retten, wieder einmal. Wie sehr muss Athen sparen, damit es neue Hilfen gibt? Um diese Frage streitet die Regierung von Alexis Tsipras mit der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Antwort der Spitzenökonomen, die sich in der " Financial Times" zu Wort Foto: pa/dpa/ANA MPA Muss der Euro zu Grabe getragen werden? Die den Griechen auferlegte Sparpolitik jedenfalls müsse ein Ende haben, fordern renommierte Wissenschaftler Top-Ökonomen fordern Ende des Spardiktats für Athen Markt Home Politik Wirtschaft Geld Sport Wissen Panorama Feuilleton ICON Reise PS WELT Regional Meinung Videos

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Stefan Beutelsbacher: Top-Ökonomen fordern Ende des Spardiktats für Athen. 26 bekannte Ökonomen, darunter Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und Starautor Thomas Piketty, wenden sich an die Öffentlichkeit. Sieverlangen, dass die Geldgeber Griechenlands großzügiger agieren. In: Die Welt vom 6. Juni 2015.http://www.welt.de/142043554

Transcript of 2015-06 Top-Oekonomen fordern Ende des Spardiktats

  • 26 bekannte konomen, darunter Nobelpreistrger Joseph Stiglitz und Starautor Thomas

    Piketty, wenden sich an die ffentlichkeit. Sie verlangen, dass die Geldgeber Griechenlands

    grozgiger agieren.

    Wirtschaft Top-konomen fordern Ende des Spardiktats fr Athen

    WIRTSCHAFT OFFENER BRIEF 06.06.15

    223 TwitternVon

    Wirtschaftsredakteur

    Stefan Beutelsbacher

    Sie kommen gleich zum Punkt, die 26 Verfasser des Briefes, die Nobelpreistrger

    und frheren Regierungschefs, die Professoren und Berater. "Sehr geehrte Damen

    und Herren", beginnt ihr Schreiben, das sie soeben verffentlicht haben: "Die

    Zukunft Europas ist in Gefahr."

    Das Wohl des Kontinents stehe auf dem Spiel, jetzt, da die Verhandlungen

    zwischen Griechenland und den Glubigern in der entscheidenden Phase seien.

    Da es darum geht, ob das Land in die Pleite taumelt oder ob die Geldgeber es

    retten, wieder einmal.

    Wie sehr muss Athen sparen, damit es neue Hilfen gibt? Um diese Frage streitet

    die Regierung von Alexis Tsipras mit der EU, der Europischen Zentralbank (EZB)

    und dem Internationalen Whrungsfonds (IWF).

    Die Antwort der Spitzenkonomen, die sich in der "Financial Times" zu Wort

    Foto: pa/dpa/ANA MPA

    Muss der Euro zu Grabe getragen werden? Die den Griechen auferlegte Sparpolitik

    jedenfalls msse ein Ende haben, fordern renommierte Wissenschaftler

    Top-konomen fordern Ende desSpardiktats fr Athen

    MarktHome Politik Wirtschaft Geld Sport Wissen Panorama Feuilleton ICON Reise PS WELT Regional Meinung Videos

  • gemeldet haben, ist eindeutig: nicht so sehr. Im Gegenteil. Die Sparpolitik, die

    Europa den Griechen aufzwinge, msse ein Ende haben. Sofort.

    Denn allzu drastische Krzungen

    erschwerten den Kampf gegen Steuerflucht

    und Korruption und damit ausgerechnet

    gegen jene Probleme, die das Land

    besonders dringend angehen msse. Die

    Argumentation: Eine Regierung, die wenig

    Geld ausgeben darf, verliert ihren

    Handlungsspielraum und den Rckhalt des

    Volkes. Doch ohne die Zustimmung der

    Massen, ohne die Untersttzung der Whler,

    wie solle da ein Premier das Land verndern?

    Die Unterzeichner des Aufrufs gehren

    zumeist einer Denkschule an, die bei

    konomischen Krisen fr Staatsausgaben zur

    Ankurbelung der Wirtschaft pldiert, und davor warnt, zu stark zu sparen. Unter

    ihnen sind der amerikanische Nobelpreistrger Joseph Stiglitz, der franzsische

    Wirtschaftswissenschaftler und Bestellerautor Thomas Piketty sowie der Deutsche

    Gustav Horn. Horn leitet das Institut fr Makrokonomie und Konjunkturforschung

    der gewerkschaftsnahen Hans-Bckler-Stiftung.

    Tsipras bittet IWF um vier Wochen Aufschub

    Auch der Sozialist und frhere italienische Ministerprsident Massimo D'Alema hat

    unterschrieben. Mit dem Brief greifen die Forscher und Politiker die Strategie der

    Geldgeber direkt an. Vor allem der IWF hat sich in der Vergangenheit als zher,

    unnachgiebiger Verhandlungspartner gezeigt. Wie keine andere Institution beharrt

    er auf Sparzusagen.

    Soeben hat Griechenland den Fonds gebeten, die vier im Juni flligen Kredite am

    Ende des Monats begleichen zu drfen, auf einen Schlag. Dadurch erhlt Alexis

    Tsipras weitere vier Wochen Zeit, um sich mit den Geldgebern zu einigen und die

    restlichen 7,2 Milliarden Euro an Hilfen aus dem zweiten Rettungspaket zu erhalten.

    Sparen und Reformieren oder Staatsbankrott. Das ist die Wahl, vor der

    Griechenland derzeit steht.

    Ein Staatsbankrott wre verheerend, schreiben die konomen. Verheerend fr

    Athen, verheerend aber auch fr Europa, fr die Welt sogar. Eine Pleite bedrohe die

    Demokratie in Griechenland und zge konomische Umwlzungen nach sich, so

    weitreichend und radikal, dass sie auch andere Volkswirtschaften gefhrden

    knnten.

    Deutsche konomen gegen Einigung um jeden Preis

    Ein Staatsbankrott wre gar nicht so schlimm, meinen hingegen andere

    konomen, vornehmlich solche, die anderen Denkschulen angehren als die

    Unterzeichner des Briefs. Die Geldgeber sollten keine Einigung um jeden Preis

    anstreben, sagen sie, sondern im Zweifel lieber die Pleite wagen oder gar den

    Grexit, also den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone.

    Zu ihnen gehrt etwa Hans-Werner Sinn. "Das Experiment Griechenland ist

    grndlich fehlgeschlagen, und es wird die europische Integration behindern", sagte

    etwa der Prsident des Mnchner Ifo-Instituts jngst der "Welt". "Die Frage ist nur,

    ob der Schaden innerhalb oder auerhalb des Euro grer ist."

    Foto: AFP

    Wirtschaftsnobelpreistrger Joseph Stiglitz

    verurteilt den Austerittskurs der Europer

  • Unterzeichner der Erklrung

    Professor Joseph Stiglitz Columbia-Universitt Nobelpreistrger fr

    Wirtschaftswissenschaften

    Professor Thomas Piketty Paris School of Economics

    Massimo D'Alema Frherer italienischer Premierminister und Prsident der

    Foundation of European Progressive Studies

    Professor Stephany Griffith-Jones Columbia-Universitt

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    Es ist dieser Schaden "auerhalb des Euro", vor dem die Amerikaner Angst haben.

    Die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 noch vor Augen,

    frchten sie die Folgen eines Grexits. Viele in den USA glauben, die globale

    Wirtschaft sei noch nicht stabil genug, um ein weiteres Beben dieser Art

    auszuhalten. Wohl auch deshalb haben Washingtoner Regierungsvertreter ihren

    europischen Kollegen gerade weitere IWF-Hilfen fr Griechenland in Aussicht

    gestellt.

    Das drfte ganz im Sinn der 26 Unterzeichner des offenen Briefes sein. Europa

    msse seine enorme wirtschaftliche Kraft nutzen, um Griechenlands Wachstum

    zu untersttzen und so die Jugend aus der Massenarbeitslosigkeit zu befreien,

    fordern sie. Wie die EU mit Athen umgehe, sende eine Botschaft an die gesamte

    Gemeinschaft. Es sollte keine Botschaft der Verzweiflung sein, schreiben die

    konomen nicht ohne Pathos: sondern eine der Hoffnung.

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