2.4 Ausgesuchte Fraktale und ihre Selbstähnlichkeitsdimension · (Selbstähnlichkeits-) Dimension...

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14 2.4 Ausgesuchte Fraktale und ihre Selbstähnlichkeitsdimension 2.4.1 Das Sierpinski-Dreieck Als Sierpinski-Dreieck bezeichnet man das Grenzbild, welches sich bei unendlicher Wiederholung des folgenden Prozesses ergibt: 1. Wir wählen ein (gleichseitiges) Dreieck als Initiator. (Abb. 2.5, Stufe 0 oder Abb. 2.3, Stufe 0) 2. Wir generieren die nächste Stufe, indem wir die Figur der jeweils aktuellen Stufe mit dem Skalierungsfaktor s = 1 2 verkleinern, drei Kopien erstellen und diese dann gemäß Abb. 2.5, Stufe 1 zusammensetzen. 3. Der Schritt 2 wird unendlich oft wiederholt. In Abbildung 2.5 kann man nachvollziehen, welches Bild sich nach drei Generierungsprozessen ergibt. Stufe 0 Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Abb. 2.5: Stufen bei der Entstehung des Sierpinski-Dreiecks Wir denken uns diesen Prozess unendlich fortgeführt. Zoomen wir nun in ein Teildreieck hinein, wird sich immer wieder das gleiche Bild ergeben. Ein passend gewählter Teil des Grenzbildes stellt sich als Kopie der ganzen Struktur dar. Da die Figur komplett aus verkleinerten Kopien von sich selbst zusammengesetzt werden kann, ist sie exakt selbstähnlich. Wir betrachten nun diesen Prozess genauer. Dazu bestimmen wir auf jeder Stufe die Anzahl der Teile, die Fläche einer verkleinerten Kopie, die Gesamtfläche, die Kantenlänge eines Teiles und den Gesamtumfang der Figur.

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2.4 Ausgesuchte Fraktale und ihre Selbstähnlichkeitsdimension

2.4.1 Das Sierpinski-Dreieck

Als Sierpinski-Dreieck bezeichnet man das Grenzbild, welches sich bei unendlicher Wiederholung des folgenden Prozesses ergibt:

1. Wir wählen ein (gleichseitiges) Dreieck als Initiator. (Abb. 2.5, Stufe 0 oder Abb. 2.3, Stufe 0)

2. Wir generieren die nächste Stufe, indem wir die Figur der jeweils aktuellen Stufe mit dem Skalierungsfaktor !!s =

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verkleinern, drei Kopien erstellen und diese dann gemäß Abb. 2.5, Stufe 1 zusammensetzen.

3. Der Schritt 2 wird unendlich oft wiederholt. In Abbildung 2.5 kann man nachvollziehen, welches Bild sich nach drei Generierungsprozessen ergibt. Stufe 0 Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3

Abb. 2.5: Stufen bei der Entstehung des Sierpinski-Dreiecks Wir denken uns diesen Prozess unendlich fortgeführt. Zoomen wir nun in ein Teildreieck hinein, wird sich immer wieder das gleiche Bild ergeben. Ein passend gewählter Teil des Grenzbildes stellt sich als Kopie der ganzen Struktur dar. Da die Figur komplett aus verkleinerten Kopien von sich selbst zusammengesetzt werden kann, ist sie exakt selbstähnlich. Wir betrachten nun diesen Prozess genauer. Dazu bestimmen wir auf jeder Stufe die Anzahl der Teile, die Fläche einer verkleinerten Kopie, die Gesamtfläche, die Kantenlänge eines Teiles und den Gesamtumfang der Figur.

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Stufe i

Anzahl der Teile

ni

A eines Teiles

A(i) Kanten-länge eines

Teiles

U(i)

0 1 1 1

13

1

1 3

14

34

12⋅13

12⋅31 =

96

2 32

116

=

142

34

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

2

12

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

2

⋅13

12

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

2

⋅32 =

2712

3 33

143

34

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

3

12

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

3

⋅13

12

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

3

⋅33 =

8124

4 34

144

34

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

4

12

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

4

⋅13

12

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

4

⋅34 =

40548

n 3n 14n

34

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

n

12

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

n

⋅13

12

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

n

⋅3n =

32

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

n

Abb. 2.6: Entwicklung verschiedener Größen des Sierpinksi-Dreiecks

Die Fläche bildet eine geometrische Folge mit dem Faktor

34

. Diese

Folge konvergiert für n→∞ gegen Null. Damit hat das Sierpinksi-Dreieck keinen Flächeninhalt. Das kann daran liegen, dass das Ausmessen in der 2. Dimension nicht passend ist, dass die Dimension kleiner als 2 ist.

Der Umfang ist eine geometrische Folge mit dem Faktor

32

. Hier

wächst der Zähler schneller als der Nenner und die Folge strebt für n→∞ gegen unendlich. Das bedeutet, dass das Sierpinski-Dreieck als Linienobjekt unendlich groß ist. Das kann daran liegen, dass das Ausmessen in der 1. Dimension nicht passend ist, dass die Dimension größer als 1 ist. Das Sierpinski-Dreieck hat weder die Dimension 1 noch die Dimension 2. Im Folgenden sind Fläche und Umfang in Abhängigkeit der Entwicklungsstufe des Sierpinski-Dreiecks grafisch dargestellt.

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Abb. 2.7: Fläche in Abhängigkeit der Stufen

Abb. 2.8: Umfang in Abhängigkeit der Stufen

Der Flächeninhalt der Figur strebt gegen 0, der Umfang gegen ∞ . Somit ist die Figur weder Fläche noch Linie. Da die Figur exakt selbstähnlich ist, können wir die Selbstähnlich-keitsdimension mit der im Kapitel 2.2 hergeleiteten Formel bestimmen. Wir haben n = 3 Teile und s = ½ .

ds =

log nlog(1

s )= log3

log2≈1,585

Das Sierpinski-Dreieck hat also eine nicht ganzzahlige Selbstähnlich-keitsdimension.

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Wir möchten hier, mit Blick auf die Boxdimension im Kapitel 3, noch eine weitere Darstellung zur Selbstähnlichkeit des Sierpinski-Dreiecks vornehmen. Je kleiner die Kopien der Gesamtfigur sind, desto mehr braucht man davon, um die Gesamtfigur zusammenzusetzen. Wir haben hier: Kehrwert des Ska-lierungsfaktors s

2 4 8 16 32 64 128

Anzahl n der Kopien

3 9 27 81 243 729 2187

Wir kennen dafür den mathematischen Zusammenhang, nämlich

n = 1

sds= 1

s⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

ds

, wobei ds die Selbstähnlichkeitsdimension ist. Solch

eine Gesetzmäßigkeit kann man linearisieren, indem man die ganze Gleichung logarithmiert.

log ny = ds log

1s

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

x

, also einfach !y = dsx . In der grafischen Darstellung

erhält man eine Ursprungsgerade (!log1=0) mit der Selbstähnlich-keitsdimension ds als Steigung. Verwenden wir den Zehnerlogarithmus, so erhalten wir aus der obigen Tabelle

!!log(1s ) 0,3010 0,6020 0,9031 1,2041 1,5051 1,8062 2,1072

!!logn 0,4771 0,9542 1,4314 1,9085 2,3856 2,8627 3,3398

Abb. 2.9: Kopienanzahl in Abhängigkeit von der Skalierung im doppel

logarithmischen Diagramm

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Der Mathematiker und Hochschullehrer Sierpinski hat dieses Dreieck 1910 seinen Studenten präsentiert, um deutlich zu machen, dass die Begriffe Linie und Fläche durchaus nicht trivial sind. Waclaw Franciszek Sierpinski war einer der berühmtesten polnischen Mathematiker. Er lebte von 1882 bis 1969 und studierte am Institut für Mathematik und Physik an der Warschauer Universität. 1908 wurde er Dozent und 1910 schließlich Professor an den Universitäten von Lemberg (Lviv), Moskau und Warschau. Er wurde bekannt für seine herausragenden Beiträge zur Mengenlehre, Zahlentheorie, Funktionen-theorie und Topologie. Drei bekannte Fraktale, das Sierpinski-Dreieck, der Sierpinski-Teppich und der Sierpinski-Tetraeder, sind nach ihm benannt.

2.4.2 Der Sierpinski-Teppich

Als Sierpinski-Teppich bezeichnet man man das Grenzbild, welches sich bei unendlicher Wiederholung des folgenden Prozesses ergibt:

1. Wir wählen ein Quadrat als Initiator. (Abb. 2.10, Stufe 0) 2. Wir generieren die nächste Stufe indem wir die Figur der

aktuellen Stufe mit dem Skalierungsfaktor s = 1/3 verkleinern, acht Kopien erstellen und diese dann gemäß Abb. 2.10, Stufe 1 zusammensetzen.

3. Der Schritt 2 wird unendlich oft wiederholt.

Stufe 0 (Initiator) Stufe 1 (Generator) Stufe 2

Abb. 2.10a: Die ersten Stufen zur Erzeugung des Sierpinski-Teppichs

19

Stufe 3 Stufe 4

Abb. 2.10b: Die nächsten beiden Stufen Wir wollen nun den Flächeninhalt dieses Fraktals berechnen. Den Flächeninhalt von Stufe 0 setzen wir 1. Der Generator verdeutlicht, dass vom Initiator Kopien mit dem Skalierungsfaktor !!s =

13 hergestellt

und 8 Kopien verwendet werden. Jede einzelne Kopie hat den

Flächeninhalt !13

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

2

= 19 .

Zum Nachvollzug der Flächenberechnung des Grenzbildes ist es anschaulicher, sich die Entwicklung des Fraktals von Stufe zu Stufe als Prozess des Entfernens immer kleiner werdender Quadrate vorzustellen. Es ist sicher hilfreich, sich die einzelnen Schritte an Abb. 2.10 sukzessive zu veranschaulichen.

Der Generator ordnet 8 auf

19

verkleinerte Flächen an. In der Mitte

wurde ein Quadrat mit dem Flächeninhalt

19

entfernt. Die in Stufe 1

verbleibende Fläche beträgt also:

1− 1

9.

In Stufe 2 fehlt nun, wie man in Abb 2.10a nachvollziehen kann,

zusätzlich jedem der 8 Quadrate aus Stufe 1

19

seiner Fläche, also

jeweils

19

von

19

, also 19⋅ 19= 1

92 . Da diese Fläche bei jedem der 8

kleinen Quadrate fehlt, ergibt sich zur Berechnung des Flächeninhaltes in der Stufe 2 folgender Ausdruck:

1− 1

9− 8

92

20

In Stufe 3 fehlen nun zusätzlich noch kleinere Quadrate, die wiederum

19

der Lochgröße aus Stufe 2 besitzen, nämlich

19

von

192 , also

19⋅ 192 = 1

93 . Da es davon 8 ⋅8 = 64 gibt, erhalten wir für den

Flächeninhalt in der 3. Stufe den folgenden Ausdruck:

1−

19−

892 −

82

93

In der folgenden Tabelle soll noch einmal ein Überblick über die Flächenentwicklung in den einzelnen Stufen gegeben werden.

Stufe Anzahl Teile Fläche des herausgeschnittenen

Stückes

Teppichfläche

0 1 0 1

1 8 !19

1−

19

2 64 = 82

892

1−

19−

892

3 83

892 ⋅

89=

82

93 1−

19−

892 −

82

93

..... ...... ..... .....

n 8n 8n−1

9n 1−

8k−1

9kk=1

n

Abb. 2.11: Entwicklung der Fläche bei der Entstehung des Sierpinski-

Teppichs

Analysiert man die Flächenentwicklung von Stufe zu Stufe, stellt man fest, dass sich die Berechnung der Restfläche aus der Differenz von 1 und der Summe der geometrischen Folge der Flächen, die herausgenommen wurden, ergibt.

Restfläche = 1−

8k−1

9kk=1

n

Für die Summe einer geometrischen Folge ak = a0qk mit a0 als

Anfangsglied und q als Verhältnis zweier benachbarter Glieder

ak+1

ak

gilt:

sn = a0

k=0

n

∑ qk = a0

qn+1 −1q −1

21

Wir formen nun unsere gefundene Summe für den herausgeschnittenen Flächeninhalt auf Stufe n so um, dass wir diese Formel verwenden

können:

8k−1

9kk=1

n

∑ = 19k=1

n

∑ ⋅ 8k−1

9k−1 =19⋅ 8

k

9kk=0

n−1

∑ = 19⋅ 8

9⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

k

k=0

n−1

Für die Stufe n ist die Summe sn-1 zu berechnen mit a0 =

19

und q =

89

.

sn−1 =

19⋅

89( )n

−189 −1

= 19⋅

89( )n

−1− 1

9

= 1− 89( )n

Im Grenzübergang für n→∞ gilt: s∞ = 1− 0 = 1 Die Gesamtheit der Fläche, die herausgeschnittenen wird, ist also im Grenzwert 1, so dass die Fläche des Sierpinski-Teppichs im Grenzfall 0 ist. Der Sierpinski-Teppich hat also keine Fläche. Das ist, wie schon beim Sierpinski-Dreieck, ein Indiz dafür, dass die (Selbstähnlichkeits-) Dimension des Sierpinski-Teppichs nicht 2 ist, sondern kleiner. Für die Berechnung der Selbstähnlichkeitsdimension können wir feststellen: Verkleinert man den Sierpinski-Teppich mit dem Skalierungsfaktor

!!s =13 , so benötigt man n = 8 Kopien, um die Ausgangsfigur wieder

herzustellen. Für seine Dimension ergibt sich:

ds =log n

log1s

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

= log8log3

≈1,893

Diese größere Selbstähnlichkeitsdimension als die des Sierpinski-Dreiecks (≈1,585) kann man anschaulich so interpretieren, dass das Dreieck „löchriger“ ist als der Teppich und damit der Teppich dichter an einer geschlossenen Fläche liegt.

2.4.3 Der Sierpinski-Tetraeder

Ein besonders schönes und verblüffendes Fraktal, wie wir noch sehen werden, ist der Sierpinski-Tetraeder. Er ist das Grenzbild, welches sich bei unendlicher Wiederholung des folgenden Prozesses ergibt:

1. Wir wählen einen Tetraeder als Initiator. (Abb. 2.12, Stufe 0) 2. Wir generieren die nächste Stufe indem wir die Figur der

aktuellen Stufe mit dem Skalierungsfaktor s = 1/2 verkleinern, vier Kopien erstellen und diese dann gemäß Abb. 2.12, Stufe 1 zusammensetzen.

3. Der Schritt 2 wird unendlich oft wiederholt.

22

Stufe 0 Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3

Abb. 2.12: Die ersten Stufen zur Erzeugung des Sierpinski-Tetraeders Die Dimension ist auch hier leicht errechnet:

ds =log n

log1s

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

= log4log2

= log22

log2= 2log2

log2= 2

Überraschenderweise ist die Selbstähnlichkeitsdimension des Sierpinski-Tetraeders genau 2 !6 Wie kann das sein? Schauen wir uns einmal die Entwicklung des Volumens, der Fläche und der Gesamtkantenlänge von Stufe zu Stufe an. Stufe Gesamtkantenlänge Oberfläche Volumen 0 1 1 1 1 2 1 0,5 2 4 1 0,25 … n 2n 1

12

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

n

Abb. 2.13: Entwicklung der Gesamtkantenlänge, der Oberfläche und

des Volumens bei der Entstehung des Sierpinski-Tetraeders Wir sehen, dass die Kantensumme sich exponentiell vergrößert und gegen Unendlich strebt. Im Eindimensionalen ist das Fraktal also nicht messbar und die Dimension 1 offensichtlich zu klein. Das Volumen hingegen strebt gegen 0. Im dreidimensionalen Raum ist das Fraktal also auch nicht messbar und die Dimension 3 ist offensichtlich zu groß. Die Oberfläche bleibt konstant und bestätigt damit unser rechnerisches Ergebnis für die Dimension.

2.4.4 Die Cantor-Menge

In den drei bisher behandelten, selbstähnlichen Fraktalen sind wir von Flächen bzw. Körpern ausgegangen und haben in einem regelmäßigen 6 Das ist ein Beispiel dafür, dass die nicht ganzzahlige Dimension nicht zur Definition des Begriffs „Fraktal“ verwendet werden kann.

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Prozess Teile (Punktmengen) weggenommen. Eines der ersten, sehr genau untersuchten Fraktale, geht von einer eindimensionalen Linie (Intervall) aus. Von dieser wird das mittlere Drittel entfernt. Dieser Prozess wird wiederholt, so dass im nächsten Schritt dann das mittlere Drittel der beiden verbliebenen Strecken entfernt wird. Im Grenzfall bekommt man ein interessantes Objekt, den so genannten Cantor-Staub, eine total unzusammenhängende Menge (auch Cantorsches Diskontinuum).

Abb. 2.14: Stufen bei der Entstehung der Cantor- Menge In der unendlichen Grenzfigur ist jeder Teil, der aus einem verbliebenen Drittel entstanden ist, eine exakte, verkleinerte Kopie der Gesamtfigur. Die Cantor-Menge ist exakt selbstähnlich. Die Cantor-Menge lässt sich nicht nur geometrisch anschaulich behandeln, sondern ist so einfach, dass wir die Punktmenge genauer untersuchen können. Die Ausgangsstrecke, der Initiator, ist das Intervall [0,1]. Aus diesem Intervall wird das mittlere Drittel entfernt, genauer das

offene Intervall

13

,23

⎦⎥

⎣⎢ . Die Zahlen

!13 und

!23 bleiben also erhalten.

Übrig bleiben zwei Drittel des Intervalls, die geschlossenen Intervalle

0,

13

⎣⎢

⎦⎥ und

23

,1⎡

⎣⎢

⎦⎥ . Das ist die Stufe 1.

Aus diesen beiden Intervallen wird wiederum jeweils das offene, mittlere Drittel entfernt und man erhält nun vier Intervalle:

0,

19

⎣⎢

⎦⎥

29

,39

⎣⎢

⎦⎥

69

,79

⎣⎢

⎦⎥

89

,1⎡

⎣⎢

⎦⎥ Stufe 2

Von diesen vier Intervallen werden wiederum die offenen mittleren Drittel entfernt. Dieser Schritt wird unendlich oft wiederholt.

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Stufe Anzahl der Intervalle

Länge eines einzelnen Intervalls

Länge aller ver-bliebenen Intervalle

0 1 1 1

1 2

13

1−

13=

23

2 4 = 22

13

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

2

= 19

49= 2

3⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

2

3 8 = 23

13

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

3

= 127

827

= 23

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

3

... ... ... ...

n 2n

13

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

n

23

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

n

Abb. 2.15: Entwicklung der Cantor-Menge

Nach n Iterationen existieren 2n Intervalle, die insgesamt

23

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

n des

ursprünglichen Intervalls abdecken. Je größer die Anzahl der Intervalle wird, desto geringer ist die Summe ihrer Längen. Die Cantormenge bzw. der Cantorstaub besteht nun aus allen Punkten, die im Grenzbild des beschriebenen Prozesses übrig bleiben. Als eindimensionale Figur gemessen erhalten wir für die Länge der Grenzfigur:

limx→∞

23

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

n

= 0

Also könnte man vermuten, dass letztlich alle Punkte weggenommen werden. Das ist falsch. Zum einen kann man ganz konkret Punkte (Zahlen) angeben, die mit Sicherheit alle Wischprozesse überstehen – die Ränder 0 und 1, aber auch die Ränder der nachfolgenden Intervalle,

also auch !13 und

!23 und

!19 ,!

29 ,!

79 und

!89 , u.s.w.

Da außerdem wegen limx→∞

2n = ∞ bleiben sogar unendlich viele Punkte

übrig. Es stellt sich die Frage, was diese Erkenntnis für die Dimension der Cantor-Menge bedeutet. Eine Linie hat die Dimension 1, Ein Punkt die Dimension 0. Die Dimension des Cantorstaubes liegt also vermutlich dazwischen. Wegen der Selbstähnlichkeit der Figur können wir die Selbstähnlich-keitsdimension berechnen.

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ds =log n

log1s

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

mit s = 13

ds =log2log3

= 0,6309

Mit der so genannten Punktmenge oder dem Cantor Staub schuf Cantor 1870 die Grundlagen derjenigen Theorie, die später von Benoît Mandelbrot als Theorie der Fraktale bezeichnet wurde. Georg Ferdinand Ludwig Philipp Cantor (1845 – 1918) lehrte in Halle und lieferte wichtige Beiträge zur modernen Mathematik. Er begründete die Mengenlehre. Resumée und Ausblick Bei den bisherigen Dimensionsbetrachtungen haben wir immer die Frage gestellt, wie oft bei einem Vergrößerungs-/Verkleinerungs-prozess die kleinere Figur in die größere passt. Bei ganzzahligen Dimensionen konnten wir die passende „Menge“ vergleichen. Bei fraktalen Strukturen war dieser Vergleich möglich, wenn die Figur selbstähnlich ist. Eine „Mengenbestimmung“ scheiterte hier, denn der Versuch, die „Menge“ zu messen, schlug fehl, wenn die Dimension falsch gewählt war. Für die Mathematisierung des Prozesses war der Skalierungsfaktor eine bestimmende Größe. Sie führt mit der Dimension als charakteristischen Exponenten zum zugrundeliegenden Potenzgesetz. „Die fraktale Dimension schlechthin ist die Hausdorff-Dimension. Sie wurde von Felix Hausdorff eingeführt und bietet die Möglichkeit, beliebig komplizierten Punktmengen, wie beispielsweise Fraktalen, eine Dimension zuzuordnen. Allerdings ist die Definition nur schwer handhabbar, und im Falle selbstähnlicher Figuren steht in Gestalt der Ähnlichkeitsdimension eine weitere und sehr einfache Definition zur Verfügung. Man kann die Ähnlichkeitsdimension dazu benutzen, die Hausdorff-Dimension zu „erraten“. Es schadet jedoch nichts, sich die fraktale Dimension als synonym mit der Ähnlichkeitsdimension zu denken.“7

7 Rafael Reiter, Die Ästhetik der Fraktale, Seite 50