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3. VO Der Krieg und die conditio humana (27. 05. & 03. 06. 2016) Mit Hobbes, dem wir nun unsere Aufmerksamkeit widmen werden, stehen wir nun am Beginn der (poloitschen) Moderne. Worin besteht nun die große, ja epochemachende Bedeutung Hobbes? Es ist wiederum der Krieg, der uns als Leitfaden dieser Frage dienen wird. Während Descartes auf epistemologischer Ebene mit dem ego cogito das in der Folge wirkmächtig leitende Subjektprinzip formuliert hat, kann Hobbes in sozial- und politisch-philosophischer Hinsicht als entscheidender Weichensteller gelten. Entscheidend ist dabei die von ihm geleistete Verbindung von philosophischer Anthropologie und politischer Philosophie im Zeichen einer radikalen Hervorhebung wiederum des Vernunftprinzips. Gewalt wird in diesem Zusammenhang nicht nur als problematische Option sozialer Interaktion erkannt, sondern zugleich als Thema, dem sich die nun diskursiv selbst zu verstehende beginnende Vernunft zu stellen hat. Mit der Moderne wird keineswegs nur die Selbstverständlichkeit des Gewalthandelns durchbrochen und solches Handeln als rechtfertigungsbedürftig nicht nur gegenüber den Opfern, sondern auch gegenüber den übergreifenden sozialen etc. Ordnungen erkannt. In eins stehen wir damit auch am Beginn jener ebenso spezifisch modernen Annahme, dass der adäquate Vernunftgebrauch — laut Kant der "Mut sich, seines eigenen Verstandes zu gebrauchen" — notwendig zu einer sukzessiven Abnahme von Gewalt führe. Die Erfolge der Rationalisierung (Freud, Weber) im Rahmen des "Prozesses der Zivilisation" (Elias) verweisen uns in diesem Zusammenhang auf das spezifisch moderne Vertrauen in die gewaltreduzierende und friedensstiftende bzw. -sichernde Kraft der Vernunft. Dieser Prozess entwickelt sich dabei analog zur moralischen und rechtstheoretischen Differenzierung von legitimer und illegitimer Gewalt. Diesbezüglich sind zwei Bemerkungen angebracht: 1) Fraglos bedeutet diese Differenzierung einen enormen Schub in der diskursiven Auseinandersetzung um Gewalt, doch dies impliziert wiederum nicht, dass damit notwendigerweise eine faktische Reduktion von Gewalt verbunden wäre. Dass dem nicht der Fall ist, zeigt sich besonders deutlich mit Blick auf die Gewaltgeschichte des 20. Jh., in dem gerade unter dem (zumal juristisch gewobenen bzw. verbrämten) Deckmantel des legitimen Gewaltmonopols des Staates und seines Zivilisierungsauftrags extremste Gewalt möglich wurde. 2) Eine philosophische Reflexion auf die Problematik von Gewalt und ihre Rechtfertigung, von der wir ja ausgegangen waren, darf sich nicht auf eine moraltheoretische Frage reduzieren, die danach fragte, ob die Rechtfertigung von Gewalt nun gut oder böse sei. Ihr zentrales Thema muss vielmehr, wie Hirsch es formuliert, "die diskursive Problematisierung und Beschreibung des Sinns und der Funktion von Gewaltrechtfertigung in den 43

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!3. VO Der Krieg und die conditio humana (27. 05. & 03. 06. 2016)

Mit Hobbes, dem wir nun unsere Aufmerksamkeit widmen werden, stehen wir nun am Beginn der

(poloitschen) Moderne. Worin besteht nun die große, ja epochemachende Bedeutung Hobbes? Es ist

wiederum der Krieg, der uns als Leitfaden dieser Frage dienen wird.

Während Descartes auf epistemologischer Ebene mit dem ego cogito das in der Folge wirkmächtig

leitende Subjektprinzip formuliert hat, kann Hobbes in sozial- und politisch-philosophischer

Hinsicht als entscheidender Weichensteller gelten. Entscheidend ist dabei die von ihm geleistete

Verbindung von philosophischer Anthropologie und politischer Philosophie im Zeichen einer

radikalen Hervorhebung wiederum des Vernunftprinzips. Gewalt wird in diesem Zusammenhang

nicht nur als problematische Option sozialer Interaktion erkannt, sondern zugleich als Thema, dem

sich die nun diskursiv selbst zu verstehende beginnende Vernunft zu stellen hat. Mit der Moderne

wird keineswegs nur die Selbstverständlichkeit des Gewalthandelns durchbrochen und solches

Handeln als rechtfertigungsbedürftig nicht nur gegenüber den Opfern, sondern auch gegenüber den

übergreifenden sozialen etc. Ordnungen erkannt. In eins stehen wir damit auch am Beginn jener

ebenso spezifisch modernen Annahme, dass der adäquate Vernunftgebrauch — laut Kant der "Mut

sich, seines eigenen Verstandes zu gebrauchen" — notwendig zu einer sukzessiven Abnahme von

Gewalt führe. Die Erfolge der Rationalisierung (Freud, Weber) im Rahmen des "Prozesses der

Zivilisation" (Elias) verweisen uns in diesem Zusammenhang auf das spezifisch moderne Vertrauen

in die gewaltreduzierende und friedensstiftende bzw. -sichernde Kraft der Vernunft. Dieser Prozess

entwickelt sich dabei analog zur moralischen und rechtstheoretischen Differenzierung von legitimer

und illegitimer Gewalt. Diesbezüglich sind zwei Bemerkungen angebracht: 1) Fraglos bedeutet

diese Differenzierung einen enormen Schub in der diskursiven Auseinandersetzung um Gewalt,

doch dies impliziert wiederum nicht, dass damit notwendigerweise eine faktische Reduktion von

Gewalt verbunden wäre. Dass dem nicht der Fall ist, zeigt sich besonders deutlich mit Blick auf die

Gewaltgeschichte des 20. Jh., in dem gerade unter dem (zumal juristisch gewobenen bzw.

verbrämten) Deckmantel des legitimen Gewaltmonopols des Staates und seines

Zivilisierungsauftrags extremste Gewalt möglich wurde. 2) Eine philosophische Reflexion auf die

Problematik von Gewalt und ihre Rechtfertigung, von der wir ja ausgegangen waren, darf sich nicht

auf eine moraltheoretische Frage reduzieren, die danach fragte, ob die Rechtfertigung von Gewalt

nun gut oder böse sei. Ihr zentrales Thema muss vielmehr, wie Hirsch es formuliert, "die diskursive

Problematisierung und Beschreibung des Sinns und der Funktion von Gewaltrechtfertigung in den ! �43

Ordnung des Personalen, des Sozialen, des Rechts und des Politischen" sein. Diese Aufgabe ist

entscheidend, denn offenbar kommt dem Rechtfertigungsdiskurs die grundlegende Aufgabe zu, das

Diskursive und das Adiskursive, Vernunft und Gewalt bzw. Sprache und Gewalt überhaupt einmal

in Verbindung zu bringen. Gibt es diese Verbindung jedoch, so kann Gewalt mithin nicht mehr als

das schlechthin Andere von Vernunft und Diskurs verstanden werden. So wie es demnach keine

reine Vernunft geben kann, so aber auch keine reine Gewalt. Die Einsicht in die sich damit

abzeichnende Kontamination von Vernunft und Gewalt aber scheint in der Tat von entscheidender

Bedeutung zu sein: Denn gibt es nicht die Gewalt bzw. die Vernunft (Ordnung etc.), so werden in

eins auch jene Dichotomien fraglich, die im Fahrwasser dieser Unterscheidung ihre historisch-

politisch so wirkmächtige Ausdifferenzierung gefunden haben: jene bspw. von Ordnung und Chaos,

wilder Natur und friedfertiger Kultur, oder auch von Zivilisation und Barbarei. In der Folge wird

damit aber nicht nur die normative (genauer heteronormative) Berufung auf jene Dichotomien

(Kultur vs. Natur, Zivilisation vs. Barbarei, ), anhand derer weithin Gewalt ausgelegt und

gerechtfertigt wurde und wird, fraglich; vielmehr noch wird damit auch die ihr inhärente

Gewaltsamkeit greifbar, die dann in aktuelle Gewalt umschlägt, wenn solche Ordnungen

hypostasiert werden. Dieses Problem, das man auch die Problematik einer unaufhebbaren

Ambivalenz von Ordnung ansprechen kann, wird auch bei Hobbes, insbesondere in seiner Theorie

des naturzuständlichen Krieges und seiner "Aufhebung" im Staat sichtbar werden. Es wird zu

eruieren sein, ob und falls ja welche Sicherungsmechanismen Hobbes seiner Theorie eingebaut hat,

um dieser Gefahr einer (unmäßigen) Rückkehr der (nun gerechtfertigten) Gewalt Paroli zu bieten.

Doch gehen wir, um diese Fragen stellen zu können, zunächst einmal auf Hobbes Konzeption selbst

näher ein.

Hobbes sah seine Aufgabe darin, die Form einer vom Menschen zu etablierenden Ordnung zu

bedenken, die die natürliche Unordnung des "bellum omnium contra omnes" in, wenn man so sagen

darf, "prozessualer Permanenz" nicht nur zu überwinden, sondern zu beenden sucht. Worauf er

dabei noch nicht zugreifen kann, das ist freilich die spät-moderne Idee einer normativen Evolution

sozialer Reziprozitätsbeziehungen. Das Bild der Intersubjektivität, das er im Blick hat, ist im

Gegenteil durch eine wesentlich negative Anthropologie der Angst begründet. Diese bietet, im

Horizont des damals vorherrschenden mechanistischen Menschenbilds verankert, einen idealen

Nährboden für seine Konzeption einer "gewaltsamen Sicherung des Ungesicherten". Interessant ist

Hobbes Konzeption des großen Leviathan, jener menschlichen Schöpfung eines gottähnlichen

Automaten, der das reibungslose Funktionieren der sozialen Ordnungen gewährleisten soll, damit

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deshalb, weil Hobbes einerseits der letzte Denker des Generalmythos der Gewalt ist, die Figur einer

Gründungsgewalt aber in eins nachhaltig zu rationalisieren versucht. Dies zeigt sich ganz deutlich

an der Grundfigur dieses Denkens, an der Annahme eines wilden und ungeregelten Naturzustandes,

des "warre of every man against every man." (1651/Cambridge 1991, p. 89; Skp. 97) Diese

"negative Utopie" erscheint einerseits in eine unvordenkliche Vergangenheit gerückt, mag vielleicht

aber auch nie, wie Hobbes hinzusetzt, bestanden haben: "It may peradventure be thought, there was

never such a time, nor condition of warre as this; and I believe it was never generally so, over all

the world: but there are many places, where they live now so." (90/97) Der Krieg, den Hobbes also

durchaus deutungsoffen in einen vor-kulturellen Naturzustand zu verlegen scheint, ist also nicht nur

das (ja war es möglicherweise nie in reiner Form); er ist vielmehr auch und in wesenhafter Form die

Beschreibung eines interaktiven Verhältnisses zwischen Menschen, das jederzeit implizit besteht

und ausbrechen kann. Die entscheidende Idee, die Hobbes vorbringt, liegt also nicht (alleine) in der

quasi-historischen Erklärung des Ursprungs befriedender Staatlichkeit und Kultur. Diese

Konzeption eines prozesshaft sich überwindenden Mythos ist keineswegs alles, ja scheint mir

überhaupt nicht die Pointe der Hobbes'schen Konzeption zu sein. Entscheidend bleibt

demgegenüber, dass Hobbes ganz deutlich auch einen Kontrapunkt zu dieser "Erfolgsgeschichte"

setzt: Dieser betrifft nichts anderes als die Rechtfertigung der Gewalt, die der friedensstiftende

Vertragsschluss, durch den die frei und gleich an Krägen geschaffenen und daher für einander eine

Bedrohung darstellenden Menschen, erforderlich macht: denn eingesetzt muss eine "höchste

Gewalt" (supreme power) werden, die den Vertrag zu einer Institution mit faktisch bindenden

Gesetzen und entsprechendem Sanktionspotential erst werden lässt. Wäre dem nicht so, wäre das

Gewaltpotential des Subjekts in seiner "natürlichen Freiheit" und d.h. mit seinem, wie es heißt,

"Recht auf alles", noch keineswegs zureichend Einhalt geboten. Entscheidend ist also die

Verschränkung der Perspektiven, die Hobbes andenkt und in der ganz wörtlich zu verstehenden

Verkörperung der staatlichen Ordnung verankert: Aus dem im mythischen Ursprung gedachten

kämpfenden Seienden und dem in jedweder sozialen Ordnung immerfort lauerndem Krieg entfaltet

er eine legitimatorische Basis für die Instituierung eines politischen Körpers, der die Gewalt

integriert und transformiert. In dieser Geste verschränkt sich die Rechtfertigung einer zwingenden

und einschüchternden Gewalt und die Einführung anthropomorpher Freiheit und Gleichheit

miteinander — und dies im Horizont ihrer staatlichen Formung. Damit aber ist tatsächlich die

Kerngestalt eines Diskurses aufgewiesen, der sich durch die gesamte Moderne zieht und sich

dadurch auszeichnet, dass er die antiken und biblischen Mythen vom ursprünglichen Krieg mit

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spezifischen aufklärerischen Elementen zusammenführt. Damit, und durch die damit einhergehende

Rationalisierung des Mythos, verändert sich aber eindeutig die Weise, wie von Gewalt gehandelt

wird. Ihr Sinn und ihre Funktion für den Diskurs tritt damit nachhaltig ins Zentrum. Die Gewalt des

Staates und seine Monopolisierung in den Händen des Souveräns wird einerseits aus dem

naturrechtlichen Zweck der Selbsterhaltung des Einzelnen abgeleitet, andererseits jedoch im

Horizont der Artikulation des positiven Rechts, das die Monopolisierung der Gewalt impliziert und

auch hervorbringt, gehegt. Es handelt sich also zunächst und zumeist nicht um offene Gewalt, die

der Souverän anwendet, um die mögliche Gewalt der Einzelnen gegeneinander zu verhindern. Es ist

eher die Gewalt eines Schreckens, die der Verkörperung des durch Vertragsschluss entstandenen

Leviathan entspringt, die den Ausbruch des ursprünglichen Krieges aller gegen alle verhindern

soll. Worin aber besteht dieser Schrecken? Es handelt sich hierbei weniger um einen Schrecken, 6

den der Leviathan selbst verbreitet, etwa durch die Zur-Schau-Stellung seiner irdischen Allmacht;

es handelt sich m. E. zufolge eher um das Schreckbild des Bürgerkrieges, dem Hobbes' Denken sich

mit aller Macht entgegenstemmt, bzw. um den Schrecken, den der Mensch, der von Natur aus auf

Gemeinschaft angelegt ist, dann verbreitet, wenn er laut Aristoteles zum "schlimmsten Lebewesen"

wird: Dies ist exakt dann nämlich der Fall, wenn er sich auf keinen Staat hinzuordnen vermag, in

dem eben Aristoteles zufolge nur Recht, Gesetz und Gerechtigkeit möglich werden (Politik 1253 b,

32 ff.). Entscheidend an der Konzeption einer Integration durch die drohende Gewalt des

Schreckens der stasis ist dabei m.E. wiederum, wie ja auch schon bei Platon, die Rolle die äußeren

Kriege zwischen souveränen Staaten (in ihrer bei Hobbes kaum reflektierten Verbindung mit dem

natürlichen Kriegszustand ebenso wie dem Bürgerkrieg) zukommt.

Halten wir hier kurz inne und reflektieren, bevor wir auf diese Denkfigur des Schreckens in seiner,

wie ich meine konstitutiven Ambivalenz näher eingehen. Sehr deutlich erkennt man nun nämlich

schon die entscheidende Zäsur, die mit Hobbes einsetzte. Diese besteht wie gesagt darin, dass es mit

dieser Position erstmals zu einer Diskursivierung des Politischen als monopolisierter

Ordnungsgewalt gekommen ist. Der Ordnungsgewalt gegenüber positioniert Hobbes aber — ganz

klassisch — die Furcht vor ihrem "Anderen" als Unordnung, Chaos und Anarchie. Unordnung wird

dabei wiederum mit Gewalt identifiziert, hier verstanden als das Höchste, das der Mensch vermag,

nämlich den anderen Menschen zu töten. Es ist in diesem Kontext wiederum entscheidend, daran zu

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Man sollte in diesem Zusammenhang vielleicht auch an die oft gestellte Frage erinnern, ob mit dieser Ansetzung des 6

Leviathan als eines Antidots (oder Gegengifts) gegen den immerfort drohenden "Krieg alle gegen alle" nicht den Zwangsinstitutionen des Staats allzu viel Reichweite verliehen worden wäre, wie es dann in den Totalitarismus zutage getreten wäre.

erinnern, dass Hobbes vor dem Hintergrund der Religionskriege seiner Zeit denkt. Die von ihm

vorgeschlagene Lösung des Leviathan impliziert nämlich nicht nur die vertragliche Schaffung eines

"künstlichen Menschen", dem gegenüber die Einzelnen ihre "natürliche Freiheit auf alles" abgeben,

d.h. dem gegenüber sie auf ihre Verletzungsmacht verzichten. Hobbes konzipiert den Leviathan

vielmehr als einen"sterblichen Gott". Dadurch weist er darauf hin, dass die Summe seiner Glieder

ihm eine ungleich höhere Macht verleiht, die gleichwohl nicht mehr aus der göttlichen Macht

abgeleitet werden kann. Hobbes sozialtechnologische Deduktion der Macht bedeutet vielmehr eine

eindeutige Distanzierung vom mittelalterlichen Gedanken gottgegebner Herrschaftsgewalt oder

vom Konzept des sog. Gottesgnadentums, das die Staatstheorie noch weit ins 17. Jh. hinein

beherrschte.

Indem Hobbes den Körper des Leviathan mit einem großen Menschen identifizierte — ein Bild das,

wie wir wissen, bereits bei Platon Verwendung fand —, zugleich aber auf seine Maschinenartigkeit

hinweist, wird der Leviathan als Platzhalter Gottes auf Erden eingeführt. Es handelt sich also um

eine auf der Grundlage vernunftgemäßen Schließens "technisch konstruierte Totalität einer

höchsten Zwangsgewalt zur Beendigung der sozialen Zwistigkeiten." Dies entspricht, wie ich

ausführte, der Einsetzung einer (legitimen) Gegen-Gewalt gegen die (illegitime) Gewalt des

immerfort drohenden, da auch latent fortbestehenden bellum omnium contra omnes. Die

Metaphern der Verkörperung und der body politic zeigen uns dabei, dass der verletzungsmächtige

Automat zwar als absolute Souveränität konzipiert wird, solche jedoch im wörtlichen Sinne

verkörpern muss und d.h. auch wesensgemäß verletzbar ist, ja dass diese Verletzbarkeit

konstitutiver Teil der umfassenden Konzeption ist. Die unaufhebbare Körperlichkeit des Automaten

nimmt bei Hobbes in der Tat durchaus eigenständige Züge an, die — und dies ist entscheidend —

ein Gegengewicht zu seiner artifiziellen Suprematie darstellt. Wie Hobbes im Kap. 29 des

Leviathan ausführt, ist diese Verletzlichkeit vielgestaltig. Besonders in diesem Zusammenhang wird

greifbar, wie sehr Hobbes die body politic organizistisch auflädt, wenn er diese Verletzlichkeit etwa

mit Krankheiten des menschlichen Körpers vergleicht. Hobbes führt diesbezüglich nicht nur

ätiologische Gründe an, die die "unvollkommene Errichtung" des Gemeinwesens (vgl. Krankheiten,

die aus fehlerhafter Zeugung herrühren) und den "Mangel an absoluter Macht" (Geschwüre

aufgrund übler Beschaffenheit) betreffen, die sich der Souverän selbst zugesteht, sondern v.a. auch

Gründe, die sich auf den einzelnen Bürger beziehen: hier sind der Bezug auf privates Urteilen,

individuelles Gewissen jenseits des öffentlichen Gewissens (des Gesetzes) und v.a. natürlich die

"Berufung auf übernatürliche Inspiration" zu nennen, die Hobbes allesamt als Formen der

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Vergiftung zu betrachten scheint. Des weiteren werden auch strukturelle Gründe angeführt, wie

etwa Ideen der "Teilung der souveränen Macht", der "Nachahmung" (insbesondere der von antiken

Autoren propagierten Ideen des Tyrannenmordes) (=Juckreiz und Selbstzerfleischung —

Autoimmunerkrankung?!), die Idee einer "Gemischten Regierung" (in etwa das, was wir

Gewaltenteilung nennen würden, für Hobbes entspräche das der teratologischen Figur eines

"siamesischen Drillings"), aber auch der Mangel an Geld (Wechselfieber), etwa durch

Monopolisierungen (Brustfellentzündung) oder die Unterwanderung an Treue gegenüber dem

Souverän durch die allzu hohe Popularität einzelner (die er als Rebellion fasst und

interessanterweise der Hexerei gleichsetzt). Zu nennen bleiben zudem die übermäßige Größe und

damit einhergehende Selbstermächtigung einer Stadt im Inneren des Gemeinwesens bzw. das

Eigenleben von Korporationen, die beide "wie Würmer in den Eingeweiden eines Menschen"

wüten, die Zuerkennung eines absoluten Eigentumsrechts für Untertanen oder schlimmstenfalls

noch die Vorstellung, dass der Souverän den staatlichen Gesetzen unterworfen wäre (= Verwirrung;

diese Auffassung würde einen Regress bedeuten, denn dann bedürfte es eines Richter, der über die

Legalität entschiede etc. etc.; —> Hobbes entwickelt hier also eine Vorfigur der Schmitt'schen

Definition wonach derjenige ist, der über den Ausnahmezustand verfügt).

Der in seiner Vielfältigkeit schon bei Hobbes angezeigte Topos der Verletzlichkeit des Souveräns ist

nun keineswegs nur von metaphorischer Tragweite. Er ist vielmehr von überaus entscheidender

Bedeutung für die hier politische Theorie bis in die nächste Gegenwart. Denn hier scheint eine

Problematik auf, die sich bis zu den Totalitarismen im 20. Jahrhundert dann in ihrer Wirkmacht

zusehends steigern sollte: Es handelt sich dabei um die Problematik eines Rechtfertigungsdiskurses,

der nicht mehr nur am einsinnigen Leitfaden von Natur und Kultur vorgebracht wird, sondern

Bedrohungsdiskurse an der Dichotomie von Reinheit und Unreinheit des politischen Körpers, später

dann des sog. "Volkskörpers" ausrichtet, damit aber dessen sozialtechnologische (später v.a.

biopolitisch konzipierte) Machbarkeit in den Vordergrund rückt. Hier wäre wiederum an Platos

Auffassung des Politikers als Arzt am Volkskörper zu denken, der "purgiert" und Amputationen

durchführt, wie es im Politikos heißt. Damit (und in Verbindung mit der Tugend der soldatischen

Tapferkeit, auf deren wirkmächtige Konzeption wir bei Platon bereits gestoßen sind) ist in nuce

dann auch schon eine Opferauffassung angezeigt, die im 20. Jh. in fragwürdigster Weise zu Ehren

gekommen ist (vgl. dazu die Überlegungen bei Kleemeier 212f.). Auch bei Aristoteles spricht sich

diese Überzeugung in ganz ähnlicher Weise aus. Hier treffen wir in der Tat sogar auf eine Art

"Hypostase der Totalität", die einen absoluten Vorrang des formgebenden Ganzen vor den Teilen

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postuliert, und sich im Körper als organischer Totalität paradigmatisch fassen lässt. Dieses Modell

bzw. die es leitende Grundeinsicht erklärt dabei auch, wieso der Zerfall des politischen Körpers

Angst einflößt: "Denn das Ganze muss ursprünglicher sein als der Teil. Wenn man nämlich das

Ganze wegnimmt, so gibt es auch keinen Fuss oder keine Hand, außer dem Namen nach, wie eine

Hand aus Stein (…) Dass also der Staat von Natur ist und ursprünglicher als der Einzelne, ist

klar." (Politik, 1253a) Die angesprochene Angst erweist sich mithin ähnlich dann wie bei Hobbes

als eine Angst vor dem Rückfall ins Formlose (wiewohl die Form hier eben noch naturgegeben

erscheint, d.h. kosmologisch begründet). Neben der Hand aus Stein finden sich bei Aristoteles

andernorts auch andere Topoi, wie das "blinde Auge" oder der "tote Finger" — Figuren, die

allesamt klarstellen sollen, dass das Ganze die Zerstörung einiger Teile überleben kann, kein Teil

aber außerhalb des Ganzen fortbestehen kann. Gleichwohl impliziert die hier angezeigte

Imagination von drohender Unordnung bzw. Formlosigkeit qua Zerfall jedoch nicht nur die Angst

der "Fortdauer vor Unordnung" (Hobbes, Leviathan, Abschn. XXIX), sondern weiterhin auch die

"Angst vor dem fremden Körper", der auch der eigene sein kann. Hier treffen wir einerseits auf ein

"Phantasma des zerstückelten Körpers", andererseits auf ein "Phantasma des monströsen Körpers",

d.h. zwei entscheidende Rechtfertigungsparadigmen totalitärer Gewaltherrschaft und Kriegspolitik,

doch dazu genauer später.

!Für den vorstehenden Zusammenhang reicht es vorerst, nochmals die Logik herauszustellen, die mit

der ordnungstheoretischen Diskursivierung des Politischen als monopolisierter Staatsgewalt

verbunden ist. Kap. XIII des Leviathan, in dem Hobbes den Naturzustand beschreibt, gibt uns dazu

das Wichtigste an die Hand:

"Vom Naturzustand der Menschen in bezug auf ihr Glück und ihr Elend.

MENSCHEN VON NATUR AUS GLEICH

Die Natur hat die Menschen in den körperlichen und geistigen Fähigkeiten so gleich geschaffen. daß sich zwar zuweilen einer finden lassen mag, der offensichtlich von größerer Körperkraft oder schnellerem Auffassungsvermögen ist als ein anderer; jedoch wenn man alles zusammenrechnet, ist der Unterschied zwischen Mensch und Mensch nicht so beträchtlich, daß ein Mensch daraufhin irgendeinen Vorteil für sich fordern kann, auf den ein anderer nicht so gut wie er Anspruch erheben könnte. Denn was die Körperkraft betrifft, so hat der Schwächste genügend Kraft, den Stärksten zu

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töten, entweder durch einen geheimen Anschlag oder durch ein Bündnis mit anderen, die sich in derselben Gefahr wie er befinden.

Und was die geistigen Fähigkeiten betrifft (abgesehen von den auf Worten begründeten Künsten und besonders von jener Fähigkeit, nach allgemeinen und unfehlbaren Regeln vorzugehen, Wissenschaft genannt, die sehr wenige besitzen und nur in wenigen Dingen, da sie keine angeborene Fähigkeit ist, die uns von Geburt an eignet, und auch nicht wie die Klugheit -erworben wird, während wir uns um etwas anderes bekümmern), so finde ich noch eine größere Gleichheit unter den Menschen als hinsichtlich der Körperkraft. Denn Klugheit ist nur Erfahrung, die der gleiche Zeitaufwand allen Menschen gleichermaßen in Dingen verleiht, denen sie sich in gleicher Weise widmen. Was vielleicht solche Gleichheit unglaublich machen mag, ist nur eine eitle Auffassung von der eigenen Weisheit, die fast alle Menschen in größerem Maße als das gemeine Volk zu haben wähnen, das heißt als alle Menschen außer ihnen selbst und einigen anderen, die sie wegen ihres Ansehens oder ihrer Übereinstimmung mit sich selbst gelten lassen. Denn so ist die Natur der Menschen, daß sie, wie sehr sie auch immer viele andere als geistreicher oder beredter oder gelehrter anerkennen, dennoch kaum glauben, daß es viele gibt, die so weise wie sie selbst sind; denn sie sehen ihren eigenen Intellekt aus der Nähe und den anderer Menschen aus einem Abstand. Aber das beweist eher, daß die Menschen in diesem Punkt gleich sind als ungleich. Denn es gibt gewöhnlich kein besseres Zeichen für die gleiche Verteilung eines Dinges, als daß jeder mit seinem Anteil zufrieden ist.

AUS GLEICHHEIT ENTSTEHT UNSICHERHEIT, AUS UNSICHERHEIT KRIEG

Aus dieser Gleichheit der Fähigkeiten erwächst Gleichheit der Hoffnung, unsere Ziele zu erreichen. Und wenn daher zwei Menschen das gleiche verlangen, in dessen Genuß sie dennoch nicht beide kommen können, werden sie Feinde; und auf dem Weg zu ihrem Ziel (das hauptsächlich in ihrer Selbsterhaltung und zuweilen nur in ihrem Vergnügen besteht) bemühen sie sich, einander zu vernichten oder zu unterwerfen. Und wo ein Eindringling nicht mehr zu fürchten hat als die alleinige Macht eines einzelnen Menschen, geschieht es daher, daß jemand, der pflanzt, sät, baut oder ein behagliches Anwesen besitzt, mit Wahrscheinlichkeit erwarten kann, daß andere mit vereinten Kräften kommen, bereit, ihn zu enteignen und zu berauben, nicht nur der Früchte seiner Arbeit, sondern auch seines Lebens oder seiner Freiheit. Und dem Eindringling droht wiederum die gleiche Gefahr von einem anderen.

Und aus dieser gegenseitigen Unsicherheit führt für keinen Menschen ein vernünftiger Weg, sich zu sichern, als zuvorkommen; das heißt, alle Menschen, soweit er es vermag, mit Gewalt oder List so lange zu unterwerfen, bis er keine andere Macht sieht, die groß genug ist, um ihn zu gefährden. Und das ist nicht mehr, als seine Selbsterhaltung erfordert, und wird allgemein gebilligt. Auch weil sich manche an der Betrachtung ihrer Macht bei den Eroberungen freuen, die sie weiter betreiben, als es ihre Sicherheit erfordert, könnten andere, die sonst froh wären, in Ruhe innerhalb bescheidener Grenzen zu leben, wenn sie nicht durch Invasion ihre Macht vergrößerten, nicht lange durch bloße Ausrichtung auf ihre Verteidigung existieren. Und da solche Vergrößerung der Macht über die Menschen zur Selbsterhaltung notwendig ist, sollte sie einem folglich gestattet sein.

Wiederum haben die Menschen kein Vergnügen (sondern im Gegenteil großen Verdruß) im gesellschaftlichen Leben, wo es keine Macht gibt, die sie alle in Schrecken halten kann. Denn jedermann achtet darauf, daß ihn sein Mitmensch ebenso schätzt wie er sich selbst, und bemüht sich naturgemäß bei allen Zeichen von Verachtung und Unterschätzung, soweit er es wagt (was bei Menschen, die keine öffentliche Macht haben, um sie in Frieden zu halten, weit genug geht, um zu veranlassen, daß sie einander vernichten), seinen Verächtern durch Schädigung und anderen durch

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das Exempel größere Wertschätzung abzuringen. So finden wir in der Natur des Menschen drei Hauptursachen für Konflikte: erstens Konkurrenz, zweitens Unsicherheit, drittens Ruhmsucht.

Die erste veranlaßt die Menschen, wegen des Gewinns anzugreifen, die zweite wegen der Sicherheit und die dritte wegen des Ansehens. Die ersten gebrauchen Gewalt, um sich zum Herrn von anderer Menschen Personen, Frauen, Kinder und Vieh zu machen; die zweiten, um sie zu verteidigen; die dritten wegen Bagatellen wie ein Wort, ein Lächeln, eine unterschiedliche Meinung und jedes andere Zeichen von Unterschätzung, die entweder ihre eigene Person betreffen oder ein schlechtes Licht auf ihre Verwandten, ihre Freunde, ihre Nation, ihren Beruf oder ihren Namen werfen.

AUSSERHALB VON STAATSWESEN HERRSCHT IMMER EIN KRIEG EINES JEDEN GEGEN JEDEN

Hierdurch ist offenbar, daß sich die Menschen, solange sie ohne eine öffentliche Macht sind, die sie alle in Schrecken hält, in jenem Zustand befinden, den man Krieg nennt, und zwar im Krieg eines jeden gegen jeden. ' Denn Krieg besteht nicht nur in Schlachten und Kampfhandlungen, sondern in einem Zeitraum, in dem der Wille zum Kampf hinreichend bekannt ist; und deshalb ist der Begriff der Zeit als zum Wesen des Krieges gehörend zu betrachten, wie er zum Wesen des Wetters gehört. Denn wie das Wesen schlechten Wetters nicht in ein paar Regenschauern liegt, sondern in einer Neigung dazu über viele Tage, so besteht das Wesen des Krieges nicht in tatsächlichen Kampfhandlungen, sondern in der bekannten Bereitschaft dazu während der ganzen Zeit, in der es keine Garantie für das Gegenteil gibt. Alle übrige Zeit ist Frieden.

DAS UNGEMACH SOLCH EINES KRIEGES

Was immer die Folgeerscheinungen einer Zeit des Krieges sind, wo jeder jedem feind ist, sind daher gleichfalls Folgeerscheinungen einer Zeit, in der die Menschen ohne andere Sicherheit leben als die, mit der ihre eigene Kraft und ihre eigene Erfindungsgabe sie ausstatten. In solchem Zustand gibt es keinen Platz für Fleiß, denn seine Früchte sind ungewiß, und folglich keine Kultivierung des Bodens, keine Schiffahrt oder Nutzung der Waren, die auf dem Seeweg importiert werden mögen, kein zweckdienliches Bauen, keine Werkzeuge zur Bewegung von Dingen, deren Transport viel Kraft erfordert, keine Kenntnis über das Antlitz der Erde, keine Zeitrechnung, keine Künste, keine Bildung, keine Gesellschaft, und, was das allerschlimmste ist, es herrscht ständige Furcht und die Gefahr eines gewaltsamen Todes; und das Leben des Menschen ist einsam, armselig, widerwärtig, vertiert und kurz.

Manchem, der diese Dinge nicht wohl erwogen hat, mag es seltsam scheinen, daß die Natur die Menschen so entzweit und bereit macht, einander anzugreifen und zu vernichten; und er mag deshalb, aus Misstrauen gegen diese von den Gemütsbewegungen abgeleitete Schlußfolgerung, vielleicht wünschen, dasselbe durch Erfahrung bestätigt zu sehen. Möge er daher bei sich überlegen: wenn er eine Reise unternimmt, bewaffnet er sich und trachtet nach guter Begleitung; wenn er schlafen geht, verschließt er seine Türen; sogar wenn er im Haus ist, verschließt er seine Truhen; und das, obwohl er doch weiß, daß es Gesetze und Diener der Öffentlichkeit gibt, gewappnet, um alle Unbill zu rächen, die ihm widerfährt. Was für eine Meinung hat er von seinen Mitmenschen, wenn er bewaffnet ausreitet, von seinen Mitbürgern, wenn er seine Türen verschließt, und von seinen Kindern und Dienstboten, wenn er seine Truhen verschließt? Klagt er die Menschheit nicht ebenso mit seinen Handlungen an wie ich mit meinen Worten? Aber keiner von uns klagt dabei die menschliche Natur an. Das Verlangen und die anderen Gemütsbewegungen des Menschen sind an sich keine Sünde. Ebensowenig sind es die Handlungen, die aus diesen Gemütsbewegungen hervorgehen, bis sie ein Gesetz kennen, das sie verbietet – was die Menschen nicht wissen können,

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bis Gesetze gemacht werden; und es kann auch kein Gesetz gemacht werden, bis sie sich über die Person geeinigt haben, die es machen soll.

Man mag vielleicht denken, daß es nie solch eine Zeit oder solchen Kriegszustand gab; und ich glaube, es war nie allgemein auf der ganzen Welt so, aber es gibt viele Gegenden, wo die Menschen heute noch so leben. Denn die wilden Völker in vielen Teilen Amerikas haben außer der Herrschaft kleiner Familien, deren Eintracht von der natürlichen Lust abhängt, überhaupt keine Regierung und leben bis auf den heutigen Tag in jener vertierten Weise, wie ich zuvor sagte. Was jedoch für eine Lebensweise herrschen würde, wenn es keine öffentliche Macht zu fürchten gäbe, läßt sich an der Lebensweise erkennen, zu der Menschen, die früher unter einer friedlichen Regierung lebten, in einem Bürgerkrieg herabzusinken pflegen.

Aber selbst wenn es nie eine Zeit gegeben hätte, da einzelne Menschen im Kriegszustand miteinander lebten, befinden sich doch zu allen Zeiten Könige und Personen von souveräner Autorität wegen ihrer Unabhängigkeit in ständiger Rivalität und in der Stellung und Haltung von Gladiatoren, die Waffen gegeneinander gerichtet und die Augen aufeinander geheftet, das heißt, ihre Festungen, Garnisonen und Geschütze konzentrieren sich auf die Grenzen ihrer Reiche und ständige Spione auf ihre Nachbarn, was eine Kriegshaltung ist. Aber weil sie dadurch den Fleiß ihrer Untertanen aufrechterhalten, folgt daraus nicht jenes Elend, das die Freiheit einzelner Menschen begleitet.

IN SOLCH EINEM KRIEG IST NICHTS UNGERECHT

Eine Folgeerscheinung dieses Krieges eines jeden gegen jeden ist auch, daß nichts ungerecht sein kann. Die Begriffe von Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit haben hier keinen Platz. Wo keine öffentliche Macht ist, gibt es kein Gesetz, wo kein Gesetz ist, gibt es keine Ungerechtigkeit. Gewalt und Betrug sind in einem Krieg die beiden Kardinaltugenden. Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit sind keine körperlichen oder geistigen Fähigkeiten. Wenn sie es wären, könnten sie bei einem Menschen, der sich allein auf der Welt befände, ebenso vorkommen wie seine Empfindungen und Gemütsbewegungen. Sie sind Qualitäten, die mit den Menschen in der Gesellschaft verbunden sind, nicht in der Einsamkeit. Es ist auch eine Folgeerscheinung des gleichen Zustands, daß Eigentumsrecht, Herrschaft, Mein und Dein nicht fest umrissen sind, sondern nur, daß jedem gehört, was er bekommen kann, und so lange, wie er es halten kann. Und soviel zu dem üblen Zustand, in den der Mensch durch die bloße Natur tatsächlich versetzt ist, allerdings mit der Möglichkeit herauszukommen, die teils in den Gemütsbewegungen, teils in seiner Vernunft besteht.

DIE GEMÜTSBEWEGUNGEN, DIE MENSCHEN ZUM FRIEDEN GENEIGT MACHEN

Die Gemütsbewegungen, welche die Menschen zum Frieden geneigt machen, sind die Furcht vor dem Tode, das Verlangen nach Dingen, die für ein angenehmes Leben notwendig sind, und die Hoffnung, sie durch ihren Fleiß zu erlangen. Und die Vernunft legt geeignete Friedensartikel nahe, auf deren Grundlage die Menschen zu einem Vertrag gebracht werden können. Diese Artikel sind das, was man sonst Naturgesetze nennt; und ich werde in den beiden folgenden Kapiteln eingehender darüber sprechen." (Leviathan, XIII)

Was können wir aus dieser Schlüsselstelle für unseren Zusammenhang folgern? Der ordnende

Automat braucht, so kann man mit Hobbes sehr prägnant formulieren, die kontrafaktische

Imagination einer ungeordneten Natur bzw. naturgegebener Teile, um zu sein. Ich habe bereits

darauf hingewiesen, dass Ordnung, wird sie prozessual verstanden, ihre Permanenz nicht hat,

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sondern eben vollbringt — und zwar durch den Ausschluss von Unordnung. Die body politic muss

mithin eine differenzierte Struktur und eine eindeutig definierte Gliederung erhalten, um der

permanenten Bedrohung durch den Naturzustand, durch das Unstrukturierte und Ungegliederte,

entgehen zu können, ja um ihr Herr zu werden. Diese Regelung denkt Hobbes im Zeichen

vernünftig kalkulierter technischer Konstruktion, die eben zum Gebilde des "künstlichen

Menschen" führt; Vernunft wird hier als rechnende und ordnende Vernunft verstanden. Und es ist

eben diese Auffassung der Vernunft, die Hobbes zufolge den Menschen schon im Naturzustand

dazu drängt, auf sein im Dienste der Selbsterhaltung stehendes "Recht auf alles" zu verzichten und

sich einer allgemeinen Gewalt zu unterwerfen. Zugleich bleibt Vernunft für Hobbes jedoch immer

auch als eine "natürliche Kraft" zu verstehen — neben Erfahrung, Körperkraft und den

Leidenschaften. Hobbes übernimmt also durchaus die Definition des Menschen als animal

rationale (ZOON LOGIKON). Das Kompositum versteht er dabei jedoch wesentlich medial: Natur

erscheint hier als eine Gesamtheit von Eigenschaften und Bewegungen, deren Medium der Mensch

ist, sofern dieser die durch die Vernunft erwirkte gegenstrebige Fügung seiner

auseinanderstrebenden (naturhaften) Eigenschaften verkörpert. Menschliche Natur besagt mithin,

dass diese sich mittels ihrer spezifischen Eigenschaften von der Natur des Tieres unterscheidet.

Hobbes leugnet in diesem Zusammenhang nicht das Tierische im Menschen; im Gegenteil: ein Wolf

kann der Mensch dem Menschen nur werden, weil im animal rationale Eigenschaften miteinander

einhergehen, die nicht zueinander passen und auch nicht im Zeichen seines politischen bzw.

sozialen Wesens (ZOON POLITIKON) notwendigerweise aufgehoben werden müssen, im

Gegenteil. Die damit angezeigte Ausweitung des Naturzustandes wird von Hobbes denn auch in 7

umfassender und nachhaltiger Weise reflektiert. Denn Hobbes erkennt, dass der Mensch Natur und

Artefakt in eins ist. Dies aber impliziert wiederum, auch wenn Hobbes dies kaum explizit so

verstanden bzw. artikuliert hat, eine theoretische Grundlegung des bürgerlichen Menschen und

seiner Vergesellschaftungsformen. Die abstraktiv anmutende Hypothese des Naturzustandes wäre

dann auch in diesem Sinne keinesfalls nur als eine rückwärtsgewandte Utopie zu lesen, wie sie

manchen Vorstellungen eines Rückfalls des Menschen ins Naturhafte weiterhin ventiliert wird. Sie

! �53

In diesem Zusammenhang wäre noch eine weitere, extreme Bestimmung des Menschlichen zu 7

berücksichtigen: Als ZOON LOGON ECHON (sprechendes und lauschendes Lebewesen) kann sich der Mensch nämlich auch in sein Schweigen zurückziehen, für den anderen zu Stein werden, wie Sartre sagt, ein abgründige Möglichkeit, die mitunter auch in den Dialogen Platons erwogen wird. Auf den Anspruch des Anderen nicht zu antworten, dies bezeichnet mithin die Möglichkeit einer spezifisch menschlichen Form von Gewalt, die mir gerade nicht in ihrer Zweckrationalität oder ihrem instrumentellen Charakter aufzugehen scheint — die Grausamkeit. So weit geht Hobbes jedoch nicht und ich möchte auf diese Möglichkeit hier nur hinweisen.

könnte und müsste vielmehr auch so gelesen werden — hierauf hat etwa schon Rousseau in seiner

Kritik an Hobbes hingewiesen (vgl. dazu das Rousseau-Kapitel in Hirsch, Recht auf Gewalt) —,

dass die in der bürgerlichen Marktordnung geschaffene Mangelsituation in funktionaler Hinsicht

dem Kampf auf Leben und Tod im Naturzustand entspricht; die "originäre" Gewalt kehrt also im sie

scheinbar hegenden Gewand zivilisatorischer Gesellschaftsintegration in transformierter Form

wieder.

Bei Hobbes finden sich nun in der Tat einige Überlegungen, die bereits in diese Richtung einer

Dynamisierung des Naturzustandes verweisen: So handelt er von der "Gleichheit der Hoffnungen",

die die Menschen dazu verleitet, nach dem selben Gegenstand zu streben, den sie jedoch nicht

zusammen genießen können" (Dies erinnert an Sartres Konzept der Knappheit (rareté), aber auch

an Renée Girards Theorie des "mimetischen Begehrens", an Theorien also, die ebenfalls die

umfassende Bedeutung von Gewalt für die Genese sozialer Ordnung ins Zentrum rücken.) Dies

stellt jedoch nicht die einzige Konfliktursache dar, die Hobbes sieht. Weiterhin macht er im schon

genannten ursprünglichen "Misstrauen" dem anderen gegenüber, in der "Ruhmsucht", aber auch im

"Missbrauch der Sprache" in ihrer repräsentativen Funktion und v.a. schließlich in der

Beunruhigung angesichts eines "zukünftigen Hungers", die eine Arbeit der vorsorgenden Sicherung

nötig macht, generische Konfliktursachen aus, die ebenfalls allesamt die Idee einer kulturell

artikulierten Dynamisierung des Naturzustands ganz eindeutig nahelegen.

Zu diskutieren wäre in diesem Zusammenhang nun freilich, ob Hobbes mit seiner prinzipiellen

Auffassung, dass in letzter Instanz alles in Macht konvertibel ist bzw. sein muss, die angezeigte

Diversifizierung der Gesellschaftsstruktur — deren Zeuge er ja durchaus bereits geworden war —

theoretisch überhaupt angemessen wahrzunehmen vermochte: Denn in der Tat, mit der sog.

"bürgerlichen Revolution" und dem mit ihr in Gang gebrachten Übergang zu einer Markt- und

Konkurrenzgesellschaft hat sich die Konzentration und Zentralisierung von Macht/Gewalt in Form

ihrer absolutistischen "Verstaatlichung" aufgelöst, womit in eins der Prozess einer

! �54

Vergesellschaftlichung von Macht mindestens ansatzweise einsetzte. Da Hobbes gleichwohl aus 8

anthropologischen Gründen am Machtdiskurs als einer seines Erachtens unabdingbaren Meta-

Ordnung festhielt, fragt es sich, ob er nicht die faktische historische und soziale Transformation der

Macht gleichsam notwendigerweise verkennen musste und sie dementsprechend nur einsinnig als

Rechtfertigung einer politischen Herrschafts- und Zwangsgewalt aufzufassen in der Lage gewesen

ist. 9

Ich denke, diese Argumentation bzw. Kritik ist nur halb wahr — und verschleiert in eins die

entscheidende sozialtechnologische Instrumentalisierung eines als naturhaft angesehenen

Schreckens, auf die ich bereits hingedeutet hatte, als vom Schreckbild des Krieges die Rede war,

eines Schreckbildes, das m.E. explizit den mit nichts zu vergleichenden Schrecken des Bürgerkriegs

konnotiert. Weshalb ist diese Kritik nur halb wahr und was verschleiert sie? M.E. ist sie nur halb

wahr, weil Hobbes nicht nur zugesteht, dass Machtprozesse und -diskurse eine

gesellschaftsintegrierende Funktion ausüben, sondern dass sie sich korrelativ zur Entwicklung

konkreter Gesellschaftsformationen auch selbst transformieren. Anders gesagt: Es macht einen

Unterschied, welche Form von Krieg die Funktion des Schreckbildes übernimmt. Die Widmung in

seiner Schrift De Cive, die das viel zitierte Wort vom Menschen als des Menschen Wolf nicht nur

prägte, sondern in eins auch recht eindeutig kontextualisierte, zeigt dies sehr deutlich. Sie macht

! �55

Rousseau etwa wirft Hobbes in diesem Zusammenhang in der Tat eine regelrechte Verwechslung vor, wenn er 8

schreibt: "Vom wilden Menschen sprachen Sie, den gesitteten (l'homme civil) beschrieben Sie." Dass es sich beim Bild des Naturzustandes keineswegs um ein vorgeschichtliches Bild handle, sah er also klar und folgerte daraus, dass sich auf diesem Wege keinesfalls ein authentischer Begriff des "Natürlichen" herausarbeiten ließe: "Der Irrtum von Hobbes und den Philosophen", so schreibt er, "besteht darin, daß sie den natürlichen Menschen mit dem verwechseln, den sie vor Augen haben, und daß sie ein Wesen in ein System versetzen, das nur in einem anderen fortbestehen kann." ("Vom Kriege") Was Hobbes sozusagen gegen seine Intention herauspräpariert, sind nicht "historische Wahrheiten" oder ein "wahrer Ursprung" der Dinge, sondern "die Natur der Dinge" (vgl. Rousseaus "Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen"), wie sie sich faktisch vollzieht. In dieser Perspektive kehrt Rousseau die Hobbes'sche Perspektive denn auch geradezu um, wenn er nämlich die Überzeugung äußert, dass dem Menschen der Kriegszustand überhaupt nicht von Natur aus zukomme, sondern im Gegenteil "der Krieg aus dem Frieden hervorgeht oder wenigstens aus den Vorkehrungen, die die Menschen getroffen haben, um sich einen dauerhaften Frieden zu sichern." ("Vom Kriege")

Dies mag nun — sofern es überhaupt zutreffend ist — für einen Denker des Übergangs, wie Hobbes es fraglos ist, 9

nicht verwundern. Es verwundert jedoch, um hier einen kurzen Ausblick zu geben, z.B. sehr für Max Weber, der mit seiner affirmativen Übernahme der Denkfigur des "Monopols legitimer physischer Gewaltsamkeit" als Bestimmungsgrund des Staates einen am Beginn der Moderne aufkommenden Diskurs wiederholt, ohne dass er in diesem Zusammenhang die fortgeschrittene Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Machtmechanismen zu berücksichtigen scheint. War Hobbes noch von der drohenden Aufsplitterung der zentralen Macht und der Gefahr des drohenden konfessionellen Bürgerkriegs ausgegangen, war hier also noch die Erosion und Dezentralisierung von Macht das angsterregende Schreckgespenst, so sollte doch für Weber im Anschluss an Marx, so könnte man mutmaßen, die Einsicht leitend gewesen sein, dass die Genese von Macht auch in anderen Diskursen, v.a. im ökonomischen Diskurs, stattfinde und ihr Begriff mithin auf breiterer Basis fundamentiert werden müsste. Dass dann z.B. gerade für Marx der Naturzustand sich in einer Geschichtskonzeption dynamisierte und fortsetzte, die den Fortgang der Geschichte nur im Zeichen des Klassenkampfes zu konzeptualisieren erlaubte, mag gleichwohl anzeigen, weshalb Weber diesbezüglich in traditionelle Bahnen einschwenkte: scheint hier nicht bereits die überaus bedrohliche Denkfigur eines "Weltbürgerkrieges" am Horizont auf, d.h. eines Krieges, der total wird bzw. werden muss? Dazu später mehr.

eigentlich auch schon klar, in welche Richtung weiterführendes Fragen gehen muss, wenn es denn

darum bestellt sein soll, die unreflektierte Rolle des Begriffs des Krieges bei Hobbes näher zu

klären, ohne ihn schlicht als ein naturgegebenes Übel aufzufassen, dessen Schreckenspotential die

unabdingbare Rückseite aller gesellschaftlichen Integration gleichsam univok verkörpert. Es heißt

dort:

"Nun sind sicher beide Sätze wahr: Der Mensch ist ein Gott für den Menschen, und: Der

Mensch ist ein Wolf für den Menschen; jener, wenn man die Bürger untereinander, dieser,

wenn man die Staaten untereinander vergleicht. Dort nähert man sich durch Gerechtigkeit

und Liebe, die Tugenden des Friedens, der Ähnlichkeit mit Gott; hier müssen selbst die

Guten bei der Verdorbenheit der Schlechten ihres Schutzes wegen die kriegerischen

Tugenden, die Gewalt und die List, d. h. die Raubsucht der wilden Tiere zu Hilfe

nehmen." (Hobbes 1966: Widmung, 59, Hvh. i.O.).

!Lässt sich aus dieser prominenten Stelle nun nicht eindeutig herauslesen, dass das Verhältnis der

Menschen untereinander nicht durch ihre Natur geprägt ist, sondern vielmehr ein Resultat jener

konkreten Bedingungen ist, in denen sie miteinander in Beziehung treten? Sie gebärden sich als

Wölfe für den anderen, wenn sie nicht einer souveränen Gewalt unterworfen sind, erscheinen

gottähnlich aber, wenn sie sich als Bürger, d.h. als gleich geltende Untertanen eines souveränen

Staates gegenübertreten. Ist für den Menschen beides möglich, so kann es nicht, müssen wir

schlussfolgern, auf seine natürlichen Eigenschaften zurückgeführt werden, sondern ist durch den

Status bedingt, in dem der Mensch sich befindet. Von einer wolfsähnlichen Natur zu sprechen —

dies scheint eher und nur auf die Natur der Staaten zuzutreffen, wiewohl von einer Natur von

Staaten, wie Hobbes explizit schreibt, eigentlich nicht gesprochen werden kann, da es sich bei ihnen

um höchst artifizielle Gebilde handelt. Wie dem auch sei, Hobbes benutzt hier das Verhältnis von

Staaten untereinander als ein Beispiel dafür, wie Menschen sich verhalten, wenn sie sich keiner

souveränen Rechtszwangsgewalt unterstellen. Zugleich ist er aber auch der Auffassung, dass das

Verhältnis von Staaten zueinander ein und dasselbe ist, wie jenes einzelner Menschen unter sich,

falls sie sich nämlich keiner übergreifenden Gewalt unterworfen haben. Wir stehen damit vor einer

etwas komplizierten, ja undurchschaubaren Situation: Denn eindeutig versteht Hobbes den

Naturzustand zwischen Menschen als einen Kriegszustand; dies geschieht zwar in Analogie mit

dem zwischenstaatlichen Krieg, den er jedoch eher nur nebenher behandelt — und wenn, dann

! �56

meist als Illustration seiner exemplarischen Auffassung eines naturzuständlichen Krieges

heranzieht. Der Bürgerkrieg wiederum ist ebenso nicht sein zentrales Thema, auch wenn der

historische Hintergrund des englischen Bürgerkriegs relevant ist und Hobbes seine Aufgabe fraglos

darin sah, den Bürgern eine rationale Einsicht in das Wesen des Staates und ihre Rechtspflichten zu

vermitteln: Dadurch wollte er Überzeugungsarbeit für den Gehorsam der Bürger gegenüber dem

Souverän leisten, um so einer Beendigung des Bürgerkrieg zuzuarbeiten. Exakt um dies zu tun,

abstrahiert Hobbes aber von allen staatlichen und rechtlichen Bindungen, um so jenes

kontrafaktische Schreckbild zu zeichnen, das rational handelnde Wesen letztlich dazu bringen

müsse, ihr "Recht auf alles" gerade im Zeichen ihrer "Selbsterhaltung" zugunsten einer

Rechtszwangsgewalt aufzugeben. Der aus diesem "Recht auf alles", dem Konkurrenzstreben und

der Ruhmsucht resultierende Krieg aller gegen alle ist folglich eine analytische Konstruktion. Mit

ihrer Hilfe möchte Hobbes zeigen, wie die für Rechtsfrieden notwendige Freiheitseinschränkung zu

begründen ist. Ob ein solcher Zustand je existierte ist, wie schon gesagt, ganz egal. Hobbes

beansprucht nur den Nachweis dafür geliefert zu haben, dass, wenn die Bereitschaft, sein Recht (auf

alles) mit Gewalt durchzusetzen, den Kriegszustand definiert, Menschen ohne eine sie unter das

Recht zwingende Gewalt sich notwendig im Kriegszustand befinden. Ob nun aktuelle Gewalt

vorliegt oder bloß die Drohung damit oder auch nur die Bereitschaft dazu, sei gleichgültig. In dieser

Beweisführung greift Hobbes, und dies ist entscheidend, auf keinerlei empirisch strittig Annahmen

über eine "menschliche Natur" zurück: Relevant ist nur die Vernunftbegabtheit, das Begehren nach

gemeinsamen Dingen, und das Faktum, dass Menschen für ihr Leben und ihre Selbsterhaltung

sorgen müssen. Letztlich kommt dabei der Vernunfteinsicht das entscheidende Gewicht zu:

Entscheidend nämlich ist die Einsicht, dass das "Recht auf alles" nutzlos ist, da es in einem Zustand

resultiert, in dem niemand ein gesichertes Recht auf irgendetwas hat. Demzufolge widerspricht sich

aber jeder, der in einem solchen Zustand verbleiben will, sofern in solch einem Zustand nämlich

keinerlei planendes Handeln, keine Vorsorge etc. möglich ist, kein Wirtschaften etc. Es gilt daher,

im Sinne der Selbsterhaltung aus diesem Zustand herauszutreten. Welche Möglichkeiten der

Mensch dazu hat, legt Hobbes anhand der von ihm herausgearbeiteten "natürlichen Gesetze" bzw.

"Gebote der Vernunft" dar. Bevor ich auf diese und ihr friedensstiftendes Potential nun näher

eingehen werde, sei zunächst aber nochmals auf die schon angesprochene Mehrdeutigkeit des

Krieges bei Hobbes hingewiesen: denn wie sich zeigen wird, steht auch bei Hobbes die Möglichkeit

innerer Befriedung bzw. Hegung des „Krieges aller gegen alle“ in einer ambivalenten Korrelation

mit anderen Formen des Krieges. Was diese verschiedenen Begriffe vereint, ist lediglich negativer

! �57

Natur: Es handelt sich um die Abwesenheit einer souveränen staatlichen Zwangsgewalt, die über

den einzelnen Parteien stünde. Sie bleiben mithin alle im Lichte der Tatsache zu untersuchen, dass

der naturzuständliche Krieg bei Hobbes Anfang und Basis der politischen Theorie ist. Die

Akzentuierung der Frage nach dem Krieg erfolgt dadurch in einer ganz anderen Weise als etwa bei

Platon, mit dem wir uns zuvor beschäftigt hatten. Des Weiteren ist auch noch zu ergänzen, dass

Hobbes keinen positiven Begriff des Friedens hat, der mehr wäre, als die bloß faktische

Abwesenheit von Krieg. Sein Denkhorizont ist nicht der einer Norm oder Regel, sondern vielmehr

der Extrem- oder Grenzzustand. Dafür spricht auch, dass Hobbes zufolge der Krieg auf der

zwischenstaatlichen Ebene grundsätzlich nicht eliminiert, sondern nur begrenzt werden kann (Lev.

17); er bleibt mithin ein unüberwindbares Faktum, wiewohl der Mensch, wie wir noch sehen

werden, den Naturgesetzen folgend auf der Suche nach dem Frieden ist. Vor diesem Hintergrund

gilt es also, drei Begriffe von Krieg bei Hobbes strikt zu unterscheiden: 1. den (naturzuständlichen)

Krieg alle gegen alle im Naturzustand; 2. den Bürgerkrieg und 3. den zwischenstaatlichen Krieg.

Diese Unterscheidung erscheint notwendig, denn Hobbes selbst wendet oft nur das Konzept des

Naturzustandes im Sinne eines „Krieges aller gegen alle“ an, auch um damit ganz Unterschiedliches

zu bezeichnen. Der naturzuständliche Krieg hat dabei auch sicherlich den Status eines Paradigmas,

an dem reale Kriege gemessen bzw. verglichen werden, dem diese sich annähern, den sie aber nie

gänzlich verkörpern.

Arbeiten wir zunächst die augenscheinlichsten Unterschiede heraus, um uns diesen Typen

anzunähern. Im naturzuständlichen Krieg ist, wie wir schon hörten, jeder Mensch Kriegsteilnehmer,

für den Staatenkrieg gilt dies nur in übertragenem Sinne, sofern es sich hier eben um Konflikte

zwischen künstlichen Individuen handelt. Der Naturzustand läuft auf einen Gründungsakt hinaus,

um Existenzsicherung unter dem Gewaltmonopol einer Rechtszwangsgewalt möglich zu machen;

der Bürgerkrieg zielt dagegen auf ein re-bellare, also eine Wiederweckung des Krieges; darin sieht

Hobbes natürlich ein Schwerverbrechen, wovon im Naturzustand wiederum keine Rede ist, sofern

darin ja noch keine Rechtsansprüche Geltung haben können; zudem ist ein entscheidendes

Kennzeichen von Bürgerkriegen Hobbes zufolge der Einsatz von Ideologien, welche jedoch zu ihrer

Entstehung und zu ihrem wirksamen Einsatz kollektive Bindungen erfordern – welche es im

Naturzustand aber per definitionem nicht gibt. (Gibt es aber nicht doch eine „minimale Sozialität“;

sprechen sich die Individuen nicht an? Wäre ohne eine solche An-sprache überhaupt etwas, und sei

es ein Krieg, möglich?) Der naturzuständliche Krieg bringt Hobbes zufolge das meiste Leid über

die Menschen, mehr, als jeder Staatenkrieg es vermag; Hobbes nimmt sogar an, dass der Souveräne

! �58

durch zwischenstaatlichen Krieg eine konstruktive Rolle spielen kann, dazu später noch genauer. Im

naturzuständlichen Krieg muss jeder jeden fürchten, das trifft insbesondere auf zwischenstaatliche

Kriege nur abgemildert zu, da es zwischen diesen doch meistens sehr klar abgestufte Macht- und

Ohnmachtsverhältnisse (Territorium, natürliche Ressourcen, Ökonomie etc.) gibt, wohingegen im

Naturzustand allerhöchstens kurzfristige Zweckbündnisse erwähnt werden. Besonders wichtig ist

schließlich, dass sowohl der naturzuständliche Krieg wie der Bürgerkrieg laut Hobbes grundsätzlich

beendet werden können, ganz im Gegensatz zum zwischenstaatlichen Krieg. Zumindest die

gegenseitige Bedrohung und Abschreckung, die für Hobbes ja den Kriegsbegriff bereits ausmacht

und essnetiell für das Verhältnis zwischen Staaten ist, kann nicht abgeschafft werden – und zwar

exakt aus Gründen, die die Analogie von Einzelnem/Staat betreffen, dazu später auch genauer.

Zwischenstaatlicher Konflikt kann daher maximal begrenzt und „gehegt“ werden – so z.B. dadurch,

dass der Krieg von einem „heißen“ in einen „kalten“ Zustand übergeht. Gemeinsam haben die drei

Typen des Krieges lediglich, wie schon erwähnt, dass in ihnen allen eine souveräne Zwangsgewalt,

die über den Kriegsparteien steht und geteilte Rechtsgeltung erzwingt, fehlt. Besagt die Rede vom

Naturzustand, dass staatliche Herrschaft nicht gegeben ist, so kann sie auf alle drei Formen des

Krieges angewendet werden. Soweit reicht ein Minimalmerkmal von Krieg. Wie Hobbes im 13.

Kapitel des Leviathan ausführt, subsummiert er unter den Begriff „Naturzustand“ jedoch mehr:

Bürgerkrieg und Staatenkrieg werden hier diesem Begriff eher, wie man sagen könnte, angenähert.

Dies erhellt wiederum, dass die Rede vom Naturzustand keineswegs als ein historisches Faktum

verfängt (oder auch herhalten muss), sondern eben vielmehr eine Konstruktion darstellt. Wie

unerhört wirkmächtig die damit angezeigte konstitutive Ambivalenz zwischen einer (und sei es

hypothetischen) Grundlage für die Konstruktion des Souveräns und einem kontrafaktischen

Schreckbild jedoch ist, wird dort deutlich, wo der Naturzustand faktisch herangezogen wird, um

diese Herrschaftskonstruktion nachhaltig zu stabilisieren. Den Konzepten des Bürgerkriegs und des

Staatenkriegs kommt in dieser Hinsicht eine, wie ich meine, eminent wichtige Funktion zu. Wenden

wir uns daher zunächst einmal ihren Eigentümlichkeiten und Wesensmerkmalen zu.

In Bezug auf den Bürgerkrieg ist zunächst zu unterstreichen, dass Hobbes Aufruhr als eine

Krankheit des Staates bestimmt, den Bürgerkrieg bereits aber als dessen Tod anspricht. Ist er im

Gange, ist keine souveräne Staatsgewalt mehr zugegen, da sie ja augenscheinlich ihre

friedenssichernde Zwangsgewalt nicht mehr ausübt. Hobbes hält fünf entscheidende Merkmale des

Bürgerkrieges fest. 1) und wesentlich die hohe Ideologielastigkeit: diese erklärt sich vor dem

Hintergrund der religiösen Bürgerkriege seiner Zeit dadurch, dass die Berufung auf gerechte

! �59

Kriegsursachen (iusta causa belli) ein weit verbreitetes Instrument war, auf das sich all Parteien

berifen; durch di mit dem Westfälischen Frieden eintretende Epoche der sog. "Staatsräson" und der

"Kabinettkriege" wurde einerseits den souveränen Staaten ein ius ad belli eingeräumt, andererseits

sollte so der Bürgerkrieg geächtet werden. Die wechselseitige Anerkennung der Staaten als

gleichberechtigte Akteure nahm hier von jeder ethischen Diskriminierung des Krieges Abstand;

wenn auch solche Legitimationen durchaus weiterhin Verwendung fanden, so ist doch festzuhalten,

dass die Diskriminierung des Feindes in diesem Kontext sich nie gegen die Existenz des Feindes in

seiner Gesamtheit richtete. Holzschnittartig standen sich nun der abgetrennte, souveräne Staat mit

dem freien Recht auf Kriegführung und der abgetrennte Raum der Staatsmacschine gegenüber,

dessen "Störungen" etc. sich nun einer enorm hohen Beweislast unterworfen fanden. Tillys

Kurformel hierfür lautet: "War made the state, the state made war." Eine Abkehr von der darin

enthaltenen Konzeption des "agonalen Staatenkrieges" entstand erst mit der völkerrechtlichen

Diskriminierung des Krieges im 20. Jahrhundert. Übergangsformen und das Wiedereinbringen

ideologischer Potentiale sind freilich Faktum, so insbesondere mit der französischen Revolution, die

im Revolutionskrieg den Staatenkrieg als einen Bürgerkrieg vorantrieb. 2) Nennt Hobbes eine

Verschränkung von individualistischer und universalistischer Ausrichtung, die zu einer

Grenzsprengung von privaten und öffentlichen Räumen führt. Die Schänken zwischen Politischem

und Privaten werden hier unterlaufen, Betroffenheit wird zur politischen Kategorie, allgemeine

Wertvorstellungen nehmen die form von Fragen persönlicher Identität an etc. 3) Damit verbindet

sich eine Perhorreszierung des Gegners, die das ganze Selbstverständnis des Menschen betrifft: der

Feind wird zum Verbrecher degradiert, ja zum Unter- oder Unmenschen. 4) In die Hände spielt dem

unpräziser Sprachgebrauch, was Hobbes von der Sprache — bzw. ihrem Missbrauch — als

Kriegsfaktor handeln lässt ("The tongue of man is a trumpet of warfare"), wobei er hier über den

schwankenden und übertragenden Gebrauch von Begriffen ebenso spricht, wie von Lüge und

Beleidigung im Sinne von Verletzung, was allesamt der Ideologisierung zuspielt. Dadurch würden

geradezu phantasmatische Identifizierungsangebote geschaffen, umfassende Feindbilder ventiliert

und ein regelrechtes "Pathos der Freiheit" installiert, das die anderen als Feinde der Freiheit zu

identifizieren erlaubt. 5) Führt all dies zu einem Entscheidungszwang, der unter Wegfall der

souverän aufrecht erhaltenen Rechtssicherheit alle Neutralität zu einer lebensbedrohlichen Option

verkommen lässt.

Gerade mit Bezug auf aktuelle Formen der sog. "neuen Kriege", in denen nicht nur low intensity

conflict vorherrscht und die Grenzen von Krieg und Kriminalität verschwimmen, sondern v.a. im

! �60

Zeichen religiöser Identitäten der Ideologiefaktor wieder in den Vordergrund tritt, gewinnen die

Hobbes'schen Überlegungen zum Bürgerkrieg und seiner hohen Ideologielastigkeit wie

kontrafaktischen Gewaltrechtfertigungsfunktion wieder enormen an Bedeutung.

Hobbes selbst war das politische Problem der Verhinderung von Aufruhr und Bürgerkrieg voll

bewusst. Seine Überlegungen enthalten daher auch Präventionsstrategien, die jenen bereits

genannten "Dingen" gelten, "die ein Gemeinwesen schwächen oder zu seiner Auflösung

führen" (vgl. Leviathan, XXIX, vgl. oben S. 46ff.). Diesen sog. "Krankheiten des Staates" ist im

Wesentlichen dadurch beizukommen, dass der staatliche Souverän 1) seine Macht sichtbar machen

soll, d.h. auch das Gewaltpotential nutzen soll, da nur permanente Präsenz von Macht den inneren

Frieden sichert; 2) jene bürgerkriegsträchtigen Theorien und Meinungen (Primat des Gewissens,

privates Richtertum, Theorie der Gesetzesbindung des Souveräns, das Prinzip der Teilbarkeit der

Souveränität, etc.) verbieten soll, dadurch jedoch nur Gehorsam im äußeren Sinne erwirken soll,

nicht aber versuchen sollte, in die Herzen und Köpfe der Untertanen einzudringen, da dies

kontraproduktiv sei. Der Glaube als rein innerliche Haltung etwa sei keineswegs zu verbieten, zu

verhindern sei jedoch, dass im öffentlichen Raum mit Bezug auf die innerliche Instanz des

Gewissens argumentiert werde: Im Zeichen eines "Primats des Politischen" hält Hobbes nämlich

daran fest, dass der politische Raum ausschließlich ein Raum von Befehl, Gehorsam und

Entscheidung sei, in dem Argumentieren keinen Platz habe. Aktionen wie staatliche

Gewissenskontrolle etc. hätten darin gar nichts zu suchen, weil sie nur dazu Anlass böten, den

souveränen Befehl wie ein begründbare These zu behandeln. Das Gewissen würde dadurch als eine

pseudopolitische Kategorie geschaffen werden und die Unumschränktheit staatlicher Macht wäre

dadurch grundsätzlich in Frage gestellt. Allein Herrschaft stellt Hobbes zufolge also den Frieden

her und sichert ihn — und Herrschaft schlägt sich Hobbes zufolge sprachlich eben im Modus des

Befehls nieder. Gesetze werden daher von Hobbes auch als Befehle bezeichnet (XXVI). Innerer

Frieden ist demgemäß im Rahmen von Hobbes Ansatz zwar nicht, wie man oft meinte, als eine

militaristische Organisation konzipiert, aber doch, so viel stimmt sicher, allein durch eine militär-

analoge Ordnung des Gemeinwesens zu sichern. In diesem Zusammenhang ist dann freilich auch

noch Hobbes vehemente Kritik am aufrührerischen Prinzip von der alleinigen Legitimität der

demokratischen Staatsform zu nennen. Diese, die v.a. auf das antike Schrifttum zurückzuführen sei,

führe speziell zur Rebellion gegen Monarchien. Die klassische Lehre vom Tyrannenmord stellt hier

das zentrale Feindbild von Hobbes dar: Dass ein Tyrann sich von einem Monarchen durch die

Unrechtmäßigkeit seiner Herrschaft unterscheide, seine Tötung daher legitim und im Grunde auch

! �61

begrüßenswert sei, verweist für Hobbes auf die (falsche und empirisch für ihn nicht belegte)

Ansicht, dass die demokratische Verfassung die beste und mithin die wünschenswerteste sei. Diese

Ansicht teilt er jedoch mit Blick insbesondere auf die Antike nicht und im Gegenzug zieht er als das

einzige Kriterium für die Bewertung einer Verfassungsform deren Eignung zur Sicherung des

inneren Friedens heran. Demokratien seien diesbezüglich, so argumentiert er, eher schlecht

geeignet, weil in ihnen der Auseinandersetzung innerhalb eines Gemeinwesens eine so zentrale

Rolle zukommt. Innenpolitische Kämpfe, die etwa Machiavelli dezidiert als eine gewichtige

Chance zur Herausbildung einer kollektiven virtu verstanden hat, galten Hobbes im Gegenteil als

eminent herrschaftszersetzend. Ebenso problematisch erscheint in diesem Kontext z.B. die

Auffassung einer Teilbarkeit der Souveränität. Dies zeigt sich dann etwa ganz klar, wenn es darum

geht, dass der Souverän im Sinne der Erhaltung des Staatswesens kämpfen muss und d.h. sein

Leben riskieren muss (er ist ein "sterblicher Gott"), um über die Selbsterhaltung im Sinne der

Bewahrung eines menschlichen Individuums hinaus seine politische Funktion zu bewahren. In

diesem Kontext wäre des Weiteren Hobbes Konzeption von Militär und Soldatentum zu behandeln.

Interessant ist auch hier wiederum Hobbes' Auffassung von Tapferkeit: So soll diese ja dazu führen,

dass der Soldat für den Staat ein Opfer zu dessen Erhaltung vollbringt, doc handelt es sich hierbei

um eine Idee, die auf der atomistischen Grundlage des Hobbes'schen Ansatzes (und aufgrund seiner

anthropologischen Vorannahmen) jedoch kaum fassbar erscheint. Kleemeier fasst diese Problematik

wie folgt zusammen:

"Die Figur des Soldaten muß ein Staatsmodell wie das Hobbessche mit unüberwindbaren

und paradoxen Schwierigkeiten konfrontieren. Auf der einen Seite ist der Soldat unendlich

wichtig, wie man daraus ersieht, daß der Oberbefehl über das Militär den Kern der

Souveränität ausmacht. Hobbes mag seinen Souverän noch so sehr als 'sterblichen Gott'

überhöhen; ohne seine Soldaten ist er de facto nichts. Andererseits fügen sich die spezifisch

soldatischen Tugenden ganz und gar nicht nahtlos in die rein individualistisch verstandene

staatliche Selbsterhaltungsmaschine ein. Der Soldat ist wichtig, weil er tapfer ist, aber aus

demselben Grund ist er auch eine potentielle Gefahrenquelle für den Staat. So wie

Tapferkeit einen Staat erhalten kann, so ist sie im Prinzip auch geeignet, ihn zu zerstören

(vgl. DH 13/9, S. 42). Es gibt bei Hobbes nichts, was diesen prinzipiellen Konflikt

überbrücken könnte." (Kleemeier, 213)

!! �62

Kommen wir nun zum zwischenstaatlichen Krieg. Vorausgeschickt sei, dass Hobbes keine

systematische Reflexion über den zwischenstaatlichen Krieg vorgelegt hat. Seine entsprechenden

Überlegungen finden sich in Kontexten, in denen das Verhältnis von Staaten gar nicht das primäre

Thema ist, sondern zur Illustration herangezogen wird. Man kann aber festhalten, dass Hobbes

durchgängig die Verhältnisse zwischen den Staaten mit jenen zwischen den Individuen im

Naturzustand identifiziert. Hobbes unterscheidet zwar zwischen dem natürlichen Gesetz der

Menschen und dem der Staaten - das auch als das Gesetz der Völker oder als Völkerrecht

bezeichnet wird --, hält aber auch fest, dass beide Vorschriften im Grunde dieselben seien. Die

einzige Unterscheidung besteht darin, dass die den Gesetzen Unterworfenen einmal die Staaten als

juristische Personen, andernfalls die natürlichen Personen sind (vgl. De Cive, XIV, 4).

Auch im Leviathan identifiziert Hobbes das Verhältnis zwischen Staaten mit demjenigen der

Menschen im Naturzustand, wenn er die Annahme, im Naturzustand herrsche ein Kriegszustand

unter den Menschen, mit dem Verhältnis der Staaten untereinander ergänzend zu exemplifizieren

sucht:

"Man mag vielleicht denken, daß es nie solch eine Zeit oder solchen Kriegszustand gab;

und ich glaube, es war nie auf der ganzen Welt so, aber es gibt viele Gegenden, wo die

Menschen heut noch so leben, […] Was jedoch für eine Lebensweise herrschen würde,

wenn es keine öffentliche Macht zu fürchten gäbe, läßt sich an der Lebensweise erkennen,

zu der Menschen, die früher unter einer friedlichen Regierung lebten, in einem Bürgerkrieg

herabzusinken pflegen. / Aber selbst wenn es nie eine Zeit gegeben hätte, da einzelne

Menschen im Kriegszustände miteinander lebten, befinden sich doch zu allen Zeiten

Könige und Personen von souveräner Autorität wegen ihrer Unabhängigkeit in beständiger

Rivalität und in der Stellung und Haltung von Gladiatoren, die Waffen gegeneinander

gerichtet und die Augen aufeinander geheftet, das heißt, ihre Festungen, Garnisonen und

Geschütze konzentrieren sich auf die Grenzen ihrer Reiche und ständige Spione auf ihre

Nachbarn, was eine Kriegshaltung ist." (XIII)

!Wir können daher davon ausgehen, dass das Verhältnis der Staaten untereinander dem Naturzustand

gleicht (DE Cive, XIII/; X/17). Für Staaten gelten folglich auch dieselben Rechte, wie sie die

Individuen im Naturzustand gegeneinander haben. Staaten haben dieselben Freiheiten, die auch die

Einzelnen im Naturzustand haben, der eben dadurch ausgezeichnet ist, dass es darin eben keinerlei

! �63

bürgerliche Gesetze bzw. überhaupt keinen Staat gibt Wie die Individuen für sich, so haben auch

die Staaten das Recht, für die Sicherheit der Völker zu sorgen. Wie die Individuen haben sie also

auch ein „Recht auf alles“, d.h. alle Handlungen, die sie für deren Nutzen nötig erachten. Eben

daher aber leben sie gewissermaßen permanent in einem rechtlosen Zustand und müssen mithin

bereit sein, sich gegen andere Staaten zu verteidigen. Es herrscht also auch zwischen Staaten per

definitionem der Kriegszustand:

!„[J]edes Gemeinwesen (nicht jeder Mensch) besitzt absolute Freiheit zu tun, was nach

seinem Urteil […] am meisten zu seinem Vorteil beiträgt. Aber dabei leben sie im Zustand

beständigen Krieges und am Rande der Schlacht, die Grenzgebiete bewaffnet und die

Kanonen auf die Nachbarn ringsum gerichtet." (Leviathan XXI)).

!Ebenso wie für das Verhältnis zwischen den Individuen statuiert Hobbes, dass der Kriegszustand

zwischen Staaten nicht besagt, dass sie permanent in aktive Gewalthandlungen verstrickt wären.

Hobbes legt auch keineswegs nahe, dass Staaten nicht miteinander kooperieren würden oder auch

verbindliche Verträge eingehen könnten. Seine Argumentation zielt im Gegenteil nur darauf ab, dass

prinzipiell weder Kooperation noch Verträge die zwischen Staaten ganz grundsätzlich herrschende

Rechtsunsicherheit beseitigen könnten – dass folglich auch ihr Recht auf gewaltsamen Schutz der

Untertanen unabschaffbar sei. Ja es gehört Hobbes zufolge vielmehr zu den konstitutiven Pflichten

des Souveräns, den Schutz der Bürger zu gewährleisten und gegen potenzielle´Angriffe gerüstet zu

sein; in De cive führt er diesbezüglich folgendes aus:

!Denn unter den verschiedenen Staaten besteht der Natur-, d.h. der Kriegszustand; und wenn

sie auch einmal keinen Krieg führen, so ist dies doch kein Friede, sondern nur ein

Atemschöpfen, wobei die Feinde gegenseitig die Bewegungen und Mienen beobachten und

ihre Sicherheit nicht nach den Verträgen, sondern nach den Kräften und Plänen der Gegner

beurteilen. Dies folgt aus dem Naturrecht, [ ... ] da die Verträge im Naturrecht ungültig

werden, wenn berechtigte Furcht dazwischentritt. Deshalb gehören zur Sicherheit des

Staates erstens Personen, welche die Absichten und Handlungen aller, die dem Staat

gefährlich werden können ausspähen und aufspüren. Diese Sphäre sind für die Verwalter der

Staatsgewalt dasselbe wie die Lichtstrahlen für die menschliche Seele. […] Ferner gehört

zur Verteidigung des Volkes, das es gerüstet ist. Gerüstet sein aber heißt, schon vor Eintritt

! �64

der Gefahr mit Soldaten, Waffen, Schiffen, Festungen und Geldmitteln versehen sein. (De

cive, XIll, Abs. 7-8, vgl. auch Kap X, Abs.17).

!Ebenso wie für die Individuen im Naturzustand gilt auch für die Staaten, in ihrem Verhältnis

untereinander, dass sie einander im Grunde nicht Unrecht tun können, weil es eben analog zum

Verhältnis der Einzelnen im Naturzustand keinen objektiven Unterschied zwischen Recht und

Unrecht gibt. Hobbes unterminiert damit die klassische Lehre vom gerechten Krieg (und der

Rechtfertigung von Kriegen als Strafaktionen gegen kriminelle Staaten): An die Stelle des

gerechten Krieges tritt wie schon referiert das "Recht zum Krieg" (ius ad bellum), wann immer der

Souverän es im Interesse der Sicherheit seiner Untertanen für gerechtfertigt hält. Hobbes

argumentierte nun ja, dass das „Recht auf alles“ nutzlos ist, wenn niemand irgendein Recht auf

irgendetwas hat, dass es also der Vernunft widerspricht, darauf zu beharren, dass die Menschen

vielmehr aus diesem Zustand heraustreten müssen, und dass es vernunftgemäß sei, die „Wege des

Friedens“ zu betreten. Die sog. „Naturgesetze“ formuliert Hobbes genau mit der Intention, diese

Wege zu bahnen. Von Hobbes wird die Vernunft als friedensstiftenden Faktor eingeführt. Sie hat

insbesondere die kriegsfördernden Leidenschaften zu kontrollieren, ebenso aber auch den Hang zur

Selbstüberschätzung oder zur Ruhmsucht, der in der Vernunft selbst angelegt zu sein scheint. Wenn

Hobbes des Weiteren davon ausgeht, dass die Furcht der Motor der Vernunft sei, erhellt daraus, dass

seine Antwort auf die Frage, wie dem Naturzustand zu entkommen sei, nicht einfach in der

Abschaffung oder Unterdrückung dieser Leidenschaften beruhen kann. Ein solches Vorgehen würde

die Vernunft selbst ihrer Grundlage berauben. Eher geht es ihm also darum, für die menschlichen

Affekte einen sinngebenden Rahmen zu schaffen, in dem diese auf möglichst produktive Weise zur

Entfaltung gebracht werden können. Anders gesagt: Der Frieden, wie der Leviathan ihn konzipiert,

kann nur sich entfalten, wenn er von den Tugenden des Krieges gerahmt wird; exakt diese finden

sich in den Naturgesetzen dargelegt, sofern diese gerade auch die rechte Weise der Kriegführung

und Begrenzung betreffen, nicht nur die seiner Prävention und Beendigung.

Es ist nun eine Frage, welchen Status diese Gesetze haben. Es muss sich einerseits um Naturgesetze

handeln, denn weder im Naturzustand noch im Bürgerkrieg noch auch im Staatenkrieg wirken

"staatliche" Gesetze regulierend. Hobbes definiert das Naturgesetz folgendermaßen:

!"Ein Naturgesetz (lex naturalis) ist eine von der Vernunft entdeckte Vorschrift oder

allgemeine Regel, wodurch einem Menschen untersagt wird zu tun, was sein Leben

! �65

vernichtet oder ihm die Mittel zu dessen Erhaltung nimmt, [und zu unterlassen, wodurch es

seiner Meinung nach am besten erhalten bleibt.]" (Leviathan XIV)

!Die Naturgesetze benennen keine Freiheit zu, sondern verkörpern vielmehr eine Verpflichtung; es

handelt sich dabei um Normen, die im Dienste der eigenen Selbsterhaltung stehen. Zwischen der

intuitiven Ausrichtung auf Selbsterhaltung und dem Wissen um die adäquaten Mittel hierzu, besteht

ein Abgrund. Die Naturgesetze werden von Hobbes formuliert, um diesen zu überbrücken. [Nun

verpflichtet in ihnen jedoch kein Gesetz im formalen oder juristischen Sinne, da sie ja unabhängig

vom staatlichen Zustand bestehen. Die Verpflichtung kann für Hobbes aber auch nicht über die

Berufung auf Gott erfolgen, da dieser für uns unerkennbar bleibt, ebenso wenig aber erwägt Hobbes

bereits den späteren Kantischen Gedanken einer Selbstgesetzgebung der Vernunft. Die Naturgesetze

verpflichten vielmehr ausschließlich im Rückbezug auf die "menschliche Natur", d.h. sofern ein

ihnen Zuwiderhandeln uns schädigen würde, d.h. dem Grundprinzip der Selbsterhaltung

zuwiderliefe.]

!Ich werde hier nicht alle Vernunftgesetze ausführlich vorstellen können, sondern nur einige explizit

nennen und des weiteren darstellen, welche weiteren Gruppen von Gesetzen Hobbes mit welchen

Intentionen ausdifferenziert. Von grundlegendster Bedeutung erscheinen in jedem Fall die ersten

drei Gesetze: Das erste besagt:

!"daß jedermann nach Frieden streben sollte, soweit er Hoffnung hat, ihn zu erlangen, und

daß er, wenn er ihn nicht erlangen kann, alle Hilfen und Vorteile des Krieges suchen und

von ihnen Gebrauch machen darf."

!Hier wird das Naturgesetz, "Frieden zu suchen und zu erhalten" mit dem Naturrecht, uns mit allen

Mittel selbst zu erhalten, in einer konfliktuellen Weise zusammen gedacht. Krieg, so wäre aus dem

ersten Teil zu schließen, ist naturgesetzwidrig. Wenn der Frieden als Mittel zur Selbsterhaltung

jedoch nicht hinreicht, wird Krieg, so wäre der zweite Teil zu interpretieren, naturgesetzlich

geboten. Friede ist mithin für Hobbes kein Zweck an sich. Krieg darf, ja muss mithin (und

möglicherweise auch mit allen Mitteln) geführt werden — aber nur unter dem Vorbehalt der

Wahrung der Friedensabsicht. Es gibt hier also nicht nur ein Recht, sondern es liegt sogar eine

Pflicht zur Selbstverteidigung vor, die als Pflicht des Souveräns festgeschrieben ist. Nun scheint es,

! �66

dass bei Hobbes im Zusammenhang der Naturgesetze eine regelrechte Graduierung der

Naturgesetzwidrigkeit zu diagnostizieren ist. So hält er in Bezug auf den Krieg zwischen Staaten

etwa fest, dass der Krieg nur begrenzt schädlich sei, ja sogar förderlich sei:

!"[Es] befinden sich doch zu allen Zeiten Könige und Personen von souveräner Autorität

wegen ihrer Unabhängigkeit in beständiger Rivalität und in der Stellung und Haltung von

Gladiatoren, die Waffen gegeneinander gerichtet und die Augen aufeinander geheftet, das

heißt, ihre Festungen, Garnisonen und Geschütze konzentrieren sich auf die Grenzen ihrer

Reiche und ständige Spione auf ihre Nachbarn, was eine Kriegshaltung ist. Aber weil sie

dadurch den Fleiß ihrer Untertanen aufrechterhalten, folgt daraus nicht jenes Elend, das

die Freiheit einzelner Menschen begleitet." (XIII; Hvh. M.S.)

!Im Lichte des Selbsterhaltungsgebotes scheint sich damit ein gewisser Widerspruch zu zeigen, so

auch wenn Hobbes anderswo (De cive, 13/8) präventive Verteidigung in den Raum stellt — doch

gilt dies per definitionem nur im Zeichen der Abwesenheit einer souveränen Rechtszwangsgewalt.

!Seine Ergänzung findet das erste Naturgesetz demzufolge im zweiten, denn wenn der Kriegszustand

notwendigerweise aus dem "Recht auf alles" hervorgeht, so muss es ja der Vernunfteinsicht

entsprechend darum gehen, dieses Recht zugunsten genau bestimmter einzelner Rechte aufzugeben;

es besagt:

!"daß ein Mensch bereit sein soll, wenn andere es auch sind, soweit er es im Interesse des

Friedens und seiner Verteidigung für notwendig hält, diesem Recht auf alle Dinge zu

entsagen und mit so viel Freiheit gegen andere zufrieden zu sein, wie er anderen gegen sich

zugestehen würde. Denn solange jeder an diesem Recht festhält, alles zu tun, was ihm

beliebt, so lange befinden sich alle Menschen im Kriegszustand." (ibid.)

!Die Einschränkungsklausel ist hier zentral, insbesondere wiederum im Hinblick auf

zwischenstaatliche Kriege. Sie würde in diesem Kontext nicht nur besagen, dass eine "einseitige

Abrüstung" den Frieden keineswegs fördert, sondern dass sie ihn eher behindert, weil sie die

Selbsterhaltung gefährdet. Viel entscheidender noch erscheint das Folgende: Wenn innerstaatlich

Frieden unter dem Zwangsmonopol staatlicher Souveränität erreicht werden kann, bleibt ein

! �67

globaler Frieden eigentlich in analoger Weise zu konzipieren. Einen solchen "Superleviathan", der

im Konfliktfall den Rechtsverzicht der Staaten kontrollieren und nötigenfalls erzwingen könnte, hat

Hobbes jedoch nicht in Auge gefasst. Dagegen spricht zum einen sicherlich das pragmatische

Argument, dass eine solche Instanz das gänzliche Gegenteil hervorbringen könnte, nämlich das

absolute Schreckbild eines Weltbürgerkrieg — nicht zuletzt deshalb, weil der "Superleviathan" mit

der Kontrolle restlos überfordert wäre. Aus systemimmanenten Gründen spricht des weiteren

dagegen, dass es über den Staaten keinen weiteren Schiedsrichter — zumindest im weltlichen Sinne

— geben kann. Die Forderung, sich dem Urteil eines anderen zu unterwerfen, kann mithin für

Staaten nicht gelten, weil der Souverän dafür sein "Recht auf alles" (mithin auch das Recht, Richter

in eigener Sache zu sein) abzugeben hätte. Nun gibt es aber Rechte, die niemand abgeben kann,

ohne dem Prinzip der Selbsterhaltung zuwider zu handeln. Hier nennt Hobbes das "Recht, über den

eigenen Körper zu herrschen". Aufgrund der Analogie Individuum/Staat kommt dieses Recht auch

dem Staat zu. Wie das Individuum hat ja auch der Staat laut Hobbes einen Körper, seine body

politic. Im Fall des Staats ist dabei das Recht auf Beherrschung des eigenen Körpers identisch mit

dem Recht, sich selbst zu regieren, d.h. dem Recht auf politische Souveränität. Damit aber bricht

die Analogie Individuum/Staat hier zusammen: Denn Individuen können dieses Recht auch im

Friedenszustand für sich bewahren, Staaten jedoch nicht. Die Idee eines globalen Friedens würde

vielmehr implizieren, dass einzelne Staaten ihre Rechte auf einen "Superleviathan" übertragen, was

sie jedoch nicht können, da sie ja das Recht auf Herrschaft über den eigenen Körper beibehalten

müssen. Auf staatlicher Ebne ergibt sich daraus ein systemimmanenter Widerspruch zwischen

Frieden und dem minimalen "Recht auf Körperbeherrschung" (XV, 10. Gebot). Anstelle eines

umgreifenden Friedens, der im Zeichen des Leviathans nur unter der anmaßenden Voraussetzung

der Auflösung der Figur der Souveränität zu denken bleibt, kündigt sich hier die Idee einer

wechselseitigen Anerkennung der einzelnen Staaten als Gleiche an, die sich in einem gehegten

"Kampf um Anerkennung", wie Hegel es nennen wird, realisiert. Hobbes scheint dieser Gedanke

nicht völlig fremd zu sein, er hätte sich aber prinzipiell dagegen verwahrt, anzunehmen, dass

dadurch Frieden hergestellt werden würde; durch die Fortschreibung des Souveränitätsprinzips

perpetuiert sich vielmehr das "Prinzip Krieg". Neben den genannten pragmatischen und

systemimmanente Gründen, können auch noch rechtliche Gründe geltend gemacht werden, die für

Hobbes der Unterwerfung der Souveräne unter einen Weltstaat entgegenstehen: Denn Autorität

erlangt der Souverän ja durch den Machtverzicht der Einzelnen und eine der wenigen

Einschränkungen in seiner Handlungsfreiheit ist mithin die, dass er deswegen auf diese Autorität

! �68

oder Teile von ihr nicht verzichten darf, da er sich selbst so der eigenen Grundlage begeben würde.

Was immer auch die Gründe nun waren, Hobbes hat die Idee einer Weltfriedensordnung und

Fragen ihrer Institutionalisierbarkeit nicht zum Thema gemacht; erst Rousseau und Kaut haben sich

damit auseinanderzusetzen begonnen.

!Wie dem auch sei: Dass auf der zwischenstaatlichen Ebene der Kriegszustand laut Hobbes mithin

unvermeidlich ist, besagt noch keineswegs, dass damit der Frieden als Leitmaßstab aufgegeben

werden dürfte, im Gegenteil! Auch hier sind die Akteure naturgesetzlich angewiesen, Gewalt

untereinander nur insoweit anzuwenden, wie es zu ihrer jeweiligen Erhaltung erforderlich ist.

Gewalt wird hier ihrer rationalen Begrenzung unterstellt. Auch wenn Hobbes noch keineswegs an

ein kodifiziertes Völkerrecht dachte, so hat er doch verschiedene Kriegsmotivationen eindeutig

ausgeschlossen, insbesondere jene, die er als eine — uns mittlerweile wohlgekannte — "Krankheit

des Staates" bezeichnete, nämlich aus Raffgier Krieg zu führen. Dass dies der Selbsterhaltung

widerstreite war für den Thukydides-Übersetzer Hobbes ganz eindeutig:

!"Ferner können wir den unersättlichen Appetit oder Heißhunger (bulimia) nach

Vergrößerung des Herrschaftsbereichs dazu zählen, zusammen mit den unheilbaren

Wunden, die man oftmals dabei vom Feind empfängt, und die Geschwülste umvereinigter

eroberter Gebiete […]." (XXIX)

!Der im 2. Naturgesetz geforderte Verzicht ist, wie wir wissen, nur durch eine vertragliche

Abmachung möglich; das dritte Naturgesetz fordert in diesem Sinne "Vertragstreue" ein und bringt

dies mit dem Topos der Gerechtigkeit in Zusammenhang, es besagt:

!"daß die Menschen ihre geschlossenen Verträge erfüllen. Ohne dies sind Verträge nichtig

und nur leere Worte; und wenn das Recht aller Menschen auf alle Dinge bleibt, befinden

wir uns immer noch im Kriegszustand. Und in diesem Naturgesetz bestehen Quelle und

Ursprung der Gerechtigkeit. Denn wo kein Vertrag vorausgegangen ist, da ist kein Recht

übertragen worden, und jeder Mensch hat ein Recht auf alles; und folglich kann keine

Handlung ungerecht sein. Aber wenn ein Vertrag geschlossen ist, dann ist es ungerecht, ihn

zu brechen […]" (XV)

!! �69

Zusammenfassend betrachtet erfüllen die ersten drei Naturgesetze in Bezug auf den Krieg eine

mehrfältige Funktion: Das erste fungiert als Kriegspräventionsregel (1. Teil) und als

Kriegsmäßigungsregel (2. Teil); das zweite formuliert eine Kriegsbeendingungsregel, die aber auch

aufgrund der beigefügten Klausel ein Verteidigungsgebot impliziert; das dritte schließlich

präsentiert ein Gerechtigkeitsgebot, das sowohl für Friedens- als auch Kriegszustand gilt. Gerade

dieses dritte Prinzip der später so genannten Vertragstreue verkörpert dabei geradezu den Tenor der

im Folgenden explizierten Gesetze, deren Befolgung die wechselseitige Bereitschaft und das

Vertrauen zwischen Personen fördern soll, um den natürlichen Kriegszustand verlassen zu können.

Entsprechend handeln die folgenden Gebote, die u.a. Dankbarkeit, Entgegenkommen und

Vergebung im Ausblick auf zukünftige Handlungen vorschreiben, aber auch das

Grausamkeitsverbot und das Beleidigungsverbot allesamt dazu, in präventiver Weise Gleichheit

und Reziprozität zwischen den potentiellen Opponenten herzustellen. Weitere Gebote betreffen den

Umgang mit neutralen Vermittlern und die Neutralität der richterlichen Funktionen, worin sich

wiederum Friedenssicherungs- und Konfliktsverhinderungsstrategien spiegeln.

!Wie Hobbes nun argumentiert, können die Naturgesetze in Ermangelung eines öffentlichen

Gerichtshofes im Naturzustand nun im Grunde nur in foro interno, nicht aber in foro externo gelten,

d.h. nur der Absicht und dem Gewissen nach verpflichten, grundsätzlich aber keine

Handlungspflicht implizieren. Sie werden von ihm daher auch als moralische Gesetze bezeichnet.

Da man nun aber in Ermanglung einer äußeren Rechtszwangsgewalt niemals dessen sicher sein

kann, dass andere sich auch an diese Gebote halten und ihre einseitige Befolgung die eigene

Selbsterhaltung also u.U. gefährdet, vermögen sie es wie gesagt im zwischenstaatlichen Bereich

nicht, den Frieden wirklich und nachhaltig zu sichern. Zwar ist es im Verhältnis der Individuen

untereinander ein Gebot der Vernunft, den Naturzustand durch Unterwerfung unter eine äußere

Rechtszwangsgewalt zu beenden. Die natürlichen Gesetze und das Gebot, geschlossene Verträge

einzuhalten, haben nun zwar für Hobbes auch im Verhältnis zwischen Staaten Gültigkeit. Sie

unterliegen aber auch hier der Einschränkung, dass sie nur vor dem Gewissen der Souveräne gelten.

Und schließlich hat Hobbes eben, wie auch schon erwähnt, für die als juristische Personen

konzipierten Staaten niemals deren Unterwerfung unter einen Weltstaat eingefordert. Es hat

vielmehr den Anschein, dass ihm Staaten aus prinzipiellen Gründen nur als Einzelstaaten denkbar

erscheinen. Der Grund hierfür dürfte darin liegen, dass das Subjekt der Rechte und Verpflichtungen

bei Hobbes das Individuum ist; staatliches Handeln ist daher immer auf die Sicherheit der

! �70

Individuen zurückbezogen. Während die Individuen im Naturzustand Sorge für ihr Leben und ihre

Sicherheit tragen müssen, hat der Souverän für das Leben und die Sicherheit seiner Bürger Sorge zu

tragen (vgl. Hobbes 1991: 244). Dies scheint Hobbes wie bereits gesagt trotz des Kriegszustandes

unter den Staaten durchaus möglich zu sein. Während der Naturzustand für die Individuen die

schlimmsten Folgen insbesondere im Bereich von Wirtschaft und Kultur hat, hat dies der

Kriegszustand zwischen den Staaten Hobbes zufolge offenbar nicht. So ist er ja der Ansicht, dass

der Staat trotz äußerer Kriege die Bürger in seinem Binnenraum schützen kann, ja dass dieser sogar

ihren Fleiß fördere. Zudem geht er davon aus, dass Staaten untereinander eher dazu neigen, die

natürlichen Gesetze einzuhalten, um Krieg zu vermeiden. Während im naturzuständlichen Krieg

aller gegen alle keine bürgerlichen Gesetze bestehen und die Naturgesetze nicht gelten, wird, wie

Hobbes schreibt, "im Krieg eines Volkes gegen ein anderes ein gewisses Maß gewöhnlich

eingehalten" (De cive, V/2). Zwei Argumentationsfiguren werden also von Hobbes aufgeboten,

wenn auch eher am Rande des ganzen Diskurses, um der konstatierten Unaufhebbarkeit des Krieges

auf der zwischenstaatlichen Ebene letztlich noch Positives abzugewinnen: zum einen die Idee, dass

der Krieg dem politischen Binnenraum auch förderlich sei; zum anderen die Auffassung, dass der

Krieg sozusagen von sich aus ein "inneres Maß" entfalte. Diesen Argumentationen ist

Aufmerksamkeit zu schenken. Doch aufgrund der Ausrichtung auf den Frieden, den insbesondere

die Naturgesetze dokumentieren, erscheint es mir überzogen, darin schon jene in der Folgezeit

immer stärker werdende Tendenz erkennen zu wollen, die darin besteht, dem Krieg ein

"eigenständiges Wesen" mit eigener Wirkkraft zuzusprechen, das im bellizistischen Diskurs des 18.

und 19. Jahrhunderts insbesondere dafür herhalten muss, das "Faktum Krieg" als ein Gut zu

verklären (vgl. Göke 2015). Wir werden auf diese Problematik, die sich insbesondere im Rahmen

der Auseinandersetzung mit dem Krieg im Kontext der klassischen deutschen Philosophie

notwendigerweise stellt, gleich zurück.

!Davor möchte ich aber im Lichte der vorhergehenden Überlegungen abschließend noch auf den

zweiten Teil der eingangs aufgeworfenen Frage antworten — die Frage, was nämlich in der

genannten Auffassung verschleiert wird, die Hobbes als einen Denker präsentiert, der das Verhältnis

der Menschen untereinander als durch ihre kriegerische Natur determiniert denkt, der faktischen

Transformation von Gesellschaft und mithin zwischenmenschlichen Beziehungen jedoch keinerlei

Bedeutung zuzumessen scheint. Zum einen ist nun sicherlich festzuhalten, wie die Diskussion der

Naturgesetze gezeigt hat, dass von einer solchen Determiniertheit keine Rede sein kann: Der Krieg

! �71

ist der motivierende Horizont dieses Denkens, bestimmt es jedoch keineswegs kausal. Festzuhalten

bleibt gleichwohl, dass mit Hobbes, der wie kein anderer vor ihm die Gewalt als Herausforderung

des Politischen begriffen hat, zur vorrangigen Aufgabe der Philosophie eben die unbedingte

Abwendung, Verhinderung oder mindestens Einhegung vielfältiger kriegerischer Gewalt wird. Sein

Ansinnen, die Fragilität bzw. die Möglichkeit eines Zusammenbrechens jedweder faktischen

Ordnung als den unaufhebbaren Horizont einer radikal prekären und im Grunde ungesicherten

Grundsituation menschlicher Koexistenz zu denken, die sich mithin permanent der Aufgabe der

Aufrechterhaltung von Ordnung zu widmen hat, hat dabei jedoch zwei Konsequenzen, die man oft

übersieht bzw. aus modernitätstheoretischen Erwägungen zu übersehen geneigt ist: Erstens führt die

vertragliche Bannung der Gewalt im Inneren nicht dazu, dass alle Gewalt aus dem

gesellschaftlichen Binnenraum verschwindet, im Gegenteil, sie wird nur in der Semantik von Macht

und ihrer friedenssichernden Erhaltung normativistisch verbrämt; zweitens führt die "Sicherung des

Ungesicherten" zu einer Figur der Monopolisierung der Staatsgewalt im Zeichen staatlicher

Souveränität, die äußere Gewalt als die Kehrseite innerer Befriedung in sich verstärkendem Maße

heraufbeschwört (und weitestgehend legitimiert). Dass diese beiden Dimensionen mit einander

verflochten sind, ist entscheidend. Bei Liebsch lesen wir diesbezüglich: "Die Diskussion um 10

Hobbes und verwandte neuzeitliche Theorien politischer Souveränität (wie die Absolutismuslehre

des französischen Staatsphilosophen Jean Bodin) hat sich weitgehend auf dieses Modell der

Herrschaftssicherung durch monopolisierte Gewalt konzentriert; mit der Folge, dass die speziell im

Leviathan unverkennbaren Quellen innerer Gewalt kaum noch Beachtung finden." Hobbes zeigt

jedoch im Grunde schon sehr schön, dass die Gewalt auch in stabilisierten Gesellschafts-

verhältnissen keineswegs verschwindet, im Gegenteil. Dies wird von ihm umfassend im Hinblick

auf Konkurrenz und die Frage des Ansehens (reputation) bzw. der Ehre, deren Verletzung (ebenso

wie übrigens Armut) eine immense Gefahr für den "inneren Frieden" darstellt, reflektiert. Aber, wie

Liebsch weiter ausführt: "Statt dessen rückten die Gewaltverhältnisse in den Vordergrund, in die

sich verschiedene macht-staatlich-souveräne Subjekte in ihren äußeren Beziehungen verstricken. /

Münkler spricht sogar von einer 'Rückverwandlung der Macht in Gewalt' im Gefolge der

neuzeitlichen Lehren politische Souveränität. Nicht nur haben diese sich demnach vom

aristotelischen Erbe und damit vom teleologischen Begriff des Politischen 'emanzipiert' und die

politischen Verhältnisse einer fast nichts mehr ausnehmenden Verachtung ausgeliefert. Sie haben

auch dazu geführt, die Gewalt im Staat zu konzentrieren und diesem zugleich nach außen freie

! �72 Für eine umfassende Diskussion vgl. das Kap. zu Hobbes in Liebsch, Unaufhebbare Gewalt, bes. 136ff.10

Hand zu geben. […] Dagegen gelten sie im Innern als so weit wie möglich pazifiziert. Der

neuzeitliche Staat 'hat die bewaffneten Auseinandersetzungen aus dem Innern des Staats verdrängt'.

Dadurch konnte er den Krieg jedoch nicht aus der Welt schaffen." (Liebsch, Unaufhebbare Gewalt,

138-40) Und wie der zitierte Münkler assistiert: "Er (sc. der Staat) hat lediglich die Schauplätze auf

denen dieser Krieg ausgetragen wurde, verlagert, eingegrenzt und gerade durch diese Eingrenzung

auch intensiviert. […] Staat und Krieg ist seit dem 16. Jh. eine untrennbare Einheit, insofern erst der

Staat den Staatenkrieg und den Bürgerkrieg geschieden hat. Staat und Krieg, das sind zugleich

zentrale Bestandteile der politischen Neuordnung Europas, insofern durch sie die Solidaritätslinien

und Loyalitätsverpflichtungen neu festgelegt wurden. Die Freund-Fein-Unterscheidung, in der

lebensrechtlichen Struktur des Mittelalters noch persönlich gefasst, wurde mit der Entstehung des

neuzeitlichen Staates entpersonalisiert und territorialisiert: Wer innerhalb eines bestimmten

Territoriums lebt, wer zu einem bestimmten Staat gehört, hat als Freund zu gelten, wer außerhalb

dieses Staates lebt, ist ein potenzieller Feind. Das ist das neue Grundmuster der Politik, das von der

Staatsraison im Verlaufe des 16. und zu Beginn des 7. Jahrhunderts durchgesetzt worden ist. Und

das heißt: Frieden nach innen, Krieg nach außen." (H. Münkler, Im Namen des Staates, 217)

Entscheidend für unsere weiterführenden Überlegungen wird nun sein, dass die Konzeption innerer

Befriedung nicht nur an eine legitime Gegenbewegung äußerer Gewalt gekoppelt erscheint, sondern

diese sich weiterhin mit Prozessen äußerer und ins Äußerste tendierender Verfeindung verknüpft,

wohingegen von Hobbes noch die Notwendigkeit beschworen wurde, die Gleichheit der

Konfliktparteien zu achten. Von einer potentiell eskalativen "Logik" solcher Verfeindung, wie wir

sie im sodann anbrechenden Zeitalter der Volks- und dann "Weltkriege"kennen, d.h. von einer

"polemologischen Transformation" des Politischen auf zwischenstaatliche Verhältnisse ist bei

Hobbes freilich noch keine Rede. Wenn aber zutrifft, wie C. Tillys Kurzformel besagt, "War made

the state, the state made war…" — so bleibt im Anschluss an die Hobbessche Zäsur nun zu klären,

ob die durchaus auf ihn zurückzuführende instrumentelle Auffassung des begrenzten und gehegten

Krieges (Stichwort "Kabinettkriege") — im Sinne Clausevitzs die "Fortsetzung der Politik mit

anderen Mitteln" — den Begriff und die historische Realität des Krieges, wie wir sie aus der Zeit

nach Hobbes kennen, erschöpfend darzustellen vermag. Und in der Tat, angesichts der sich

insbesondere in der "Aufklärung" und insbesondere im Kontext der "französischen Revolution"

verändernden Realität der Kriege (Stichwort: nationaler Volkskrieg, allgemeine Wehrpflicht, erste

Ahnung von einem "totalen Krieg") bleibt zu erwägen, ob dem Krieg in diesem Prozess ein

! �73

"eigenständiges Wesen" zukommt oder historisch zuwächst, dessen Bedeutung darin besteht, dass

darin etwas Neues geschaffen wird? Dem Krieg kommt in den entsprechenden bellizistischen

Lesarten ein der Vernunft unverfügbares, erhabenes Wesen zu, er wird als ein "Gut" begriffen,

sofern er die ganze Kriegführende Gesellschaft in Bewegung versetze; einem solchen "wahren

Krieg" kommt geschichtsphilosophisch besehen schließlich eine eigenständige Dignität zu, sofern

er das den Krieg "handhabende" Subjekt verändere, ja ggf. seine Neu- oder Wiedergeburt möglich

mache. Die Möglichkeit einer evolutionären Deutung des Krieges, die sodann alle

geschichtsphilosophisch-progressive Valenz des Krieges freilich zugunsten der bloßen Apologie

nationalstaatlicher Machtpolitik auflösen sollte, beginn sich in diesem Zusammenhang übrigens

auch schon anzukündigen; dies ist insbesondere aufgrund der Tatsache der Fall, dass mit der

Verstaatlichung des Krieges der Krieg vom Schlachtfeld auf Territorium und Bevölkerung übergriff.

Das ursprünglich den zwischenstaatlichen Krieg hegende europäische Völkerrecht — "der reine

Staatenkrieg als ein Kunstwerk menschlicher Vernunft" (C. Schmitt) — eröffnete sich in der Tat erst

dann einer unabsehbaren Eskalation der Gewalt, als "im Namen der Menschheit" Kategorien

politischer Feindschaft moralisiert wurden und zwar aufgrund von Ausschlüssen, die einer "bio-

politischen Extrapolation politischer Feindschaft" verdankten (Liebsch, Unaufhebbare Gewalt, bes.

Kap. 6, zum "Leben als Krieg" im Kontext dt. Philosophie).

Die Auseinandersetzung mit dem Krieg im Kontext der klassischen deutschen Philosophie (und

ihres im Zeichen der Zeit zu verstehenden Bellizismus; dazu Göke 2015) wird in diesem Kontext

erhellend sein. Denn sie führt uns nicht nur auf die Spur eines "ewigen Friedens" (Kant), sondern

auch auf die Spur eines existenziellen Begriff des Krieges, der sich nicht nur gegen das rationale

Machtkalkül eines kriegsaffinen, aber aufgeklärten Absolutismus richtete, sondern auch gegen den

Machbarkeitsgedanken der Aufklärung, der sich eben nicht zuletzt in deren Friedensprojekten

niederschlug. 11

!

! �74

Dass ein solcher übrigens auch beim früheren Clausevitz zu finden ist, um später der bekannten instrumentellen 11

Deutung zu weichen, zeigt Münkler 1992.

4. VO: Der Krieg und die conditio humana (10. 06. 2016)

!!

! �75