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4 Frischbeton und Verarbeitung 289 4 Frischbeton und Verarbeitung 4.1 Verarbeitbarkeit Fertig gemischter, noch verarbeitbarer und verdichtbarer Beton wird als Frischbeton bezeichnet. Die Verarbeitbarkeit von Frisch- beton ist keine direkt messbare physikalisch definierte Größe, sondern Sammelbegriff für rheologische Eigenschaften des Betons, wie z. B. Viskosität, Fließgrenze und innere Reibung, die das Verhalten des Frischbetons beim Mischen, Fördern, Einbrin- gen und Verdichten beeinflussen. Damit der Frischbeton die geplanten Festbetoneigenschaften erreicht, muss er ein gutes Zusammenhaltevermögen aufweisen und so verarbeitbar sein, dass er ohne wesentliches Entmischen gefördert, eingebaut und praktisch vollständig verdichtet werden kann. Die Verarbeit- barkeit ist genauso wie die Druckfestigkeit eine maßgebende Betoneigenschaft und muss auf den jeweiligen Anwendungsfall, d.h. auf die Förderart, das Einbauverfahren, die Verdichtungsart sowie auf Bauteilabmessungen und Bewehrungsgrad abgestimmt werden. So kann z. B. ein steifer Massenbeton für das Beto- nieren eines Dammbauwerks hervorragend verarbeitbar, aber für feingliedrige Bauteile mit dichter Bewehrung völlig ungeeignet sein. 4.2 Konsistenz Der Begriff Konsistenz dient in der Betontechnologie der quan- titativen Beurteilung der Verarbeitbarkeit. Wie Tafel II.4.2-1 und die Tafeln IV.3-4 bis -7 zeigen, unterscheidet die DIN EN 206-1/DIN 1045-2 entsprechend der Prüfmethode (s. Abschnitt

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4 Frischbeton und Verarbeitung

4.1 VerarbeitbarkeitFertig gemischter, noch verarbeitbarer und verdichtbarer Betonwird als Frischbeton bezeichnet. Die Verarbeitbarkeit von Frisch-beton ist keine direkt messbare physikalisch definierte Größe,sondern Sammelbegriff für rheologische Eigenschaften desBetons, wie z. B. Viskosität, Fließgrenze und innere Reibung, diedas Verhalten des Frischbetons beim Mischen, Fördern, Einbrin-gen und Verdichten beeinflussen. Damit der Frischbeton diegeplanten Festbetoneigenschaften erreicht, muss er ein gutesZusammenhaltevermögen aufweisen und so verarbeitbar sein,dass er ohne wesentliches Entmischen gefördert, eingebaut undpraktisch vollständig verdichtet werden kann. Die Verarbeit-barkeit ist genauso wie die Druckfestigkeit eine maßgebendeBetoneigenschaft und muss auf den jeweiligen Anwendungsfall,d. h. auf die Förderart, das Einbauverfahren, die Verdichtungsartsowie auf Bauteilabmessungen und Bewehrungsgrad abgestimmtwerden. So kann z. B. ein steifer Massenbeton für das Beto-nieren eines Dammbauwerks hervorragend verarbeitbar, aber fürfeingliedrige Bauteile mit dichter Bewehrung völlig ungeeignetsein.

4.2 KonsistenzDer Begriff Konsistenz dient in der Betontechnologie der quan-titativen Beurteilung der Verarbeitbarkeit. Wie Tafel II.4.2-1und die Tafeln IV.3-4 bis -7 zeigen, unterscheidet die DIN EN206-1/DIN 1045-2 entsprechend der Prüfmethode (s. Abschnitt

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II.4.2.1) zwischen vier Konsistenzklassen, nämlich den Aus-breitmaß-, den Verdichtungsmaß-, den Setzmaß- und den Setz-zeit-Klassen. Neben der Einteilung in Konsistenzklassen sind fürdie Ausbreitmaß- und die Verdichtungsmaß-Klassen Konsistenz-bereiche angegeben. Dabei werden die Ausbreitmaß-Klassen indie sechs Teilbereiche „steif“, „plastisch“, „weich“, „sehr weich“,„fließfähig“ und „sehr fließfähig“ unterteilt. Beton mit sehr wei-cher bzw. fließfähiger Konsistenz der Konsistenzklassen ≥F4,V4, ≥S4 (Tafeln IV.3-6 und -7) darf nur mit Hilfe eines Fließ-mittels hergestellt werden (s. Abschnitt II.4.2.2). Bei Ausbreit-maßen über 700 mm ist die DAfStb-Richtlinie „Selbstverdich-tender Beton“ [Ri71] zu beachten.

Tafel II.4.2-1: Konsistenzbereiche, Ausbreitmaß- und Ver-dichtungsmaß-Klassen

Konsistenz-Ausbreitmaß-Klassen1) Verdichtungsmaß-Klassen1)

bereichKlasse Ausbreitmaß Klasse Verdichtungs-

in mm2) maß2)

sehr steif – – C0 ≥1,46

steif F1 ≤ 340 C1 1,45 bis 1,26

plastisch F2 350 bis 410 C2 1,25 bis 1,11

weich F3 420 bis 480 C3 1,10 bis 1,04

sehr weich F4 490 bis 550 – –

fließfähig F5 560 bis 620 – –

sehr fließfähig F6 ≥ 630 – –

1) Die verschiedenen Konsistenzklassen sind nicht direkt aufeinander bezieh-bar [Bon6].

2) Empfohlener Verwendungsbereich für Ausbreitmaß: > 340 mm und ≤ 620 mm; für Verdichtunsmaß: ≥ 1,04 und < 1,46

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Bei den Verdichtungsmaß-Klassen wird zwischen den Kon-sistenzbereichen „sehr steif“, „steif“, „plastisch“ und „weich“unterschieden. In Ergänzung zu den früheren Regelungenwerden dadurch auch sehr wasserarme steife Betone erfasst.

Bei der Bestellung von Beton ist die Konsistenzklasse und damit das Prüfverfahren oder in Ausnahmefällen ein Zielwertanzugeben. Als Messgröße für die Verarbeitbarkeit ist die Kon-sistenz zwar kein Maßstab für andere Betoneigenschaften,jedoch können Konsistenzänderungen Hinweise auf unplan-mäßige Änderungen der Mischungszusammensetzung geben. InVerbindung mit der Frischbetonrohdichte bietet das Konsistenz-maß eine Beurteilungsgrundlage für die gleich bleibende Zu-sammensetzung des Frischbetons. Die Frischbetonkonsistenz istvor Baubeginn in der Erstprüfung zu ermitteln und während derHerstellung durch Konformitätsprüfungen und während derBauausführung ggfs. durch Abnahme- bzw. Kontrollprüfungenzu kontrollieren. Die Konsistenz des Betons muss zum Zeit-punkt, zu dem der Beton eingebaut wird, oder bei Transport-beton zum Zeitpunkt der Übergabe innerhalb der Grenzen dergeplanten Konsistenzklasse liegen. Sie ergibt sich aus der Aus-gangskonsistenz und dem Konsistenzverlust durch das Ansteifenbis zum Einbau bzw. zur Übergabe des Frischbetons. WirdBeton in einem Fahrmischer oder in einem Fahrzeug mit Rühr-werk geliefert, muss die Konsistenz an einer Stichprobe nachdem Entladen von etwa 0,3 m3 Beton nach DIN EN 12350-1entnommen werden.

4.2.1 Prüfung der Konsistenz

Zur Bestimmung der Konsistenz wurden zahlreiche praxisnahePrüfverfahren entwickelt, die sich in der Anwendbarkeit, derReproduzierbarkeit der Ergebnisse und dem Geräteaufwandunterscheiden und mit denen jeweils nur Teilbereiche der Frisch-

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betonverarbeitbarkeit erfasst werden können. Fast alle arbeitenmit dem Einfluss der Schwerkraft, wirken aber unterschiedlichund messen somit jeweils andere Frischbetoneigenschaften.Während mit einigen Verfahren der Widerstand gegen Formän-derung und somit ein Maß für die Verformbarkeit bestimmtwird, prüfen andere Verfahren, welcher Verdichtungsgrad beivorgegebener Arbeit erreicht wird.

Physikalisch besser begründete Kennwerte könnte man z. B.durch rheologische Prüfungen an fließfähigen Betonen erhalten(s. Abschnitt II.4.2.2). Zurzeit existieren allerdings keine dazutauglichen Verfahren, sodass die Konsistenz, geprüft durch diezugehörigen Konsistenzprüfverfahren, weiterhin als wichtigsteKenngröße für die Verarbeitbarkeit herangezogen wird.

Die Frischbetonkonsistenz soll gemäß DIN 1045-2 vorzugsweiseentweder mit dem Ausbreitversuch nach DIN EN 12350-5 oderdem Verdichtungsversuch nach DIN EN 12350-4 bestimmt wer-den. Sie kann aber auch mit dem Setzversuch (Slump-Test) nachDIN EN 12350-2 oder dem Setzzeitversuch (Vébé-Test) nachDIN EN 12350-3 bzw. mit einem anderen vereinbarten Prüfver-fahren ermittelt werden. Das Ausbreitmaß eignet sich besondersfür Betone mit weicher bis fließfähiger Konsistenz. Der Verdich-tungsversuch hingegen ist besonders für plastischen bis sehr stei-fen Beton, für Splittbeton und mehlkornreichen sowie für Leicht-und Schwerbeton geeignet. Die Ausbreit- und Verdichtungsmaßefür ein und denselben Beton fallen nicht immer in den gleichenKonsistenzbereich nach Tafel II.4.2-1. Deshalb sind Vergleichenur innerhalb eines Prüfverfahrens zuverlässig möglich [Bon6].

4.2.2 Konsistenzsteuerung

Das abgestimmte Gemisch aus Gesteinskörnern im Beton erhältseine Beweglichkeit durch den aus Mehlkorn und Wasser be-stehenden Leim. Die wesentlichen Kennwerte zur Steuerung von

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Verarbeitbarkeit und Konsistenz des Betons sind die stofflicheZusammensetzung des Leims, der Kornaufbau der Gesteinskör-nung sowie der Volumenanteil von Leim und Gesteinskörnungim Stoffraum.

Zum Leim bzw. zur Mehlkornsuspension werden alle Feststoff-partikel mit einem Durchmesser von < 0,125 mm (Mehlkorn)gezählt. Abhängig von Kornform, Korngröße sowie der Ober-flächenladung in der Suspension und von der chemischenReaktivität beeinflusst das Mehlkorn die Verarbeitungsmerkmaledes Leims. In wässriger Suspension weisen die einzelnen Parti-kel entsprechend ihrer stofflichen Zusammensetzung unter-schiedliche Oberflächenladungen auf [Spa2]. Da gegensätzlicheLadungen einander anziehen, neigen die mineralischen Bestand-teile der Suspension zur Agglomeration, und zwar unabhängigdavon, ob es sich z. B. um eine reine Zementsuspension, um eineZement-Flugasche-Silicastaub-Suspension oder um eine reineFlugaschesuspension handelt (s. Bild II.4.2-1).

Zur qualitativen und quantitativen Beschreibung der Verarbei-tungsmerkmale des Leims dienen die rheologischen Kennwerteeiner Suspension, d. h. deren Fließgrenze und deren dynamischeViskosität. Wie in [Spa2] anhand von Versuchsergebnissen dar-gestellt wird, verhalten sich diese Suspensionen rheologisch wierheometrisch weitgehend wie Bingham-Körper (s. Bild II.4.2-2).Kennzeichen dafür sind eine ausgeprägte Fließgrenze, unter dersie sich wie feste Körper verhalten, und ein mit der Scherge-schwindigkeit zunehmender Scherwiderstand, dessen Verlauf bei abnehmender Schergeschwindigkeit näherungsweise als gerad-linig angenommen werden kann. Die Steigung der Geraden istein Maß für die dynamische Viskosität (tan α ). Für hohe Was-ser/Feststoff-Verhältnisse in der Suspension geht die Fließgrenzewegen der großen mittleren Entfernung der Partikel gegen Nullund die dynamische Viskosität nähert sich der von Wasser. Für

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geringe Wasser/Feststoff-Verhältnisse steigt die Fließgrenzewegen der hohen Agglomerationsneigung stark an, ebenso diedynamische Viskosität. Die Fließgrenze und die dynamischeViskosität hängen somit im Wesentlichen von dem Wasser/Fest-stoff-Verhältnis der Suspension ab, die Fließgrenze zusätzlichvon den Oberflächenladungen der Feststoffpartikel.

Eine Erhöhung der Fließfähigkeit des Feinstoffleims wird durchVerringerung des aus Fließgrenze und dynamischer Viskositätresultierenden Scherwiderstands erreicht. Eine Wasserzugabeführt zu einer Vergrößerung der Partikelabstände untereinanderund zur Verringerung des Scherwiderstands, indem die Fließ-grenze und die dynamische Viskosität sinken. Gleichzeitig wer-den der Wasserzementwert und die Sedimentationsneigung

Bild II.4.2-1: Agglomeration in der Mehlkornsuspensionvon Beton aufgrund unterschiedlicher Oberflächenladungen

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erhöht, wodurch die Dichtheit und Festigkeit des Zementsteinsim Mörtel und Beton vermindert werden.

Die Wirkung einer Fließmittelzugabe besteht im Wesentlichendarin, die Oberflächenladungen (Zeta-Potential) an allen Fest-stoffpartikeln in der Suspension anzugleichen und so die Partikelzu desagglomerieren (Bild II.4.2-3). Neue Entwicklungen aufdem Gebiet der Fließmittel, z. B. Polycarboxylate, zeigen, dassauch sterische und tribologische Effekte eine große Rolle für dieBeweglichkeit der einzelnen Feststoffpartikel spielen [Oht1].

Fließ

gren

ze g

Sche

rwid

ersta

nd T

in N

· mm

Umdrehungsgeschwindigkeit N in s 1

dyn. Viskosität h = tan α

Bingham

Newton

α

α

fallendes bzw.Wasser / Feststoff-Verhältnis

steigendes

üblicher Feinstoffleim

fließfähiger, stabilerFeinstoffleim

T = g + h · N

T = h · N

Bild II.4.2-2: Rheometrisches Verhalten von Mehlkorn/Wasser-Suspensionen; ohne Fließmittel (Bingham-Körper),mit Fließmittel (Newton-Flüssigkeit)

296 II Beton

Stets ist mit zunehmender Fließmitteldosierung eine Verringe-rung des Scherwiderstands durch den Abbau der Fließgrenzegegen Null verbunden (Bild II.4.2-2 und Bild II.4.2-4), währenddie dynamische Viskosität der Suspension weitgehend von derFließmittelzugabe unbeeinflusst bleibt und überwiegend vomWasser/Feststoff-Verhältnis abhängt, d. h. von der mittlerenWasserschichtdicke zwischen den Feststoffpartikeln.

Bild II.4.2-4 zeigt auch, dass Fließmittel nur bis zu einer Sätti-gungsgrenze eine Verringerung des Scherwiderstands bewirken.Die Sättigungsgrenze ist erreicht, wenn der gemessene Scher-widerstand durch weiteren Zusatz von Fließmittel nicht weitervermindert werden kann. Höhere Fließmittelzugaben verringerndas Zusammenhaltevermögen des Leims und können genauso

Bild II.4.2-3: Mehlkornsuspension mit Fließmittel, Desagglomeration durch Ausgleich der Oberflächenladungen

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wie eine überhöhte Wasserzugabe das Sedimentieren von Fein-stoffpartikeln zur Folge haben. Das Zusammenhaltevermögeneines Leims wächst mit größer werdender dynamischer Visko-sität an, was durch eine Verringerung des Wasser/Feststoff-Verhältnisses erzielt werden kann. Fließfähige, stabile Leimezeichnen sich somit durch eine geringe, gegen Null gehendeFließgrenze (Newton-Flüssigkeit) und eine hohe dynamischeViskosität aus, wie das in Bild II.4.2-2 durch die gestrichelteLinie angedeutet wird.

Der Volumenanteil des Leims im Stoffraum und der Scherwider-stand des Leims bestimmen die Konsistenz des Frischmörtelsbzw. -betons. Das Ausbreitmaß kann nur dann merklich erhöhtwerden, wenn der Leimgehalt im Beton höher ist als etwa

Sättigungsgrenze

40

30

20

10

00,00 0,50 1,00 1,50 2,00

0,40

0,45

0,50

0,60

0,80

w/z

0,70

Sche

rwid

ersta

nd T

in N

· mm

Fließmittelmenge in M.-% bezogen auf den Zementgehalt

Bild II.4.2-4: Einfluss eines Fließmittels auf den Scher-widerstand von Zementleimen CEM I 32,5 R mit Wasser-zementwerten von 0,40 bis 0,80

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260 l/m3, was bei Konstruktionsbeton i. d. R. gegeben ist [Spa2].Da der Wasserzementwert die Festigkeit und Dichtheit desZementsteins bzw. des Betons vorbestimmt, lässt sich die Konsis-tenz des Frischbetons entweder durch Erhöhung des Leimgehaltsmit dem jeweils erforderlichen Wasserzementwert oder durchVerringerung des Scherwiderstands dieses Leims mit Hilfe vonFließmitteln steuern. Bild II.3.2-1 zeigt diesen Zusammenhang.

Durch Wasserzugabe, die eine Erhöhung des Leimgehalts undeine Verrringerung des Scherwiderstands des Leims zur Folgehätte, könnte man zwar die Konsistenz eines Frischbetonssteigern, dies jedoch nicht ohne Nachteile für alle Festbeton-eigenschaften.

4.3 Frischbetonrohdichte und LuftgehaltDie Frischbetonrohdichte ist der Quotient aus der Masse unddem Volumen des verdichteten Frischbetons. Die theoretischeFrischbetonrohdichte kann bei bekannter Mischungszusammen-setzung aus der Rohdichte der Ausgangsstoffe einfach berechnetwerden. Durch einen Vergleich mit der z. B. nach DIN EN12350-6 im Luftporentopf experimentell bestimmten Frisch-betonrohdichte erlaubt sie eine Kontrolle der Betonzusammen-setzung und Verdichtung. Für vollständig verdichteten Frisch-beton mit quarzitischer Gesteinskörnung und günstiger Korn-verteilung, einem Zementgehalt von rd. 300 kg/m3 und einemWasserzementwert zwischen 0,5 und 0,6 beträgt die Frisch-betonrohdichte ca. 2,35 bis 2,40 kg/dm3.

Auch praktisch vollständig verdichteter Frischbeton ohne luft-porenbildende Zusatzmittel enthält in der Regel noch 1 bis 2 Vol.-% Luft, die so genannten Verdichtungsporen. Bei üb-lichen Betonen ist der Luftgehalt ein Maß für die Verdichtung.Bei Luftporenbeton, d. h. bei sachgerechtem Einsatz von luft-porenbildenden Mitteln (s. Abschnitt II.2.4.3), ist er auch ein

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Maß dafür, ob wichtige Voraussetzungen für einen hohen Frost-bzw. Frost-Taumittel-Widerstand des Beton erfüllt sind (s. Ab-schnitt II.7.1). Der Luftgehalt kann zuverlässig mit dem Druck-ausgleichsverfahren nach DIN EN 12350-7 im Luftporentopfermittelt werden. Da bei porösen Gesteinskörnungen mit demDruckausgleichsverfahren auch die Luft in den Poren derGesteinskörner zusammengedrückt wird, empfiehlt sich bei Ver-wendung von leichten Gesteinskörnungen das Verfahren nachASTM C 173.

4.4 FrischbetontemperaturDie Frischbetontemperatur beeinflusst das Ansteifen und Erstar-ren und damit die Verarbeitbarkeit. Sie kann leicht aus derMasse, der Temperatur T und der Wärmekapazität c der einzel-nen Betonkomponenten entsprechend Gleichung II.4.4-1 errech-net werden.

Tb, fr = [Gl.II.4.4-1]

Hierin bedeuten:

cz = spez. Wärmekapazität des Zements in kJ/(kg · K)cg = spez. Wärmekapazität der Gesteinskörnung in kJ/(kg · K)cw = spez. Wärmekapazität des Wassers in kJ/(kg · K)z = Zementgehalt in kg je m3 Betong = Gehalt an Gesteinskörnung in kg je m3 Betonw = Wassergehalt in kg je m3 BetonTz = Temperatur des Zements in °CTg = Temperatur der Gesteinskörnung in °CTw = Temperatur des Wassers in °C

Tb, fr = Temperatur des Frischbetons in °C

Die spezifische Wärmekapazität des Zements und der Gesteins-körnung beträgt rd. 0,85 kJ/(kg · K), die von Wasser rd.

lz · cz · Tz + g · cg · Tg + w · cw · Twl

z · cz + g · cg + w · cw

300 II Beton

4,2 kJ/(kg · K). Für einen Normalbeton mit rd. 300 kg Zement,rd. 1900 kg Gesteinskörnung und rd. 170 kg Wasser je Kubik-meter Beton errechnet sich damit eine Temperaturänderung umrd. 1 K, wenn die Temperatur des Zements um rd. 10 K oder desWassers um rd. 3,6 K oder der trockenen Gesteinskörnung umrd. 1,6 K verändert wird.

Durch erhöhte Temperatur des Frischbetons steigt die Reak-tivität des Klinkers und sinkt die Löslichkeit des erstarrungs-regelnden Sulfatzusatzes. Erhöhte Frischbetontemperaturenführen deshalb im Allgemeinen zu schnellem Ansteifen undErstarren, schlechterer Verarbeitbarkeit und höheren Frühfestig-keiten im Beton (s. Abschnitt II.5.2). Daher soll die Frisch-betontemperatur selbst in der warmen Jahreszeit, vor allem beimBetonieren von massigen Bauteilen, möglichst gering sein, nachDIN EN 1045-3 i.d.R. ≤ 30 °C. Die Temperatur darf höher lie-gen, wenn spezielle, auf diese Temperatur ausgerichtete Erstprü-fungen vorliegen.

Durch eine niedrige Frischbetontemperatur wird das Ansteifensowie das Erstarren und Erhärten verzögert. Um planmäßig zuerstarren und zu erhärten, muss der Frischbeton bei niedrigenAußentemperaturen, z. B. bei Frost, eine so hohe Ausgangstem-peratur aufweisen, dass durch die eigene Wärmeentwicklung einzu frühes Durchfrieren vermieden wird. Bei Lufttemperaturenzwischen +5 °C und –3 °C darf zum Zeitpunkt der Lieferung undbeim Einbringen die Frischbetontemperatur nicht unter +5 °Cliegen. Bei Verwendung von Zementen mit niedriger Hydratati-onswärme bzw. bei Zementgehalten unter 240 kg/m3 sowie beiLufttemperaturen unter –3 °C muss die Frischbetontemperaturbeim Einbringen mindestens +10 °C betragen.

Die Frischbetontemperatur kann am einfachsten und auch amwirtschaftlichsten durch Erwärmen oder Abkühlen des Zugabe-wassers beeinflusst werden. Wird zum Erwärmen von Frisch-

4 Frischbeton und Verarbeitung 301

beton heißes Zugabewasser verwendet, so bestehen im Allge-meinen keinerlei Bedenken bis zu Wassertemperaturen von rd. + 60 °C. Verwendet man Zugabewasser mit höheren Tempe-raturen oder Dampf (Dampfmischen s. Abschnitt II.9.1), emp-fiehlt es sich, den Zement erst nach dem Zugabewasser bzw.Dampf zuzugegeben, um unerwünschtes Ansteifen zu vermei-den.

Wenn die gewünschte Frischbetontemperatur allein durch Er-wärmen bzw. Abkühlen des Zugabewassers nicht erreicht wer-den kann, müssen auch die Gesteinskörnungen erwärmt bzw.abgekühlt werden.

Für eine Senkung der Frischbetontemperatur im Sommer bestehtdie einfachste Maßnahme darin, die Gesteinskörnungen zubeschatten und kühles Zugabewasser zu verwenden. Darüberhinaus ist die Zugabe von Eis wegen dessen hoher Schmelz-wärme besonders geeignet. Eine Zugabe von 8 kg Eis je Kubik-meter Beton senkt die Frischbetontemperatur um ca. 1 K [Wei1].Eine weitere Möglichkeit ist die Einleitung von flüssigem Stick-stoff über entsprechende Lanzen, z. B. in das Transportbeton-fahrzeug unmittelbar vor der Übergabe auf der Baustelle [Utz1].

4.5 Übergang vom Frischbeton zum Fest-beton

Die chemisch-mineralogische Reaktion des Zements (s. AbschnittI.4.1) mit dem Zugabewasser, die Hydratation, bewirkt das An-steifen, Erstarren und Erhärten von Beton. Der Übergang vomFrischbeton zum Festbeton geschieht nicht plötzlich, sondernumfasst verschiedene Stadien (s. Bild II.4.5-1). Der eingebauteund verdichtete, jedoch nur unwesentlich erstarrte Frischbetonwird als „grüner“ Beton bezeichnet (s. Bild II.3.3-7). Für dieDruckfestigkeit oder besser gesagt für die „Grünstandfestigkeit“

302 II Beton

des „grünen“ Betons sind noch nicht die Hydratation desZements, sondern die Fließgrenze und die Kapillarkräfte inner-halb des Leims verantwortlich. Mit fortschreitender Zement-hydratation und somit zunehmendem Erstarren und Erhärtengeht der „grüne“ Beton in den „jungen“ Beton über. „Grüner“und „junger“ Beton kennzeichnen daher zwei zeitlich aufeinan-der folgende, nicht scharf abgrenzbare Phasen des Übergangsvom Frisch- zum Festbeton (s. Abschnitt II.3.3.3).

In der Praxis haben die Eigenschaften und das Verhalten von„grünem“ Beton vor allem für die Herstellung von früh zu ent-formenden Betonwaren bzw. früh zu entschalenden Betonfertig-teilen Bedeutung (s. Abschnitt II.11) [Wie1].

Durch die Hydratationswärme, durch Formänderungen derSchalung, schnelle Veränderung der Umgebungstemperatur und

Zeit nach Wasserzugabe

“Visk

ositä

t”

Erstarrungsende Erhärten

Erstarren

Ansteifen

Erstarrungsbeginn

normales Ansteifen

frühesAnsteifen

Bild II.4.5-1: Definition von Ansteifen, Erstarren, Erhärtenvon Zement und Beton [Wis4]

4 Frischbeton und Verarbeitung 303

Wasserentzug sowie durch schnelles Austrocknen könnenZwangspannungen im „grünen“ und „jungen“ Beton entstehen.Sobald die Zwangspannungen größer als die Zugfestigkeit des Betons werden, sind Risse unvermeidbar. Der Gefahr einerfrühen Rissbildung muss vor allem durch Nachbehandlung (s. Abschnitt II.9.6) und durch Vermeidung einer zu frühenÜberlastung begegnet werden [Wis5].

4.6 Selbstverdichtender BetonSelbstverdichtender Beton (SVB; engl. Self-compacting ConcreteSCC) ist Beton, der nur unter dem Einfluss der Schwerkraft ent-mischungsfrei und ohne an Bewehrungshindernissen zu blockie-ren nahezu bis zum Niveauausgleich fließt, dabei entlüftet undalle Bewehrungszwischenräume sowie die Schalung vollständigausfüllt. Er ist ein Hochleistungsbeton, wobei sich das besondereLeistungsvermögen auf die Frischbetoneigenschaft „Selbstver-dichtung“ bezieht.

SVB wurde Anfang der neunziger Jahre in Japan vorgestellt[Oka 1] und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt [Tak1]. Diebesondere Frischbetoneigenschaft wird durch ein erhöhtes Leim-volumen erzielt, in dem die Gesteinskörnungen „schwimmen“können. Der „Leim“ (Zementleim bzw. Mehlkornsuspension)muss so zusammengesetzt werden, dass er sowohl eine ausrei-chende Fließfähigkeit als auch eine erhöhte, entmischungshem-mende Viskosität aufweist. Man unterscheidet dabei zwischendem „Mehlkorntyp“ und dem „Stabilisierertyp“. Ersterer wird inDeutschland bevorzugt hergestellt. Er besitzt Mehlkorngehalte,die über den in DIN 1045-2 festgelegten oberen zulässigenGrenzen liegen (Tafel IV.3-12 und IV.3-13) und erreicht damitLeimgehalte von mehr als 350 l/m3. Der Stabilisierertyp besitztgeringere, u. U. die Anforderungen von DIN 1045-2 erfüllendeMehlkorngehalte und zusätzlich zur Erzielung einer ausreichen-

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den Viskosität Stabilisierer. Dies wird beim Mehlkorntyp mit fürRüttelbeton üblichen Wassergehalten und mit wesentlich erhöh-ten Feinstoffgehalten sowie mit hochwirksamen Fließmitteln, z.B.Polycarboxylatether, erreicht. Sie reduzieren die Fließgrenze der Mehlkornsuspension im Beton gegen Null und verändernsomit das rheologische Verhalten in Richtung einer Newton-Flüs-sigkeit (Bild II.4.2-2). Der hohe Gehalt an Feinstoffen und dasdaraus resultierende geringe Wasser/Feststoff-Verhältnis bewirktdie benötigte hohe dynamische Viskosität (Bild II.4.2-2, gestri-chelte Linie). Dabei ist es zur Erzielung selbstverdichtenderEigenschaften weitgehend unerheblich, ob das Mehlkornge-misch neben Zement auch Flugasche, Kalksteinmehl oder son-stige reaktive oder inerte Gesteinsmehle enthält. Die Feinstoffemüssen jedoch so beschaffen sein, dass die daraus hergestellteSuspension im Zusammenwirken mit dem Fließmittel die erfor-derlichen rheologischen Eigenschaften über den Verarbeitungs-zeitraum aufweist und die Dauerhaftigkeit der Betonbauteilenicht beeinträchtigt wird.

Die Rezepturentwicklung für SVB erfolgt anhand einer Reihevon Leim-, Mörtel- und Betonuntersuchungen (Ausbreit- undAusfließtests), in denen die optimale Verflüssigung der ausge-wählten Feinstoffe und Gesteinskörnungen mittels Wasser undFließmittel eingestellt wird. Dabei ist es auch möglich, die Kon-sistenz gezielt für bestimmte Verarbeitbarkeitszeiträume einzu-stellen [Gru10]. Verarbeitbarkeitstests wie z. B. die Blockier-ringprüfung (Bild II.4.6-1) geben Aufschluss über dasMindestmörtelvolumen und über die Eignung der gewähltenSieblinie für die späteren Einbaubedingungen, damit die grobenGesteinskörnungen nicht vor Bewehrungshindernissen blockie-ren. Geringe Schwankungen in der Zusammensetzung wirkensich auf die Verarbeitbarkeitsmerkmale von SVB stärker aus alsdies bei Rüttelbeton der Fall ist. Dies gilt besonders für Schwan-

4 Frischbeton und Verarbeitung 305

kungen im Gesamtwassergehalt, im Kornaufbau bzw. imWasseranspruch des Mehlkorns sowie in den Wechselwirkungenzwischen Fließmittel und Zement. Deshalb müssen in den Erst-prüfungen neben der Zusammensetzung auch die tolerierbarenSchwankungen der Betonbestandteile festgelegt und durch dieÜberwachungsprüfungen kontrolliert werden.

Im Bild II.4.6-2 ist die Zusammensetzung eines selbstverdich-tenden Betons (Mehlkorntyp) in Stoffraum- und Massenanteilenje m3 Beton einem normalen Rüttelbeton für Außenbauteilegemäß DIN 1045-2 gegenübergestellt. Die Konsistenz des SVBwurde durch die Wasser- und Fließmittelabstimmung so einge-stellt, dass er ein Setzfließmaß von mehr als 700 mm (Richtwert)aufwies, sich in den Verarbeitbarkeitstests wie Blockierringprü-fung und U-Box Test durch die Fließhindernisse nivellierte undkeine Sedimentation zeigte.

Bild II.4.6-1: Setzfließmaß mit Blockierringprüfung einesSVB (rd. 700 mm) auf Ausbreitplatte 900 mm × 900 mm

306 II Beton

Untersuchungen der Festbetoneigenschaften entsprechend denAngaben in Bild II.4.6-1 zusammengesetzter selbstverdichtenderBetone ergaben keine signifikanten Unterschiede gegenüber nor-malem Rüttelbeton mit gleichem äquivalenten Wasserzement-wert bei Prüfung von Druck- und Biegezugfestigkeit, E-Modul,Frostwiderstand, Carbonatisierungswiderstand und Trocknungs-schwinden (Tafel II.4.6-1). Untersuchungen zum Frühschwind-

Stof

fraum

in d

m3

0

500

600

700

800

900

1 000

100

200

300

400

Zement

545 kg/m3

725 kg/m3

545 kg/m3

182 kg/m3

280 kg/m3

449 kg/m3

175 kg/m3

330 kg/m3

Gesteinskörnung 0/2

Gesteinskörnung 2/8

Gesteinskörnung 8/16

Wasser

Luft

FM = 3,4 kg/m3

Füller

SVBRüttelbeton

Sand30 %

40 %

30 %

297 kg/m3

15 %

650 kg/m3

35 %

25 %

449 kg/m3

25 %

hier: Steinkohlenflugasche

Bild II.4.6-2: Vergleich der Zusammensetzung eines Rüttel-betons und eines selbstverdichtenden Betons für die Exposi-tionsklasse XC4/XF1 mit (w/z)eq = 0,55

4 Frischbeton und Verarbeitung 307

verhalten (Kapillarschwinden) bestätigten eine höhere Nach-behandlungsempfindlichkeit des selbstverdichtenden Betons auf-grund der hohen Mehlkornanteile und den daraus resultierenden,schon bei geringem Wasserverlust aus dem plastischen Betonauftretenden, hohen Kapillarspannungen [Gru2].

Neben Baustellenanwendungen, z. B. beim Millennium-Towerin Wien, lässt der Einsatz von SVB auf dem Gebiet der Beton-fertigteilproduktion besondere Vorteile erkennen. Zusätzlich zuden technischen Vorteilen (keine Verdichtungsfehler, einwand-freier Sichtbeton) und den ökonomischen Vorteilen, die zur Sen-kung der Arbeitskosten führen, rückt das vibrationsfreie undlärmarme Betonieren unter dem Gesichtspunkt des Arbeits- und

Tafel II.4.6-1: Festbetoneigenschaften eines normalen Rüt-telbetons und eines selbstverdichtenden Betons für diegleiche Expositionsklasse mit gleichem (w/z)eq. Zusammen-setzung entsprechend Bild II.4.6-2

Betoneigenschaft Rüttelbeton SVB

2d 17,8 10,4

Druckfestigkeit 7d 28,5 28,8

28dN/mm2

39,0 53,4

Biegezugfestigkeit 28d 4,6 n. b.

Spaltzugfestigkeit 28d n. b. 3,98

statischer E-Modul 28d 28150 28 250

Schwindmaß ε s 90d mm/m –0,37 –0,36

Carbonatisierungstiefe dc 90d mm 6,0 9,5

Masseverlust nach 100 FTW M.-% 3,2 3,8

Nachbehandlungsempfindlichkeit – normal hoch

Umweltschutzes immer mehr in den Vordergrund. Dem stehenaufgrund der benötigten hochwirksamen Fließmittel und dergrößeren Mehlkornmengen sowie den besonderen Anforderun-gen an die Schalung höhere Stoffkosten gegenüber.

Selbstverdichtender Beton geht aufgrund seiner Konsistenz undin manchen Fällen bezüglich seines hohen Mehlkorngehalts überdie Regelungen der DIN 1045-2 hinaus. Deshalb bedarf dieAnwendung eines SVB in Deutschland derzeit noch einer bau-aufsichtlichen Zulassung oder einer Zustimmung im Einzelfall.Diese Erschwernis kann jedoch entfallen, sobald die entspre-chende, bereits vorliegende Richtlinie des Deutschen Ausschus-ses für Stahlbeton bauaufsichtlich eingeführt wird [Ri71].

308 II Beton