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4. Öffentliche Güter Prof. Dr. Christian Holzner LMU München WS 2011/2012

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4. Öffentliche Güter

Prof. Dr. Christian Holzner

LMU München

WS 2011/2012

4. Öffentliche Güter

4.1 Eine Klassifikation der Güter

4.2 Optimale Nutzung und Bereitstellung öffentlicher Güter

4.3 Marktversagen bei reinen öffentlichen Gütern

4.4 Öffentliche Bereitstellung bei reinen öffentlichen Gütern

Literatur

Giacomo Corneo, Öffentliche Finanzen: Ausgabenpolitik, MohrSiebeck, Tübingen, 2003, Kap. II und XIII.

Jean Hindricks und Gareth D. Myles. Intermediate PublicEconomics, MIT Press, Cambridge, MA, 2006, Kapitel 5.

Dietmar Wellisch, Finanzwissenschaft I - Rechtfertigung derStaatstätigkeit, Vahlen, München, 1999, Kapitel 3.1 und 5. [*]

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4.1. Eine Klassifikation der Güter

Bei der Diskussion perfekter Märkte sind wir implizit davonausgegangen, dass der Konsum eines Gutes nur dem Käuferzugute kommt.

Güter lassen sich mit Hilfe von zwei Kategorien klassifizieren:

1. Rivalität:- “Ein Gut besitzt die Eigenschaft der Rivalität (im Konsum),

wenn der Konsum des Gutes durch die gleichzeitige Nutzungdieses Gutes durch einen anderen Konsumenten beeinträchtigtwird."(Wellisch, S. 56)

- Im Gegensatz dazu Nicht-Rivalität: Jeder muss die gleicheMenge oder Qualität konsumieren; z.B. beim Deich kann nichtein Haushalt einen größeren Schutz (höheren Deich)konsumieren als ein anderer Haushalt.

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2. Ausschließbarkeit:

- “Ein Gut besitzt die Eigenschaft der Ausschließbarkeit (imKonsum), wenn ein potentieller Nutzer von dem Konsum desGutes ausgeschlossen werden kann."(Wellisch, S. 55)

- Der Preis ist ein Ausschluß-Mechanismus (nur wer den Preisfür ein Gut bezahlt, kann das Gut konsumieren)

- Bei einigen Gütern wird kein Ausschluß praktiziert, weil esnicht möglich bzw. zu teuer wäre (z.B. saubere Luft,Landesverteidigung, Schutz vor Wasser durch einen Deich)oder ein Ausschluss einfach nicht durchgesetzt wird(Schlosspark, kunsthistorisch interessante Kirchen).

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Ausschließbarkeit

Ja Nein R

ival

ität

Ja

Private Güter

(z.B. Lebensmittel, Schuhe,

Auto)

Unreine öffentl. Güter

(Allmendegüter)

(Fischfang, früher: Alm)

Nein

Mautgüter

(PayTV, Studium)

Reine öffentliche Güter

(Deich, Umwelt, öffentliche

Infrastruktur, Landesvertei-

digung, Rechtswesen)

Abbildung 1: Güter-Klassifikation

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Oft fällt ein Gut nicht generell in eine der vier Kategorien, sondernes hängt von den Umständen ab, um welche Art von Gut es sichhandelt.

Überlegen Sie sich das für das Beispiel Straße:

Reine öffentliche Güter

Mautgüter

Unreine öffentliche Güter (Allmendegüter)

Private Güter

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4.2. Optimale Nutzung und Bereitstellung öffentlicher Güter

Zwei normative Fragen:

1 Wie sollte ein bereits produziertes öffentliches Gut genutztwerden?

2 Sollte ein öffentliches Gut überhaupt bereitgestellt werden undin welcher Qualität?

Danach Untersuchung, warum eine Politik des Laissez-fairehier nicht funktioniert (Kapitel 4.3)...

... und wie der Staat die geeignete Bereitstellung öffentlicherGüter erreichen kann (Kapitel 4.4).

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Die effiziente Nutzung eines reinen öffentlichen Gutes

Ein öffentliches Gut (z.B. eine Brücke) ist gebaut. DieKapazität davon ist hinreichend groß, so dass es keine Rivalitätin der Nutzung gibt.

Die nachfolgende Graphik zeigt die Nachfrage x derpotentiellen Nutzer.

Wie viele Nutzer sollten das Gut nutzen (z.B. wievieleFahrzeuge sollten eine Brücke befahren), wenn die Wohlfahrtmaximiert werden soll?

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0

GZB

x

p

D

C

B

A

p’

x’ xopt

Abbildung 2: Effiziente Nutzung

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Wie hoch sind die Grenzkosten einer zusätzlichen Nutzung desöffentlichen Gutes?

Wie weit sollte die Nutzung deshalb ausgedehnt werden?

Wie hoch ist die maximal mögliche Rente aus der Nutzung derBrücke?

⇒ Für die Nutzung des Gutes (der Brücke) sollte kein (positiver)Preis verlangt werden. Warum?

⇒ Ergebnis: Liegt keine Rivalität in der Nutzung vor, sollte auchkein Ausschluß betrieben werden.

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Die effiziente Bereitstellung - diskreter Fall

Frage: Soll das öffentliche Gut bereitgestellt werden odernicht?

Die nachfolgende Graphik zeigt die GZB für eine Nutzung desGutes.

Wann sollte das Gut bereitgestellt werden (also die Brückegebaut werden)?

Bei der Entscheidung, ob die Brücke gebaut werden soll, mußman den Vorteil (Summe der Zahlungsbereitschaften) mit demNachteil der Bereitstellung (Kosten) vergleichen.

Ergebnis: Ein diskretes öffentliches Gut sollte genau dannbereitgestellt werden, wenn die Kosten kleiner sind als dieSumme der Zahlungsbereitschaften aller Nutzer.

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0

GZB

x

p

B

A

xopt

Abbildung 3: Effiziente Bereitstellung - diskreter Fall

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Die effiziente Bereitstellung - stetiger Fall

Frage:In welcher Qualität oder Menge G soll ein öffentliches Gutangeboten werden?

Beispiele:

- Wie groß soll ein öffentlicher Park gebaut werden?

- Wie viele Spuren soll eine Autobahn bekommen?

- Wie sauber soll die Luft sein (oder umgekehrt: wie vielLuftverschmutzung soll toleriert werden)?

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Es gibt zwei Individuen (i = A, B) mit der NutzenfunktionU i(xi, G).

- Beim privaten Gut müssen sich die beiden Haushalte dieproduzierte Menge teilen (x = xA + xB).

- Beim öffentlichen Gut können (müssen?) sie wegen derNicht-Rivalität dagegen dieselbe Menge G konsumieren.

Die Transformationsfunktion H(x; G) beschreibt dieeffizienten Produktionsmöglichkeiten.

Im Folgenden betrachten wir den allgemeinen Fall einerÖkonomie, die mit ihrem Ressourcenbestand ein privates Gutx und ein öffentliches Gut G produzieren kann. Wir leiten dasErgebnis zunächst graphisch und dann mathematisch her.

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Graphische Herleitung

Die nachfolgende Graphik (oben) zeigt dieTransformationskurve AB und die Indifferenzkurve desIndividuums B zum gegebenen Nutzenniveau UB.

Zeichnen Sie in die Graphik (unten) eine Kurve ein, die dienicht von B konsumierte x-Menge, also xA, wiedergibt.

Wie lassen sich die optimalen Güterbündel für A und B,(xA, G) und (xB, G) bestimmen?

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G

x

xB

B

A

UA

CE

F

G D

xA

G

UB

Abbildung 4: Herleitung der Samuelson Regel

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G ist das Pareto-Optimum bei gegebenem Nutzen von B.

Interpretation:

Wie lässt sich die Steigung der Transformationskurveinterpretieren?

Was ist mit der Steigung der Indifferenzkurve des IndividuumA bzw. B?

Überlegen Sie, warum für die Steigung der von Ihneneingezeichneten Kurve in der unteren Graphik (im FolgendenC ′D′) gilt: GRT − GRSB?

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Im Optimum muss gelten: Steigung der Kurve C ′D′ =Steigung der Indifferenzkurve des Individuum A:

GRT − GRSB = GRSAund somit

∑GRSi = GRT (Samuelson-Bedingung)

Die Summe der GRS gibt an, wie viel alle Individuen zusammenbereit sind, an dem privaten Gut aufzugeben, um eine weiteremarginale Einheit des öffentlichen Gutes zu bekommen. DieGRT gibt an, auf wie viel Produktion des privaten Gutes manverzichten muss, um eine marginale Einheit des öffentlichenGutes mehr zu produzieren (Opportunitätskosten).

Vergleichen Sie die Optimalitätsbedingung mit denBedingungen bei privaten Gütern in Kapitel 2.

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Mathematische Herleitung

Maximiere Nutzen von A

u.d.N.: Nutzen von B ist mindestens UB und

Ressourcenbeschränkungen x = xA + xB und H(x; G) = 0

maxG,xA,xB

UA(G, xA) u.d.B. UB(G, xB) ≥ UB (1)

x = xA + xB (2)

H(x; G) = 0 (3)

Lagrange Funktion:

L = UA(G, xA) + λ(UB(G, xB) − UB) +

+ µ1(x − xA − xB) + µ2(H(x; G)) (4)

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Bedingungen erster Ordnung:

∂L

∂G: UA

G + λUBG + µ2HG = 0 (5)

∂L

∂xA: UA

xA− µ1 = 0 (6)

∂L

∂xB: λUB

xB− µ1 = 0 (7)

∂L

∂x: µ1 + µ2Hx = 0 (8)

und die Bedingungen für die Ableitungen nach λ, µ1, µ2.

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Aus (6) und (7) folgt λ = UAxA

/UBxB

. Einsetzen in (5) gibt:

UAG +

UAxA

UBxB

UBG + µ2HG = 0 (9)

Aus (8) folgt µ2 = − µ1

Hxund mit µ1 = UA

xAaus (6) bekommen wir

µ2 = −UA

xA

Hx

Damit wird (9) zu

UAG

UAxA

+UB

G

UBxB

=HG

Hx(10)

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Auf der linken Seite von (10) steht die Summe der GRSzwischen privatem und öffentlichem Gut.

Auf der rechten Seite von (10) steht die Grenzrate derTransformation.

⇒ (10) ist die Samuelson-Bedingung:

∑GRSi = GRT

Beachte: Im Allgemeinen gibt es unendlich vielePareto-effiziente Allokationen, abhängig von UB. Machen Siesich das auch mit Hilfe der Graphik oben noch einmal klar.

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Intuitiv etwas eingängiger wird die Samuelson-Regel, wenn wirdie Vor- und Nachteile der Produktionsausdehnung desöffentlichen Gutes in den vertrauten (monetären) Größen derGrenzzahlungsbereitschaft und der Grenzkosten ausdrücken:

- Sei G die Größe eines stetig bereitstellbaren öffentlichen Gutes(Park in qm). Die Kosten einer zusätzlichen Einheit sindkonstant (konstante Grenzkosten der Bereitstellung).

- Wenn wir annehmen, dass es keine Einkommenseffekte gibt,können wir die Präferenzen der potentiellen Nutzer durchGrenzzahlungsbereitschaften (GZB) und die Nachteile derProduktionsausdehnung durch Grenzkosten (GK) - also inGeldeinheiten - ausdrücken.

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Illustration für den Fall, dass Individuen quasilinearePräferenzen haben (kein Einkommenseffekt):

U = u(G) + xi

mit u′ > 0 > u′′.

In diesem Fall impliziert Samuelson Bedingung ein eindeutigesOptimum G∗:

2u′(G∗) = 1 (11)

oder ∑GZBi = GK

Die folgende Graphik illustriert die Entscheidung über dieoptimale Größe des öffentlichen Gutes.

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0

S GZB

G

GZBGK

B

A

Gopt

GZBA

GZBB

GKC

D

Abbildung 5: Optimale Bereitstellung mit quasilinearen Präferenzen

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GK gibt die konstanten Grenzkosten der Bereitstellung an.

GZB mißt die Summe der Grenzzahlungsbereitschaften derbeiden Nutzer. Dazu aggregiert man vertikal die beidenGrenzzahlungsbereitschaftskurven, die jeweils angeben, wievielein Nutzer für eine Ausweitung des Parks um eine marginaleEinheit zu zahlen bereit wäre.

Analog zum Kalkül, das wir bei der Bereitstellung desdiskreten öffentlichen Gutes angestellt haben, können wir nunüberlegen:

- Sollte die erste marginale Einheit bereitgestellt werden?

- Was ist mit der nächsten und den folgenden marginalenEinheit?

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Samuelson-Regel:Die Menge eines öffentlichen Gutes sollte solange ausgedehntwerden, bis die Summe der GZB für das öffentliche Gut gleichden GK der letzten bereitgestellten Einheit ist (siehe oben).

Die optimale Größe des öffentlichen Gutes beträgt Gopt.

Die volkswirtschaftliche Rente, aus der Bereitstellung desGutes lässt sich am Dreieck ABC ablesen.

Die nächsten beiden Graphiken dienen der Wiederholung:öffentliches Gut ⇔ privates Gut.

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a

b

a

+

b

p pp

p

p

x

x

x x x

GZB2

GZB1

GKA GKB

N

A

Abbildung 6: Aggregation bei öffentlichen Gütern

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x x x x x

p p p p p

a b a+b

GZB1 GZB

2

N

AGK

A GKB

Abbildung 7: Aggregation bei privaten Gütern - zum Vergleich

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4.3. Marktversagen bei reinen öffentlichen Gütern

Kann man wie bei privaten Gütern darauf hoffen, dass einLaissez-faire des Staates zur privaten Bereitstellungöffentlicher Güter im effizienten Umfang führt?

Nein, wegen des Trittbrettfahrer-Problems führt die privateBereitstellung zu einer Unterversorgung mit öffentlichenGütern.

Überlegen Sie, wie hier das Trittbrettfahrer-Problem inErscheinung tritt.

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Diskrete Bereitstellung-Beispiel

Annahme: Öff. Gut kann nur in Mengen von 0,1,2bereitgestellt werden.

2 Individuen, i = 1, 2, können je eine Einheit beitragen (B)oder nicht (NB).

Bereitstellung einer Einheit verursacht Nutzen (pro Person)von v, d.h., v ist die Zahlungsbereitschaft für eine Einheit vonG, und Bereitstellungskosten von c:

ui = v · G − cgi

mit G = g1 + g2 und gi ∈ {0, 1}: Beitrag von Spieler i.

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Auszahlungen (1 sei der “Zeilenspieler”, 2 der “Spaltenspieler”):

Tabelle 1: Auszahlungsmatrix

B NBB 2v − c, 2v − c v − c, v

NB v, v − c 0, 0

Bereitstellung einer weiteren Einheit ist effizient, solangeSumme der Nutzen größer als Kosten (Samuelson Regel):

2v > c

Es gilt Nichtrivalität und Nicht-Ausschließbarkeit.

Nash-Cournot Annahme: Jeder Spieler wählt die Strategie, dieseinen Nutzen maximiert, gegeben die Strategie des anderen.

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1. Fall c > v: Nicht beizutragen (NB) ist die dominanteStrategie.

⇒ Nash-Gleichgewicht ist (NB,NB): Gefangenendilemma

Beispiel: v = 100, c = 150.

Tabelle 2: Auszahlungsmatrix

B NBB 50,50 -50,100NB 100,-50 0,0

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Free riding: Nutzen ist höher, wenn man selbst nichtsbeiträgt.

Nash Gleichgewicht ist ineffizient:Obwohl 2v > c lohnt es sich für die Individuen nicht, einenBeitrag zu leisten, weil der individuelle Nutzen kleiner als dieKosten ist, d.h. v < c.Kollektive und individuelle Rationalität fallen auseinander.

Ansatzpunkt für Staatseingriff: Wenn Staat dieZahlungsbereitschaften kennt, kann er die effiziente Mengebereitstellen und durch Pauschalsteuern finanzieren.

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2. Fall v > c: Beizutragen ist die dominante Strategie

→ Nash-Gleichgewicht ist (B,B).

Beispiel: v = 100, c = 50.

Tabelle 3: Auszahlungsmatrix

B NBB 150,150 50,100NB 100,50 0,0

Olson (1965): privilegierte Gruppe – Gruppe, in der mindestensein Individuum Anreiz zur Bereitstellung hat (z.B. USA in derNATO).

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Stetiger Fall - Private Bereitstellung öffentlicher Güter

Betrachten wir nun den allgemeinen Fall, bei dem mehrereIndividuen zur Bereitstellung eines stetigen öffentlichen Gutesbeitragen (siehe Chan et al. (2002))

Notation:

G : Privat bereitgestellte Menge des öffentlichen Gutes

gi : Beitrag von Person i zum öffentlichen Gut

xi : Konsum des privaten Gutes durch Person i

wi : Einkommen von Person i

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Der Haushalt maximiert den Nutzen

maxxi,gi

ui = xiG (12)

unter den Nebenbedingungen:

wi = xi + gi : Budgetbeschränkung (13)

G = gi + G−i : mit G−i Beiträge aller außer i (14)

gi ≥ 0 (15)

Zeigen Sie, dass bei n ≥ 2 identischen Personen die sozialoptimale Größe des öffentlichen Gutes Gopt = nwi/2 beträgt.

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Bei privater Bereitstellung maximiert die einzelne Person

ui = xiG = (wi − gi)(G−i + gi) (16)

und erhält als Reaktionsfunktion

gi = max(wi − G−i

2; 0) (17)

Für hinreichend großes G−i bzw. niedriges wi greift dieNicht-Negativitätsbeschränkung und die Person trägt nichtszum öffentlichen Gut bei.

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Im symmetrischen Gleichgewicht trägt jede Person

gprivi =

wi

n + 1(18)

zum öffentlichen Gut bei.

Der individuelle Beitrag nimmt mit der Gruppengröße n ab.

Die gleichgewichtige Größe des öffentlichen Gutes

Gpriv =n

n + 1wi (19)

nimmt mit der Gruppengröße zu.

Im Vergleich zum Optimum Gopt wird das öffentliche Gutunterbereitgestellt.

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Einkommensumverteilung

Ändert sich die private Bereitstellung öffentlicher Güter, wennwir die Einkommensverteilung der Haushalte verändern?

Wir betrachten dafür nur innere Lösungen (g > 0).

Haushalt i erhält zusätzliches Einkommen in Höhe ∆wi. DasEinkommen der übrigen Akteure wird um ∆wi verringert(Umverteilung).

Ergebnis: Im Gleichgewicht erhöht i seine Ausgaben für dasöffentliche Gut um ∆wi und alle übrigen reduzieren dieAusgaben um ∆wi. Die Größe des öffentlichen Gutes wird vonder Einkommensumverteilung nicht verändert.

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Nehmen wir an, alle anderen reduzieren die Bereitstellung desöffentlichen Gutes genau um die Einkommenseinbuße. Dannergibt sich die optimale Reaktion des Haushaltes i aus derReaktionsfunktion im Grundmodell als

gi =wi + ∆wi − (G−i − ∆wi)

2

=wi − G−i

2+ ∆wi (20)

⇒ Haushalt i erhöht seine Bereitstellung um ∆wi.

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Dieses Ergebnis gilt allgemeiner als für die hier gewähltespezielle Nutzenfunktion:Erforderlich ist lediglich, dass die Präferenzen konvex sind unddass alle beteiligten Haushalte einen positiven Beitrag leisten.

Was ist die Intuition für dieses Neutralitätsergebnis?

Die nachfolgende Graphik zeigt die Entscheidung einesHaushaltes i, sein Budget in das private und in das öffentlicheGut zu stecken.

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0

D

X

B

i

C

A

X*

G

G*

G *-i

G *- w-i i

D

wi

w + wi i

D

Abbildung 8: Neutralitätsergebnis

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Vor der Einkommensumverteilung stellen die anderenHaushalte G∗

−i des öffentlichen Gutes bereit. Da keinenegativen Beiträge möglich sind, sieht sich Haushalt i derBudgetgeraden AC gegenüber und wählt das optimaleGüterbündel B.

Nach der Umverteilung stellen die anderen Haushalteannahmegemäß nur noch G∗

−i − ∆wi bereit.

Haushalt i sieht sich nun der Budgetrestriktion AD gegenüber.

Die verlängerte Budgetgerade ist jedoch irrelevant, da fürdiesen Bereich der Grenznutzen von G in Verhältniss zumGrenznutzen von x größer ist als der relativ Preis derBereitstellung von G.

U ′x

U ′G

<px

pG= 1

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⇒ Es ist wiederum optimal, G∗ zu wählen.

Wenn alle anderen mit einer Reduktion der Beiträge imUmfang von ∆wi reagieren, ist es optimal die eigenen Beiträgeum ∆wi zu erhöhen.

Da dies für alle Spieler gilt, ist dies das neueNash-Gleichgewicht nach Umverteilung.

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Implikationen:

Solange die Gruppe der Haushalte mit positivem Beitragunverändert bleibt, haben Einkommensumverteilungen keineAuswirkung auf die Größe des öffentlichen Gutes.

Der Einkommenstransfer hat keine Wirkung auf den Nutzen.Alle Haushalte konsumieren vorher und hinterher dasselbeGüterbündel; der Nutzen ändert sich nicht. DerEinkommenstransfer wird durch die Ausgaben für dasöffentliche Gut konterkariert.

Bei gleichen Nutzenfunktionen impliziert dies sogar, dass dieNutzen aller Haushalte - unabhängig von derEinkommensverteilung - gleich sind. Die Nutzen werden durchdie Ausgaben für das öffentliche Gut angeglichen.

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Verhaltensökonomische Betrachtungen

Standard-Modell (siehe oben): Private Bereitstellung durchrationale, eigennützige Individuen.

Vorhersagen:1. Nur die reichsten Individuen tragen zur Finanzierung bei;

ärmere Individuen sind Free-rider.

2. Staatliche Bereitstellung verdrängt private Bereitstellung(vollkommenes crowding out).

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Experimentelle Evidenz

Experimente zur privater Bereitstellung mit Free-riding alsdominanter Strategie für eigennützige Individuen.

Bsp: 4 Spieler erhalten je 10 Euro, von denen sie 0 ≤ gi ≤ 10in ein “Gruppenkonto” einzahlen können. Jeder Euro imGruppenkonto wird verdoppelt und auf alle 4 Spieler aufgeteilt.

Auszahlung:

ui = 10 +1

2

4∑

j=1

gj − gi

= 10 +1

2

j 6=i

gj −1

2gi

Dominante Strategie ist gi = 0.

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Beobachtung:

Spieler sind kooperativer als Vorhersage desNash-Gleichgewichts (durchschnittlicher Beitrag ca. 40 % beieinmaliger Wiederholung).

Aber Beiträge fallen auf ca. 20 %, wenn Spiel mehrmalswiederholt wird (Lernen vs. strategische Kooperation).

Ökonomie Studenten scheinen weniger kooperativ zu sein alsStudenten anderer Fachrichtungen.

In anonymen Spielen wird weniger kooperiert, als wenn sichSpieler sehen oder miteinander reden können.

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Feldexperimente

Freiwillige Beiträge zu Wohltätigkeitsvereinen oderRadiosendern (Kingma 1989):Individuen tragen im Schnitt $ 45 zur Finanzierung vonRadiosendern bei; Spender sind reicher als Nicht-Spender, aberauch Ärmere tragen etwas bei.

$10.000 höhere Finanzierung durch Steuern führt zu einemRückgang privater Spenden um $ 1.350.

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Mögliche Erklärungen:

Irrationalität oder Irrtümer

Warm Glow

Altruismus

Reziprozität

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ad 2: Warm Glow

„Warm glow“ : Akt des Gebens verursacht Nutzen.

Gründe für Warm glow:Positive Emotionen durch “richtiges” Verhalten

Sorge um das Erscheinungsbild in den Augen anderer

Beitrag als Versuch, Reziprozität zu etablieren

ad 3: Altruisms

Altruismus: Nutzen der anderen Spieler geht in eigeneNutzenfunktion ein.

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Konsequenzen:

Auch Geringverdiener tragen etwas zur Finanzierung bei.

Staatliche und private Bereitstellung keine perfektenSubstitute.

Wenn positive Emotionen durch finanzielle Anreize gesenktwerden, können Subventionen kontraproduktiv sein.

Widerstand gegen Steuern sinkt mit Information über die(positive) Verwendung der Steuern.

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ad 4: Reziprozität

Reziprozität: Individuen verhalten sich kooperativ, wennandere auch kooperieren, und nicht kooperativ, wenn anderenicht kooperieren (bedingte Kooperation).

Möglichkeit multipler Gleichgewichte: Alle oder keiner tragenbei ⇒ Koordinationsproblem.

Es gibt Individuen, die sich reziprok verhalten undeigennützige, die immer ihren eigenen Nutzen maximieren.

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Beispiel Ultimatum-Spiel:Spieler 1 erhält 10 Euro, die er zwischen sich und Spieler 2aufteilen kann. Spieler 2 kann ablehnen oder annehmen. LehntSpieler 2 ab, gehen beide Spieler leer aus.

Vorhersage:Im teilspielperfekten Gleichgewicht gibt Spieler 1 Spieler 2 nur1 Cent. Spieler 2 akzeptiert.

Realität:Angebote unter 3 Euro werden ziemlich sicher abgelehnt:Negative Reziprozität.

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Öffentliche Güter:Individuen tragen mehr bei, wenn andere Spieler in der Gruppeauch etwas beitragen: positive Reziprozität.

Wenn sich genügend Spieler reziprok verhalten, istKooperation ein Gleichgewicht.

Wenn aber hinreichend viele Spieler egoistisch sind, istNicht-Kooperation das einzige Gleichgewicht.

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Variante:Spieler beobachten Beiträge der anderen und können Free-riderbestrafen: Man kann den Payoff eines Mitspielers um x Eurovermindern; dies kostet dem Bestrafer x/3.

Egoistisches teilspielperfektes Gleichgewicht:Da Bestrafen Geld kostet, werden Egoisten free rider nichtbestrafen.Da Free-rider nicht bestraft werden, werden alle free riden.

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Reziprokes Gleichgewicht:Reziproke Spieler werden free rider bestrafen.Da Free-riden bestraft wird, werden reziproke Spieler undEgoisten beitragen.

Fehr/Gächter (2000):Möglichkeit der Bestrafung erhöht Beiträge in einemExperiment von ca. 20% auf 90 % des Einkommens!

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4.4 Öffentliche Bereitstellung bei reinen öff. Gütern

Wie kann das Trittbrettfahrer-Problem überwunden werden?Da der Marktmechanismus (private Bereitstellung) beiöffentlichen Gütern nicht funktioniert, muss unter Umständender Staat diesen Marktfehler korrigieren und selbst für dieBereitstellung öffentlicher Güter sorgen.

Problem: Den benevolenten, allwissenden Zentralplaner gibtes so nicht. Typischerweise hat der Staat a priori nicht diegesamte Information über die Wünsche der Bürger, umtatsächlich die effiziente Menge eines öffentlichen Gutes nachder Samuelson-Regel bereitzustellen.

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Mögliche Lösungsmöglichkeiten für das staatlicheInformationsproblem:

Befragung

Abstimmungsverfahren

Benefit-Pricing und Lindahl-Lösung

Clarke-Groves-Mechanismus

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Befragung

Dieser simple Mechanismus funktioniert nicht, da jedereinzelne Bürger stets einen Anreiz hätte “zu lügen”.

Wissend dass man seinen Angaben entsprechend zahlen muss,würde man seine Wünsche für das öffentliche Gut stetsuntertreiben (und hoffen, dass die anderen dafür zahlen).

Gibt es keinen (direkten) Zusammenhang zwischen dergewünschten Größe des öffentlichen Gutes und den eigenenZahlungen, würde man seine Präferenz stets übertreiben. Beivielen Steuerzahlern sind die subjektiven Grenzkostenvernachlässigbar, so dass man diejenige Menge wählen würde,für die die eigene Grenzzahlungsbereitschaft Null wird.

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Abstimmungsverfahren

Beispiel: Es soll über die Größe eines Parks abgestimmt werden.

Es gibt drei Wähler - je einer mit hoher, mittlerer und niedrigerWertschätzung für den Park (bzw. seine Größe).

In der nachfolgenen Graphik sind neben denGrenzzahlungsbereitschaften (GZB) der drei Wähler auch dieGrenzkosten pro Kopf (GK/3) abgetragen.

Die effiziente Lösung wird durch die Samuelson-Bedingungbeschrieben:

∑GZB = GK oder in der Graphik:∑

GZB/3 = GK/3. Die optimale Größe des öffentlichenGutes ist G∗.

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0 Größe des ParksG1

GK/3

Wähler 3

G2

G3

G*

GZB

GK

Wähler 2

Wähler 1

SGZB/3

Abbildung 9: Abstimmung

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Überlegen Sie, warum bei Mehrheitswahl G2 gewählt wird?

Es ist leicht zu erkennen, dass sich am Ergebnis nichts ändernwürde, wenn wir die Wählerschaft so vergrößern würden, dasslinks und rechts von der Idealposition des Wählers 2 jeweilsgleich viele Wähler hinzukämen.

In einer Mehrheitswahl setzt sich die mittlere Position imWählerspektrum durch, eben der Medianwähler(Medianwählertheorem).

Die Idealposition des Medianwählers fällt aber höchstenszufällig mit der effizienten Lösung zusammen.

⇒ Über das Wahlverfahren kann man also keine Realisierung derSamuelson-Lösung sicherstellen.

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Benefit-Pricing und Lindahl-Lösung

Quasi-Markt-Mechanismus, indem Individuen individuellePreise für öff. Gut entsprechend ihrer Zahlungsbereitschaftzahlen.

Idee: Während bei privaten Gütern Individuen unterschiedlicheMengen zum selben Preis konsumieren, konsumieren sie zuunterschiedlichen Preisen dieselbe Menge öff. Güter.

Damit könnte effiziente Lösung erreicht werden.

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Betrachte 2 Individuen; sei pi der Preis für Individuen i = 1, 2mit p1 + p2 = 1 (wie in der normativen Analyse unterstellenwir konstante Grenzkosten).

Wenn i zum Preis pi Einheiten von G kaufen könnte:

maxG

u(G, xi) NB: xi + piG = Mi (21)

FOC für innere Lösung:

uiG − piu

ix = 0 (22)

oderGRSi = pi (23)

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Wähle p1, p2 so, dass beide dieselbe Menge G “nachfragen”.Wie kann man sich das vorstellen?

Beim Lindahl-Verfahren weist der Staat den beiden Haushaltenzunächst arbiträre Kostenanteile an der Finanzierung desöffentlichen Gutes zu.

Der Kostenanteil für Haushalt 1 sei α und für Haushalt 2 β.Die einzige Restriktion für die Kostenanteile ist, dass damitdas öffentliche Gut finanziert werden kann, also α + β = 1.

In der nachfolgenden Graphik wurden den beiden Haushaltedie anfänglichen Kostenanteile α = β = 1/2 zugewiesen.

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0

GK

GG2

GZB1

a bGK = GK

GZBGK

GZB2

GZBS

G1Gopt

Abbildung 10: Lindahl: α = β

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Pro Einheit des öffentlichen Gutes muss Haushalt 1 nun αGKbezahlen.

Haushalt 1 möchte G1 des öffentlichen Gutes, da dann dieindividuellen Grenzkosten (αGK) derGrenzzahlungsbereitschaft (GZB1) entsprechen.

Entsprechend möchte Haushalt 2 die Menge G2.

Da bei öffentlichen Gütern alle dieselbe Menge konsumierenmüssen, sind die Pläne der beiden Haushalte nicht miteinanderkompatibel (G1 6= G2).

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0

GK

GG2

GZB1

a bGK = GK

GZBGK

GZB2

GZBS

G1Gopt

A

B

a’ GK

b’ GK

Abbildung 11: Lindahl: α′ 6= β′

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Nun passt der Staat die Kostenanteile an, so dass derKostenanteil des Haushalts 1, der die größere Menge wünscht,steigt, und der Kostenanteil von Haushalt 2, der die niedrigereMenge präferiert, fällt.

Diese Anpassungen der Kostenanteile werden so langevorgenommen, bis beide Haushalte dieselbe Menge desöffentlichen Gutes wünschen.

Die Lösung hat daher zwei schöne Eigenschaften:

1. Das öffentliche Gut kann vollständig durch die staatlichfestgelegten Kostenpreise finanziert werden.

2. Die optimale Lösung der Samuelson-Regel wird erreicht, wennjeder Haushalt ehrlich seine Nachfrage bekundet.

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Dies folgt auch aus unserem mathematischen Ansatz (oben).

Aus (23) (GRSi = pi) und p1 + p2 = 1 ergibt sich:

GRS1 + GRS2 = 1 (24)

Die Bereitstellung ist also effizient.

Zudem entspricht der Preis der Zahlungsbereitschaft für jedesIndividuum: Äquivalenzprinzip (Lindahl, Wicksell).

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Wo ist das Problem bei dieser Lösung? Warum nutzt der Staatdieses Verfahren nicht zur Bereitstellung öffentlicher Güter?

Das Problem dieses Verfahren besteht darin, dass es - ebensowie die direkte Befragung - nicht anreizkompatibel ist, d.h.jeder einzelne Haushalt hat einen Anreiz zur falschenBekundung seiner Präferenzen.

Dies wird auch in der nachfolgenden Graphik deutlich.

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0

GK

GG’

GZB1

GZBGK

GZB2

GZBS

Gopt

p1

p2 GZB’1

p’1

Abbildung 12: Lindahl-Lösung und Untertreibung

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Wenn Individuum 1 statt wahrer GZB1 GZB′1

äußert:

sinkt die bereitgestellte Menge von Gopt auf G′,

und der Lindahl-Preis sinkt von p1 auf p′1.

Nettoeffekt auf Konsumentenrente entspricht der Differenz ausder grünen (+: Ersparnis) und der blauen (−: Nutzenverlust)Fläche:

⇒ Anreiz zum Untertreiben, da Ersparnis > Nutzenverlust.

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Problem: wie bringt man Individuen dazu ihre wahrenPräferenzen zu offenbaren?

Wenn Individuen ihre ZB äußern sollen und davon ausgehen,dass ihre Zahlung daran geknüpft ist, besteht ein Anreiz zumUntertreiben.

Wenn die Zahlung unabhängig von der geäußerten ZB ist,besteht ein Anreiz zum Übertreiben.

⇒ Es gibt keinen nicht-diktatorischen Mechanismus, der dafürsorgt, dass Individuen ihre wahren Präferenzen offenbaren(Gibbard-Satterthwaite Theorem).

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Andere Möglichkeiten, Präferenzen zu erkunden?Beispiel: Wohnungsmarkt. Individuen “äußern” durchWohnungswahl ihre Präferenzen für öff. Güter (z.B. Parks oderSchulen).

Kombination von Mechanismen mit Unter- und Übertreibungals dominanter Strategie.

Für Spezialfälle existieren Mechanismen, dieanreizkompatibel sind und die effiziente Bereitstellung einesöffentlichen Gutes ermöglichen.

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Clarke-Groves-Mechanismus

Mechanismus, bei dem jedes Individuum einen Anreiz hat,seine wahren Präferenzen zu offenbaren (siehe Tideman undTullock (1976)).

Ein einfaches Beispiel (diskrete Entscheidung über dasöffentliche Gut)

- Ein Park kann entweder als englische (E) oder als französische(F) Gartenanlage gestaltet werden. (Die Kosten sind gleich.)

- Die Tabelle zeigt, wie hoch die Zahlungsbereitschaft jedesWählers dafür ist, dass die bevorzugte Gartengestaltunggewählt wird (und nicht die andere Art).

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Wähler 1 Wähler 2 Wähler 3 Gesamt

E 40 40

F 30 20 50

Abbildung 13: Clarke-Groves Mechanismus - Beispiel

1. Im ersten Schritt wird jeder Wähler nach dem Vorteil gefragt,den er aus dem Sieg seiner präferierten Alternative hätte. DieAlternative mit der höchsten (Netto-)Wertschätzung wirdgewählt. Hier gewinnt also F (50) gegen E (40).

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2. Im zweiten Schritt wird für jeden Wähler, die von ihm zubezahlende Steuer errechnet, und zwar folgendermaßen.

Man summiert zuerst die Zahlungsbereitschaften aller Wähleraußer der betrachteten Person und bestimmt dasAbstimmungsergebnis.

Dann zählt man die Zahlungsbereitschaft der betrachtetenPerson hinzu. Ändert sich das Abstimmungsergebnis dadurchnicht, zahlt die Person keine Steuer.

Ändert sich das Abstimmungsergebnis, muss die Person eineSteuer zahlen, jedoch nicht in der Höhe derZahlungsbereitschaft, sondern nur in Höhe des Betrags dernötig ist, um die anderen Personen für die Änderung desAbstimmungsergebnisses kompensieren zu können, d.h. um zurSumme der Zahlungsbereitschaften der Alternativeaufzuschließen.

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Steuer für Wähler 1:Ohne ihn wäre das Ergebnis E mit 40:20. Addiert man seinenVorteil aus F (30) hinzu, so kippt die Entscheidung von E zuF. Wähler 1 muss aber nicht 30 Euro zahlen, sondern nur denBetrag um die vorherige Lücke zu schließen: 40 - 20 = 20.

Steuer für Wähler 2:Ob mit oder ohne Wähler 2, die Entscheidung bleibt bei F. Erzahlt keine Steuer.

Steuer für Wähler 3:Ohne Wähler 3 gewinnt E mit 40:30. Addiert man seinenVorteil aus F (20), ändert sich das Ergebnis. Die Steuerbeträgt: 40 - 30 = 10.

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Warum ist dieser Mechanismus anreizkompatibel?

Falls Wähler 1 weniger als 20 angibt, ändert sich dieEntscheidung auf E. Er muss dann zwar keine Steuer zahlen,aber er bekommt eine Gartenlandschaft, für deren Vermeidunger bereit ist 30 Euro zahlen; er schadet sich durch dieUntertreibung selbst.

Falls er einen Betrag zwischen 20 und 30 Euro angibt, bleibtdie Entscheidung und die Steuer unverändert.

Falls er mehr als seine wahre Zahlungsbereitschaft von 30(z.B. 35) nennt, bleibt das Ergebnis der Abstimmung und seineSteuer unverändert.

⇒ Es ist also tatsächlich die beste Strategie, seine wahreZahlungsbereitschaft zu offenbaren.

Die Steuer, die zur Anreizkompatibilität gesetzt wird, nenntman Clarke-Steuer.

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Stetiger Fall - Menge eines öffentlichen Gutes

Die Grenzkosten der Bereitstellung einer Einheit desöffentlichen Gutes seien C.

Zur Finanzierung wird jedem Bürger eine Steuer (pro qm Park)von Tj zugewiesen, so dass

∑nj=1

Tj = C. (Dieser Teil derSteuer dient der Finanzierung, darüber hinaus gibt es dannnoch als zweites Element die Clarke-Steuer tj , die derAnreizkompatibilität dient.)

Jeder Bürger muss seine Zahlungsbereitschaft für dasöffentliche Gut angeben und zwar für jede mögliche Menge,d.h. er nennt seine gesamte GZB-Kurve Dj .

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Man berechnet die aggregierte GZB-Kurve D und dieGrenzzahlungsbereitschaften ohne Individuum i (d.h. j = i):D − Di.

Ohne die Wünsche des i würde die Gemeinschaft die Mengedes öffentlichen Gutes solange ausdehnen, bis dieGrenzzahlungsbereitschaft aller übrigen (D − Di) denGrenzkosten für diese Gruppe (C − Ti.) entspricht. Es würdedie Menge A bereitgestellt.

Inklusive der Wünsche des i wird die Menge B gewählt(D = C).

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0

D

GB

D-Di

CF

A

C-Ti

J

L N

Abbildung 14: Clarke-Groves Mechanismus - stetiger Fall

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Durch die Reduktion der Menge bürdet i allen anderen einenNachteil im Umfang der roten Fläche auf.

Der Nachteil der Reduzierung von A nach B für alle übrigenIndividuen ist das Integral unter der (D − Di)-Kurve.

Der Vorteil ist das Integral unter der (C − Ti)-Kurve.

Die Differenz beider Flächen misst den Nachteil aller übrigendurch das Hinzukommen von i.

Die Clarke-Steuer, die i bezahlen muss, entspricht dann diesemDreieck JLN .

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Warum hat i einen Anreiz, seine wahre GZB-Kurve zuoffenbaren?

Wenn i die Zahlungsbereitschaft übertreibt, würde sich durchdie höhere (fiktive) Zahlungsbereitschaft die aggregierteZahlungsbereitschaftskurve D nach oben verschieben(auf Dfiktiv).

Durch die falsche Angabe steigt die bereitgestellte Menge vonB auf E.

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0

D

GB

D-Di

CF

A

C-Ti

J

L N

Dfiktiv

H

I

K

M

E

Abbildung 15: Clarke-Groves Mechanismus - Übertreibung

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Vorteile:Durch die “Lüge” spart sich Person i einen Teil derClarke-Steuer (JLMK) und hat einen Vorteil aus der größerenMenge in Höhe von FJKI, da die Differenz zwischen derD-Kurve und der (D − Di)-Kurve die GZB von i angibt.(Achtung: Man muss hier natürlich wieder die echteZahlungsbereitschaft und nicht die fiktive zugrunde legen!).Der Gesamtvorteil aus der “Lüge” beträgt also FLMI.

Nachteil:Für die zusätzliche Menge muss Person i auch dieFinanzierungssteuer in Höhe von FLMH tragen.

Gesamteffekt:Durch die Übertreibung der Zahlungsbereitschaft hat sichPerson i einen Nettonachteil von FIH verursacht.

⇒ Übertreibung der Zahlungsbereitschaft lohnt nicht

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Nehmen wir an, Person i würde ihre Zahlungsbereitschaftuntertreiben.

Durch die niedrigere (fiktive) Zahlungsbereitschaft verschiebtsich die aggregierte Zahlungsbereitschaftskurve D nach unten(auf Dfiktiv).

Durch die falsche Angabe sinkt die bereitgestellte Menge vonB auf E′.

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0

D

GB

D-Di

C

F

A

C-Ti

J

L N

Dfiktiv

O

E’

R

Q

P

Abbildung 16: Clarke-Groves Mechanismus - Untertreibung

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Vorteil:Durch die “Lüge´´ spart sich Person i einen Teil derFinanzierungssteuer, und zwar in Höhe PRLF .

Nachteil:Erstens wird eine zusätzliche Clarke-Steuer in Höhe vonQRLJ fällig.Und zweitens erleidet Person i durch die geringereBereitstellung des Gutes einen Nutzenverlust in Höhe OQJF .(Das ist wiederum die Differenz zwischen der (echten)D-Kurve und der (D − Di)-Kurve.) Der Gesamtnachteil ausder “Lüge"beträgt also ORLF .

Gesamteffekt:Durch die Untertreibung der Zahlungsbereitschaft hat sichPerson i einen Nettonachteil von OPF verursacht.

⇒ Untertreibung der Zahlungsbereitschaft lohnt ebenfalls nicht.

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Probleme des Clarke-Groves-Mechanismus

Problem I: Komplexität und Verwaltungsaufwand

Problem II: DemokratieAuch wenn der Mechanismus effizient ist, so würden die meistenLeute ihn doch als unfair oder undemokratisch bezeichnen, da eineinzelnes Individuum mit einer hohen Zahlungsbereitschaft (z.B.weil jemand sehr reich ist) eine Entscheidung gegen den Rest derGesellschaft durchsetzen.Hier tritt also möglicherweise ein Widerspruch zwischen Effizienz-und Verteilungsaspekten auf.

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Problem III: Koalitionen

Falls sich in unserem Ausgangsbeispiel Wähler 1 und 3 einigen,jeweils einen so hohen Betrag zu nennen, dass auch jeder von ihnenalleine die Abstimmung für F entscheiden würde, zahlen sie beidekeine Steuer und haben trotzdem das gewünschte Ergebnis.

Dieses Problem kann in kleinen Gruppen zwar auftreten, ist aber fürAbstimmungen in großen Gruppen unwahrscheinlich, da einTrittbrettfahrereffekt eintritt:

Falls man fürchtet, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeitdie Koalition nicht stabil ist und man dann tatsächlich mehrals die eigene Zahlungsbereitschaft aufwenden muss, wird mannur seine wahre Zahlungsbereitschaft angeben und daraufhoffen, dass die übrigen Koalitionsmitglieder das gewünschteErgebnis erzeugen.

Da aber alle sich so verhalten, sind diese Koalitionen inhärentinstabil.

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