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2 40 Jahre MONITOR

Inhalt

3 Vorwort Fritz Pleitgen

4 40 Jahre kritischer Magazinjournalismus

5 MONITOR im Wandel der Zeit

6 Sonia Mikich

10 Klaus Bednarz

12 Gerd Ruge

14 Claus-Hinrich Casdorff

18 Was MONITOR auszeichnet

19 Die Redaktion

20 Stimmen zu MONITOR

21 Volontäre denken nach …

23 1965 – Pressedokumentationen

Sonia MikichMonitor-Chefin seit 2002

Claus-Hinrich CasdorffMonitor-Chef von 1965 bis 1982

Gerd RugeMonitor-Chef von 1982 bis 1983

Klaus BednarzMonitor-Chef von 1983 bis 2001

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Grußwort

Es war der 21. Mai 1965: In der ARD ging einneues zeitkritisches Magazin namens MONITORerstmals auf Sendung. Heute, 40 Jahre später, istes immer noch da – immer noch unabhängig undunbequem, mit unverkennbarem Stil. Und unsereZuschauerinnen und Zuschauer legen Wert darauf.

MONITOR selbst ist oft zum Ereignis geworden.Immer dann, wenn seine Autoren mit hartnäcki-gen Fragen etwa der Regierung und Oppositionzugesetzt haben und Sand im politischen Getriebewar. Viele Skandale hat das Magazin öffentlichgemacht, beispielsweise die Plutoniumaffäre desBundesnachrichtendienstes, den Napalm-Einsatzder USA im Irakkrieg oder die Affäre um die Olympia-Schmiergelder.

Für seinen kritischen, investigativen Journa-lismus ist das WDR-Polit-Magazin vielfach aus-gezeichnet worden. Und es wurde Vorbild für denjournalistischen Nachwuchs. Unter anderem er-hielt MONITOR den Preis für Menschenrechte derInternationalen Journalistenföderation, den CIVIS-Preis, den Entwicklungshilfepreis und den Adolf-Grimme-Preis. An die Grundüberzeugung, sich nie-mals von den Mächtigen aus Politik und Wirtschafteinschüchtern zu lassen, hat sich die Redaktion bisheute gehalten. Und an die Maxime: »Wir teilennach allen Seiten aus.«

Natürlich lebt MONITOR seit Beginn auch vonseinen profilierten Moderatoren. Der Begründerder Sendung, Claus-Hinrich Casdorff, wurde durchseine angelsächsisch-lakonische Art legendär. Erschrieb Fernseh-Geschichte, als er in einem un-vergesslichen Interview 1972 den damaligen CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß zur Weißglutbrachte. Gerd Ruge, renommierter ARD-Auslands-korrespondent, überzeugte durch seine ruhigeund prägnante Art. Mit Klaus Bednarz, der demMagazin über 18 Jahre lang die Treue hielt, wurdeMONITOR zum unverwechselbaren Markenzei-chen. Seit 2002 leitet Sonia Mikich das Magazin:»Wir bringen Bewegung in die öffentliche Diskus-sion und wollen unbequem sein«, hat sie einmalden Auftrag von MONITOR beschrieben.

Die Tradition bleibt also bewahrt – auch nach40 Jahren: MONITOR ist zu einer Instanz des deut-schen Fernsehjournalismus und eines der erfolg-reichsten politischen Magazine geworden. So solles bleiben.

Fritz Pleitgen, WDR-Intendant

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4 40 Jahre MONITOR

Am 21. Mai 2005 feiert MONITOR ein beein-druckendes Jubiläum: Das WDR-Politikmagazinwird 40 Jahre alt. »Die neue Wacht am Rhein«titelten im Mai 1965 die Westdeutsche AllgemeineZeitung und die Frankfurter Rundschau, als MONI-TOR als »aktuell, kritisch und informativ« definier-tes Magazin vom WDR aus der Taufe gehobenwurde. Das ist es bis heute geblieben: MONITORberichtet über Themen aus Politik, Wirtschaft undGesellschaft, die durch Hintergrundberichte undanalytische Filmbeiträge mit politischen Schluss-folgerungen ergänzt werden. MONITOR gehörtedamals schon – neben »Report« und »Panorama«– zu den meinungsbildenden Politikmagazinenim deutschen Fernsehen. Leiter war 1965 Claus-Hinrich Casdorff.

Auf Casdorff folgten Gerd Ruge (1982 –1983)und Klaus Bednarz (ab 1983) als Redaktionsleiterund Moderatoren der Sendereihe. Im Januar 2002

40 Jahre kritischer MagazinjournalismusMarkenzeichen, Garant und Reizwort zugleich

übernahm dann Sonia Mikich die Leitung undModeration des Magazins, das bis heute zu denSpitzenreitern unter den politischen Magazinengehört und sich in einer klaren, auf jegliche mo-dischen Sendeelemente verzichtenden Form prä-sentiert.

Für viele ist MONITOR, das donnerstags alledrei Wochen ausgestrahlt wird, Markenzeichen,Garant und Reizwort zugleich: »Wir bringen Be-wegung in die öffentliche Diskussion und wollenunbequem sein. Wir teilen nach allen Seiten aus«,so beschreibt Sonia Mikich unverändert und mitNachdruck die Aufgabe ihres Teams. Kritischerund investigativer Journalismus wird in der Re-daktion groß geschrieben und hat die Sendungwohl gerade deshalb zu einem der erfolgreichstenpolitischen Magazine im deutschen Fernsehengemacht.

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Im Wandel der Zeit

Claus-Hinrich Casdorff war von 1965 bis 1982Redaktionsleiter. Zu den damaligen ersten Redak-teuren, die die Sendung gestalteten, gehörtenMartin Schulze, Rolf Rohlinger, Franz Wördemann,Erich Potthast und Wolf-Ingo Mätsche. Spätergesellten sich Klaus Bresser, Peter Laudan undMichael Stoffregen-Büller dazu. Besonders legen-där waren die Interviews des Duos Casdorff/Roh-linger, das seine Interviewpartner im »Kreuzfeuer«schonungslos in die Zange nahm. Der ehemaligeCSU-Vorsitzende Franz-Josef Strauß sprach 1972nach einem »Kreuzfeuer« von »Überfallfragen«und stand von da an als Gesprächspartner für dasPolitikmagazin nicht mehr zur Verfügung.

1982 übernahm der ehemalige Leiter desWDR/ARD-Studios Bonn, Gerd Ruge, der schon da-mals zu den profiliertesten Fernsehreportern derBundesrepublik zählte, die Leitung der Sendung.Er stellte sich den Zuschauern auf eine ganz be-sondere Weise vor: »Ehe jemand glaubt, Claus-Hinrich Casdorff habe sich seit der letzten Sen-dung einen Bart stehen lassen, möchte ich michvorstellen: Ich heiße Gerd Ruge.« Der MONITOR-Chef, der durch seine ruhige Sachlichkeit und ana-lytische Berichterstattung bestach, verantwortete

das Magazin knapp zwei Jahre lang und wechseltedann als Leiter in die Programmgruppe Ausland-Fernsehen des WDR.

1983 brach die Ära Klaus Bednarz an. Er, der zu-vor ARD-Korrespondent in Warschau und Moskauwar, 1983 die ARD-»Tagesthemen« moderierteund im WDR Fernsehen die Sendung »Auslands-studio« betreut hatte, prägte 18 Jahre lang das rote»M« und sorgte mit Aufsehen erregenden Exklu-sivberichten regelmäßig für Schlagzeilen. Bednarzpflegte einen Moderationsstil, dessen ernsthafterund hartnäckiger Tenor mitunter polarisierte.Mr. MONITOR, dessen Reisedokumentationen vieleZuschauer begeistern, wurde anschließend Sonder-korrespondent des WDR.

Im Januar 2002 übernahm zum ersten Maleine Frau die Redaktionsleitung und Moderationvon MONITOR. Sonia Mikich, preisgekrönte Jour-nalistin, war zuvor von 1992 bis 1998 Korrespon-dentin in Moskau (von Juli 1995 bis März 1998 auchStudioleiterin) und im Anschluss von April 1998 bis2001 Korrespondentin und Studioleiterin in Paris.Ihr Credo: »Ein Journalist soll Augenzeuge, Detek-tiv und Humanist sein.«

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Kritische Magazine sehen sich als Anwalt derBürger, als unabhängige Prüfer der Machtstruktu-ren. Keine Richter, aber Augenzeugen. Ihre Arbeitsoll dazu beitragen, dass die Bürger ihren Willenzum Ausdruck bringen können. Vierte Gewalt, wiesie im Angelsächsischen gepflegt wird. Wir ar-beiten für eine nicht zu unterschätzende Macht,nämlich die »united public opinion«.

Die einfache und niemals endende Aufgabevon Politmagazinen: Wir wollen die Mächtigen inder Politik, Wirtschaft oder Kultur unter Legitima-tionsdruck setzen. Sie sollen sich äussern zu ihrenEntscheidungen, Unterlassungen und Handlungen,sie sollen sich rechtfertigen. Sie sollen an ihre Ver-sprechen von vorgestern erinnert werden. Dennkritische Journalisten haben nicht das Gedächtnisvon Eintagsfliegen und glauben nicht, dass derMond aus Käse ist. Sie wollen nicht nur informie-ren, sondern argumentieren und sich einmischen.

Dabei geht bei der Themenfindung die Rele-vanz vor. Wie sonst entscheiden, wenn so vielesdanach drängt, erzählt zu werden? Die Geschichteüber abgeschobene Tschetschenen, aber auch diemiserablen Bildungschancen von Ghetto-Kindern.Der Umgang mit alten Menschen, die Probleme

junger Familien. Müll-Skandal der SPD gegenSpendenskandal der FDP gegen Datenschutzskan-dal der CDU.

Was zuerst? Wieviel davon? MONITOR hat sicham journalistischen Mainstream abzuarbeiten,der festlegt, was gerade recherchierenswert ist.Wir haben die Macht der Ereignisse zu berücksich-tigen. Wir müssen aber auch selber Themen set-zen, über die andere noch nicht reden. Etwa, wiedie Zukunft der Arbeitsgesellschaft aussieht. Oderwelche psychosozialen Kosten Arbeitslosigkeit aufDauer nach sich zieht. Oder wie es inzwischen mitder Chancengleichheit von Mann und Frau steht.Oder was Macht mit Politikern macht.

Letztendlich wissen wir erst nach der Sendung,ob unsere Themen wirklich nötig und erhellendwaren. Unsere Daseinsberechtigung drückt sichfür mich nicht allein im Messbaren aus, also einerguten Quote. Sondern auch im öffentlichen An-sehen,in Zuschauerpost,Schlagzeilen in der Presse,notfalls in Politikerbeschwerden. Lösen wir etwasaus? Animieren wir zum Nachdenken, Mitfühlenoder Handeln? Das ist ein Anliegen, und was, bitteschön, ist gegen 30/45/60 Minuten Aufklärungund Wertediskussion einzuwenden?

Informieren – Argumentieren – EinmischenDie Politmagazine

… und die gesunde Dosis Kritik

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Die Abneigung vieler Akteure gegen die Polit-magazine ist bekannt. Warum diese Abneigung?Sie wissen natürlich, dass sie wenig Möglichkeithaben, in einem einminütigen Statement zu einemkontroversen Sachverhalt eine gute Figur zu ma-chen. Sie haben oft wenig Detailkenntnis und sindüberfordert, wenn sie mehr als Allgemeinplätzeformulieren sollen. Aber es ist auch wahr: Sie wer-den oft genug unfair überrumpelt, verkürzt, ausdem Kontext genommen.

Unsere sogenannten Leader haben – andersals in Großbritannien – wenig sportiven Ehrgeiz,sich einem Magazin zu stellen. Da sie in den vielenTalk-Shows genug Gelegenheit haben, ihre Politikund Personality ausführlich darzustellen, sind un-sere Fragen für sie lästig und ohne »Medien-Er-trag«. Dennoch, auch wenn wir im vergangenenJahr für jede Sendung mindestens drei Absagenbekamen, auch wenn manche die Politikmagazineüberflüssig finden, schlecht reden oder uns alsteure Miesmacher hinstellen: Eine wöchentlicheDosis Kritik ist gesund. MONITOR weist aufSchwachpunkte, Unrecht oder Lügerei hin. Nichtaus Sensationalismus und auch nicht, weil wir dieSchmuddelecken des Lebens besonders lieben.Aber wenn Journalisten ihre Arbeit nicht machen,dann bleiben Konflikte unerkannt und ungeregelt.Es geht darum, die Demokratie immer wieder zudemokratisieren. Machtmissbrauch, Korruption,Interessenspolitik werden ja nie von Tätern frei-willig zugegeben und selten von Parlamentsaus-schüssen erhellt.

Allerdings, es gibt auch Grund zur Selbstkritik:Auch Journalisten gefallen sich als Teilhaber derpolitischen Elite, das führt zu Privilegien und Pre-stige. Man wird geadelt zu einer »Referenzgröße«.Ich nenne es die »Gesellschaft der gegenseitigenWertschätzung«, in der man sich so herzlich gernzitiert und auf die Schultern klopft. Ein Club derZyniker, Nutzniesser und Heisse-Luft-Produzenten,die Informationen dann mal nach unten weiterrei-chen … Und auch Magazinmacher sind eitel, siefallen ebenfalls auf Selbstbeweihräucherungs-rituale hinein. So vertraut, so beruhigend – dieJingles, die Trailer, die eindringlichen Stimmen der

Moderatoren. Gemütlich in der Gewissheit, dasswir mal wieder »die Mission« erfüllt haben,hinter-fragen wir uns selbst ebenfalls viel zu selten.

Sind wir relevant oder machen wir Sendungen,die den schnellen Kick anpeilen und am Ende nurkalorienverminderte Info-Brause liefern? KurzesAufschäumen und dann ein schaler Nachge-schmack? Ich bin der Meinung, dass ein Politma-gazin nicht zwingend über Rattenalarm, gefährlicheZeckenbisse, mangelnde Toiletten bei der Bundes-bahn oder das Schicksal der Trakehnerpferde im Jahr 1944 berichten muss. Das ist interessant,wahrscheinlich zuschauerfreundlich, gehört aberwoanders hin. Was sich Politmagazine auch regel-mäßig fragen sollten: Wer möchte, dass ich dasglaube und warum? Es gibt viele Wahrheiten, wirmüssen verstehen, warum einige automatisch un-serer Aufmerksamkeit wert sind und andere nicht.

Gelegentlich lautet die Kritik: Die Menschenhätten doch, dank der Pluralität der Medien, dankInternet, den Zugriff auf alle Informationen. DerBürger brauche keinen Wächter, keinen kritischenJournalismus,er könne selber fragen und sich selbstein Urteil bilden. Er müsse nur zugreifen.

Alles, auch das Unvorstellbare, kommt ja ir-gendwann ans Licht,wie die Fotos aus dem Herzender Finsternis, aus dem Abu Ghraib-Gefängnis inBagdad, belegen. Die Fakten sind irgendwo, nackt,verfügbar. Heutzutage sind die meisten investi-gativen Leistungen keine Enthüllungen des völligUnbekannten mehr, sondern das sture Drehen ander rostigen Schraube Aufklärung, wie jetzt schöndeutlich die Visa-Affäre belegt.

Im Internetzeitalter haben es Verschleiererimmer schwerer. Aber das kann lähmen und blenden. Denn die Flut der Informationen über-schwemmt uns und macht die Welt nicht durch-schaubarer. Informationsfülle ist wunderbar wirk-sam. Weil wir ja alles im Großen und Ganzenwissen, fällt uns nicht auf, was dennoch fehlt.Nämlich die Einordnung, die Bewertung. Cui bono?Wir wissen, wissen, wissen … folgenlos. Der Skan-dal ist, dass der Skandal meist keiner ist.

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Je mehr die Kritikfähigkeit lahmt,umso schnel-ler rennt die Technik davon. Noch nie sind Kommu-nikationstechnologien so einfach, so schnell ge-worden. Satellitenkosten reduzieren sich immermehr, Internet kommt als billige, schnelle Recher-chequelle hinzu. Mobile Übertragungseinheitenermöglichen es, Realitäten beim Entstehen abzu-bilden. Der »Sofortismus« ist ja befriedigend. Zu-schauer, Hörer und Leser haben einen Anspruchdarauf, schnell zu erfahren, wenn sich Großesvollzieht. Aber Geschwindigkeit wird zunehmendfetischisiert, ihr Siegeszug begann mit der CNN-Berichterstattung vom ersten Golf-Krieg. Die Tech-nik erlaubte es,beim Bombeneinschlag in Real Timedabei zu sein. Seitdem taucht vor allem bei derKrisenberichterstattung eine Internationale von»instant experts« auf – nach dem Motto: Mannehme ein Team, ein Flugzeug, lese einen HaufenAgenturmeldungen durch und bei Ankunft amZiel kann man schon die erste Schalte zur Heimat-redaktion wagen, live natürlich. Selbstgedrehtes,Selbstrecherchiertes haben es schwer. Schnellig-keit ist der Maßstab aller Dinge,und so laufen auchdie gründlichsten Kollegen Gefahr,zu menschlichenBausteinen einer sich perfektionierenden Industriezu mutieren.

Die Aktualität ist eine strenge Herrin, sie ver-bietet uns zu zweifeln. Aber gerade Ambivalenzen,Grautöne, Widersprüche sind die Merkmale derkritischen Berichterstattung. Sie misstraut der

hastigen Blicklenkung. MONITOR ist jedenfalls dieGlaubwürdigkeit von morgen langfristig wichtigerals der atemlose Scoop von heute.

Weil die Gesellschaft nicht vor Fehlentwicklun-gen geschützt ist, ist MONITOR verdammt zumendlosen Marsch bergauf: hier ein Skandal, da einDefizit. Wir bieten ständig den dröhnenden Auf-takt an, aber kennen nicht das Finale.Vielleicht ha-ben wir deswegen den Ruf die ewigen Miesepeterzu sein? Aber das ist kein Grund in Duldungsstarrezu verfallen.

Ob Inland- oder Auslandnachrichten, Politik,Wirtschaft, Kultur, Unterhaltung: Qualität, Hinter-grund, Kontinuität auch in der Prime Time sindmöglich. Können wir diese schwere Dokumenta-tion, dieses nölende Magazin, diesen komplizier-ten Auslandsbericht den Zuschauern zumuten?Im Zweifel immer ja.Wir sollen nie deren Informa-tionsstand überschätzen, aber gewiss nicht ihreUrteilsfähigkeit unterschätzen. Und ein öffentlich-rechtlicher TV-Dino wie MONITOR steht ganz gutaufgestellt gegen die Gleichgültigkeit in vielenMedien, die die gute, alte Aufklärung mit einemhübschen Garnichts ersetzen wollen.

Es gibt keinen interessanteren Platz als den desStörenfrieds. Er hat seine eigene Agenda. Er wider-spricht dem Anliegen von Regierungen und Elitenund organisierten Gruppen, die Wirklichkeit in

40 Jahre Monitor | Sonia Mikich

»Es gibt kein Verbrechen, keinen Kniff, keinen Trick, keinen

Schwindel, kein Laster, das nicht von Geheimhaltung lebt. Bringt

diese Heimlichkeiten ans Tageslicht, beschreibt sie, macht sie

vor aller Augen lächerlich. Und früher oder später wird die

öffentliche Meinung sie hinwegfegen. Bekannt machen allein

genügt vielleicht nicht – aber es ist das einzige Mittel, ohne

das alle anderen versagen.« Joseph Pulitzer

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ihrem Sinne interpretieren zu lassen. Störenfriedesind ein Frühwarnsystem, nicht nur für Krisen undKatastrophen, sondern auch für den Alltag. Siewollen Impulse geben, nicht nur auf »events« rea-gieren.

Aufklärung? Da war doch was? Sich stumpfenGlaubenssätzen zu widersetzen. Sich seines Ver-standes zu bedienen. Und Skepsis als Stärke zubegreifen. Auch im Jahr 2005.

Um welche Werte geht es? Faires Gehalt für or-dentliche Arbeit. Vage, aber sture Vorstellung vonAnstand, Nachbarschaftlichkeit und Solidarität,bei uns zuhause und weltweit, weil andere unsähnlich sind. Aufpassen, dass möglichst viele

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Menschen am gesellschaftlichen Leben, an Bil-dungschancen, am Politischen teilhaben. Gönnenkönnen,wie die Kölner sagen.»Unheroische Werte«.Es sind die Werte einer sympathischen Bürgerge-sellschaft im 21. Jahrhundert.

Übrigens, ob grimmig, schick, schnell, populäroder bedächtig im Zungenschlag: Alle Politmaga-zine erfreuen sich einer zuverlässigen Zuschauer-bindung. 3 bis 4 Millionen Menschen,die Gebührenzahlen, schätzen Glaubwürdigkeit und Engage-ment gerade dieses Genres. Für MONITOR gilt diesseit vier Jahrzehnten.Ein TV-Dinosaurier mit Flügeln.

Sonia Mikich

Sonia Mikich übernahm im Januar 2002 die Leitung der Redaktion. Die preisgekrönte Journa-listin war zuvor von 1992 bis 1998 Korrespondentin in Moskau (von Juli 1995 bis März 1998auch Studioleiterin) und im Anschluss von April 1998 bis 2001 Korrespondentin und Studio-leiterin in Paris.

1996 wurde sie für ihre Russlandberichterstattung mit dem »Telester« ausgezeichnet, 1998für ihre Arbeit als ARD-Korrespondentin mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt und 2001erhielt sie für ihre Berichterstattung aus Tschetschenien, Afghanistan und anderen Krisenge-bieten sowie für ihre Zeit als Leiterin des ARD-Studios in Moskau den Kritikerpreis, »weil sieWidersprüche aufspürt und differenzierende Grautöne gegen Schwarz-Weiß-Klischees ersetzt«,so die Jury.

Sonia Mikich, die in Oxford geboren und in London aufgewachsen ist, hält viel von den briti-schen Journalisten-Tugenden: hart, fair, kritisch. Die studierte Politologin sieht es nach wievor als die Aufgabe von MONITOR an, Parteien, Verbänden und Unternehmen auf die Fingerzu schauen und sich für die sozial Schwachen stark zu machen. »Wir haben eine Wächter-Funktion«, sagt sie. Schwerpunkte legt sie zudem auch auf analytische Beiträge, die sich mitden Folgen der Globalisierung befassen, mit Kulturpolitik, Bildungspolitik, Frauenthemen undThemen mit internationalem Bezug. Mehrfach erstellte Sonia Mikich selbst Filme für MONITOR.Ihr Credo: »Ein Journalist soll Augenzeuge, Detektiv und Humanist sein.«

Biographie

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Heinrich Böll brachte eine geweihte Kerzemit, Lore Lorentz einen Text von Heinrich Heine,die Black Fööss ein Lied aus dem Schwarzen-Ghetto Soweto. Das war zum 20. Geburtstag vonMONITOR.

Es war eine aufregende, anregende, lehrreicheZeit. Helmut Kohl hatte die geistig-moralischeWende verkündet. Nachrüstung, Atomkraft, Um-weltschutz, Menschenrechte, Spendenaffären undnatürlich Glanz und Elend der Wiedervereinigungwaren die Themen der Zeit. Und die Themen vonMONITOR.

»Den Mächtigen unbequem sein« stand alsungeschriebenes Motto an den Wänden der Re-daktionsräume. MONITOR-Berichte waren Gegen-stand von Bundestagsdebatten und Anfragen indiversen Länderparlamenten sowie im Europa-parlament. Der Bundeskanzler höchstpersönlichdrohte wegen MONITOR dem Intendanten mitder Zerschlagung der ARD. Ein leibhaftiger Mini-ster forderte öffentlich, den Redaktionsleiter»zum Teufel« zu jagen. Und mächtige Chemie-konzerne und andere Wirtschaftskräfte drohtenungeniert und wiederholt mit Klagen in Millionen-höhe.

Und auch im eigenen Haus bereitete MONITORnicht nur eitel Freude. Doch kein Thema, kein ein-ziger Bericht, den die Redaktion zur Sendung brin-gen wollte, ist von der Hierarchie des Senders ab-gesetzt oder sonstwie verhindert worden. Selbstdie entschieden pazifistische Grundhaltung wurde– auch gegen den Mainstream toleriert –, wennauch zuweilen zähneknirschend. Liberale Tradi-tion und Respekt vor der Redaktion – so mancherKollege anderer Sender hat uns beneidet.

»Den Mächtigen unbequem« – das galt allengleichermaßen. Denen in Bonn und später Berlinebenso wie den Regierenden in Düsseldorf, unab-hängig vom Parteibuch. Die Wahrnehmung derschreibenden Zunft aber – eines Teils jedenfalls –schien nicht selten eine andere. Sie zog lieber dasschlichte Klischee vom »Rotfunk« aus der Schub-lade, interessierte sich mehr für den Pullover desModerators und die Tatsache, dass dieser sichhartnäckig weigerte, zur öffentlich-rechtlichenGrinsrübe zu mutieren. Wenn MONITOR allerdingserstmals in Bild und Ton nachwies, dass die Bun-desrepublik entgegen allen offiziellen Behaup-tungen Waffen an die Türkei zum Kampf gegendie Kurden lieferte, war dies den eifrigen Pullover-Beobachtern keine Zeile wert.

»Den Mächtigen unbequem«

10 40 Jahre MONITOR | Klaus Bednarz

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Freunde machte sich MONITOR auch nichtdurch die ständige Ausweitung des Themenspek-trums. Zeitgeschichtliche, kultur- und sportpoli-tische Themen sorgten für aufgeregtes Interessenicht nur bei den unmittelbar Betroffenen. DasAbzock-Imperium des Herbert von Karajan, diebraune Vergangenheit des Deutschen Fußball-Bundes (pünktlich zum 100. Geburtstag!), dieNazi-Verstrickungen des Bertelsmann-Konzerns,die Beschäftigung von Zwangsarbeitern durch dieKatholische Kirche im 3. Reich – die Liste ist lang.Ebenso wie die Liste der von MONITOR öffentlichgemachten gesundheitsgefährdenden Stoffe inNahrungsmitteln, Kosmetika, Medikamenten.

Es hagelte Proteste, Prozesse und – Preise. Undzum Glück haben wir mehr als 90 Prozent unsererjuristischen Auseinandersetzungen gewonnen(ausdrücklicher Dank an dieser Stelle auch an dieJustizabteilung des WDR !). Aber die Ignoranz undsoziale oder politische Verstockheit vieler Institu-tionen, Unternehmen und ihrer Patriarchen warenschon frustrierend. Zum Glück nur vorübergehend.Denn darin waren wir uns einig: nicht locker lassen– trotz alledem und alledem und alledem …

Und sonst? Gedichte wurden verlesen, zumersten Mal in der MONITOR-Geschichte. KlassischeTexte mit zeitlos aktuellem politischen und ge-sellschaftlichem Bezug. Claudius, Fontane, Brecht,Borchert, Bachmann. Exklusiv für MONITOR lasenWill Quadflieg und Bernhard Wicki, HanneloreHoger, Senta Berger, Otto Sander …

Ach ja, und dann war da auch noch die Ge-schichte mit den Würmern in den Fischen – der»größte Fall von Geschäftsschädigung in der deut-schen Pressegeschichte«, wie die Zeitung schrieb,die kluge Köpfe versteckt. Den Dank der Fischin-dustrie, fünf Jahre später, verschwieg sie.

Die Kerze Heinrich Bölls ist der Heiligen Annavon Düren geweiht. Sie hat ihn, sagte er, in derKindheit auch bei heftigsten Gewittern vor demEinschlagen des Blitzes bewahrt. Würde MONITORin diese Gefahr geraten, sollten wir sie anzünden.Ich habe Bölls Kerze an Sonia Mikich weiterge-reicht, als Leihgabe. Unbenutzt ...

Klaus Bednarz

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Ich war ziemlich überrascht, als der Inten-dant mich zum Leiter von MONITOR machte. Sounvorbereitet, dass die Redaktionsmannschaft vorder ersten Sendung eine Kollegin beauftragte,darauf zu achten, dass meine Jacke gerade saß,das Hemd richtig geknöpft, mein Haar geordnetwar. Eine gewisse bohemehafte Wurstigkeit desAuftretens, die bei Reportern oder Korrespon-denten im Ausland als ganz nett durchging, passtenicht zum Moderator einer Magazinsendung.Denn die Magazine waren gegen 1980 auf einemHochplateau ihres Ansehens. Sie waren die Flagg-schiffe ihrer Sender – gehasst, geliebt, gefürchtetvon Zuschauern, Politikern, Senderchefs. Bürger-liche Korrektheit des Auftretens war ein Teil derVerteidigungslinie gegen die von Gegnern undKritikern immer neu aufgelegten Vorurteile gegendie journalistische Arbeit, gegen Temperament undAbsichten von Journalisten.

Dass ich die erste Moderation mit einem mil-den Scherz begann, verwunderte. Den ganzenErnst des Magazin-Journalismus hatte ich nochnicht drauf. Aber ich lernte von den Redaktions-kollegen, wie sich Magazingeschichten von Storiesim »Weltspiegel« oder im »Bericht aus Bonn«unterschieden: Sie waren schärfer auf den Punkt

gebracht, zugespitzt auf einen Zustand bzw.Misstand, zeigten entschiedener auf einen odereinige Verantwortliche, stellten Ursachen bloss,schärften den Verdacht und die Aufmerksamkeit.

Wo es ging, versuchten wir, jene Art von Mis-stände aufzugreifen, hinter denen allgemeinerepolitische Probleme sichtbar wurden. Bürgerrech-te, Versammlungs- und Diskussionsfreiheit, dasRecht auf die Zugänglichkeit der Information undauf die Kritik an staatlichen, politischen wie wirt-schaftlichen Institutionen schienen uns journalis-tischer Unterstützung zu benötigen. Mir lag dar-an, nicht nur zu den Bekehrten zu predigen, nichtnur für eine Meinungsgemeinschaft, sondern ge-rade andere Zuschauer zu erreichen, die sich mitsolchen Argumenten nicht auseinandersetzenmochten oder sich gegen sie sperrten – und das,ohne auf jene Schärfe und Zuspitzung zu verzich-ten, ohne die die Stammzuschauer eine Sendungals schlapp abgelehnt hätten.

Mit der erfahrenen Kernredaktion von MONI-TOR, wie sie Claus-Hinrich Cassdorf und RudolphRohlinger geprägt hatten, liess sich da Einigesbewirken, zumal einige der besten investigativenJournalisten Deutschlands wussten, dass sie bei

»Mir lag daran, nicht nur zu

den Bekehrten zu predigen«

12 40 Jahre MONITOR | Gerd Ruge

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MONITOR auch für heftig umstrittene Themen ei-nen Platz finden konnten. Eine meiner Hoffnungenaber liess sich nicht erfüllen. Ich hätte gerne ver-sucht, mit Autoren von Zeitschriften wie »Freibeu-ter« oder »Kursbuch« die kritische Diskussion überdie deutsche Gesellschaft zu erweitern. Aber siewahrten Abstand zum Fernsehen. Eine Schrift-stellerin klärte mich freundschaftlich auf: Im Fern-sehen Gesellschaftskritik zu üben, die auch ein biss-chen Selbstkritik sein müsste, sei angesichts desbürgerlichen Charakters des Mediums nicht zu-mutbar. Ich selbst hatte zunächst auf die heraus-gehobene Rolle des Moderators verzichten wol-len. Wenn jeder Kollege seinen eigenen Beitraganmoderierte, so dachte ich, könnten die Beiträgeauch polemischer sein, weil dann ihr Meinungs-charakter deutlich würde und die alte Gläubigkeit»Das Fernsehen hat gesagt …« werde modifiziert.Aber das gefiel nicht: Die Fernsehchefs meinten,eine Magazinsendung brauche einen autoritativenModerator, und den Zuschauern schien es ähnlichzu gehen.

So lebte man ein wenig zwischen den Fronten,wenn man sich keiner Partei zuschlagen lassenwollte. Und natürlich unter dem misstrauischenBlick von Rundfunkhierarchen, Räten, Pressespre-chern, Verbandschefs und Politikern. Die Abnah-me der Beiträge durch Fernsehdirektor und Chef-redakteur am Vorabend der Sendung war immereine schwierige Begegnung. Eigentlich waren wirja befreundet, aber nun lag eine Art Grundmiss-trauen in der Luft: Welcher Beitrag würde schonwieder Proteste von Parteien,Verbänden, Gewerk-schaften, Aufsichtsgremien, vielleicht von anderenARD-Sendern hervorrufen?

Die ARD wurde in jenen Jahren sowieso immervon einem Ende der Republik unter Beschuss ge-nommen, und die Intendanten taten uns manch-mal Leid: Sie hatten kaum Zeit, die vielen Stundentägliches Fernsehen anzuschauen, und erlebten

das Programm eher als eine Folge von Katastro-phen: Immer mussten sie Sendungen ansehen,weil sich jemand beschwert hatte. Im WDR, dasdarf man sagen, machten Intendant und Fernseh-direktor diesen Job mit Geduld und Nachsicht –und letztlich wohl auch mit Stolz.

So unterschiedlich die Magazine der ARDwaren, so hatten sie häufig in ihren Häusern ähn-liche Schwierigkeiten, freilich oft bei entgegen-gesetzter Problemlage. Das führte in den Maga-zinkonferenzen bei allen Gegensätzen oft zu einerSolidarisierung mit dem Magazin-Moderator, dergerade ins schärfste Kreuzfeuer geraten war. Undauch wenn den Kollegen die Meinung, die ganzePolitik müsse an der Bergpredigt ausgerichtetwerden, nicht unbedingt einleuchtete, traten dieRedaktionsleiter von München bis Hamburg ent-schieden für das Recht eines Moderators ein, seineSendungen unter diesen Gedanken zu stellen.Diese journalistische Gemeinsamkeit bei allenMeinungsverschiedenheiten der Redaktionen undgegensätzlichen Interessen der Führungsebenenverschiedener ARD-Anstalten waren für mich einangenehme Erfahrung, wie ich auch von der ge-meinsamen Redaktionsarbeit bei MONITOR lernteund profitierte.

Mein nächster Job führte mich sozusagen aufdie andere Seite: Als Chefredakteur musste ichnun mit ernster, bedenklicher Miene die Beiträgeder MONITOR-Kollegen vor der Sendung imSchneideraum abnehmen …

Gerd Ruge

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14 40 Jahre MONITOR | Claus-Hinrich Casdorff

Die Kunst des journalistischen Fragens

und die Notwendigkeit langer SendestreckenPeter von Rüden im Gespräch mit Claus-Hinrich Casdorff im Juni 2002

(Auszug aus »Nordwestdeutsche Hefte zur Rundfunkgeschichte«)

Ab 1965 leiteten Sie die Sendung »Monitor«.Das war schon eine WDR-Veranstaltung.

Ja, ich erzählte von den Schwierigkeiten zwischenStuttgart, München und Köln. Diese Art zu arbei-ten, gefiel mir überhaupt nicht mehr, weil meineEntscheidungsfreiheit darin sehr begrenzt war.Also schlug ich vor, ein eigenes Magazin zu ma-chen. Eines Tages trafen sich die Intendanten derSWF, BR und WDR in Stuttgart. Ich dachte, dass siesich sicher in der Alten Post treffen.War aber nichtso. Sie trafen sich in der Neuen Post und dorthinging ich dann auch. Als sie mich dort sitzen sahen,sagte einer: »Jetzt weiß ich, wer unser Programmkaputt machen will. Das sind Sie doch, Herr Cas-dorff.«

»Stimmt auch«, haben Sie geantwortet.

Ja, genau. Wir haben den »Report« dann auchkaputt gemacht und unser eigenes Programm ge-startet, nämlich »Monitor«. Den Namen habe icherfunden. Kernelemente der Sendung waren das

Studio als ein schwach bewaffnetes, aber schüt-zengepanzertes Aufklärungsschiff und darin derWächter, der Mahner. Mit der eigenen Sendungkonnten wir endlich unabhängig von den anderensenden. Das taten wir dann auch. Die Redaktionbaute ich aus dem Nichts auf. Und darum bin ichstolz darauf, weil damals nur Anfänger bei»Monitor« waren: Martin Schulze, der später imARD-Studio in Bonn saß, Ulrich Wickert, der derschwerste Schüler war, den ich je hatte, KlausRichter, der jetzt »Frontal 21« im ZDF macht, StefanBurgdorf, der jetzt beim »Spiegel« arbeitet, undRüdiger Hoffmann, der Programmdirektor beiRadio Bremen war. Allesamt kamen sie von derUni und wussten nicht so richtig, was sie machensollten. Die haben also alle etwas gelernt von mirund darauf bin ich stolz. Sie sagen heute noch»Hallo Chef« oder »Hallo Vater«, wenn sie michsehen. Wir haben noch ein herzliches Verhältnis,obwohl sie alle weit über mich hinweg gewach-sen sind. Ich machte 360 »Monitor«-Sendungen,glaube ich, hatte über 1.000 Fernsehauftritte. Ammeisten Spaß machte es jedoch, mit den Jungs zu

»Man muss die Gäste mit

Situationen überraschen, mit

denen sie nicht rechnen.«

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arbeiten und sie weiterzubringen. Eine Einschrän-kung gab es: Ich war gegen die Beschäftigung vonFrauen bei »Monitor«, weil ich die folgende Erfah-rung gemacht hatte. Als wir einmal mit der gan-zen Mannschaft, also mit Kraftfahrer, Tonmann,Kameraassistent, Kameramann und einer Repor-terin nach Südbulgarien fuhren, NwdHzR 3: VomNWDR zum 18 m WDR musste ich für die Frau eineigenes Zimmer buchen. Damals waren wir nochso edel und konnten nicht in einem Zimmer schla-fen. Das hatte also finanzielle Gründe. Deswegenwurde ich damals auch von einer deutschen Frau-enzeitschrift zum »Pascha des Jahres« gewählt.Nachher habe ich meine Meinung geändert. HelgaMärtesheimer wurde dann die erste Redakteurinund später gab es ja auch viele andere.

»Kreuzfeuer«

Wer hat denn die Institution »Kreuzfeuer« inner-halb der Sendung »Monitor« erfunden? Es wurdezu einem Markenzeichen von »Monitor«, dass RudolfRohlinger und Claus-Hinrich Casdorff eine Figur,salopp gesagt, »in die Mangel« nahmen.

Es ist mir schon fast peinlich, das immer zu sagen,aber ich habe das »Kreuzfeuer« erfunden.

Nun, ich bin lediglich an der historischen Wahrheitinteressiert.

Herr Rohlinger saß hier im Hause, im WDR, undwar im Bereich der Außenpolitik tätig, hatte mitMONITOR also gar nichts zu tun. Und als ich frag-te, ob wir nicht mal so etwas machen sollten wieein »Kreuzfeuer«, fand er das eigentlich auch.Rohlinger und ich sind sehr unterschiedliche Ty-pen: Er ist ein richtiger Ostfriese mit einem hartenKopf – im Gegensatz zu mir. Wir probierten dieIdee von zwei Journalisten, die einen Gast befra-gen, einfach aus. Die Nachfahren sehen wir noch

überall. Im ZDF zu Beispiel mit Klaus Bresser, derauch bei mir gelernt hat, und Thomas Bellut. Ichdenke da immer, dass man das auch gleich Kreuz-verhör nennen könne.

Das Modell hat Schule gemacht.

Ja, es wird vor der Bundestagswahl tatsächlichnoch ein »Kreuzfeuer« mit Sandra Maischbergerund Peter Klöppel geben. Ich fragte den Klöppelneulich, wie er auf diese Idee gekommen sei, under war ganz überrascht, als ich sagte, dass sie vonmir sei. Wir landeten jedenfalls mit unserem»Monitor« erst im Abseits. Wieder hatte WernerHöfer seine Finger im Spiel. Er schrieb zum Bei-spiel in der »Hörzu«, dass es unfair sei, wenn zweiJournalisten einen Gast wechselseitig befragten.So etwas sollte es im WDR nicht geben. Aber dasgab es doch, obwohl Höfer sich lange wehrte undimmer wieder schrieb, dass er von Rohlinger undCasdorff nichts halte.

Waren Ihre Fragen eigentlich vorher mit denenRohlingers abgestimmt? Wusste jeder, was der an-dere fragen würde?

Ja, wir haben die Sendung durchgespielt, indemwir uns zusammen überlegten, was wir fragenwollten. Oft löst man sich natürlich von der Vorla-ge, weil die Antworten meist überraschend kom-men. Es gab Höhepunkte ebenso wie Tiefpunkte.Am schönsten war das »Kreuzfeuer« mit FranzJosef Strauß. Es wurde neunmal wiederholt, weilalle es noch einmal sehen wollten. Das war schonkein Kreuzfeuer mehr, das war Ballerei. »Das isteine Überfallfrage«, beschwerte sich der Straußimmer wieder. Er war sauer, weil die Sendung vorden Wahlen stattfand und wir lauter Kameraleutehatten, die »Wählt Willy«-Buttons trugen. Dasärgerte ihn natürlich maßlos.

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16 40 Jahre MONITOR | Claus-Hinrich Casdorff

Trugen Sie auch so einen Button?

Nein, nur unsere Kameraleute. Auf die Kameraleutehatte ich doch keinen Einfluss!

Hätte mich auch gewundert.

Die können auftreten, wie sie wollen, dachte ichfrüher. Obwohl es auch Kameraleute gab, die auchzu irgendwelchen feierlichen Anlässen, bei denenwir drehten, aussahen, als kämen sie aus der Mus-kiste. Zu denen sagte ich dann: »Wir haben sogarauch einen Fundus, wenn Sie freundlicherweisemal einen anständigen Anzug anziehen wollen.«Ich bin auf dem Gebiet sehr empfindlich und habedeswegen auch genug Zeitungsartikel gegenmich kassiert. Wie auch immer – die Sendung mitStrauß sollte zwölf Minuten dauern, wie immer.Schließlich dauerte sie eine halbe Stunde. Nach-her stürmte der Strauß aus dem Studio und, erfuhr damals gerne selbst Auto, fuhr falsch herumin die nächste Einbahnstraße hinein. Da habe ichgedacht, er ist genauso wie wir.

Herr Casdorff, ich muss Sie mit einer Anekdote kon-frontieren. Sie sagten eben schon, dass Sie gele-gentlich für »Monitor«-Berichte mit sechs Personenunterwegs waren. Sie sollen mal, so wird es erzählt,zu einem Gespräch mit dem Regisseur WolfgangStaute nach Essen gefahren sein und als er dasWDR-Team von »Monitor« sah soll er Sie gefragthaben: »Herr Casdorff, wollen Sie hier ›Ben Hur‹drehen?«

Ja, die Tatsache stimmt. Wir kamen mit Kamera-wagen, Rüstwagen, Tonwagen und ich weiß nicht,was noch alles. Wir belagerten das ganze Hotelund er fragte eben, ob wir »Ben Hur« drehen woll-ten. Die Frage war berechtigt, denn es handeltesich um ein Kreuzfeuer von zwölf Minuten. Wir ar-beiteten damals eben mit großem Aufwand. Daskannte keine Grenzen.

Bis zum Sommer 1973 waren Sie Redaktionsleitervon »Monitor«, ebenso wie von 1975 bis 1981. Siesind aus den unterschiedlichsten politischen Lagernfür die kritischen Beiträge des Magazins getadeltoder geadelt worden, das war immer eine Frage derBewertung. Haben Sie das als Bestätigung IhrerArbeit angesehen? Wie sind Sie mit dieser Kritikumgegangen, die zum Teil sehr harsch war?

Es war ja klar, dass nicht alle mit der einen Mei-nung einverstanden waren, die wir vertraten. Eswaren auch nicht nur die Filme, sondern auch dieModerationen, die wichtig waren. Ja und es wurdeauch harsche Kritik geübt, na klar. Die hat michbei der Arbeit nicht weiter beeinträchtigt. Werzehn Jahre beim WDR ist, den kann man nichtmehr entlassen, dachte ich mir. Vielleicht kannman mich nach Washington oder nach Ennepeversetzen, an diesen Gedanken habe ich mich ebengewöhnt. Und es ist erstaunlich, wie lange manhängen bleibt. 1982 habe ich Redaktionsleitungvon »Monitor« endgültig abgegeben, auch weildie Arbeit immer ähnlich war: Filmen, die Modera-tion, Filmen, Moderation, Filmen, Moderation.

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Gab es denn irgendwann einmal Interventionenaus der Hierarchie oder aus den Gremien?

Die harscheste Intervention kam einmal aus demProgrammausschuss des WDR. Ein Mitglied derFDP, einer Partei, der ich ja sehr nahe stehe,verlangte meine sofortige Entlassung – glück-licherweise ohne Erfolg. Kritik gab es immer undzunächst mussten wir unsere Filme auch dem je-weiligen Fernsehdirektor vorführen, damit er ein-

greifen konnte, wenn irgend etwas nicht so war,wie er sich das vorstellte. Wir hatten dabei aberimmer großes Glück, weil Heinz Werner Hübnerein sehr liberaler Mensch war und Peter Scholl-Latour sich zu Recht mehr für seine eigene Arbeitinteressierte.

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Was MONITOR auszeichnet

MONITOR sorgte immer wieder mit zahlrei-chen Beiträgen und provozierenden Glossen fürAufsehen, vor allem bei den Mächtigen aus Wirt-schaft und Politik. Oft bedienten sich auch andereMedien aus MONITOR-Berichten, wenn diese wie-der einmal Missstände aufdeckten.

Beiträge, die Schlagzeilen machen

Zu den am heftigsten diskutierten Beiträgenim letzten Jahrzehnt gehörten u.a. »Dioxin beiBoehringer« (1984), »Wunderlarven in Fischen«(1987), der bundesweit den Verkauf von Fischenzum erliegen brachte, »Die Methoden der Treu-hand« (1991), »Die Olympiabewerbung Berlin«(1992), »Die Brutkastenlüge Irak« (1992), »Die Affäreum den Absturz der Bundeswehr-Tupolev« (1997).1998 machte das Magazin Furore mit dem Beitrag»Kein Asyl für Jesus«, für den es mit dem Civis-Sonderpreis ausgezeichnet wurde. Für Aufsehensorgten im gleichen Jahr »Uran-Munition im Koso-vo« und »Feinstaub: Keine Filter für Dieselautos«.»Kirche und Zwangsarbeiter« löste 2000 eine eben-so große Diskusssion aus wie 2003 die »Visa-Affäre:Schleuserkriminalität«. Für Schlagzeilen sorgten da-rüber hinaus die Beiträge »Millionäre an Schröder:»Wir wollen Vermögenssteuer zahlen!« (2002),»Napalm-Bomben im Irak-Krieg« (2003), »Süß,trendy, gefährlich: Designerdrinks für Kinder«(2003) und »Hartz IV und die Frauen« (2004). 2005deckte MONITOR u.a. »Dioxin in Freilandeiern: Dererfundene Skandal« auf und eine unrühmliche Pra-xis: »Feinstaub: Wie bei den Messungen gepfuschtwird«.

Glossen, die provozieren

Dem früheren Bundesfinanzminister TheoWaigel (CSU) missfiel 1994 ein satirischer Beitragüber eine angeblich von ihm manipulierte Lotto-

ziehung zur Rettung seiner Staatsfinanzen. Nichtweniger beliebt machte sich das Magazin 1997 miteiner Glosse über eine angebliche Urlaubssteuerfür Touristen. Und 1998 beschwerte sich Ex-Bun-deskanzler Helmut Kohl (CDU) in einem sechs Seitenlangen Brief an den damaligen ARD-VorsitzendenUdo Reiter. Anlass war ein von MONITOR erfun-denes Telefonat zwischen dem Bundeskanzler undBoris Jelzin über den Tschetschenien-Krieg.

2001 Preis für Menschenrechte der internationalen Journalistenföderation

1999 DUH-Umwelt-Medienpreis

1998 Civis-Sonderpreis für die Glosse »Kein Asyl für Jesus«

1997 Telestar

1997 Ernst-Schneider-Preis

1995 Entwicklungshilfepreis

1993 Civis-Preis

1990 Goldene Kamera

1989 Carl-von-Ossietzky-Medallie

1988 Medienpreis der RFFU (DGB)

1987 BUND-Journalistenpreis

1986 Josef-Drexel-Preis

1985 Adolf Grimme-Preis

1982 Adolf Grimme-Preis

Preise

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Das Redaktionsteam setzt sich neben Leiterin und Moderatorin Sonia Mikichzurzeit aus sechs festen und zwölf freien Mitarbeitern zusammen. Zu denfesten Redakteuren zählen: Mathias Werth (seit 1993), Volker Happe (seit1979), der damit am längsten im Team von MONITOR arbeitet, Karin Führ(seit 1991), Monika Wagener (seit 1996), Georg Restle (seit 2000) und MarkusSchmidt (seit 2004). Das Team komplettieren die Assistentinnen Hilde Fringsund Sigrun Jeschke.

Die Redaktion

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20 40 Jahre MONITOR

»Mahnen zum Wohle der Republik« –

Stimmen zu MONITOR

Amelie Fried (Moderatorin, Autorin): MONITORist für mich eines der letzten Reservate investiga-tiven, kritischen und unbestechlichen Journalis-mus. Dass dieses Format überlebt hat, ist in einerFernsehlandschaft des galoppierenden Schwach-sinns und der sinnentleerten Laberrunden wahr-haftig ein Grund zu feiern! Deshalb ganz herz-lichen Glückwunsch, verbunden mit dem Wunsch,dass die Macher der Sendung weiter so unbeirrtihren Weg gehen.

Renan Demirkan (Schauspielerin, Autorin): Ichbin fest davon überzeugt, dass der soziale Friedeeiner Gemeinschaft nur auf dem wissenden, kriti-schen Geist seiner einzelnen Mitglieder fußen kann.Und dass nur das Aufzeigen von Misständen – dasheisst praktizierte Aufklärung! – Gerechtigkeitund Freiheit im Gestalten des Miteinanders gar-antiert. Ich danke den mahnenden MONITORlernfür ihre unermüdliche Aufklärungsarbeit, weil siefür die Erhaltung der demokratischen Grundwerteunverzichtbar ist! Gerade kürzlich wieder mit demBericht über zusätzliche Medikation bei Leukämie!Ich kann mir kein Fernsehen ohne euch vorstellen.Meine Generation ist mit euch groß geworden.Durch den unnachgiebig ernsten Blick von KlausBednarz war mir immer sofort klar: Das, was ich jetztgleich zu sehen bekomme, ist kein Infotainment –das ist bitterste Wahrheit. Und ich vermisse ihn!Happy Birthday und weiter so, liebe MONITORler,liebe Sonia Mikich, die nächste Generation, meineTochter, brauchen euch und Sie!

Sandra Maischberger (Journalistin, Moderato-rin): Schon aus egoistischen Motiven wünsche ichden Kollegen von MONITOR ein langes, gar ewigesLeben: Ohne ihre investigative Arbeit ginge demkritischen politischen Fernsehjournalismus dieBasis verloren. In den bald 20 Jahren meines jour-nalistischen Lebens gehört MONITOR zu meinenunverzichtbaren Leitmedien – herzlichen Glük-kwunsch zum 40sten!

Marie-Luise Marjan (Schauspielerin): Es ist toll,dass es diese Sendung seit 40 Jahren gibt! Das istkaum zu toppen. MONITOR hat immer zur Aufklä-rung beigetragen, und man sieht an diesem Jubi-läum, wie wichtig und notwendig es ist, Dingeaufzudecken, nicht-korrekte Zustände und Sachver-halte ans Licht zu bringen. Klaus Bednarz hat mirsehr imponiert, und dass seit dreieinhalb JahrenSonia Mikich das Magazin leitet, verleiht der Sen-dung zusätzlich eine wunderbar weibliche Note.

Ulrich Wickert (»Tagesthemen-Moderator«,Autor): MONITOR hat sich in den vierzig Jahrenseiner Existenz zu einem Geschichtsbuch derBundesrepublik entpuppt. Es sind allerdings we-niger die rühmlichen Seiten des Landes dort auf-gezeichnet worden, sondern jene, vor denen ge-mahnt werden muss. Jede neue Redaktionsgene-ration hat dem so erfolgreichen Fernsehmagazineine neue Handschrift gegeben. Aber der Gedan-ke, der alle über vierzig Jahre hin antreibt, bleibtder gleiche: Mahnen zum Wohle der Republik.

Prof. Dr. Heinrich August Winkler (Professor derGeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin):Die politische Kultur der Bundesrepublik brauchtkritische Fernsehmagazine wie MONITOR. Je mehrwir von Nachrichten aus dem »global village«überschwemmt werden, desto größer die Gefahr,dass wir Wichtiges nicht mehr von Unwichtigemunterscheiden können. Nur durch sachkundigeHintergrundanalysen und engagierte Kommentarekommen wir in die Lage, die Fülle der Informatio-nen in unseren Köpfen zu ordnen und auf Problemeund Missstände gestoßen zu werden, die unsererAufmerksamkeit sonst vielleicht entgehen wür-den. MONITOR erfüllt seit vier Jahrzehnten diejournalistischen Aufgaben von Aufklärung, Kritikund Vertiefung. Dafür verdient das PolitmagazinLob und Dank und alle guten Wünsche für diekommenden Jahrzehnte.

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Volontäre denken nach …

das Subjektive, die persönliche Sichweist geradeoftmals das spannende an journalistischen Be-richten? Ich lechze manchmal geradezu danach,wenn ich von all diesen Fakten oftmals geradezuüberschüttet werde. Kann nicht gerade ein leiden-schaftlicher, persönlicher Bericht eines Journali-sten manchmal besonders aufrütteln – weil ereben Stellung bezieht? Sonst wäre alles so leiden-schaftslos und blutarm – das würde ich nicht wollen.Ich möchte, dass man sich an dem, was ich präsen-tiere, auch reiben kann, dass die Leute ins Nach-denken kommen.Dass ihr festgezurrtes Meinungs-gefüge ins Wanken kommt – und wenn auch nurein wenig.

Volontär III: Wie soll man einordnen ohne derkritischen Abstand? Wie soll man professionell be-richten, wenn man selbst beteiligt ist? Nur, wervon oben auf einen Knoten blickt, wird sehen, wieer zu beurteilen und zu lösen ist. Wer selbst ver-flochten ist, bleibt mit stecken. Wir dürfen unsnicht zum Interessenvertreter machen lassen – fürwen auch immer. Wir müssen außen vor bleiben,denn es geht um nicht weniger als die Glaubwür-digkeit unseres Berufsstandes.

Volontär IV: Viele lassen sich zu schnell für einevermeintliche »gute Sache« einspannen und ihnenverschließt sich der Blick für die anderen Seiten einer

Im Rahmen ihrer Ausbildung beim WDR bat das Redaktionsteam

von MONITOR Volontäre um ihre Meinung zu markanten Aussagen

von Hanns Joachim Friedrichs und Joseph Pulitzer

Hanns Joachim Friedrichs: »Einen guten Journalistenerkennt man daran, dass er sich nicht gemein machtmit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.«

Volontär I: Die Gefahr, sich mit einer Sachegemein zu machen, könnte man vor allem beiMeinungsbeiträgen vermuten. Doch gerade dasEintreten für eine sorgfältig gebildete Meinung istdas, was ich von guten Journalisten erwarte. Unddas muss noch lange nicht heißen, dass der Jour-nalist sich mit der Sache gemein macht. Das, wo-vor Friedrichs sich fürchtet, ist eine Abhängigkeit,in die sich Journalisten begeben könnten. Die Ge-fahr, den Blick des wertenden Beobachters zu ver-lassen, weil sich der Journalist zu sehr persönlichvon Sichtweisen/Interessen vereinnahmen lässtund sich von seiner Berichterstattung persönlicheVorteile verspricht, sich vor Karren spannen lässt.Wenn das Friedrichs’ Sorge ist, hat er recht. Aberwenn, »sich mit einer Sache gemein machen« be-deutet,Position zu beziehen,soll der Journalist sagen,was er gut findet und was schlecht.

Volontär II: Gut gemeint, aber fast nicht reali-sierbar, oder? Denn Journalisten sind Menschen,mit all ihren Vorurteilen, Klischees und Bildern imKopf. Das heißt, dass sie, auch wenn sie es eigent-lich gar nicht wollen, sich gemein machen mit Din-gen, die sie für gut befinden. Und ist nicht auch

Hans Leyendecker (Journalist) Monitor ist einSynonym für das Gute und Schlechte im deutschenJournalismus: Manchmal macht das MagazinJournalismus für eine Gemeinde, die nur in ihremVorurteil bestärkt werden will, manchmal aber

auch schafft es aufklärerischen Journalismus.Skepsis, Zweifel, Distanz müssen Leitmotiv bei derArbeit sein. Distanz zum Gegenstand der Betrach-tung zu halten, ist Pflicht. Das gelingt manchmalund manchmal nicht.

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22 40 Jahre MONITOR | Volontäre denken nach

Sache. Das Zitat suggeriert aber auch eine Objek-tivität, die es vielleicht in der Mathematik gebenkann, aber niemals im Journalismus. Man kannwohl kaum an einer Geschichte arbeiten, ohne sichzumindest ein Stück weit auch mit der Geschichtegemein zu machen.

Volontär V: Ich finde diese Forderung be-sonders ehrenwert, aber auch besonders schwie-rig einzuhalten. Sie ist für mich eine Leitidee, dieich gerne annehmen will, in der Gewissheit, im-mer wieder gegen sie zu verstoßen. Denn bei derWanderung zwischen dem schmalen Grat zwi-schen objektiver Berichterstattung und kritischerBetrachtung (die sowohl negative als auch positi-ve Bewertungen nach sich ziehen kann) fordert sieeinen Abstand zu den Dingen, dessen Einhaltungeinem leidenschaftlichen Menschen und zumalJournalisten oft schwer fallen muss. Dennoch istdieser Grundsatz zentral.

Volontär VI: »Schnelle Berichterstattung« inunserer immer schneller werdenden Zeit ist einFaktor, der es möglich macht, dass sich viele Unter-nehmensaussagen oder Politikermeinungen un-gefiltert in die Berichterstattung einschleichen.Das haben bereist viele Unternehmen, Verbände,Parteien erkannt und schaffen sich eine immerbesser funktionierende PR-Maschinerie. Nur wersich als Journalist ausdauernd mit einer Sachebeschäftigt kann die Verflechtungen der erschie-denen Interessengemeinschaften durchschauenund davon distanziert berichten. Ansonsten landenimmer mehr politisch-meinungsmotivierte Aus-sagen aus gut gemachten Pressetexten,O-Ton-CDsund Unternehmensfilme in der vermeintlich sach-lichen Berichterstattung.Wie soll man bei Leid, Tod, Katastrophen sachlichberichten? Gerade da fällt es jedem schwer,nur dieFakten dazustellen. Da gibt es meiner Ansichtnach oft nur zwei Möglichkeiten: Finger weg vomThema oder so subjektiv berichten, dass es jedemklar wird, hier geht es um das eigene Meinungs-bild.

Joseph Pulitzer: »Es gibt kein Verbrechen, keinen Kniff,keinen Trick, keinen Schwindel, kein Laster, das nichtvon Geheimhaltung lebt. Bringt diese Heimlichkei-ten ans Tageslicht, beschreibt sie, macht sie vor allerAugen lächerlich. Und früher oder später wird dieöffentliche Meinung sie hinwegfegen. Bekanntmachen allein genügt vielleicht nicht – aber es istdas einzige Mittel, ohne das alle anderen versagen.«

Volontär IV: Es klingt so, als ob man nach der»Bekanntmachung« aus der Verantwortung entlas-sen würde. Das wird leider in vielen Fällen so prak-tiziert, aber ob das erstrebenwert ist? Wenn derFilm gesendet ist und der Autor sein Honorar be-kommen hat, geht das Leben für die Journalistenweiter. Nur die Protagonisten bleiben – mal mehr,mal weniger betroffen – zurück. Für sie kann sichu.U. relativ viel im Leben verändern. Vermutlichkönnen viele die Nachwirkungen eines Fernse-hauftritts vorher nicht einschätzen. Vielleicht kanndas auch der eine oder andere Autor nicht – viel-leicht will er es auch nicht, um »die Geschichtemachen zu können«. Auf der Jagd nach O-Tönenund Emotionalität zur Bekanntmachung der»Heimlichkeiten« muss auch immer die Entschei-dung gegen eine Veröffentlichung möglich bleiben.

Ein Volontär zu dem Satz innerhalb dieses Zi-tats: »Und deshalb wird auch früher oder späterdie öffentliche Meinung über sie hinwegfegen.«:Dieser Verantwortung sind sich immer wenigerJournalisten bewusst. Sie wittern hinter jeder Eckeein Watergate und wähnen sich auf dem bestenWege zum Pulitzerpreis. Sie vergessen, dass hinterjedem Betrug auch ein Schicksal steht. Das »Wa-rum« wird fast nie gefragt! Fotos der (meist nochnicht einmal) Angeklagten werden im Großformatgezeigt, der »schwarze Balken« meist nicht mehrals ein schwarzer Strich. Grenzen zwischen denwirklichen Skandalen, über die die ÖffentlichkeitBescheid wissen muss, und den kleinen, eher un-wichtigen und privaten »Lastern« verschwimmen.Immer wieder lassen sich Autoren von so genanntenInformanten instrumentalisieren, bauschen auf,übernehmen nicht selten falsche Informationen.Dann entsteht eine Kettenreaktion: Einmal gesen-

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mal Themen zu setzen, die nicht an einen bestimm-tenTermin oder Jahrestag gebunden sind.So etwaskommt viel zu selten vor – und wäre doch wichtig.

Volontär III: Offenkundig ist Pulitzer Enthusiast,und die Forderungen, die er hier vorbringt, weisenihn als einen Journalisten mit sozialem Gewissenaus. Teilen seiner Vorstellung kann ich so auch ohne Probleme folgen. Dass z.B. Ungerechtigkeitund Korruption zu bekämpfen sind, sollte jeder»ordentliche« Journalist nicht nur wissen, sondernauch beherzigen.

Volontär IV: Ein anspruchsvoller Leitsatz für ei-nen guten Menschen, unbrauchbar für eine Jour-nalisten. Niemals einer Partei anzugehören, stehtfür mich im Wiederspruch zu dem Aufruf, sich im-mer gegen die privilegierten Klassen zu wendenund stets Sympathie (Mitleid?) für die Armen zuhaben. Ich denke, diese Einstellung führt zuSchwarz-Weiß-Malerei und schadet der Glaub-würdigkeit des Journalismus. Die Verteufelung dersogenannten privilegierten Klassen hat journalis-tisch und politisch selten etwas gebracht und stehteiner ernsthaften, stichhaltigen Anklage oder Kritikdieser Klasse eher im Wege.

»Die neue Wacht am Rhein« –

Pressedokumentationen von 1965

in der Hauptabteilung Zeitgeschehen des WDR(Report/Dokumentation) tätig. Casdorff wird sichals Moderator mit Franz Wördemann, Chefredak-teur Zeitgeschehen im WDR, abwechseln.„Monitor“soll alle 14 Tage am Freitagabend auf dem Bild-schirm erscheinen, und zwar, wie Wördemannverkündete, „aktuell, kritisch und informativ“. Da-mit erhält das Erste Programm eine dritte Maga-zinsendung, da „Panorama“ und „Report“ weiter-

teletest 08.04.1965Eine Chance für „Monitor“Die neue Magazin-Sendung aus Köln – Was derZuschauer erhofft

Die neue Magazinsendung des WDR unterdem Titel „Monitor“ wird am 21. Mai von 20.15 bis21 Uhr zum ersten Mal ausgestrahlt. Leiter desUnternehmens ist Claus-Hinrich Casdorff, bisher

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det oder gedruckt übernehmen andere Redaktionen,»drehen weiter«. Der vermeintliche Skandal istaufgedeckt, in der Straßenbahn und beim Bäckergibt es kein anderes Thema mehr. Jeder gute Jour-nalist muss sich der Konsequenz bewusst sein:Wodie öffentlich Meinung hinwegfegt, wächst keinGras mehr.

Joseph Pulitzer: »An institution that should alwaysfight for progress and reform, never tolerate inju-stice or corruption, always fight demagogues of allparties, never belong to any party, always opposeprivileged calluses and public plunders, never lacksympathy with the poor, always remain devoted tothe public welfare, never be satisfied with merelyprinting news, always be drastically independent,never be afraid to attack wrong, whether by pre-datory plutocracy or predatory poverty.«

Volontär II: Mir gefällt an dieser Stellungnahme,dass sie so leidenschaftlich ist, dass sie Journalismusals etwas Kämpferisches darstellt. Das fehlt mirviel zu sehr im Redaktionsalltag. Dort geht diesesKämpferische oftmals völlig verloren. Mein Eindruckist auch, dass meist der Mut fehlt, tatsächlich ein-

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24 40 Jahre MONITOR | Pressedokumentationen von 1965

bestehen werden. Die umfangreichen Vorberei-tungen im Kölner Funkhaus wird man auf einerPressekonferenz in Bonn darstellen, da es sichdoch in erster Linie um eine politische Sendunghandelt, die allerdings auch »normale Themen«einsteuern möchte.

„Monitor“ ist vom WDR geboren worden, weilman in Köln klare Verhältnisse liebt und sich nichtum Verantwortung drücken möchte. Bei »Panora-ma« kennt man die produzierende Anstalt, denNDR, genau. Weit schwieriger war es für das Pu-blikum, herauszufinden wer jeweils „Report“ zu-sammengestellt hatte. Auch wünschte der WDRmehr Einfluß auf Sendungen dieser Art zu neh-men und das eigene politische Programm zu-sammenzufassen. Köln hat die Absicht, „Monitor“ein unverwechselbares Gesicht zu geben, damitjeder Zuschauer sogleich weiß, woher die Sen-dung kommt. Außerdem fühlt sich ein großesHaus wie Köln durchaus in der Lage, ein Magazinnach eigenen Vorstellungen und Gesichtspunktenzu schaffen. Damit ist nicht gesagt, daß „Monitor“ein Gegenstück zu „Panorama“ werden soll. Viel-leicht eher eine Ergänzung zu „Report“, allerdingsunter einem anderen Blickwinkel.

In Köln wird bestritten, daß Wördemann mitden WDR-Beiträgen zur letzten Report-Sendungden Ton der neuen Richtung angegeben hätte,den „Monitor“ zu übernehmen gedenke. In der Tatwar vor allem der Beitrag über den sogenannten„Speckpater“ von einer hämischen Herablassung,verbunden mit politischen Unterstellungen undErmahnungen, die faire Zurückhaltung vermissenließe. Wenn Köln solche Eskapaden unterläßt, be-steht die Chance, einen beachtlichen Zuschauer-kreis, der korrekt und umfassend unterrichtetwerden möchte, zu gewinnen.

Frankfurter Rundschau 07.05.1965Die neue Wacht am Rhein„Monitor“ – das neue aktuelle Magazin des WDR

In den deutschen Rundfunkhäusern gebendie Unentwegten noch nicht auf. Zwei Stockwer-ke über den Kölner Woolworth-Verkaufsständenin der Hohen Straße bereiten sich einige Fernseh-reporter auf ein abenteuerliches Unternehmenvor. Trotz der Stürme um „Panorama“ und „Re-port“ wollen sie eine neue große Sendereihe star-ten: „Monitor“ – das dritte zeitkritische Magazindes deutschen Fernsehens. Vom 21. Mai an wirdes jeden zweiten Freitag von 20.15 bis 21 Uhr aus-gestrahlt werden.

In den drei kleinen Zimmern der „Monitor“-Redaktion herrscht vorerst noch ein mittleresChaos. Dennoch spart der künftige Leiter der Sen-dung, Claus-Hinrich Casdorff, nicht mit ehrgeizi-gen Formulierungen: „Unser Magazin wird si-cherlich aktueller als „Panorama“ und „Report“,aber auf keinen Fall weniger kritisch sein.“

Die Kölner Magazinmacher haben ihre Erfah-rungen mit der Zeitkritik im Fernsehen. Seit Jah-ren haben sie sich an der „Report“-Sendung be-teiligt und wissen, worauf sie sich einlassen. Den-noch gibt sich das Team zwei Wochen vor derersten Sendung am 21. 5. 65 gelassen und zuver-sichtlich: „Wer kritisch sein will darf sich über Är-ger nicht beklagen.“

Für „Monitor“ hat der WDR seine Redaktionum einige junge Journalisten erweitert. Seit Wo-chen sind sie in der Bundesrepublik und im Aus-land mit Kamerateams unterwegs. Casdorff:„Wirwollen ein echtes Magazin machen und nichtKritik um jeden Preis.“ So wird es neben aktuelleninnenpolitischen Beiträgen auch Filmreportagen,Dokumentationen und Feuilletons geben. DerThemenkreis ist weit gespannt: „Bärenjagd amBaikallsee“, „Private Pflegeanstalten“, „Deutschein Siebenbürgen“, „Spitzbergen“ – und das sindnur einige Projekte.

Die Redaktion glaubt, dass die unmittelbareNähe der Bundeshauptstadt und der günstigeTermin am Wochenende der Sendung zu beson-

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derer Aktualität verhelfen. Die Bonner Redaktiondes Deutschen Fernsehens beteiligt sich regelmä-ßig an dem neuen Magazin. Dafür wird der bisherjede Woche ausgestrahlte „Bericht aus Bonn“ nurnoch alle 14 Tage, ebenfalls unter dem Titel „Moni-tor“, gesendet.

Auch optisch soll sich das neue Magazin vonden traditionellen Sendereihen „Panorama“ und„Report“ unterscheiden. „Monitor“ wird direktaus dem Studio gesendet; der Zuschauer erlebtdie Atmosphäre des technisch-journalistischenApparats. Von einem der Geräte im Studio hat dieSendung ihren Namen: „Monitor“ heißt der imFernseh-Atelier aufgestellte Bildschirm, auf demsich die Akteure selbst kontrollieren können. Inder Redaktion möchte man das Wort „Monitor“aber auch in seiner lateinischen Urbedeutung als„Mahner“ und „Wächter“ verstanden wissen.

Zwei Journalisten werden die Zuschauer ab-wechselnd durch die Sendung führen: Chefre-dakteur Franz Wördemann und „Monitor“-ChefClaus-Hinrich Casdorff.

„Wir sind uns darüber klar, daß es, zumal imWahljahr, schwierig ist, ein kritisches Programmzu starten und durchzustehen. Wir hoffen aber,daß es uns auf Dauer gelingen wird, eine neueKontur in die politische Fernseh-Landschaft zubringen.“

Kölner-Stadt-Anzeiger 07.05.1965WDR Köln startet ein „Kanonenboot“Zu Panorama und Report kommt demnächstMonitor

Vom 21. Mai an bringt das erste Fernseh-Pro-gramm vierzehntäglich jeden Freitag von 20.15 bis21 Uhr die neue Magazin-Sendung des Westdeut-schen Rundfunks, die auf den Namen „Monitor“getauft worden ist und zusätzlich zu Panoramaund Report läuft. Was ein „Monitor“ ist und wasdie nach ihm benannte Sendung will, schildertdieser Bericht.

Köln – Monitore heißen die Fernsehgeräte mit

den kleinen Bildschirmen, auf denen die Leutevom Fernsehen ihre Sendungen kontrollieren. DerSprecher der Tagesschau zum Beispiel hat einenvor sich und verfolgt darauf die Filmeinblendun-gen von Ereignissen in aller Welt. Der „Monitor“gibt ihm das Stichwort, wenn er wieder mit demSprechen an der Reihe ist. Monitore haben auchdie Fernsehregisseure, um die Wirkung von Ein-stellungen bei Fernsehspielen kontrollieren zukönnen, Monitore dienen den Damen und Herrenam Mischpult, aus der Vielzahl von Aufnahmen,die drei, vier oder mehr Kameras liefern, die je-weils besten auszuwählen und sie dem Publikumzu offerieren.

Das Wort „Monitor“, lateinischen Ursprungs,wörtlich übersetzt Wächter oder Mahner, kenn-zeichnet aber nicht nur dieses Kontrollgerät, vondem die alten Römer noch keine Ahnung hatten.Monitoren hießen auch die flach gebauten, gutbestückten Kanonenboote, die im amerikanischenBürgerkrieg von 1861 zum erstenmal eingesetztwurden. Flach waren sie, damit sie sich auch dortbewegen konnten,wo die Gewässer nicht tief waren.„Panzerschutz ja – seichte Gewässer nein...“, sagtClaus Casdorff. Er ist gerade dabei, dem Wort„Monitor“ einen neuen Inhalt zu geben. „Einender sowohl das kleine Kontrollgerät, den Wächterund Mahner als auch das Kanonenboot ein-schließt“, definiert er die neue Sendung, die vomMai an alle zwei Wochen an den Freitagabendenausgestrahlt werden soll.

Bisher hatte der WDR – mit dem Bayrischenund dem Süddeutschen Rundfunk – seine politi-schen Meinungsbeiträge in Report unterge-bracht, der Sendung, die abwechselnd mit demaus Hamburg stammenden Panorama am Mon-tagabend den Kanal des ersten Programms füllte.Aus Report ist der WDR vor kurzem ausgestiegen:„Wir waren der Ansicht, daß im Deutschen Fern-sehen noch Platz für eine weitere politische Ma-gazinsendung sei. Die statischen Untersuchun-gen, die Ergebnisse der Erhebungen von Infratamund Infratest haben uns darin bestärkt“, sagtCasdorff. MONITOR wird eingebaut in das, was die WDR-Hauptabteilung Zeitgeschehen unter

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Chefredakteur Franz Wördemann zur Politik bei-trägt. Der Ehrgeiz Casdorffs und seines Teams –„solche Sendungen können nur von blendendaufeinander eingespielten Teams gemacht wer-den“ – geht aber nicht dahin, nur „eine weitereMagazinsendung“ zu machen.„Monitor „ soll pro-filiert sein, gewissermaßen die Handschrift desWDR tragen und sich abheben von dem was inReport und Panorama gemacht wird.“

Casdorff ist sich klar darüber, daß das einiger-maßen schwierig sei wird. „Daß man bei aktuelle-ren Themen manches Gemeinsame haben wird,ist kaum vermeidbar. Aber man kann dafür sor-gen, daß die eigene Meinung prononciert zumAusdruck kommt. Und man kann mit Hilfe der äu-ßeren Form – das Fernsehen bietet ja so vieleMöglichkeiten – einiges tun.“

Zu dem Äußeren gehört zum Beispiel die„Monitor“-Wand, das Kennzeichen der neuenSendung. Dazu gehört auch, dass dem Moderator –so wird der Mann genannt, der die Überleitungenvon einem zum anderen Thema oder kommen-tierende Sätze spricht – das „Oberlehrerhafte“ ge-nommen wird. Auch das Mittel von „Live“-Unter-haltungen, zum Beispiel nach Bonn, will Casdorffhäufiger verwenden.

„Monitor“ will sich hauptsächlich mit inner-deutschen Themen beschäftigen. Auch das wirddie neue Reihe von den Konkurrenten im erstenund zweiten Kanal unterscheiden. „Außenpoliti-sche Themen wollen wir nur dann bringen, wennsie einen Bezug zur Bundesrepublik haben.“

Ein Element, das typisch für die vom WDR bei-gesteuerte Report-Sendung war, wird auch in„Monitor“ beibehalten werden: das Kreuzfeuer,die vom amerikanischen Presse- und Funkge-brauch übernommene Befragung prominenterLeute zu aktuellen Themen. Meist waren es ClausCasdorff und Rudolf Rohlinger, die abwechselnddie – manchmal für ihren Partner recht unange-nehmen – Fragen stellten. „Das werden wir auchweiterhin tun“, sagt Casdorff.

Claus Casdorff, knapp 40 Jahre alt, hat seitseiner Jugend ein Faible für Politik. Mit siebzehnJahren wurde er von den Nazis eingesperrt, weil

sein wacher Verstand manches anders sah, als esdie offizielle Meinung im Tausendjährigen Reichzuließ. Casdorff hatte die eigene Meinung auchanderen mitgeteilt. 1947 wurde er vom Norddeut-schen Rundfunk eingestellt, kurz darauf von denEngländern, die damals alles Publizistische kon-trollierten,entlassen;wenig später von den gleichenEngländern aber wieder zugelassen, nachdem siesich überzeugt hatten, das Casdorff „politisch ein-wandfrei“ war. Seit 1956 arbeitet er in Köln. Nachder Mitarbeit in der Nachrichtenredaktion desFunks, war die Mitarbeit an der Regionalsendung„Hier und Heute“ sein erster enger Kontakt zumFernsehen.

Casdorff weiß, daß man mit Meinungssen-dungen nicht nur viel Porzellan zerschlagen, son-dern auch überall anecken kann.„Es gehört einigesVerantwortungsbewußtsein dazu, so was zu ma-chen. Man muß erst wägen und dann wagen!“

Und dann erzählt er, wie er einmal einen pu-blizistisch tätigen Staatsrechtler, der nebenbeiauch noch Rechtsanwalt ist um seinen Rat zu einemsehr umstrittenen Thema bat. Der sagte ihm: „AlsJournalist würde ich das auf jeden Fall machen.Als Anwalt würde ich Ihre Vertretung gerne über-nehmen, wenn es zu einem Prozeß kommt. Aberals Staatsanwalt kann ich Ihnen nur sagen: Daskostet sie ein Jahr wegen Landesverrats!“

Es ist nicht ganz einfach,Wächter und Mahner,gut bestücktes Kriegsschiff und Kontrollgerät ineinem zu sein.

Westfälische Rundschau 07.05.1965Fernsehen pflegt ZeitkritikNeue Sendereihe „Monitor“ wird noch im Maigestartet, von Erich Hauer

Bonn. Am 21. Mai wird der WestdeutscheRundfunk zum erstenmal die neue Magazinsen-dung „Monitor“ über die deutschen Bildschirmeausstrahlen: Sein Intendant Klaus von Bismarcklegte gestern in Bonn das jüngste Kind zeitkri-tischer Informationsgebung nach vollzogener

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hauptstadt informiert, wird beibehalten und nuralle zwei Wochen an „Monitor“-Abenden in dieserneuen Sendung aufgehen. Von der stürmischenEntwicklung der Fernsehsatelliten versprechensich die Techniker des WDR weite Schritte nachvorn, besonders bei der Ausgestaltung aktuellerund politischer Magazinsendungen.

Der Spiegel 26. Mai 1965MonitorPhysisch frei

Dem bundesdeutschen Fernsehvolk, durchden Besuch der britischen Königin in einem Däm-merzustand zwischen monarchistischem Traumund demokratischer Wirklichkeit versetzt, wurdeunerwartete Tröstung zuteil. Seit Freitagabendletzter Woche wissen die TV-Bürger an der Elbe,Isar, Main und Ruhr: Auch für sie gibt es ein Ge-schöpf bläulichen Geblütes, das nur darauf war-tet, sein ererbtes Zepter schwingen zu dürfen.

Taufe in die Wiege das ARD-Fernsehprogramms.Die Lexikondeutung von „Monitor“ als veraltetemPanzerschiff mit geringer Bestückung, das nur inKüstennähe operieren könne, sollte nicht zu wört-lich genommen werden.

Mit „Monitor“ werden die von starkem Pub-likumsinteresse verfolgten Magazinsendungen„Panorama“ und „Report“ nicht abgelöst, imGegenteil, der WDR will es unternehmen, wenigeMonate vor der Bundestagswahl und unter demin dieser Zeit besonders kritisch vergleichendenAuge der Parteien der Bonner Politik zu mehrRaum im deutschen Fernsehen zu verhelfen. VonBismarck trat vorsorglich der Erwartung entge-gen, „Monitor“ werde besonders scharf kritisie-ren. Die Grenze liege dort, wo gebührende Kritikund zuverlässige Information verschwimmen.Die Art der Ankündigung der einzelnen Beiträgeder dreiviertelstündigen Sendung soll sich an an-gelsächsischen Vorbildern orientieren und auf einen„Oberlehrer“ verzichten, der die Streifen mit be-lehrendem Zeigefinger begleitet. Der „Bericht ausBonn“, der freitags über Vorgänge der Bundes-

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Prinz Louis Ferdinand von Preußen, Enkel desdeutschen Kaisers Wilhelm II., verkündete imFernsehen, daß er nicht zögern würde, den Thronzu besteigen, falls ihn das deutsche Volk beriefe.

Die Kaiserliche Hoheit („Meine amerikani-schen Freunde nennen mich einfach Louis“) warder sozial ranghöchste Interview-Gast einer neu-en zeitkritischen Sendereihe, die der Westdeut-sche Rundfunk am letzten Freitag erstmals aus-strahlte: Unter dem Titel „Monitor“ will der KölnerSender künftig alle zwei Wochen jeweils nach derTagesschau Politisch-Kritisches verbreiten – ähn-lich den schon bestehenden Magazinsendungen„Report“ und „Panorama“.

Schneller und aktueller zu sein als die von denFunkhäusern Hamburg, München und Stuttgartproduzierten Vorbilder haben die „Monitor“-Planer sich vorgenommen. Sie wollen weitgehendauf Filmaufzeichnungen verzichten und dafürmehr Direkt-(„Live“-)Sendungen von fernen Schau-plätzen einblenden. So wurde letzten Freitag einBericht von der deutschen Industrie-Ausstellungin Bukarest übertragen (Kosten: rund 10 000 Mark),und demnächst soll ein Live-Programm vom Was-hington-Besuch des Bundeskanzlers Erhard insKölner Studio überspielt werden – mittels des in36 000 Kilometer Höhe schwebenden Nachrich-tensatelliten „Early Bird“. Auch zwischen den Bei-trägen wollen die Kölner sich befleißigen, „Lebenins Studio zu bringen“ (so „Monitor“-RedakteurMartin Schulze). Franz Wördemann und Claus-Hinrich Casdorff, die umschichtig die kritische„Neue Wacht am Rhein“ („Frankfurter Rundschau“)präsentieren, sollen sich vor den Kontrollbildschir-men (Monitoren) im Studio zumindest physischfrei bewegen und auch im Gehen oder Stehensprechen dürfen. Auf diese Weise soll, wie „Moni-tor“-Chef Casdorff formulierte, „der oberlehrer-hafte Eindruck verschwinden“, den Magazin-Dar-bieter bislang oft erweckten.

Die kritische Bewegungsfreiheit freilichscheint nicht weniger bedeutsam. Noch währendder Vorbereitungsarbeiten für das neue Magazinereignete sich im Kölner Funkhaus ein Vorfall, derbei den „Monitor“-Redakteuren Erinnerungen an

vergangene „Panorama“-Vorkommnisse wachrief.Auf Anweisung des WDR-Intendanten Klaus

von Bismarck mußten die Zeitkritiker, die bislangan der Gemeinschafts-Sendung „Report“ mitwirk-ten, einen „Report“-Beitrag wegen seiner angeb-lich politisch bedenklichen Wirkung kurzfristigvom Programm absetzen. Thema des Beitrags (der wenig später dann von den Hamburger„Panorama“-Redakteuren aufgegriffen und vomNDR ohne Intendant-Einspruch gesendet wurde)waren fragwürdige west-östliche Flugblatt-Aktio-nen an der Zonengrenze.

Die war der bislang einzige tendenzsteuerndeEingriff der Intendanz in das zeitkritische Ge-schäft der Kölner Mannschaft, die zur kopfstärk-sten Redaktion des WDR erweitert werden soll.Vier Kamera-Teams werden die „Monitor“-Schau-plätze in aller Welt bereisen, 14 Redakteure daseingehende Bildmaterial auswählen und betex-ten. Geschätzte Durchschnittskosten für jede der45-Minuten-Sendungen: 35 000 Mark.

Die „Monitor“-Redaktion ist zwar entschlos-sen, „auch den harten Stil zu pflegen“. Doch solldie gelegentlich allzu forsche Gangart des um-strittenen einstigen „Panorama“-Chefs Gert vonPaczensky vermieden werden. Offizielle, von„Monitor“- Chef Casdorff verbreitete Verhütungs-Parole:„Aus Vorurteil kein Urteil machen!“

Mehrfach indes wehrten sich die „Monitor“-Redakteure gegen Kritiker, die schon im Vorausdas neue Mattscheiben-Produkt an „Panorama“und „Report“ messen wollen. Statt mit derelektronischen Konkurrenz verglichen die Kölnerihr Kritik-Bestreben lieber mit einer herkömm-lichen Art, Zeitläufe zu reflektieren. „Monitor“-Chef Casdorff: „Wir wollen einmal besser werdenals der SPIEGEL.“

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In enger Zusammenarbeit mit dem StudioBonn wird „Monitor“ von neun Redakteuren undweiteren freien Mitarbeitern unter der Leitungvon Claus-Hinrich Casdorff gestaltet. Die 20-Mi-nuten-Sendung „Bericht aus Bonn“ von GüntherMüggenburg wird künftig nur jeden zweiten Frei-tag gesendet. Aktuelle Themen aus Bonn sollenjedoch regelmäßig auch im „Monitor“ Aufnahmefinden.

Intendant von Bismarck betonte, daß die neueSendereihe auf Grund der Erfahrungen mit „Re-port“ sich weder von dem Hang nach unbilligerSensation noch von der gegenläufigen Tendenz,„heiße Eisen“ nicht anzupacken, leiten lassenwerde. Maßgebend für die Gestalter der Sendungsolle allein Staatsbürgerliches Verantwortungs-gefühl sein. Um die notwendige Koordination undZusammenarbeit zwischen den drei zeitkritischenpolitischen Sendereihen zu gewährleisten, findetan jedem Dienstag eine Schaltkonferenz der verant-wortlichen Redakteure von „Monitor“, „Panorama“und „Report“ statt.

Kölner-Stadt-Anzeiger 22.05.1965GesehenPremiere

„Monitor“, aktuelle zeitkritische Sendung desWDR, hatte Premiere. Die Aktualität war da. Siewurde durch ein Interview mit HohenzollernchefPrinz Louis Ferdinand nachgewiesen. Er knüpftean den Besuch der Queen vorsichtige Äußerungenüber die Chance der deutschen Monarchie. Auchein Bericht aus Budapest, ermöglicht durch erst-malige Zusammenschaltung von Intervision undEurovision, hinkte nicht nach.

Die Kritik? Man wird sehen, ob die Liebenswür-digkeit, mit der die Dinge angegangen wurden, zu-fällig ist oder zum Prinzip gehört. Die Kamera, dieGeschehnisse am Rande des Königin-Besuchs ein-fing, blieb recht glücklos. Amüsant war der Schalke-Bericht. Die Idee, den Sturz des Vereins optischund akustisch durch die Zuschauer zu reflektieren,

Kölnische Rundschau 07.05.1965Keine Kritik um jeden PreisWDR erläuterte die neue politische Fernsehsendung„Monitor“

Am Freitag, 21. Mai, startet der WestdeutscheRundfunk die neue politische Sendereihe „Monitor“,die künftig an jedem zweiten Freitag von 20.15 bis21 Uhr ausgestrahlt werden soll. Damit wird es –mit „Panorama“ und „Report“ – im Ersten Fernseh-programm drei zeitkritische Sendungen geben.

WDR-Intendant Klaus von Bismarck, Fernseh-direktor Dr. Hans-Joachim Lange und Fernseh-Chef-Redakteur Franz Wördemann erläuterten amMittwoch in einer Pressekonferenz in Bonn dasneue Vorhaben. Der Intendant geht davon aus,daß es nicht die Aufgabe des WDR – als eineröffentlichen Anstalt – sein könnte, die Zeit fürpolitische Sendungen zugunsten von vielleichtpublikumswirksameren Unterhaltungssendungeneinzuschränken.

Durch die neue Sendereihe sollen vor allemder Berichterstattung aus Bonn über das Bundes-geschehen mehr Gewicht und auch bessere Mög-lichkeiten einer Fernsehgerechten Darbietung ge-geben werden. Wördemann unterstrich ausdrück-lich:„Wir wollen nicht um jeden Preis kritisch sein,aber wir wollen gebührende Kritik üben.“ Im Vor-dergrund steht der Gedanke einer korrektenInformation des Fernsehzuschauers.

Nicht zuletzt hat auch das neue Programm-schema des Zweiten Deutschen Fernsehens dazubeigetragen, daß zugleich mit der Einführung des„Monitor“ Änderungen in der Programmstrukturdes Deutschen Fernsehens vorgenommen wer-den. Bisher war der WDR zusammen mit demSüddeutschen Rundfunk an der Sendereihe „Re-port“ beteiligt, die an jedem Montag abwech-selnd mit der Sendung des Norddeutschen Rund-funks „Panorama“ ausgestrahlt wird.

„Report“ wird künftig von Stuttgart und vomBayrischen Rundfunk gestaltet werden. Der Nord-deutsche Rundfunk bestand darauf, seine zeitkri-tische politische Sendung weiterhin in eigener Re-gie zu führen. So kam es zur neuen WDR-Sendung.

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war glänzend. Kein Kommentator brauchte seineIronie zu bemühen. Die Untersuchung über die„unbesungenen Helden“ war nützlich und bei allerKritik besonnen.

Für das Besondere sorgte Bundesaußenmini-ster Schröder. Seine fast beiläufig gemachten Äu-ßerungen über die deutschen Ostkontakte deu-ten auf einen Abbau der Hallsteindoktrin hin. Mitsolchen Mitwirkenden wird „Monitor“ ins Gesprächkommen! Fazit: Für ein Todesurteil durch gesenkteDaumen ist hier kein Anlaß.

WER? 24.05.1965Blick aufs FernsehenMit spürbar frischem Wind

Am Freitagabend stellte sich im Ersten Pro-gramm „Monitor“ vor, das neue Zeitkritische Ma-gazin, des Westdeutschen Rundfunks, neben „Pa-norama“ und „Report“ das dritte in dieser Art. DieAuftaktsendung wirkte frisch und einfallsreich,gut vorbereitet und ebenso gut gemischt. Die inInhalt und Form gut abwechselungsreich gestal-teten Berichte, Interviews und Stimmungsbilderwirkten durchweg mehr informativ als aggressiv,mehr amüsant als schockierend. Aber Anklage umjeden Preis liegt ja vernünftigerweise ohnehinnicht in der Absicht der neuen Sendereihe, die sichmehr an „Report“ als an „Panorama“ orientiert.

Franz Wördemann, der den gewohntenSchreibtisch mit einem beweglichen Drehsesselvertauscht hatte, sprach die knappen Zwischen-texte natürlich und unverkrampft, dabei sichtlichbemüht, irgendwelche Ansager-Steifheit gar nichterst aufkommen zu lassen. Ob für diese dritteMagazinreihe eine zwingende Notwendigkeit be-stand, sollte hier nicht untersucht werden. Feststehe, daß sie einen spürbar frischen Wind mit-brachte; und zu hoffen bleibt, daß ihr die Puste sobald nicht ausgeht.

fff-press Nr. 34/1410.05.1965Mutiger Alleingang des WDR mit „MONITOR“

Der Westdeutsche Rundfunk hat wirklich Mut.Im Angesicht der Bundestagswahlen, der Unan-nehmlichkeiten bewusst, die die Reihen „Panora-ma“ und „Report“ gelegentlich hervorriefen, undausgerechnet an dem Termin, da die viel umstrit-tene NDR-Sendung „Hallo – Nachbarn“ ausge-setzt wird – obwohl man diese nicht mit dengenannten Sendungen vergleichen kann –, will erim Alleingang eine dritte, magazinartige aktuelleSendung machen. „Report“ wird von SDR und BRbearbeitet,„Panorama“ wie bisher nur von NDR.

In einer Pressekonferenz in Bonn gaben Inten-dant von Bismarck und die für „Monitor“ verant-wortlichen Mitarbeiter Einzelheiten über die Sen-dung bekannt, die zum ersten Mal am 21. Mai,20.30 Uhr – sonst aber 20.15 – im ARD-Programmerscheint. Der Intendant setzte sich dafür ein, daßman solche Sendungen, soweit sie die politischeDokumentation betreffen, nicht einschränkensollte, sondern im Gegenteil Form und Inhalt die-ser Programme sorgsam entwickeln müsste. Für„Monitor“ sei ein Wechsel des Stils, so wie ihn etwa„Report“ pflegte, nicht nötig. Neu bei „Monitor“ist die wahrscheinliche, regelmäßige Einfügungvon Berichten aus Bonn. Der bisherige „Berichtaus Bonn“ wird nunmehr alle 14 Tage am spätenFreitagabend gegeben.

Kooperation und Koordinierung ist bei derArbeit an der neuen Sendereihe notwendig, undzwar im Hause des WDR selber (3. Programm!) undin Richtung der anderen Anstalten. ChefredakteurFranz Wördemann teilte mit, dass man an jedemDienstag mittags eine Schaltkonferenz machenwolle, in der sich die verantwortlichen Redakteurealler drei aktuellen Sendungen besprechen undihre Vorhaben miteinander abstimmen. Wörde-mann wies es zurück, den Wunsch des Publikumsnach „Gladiatorenkämpfen“ mit dieser Reihe auchnur im Geringsten nachzugeben. Man wolle aberdie Sendungen so locker und beweglich machen,wie es nur möglich ist, wobei der diensthabende

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Redakteur, Moderator genannt, in die einfacheFunktion eines Anbieters zurückgedrängt wird.Das Vorhaben ist ein Experiment, ja ein Abenteuer,und „Wenn’s schief geht, hören wir auf“.

Weitere Ergänzungen gaben der Leiter derSendung „Monitor“, Claus-Hinrich Casdorff, undder mit dem Bericht aus Bonn an ihr beteiligteRedakteur Günter Müggenburg. Man rechnet miteinem Arbeitsstab von 9 Redakteuren, wozu sichfreie Mitarbeiter gesellen. Das Stoffgebiet ist viel-fältig und umfasst nicht nur deutsche Angelegen-heiten.

Fernsehdirektor Dr. Hans-Joachim Lange be-tonte, dass man mit dieser neuen Sendereihe nichtzuletzt das Gesamtprogramm des Freitagabends

im Hinblick auf Kontrast und Konkurrenz durchdas ZDF verbessern wolle. Allerdings, so fügte derIntendant hinzu, wolle man sich nicht zu sehr von Ergebnissen der Meinungsforschung abhän-gig machen.

Man kann den Monitorleuten Beharrlichkeit,Stehvermögen und viel Glück wünschen. Der lei-der von England her übernommene Titel bedeutetnicht nur das beim Fernsehen übliche Kontrollge-rät, sondern mehr noch: Mahner und Wächter. Miteiner weiteren Auslegung, die im großen Brockhauszu finden ist und auf die der Intendant anspielte,sollte man das Vorhaben doch nicht belasten. Wirlesen da von geringem Tiefgang und niedriger Ge-schwindigkeit …

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