5 D Straßenbrücken in Massivbauweise · Gesamtlänge der Brücke und Brückenhöhe, Geologie und...

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5.130 5D Straßenbrücken in Massivbauweise Prof. Dr.-Ing. Martin Empelmann und Dipl.-Ing. Michael Girmscheid 1 Allgemeines Brücken sind ein wesentlicher Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur. Sie haben eine verbindende Funktion und dienen der Mobilität von Menschen und Gütern. Aufgrund der Vielzahl an Einfluss- parametern sind im Entwurf stets mehrere Brückenvarianten zu untersuchen, die den Anforderun- gen an die Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit sowie Wirtschaftlichkeit und Ästhetik gerecht werden müssen. Ausgeführte Brückenbauwerke stellen häufig Unikate dar, die das Landschaftsbild über ihre gesamte vorgesehene Nutzungsdauer (100 Jahre nach Eurocode 0) prä- gen. Hinsichtlich der Tragstruktur lassen sich Brücken in folgende Grundtypen untergliedern: Tafel 5.130 Brückentypen [5.100] Balken- brücken Gewölbe- brücken Rahmen und Spreng- werkbrücken Bogen- brücken Hänge- brücken Schrägseil- brücken Weiterhin werden Brücken nach dem Herstellverfahren unterschieden, z. B. in Ortbetonbrücken und Fertigteil- bzw. Segmentbrücken. Die einzelnen Elemente einer Brücke lassen sich wiederum unter- gliedern in Überbau, Unterbau (z. B. Pfeiler, Widerlager, Gründung) und die Ausrüstung (z. B. Kappen, Lager, Fahrbahnübergang, Entwässerung, Geländer, Belag). Insbesondere die Ausrüstungselemente sind z. T. hoch beanspruchte Bauelemente und müssen wäh- rend der Nutzungsdauer einer Brücke ggf. mehrfach ausgetauscht werden. Abb. 5.130 Hauptbestandteile einer Brücke 2 Bauverfahren im Brückenbau 2.1 Allgemeines Das Herstellverfahren ist auf die vorliegenden Rahmenbedingungen abzustimmen; dies sind z. B.: Gesamtlänge der Brücke und Brückenhöhe, Geologie und Baugrundverhältnisse, Größe und Anordnung der Stützweiten, einzuhaltende Lichtraumprofile, Topographie und Zugänglichkeiten (mögli- che Baustraßen, Lagerplätze etc.), zu schützende Landschafts- oder Siedlungs- bereiche, Bauen unter laufendem Verkehr, Bauzeit oder andere Terminvorgaben.

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5 D Straßenbrücken in Massivbauweise Prof. Dr.-Ing. Martin Empelmann und Dipl.-Ing. Michael Girmscheid

1 Allgemeines Brücken sind ein wesentlicher Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur. Sie haben eine verbindende Funktion und dienen der Mobilität von Menschen und Gütern. Aufgrund der Vielzahl an Einfluss-parametern sind im Entwurf stets mehrere Brückenvarianten zu untersuchen, die den Anforderun-gen an die Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit sowie Wirtschaftlichkeit und Ästhetik gerecht werden müssen. Ausgeführte Brückenbauwerke stellen häufig Unikate dar, die das Landschaftsbild über ihre gesamte vorgesehene Nutzungsdauer (100 Jahre nach Eurocode 0) prä-gen. Hinsichtlich der Tragstruktur lassen sich Brücken in folgende Grundtypen untergliedern:

Tafel 5.130 Brückentypen [5.100] Balken-brücken

Gewölbe-brücken

Rahmen und Spreng-werkbrücken

Bogen-brücken

Hänge-brücken

Schrägseil-brücken

Weiterhin werden Brücken nach dem Herstellverfahren unterschieden, z. B. in Ortbetonbrücken und Fertigteil- bzw. Segmentbrücken. Die einzelnen Elemente einer Brücke lassen sich wiederum unter-gliedern in Überbau, Unterbau (z. B. Pfeiler, Widerlager, Gründung) und die Ausrüstung (z. B. Kappen, Lager, Fahrbahnübergang, Entwässerung, Geländer, Belag). Insbesondere die Ausrüstungselemente sind z. T. hoch beanspruchte Bauelemente und müssen wäh-rend der Nutzungsdauer einer Brücke ggf. mehrfach ausgetauscht werden.

Abb. 5.130 Hauptbestandteile einer Brücke

2 Bauverfahren im Brückenbau 2.1 Allgemeines Das Herstellverfahren ist auf die vorliegenden Rahmenbedingungen abzustimmen; dies sind z. B.: Gesamtlänge der Brücke und Brückenhöhe, Geologie und Baugrundverhältnisse, Größe und Anordnung der Stützweiten, einzuhaltende Lichtraumprofile, Topographie und Zugänglichkeiten (mögli-

che Baustraßen, Lagerplätze etc.), zu schützende Landschafts- oder Siedlungs-

bereiche, Bauen unter laufendem Verkehr, Bauzeit oder andere Terminvorgaben.

Bauverfahren 5.131

2.2 Konventionelles Lehrgerüst Konventionelle Lehrgerüste bestehen heutzutage meist aus Stahlkonstruktionen (z. B. Rüstträger und Rüststützen), auf die ein Schalungsgerüst aus Holz aufgeständert wird. Sie können ortsfest oder bei ebenem Gelände auch verfahrbar sein. Besonderes Augenmerk ist auf die Verformung des Lehrgerüsts und des Baugrunds bei der Betonage zu richten. Daher müssen Lehrgerüste überhöht werden. Um dem Eindruck eines „durchhängenden“ Überbaus vorzubeugen, wird i. Allg. eine Überhöhung des fertigen Überbaus von l/800 bis l/1000 unter Be-rücksichtigung der erwarteten Verformungen aus Baugrund und Traggerüst angestrebt. Lehrgerüste von Spannbetonbrücken müssen die freie Verform-barkeit des Überbaus beim Vorspannen gewährleis-ten (Lösen aus der Schalung).

Abb. 5.131a Lehrgerüst [5.101]

Geeignet für Brücken mit geringer Höhe über Gelände (bis ca. 15 m) und geringer Feldanzahl bzw. Brückenlänge

Geeignet bei veränderlichen Quer-schnittshöhen und -breiten

Weitgehend ebenes Gelände

2.3 Vorschubrüstung Die Vorschubrüstung ist ein freitragendes Gerüst, das nach dem Betonieren eines Abschnitts (i. Allg. eine Feldlänge) abgesenkt und in Längsrichtung verschoben werden kann. Die Vorschubrüstung bietet sich bei mehrfeldrigen Brücken mit gleich-bleibender Querschnittshöhe mit Längen ab etwa 250 m an. Die Arbeitsfugen sollten in der Nähe der Momentennullpunkte liegen. Die Rüstträger sind meist Stahl-Fachwerkkonstruktionen, deren Länge etwa dem zweifachen der Feldlänge entspricht und die entweder oberhalb oder unterhalb des Brücken-querschnitts angeordnet sind. Die Auflagerung er-folgt auf Rüsttürmen neben den Pfeilern, an den Pfeilern selber oder am bereits fertig gestellten und erhärteten Überbau.

Stützweiten zwischen 35 m und 50 m keine Beeinflussung des unter der Brücke be-

findlichen Geländes „mechanisiertes“ Schalungs- und Rüstsystem

Abb. 5.131b Feldweise Herstellung mit Vorschubrüstung

2.4 Taktschiebeverfahren Beim Taktschiebeverfahren wird der Überbau in einer meist hinter einem Widerlager liegenden Feldfabrik in Abschnitten (Takten) gefertigt. Die Taktlängen liegen üblicherweise zwischen 10 und 30 m. Beim Verschieben wird der Überbau mittels Hubpressen angehoben und mit Schubpressen in Längsrichtung verschoben bis der maximale Kol-benweg der Schubpresse erreicht ist. Dann wird der Überbau auf die Absetzsattel abgelassen, die Schubpresse eingezogen, und der Vorgang beginnt von neuem. Dabei gleitet der Überbau auf speziel-len teflonbeschichteten Verschiebelagern, die sich auf den Unterbauten befinden (Gleitpaarung Tef-lon/austenitischer Stahl mit 0,02).

Abb. 5.131c Taktschiebeverfahren [5.102, 5.103]

5.132 Straßenbrücken in Massivbauweise

Der jeweils neue Taktabschnitt wird monolithisch an den bereits bestehenden Querschnitt ange-schlossen. Da der Überbau beim Taktschieben alle Momentenzustände durchläuft, ist die zum Vor-schieben benötigte Vorspannung zentrisch geführt (Primärvorspannung). Im Endzustand werden wei-tere Spannglieder (Sekundärvorspannung) entspre-chend der Momentenbeanspruchung ergänzt.

Abb. 5.132a Längsschnitt und Querschnitt durch den Taktkeller [5.102, 5.103]

Üblicherweise Hohlkastenquerschnitt mit konstanter Querschnittshöhe

Spannweiten i.d.R. zwischen 30 und 55 m größere Stützweiten (bis 140 m) mit Hilfs-

stützen oder -pylon möglich (Abb. 5.132b) Linienführung sollte in Grund- und Aufriss

geradlinig sein oder mit annähernd kon-stantem Radius

Bei Brückenlängen über 100 m und bis über 1000 m Gesamtlänge wirtschaftlich einsetzbar [5.103]

Lange Brücken erfordern Anordnung von Zwischen-Pressenstationen

Verschub üblicherweise „bergauf“ Wochenzyklus für Produktion eines Taktes

Abb. 5.132b Taktschiebeverfahren mit Hilfspylon

2.5 Freivorbau Beim Freivorbau erfolgt die Herstellung des Über-baus im Waagebalkenprinzip von den Stützen aus-gehend in relativ kurzen Abschnitten („Wochen-takt“ etwa 3 bis 5 m) mit Hilfe eines Vorbau-gerüstes (Vorbauwagen). Nach dem Erhärten des Betons wird der Querschnitt vorgespannt, und der Vorbauwagen in Längsrichtung ans Kragarmende gefahren. Im Bauzustand besteht der Überbau aus zwei Kragträgern. Meist kommen gevoutete Hohl-kastenquerschnitte zum Einsatz, bei denen die Unterseite einer Parabelgleichung folgt. Zur Auf-nahme der Betondruckkräfte aus dem Krag-moment wird die Dicke der Bodenplatte im Stütz-bereich vergrößert. Der Lückenschluss in Feldmit-te wird meist biegesteif ausgeführt. Die Schnitt-größenumlagerungen infolge Kriechens und Schwindens des Betons sind konsequent zu be-rücksichtigen. Die Vorspannung für den Bauzu-stand (Kragarm) liegt in der oberen Fahrbahnplatte (Primärvorspannung). Kontinuitätsspannglieder (Sekundärvorspannung) werden nach Herstellung des Lückenschlusses in die Bodenplatte bzw. im Inneren des Kastens eingezogen und passen sich den Belastungen im Endzustand an. Während des Bauablaufes muss die Schalungs-form wegen der Schwind- und Kriechverformun-gen ständig kontrolliert und ggf. korrigiert werden.

Abb. 5.132c Prinzip des Freivorbaus [5.101]

Abb. 5.132d Vorspannung beim Freivorbau

Bauverfahren 5.133

Auch abgewandelte Bauformen, wie z. B. der ab-gespannte Freivorbau (Abb. 5.133a), sind möglich.

Spannweiten i.d.R. zwischen 60 und bis 300 m Bauzustand erfordert eine (zumindest temporä-

re) Einspannung des Überbaus in die Pfeiler bzw. bei Überbauten mit Lagern müssen Hilfs-stützen neben den Pfeilern angeordnet werden.

auskragende Überbauhälften erfordern Nach-weis der Lagesicherheit

zeitaufwändiger als andere Bauverfahren, Ein-satz z. B. über Gewässern, tiefen Tälern

Abb. 5.133a Abgespannter Freivorbau [5.102]

2.6 Bauverfahren mit Fertigteilen Die Vorteile der Fertigteilbauweise im Vergleich zur Ortbetonbauweise sind:

Wiederholfaktor bei baugleichen Elementen, kürzere Bauzeit, weitgehende Witterungsunabhängigkeit, Einsparungen an Schalungen und Rüstungen, i. Allg. höhere Ausführungsqualität.

Häufig ausgeführt werden Brücken mit nebenei-nander liegenden vorgefertigten Plattenbalken, die mit einer Ortbetonplatte nachträglich ergänzt wer-den (Abb. 5.133b). Diese Bauweise ist bei Über-führungen mit geringem Lichtraum und minimalen Sperrzeiten (siehe auch Abschnitt 3.3) sinnvoll. Bei sehr langen Hochstraßen kann auch die Vor-fertigung ganzer Brückenfelder erfolgen. Das Fer-tigteil wird mit einem speziellen Transportfahr-zeug über die fertig gestellte Brücke zum Ein-bauort transportiert und mit einem Verlegegerät auf die fertigen Pfeilerköpfe gesetzt (Abb. 5.133c). Damit die Überfahrt nicht bemessungsrelevant wird, ist die Spannweite auf etwa 40 m begrenzt.

Abb. 5.133d Segmentbauweise [5.104]

Abb. 5.133b Plattenbalkenbrücke mit Fer- tigteilen

Abb. 5.133c Fertigteile über ein ganzes Feld

Geeignete Transportmittel und Hebezeuge müssen vorhanden sein und wirtschaftlich betrieben werden.

Bei Transport über Straßen sind die „ge-nehmigungsfreien Größtabmessungen“ zu beachten (z. B. maximale Breite der Fertig-teile auf etwa 2,50 m begrenzt).

Brückenüberbauten können auch in Segmentbauweise hergestellt werden (Abb. 5.133d). Einzelne Segmente werden im Match-Cast-Verfahren (Kontaktverfahren) betoniert und zum Einbauort trans-portiert. Hier werden die Elemente mit Vorspannung zusammengespannt. Die Fugen können glatt oder verzahnt sowie verklebt oder trocken ausgeführt werden. In Deutschland ist dieses Verfahren aufgrund der nicht bewehrten Fugen nicht zugelassen.

Da bei allen Fertigteillösungen gegenüber einer reinen Ortbetonkonstruktion mehr Betonierfugen entstehen, die zu Rissen und Dauerhaftigkeitsproblemen (z. B. durch Eindringen von Tausalzen) führen können, ist eine sehr gute Planung und konstruktive Durchbildung sowie Bauausführung der Fugenbereiche unabdingbar.

5.134 Straßenbrücken in Massivbauweise

3 Querschnitte 3.1 Mindestabmessungen Tafel 5.134 Mindestabmessungen für Bauteildicken nach ZTV-ING, Teil 3, Abschnitt 2 Unterbauten Sauberkeitsschicht (Unterbeton)

Kammerwände an der Einspannstelle Wände und Rippen:

Wandhöhen ≤ 1,50 m Wandhöhen ≥ 4,00 m

Zwischenwerte sind geradlinig zu interpolieren

10 cm 30 cm unten und oben 30 cm unten 50 cm, oben 30 cm

Hohlpfeilerwände außen 30 cm, innen 20 cm Aussteifende horizontale Scheiben und Platten 15 cm

Überbauten nicht erdbe-rührt

Fahrbahnplatten und Platten über Fertigteilen (auch für Ortbetonergänzungen über Fertigteil-platten bei Stahlverbundbrücken)

20 cm

Fertigteilplatten für Ortbetonergänzungen 10 cm Kragplatten am Außenrand bei Quervorspannung 23 cm Untere Platten von Hohlkästen und Plattenbal-ken, Kragplatten am Außenrand ohne Quervor-spannung

18 cm

Flansche von Trägern 15 cm Obergurtflansche von Fertigteilen im Verbund mit Ortbetonplatte:

im Bauzustand am Rand im Bauzustand am Anschnitt

10 cm 12 cm

Untergurtflansche von Fertigteilen am Außen-rand

20 cm

Stege bei Hohlkästen und Plattenbalken1): Konstruktionshöhe ≤ 1,0 m Konstruktionshöhe ≥ 4,0 m

30 cm 50 cm

Überbauten nicht erdbe-rührt, extern vorgespannt

Stege bei Konstruktionshöhe ≤ 1,0 m Konstruktionshöhe ≥ 4,0 m

Hohlkasten1) 30 cm 40 cm

Plattenbalken1) 30 cm 50 cm

Überbauten, erdberührt

Rahmen, Gewölbe, Überbauten mit Überschüt-tung:

Ortbeton, Fertigteile 30 cm werksmäßig hergestellte Fertigteile 25 cm werksmäßig hergestellte Fertigteile für

Durchlässe mit lichten Weiten < 2,0 m 20 cm

Stützwände Wandhöhen über Fundamenten 1): < 1,50 m bei Einwirken von Verkehrslasten

nach DIN EN 1991 oder bei ansteigendem Gelände

unten und oben 30 cm

≥ 1,50 m 25 cm ≥ 4,00 m 20 cm

1) Bei werksmäßig hergestellten Fertigteilen kann die Bauteildicke um 5 cm verringert werden. Zwischenwerte sind geradlinig zu interpolieren.

Querschnitte 5.135

3.2 Massivplatten

Übliche Querschnittsabmessungen: 0,5 m < HK < 1,0 m (max. bis 1,5 m) d0 = 20–25 cm dK = 35–50 cm

System [5.105 u.a.]

Maximale Schlankheit (L/HK)

Wirtschaftliche Stützweite (L)

Stahlbeton Einfeldträger Stahlbeton Mehrfeldträger Spannbeton Einfeldträger Spannbeton Mehrfeldträger

10–15 15–20 15–20 20–30

bis 15 m bis 20 m

15 m–25 m 15–30 m (40 m gevoutet)

Massivplatten werden häufig für Brücken mit kleinen bzw. mittleren Spannweiten und komplizier-ten Grundrissverhältnissen (wie z. B. schiefwinklige Bauwerke, veränderliche Überbaubreiten, Krümmungen, unregelmäßige Berandung) verwendet. Durch die Kragarme an den Seiten wird die Steifigkeit der eigentlichen Platte erhöht. Ab einem Verhältnis von Stützweite L zur Plattenbreite B von L/B > 4 verhält sich die Platte wie ein Balken. Alle freien und unterstützen Ränder sind auf-grund der entstehenden Drillmomente durch Bewehrung einzufassen (verstärkter Plattenrand). Ab einem Winkel von φ < 70° muss der Ein-fluss der Schiefwinkligkeit erfasst werden [5.102]. In den stumpfen Ecken entstehen hohe Auflagerkräfte und in den spitzen Ecken geringere Auflagerkräfte, ggf. sogar Zugkräfte. Diese Effekte können durch eine nachgiebige Lagerung und die Anzahl der Lager verringert werden. Die Bewehrungsführung kann bei Winkeln von φ > 60° zur Vereinfachung der Ausfüh-rung kantenparallel erfolgen (Abb. 5.135 oben). Bei φ < 60° zusammen mit breiten Platten B/L ≥ 1,0 sollte ein rechtwinkliges Netz (x/y-parallel) verwendet werden (Abb. 5.135 unten). Grundsätzlich sollte die obere Netzbewehrung die gleiche Richtung haben wie an der Plattenunterseite.

Übliche Bauverfahren: Lehrgerüst

Abb. 5.135 Bewehrung schiefw. Platten [5.102]

Vor- und Nachteile [5.105]: anpassungsfähig an veränderliche Überbaubreiten, Krümmungen und Schiefwinkligkeit einfache Querschnittsform mit relativ geringer Betonoberfläche, geringem Schalungsaufwand,

einfacher Bewehrungsführung sowie einfacher Herstellung (Einbringen von Beton) gutes architektonisches Erscheinungsbild, geschlossene Untersicht für positive und negative Momenteneinwirkung in gleichem Maße geeignet hoher Eigengewichtsanteil, dadurch höhere Kosten für Lager und Unterbauten auf kurze bzw. mittlere Spannweiten beschränkt mit relativ großen zeitabhängigen Verformungen ungünstiges Verhältnis Eigengewicht zu Biegesteifigkeit bei sehr schiefwinkligen Brücken hohes Drillmoment mit abhebenden Lagerkräften im Bereich der

stumpfen Ecke möglich

Berechnungsverfahren: Längs- und Querrichtung: Üblich mit Hilfe der Finite-Element-Methode als Plattentragwerk.

5.136 Straßenbrücken in Massivbauweise

3.3 Plattenbalken Übliche Querschnittsabmessungen: 1,0 m < HK < 2,5 m l1 : l2 : l3 = 0,40–0,50 : 1,0 : 0,40–0,50 d0 = 20–25 cm; dK = 40–55 cm dV = 35–55 cm; dF = 25–35 cm

System [5.105 u.a.]

Maximale Schlankheit (L/HK)

Wirtschaftliche Stützweite (L)

Stahlbeton Einfeldträger Stahlbeton Mehrfeldträger Spannbeton Einfeldträger Spannbeton Mehrfeldträger

10–15 15–20 20–25 20–25

bis 20 m bis 25 m 20–45 m 20–50 m

Plattenbalkenbrücken bestehen aus Längsträgern, der Fahrbahnplatte und Querträgern. Die Längs-träger, auch als Hauptträger bezeichnet, transportieren die Last von Stützung zu Stützung, die Fahr-bahnplatte dient der Lastverteilung von Verkehrslasten auf der Brücke zu den Längsträgern und dient dem Längsträger als Obergurt. Sie steift auch die Brücke für Lasten in Querrichtung (Wind, Zentrifugallasten) aus. Die Tragwirkung des Plattenbalkens bzw. die Querverteilung auf die Längs-träger ist abhängig von der Biege- und Torsionssteifigkeit der Hauptträger, der Biegesteifigkeit und Spannweite der Fahrbahnplatte sowie der Spannweite der Hauptträger. Querträger verbinden die Längsträger in Quer-richtung und können als Pressenansatzpunkte für den Lagerwechsel genutzt werden. Heutzutage wer-den i.d.R. nur noch End- und Auflager- bzw. Stütz-querträger angeordnet (keine Feldquerträger mehr). Die Endquerträger dienen zur Unterbringung der Fahrbahnübergangskonstruktionen, zur Stützung der Fahrbahnplatte und zur Ableitung der Auflager- und Torsionskräfte, insbesondere bei indirekter Haupt-trägerlagerung. Wird auf die Stützquerträger ver-zichtet („querträgerlose Plattenbalken“), so muss das Zusammenwirken von Überbau und Unter-bauten stärker berücksichtigt werden. Bei Brückenbreiten bis etwa 10 m können ein-stegige Plattenbalken verwendet werden, die die exzentrischen Lasten über Torsion zu den Endquer-trägern leiten.

Abb. 5.136 Wirtschaftlich optimierte Steganzahl [5.100]

Bei größeren Breiten wählt man meist zwei Hauptträger im Abstand von etwa 5–8 m. Die Längsträ-ger sollten aus Eigengewicht nur geringe Torsionsmomente erhalten („ausgewogener Querschnitt“). Fertigteilbrücken haben aufgrund der Transportbreiten Stegabstände kleiner als 2,5 m.

Übliche Bauverfahren: Lehrgerüst, Vorschubrüstung, Fertigteile, Taktschiebeverfahren (selten)

Vor- und Nachteile [5.105]: geringeres Eigengewicht und größere Stützweiten möglich als bei Massivplatten ideal für Einfeldträger (große Druckzone), Einsatz von Fertigteilen möglich Erscheinungsbild, verdeckte Führung der Entwässerungsrohre bei mehrstegigen Plattenbalken geringere Torsionssteifigkeit und geringere Querverteilung der Verkehrslasten als Hohlkasten

Berechnungsverfahren: Längsrichtung: Üblich mit Hilfe der Finite-Element-Methode als Trägerrost: Längsträger als Stäbe, lastverteilende Platte als Stabelemente oder als Flächentragwerk (z. B. Platte). Querrichtung: Üblich mit Hilfe der Finite-Element-Methode als Platte oder mit Tabellenwerken.

Querschnitte 5.137

3.4 Hohlkasten

Übliche Querschnittsabmessungen [5.106 u. a.]: 2,4 m < HK < 4,0 m (bei gevouteten Quer-schnitten bis HK = 10 m im Stützbereich) min Hi > 1,9 m (Begehbarkeit) l1 : l2 : l3= 0,40–0,50 : 1,0 : 0,40–0,50 d0 = 20–25 cm; dK = 45–60 cm dV = 40–60 cm; dF = 25–35 cm

System [5.105 u.a.]

Maximale Schlankheit (L/HK)

Wirtschaftliche Stützweite (L)

Spannbeton im Lehrgerüst, Vor-schubrüstung, Taktschiebeverfahren mit Hilfspylon oder Hilfsstützen

20–30 35–100 m

Spannbeton im Taktschiebeverfahren ohne Hilfsstützen bzw. Pylone

13–15 35–60 m

Spannbeton im Freivorbau als gevou-teter Querschnitt

Stütze: 17–22 Feld: 35–50

bis 300 m

Hohlkastenüberbauten eignen sich für mittlere bis große Stützweiten. Das Tragsystem eines Hohl-kastens setzt sich zusammen aus: Fahrbahnplatte, Stege, Querträger (bevorzugt nur Stütz- und End-querträger) und untere Kastenplatte. Unsymmetrische Lasten führen zu folgenden Teil-beanspruchungen:

Umlauftorsion als St. Venant-Torsion mit konstantem Schubfluss (überwiegend), Wölbkrafttorsion am Brückenende, im Bereich von Querschotten und an den Angriffspunkten

von Einzellasten (in der Regel vernachlässigbar), Profilverformung bzw. Faltwerkwirkung (ruft Längsspannungen und Querbiegung hervor).

Bei Hohlkastenbrücken müssen nach DIN EN 1992-2/NA die Längsspannglieder entweder mit Verbund im Betonquerschnitt und ohne Verbund im Kasteninnern (Mischbauweise) oder alle außerhalb des Betonquerschnittes im Innern des Kastenquerschnittes (Vorspannung aus-

schließlich mit externen Spanngliedern) liegen. Die zulässige Spannkraft eines externen Spanngliedes sollte 3,0 MN nicht überschreiten. Bei der Mischbauweise sind Spannglieder in den Stegen nicht zulässig, und die Vorspannkraft der externen Spannglieder muss im Endzustand in jedem Überbauquerschnitt mind. 20 % der gesamten Vor-spannkraft betragen. Bei Vorspannung mit ausschließlich externen Spanngliedern muss an jedem Steg ein zusätzliches externes, umgelenktes Spannglied mit jeweils etwa 3,0 MN Spannkraft nach-gerüstet werden können. Bei der Mischbauweise sind zwei zusätzliche externe, umgelenkte Spann-glieder je Steg mit einer Spannkraft von jeweils ca. 3,0 MN für eine Nachrüstung vorzusehen.

Übliche Bauverfahren: Vorschubrüstung, Taktschiebeverfahren, Freivorbau

Vor- und Nachteile [5.105]: geringes Eigengewicht, größere Stützweiten möglich als bei Platte und Plattenbalken hohe Torsions- und Biegesteifigkeit, ermöglicht Ausbildung schiefwinkliger und gekrümmter

Bauwerke, für positive und negative Momenteneinwirkung in gleichem Maße geeignet Erscheinungsbild, große Schlankheiten möglich, durchgehende Untersicht, Entwässerungslei-

tungen im Innern, Begehbarkeit für Wartungszwecke sehr hoher Schalungsanteil, i. Allg. abschnittsweises Betonieren notwendig komplexe Bewehrungsführung in den Knotenpunkten (Steg-Gurtplatten)

Berechnungsverfahren: Längsrichtung: Üblich mit Hilfe der Finite-Element-Methode als Stabtragwerk, wenn geometrische Bedingungen nach Abschnitt 5.4.1 eingehalten sind. Querrichtung: Üblich mit Hilfe der Finite-Element-Methode als Faltwerk oder mit Tabellenwerken.