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5 Freie Elektronen 5.1 Klassische Beschreibung 5.1.1 Metalle und ihre Eigenschaften 19+ 19+ 19+ 19+ 18- 18- 18- 18- 19+ 19+ 19+ 19+ 18- 18- 18- 18- Abbildung 5.1: Metallische Bindung. In diesem Kapitel soll in erster Linie der Versuch un- ternommen werden, das Verhalten von Elektronen in Metallen zu beschreiben. Die metallische Bindung stellt zwar nur eine von 5 Grundtypen der Bindung in Festkörpern dar, sie ist jedoch sehr weit verbreitet: mehr als 2/3 der Elemente sind Metalle. Metalle enthalten zwei Arten von Elektronen. Die meisten Elektronen sitzen in tief liegenden Orbita- len der konstituierenden Atome, welche praktisch an den entsprechenden Atomen lokalisiert sind. Dane- ben trägt jedes Atom eine geringe Zahl (typischer- weise 1-3) Leitungselektronen bei, welche sich prak- tisch frei durch das Material bewegen, dieses jedoch nicht verlassen können. Diese frei beweglichen Leitungselektronen sind für die charakteristischen Eigenschaften der Metalle verantwortlich, welche sie gegenüber den weiter ver- breiteten nichtmetallischen Verbindungen auszeich- nen. Zu diesen charakteristischen Eigenschaften ge- hören die gute Leitfähigkeit für Elektrizität und Wär- me, sowie der Glanz von metallischen Oberflächen. Sowohl das klassische Modell (Kap. 5.1), wie auch das quantenmechanische (Kap. 5.2) beschreiben die Metalle im Wesentlichen über freie Elektronen, wel- che in einen Potenzialtopf eingesperrt sind, des- sen Ränder den Rändern des Kristalls entsprechen. Dieses Modell der freien Elektronen eliminiert je- de Wechselwirkung zwischen Elektronen mit Aus- Elektrische Leitfähigkeit Metallglanz Pyrit (FeS) Cobaltin (CoAsS) Wärmeleitfähigkeit Abbildung 5.2: Beispiele von Metallen und metall- typischen Eigenschaften. nahme des Pauli-Prinzips. Die Wechselwirkung der Elektronen mit Atomrümpfen wird zunächst eben- falls nicht berücksichtigt und erst in einer zweiten Stufe (im Kapitel 6) als ein periodisches Potenzial berücksichtigt, welches die gleiche Periode wie das Gitter aufweist. Trotz dieser extremen Vereinfachun- gen kann das Modell freier Elektronen erstaunlich viele Aspekte der Metalle erklären. 5.1.2 Das Drude-Modell Die klassische Theorie entstand drei Jahre nach der Entdeckung des Elektrons durch J.J. Thomson (1897). Im 19. JH hatte die kinetische Gastheorie eine befriedigende Erklärung für viele bekannte Ef- fekte im Bereich der Thermodynamik geliefert. Dies mag ein Motiv gewesen sein dafür, dass P. Drude 1 die Elektronen in einem Metall als Gas modellier- te 2 . Seine Annahme war, dass die äußersten Elektro- nen jedes Atoms sich im Metall praktisch frei be- wegen können. Zu diesen Leitungselektronen tragen die Atome, welche das Gitter bilden normalerweise 1 Paul Drude (1863-1906) 2 P. Drude, Annalen der Physik 1, 566 und 3, 369 (1900). 123

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5 Freie Elektronen5.1 Klassische Beschreibung

5.1.1 Metalle und ihre Eigenschaften

19+ 19+ 19+ 19+18- 18- 18- 18-

19+ 19+ 19+ 19+18- 18- 18- 18-

Abbildung 5.1: Metallische Bindung.

In diesem Kapitel soll in erster Linie der Versuch un-ternommen werden, das Verhalten von Elektronen inMetallen zu beschreiben. Die metallische Bindungstellt zwar nur eine von 5 Grundtypen der Bindungin Festkörpern dar, sie ist jedoch sehr weit verbreitet:mehr als 2/3 der Elemente sind Metalle.

Metalle enthalten zwei Arten von Elektronen. Diemeisten Elektronen sitzen in tief liegenden Orbita-len der konstituierenden Atome, welche praktisch anden entsprechenden Atomen lokalisiert sind. Dane-ben trägt jedes Atom eine geringe Zahl (typischer-weise 1-3) Leitungselektronen bei, welche sich prak-tisch frei durch das Material bewegen, dieses jedochnicht verlassen können.

Diese frei beweglichen Leitungselektronen sind fürdie charakteristischen Eigenschaften der Metalleverantwortlich, welche sie gegenüber den weiter ver-breiteten nichtmetallischen Verbindungen auszeich-nen. Zu diesen charakteristischen Eigenschaften ge-hören die gute Leitfähigkeit für Elektrizität und Wär-me, sowie der Glanz von metallischen Oberflächen.

Sowohl das klassische Modell (Kap. 5.1), wie auchdas quantenmechanische (Kap. 5.2) beschreiben dieMetalle im Wesentlichen über freie Elektronen, wel-che in einen Potenzialtopf eingesperrt sind, des-sen Ränder den Rändern des Kristalls entsprechen.Dieses Modell der freien Elektronen eliminiert je-de Wechselwirkung zwischen Elektronen mit Aus-

Elektrische Leitfähigkeit

Metallglanz

Pyrit (FeS)

Cobaltin (CoAsS)

Wärmeleitfähigkeit

Abbildung 5.2: Beispiele von Metallen und metall-typischen Eigenschaften.

nahme des Pauli-Prinzips. Die Wechselwirkung derElektronen mit Atomrümpfen wird zunächst eben-falls nicht berücksichtigt und erst in einer zweitenStufe (im Kapitel 6) als ein periodisches Potenzialberücksichtigt, welches die gleiche Periode wie dasGitter aufweist. Trotz dieser extremen Vereinfachun-gen kann das Modell freier Elektronen erstaunlichviele Aspekte der Metalle erklären.

5.1.2 Das Drude-Modell

Die klassische Theorie entstand drei Jahre nachder Entdeckung des Elektrons durch J.J. Thomson(1897). Im 19. JH hatte die kinetische Gastheorieeine befriedigende Erklärung für viele bekannte Ef-fekte im Bereich der Thermodynamik geliefert. Diesmag ein Motiv gewesen sein dafür, dass P. Drude1

die Elektronen in einem Metall als Gas modellier-te2. Seine Annahme war, dass die äußersten Elektro-nen jedes Atoms sich im Metall praktisch frei be-wegen können. Zu diesen Leitungselektronen tragendie Atome, welche das Gitter bilden normalerweise

1Paul Drude (1863-1906)2P. Drude, Annalen der Physik 1, 566 und 3, 369 (1900).

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ein bis drei Elektronen bei. Diese Elektronen sind imgesamten Kristall frei beweglich, wobei die positivgeladenen Atomrümpfe ein Potenzial bilden.

+ + + + +

+ + + + +

+ + + + +

Atomrümpfe:- klein- statisch-

--

-

Valenzelektronen:- ballistische Bewegung- kurze Stöße

Abbildung 5.3: Das Drude-Modell des freien Elek-tronengases.

Nach Drude verhalten sich diese Elektronen ähnlichwie ungeladene Teilchen in einem klassischen Gas:

• Die Atomrümpfe sind klein und statisch.

• Die Elektronen sollen eine freie Weglänge zwi-schen Stößen haben, welche vielen Gitterkon-stanten entspricht.

• Zwischen den Stößen ist die Bewegung frei,d.h. unabhängig von den anderen Elektronen(unabhängige Elektronen) und von den Atom-rümpfen (freie Elektronen). Sind äußere Feldervorhanden, so beeinflussen diese die Bewegungwie in der Mechanik und Elektrodynamik dis-kutiert.

• Stöße finden im Drude-Modell vor allem mitden Ionenrümpfen statt; Stöße zwischen Elek-tronen sind sehr selten. Die Stöße werden alskurz angenommen und die Geschwindigkeit derElektronen nach dem Stoß ist unabhängig vonder Geschwindigkeit vor dem Stoß, sondernwird durch die Temperatur des Kristalls be-stimmt.

5.1.3 Ergebnisse

Mit Hilfe dieses einfachen klassischen Modells kön-nen unterschiedliche Aspekte der Phänomenolo-gie von Metallen erklärt werden. Beispiele dafürsind die Herleitung der qualitativen Aspekte desOhm’schen Gesetzes, oder die Beziehung zwischen

elektrischer und thermischer Leitfähigkeit. Wir dis-kutieren diese Resultate jedoch nicht im Rahmen desklassischen Modells, sondern erst nach der Einfüh-rung des quantenmechanischen Modells.

Element Z n (1022/cm3) r (Å)Li (78 K) 1 4.70 1.72Na (5K) 1 2.65 2.08K (5K) 1 1.40 2.57Be 2 24.7 0.99Mg 2 8.61 1.41Al 3 18.1 1.1Ga 3 15.4 1.16

Tabelle 5.1: Anzahl Z freier Elektronen pro Atom,Dichte n des Elektronengases und mitt-lerer Abstand r zwischen den Leitungs-elektronen für verschiedene Elemente.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Elek-tronengas eines Metalls und einem echten Gas istdie Dichte: Im Vergleich zu einem echten Gas ist dieDichte des Elektronengases um rund einen Faktor1000 größer: Pro Leitungselektron steht lediglich einVolumen zur Verfügung das etwa einem Atomvolu-men entspricht. Für ein Atom mit Radius 2 Å erhältman ein Volumen von ca. 3 ·10�29m3, entsprechendeiner Teilchendichte von 3 · 1028m�3. Dies ist einetypische Größenordnung (ca. 1 � 20 · 1028m�3, sie-he Tabelle 5.1). Im Vergleich dazu nimmt ein idea-les Gas unter Normalbedingungen ein Volumen von22,4 l ein. Pro Atom steht somit ein Volumen von

Vag =22,4 ·10�3

6 ·1023 m3 = 4 ·10�26 m3

zur Verfügung.

Die positiv geladenen Atomrümpfe sind relativ kleinund füllen lediglich einen kleinen Teil des Raumes.Bei Natrium umfasst das Volumen der Atomrümp-fe rund 15 % des gesamten Festkörpervolumens; beiEdelmetallen wie Ag und Au, wo auch kovalente Ef-fekte zur Bindung beitragen, steigt der Anteil. DieKerne sind aber sehr viel schwerer als die Elektro-nen und bleiben unbeweglich auf ihren Plätzen.

5.1.4 Grenzen des Drude-Modells

Wie bei der Diskussion der Gitterschwingungen ge-langt man aber auch bei den Elektronen im Rah-

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men der klassischen Physik sehr bald an eine Gren-ze, ab der ein wirkliches Verständnis nur mit Hilfeder Quantenmechanik erreicht werden kann. Zu denqualitativen Unterschieden zwischen den Voraussa-gen der klassischen und der quantenmechanischenTheorie gehört die Berechnung der Stöße, die einElektron bei der Durchquerung des Kristalls erlei-det. Im klassischen Bild würde man eine große An-zahl Stöße mit den Gitteratomen erwarten. Experi-mentell findet man, dass die Distanz, über die sichdie Elektronen frei bewegen können, von der Quali-tät des Kristalls abhängt, sowie von der Temperatur.Während in gewöhnlichen Metallen bei Raumtem-peratur (z.B. Kupferdrähte) die Elektronen nach we-nigen Gitterperioden gestreut werden und sich des-halb insgesamt diffusionsartig bewegen, kann beitiefen Temperaturen und guten Kristallen die mitt-lere freie Weglänge größer als die Kristalldimensi-on werden. Aus experimentellen Daten ist bekannt,dass die freie Weglänge bis zu einem Zentimeter be-tragen kann. In diesem Fall bewegt sich somit dasElektron ohne Streuung durch rund 108 atomare La-gen; offenbar breiten sie sich dann ballistisch, alsoohne Streuung im Kristall aus.

Weitere experimentelle Befunde, die mit demDrude-Modell nicht erklärt werden konnten, waren

• Die Temperaturabhängigkeit der elektrischenund thermischen Leitfähigkeit.

• In einem idealen Gas sollten die Elektroneneinen Beitrag 3/2RT zur spezifischen Wärmeliefern; der experimentell beobachtete Beitragist um rund 2 Größenordnungen kleiner.

Ein klassisches Modell, welches (teilweise) erklä-ren kann, welche Elemente metallischen Charakterhaben, wurde 1927 durch Herzfeld vorgeschlagen3.Ein wirkliches Verständnis ist jedoch nur im Rahmeneiner quantenmechanischen Behandlung möglich.

3Phys. Rev. 29, 701-705

5.2 Das quantenmechanische Modell

5.2.1 Das Sommerfeld-Modell

Die wichtigsten Beschränkungen des Drude Modellskönnen dadurch überwunden werden, dass man dieElektronen als quantenmechanische Teilchen, d.h.als Teilchen mit Wellencharakter behandelt. Ein ent-sprechendes Modell wurde 1928 von Sommerfeldvorgeschlagen, kurz nach der Entdeckung des Pauli-Prinzips. Damit gelang es, die wichtigsten Inkonsi-stenzen des Drude-Modells aufzulösen.

Ein Festkörper umfasst rund 1020 miteinander wech-selwirkende Teilchen. Natürlich ist die exakte Be-handlung eines solchen Systems nicht möglich. DasSommerfeld-Modell macht deshalb zunächst einigedrastische Vereinfachungen: es lässt die Wechsel-wirkungen zwischen den Elektronen wie auch vonKernen zu Elektronen vollständig weg und betrach-tet zunächst nur freie und unabhängige Elektronen.Ihre Zustände sind somit auch nur Einelektronen-Zustände, die als Orbitale bezeichnet werden.

Ort x

Ener

gie

E Metall

VakuumVakuum

Abbildung 5.4: Potenzial für Elektronen imSommerfeld-Modell.

Damit brauchen wir lediglich freie Elektronen in ei-nem (unendlich ausgedehnten) Kristall zu betrach-ten. Die Ränder des Kristalls sind Potenzialwände.Als Eigenzustände solcher freier Elektronen kannman bekanntlich ebene Wellen verwenden; diesesind allerdings im gesamten Raum nicht normier-bar. Man kann zu normierbaren Funktionen gelan-gen, indem man periodische Randbedingungen ein-führt. Die entsprechende Periode, welche groß ge-gen die Gitterkonstante sein sollte, kann anschlie-ßend gegen Unendlich geführt werden.

Die Atomrümpfe bilden ein Hintergrundpotenzial.Sie bestehen aus den Kernen plus den stark gebun-

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denen Elektronen in den gefüllten Schalten. Je nachMetall sind diese Rümpfe relativ klein und weit von-einander entfernt, oder sie berühren sich und bildenteilweise kovalente Bindungen.

Das Sommerfeld’sche Modell der freien Elektronenpasst am besten auf die Alkalimetalle. Hier entspre-chen die Atomrümpfe den abgeschlossenen Schalenmit Edelgaskonfiguration, das eine Valenzelektronim s-Orbital ist das freie Elektron, welches ein Lei-tungsband mit s-Charakter bildet.

Abbildung 5.5: Aufbau des Planeten Jupiter.

Wasserstoff, das leichteste und häufigste Elementdes Universums, gehört zur gleichen Gruppe des Pe-riodensystems wie die Alkaliatome. Gemäß theoreti-schen Vorhersagen sollte es bei hohen Drücken me-tallisch werden. Man geht deshalb davon aus, dassder Jupiter zu einem großen Teil aus metallischemWasserstoff besteht. Versuche, auf der Erde Was-serstoff in die metallische Form zu bringen, habenjedoch bisher keine eindeutigen Resultate geliefert.Theoretische Vorhersagen gehen davon aus, dass da-für Drücke im Bereich von 500 GPa (5 · 106 atm)notwendig sind.

5.2.2 Das Teilchen im Potenzialtopf

Um die quantenmechanischen Zustandsfunktionender Elektronen im Kristall zu bestimmen, rekapitu-lieren wir zunächst das Problem eines Teilchens ineinem eindimensionalen Potenzialtopf. Wie bei derDiskussion der Phononen führen wir zunächst Rand-bedingungen ein, welche in erster Linie dazu dienen,

die Zustände zu normieren und die Zustandsdichtezu berechnen.

V

0 L x

λ = 2L

λ = L

λ = 2L/39

4

1

Abbildung 5.6: Eindimensionaler Potentialtopf.

Das Potenzial verschwindet auf der Strecke [0,L]und ist unendlich hoch außerhalb. Der Hamiltonope-rator dieses Systems beinhaltet im Bereich [0,L] le-diglich die kinetische Energie

H =p2

2m= � h2

2md2

dx2 .

Die Eigenfunktionen dieses Operators sind die ebe-nen Wellen

Yk = eikx

oder

Yk = a sinkx+b coskx

und die Eigenwerte sind

Ek =h2k2

2m=

p2

2m.

Das Potenzial kann am einfachsten über die Randbe-dingung berücksichtigt werden, dass

Y(x 0) = Y(x � L) = 0

sein muss. Damit sind die Lösungen

Yn = A sin⇣

np

xL

und die entsprechende Energie

En =h2

2m

⇣np

L

⌘2.

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Die Amplitude A ergibt sich aus der Normierungs-bedingung

Z L

0|Y(x)|2dx = |A2|L

2= 1

zu A =p

2/L.

Wenn sich mehrere Elektronen in diesem Potenzialbefinden und wir deren elektrostatische Wechselwir-kung zunächst vernachlässigen, so kann gemäß demAusschließungsprinzip von Pauli jeder dieser Zu-stände mit zwei Elektronen mit entgegen gesetztemSpin besetzt werden. Das Gesamtsystem ist demnachim Grundzustand wenn die niedrigsten N/2 Zustän-de mit jeweils 2 Elektronen besetzt sind.

5.2.3 Drei Raumdimensionen

In Kristallen entspricht der Potenzialtopf der Rand-bedingung, dass die Elektronen sich innerhalb desKristalls befinden müssen. Wir berücksichtigen dieswiederum über periodische Randbedingungen

Y(x,y,z) = Y(x+L,y,z) = Y(x,y+L,z)= Y(x,y,z+L),

wobei L groß gegenüber einer Einheitszelle sein soll.

Im dreidimensionalen Raum lautet der Hamilton-operator für ein freies Elektron

H = � h2

2m

✓d2

dx2 +d2

dy2 +d2

dz2

◆.

Elektronen in einem Potenzialtopf mit KantenlängeL haben dann die Zustände

Yn = Asin✓

2p

Lnxx

◆sin

✓2p

Lnyy

◆sin

✓2p

Lnzz

und Energien

En =h2k2

2m=

h2

2m�k2

x + k2y + k2

z�

=h2

2m

✓2p

L

◆2 �n2

x +n2y +n2

z�. (5.1)

Alternativ können komplexe Zustände (ebene Wel-len) verwendet werden:

Y~k(~r) = ei~k·~r ~k =2p

L

0

@nxnynz

1

A . (5.2)

Da wir uns hier in einem endlichen Bereich (mit Vo-lumen L3) befinden, sind diese Zustände normierbarund die möglichen k-Werte diskret. Die Energie die-ser Zustände ist die gleiche wie in (5.1). Der Impulseines Elektrons in diesem Zustand ist ~p = h~k und sei-ne Geschwindigkeit~v = h~k/m. Wir verwenden dieseZustände als Basisfunktionen für die Beschreibungvon Elektronen in einem Kristall der Kantenlänge L.

Nach Gl. (5.2) sind die Zustände gleichmäßig imk�Raum verteilt. Die Energie steigt proportionalzum Quadrat des Impulses.

5.2.4 Fermi-Kugel

Wir untersuchen nun die Frage, welche dieser Zu-stände besetzt sind. Da Elektronen einen Spin ½ be-sitzen, unterliegen sie der Fermi-Dirac Statistik undjeder räumliche Zustand kann maximal von 2 Elek-tronen mit entgegengesetztem Spin besetzt sein.

2ʌ/L

k

E

EFZustände leer

N Zustände besetzt

Fermi Energie

Abbildung 5.7: Links: Zustände im k-Raum; rechts:Besetzung der Zustände bei T = 0.

Am absoluten Nullpunkt besetzen N Elektronen dieN/2 energetisch niedrigsten Zustände. Da die Ener-gie (im Rahmen dieses Modells) nur vom Betragdes Impulses abhängt, bilden diese Zustände im k-Raum eine Kugel. Um die besetzten Zustände zu fin-den, bestimmen wir zunächst die Zahl, respektive dieDichte der Zustände im Impulsraum.

Für periodische Randbedingungen ist der Impuls-raum diskret, mit Einheitszellen der Seitenlänge2p/L. Die besetzten Zustände füllen in diesem

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Volumen pro Punkt im k-Raum:

kF

kz

kx

ky

Fermifläche

✓2�

L

◆3

Zustände mit k<kF

Abbildung 5.8: Fermikugel.

Raum eine Kugel, deren Radius wir mit kF bezeich-nen. Das Volumen dieser Kugel beträgt k3

F4p/3.

Die Anzahl der Zustände in dieser Kugel, d.h. dieZahl der besetzten Zustände, muss der Zahl der Elek-tronen entsprechen. Wir setzen somit die Zahl derElektronen gleich der doppelten (Spin!) Zahl derModen. Diese berechnen wir, indem wir das gesamteVolumen der Kugel durch das Volumen pro Zustanddividieren,

N = 24p

3 k3F� 2p

L

�3 =V k3

F3p

2 . (5.3)

Bei N Elektronen muss damit der Radius der Kugel

kF =3

r3p

2NV

sein.

5.2.5 Fermi-Energie

Die Energie der Elektronen mit Impuls hkF beträgt

EF =h2k2

F2m

=h2

2m

✓3p

2NV

◆ 23

(5.4)

und wird als Fermi-Energie bezeichnet. Die Fermi-Energie ist somit die Energie der Elektronen imhöchsten besetzten Einelektronenzustand. In derFermi Energie tritt die Anzahl Elektronen und dasVolumen nicht mehr unabhängig auf, sondern sie

hängt lediglich von der Dichte n = N/V der Elek-tronen ab. Die Elektronendichte kann aus der Mas-sendichte und der Atommasse berechnet werden:

n =NV

= NAZ r

A,

mit NA der Avogadro-Zahl, r der Dichte des Materi-als, Z der Zahl der freien Elektronen pro Atom undA der Atommasse.

Tabelle 5.2: Dichte der freien Elektronen in Metal-len.

Aus der Dichte n der freien Elektronen kann manauch den mittleren Abstand rs zwischen ihnen be-rechnen, analog zum Drude-Modell. Wenn man dasVolumen pro Elektron schreibt als

1n

=VN

=4p

3r3

s ,

dann wir der Radius rs dieser Kugel zu

rs = 3

r3

4pn.

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Tabelle 5.2 listet neben der Dichte der freien Elektro-nen ebenso den Parameter rs. Dieser kann verglichenwerden mit dem Bohr-Radius a0 ⇡ 0,5 Å.

Tabelle 5.3: Beispiele von Fermi-Energien.

Nach Gleichung (5.4) sollte die Fermienergie mitder Dichte der Elektronen zunehmen. Tabelle 5.3zeigt, dass die experimentellen Werte dies bestäti-gen. Typische Größenordnungen für die Elektronen-zahldichte liegen bei 1029 m�3, für die Fermienergiebei 10 eV.

Häufig parametrisiert man die Fermi-Energie auchüber die Temperatur:

kBTF = EF .

Typische Werte für die Fermi-Temperatur liegen bei105 K, also bei Temperaturen weit oberhalb desSchmelzpunktes. Somit ist T ⌧ TF immer eine sehrgute Näherung.

Da die Fermienergie vom Volumen abhängt, EF µV �2/3, steht das System unter einem effektivenDruck, welcher als Ableitung der Energie nach demVolumen berechnet werden kann,

p = �dUdV

=23

UV

.

Dieser Fermidruck tritt auch bei anderen Fermionenauf. Er ist z.B. dafür verantwortlich, dass Neutronen-sterne bis zu einer gewissen Größe dem Gravitati-onsdruck standhalten können.

Wenn wir den Impuls der Elektronen in eineGeschwindigkeit umrechnen, erhalten wir für dieGeschwindigkeit der Elektronen an der Fermi-Oberfläche

vF =hkF

m=

hm

3

r3p

2NV

.

Typische Werte liegen im Bereich von 106 m/s, alsobei 0.003 c. Allerdings sollte man dies nicht mit ei-nem entsprechend schnellen Massentransport asso-ziieren.

Insgesamt ist die kinetische Energie der Leitungs-elektronen deutlich niedriger als die entsprechendekinetische Energie in einem isolierten Atom. DieseAbsenkung der kinetischen Energie ist im Wesentli-chen für die metallische Bindung verantwortlich.

5.2.6 Zustandsdichte

Eine wichtige Größe ist die Zustandsdichte, d.h. dieAnzahl quantenmechanischer Zustände in einem be-stimmten Volumen. Da die Elektronen gleichmäßigüber den ganzen Raum verteilt sind, ist die Zustands-dichte im direkten (gewöhnlichen) Raum konstant.Im reziproken Raum (k-Raum) ist die Zustandsdich-te ebenfalls konstant, wie in Kap. 5.2.4 gezeigt.

Anders sieht es aus, wenn wir die Anzahl Zustän-de als Funktion des Betrages des k-Vektors betrach-ten. Für die Berechnung dieser Zustandsdichte be-stimmen wir zunächst die Anzahl Zustände, derenWellenzahl kleiner als k ist. Laut Gl. (5.3) ist dies

Nk =V k3

3p

2 .

Daraus können wir die Dichte der Zustände berech-nen in der Umgebung eines Wellenvektors k, d.h. ineiner Kugelschale mit Radien k und k +dk:

dNk

dk=

k2Vp

2 .

Außerdem interessiert die Zustandsdichte im Ener-gieraum. Mit

E =h2k2

2m! k2 =

2mE

h2

erhalten wir für die Anzahl Zustände mit Energiekleiner als E

N(E ) = V(2mE )3/2

3p

2h3

129

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und daraus die Zustandsdichte im Energieraum

dN(E )

dE= V

(2m)3/2

3p

2h3d

dEE 3/2

=

p2V m3/2

p

2h3

pE . (5.5)

p2V m3/2

�2�3

pE

dN(E)

dE

E

dNdk

|k|

k2Vπ2

Abbildung 5.9: Zustandsdichte im k-Raum (links)und im Energieraum (rechts).

Die Zustandsdichte steigt also proportional zur Wur-zel aus der Energie; sie verschwindet beim Null-punkt und ist proportional zum Volumen V des Kri-stalls. Abb. 5.9 zeigt die entsprechenden Größen.

5.3 Thermodynamik desElektronengases

Das Drude-Modell benutzt die klassische Thermo-dynamik für die Berechnung der Geschwindigkeits-verteilung der Elektronen. Dies wäre aber nicht mitdem Pauli-Prinzip vereinbar. Dies wird korrigiertdurch die Fermi-Dirac Statistik.

5.3.1 Besetzungswahrscheinlichkeit

Am absoluten Nullpunkt sind die Zustände bis zurFermienergie mit jeweils zwei Elektronen mit ent-gegengesetztem Spin besetzt, die darüber liegendenZustände sind leer. In Wirklichkeit befinden sich dieElektronen jedoch immer bei endlicher Temperaturund sind somit thermisch angeregt.

Dieses System kann zusätzliche Energie aufnehmenwenn ein Elektron aus einem Niveau unterhalb der

E

D(E)

EF

T=0

E

D(E)

EF

T>0

Abbildung 5.10: Besetzungswahrscheinlichkeit derZustände bei T = 0 (links) und T >0 (rechts).

E�i

Abbildung 5.11: Beispiel eines N-Elektronen Zu-stands, mit unterschiedliche be-setzten 1-Elektronenzuständen derEnergie Ei.

Fermikante in eines oberhalb angeregt wird. Abb.5.10 zeigt qualitativ diese Umverteilung.

Wir bestimmen nun die Wahrscheinlichkeit, dass einZustand mit gegebener Energie E bei einer Tempera-tur T besetzt ist. Dabei ist es nicht möglich, die Elek-tronen einzeln zu betrachten, da die Besetzung derEinelektronenzustände aufgrund des Pauliprinzipsstark aneinander gekoppelt ist. Wir diskutieren des-halb im Folgenden nicht 1-Elektronenzustände, son-dern N-Elektronenzustände. Abb. 5.11 zeigt einensolchen Zustand, welcher als Produktzustand vonEinelektronenzuständen gegeben ist.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein N-Elek-tronenzustand mit Energie E besetzt ist, beträgt

PN(E ) =e�E /kBT

Âa

e�Ea

/kBT . (5.6)

Die Summe im Nenner läuft über alle möglichen Zu-stände. Sie ist aus der statistischen Thermodynamikals Zustandssumme bekannt uns kann geschriebenwerden als

Âa

e�Ea

/kBT = e�F/kBT = e�(U�T S)/kBT ,

wobei F die Helmholtz’sche freie Energie, U dieinnere Energie und S die Entropie des Systems

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darstellt. Wir können deshalb die Besetzungswahr-scheinlichkeit auch schreiben als

PN(E ) = e�E /kBT eF/kBT = e�(E �F)/kBT .

In der Praxis kennt man leider den N-Elek-tronenzustand nicht. Experimentell zugänglich isthingegen die Besetzungswahrscheinlichkeit fi füreinen Einelektronenzustand i (Spin-Orbital).

Diesen berechnet man aus der Verteilung (5.6) durchSummation über alle N-Elektronenzustände, in de-nen der Zustand i besetzt ist,

f Ni = Â

b

PN(E Nb

).

b läuft über alle Zustände, in denen das i-te Orbitalbesetzt ist.

Der Zustand i ist entweder besetzt oder leer. Somitkann man die Besetzungswahrscheinlichkeit auchals die Differenz zwischen 1 und der Wahrschein-lichkeit für Nichtbesetzung schreiben:

f Ni = 1�Â

g

PN(E Ng

),

wobei die Summe jetzt über diejenigen Zuständeläuft, bei denen der Zustand i nicht besetzt ist.

Im Modell freier Elektronen ist die Gesamtenergiedes N-Elektronen Zustandes durch die Summe derEnergien der besetzten 1-Elektronen Zustände ge-geben. Wir drücken jetzt die Energie E N

g

des N-Elektronenzustands mit leerem Zustand i aus durchdie Energie des entsprechenden N + 1-ElektronenZustandes, in dem der Zustand i besetzt, ist mi-nus die Energie des entsprechenden Elektrons, E N

g

=

E N+1b

� ei. Damit wird

f Ni = 1�Â

b

PN(E N+1b

� ei), (5.7)

wobei ei die Energie des Einelektronenzustands idarstellt.

5.3.2 Die Fermi-Dirac Verteilung

Das Verhältnis der Besetzungswahrscheinlichkeitenfür den N-Elektronenzustand und den N +1 Elektro-

nenzustand beträgt

PN(E N+1b

� ei)

PN+1(EN+1

b

)=

e�E N+1

b

�ei�FN

kBT

e�E N+1

b

�FN+1

kBT

= eei�µ

kBT , (5.8)

wobei

µ = FN+1 �FN

das chemische Potenzial darstellt, d.h. die Ableitungder freien Energie nach der Teilchenzahl,

µ =∂U∂N

.

Diese thermodynamische Zustandsvariable gibt an,wie stark sich die Energie des Systems ändert, wenndie Teilchenzahl N (hier: die Zahl der Elektronen)um eins ändert. Die Besetzungswahrscheinlichkeithängt also davon ab, ob der Zustand i oberhalb oderunterhalb des chemischen Potenzials liegt.

Aus (5.8) erhalten wir für den Summanden in (5.7)

PN(E N+1b

� ei) = eei�µ

kBT PN+1(EN+1

b

).

Wir setzen dieses Resultat in die Summe ein und er-halten

f Ni = 1� e

ei�µ

kBT Âb

PN+1(EN+1

b

).

Diese Summe ist aber gerade die Besetzungswahr-scheinlichkeit f N+1

i für den i-ten Zustand in einemSystem mit N +1-Elektronen:

f Ni = 1� e

ei�µ

kBT f N+1i .

Wir können diese Form vereinfachen, wenn wir an-nehmen, dass die Besetzungswahrscheinlichkeit sichdurch die Veränderung der Elektronendichte um einElektron (also relativ um ⇡ 10�23) nicht wesentlichändert. Wir können dann f N+1

i ersetzen durch f Ni .

Auflösen der Gleichung nach f Ni ergibt

f Ni =

1e(ei�µ)/kBT +1

.

Dies ist die Fermi-Dirac Verteilung, d.h. die Be-satzungswahrscheinlichkeit für Fermionen in einem

131

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5 Freie Elektronen

Zustand der Energie ei. Der Term +1 im Nennerstellt sicher, dass die Funktion nicht größer als 1wird, dass also kein Zustand mehr als einmal be-setzt werden kann. Die Bose-Einstein Statistik un-terscheidet sich durch ein Minus an dieser Stelle. Indiesem Fall kann die Besetzungswahrscheinlichkeitsehr groß werden. Bei tiefen Temperaturen konden-sieren Bosonen deshalb alle in den Grundzustand.Solche Phänomene sind für kollektive Quantenphä-nomene verantwortlich, wie z.B. Supraleitung, Su-prafluidität oder Bose-Einstein Kondensation.

5.3.3 Eigenschaften der Fermi-DiracVerteilung

Da die Fermi-Temperatur sehr viel höher ist als dieRaumtemperatur und für niedrige Temperaturen µ ⇡kBTF , gilt meistens T ⌧ µkB. Wir betrachten die fol-genden Grenzfälle:

a) ei ! 0 : Die Exponentialfunktion geht gegen nullund f N

i ! 1.

b) ei � µ: Die Exponentialfunktion wird groß ge-gen 1 und f N

i ! e�(ei�µ)/kBT . In diesem Bereich nä-hert sich die Fermi-Dirac Verteilung der Boltzmann-Verteilung an und fällt exponentiell gegen Null ab.

kBT = µ

kBT = µ/10

�i/µEnergie

f iBe

setzun

gswah

rsch

einlichk

eit

0,0 0,5 1,00,0

0,5

1,0fN

i =1

e(�i�µ)/kBT + 1kBT =

µ

100

Abbildung 5.12: Fermi-Dirac Besetzungswahr-scheinlichkeit bei verschiedenenTemperaturen.

Bei der Temperatur 0 K macht die Fermi-Dirac Ver-teilung einen abrupten Übergang von 1 nach 0 an derFermikante : alle Zustände unterhalb von EF sind be-setzt, alle oberhalb sind leer. Bei höheren Tempera-

turen wird Population aus der Nähe der Fermikan-te in energetisch höhere Zustände verschoben. DieBreite dieses Übergangsbereiches ist von der Grö-ßenordnung kBT . Das Zentrum des Übergangsbe-reichs wird durch das chemische Potenzial µ be-stimmt, welches am absoluten Nullpunkt der Fermi-energie entspricht.

Im Gegensatz zur Fermienergie ist das chemischePotenzial aber temperaturabhängig. Man kann dieTemperaturabhängigkeit berechnen, indem man ausder Besetzungswahrscheinlichkeit die gesamte Elek-tronenzahl berechnet:

N = Âi

fi = Âi

1e(e�µ)/kBT +1

.

Hier wurde der Index i für die Energie des Einelek-tronenzustands weggelassen. Für eine feste Elektro-nenzahl N kann man aus dieser Gleichung das che-mische Potenzial µ bestimmen. Dafür entwickeltman die Differenz der Besetzungswahrscheinlich-keiten bei der Temperatur T und bei T = 0 K alsTaylorreihe um E = µ . Daraus erhält man für dieTemperaturabhängigkeit des chemischen Potenzialsin niedrigster Ordnung in T

µ(T ) = EF

1� p

2

12

✓TTF

◆2

+ . . .

!.

Für alle relevanten Temperaturen gilt T ⌧ TF , sodass höhere Terme in exzellenter Näherung vernach-lässigt werden können.

5.3.4 Die thermische Energie desElektronengases

Gemäß der klassischen Drude-Theorie sollte die ki-netische Energie der Elektronen wie bei Gasteil-chen 3

2 NkBT sein. Damit sollte die Wärmekapazi-tät also Cel ⇡ 3R/2 betragen, unabhängig von derTemperatur. Experimentell beobachtet man aber beiRaumtemperatur einen Wert, der wesentlich niedri-ger ist, von der Größenordnung <1% des klassischenWertes, und außerdem temperaturabhängig. Erst dieFermi-Dirac Verteilung löste dieses Problem: Wäh-rend in einem klassischen Gas eine Temperaturerhö-hung um DT die Energie jedes Teilchens um kBDT/2

132

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5 Freie Elektronen

erhöht, können die meisten Leitungselektronen kei-ne Energie von der Größenordnung kBT aufnehmen,da in diesem Bereich keine leeren Zustände zur Ver-fügung stehen. Lediglich in der Nähe der Fermikan-te, in einem Bereich der Breite ⇡ kBT um die Fermi-Energie stehen teilweise gefüllte Zustände zur Ver-fügung. Die Zahl der Elektronen in diesem Bereichliegt in der Größenordnung von T/TF mal die Zahlaller Elektronen. Da typische Werte für die Fermi-Temperatur bei rund 105 K liegen beträgt dieses Ver-hältnis bei Raumtemperatur weniger als 1%. Diegleiche Überlegung sagt auch voraus, dass die spe-zifische Wärme proportional zur Temperatur abneh-men sollte.

Die Rechnung lässt sich in der Tieftemperatur-Näherung T ⌧ TF auch exakter durchführen. Wirberechnen die gesamte Energie U der Elektronen alsSumme über die Energie aller besetzten Einelektro-nenzustände als

U =Z •

0de e D(e) f (e)

=Z •

0de D(e)

e

e(e�µ)/kBT +1,

wobei D(e) die Zustandsdichte und f (e) die Beset-zungswahrscheinlichkeit bezeichnen.

Die thermische Energie UT des Elektronengases beider Temperatur T entspricht der Erhöhung dieserEnergie bei einer Temperaturänderung T : 0 ! T :

UT = U(T )�U(0)

=Z •

0de e D(e) f (e)�

ZeF

0de e D(e).

Das erste Integral wird in 2 Bereiche aufgeteilt:

UT = (Z

eF

0+

Z •

eF

)de e D(e) f (e)

�Z

eF

0de e D(e)

und die Terme mit den gleichen Integrationsgrenzenwerden zusammengefasst:

UT =Z

eF

0de e D(e) ( f (e)�1)

+Z •

eF

de e D(e) f (e).

Das erste Integral beinhaltet die Energie, welche be-nötigt wird, um die Elektronen aus den Zuständenunterhalb der Fermikante zu entfernen, das zweiteIntegral die Energie der Elektronen oberhalb der Fer-mikante, also in den Zuständen, die bei T = 0 nichtbesetzt sind.

Die Anzahl Elektronen muss dabei konstant bleiben,

N = N(T ) = N(0) =Z •

0de D(e) f (e)

=Z

eF

0de D(e).

Diese Identität kann mit der Fermienergie eF multi-pliziert werden:

(Z

eF

0+

Z •

eF

)de eF D(e) f (e)

=Z

eF

0de eF D(e).

Wir addieren die rechte Seite zur thermischen Ener-gie und subtrahieren die linke Seite und erhalten

UT =Z

eF

0de [e D(e) ( f (e)�1)

+eF D(e)� eF D(e) f (e)]

+Z •

eF

de [e D(e) f (e)� eF D(e) f (e)]

=Z

eF

0de (e � eF)D(e) ( f (e)�1)

+Z •

eF

de (e � eF)D(e) f (e).

Die entspricht einer Verschiebung des Energienull-punktes: die Energien werden jetzt relativ zur Fer-mienergie berechnet.

Das erste Integral bezeichnet die Energie, welche be-nötigt wird, um die Elektronen aus einem besetztenZustand an die Fermikante anzuheben, das zweitedie Energie, welche zusätzlich aufgebracht werdenmuss, um sie von der Fermikante in einen leeren Zu-stand oberhalb zu bringen. Beide Beiträge zur Ener-gie sind positiv. Abb. 5.13 zeigt diesen Beitrag in derunteren Kurve.

133

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5 Freie Elektronen

5.3.5 Spezifische Wärme

Wir suchen nun die spezifische Wärme, also dieÄnderung der inneren Energie pro Temperaturände-rung. Der einzige Term in der obigen Gleichung, dersich mit der Temperatur ändert, ist die Besetzungs-wahrscheinlichkeit f (E ). Wir erhalten deshalb

Cel =dUdT

=Z •

0de(e � eF)D(e)

d f (e)

dT.

Da sich die Besetzungswahrscheinlichkeit nur in derNähe der Fermikante wesentlich ändert, verschwin-det der Integrand für Energien weit von der Fermi-energie. Wir können deshalb die Zustandsdichte inguter Näherung durch den Wert an der Fermikanteersetzen, D(e) ! D(eF), und aus dem Integral her-ausziehen:

Cel = D(eF)Z •

0de(e � eF)

d f (e)

dT. (5.9)

Für die Berechnung der Änderung der Besetzungs-wahrscheinlichkeit approximieren wir das chemi-sche Potenzial durch die Fermienergie:

f =1

e(e�eF )/kBT +1.

Dies ist eine gute Näherung bei niedrigen Tempera-turen. Damit wird die Ableitung nach der Tempera-tur

d fdT

=e � eF

kBT 2e(e�eF )/kBT

�e(e�eF )/kBT +1

�2 .

einsetzen in (5.9) ergibt die Wärmekapazität

Cel = kBD(eF)Z •

0de

✓e � eF

kBT

◆2

· e(e�eF )/kBT

�e(e�eF )/kBT +1

�2 .

Abbildung 5.13 zeigt eine graphische Darstellungdes Integranden.

Änderung der Besetzungdf(�)

��F

� � �F

Änderung der Energie

Abbildung 5.13: Änderung der Besetzung und Än-derung der Energie bei endlicherTemperatur.

Für die Integration verwendet man die Abkürzungx = (e � eF)/kBT und de = dxkBT :

Cel = k2BT D(eF)

Z •

�eF/kBTdxx2 ex

(ex +1)2

= k2BT D(eF)

Z •

�eF/kBTdx

x2

ex +2+ e�x .

(5.10)

-10 -5 5 10

0.2

0.3

0.4

0 x

Abbildung 5.14: Grafische Darstellung des Integran-den in Gl. (5.10).

Der Integrand fällt für |x| � 1 exponentiell ab. FürTemperaturen weit unterhalb der Fermitemperatur,kBT ⌧ eF , d.h. im gesamten interessanten Bereich,kann die untere Integrationsgrenze deshalb auf -•gesetzt werden. Das resultierende Integral ist nichttrivial, kann aber bestimmt werden und hat den Be-trag p

2/3. Damit wird

Cel = k2BT D(eF)

p

2

3.

134

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5 Freie Elektronen

Die Zustandsdichte an der Fermikante erhalten wiraus (5.5)

D(eF) =dN(E )

dE

����eF

=p

eFV(2m)3/2

2p

2h3

und (5.4)

eF =h2

2m

✓3p

2NV

◆ 23

nach Erweiterung mit 1 als

D(eF) =p

eFV(2m)3/2

2p

2h3 e

�3/2F

✓h2

2m

◆ 32 3p

2NV

=3N2eF

=3N

2kBTF,

sodass

Cel =p

2

2kBN

TTF

(5.11)

wird. Offenbar wächst die die elektronische Wärme-kapazität proportional zur Temperatur und erreichterst in der Nähe der Fermitemperatur den Wert vonDulong-Petit. Bei niedrigeren Temperaturen ist dieWärmekapazität somit um etwa das Verhältnis T/TFgeringer.

Gleichung (5.11) wird auch gerne als Cel = gT ge-schrieben. Der theoretische Wert für die Proportio-nalitätskonstante g ist

g =p

2NAk2B

2EF=

p

2NAk2B

2(h2/2m)(3p

2n)2/3

= m(p/3)2/3NAk2

B

h2 n�2/3 (5.12)

und hat die Einheit

[g] =J

molK2 .

5.3.6 Vergleich Elektronen / Phononen

Gemessen wird nie die elektronische Wärmekapa-zität alleine, sondern die gesamte Wärmekapazität,welche sich aus einem phononischen und einem

elektronischen Teil zusammensetzt. Zwischen derDebye-Temperatur und der Fermitemperatur domi-niert somit der phononische Anteil. Für Temperatu-ren unterhalb der Debye-Temperatur erwarten wir ei-ne Temperaturabhängigkeit der Form

C = gT +AT 3 oderCT

= g +AT 2.

Hier stellt g den elektronischen und A den phononi-schen Anteil dar. Diese Beziehung stellt man gernein der in Abb. 5.15 gezeigten Form dar: das Verhält-nis C/T wird gegen das Quadrat der absoluten Tem-peratur aufgetragen.

Abbildung 5.15: Vergleich der Temperaturabhängig-keit der Wärmekapazitäten des Iso-lators KCl und des Metalls Cu.

In dieser Darstellung zeigt der Achsenabschnitt denBeitrag der Elektronen, die Steigung den Beitrag derPhononen. Der elektronische Beitrag sollte also fürsehr tiefe Temperaturen dominieren. Abb. 5.15 zeigtdies für Cu. Da KCl keine freien Elektronen besitzt,verschwindet hier der elektronische Beitrag zur spe-zifischen Wärme: die entsprechende Kurve hat Ach-senabschnitt Null.

Die unterschiedliche Temperaturabhängigkeit fürElektronen und Phononen kann auf zwei funda-mentale Unterschiede zwischen den beiden Artenvon Teilchen zurückgeführt werden. Zum einen sindPhononen Quasiteilchen, welche erzeugt und ver-nichtet werden können (Ruhemasse = 0), während

135

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5 Freie Elektronen

f(E , t) =1

e��

kBT � 1f(E , t) =

1

eE�EFkBT + 1

k

�(k) E(k)

k

Phononen Elektronen

Abbildung 5.16: Vergleich der Dispersion und Stati-stik für Phononen und Elektronen.

für Elektronen Teilchenzahlerhaltung gilt, da derenRuhemasse endlich ist. Die unterschiedliche Ruhe-masse führt auch zu unterschiedlichen Dispersions-relationen, wie in Abb. 5.16 dargestellt. Zum an-dern unterliegen Elektronen im Gegensatz zu Pho-nonen dem Pauli-Prinzip, da sie einen Spin h/2 be-sitzen, während Phononen Bosonen sind. Dies führtzu einer unterschiedlichen Statistik (Fermi-Dirac vs.Bose-Einstein).

5.3.7 Effektive Masse

Element γth γexp Fe 6.3 50.1 Mn 6.3 167.1 Zn 7.5 5.8 Cd 9.6 7.1 Hg 10.0 20.9 Al 9.2 12.5 Ga 10.0 6.3 In 12.1 18.0 Tl 13.0 14.6 Sn 13.8 18.4 Pb 15.0 29.2 Bi 18.0 0.8 Sb 16.3 6.3

Element γth γexp

Li 7.5 17.5 Na 10.9 14.6 K 16.7 19.6 Rb 19.2 24.2 Cs 22.1 32.2 Cu 5.0 6.7 Ag 6.3 6.7 Au 6.3 6.7 Be 5.0 2.1 Mg 10.0 13.4 Ca 15.0 27.2 Sr 18.0 36.3 Ba 19.6 27.2 Nb 6.7 83.6

10�4J

Mol K2

10�4J

Mol K210�4J

Mol K2

10�4J

Mol K2

Tabelle 5.4: Vergleich der theoretischen und expe-rimentellen Wärmekapazitäten einigerElemente.

Ein Vergleich der gemessenen und berechneten elek-tronischen Wärmekapazität (! Tab. 5.4) zeigt, dass

die beobachteten Werte in der richtigen Größenord-nung liegen, aber nicht quantitativ exakt sind. Diesliegt zum einen daran, dass die Dichte der freienElektronen teilweise schwierig zu bestimmen ist. EinBeispiel dafür sind die Übergangsmetalle, wo ander Fermikante sowohl die Elektronen aus den d-Orbitalen, wie auch diejenigen aus den s-Orbitalenbeitragen.

CeCu2Si2

m*/me ~ 200

T2 [K2]

C T

mJ

mol

K2

Abbildung 5.17: Wärmekapazität als Funktion derTemperatur für Metalle mit 4f und5f Elektronen.

Wie Abb. 5.17 zeigt, gibt es viele Verbindungen, beidenen das beobachtete Verhalten stark von der Er-wartung abweicht. So steigt hier die Wärmekapazitätbei tiefen Temperaturen wieder an.

Laut Gleichung (5.12) ist die Wärmekapazität pro-portional zur Masse der Elektronen. Deshalb be-schreibt den Unterschied zwischen den experimen-tellen und dem theoretischen Wert der Wärmekapa-zität gerne über eine Änderung der effektiven Elek-tronenmasse. Einige intermetallische Verbindungenvon seltenen Erden und Actiniden (also Elementenmit f-Elektronen) zeigen bei niedrigen Temperatu-ren extrem hohe Wärmekapazitäten, welche einer ef-fektiven Elektronenmasse von rund 1000 me entspre-chen. Diese Änderungen der effektiven Masse kön-nen im Rahmen des Bändermodells als Kopplung andie Atomrümpfe teilweise erklärt werden (! Kap.6, Abb. 5.18).

Bei solchen Verbindungen spricht man häufig von“schweren Fermionen”. Sie haben verschiedene in-

136

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5 Freie Elektronen

Abbildung 5.18: Gitterpotenzial für schwere Fer-mionen.

teressante Eigenschaften. So bilden sie eine speziel-le Klasse von Supraleitern, die “exotischen Supralei-ter”.

5.4 Elektrische Leitfähigkeit

5.4.1 Grundlagen

Die Fähigkeit, elektrischen Strom zu leiten, gehörtzu den charakteristischen Eigenschaften der Metal-le. Sowohl die klassische Drude-Theorie wie auchdie quantenmechanische Theorie bieten einen An-satz für die Erklärung dieses Phänomens. Wir disku-tieren hier einen halbklassische Beschreibung, d.h.wir verwenden klassische Bewegungsgleichungen,berücksichtigen aber die Fermi-Dirac Verteilung.

Elektrischer Strom wird durch die freien Elektronengetragen. Deren Reaktion auf das angelegte elek-trische Feld bestimmt deshalb die Beziehung zwi-schen Strom und Spannung, welche im Rahmen die-ser Theorie mit dem Ohm’schen Gesetz überein-stimmt. Die meisten freien Elektronen bewegen sichmit einer relativ hohen Geschwindigkeit; die Fer-migeschwindigkeit liegt bei rund 106 m/s. Da dieVerteilung der Geschwindigkeiten ohne ein äußeresFeld isotrop ist, findet jedoch netto kein Ladungs-transport statt.

Perfekte Metalle können prinzipiell Strom leitenauch wenn kein elektrisches Feld anliegt. Reale Me-talle weisen jedoch immer einen endlichen Wider-stand auf – mit Ausnahme der Supraleiter, welchenicht als normale Metalle beschrieben werden kön-nen und in einem späteren Kapitel noch behandeltwerden.

Werden äußere Felder an ein Metall angelegt, sobewirken diese auf die Elektronen eine zusätzliche

Kraft

~F = md~vdt

= hd~kdt

= �e[~E +~v⇥~B]. (5.13)

Im Rahmen der klassischen Mechanik können wirgleichzeitig die Geschwindigkeit schreiben als

~v =d~rdt

=h~km

.

Diese Verhalten würde man auch quantenmecha-nisch erhalten, wenn man damit ein Wellenpaket be-schreibt.

Wir betrachten hier zunächst nur elektrische Felder,welche offenbar zu einer gleichförmigen Beschleu-nigung führen. Im Impulsraum erhalten wir

~k(t)�~k(0) = � eh~Et,

d.h. einen Impuls, der linear mit der Zeit zunimmt.Dies ist in einem Metall für einzelne Elektronennicht möglich, da es durch eine Impulsänderung ineinen Zustand übergehen würde, der bereits durchein anderes Elektron besetzt ist. Da die Felder aufalle Elektronen wirken, wird jedoch die gesamte Fer-mikugel verschoben um eine Distanz, welche linearmit der Zeit wächst. Für das gesamte System von NElektronen wird der Impuls damit

~p = Ân

h~kn = �Ne~Et

In Wirklichkeit dauert die Beschleunigung der Elek-tronen nicht beliebig lange, sondern nur bis die Elek-tronen einen Stoß ausführen. Bei einem Stoß wirdkinetische Energie vom Elektron auf das Gitter über-tragen. Im Rahmen dieses Modells wird dabei an-genommen, dass die Geschwindigkeit des Elektronsthermalisiert wird, d.h. sie kehrt zur Fermi-DiracVerteilung zurück. Wenn die Thermalisierung imMittel eine Zeit t beansprucht, erreichen die Elek-tronen im Mittel einen Impuls, der sich um

d

~k = �e~Et

h

vom thermischen Gleichgewicht unterscheidet. DieFermikugel im k-Raum wird somit um diesen Betrag

137

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5 Freie Elektronen

E

Fermikugel bei E=0

kF

Fermikugel bei E>0

kx

ky

Abbildung 5.19: Verschobene Fermikugel im elek-trischen Feld.

gegenüber dem Ursprung verschoben und der resul-tierende Gesamtimpuls wird

~p = Ân

h~kn = �Ne~Et

Da die Geschwindigkeit der Elektronen direkt pro-portional zum k-Vektor ist,

~v =h~km

= �e~Et

m,

können wir daraus die Stromdichte berechnen:

~j = n(�e)~v = ne2t

~E/m.

Hier stellt n die Anzahl Leitungselektronen pro Vo-lumeneinheit dar. Der Strom ist somit proportionalzur Feldstärke, wie im Ohm’schen Gesetz. Die Pro-portionalitätskonstante ist die spezifische elektrischeLeitfähigkeit

s = ne2 t

m; [s ] =

1Wm

(5.14)

und der Kehrwert

r =1s

=m

ne2t

[r] = Wm

ist der spezifische elektrische Widerstand. DiesesResultat ist identisch mit der Voraussage des klas-sischen Modells.

Prinzipiell sind alle diese Größen anisotrop. Entspre-chend wird die Leitfähigkeit im allgemeinen Falldurch einen Tensor beschrieben. Wir beschränkenuns hier jedoch auf den isotropen Fall.

Element 77 K 273 K 373 KLi 7.3 0.88 0.61Na 17 3.2K 18 4.1Rb 14 2.8

Tabelle 5.5: Relaxationszeiten für einige Alkalime-talle in Einheiten von 10�14 s.

Offenbar ist die Leitfähigkeit proportional zur Zeitzwischen zwei Stößen. In sehr sauberen Metallenkann bei tiefen Temperaturen eine freie Weglängevon bis zu 10 cm erreicht werden. Die Geschwindig-keit der Elektronen kann unter diesen extremen Be-dingungen mehrere Prozent der Lichtgeschwindig-keit erreichen.

5.4.2 Widerstand

Man kann zwei wichtige Beiträge zur Streuung vonLadungsträgern unterscheiden, die Streuung an Pho-nonen und die Streuung an Gitterfehlern, also Fehl-stellen und Verunreinigungen. Die beiden Prozessetragen additiv zum spezifischen Widerstand bei,

r =1s

= rP +ri,

wobei rP den Beitrag der Phononen beschreibt undri den Beitrag der Gitterfehler. Diese Aufteilungdes spezifischen Widerstandes wird als Matthiesen4-Regel bezeichnet. Dementsprechend kann man dieRelaxationszeiten t unterteilen:

1t

=1

tDefekt+

1tPhonon

,

wobei tDefekt die Zeit bis zur Streuung an einem De-fekt bezeichnet und tPhonon die Zeit bis zur Streuungan einem Phonon. Die letztere ist stark von der Tem-peratur abhängig, die erstere nicht. Deshalb wirdder Widerstand bei Raumtemperatur hauptsächlichdurch Streuung an Phononen verursacht, währendbei tiefen Temperaturen Stöße mit Gitterfehlern undFremdatomen dominieren.

4Nach Augustus Matthiessen (1831 - 1870)

138

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5 Freie Elektronen

Temperatur T [K]0 10 200

10

20

Restwiderstand

spez

. Wid

erst

and ρ

[10-1

1 Ω m

]

Abbildung 5.20: Tieftemperaturverhalten des spezi-fischen Widerstandes.

Da die Phononen bei tiefen Temperaturen ver-schwinden, bleibt dann nur noch der Beitrag der Kri-stallfehler zurück. Dieser Beitrag ist je nach Probeunterschiedlich. Abb. 5.20 zeigt den temperaturab-hängigen Widerstand, welcher bei tiefen Temperatu-ren in einen konstanten Wert übergeht.

zwei verschiedene Proben

Temperatur T [K]

Rel

ativ

er W

ider

stan

d 10

0 R

/R29

0K

Abbildung 5.21: Tieftemperaturverhalten des spezi-fischen Widerstandes für zwei un-terschiedliche Proben aus Kalium.

Abb. 5.21 zeigt 2 Datensätze, welche an unterschied-lichen Proben von Kalium gemessen wurden. ImTieftemperaturbereich tragen vor allem Gitterfehlerbei, welche bei den beiden Proben in unterschiedli-chem Maße vorhanden sind. Über solche Messungenkann man die Konzentration von Verunreinigungen

bestimmen. Typische Widerstandswerte für Fremda-tome liegen bei etwa 10�6 Wcm pro Atom-% Verun-reinigung.

5.4.3 Streuung an Phononen

Bei höheren Temperaturen treten auch “dynamischeKristallfehler” auf, nämlich Phononen. Deren Bei-trag zum elektrischen Widerstand wird am besten alsEmission oder Absorption eines Phonons durch einElektron beschrieben. Sowohl Energie wie auch Im-puls muss bei diesen Prozessen erhalten bleiben, d.h.

ek = ek0 ± hw(k � k0),

wobei k, k0 die Wellenzahlen des Elektrons vor undnach dem Streuprozess bezeichnen, w(q) die Phono-nenfrequenz.

An diesen Streuprozessen können praktisch nurElektronen in der Nähe der Fermikante teilnehmen,da für die anderen keine freien Zustände zur Verfü-gung stehen.

¡k

¡k'

t, k-k'

Abbildung 5.22: Elektron-Phonon Streuung.

Die Zahl solcher Streuprozesse kann bei hohen Tem-peraturen als proportional zur Phononenzahl ange-setzt werden, d.h. zu

hni =1

ehw/kBT �1.

Ist die Temperatur oberhalb der Debye-Temperatur,hw ⌧ kBT , so wächst die Phononenzahl

hni ⇡ 11+ hw

kBT �1=

kBThw

,

d.h. proportional zur Temperatur. Damit nimmt auchdie Anzahl Stöße und der elektrische Widerstand µT zu.

139

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5 Freie Elektronen

qk

a

k

G

xkWel

lenv

ekto

r ky

Wellenvektor kx

Brillouin-Zone

Fermiflä

che

Abbildung 5.23: Umklapp-Streuprozess.

5.4.4 Temperaturabhängigkeit

Bei Temperaturen in der Nähe der Debye-Temperatur spielen Umklapp-Prozesse (G 6= 0)eine wichtige Rolle. Abb. 5.23 zeigt schematisch dieStreuung eines Elektrons von einem Zustand naheder Fermikante. Unter Erzeugung eines Phononsund eines Gittervektors streut das Elektron praktischauf die entgegengesetzte Seite der Fermifläche.Der für eine Rückwärtsstreuung erforderlichePhononenimpuls muss bei weitem nicht so großsein wie bei einem Normal-Prozess. Dafür werdenPhononen mit Energien in der Größenordnungder halben Debye-Energie benötigt. Deren Zahlnimmt mit abnehmender Temperatur exponen-tiell ab. Umklapp-Prozesse sind bei “mittleren”Temperaturen relevant.

EF

kBT

kk’

Abbildung 5.24: Streuprozess nahe bei der Fermi-kante.

Bei Temperaturen deutlich unterhalb der Debye-Temperatur sind werden Normal-Prozesse wichti-ger als Umklapp-Prozesse. Im Rahmen des einfa-chen Modells von Kapitel 4.4.9 können wir ab-schätzen, dass die Zahl der Phononen mit Frequenz

w ⇡ kBT/h mit T 2 abnimmt. Die Wahrscheinlich-keit, dass solche Streuprozesse stattfinden, sinkt au-ßerdem mit 1/T , da Phononen mit großer Wellen-länge eine geringere Wahrscheinlichkeit für einenAbsorptions-/Emissionsprozess besitzen.

Die Energie eines Elektrons an der Fermikante (~10eV) ist viel größer als die Energie des entsprechen-den Phonons (⇡ kBT ⇡ 25 meV bei Raumtempe-ratur). Für die Elektronen sind diese Streuprozes-se somit beinahe elastisch, sie bleiben in der Näheder Fermikante. Dadurch wird der Streuwinkel beiNormalprozessen gering, d.h. die Elektronen streu-en fast vollständig in Vorwärtsrichtung. Sie wer-den dadurch nicht mehr vollständig thermalisiert,sondern ihre Geschwindigkeit sinkt proportional zu1� cosa , wobei a der Streuwinkel ist. Wie in Abb.5.24 dargestellt, ist dieser proportional zur Wellen-zahl kP der Phononen, welche linear mit T abnimmt.Damit ist die Geschwindigkeitsänderung pro Stoßproportional zu T 2. Insgesamt ergibt sich dadurch ei-ne Abnahme des elektrischen Widerstandes mit T 5.Dies kann in Abb. 5.20 qualitativ überprüft werden.

Reduzierte Temperatur T/Θ

Red

uzie

rter W

ider

stan

d R/R

Θ

0 0,1 0,2 0,3 0,40

0,1

0,2

0,3

Abbildung 5.25: Temperaturabhängigkeit des spezi-fischen Widerstandes für verschie-dene Metalle.

Abb. 5.25 zeigt die Temperaturabhängigkeit deselektrischen Widerstandes für verschiedene Metal-le. Dabei sind Temperatur und Widerstand auf dieDebye-Temperatur reduziert. Im oberen Bereich istdas Verhalten linear, im Tieftemperaturbereich µ T 5.

140

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5 Freie Elektronen

5.4.5 Der Hall-Effekt

In einem Magnetfeld muss in der Bewegungsglei-chung auch die Lorentzkraft berücksichtigt werden:

~F = �e[~E +~v⇥~B].

Wir suchen nun die stationäre Verschiebung d

~k derFermikugel aus der Bewegungsgleichung für denImpuls

hdd

~kdt

= hd~kdt

= md~vdt

= �e[~E +~v⇥~B]� hd

~kt

= 0,

wobei t die Thermalisierungszeit (durch Stöße) desImpulses darstellt.

Bz

Ex

Abbildung 5.26: Bewegung von Elektronen in ge-kreuzten E/B Feldern.

Wir betrachten den Fall, wo ein Magnetfeld parallelzur z-Achse angelegt ist, ~B = (0,0,B). Dann wird

~v⇥~B = (vyB,�vxB,0)

und die Bewegungsgleichungen für die drei Ge-schwindigkeitskomponenten werden

m✓

ddt

+1t

◆vx = �e(Ex +Bvy)

m✓

ddt

+1t

◆vy = �e(Ey �Bvx)

m✓

ddt

+1t

◆vz = �eEz.

Daraus können wir die stationären Geschwindigkei-ten bestimmen:

vx = �et

mEx �wctvy

vy = �et

mEy +wctvx

vz = �et

mEz, (5.15)

wobei

wc =eBm

(5.16)

die Zyklotronfrequenz darstellt. Offenbar verlaufendie Bahnen der Elektronen jetzt nicht mehr parallelzum elektrischen Feld, sondern werden in der xy-Ebene abgelenkt. Der Ablenkwinkel ist durch dasProdukt wct aus Zyklotronfrequenz und Stoßzeit ge-geben. Dies wird als Hall5-Effekt bezeichnet.

Bz

Ex

+ + + + + +

- - - - - -Ey

Abbildung 5.27: Gleichgewichts-Ladungsverteilungin gekreuzten E/B Feldern.

Wir betrachten nun den Fall, dass ein Strom ent-lang der x-Achse fließt, d.h. wir setzen vy = vz = 0.Aus der obigen Gleichung sehen wir, dass der Stromin x-Richtung durch das Magnetfeld in y-Richtungabgelenkt wird. Wir können somit nur dann eineverschwindende Bewegung in y-Richtung erhalten,wenn diese Lorentzkraft durch eine entgegengerich-tete Coulomb-Kraft, d.h. durch ein elektrisches Feldkompensiert wird. Gemäß Gleichung (5.15) bedingtdies für den stationären Fall, dass

vx = �et

mEx (5.17)

und

0 = �et

mEy +wctvx.

Auflösen nach Ey ergibt

Ey = wcvxme

.

Mit dem stationären Wert von vx (5.17) wird daraus

Ey = �et

mExwc

me

= �twcEx.

Wenn wir den Ausdruck (5.16) für die Zyklotronfre-quenz verwenden, entspricht dies

Ey = �ExBet

m. (5.18)

5Edwin Herbert Hall (1855 - 1938)

141

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5 Freie Elektronen

Es entsteht also eine Spannung, welche senkrechtauf der Richtung des Stroms und dem magnetischenFeld liegt.

5.4.6 Hall-Konstante

Als Hall-Konstante

RH =Ey

jxB

bezeichnet man das Verhältnis der Spannung zumProdukt aus Stromdichte jx und Magnetfeldstärke B.Wir schreiben die Stromdichte als das Produkt ausDriftgeschwindigkeit vx und Ladungsdichte �en underhalten

jx = �envx =ne2

t

mEx.

Mit der Beziehung (5.18) zwischen Ex und Ey erhal-ten wir

RH =�ExetB/m

(ne2t/m)ExB

= � 1ne

,

d.h. sie entspricht der inversen Ladungsdichte und istfür freie Elektronen negativ. Je niedriger die Dich-te der Ladungsträger, desto größer ist also die Hall-Konstante und damit die Hall Spannung Ey. Dieskann man qualitativ so verstehen, dass der glei-che Strom bei niedriger Ladungsträgerdichte nurdurch eine höhere Geschwindigkeit und damit durcheine höhere Lorentzkraft erreicht wird. Die Hall-Konstante ist eine Möglichkeit, die Ladungsträger-konzentration n experimentell zu bestimmen. Sie istunabhängig von B und für freie Elektronen immernegativ.

Tabelle 5.6 zeigt einige Hall-Konstanten bei tiefenTemperaturen, jeweils als Verhältnis aus der La-dungsdichte zur gemessenen Hall-Konstanten. Of-fenbar passt diese einfache Theorie recht gut für dieAlkalimetalle, weniger gut für die Edelmetalle, undfür die letzten vier Elemente gar nicht.

Die Messung der Hall-Konstante (! Abb. 5.28)dient deshalb auch zur experimentellen Bestimmungder Ladungsträgerkonzentration.

Eine andere Anwendung des Hall-Effekts ist dieMessung der Magnetfeldstärke, z.B. über Gleichung

Metall

LiNaKRbCsCuAgAuBeMgInAl

# Valenz-elektronen

111111112233

-1RHne0.81.21.11.00.91.51.31.5-0.2-0.4-0.3-0.3

Tabelle 5.6: Beispiele von Hall-Konstanten.

Oberflächenkanal Hallspannungssonde

Quelle Senke

Tor

Potenzialsonden

Abbildung 5.28: Messanordnung für die Messungvon Hall-Spannungen.

(5.18). Dafür muss der Sensor zuerst kalibriert wer-den, da die Ladungsträgerdichte und die Stoßzeitherstellungsmässig und temperaturabhängig variie-ren.

Die Hall Konstante hat auch das gleiche Vorzeichenwie die Ladung der beweglichen Teilchen. Sie kannsomit auch Auskunft geben über das Vorzeichen derLadung der Ladungsträger. Wir haben hier ange-nommen, dass es sich um Elektronen, also negativeTeilchen, handelt, und erhalten wie gezeigt eine ne-gative Konstante. Wenn es sich um Löcher, also po-sitive Ladungsträger handelt, so wird auch die Kon-stante positiv. Diese Art der Leitung wird in Kapitel7 behandelt.

5.4.7 Der Quanten-Hall-Effekt

Eine besondere Art des Hall-Widerstandes trittauf bei tiefen Temperaturen in zweidimensionalenElektronensystemen. In diesem Fall ist der Hall-Widerstand nicht mehr proportional zum Magnet-feld, sondern er nimmt in Stufen zu.

Wie in Abb. 5.29 gezeigt, betrifft dies sowohl denlongitudinalen Widerstand, also den Spannungsver-

142

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5 Freie Elektronen

Magnetfeld B [T]

Long

itudi

nale

r W

ider

stan

d ρ xx [Ω

]H

all W

ider

stan

d ρ xy [

kΩ]

Abbildung 5.29: Hall Widerstand von Al-GaAs/GaAs bei T =8 mK alsFunktion der Magnetfeldstärke.

lust über der Probe dividiert durch den Strom, wieauch den Hallwiderstand, also die Spannung senk-recht zur Probe dividiert durch den Strom. Der lon-gitudinale Widerstand verschwindet, außer für be-stimmte Werte des Feldes, während der transversa-le Widerstand bei diesen Werten stufenförmig zu-nimmt. Die Plateauwerte zwischen den Stufen sindunabhängig von der Probe oder den Materialeigen-schaften. Ihre Werte sind

rH =h

ie2 =RK

i, i 2 N.

Die Klitzing6-Konstante RK hat den Wert

RK =he2 ⇡ 6,63 ·10�34

(1,60 ·10�19)2 W ⇡ 25,812807kW

und wird inzwischen zur Norm-Definition des elek-trischen Widerstandes verwendet.

Dieser Effekt wird auch als integraler Quanten-Hall-Effekt (QHE) bezeichnet, weil die Nenner gan-ze Zahlen sind. Dementsprechend findet man aucheinen gebrochenzahligen, fraktionalen oder fraktio-nierten QHE, bei dem die Nenner die Form von Brü-chen annehmen. Beide Fälle können durch die Bil-dung von Zuständen erklärt werden, bei denen die

6Klaus von Klitzing (*1943) Nobelpreis 1985

Flussquanten und Elektronen Quasiteilchen bilden,wobei beim gebrochenzahligen QHE mehrere Elek-tronen beteiligt sind.

5.5 Wärmeleitung in Metallen

Die Tatsache, dass Metalle sich bei niedrigen Tem-peraturen sehr kalt und bei hohen Temperaturen sehrheiß (im Vergleich zu anderen Materialien) anfühlenzeigt, dass sie gute Wärmeleiter sind. Wärmeüber-tragung spielt nicht nur technisch eine wichtige Rol-le, sie ist auch ein guter Test für das Verständnis derentsprechenden Materialien.

5.5.1 Ansatz

Die Wärmeleitfähigkeit einer Probe wird gemessen,indem man sie thermisch isoliert, auf der einen Sei-te heizt, und auf der anderen Seite die Temperaturmisst. Wie in Kapitel 4 ist auch hier der Ansatz ausder kinetischen Gastheorie

l =13

Cv`

für die Wärmeleitung l eines idealen Gases mitWärmekapazität C, Geschwindigkeit v und mittler-er freier Weglänge `. Wir benutzen den Ausdruck(5.11) für die elektronische Wärmekapazität

Cel =p

2

2kBn

TTF

.

Wir hatten bereits im Rahmen der Theorie der spe-zifischen Wärme gesehen, dass nur die Elektronenin der Nähe der Fermikante durch Stöße Energiemit dem Gitter austauschen. Diese sollten auch dendominanten Beitrag zur Wärmeleitfähigkeit liefern.Dementsprechend setzen wir für die Geschwindig-keit die Fermigeschwindigkeit vF ein und für diemittlere freie Weglänge das Produkt aus Fermi-Geschwindigkeit und Stoßzeit, ` = vF t . Damit wirddie Wärmeleitfähigkeit

l =13

Cel v2F t

=13

p

2

2kBn

TTF

v2Ft.

143

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5 Freie Elektronen

Die Fermi-Geschwindigkeit vF ist eine Funktion derFermi-Energie

v2F =

2eF

m=

2kBTF

m.

Damit wird die Wärmeleitfähigkeit

l =p

2

3k2

BnT t

m. (5.19)

5.5.2 Temperaturabhängigkeit

Die Wärmeleitfähigkeit sollte also proportional zurTemperatur und zur mittleren Stoßzeit t sein. DieStoßzeit ist stark temperaturabhängig und diese Ab-hängigkeit überwiegt bei Temperaturen über 20 K.

λ

T

C∝T

λ∝Tτ

ℓ∝τ

endlicher Wert

Abbildung 5.30: Verhalten der Wärmeleitfähigkeitbei tiefen Temperaturen.

Abb. 5.30 zeigt qualitativ das erwartete Verhalten fürdie freie Weglänge, die Wärmekapazität und derenProdukt. Bei tiefen Temperaturen wird die Stoßzeitkonstant und die Temperaturabhängigkeit der Wär-meleitung wird durch die Wärmekapazität bestimmt,welche µ T ist.

Abb. 5.31 zeigt als Beispiel die Wärmeleitfähigkeitvon Kupfer als Funktion der Temperatur. Sie gehtoffenbar durch ein Maximum, wie wir es für den Fallfreier Elektronen erwarten. Das Verhalten ist somitqualitativ ähnlich wie bei der Wärmeleitung durchPhononen, doch nimmt die Wärmeleitfähigkeit beitiefen Temperaturen nicht mit T 3, sondern mit T ab.

Die Wärmeleitfähigkeit enthält, wie im Kapitel 4 ge-zeigt, außerdem Beiträge der Phononen. Im allge-meinen überwiegt der Beitrag der Elektronen, insbe-sondere in “guten” Metallen. Metalle sind deshalbbessere Wärmeleiter als dielektrische Materialien,

Kupfer

Wär

mel

eitfä

higk

eit /

W c

m-1

K-1

Temperatur / K

Abbildung 5.31: Temperaturabhängigkeit der Wär-meleitfähigkeit von Kupfer.

wie z.B. ionische Kristalle. In verunreinigten Metal-len und ungeordneten Legierungen nimmt der elek-tronische Beitrag zur Wärmeleitung stark ab, wäh-rend der Beitrag der Phononen relativ konstant bleibtund deshalb vergleichbar und in Isolatoren dominantwerden kann.

5.5.3 Vergleich elektrische / thermischeLeitfähigkeit

Man kann die thermische Wärmeleitfähigkeit (5.19)mit der elektrischen Leitfähigkeit (5.14)

s =ne2

t

mvergleichen. Man sieht aus der obigen Behandlung,dass sie die gleiche Tendenz zeigen sollten: Beidesind proportional zur Ladungsträgerdichte n und zurmittleren Stoßzeit t. Das Verhältnis zwischen denbeiden Werten,

l

s

=p

2k2BT

3e2

sollte direkt proportional zur Temperatur T sein.Diese Beziehung wird als Wiedemann-Franz7 Ge-setz bezeichnet. Dividiert man auch durch die Tem-peratur, berechnet also

L =l

sT=

p

2k2B

3e2 = 2,45 ·10�8 WWK2 ,

7nach Gustav Heinrich Wiedemann (1826 - 1899) und Ru-dolph Franz (1826 - 1902)

144

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5 Freie Elektronen

so erhält man eine materialunabhängige KonstanteL, welche als Lorenz-Zahl bezeichnet wird. Damitkann man das Wiedemann-Franz Gesetz als

l

s

= LT

schreiben.

Tabelle 5.7: Gemessene Werte für die Lorenzzahlbei unterschiedlichen Metallen.

Tabelle 5.7 zeigt einige Werte für die Lorenz-Zahl.Sie liegen im Bereich 2.3 < L < 2.6 · 10�8 WW/K2,stimmen also recht gut mit dem theoretischen Wertüberein, was als Bestätigung des Modells des freienElektronengases betrachtet werden kann.

Temperatur T / K100 200 300 400

Lore

nz-Z

ahl /

10-8

W Ω

K-2

1.0

2.0

3.0

4.0

5.0

6.0

Wiedemann-Franz

Abbildung 5.32: Temperaturabhängigkeit der Lo-renzzahl.

Abb. 5.32 vergleicht die Temperaturabhängigkeit derLorenzzahl für einige Elemente mit dem theoretischtemperaturunabhängigen Wert.

Das theoretische Resultat hängt allerdings davon ab,dass die Stoßzeit t für die beiden Prozesse die glei-che sein soll. Dies ist nicht zwingend der Fall undführt deshalb zu Abweichungen vom Wiedemann-Franz Gesetz. Mit sinkender Temperatur durchläuftdie Lorenz-Zahl oft ein Minimum. Abb. 5.33 zeigtals Beispiel die Daten für Kupfer. Der Grund dafür

Temperatur T [K]

Lore

nz-Z

ahl L

Kupfer

1 10 100 1000

1

2

3

4

1010

109

108

107

1011

σ [Ω

-1m

-1]

Λ [1

011 W

m-1

K-1

]

Λ/σT

Abbildung 5.33: Temperaturabhängigkeit von elek-trischer und thermischer Leitfähig-keit von Kupfer, sowie der Lorenz-zahl.

sind die unterschiedlichen Stoßzeiten beim elektri-schen und thermischen Transport.

5.5.4 Thermoelektrische Effekte

Das verwendete Modell geht davon aus, dass Elek-tronen bei Stößen thermalisieren, d.h. dass ihre Ener-gieverteilung sich an die lokale Temperatur anpasst.Da heissere Elektronen eine (geringfügig) höhe-re Geschwindigkeit haben als kalte, ist der Trans-port von Elektronen zwischen zwei Punkten unter-schiedlicher Temperatur asymmetrisch: Elektronen,die vom heissen zum kalten Punkt fließen, haben ei-ne höhere Geschwindigkeit als diejenigen in umge-kehrter Richtung. Damit erfolgt netto ein Ladungs-transport in Richtung zum kalten Ende. Dieser hältan, bis der thermische Gradient durch einen elektri-schen Gradienten ausgeglichen wird. Ein Tempera-turgradient erzeugt deshalb eine Spannungsdifferenz

~E = Q~—T [Q] =VK

.

Dieser sogenannte thermoelektrische Effekt (auchSeebeck8-Effekt genannt) unterscheidet sich zwi-schen verschiedenen Metallen.

Er kann z.B. gemessen werden, indem man die En-den von zwei unterschiedlichen Metallen kontaktiert

8Thomas Johann Seebeck (1770 – 1831)

145

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5 Freie Elektronen

Mat

eria

l B

Temperatur / oC

Ther

mos

pann

ung

/ mV

0

20

40

60

0 500 1000 1500NiC

r - C

uNi

Ni - CrNi

Pt30Rh - Pt6Rh

T1

T2

Mat

eria

l A

Abbildung 5.34: Anordnung zur Messung von Ther-mospannungen und temperaturab-hängige Thermospannungen, nor-miert auf die Werte bei 0�C.

und die Kontaktpunkte auf unterschiedliche Tempe-raturen bringt und die resultierende Spannung misst.Typische thermoelektrische Koeffizienten liegen imBereich von Q ⇡ µV/K. Abb. 5.34 zeigt das Mess-prinzip und die Thermospannungen als Funktion derTemperatur für drei unterschiedliche Kombinationenvon Metallen.

Temperatur [K]

See

beck

Koe

ff. [µ

V/K

]

Abbildung 5.35: Seebeck-Koeffizienten unter-schiedlicher Metalle als Funktionder Temperatur.

Prinzipiell ist die Kopplung zwischen elektrischemund thermischem Transport eine Materialeigen-schaft. Allerdings ist sie als absolute Größe schwie-rig zu messen. Man verwendet deshalb Paare vonMetallen, wie in Abb. 5.34 gezeigt. Vergleicht man

Paare mit einem festen Referenzmaterial (meist Pla-tin), so lassen sich aber die Werte für einzelne Mate-rialien bestimmen. Abb. 5.35 zeigt die thermoelek-trischen Koeffizienten einiger Metalle als Funkti-on der Temperatur. Typische Werte für Metalle sind10�5 . . .10�6V/K. Wesentlich größere Werte, im Be-reich von mV/K findet man bei Halbleitern.

Der Effekt kann prinzipiell zur Stromerzeugung ge-nutzt werden, hat aber einen relativ niedrigen Wir-kungsgrad. Eine wichtige Anwendung liegt in derMessung von Temperaturen (Thermoelemente).

5.6 Kollektive Phänomene

Das Modell des freien Elektronengases geht, wie zuBeginn des Kapitels erwähnt, davon aus, dass zwi-schen den Elektronen keine Wechselwirkungen exi-stieren. Dieses Modell der freien und unabhängigenElektronen funktioniert erstaunlich gut. Dieses Un-terkapitel befasst sich mit der Frage, weshalb dasfunktioniert und wo die Grenzen liegen.

5.6.1 AbgeschirmteCoulomb-Wechselwirkung

Einer der Gründe für den Erfolg des Modells der un-abhängigen Elektronen ist, dass die elektrostatischeWechselwirkung zwischen zwei Elektronen von denanderen weitgehend abgeschirmt wird. Das gleichegilt für positive Ladungen. In beiden Fällen kann derEffekt über eine Änderung in der Abstandsabhängig-keit der Coulomb-Wechselwirkung beschrieben wer-den.

Wird eine positive Ladung in die Leitungselektroneneingebracht, so verschieben sich die Elektronen inRichtung dieser Ladung.

Die zusätzliche Ladungsdichte, welche diesen Ab-schirmeffekt bewirkt, kann über die Thomas-FermiNäherung berechnet werden. Dazu betrachtet mandie Umgebung der positiven Ladung im Energie-raum. Hier werden sämtliche Zustände um die Ener-gie –eU abgesenkt, wobei U das Zusatzpotenzial derStörung darstellt. Dadurch gelangt der in Abb. 5.37rot eingezeichnete Bereich unter die Fermienergie

146

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5 Freie Elektronen

+

- - - - -

- - - - -

- - - - -

- - - - -

Leitungselektronen

Abbildung 5.36: Abschirmung einer positiven La-dung durch die Leitungselektronen.

EEF

D(E) = N32 3

D(E)

EEF Leitungselektronen füllen

Fermi-See bins E = EF(Thomas-Fermi Näherung)

Energieabsenkung - e U

D(EF)

Abbildung 5.37: Abschätzung der zusätzlichen La-dungsdichte.

und wird durch Elektronen von außerhalb des Berei-ches aufgefüllt. Die positiv geladene Störung wirdsomit durch die zusätzliche Elektronendichte teil-weise kompensiert.

Die Anzahl zusätzlicher Elektronen, dnV kann alsIntegral über die Zustandsdichte der zusätzlich be-setzten Zustände berechnet werden. Die Dichte anZuständen als Funktion der Energie E nimmt mit derWurzel aus der Energie zu,

D(E ) =32

Nr

E

EF.

Die Fläche des roten Rechtecks kann damit berech-net werden als Produkt aus Breite D(eF) und HöheeU ;

dn =eUD(eF)

V= eU

32

n01eF

.

Hier bezeichnet n0 die Elektronendichte ohne dieStörung.

Da dn von U und U von dn abhängt, benötigen wireine selbstkonsistente Lösung. Diese erhalten wir

Ort r

r0

Ene

rgie

E

��(~r � ~r0)

EF

Zustands-dichte D(E)

Abbildung 5.38: Lokale Änderung von Potenzialund Elektronendichte durch einezusätzliche Ladung bei~r0.

aus der Poisson-Gleichung: Die eingeschlossene La-dung wirkt als Quelle des elektrischen Feldes,

—2U = � 1e0

(r(r)�r0) =edne0

= U3e2n0

2e0 eF= l

2U

mit

l

2 =3e2n0

2e0 eF.

Für eine isotrope Ladungsverteilung können wir denLaplace-Operator in Kugelkoordinaten schreiben als

—2 =∂

2U∂ r2 +

2r

∂ r.

Die Gleichung

—2U =∂

2U∂ r2 +

2r

∂U∂ r

= l

2U

hat die Lösung

U(r) = �er

e�l r = �er

e�r/rA . (5.20)

Die Abschirmung führt also dazu, dass die 1/rAbhängigkeit der Coulomb-Wechselwirkung durcheinen zusätzlichen exponentiellen Term verstärktwird. Abb. 5.39 vergleicht die beiden Funktionen.Somit fällt das Feld deutlich schneller ab (exponen-tiell statt 1/r). Die Abschirmlänge beträgt

rA =

r2e0 eF

3e2n0=

re0

e2D(EF), (5.21)

147

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5 Freie Elektronen

�e�r/rT F

r

�1

r

0 2 4 6 8 10-0,3

-0,2

-0,1

/ eV

0,0

Abstand r / Å

Ener

gieE

abgeschirmtes Potenzial

Coulomb- Potenzial

Abbildung 5.39: Vergleich des abgeschirmten mitdem normalen Coulomb-Potenzial.

wobei

D(E ) = 2D(E )

Vdie Zustandsdichte pro Volumen bezeichnet. Da dieFermienergie selber proportional ist zu n2/3

0 und dieZustandsdichte zu n1/3

0 nimmt somit die Abschirm-länge mit zunehmender Elektronendichte wie rA µn�1/6

0 ab.

Ein typischer Wert für die Abschirmlänge ist rA ⇡0,55 Å bei einer Elektronendichte n0 = 8,5 ·1028m�3, was dem Wert von Kupfer entspricht. InMetallen ist die Abschirmung aufgrund der hohenElektronendichte besonders effektiv.

5.6.2 Metall-Isolator Übergang

Das Phänomen der Abschirmung kann auch als qua-litatives Argument für die Unterscheidung zwischenMetallen und Isolatoren genutzt werden. In Metallenexistieren frei bewegliche Elektronen, in Isolatorensind alle Elektronen lokal gebunden. Mit zunehmen-der Lokalisierung der Elektronen nimmt ihre kine-tische Energie zu. Dies kann dazu führen, dass sienicht mehr im Potenzial gebunden sind.

Um zu sehen, wann das geschieht, muss die Schrö-dingergleichung für das Potenzial (5.20) gelöst wer-den. Analytisch ist das nicht möglich, aber nume-rische Methoden zeigen, dass gebundene Lösungen

existieren, falls rA > 0,84a0 ist, mit dem Bohr-Radius a0.

Laut Gleichung (5.21) ist die Abschirmlänge eineFunktion der Zustandsdichte an der Fermikante. DieFermienergie kann geschrieben werden als

EF =h2

2m(3p

2n)2/3 =a0e2

8e032/3

p

1/3n2/3

Hier wurde der Bohr’sche Radius

a0 =4pe0h2

me2

verwendet. Damit wird (5.21) zu

r2A =

23

e0

e2na0e2

8e032/3

p

1/3n2/3

=32/3

p

1/3

12a0

n1/3 ⇡ 14

a0

n1/3 .

Der kritische Wert ist somit

r2A = (0,84a0)

2 =14

a0

n1/3 .

Aufgelöst nach der kritischen Dichte erhält man

n =

✓1

a0 4 ·0,842

◆3

=

✓1

a0 2,8

◆3

=1

22a30.

Für einen Isolator muss somit gelten, dass die Elek-tronendichte n kleiner sein muss als

n <0,045

a30

.

Für ein kubisch primitives Gitter mit einem freienElektron pro Einheitszelle muss die Kantenlänge derEinheitszelle a > 2,8a0 sein, damit ein Isolator vor-liegt.

Die Elektronendichte kann auf verschiedene Weisenvariiert werden, z.B. durch Anwendung von Druck,Temperatur oder Magnetfeldern, oder durch Dotie-rung. Damit ist es möglich, ein System von einemisolierenden in einen leitenden Zustand zu bringen.So gibt es Hinweise, dass Wasserstoff unter hohemDruck die kritische Dichte erreicht und metallisch

148

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5 Freie Elektronen

Si:P

Isolator Metall

Elektronendichte n [1018/cm3]

spez

. Lei

tfähi

gkei

t σ [Ω

-1cm

-1]

ncrit

0 2 4 61

10

100

Abbildung 5.40: Metall-Isolator Übergang in Silizi-um durch Dotierung mit Phosphor.

wird. Dies Art von Phasenübergängen wird auch alsMott9-Übergang bezeichnet.

Abb. 5.40 zeigt für den Fall von Silizium, wie einezunehmende Dotierung mit Phosphor die Ladungs-trägerdichte so stark erhöht, dass das System vomIsolator zum Metall wird.

5.6.3 Quantisierte elektronischeAnregungszustände

+

+

+

+

+

+

Abbildung 5.41: Elektronengas.

Da die Valenz-Elektronen in einem Metall frei be-weglich sind, können sie auch zum Schwingen ange-regt werden. Wir diskutieren hier kollektive Schwin-gungen der Elektronen. Wird ein einzelnes Elektronum die Distanz x aus der Ruhelage ausgelenkt, so er-zeugt es einen elektrischen Dipol der Größe p(x) =

9Sir Nevill Francis Mott (1905 - 1996)

ex. Wird ein Elektronengas der Dichte n ausgelenkt,so entsteht eine elektronische Polarisation

P(x) = nex.

Diese Polarisation entspricht einem zusätzlichenelektrischen Feld

E(x) =1

ee0P(x) =

neee0

x.

Dieses elektrische Feld wirkt als Kraft auf die Elek-tronen. Wir erhalten die Bewegungsgleichung

mex = �eE(x) = �ne2

ee0x.

Dies entspricht einem harmonischen Oszillator

x = �w

2px,

wobei die Plasmafrequenz wp gegeben ist durch

wp =

sne2

meee0.

Quantenmechanisch sind die Energiezustände einesharmonischen Oszillators gegeben als

En = (n+12)hwp.

Da die Plasmafrequenz ein Maß für die Elektronen-dichte ist, bietet sich ihre Messung als interessanteMethode zur Bestimmung der Elektronendichte an.Allerdings sind die Plasmonen in vielen Systemenstark gedämpft (z.B. durch Inter-Band Übergänge),dass sie gar nicht beobachtet werden können.

Typische Werte für die Plasmafrequenz liegen imBereich von einigen (3-20) eV.

5.6.4 Messung der Plasmafrequenz

Die Plasmonenfrequenzen können gemessen wer-den, indem man die entsprechende Probe mit Elek-tronen bestrahlt. Diese stoßen mit den freien Elek-tronen der Probe und regen dadurch Plasmonen an.Dadurch verlieren die Elektronen des Strahls Ener-gie.

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5 Freie Elektronen

e-Strahl

~ 10 keVPlasmon

Metallfilm

gestreuter Strahl

Abbildung 5.42: Prinzip der Messung von Plasmo-nenenergien.

SpektrometerKathodeAnode

Monochromator

Verzögerungsfeld

Analysator

Detektor

Abbildung 5.43: Apparatur für die Messung vonPlasmonenenergien.

Für die Messung des Energieverlustes in der Probebenötigt man ein hochauflösendes Elektronenspek-trometer, welches die kinetische Energie der trans-mittierten Elektronen misst. Abb. 5.43 zeigt den ent-sprechenden Messaufbau.

Abb. 5.44 zeigt ein typisches Verlustspektrum, wel-ches an einem dünnen Aluminiumfilm gemessenwurde. In diesem Fall wurden die zurückgestreutenElektronen analysiert. Man findet Resonanzen, wel-che der Erzeugung von n = 1,2, ... Plasmonen ent-sprechen. Die Resonanzen sind überdies aufgespal-ten: an der Oberfläche ist die Plasmonenfrequenz ge-ringer als im Volumen.

Tabelle 5.8 vergleicht einige gemessene und berech-nete Plasmonenenergien. Die Übereinstimmung ist

Al

Energieverlust / eV

Volumen-plasmonOberflächen-

plasmon

Abbildung 5.44: Plasmonenspektrum von Alumini-um mit Aufspaltung der Resonan-zen.

Gemessen BerechnetLi 7,12 8,02Na 5,71 5,95K 3,72 4,29

Mg 10,6 10,9Al 15,3 15,8

Tabelle 5.8: Plasmonenenergien in eV.

relativ gut. Die Plasmafrequenzen nehmen mit derElektronendichte zu: Al (3 Valenzelektronen) hat ei-ne deutlich höhere Plasmafrequenz als die Alkaliato-me (1 Valenzelektron). Bei den Alkaliatomen nimmtdie Elektronendichte mit zunehmendem Atomge-wicht ab. Deshalb ist die Plasmonenfrequenz von Kniedriger als die von Na und Li.

5.6.5 Elektromagnetische Wellen inMetallen

Elektromagnetische Wellen in einem freien Elektro-nengas können beschrieben werden über eine Di-spersionsrelation

e(w)w2 = c2k2. (5.22)

Hier ist e(w) die dielektrische Funktion

e(w) = e•

1�

w

2p

w

2

!.

Hier stellt e• den Grenzwert für hohe Frequenzendar, w � wp, welcher durch die gebundenen Elek-tronen dominiert wird. Einsetzen in (5.22) ergibt die

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5 Freie Elektronen

Dispersionsrelation

w

2 �w

2p =

c2k2

e•

für die elektromagnetischen Wellen im Material. Jenachdem, ob die Frequenz w höher oder niedrigerist als die Plasmafrequenz ist der linke Seite positivoder negativ. Im negativen Fall wird der Wellenvek-tor imaginär, d.h. das Licht wird vollständig absor-biert. Langwellige Wellen werden deshalb in Metal-len absorbiert.

0,5 2,52,01,51,00,0

0,5

1,0

0,0

2,0

1,5

� =q

�2p + c2k2

� = ck

Verbotener Frequenzbereich

Nor

mie

rte F

requ

enz ω/ωp

Normierter Wellenvektor ck/ωp

Abbildung 5.45: Dispersion für elektromagnetischeWellen in einem Metall mit derPlasmafrequenz wp.

Für Frequenzen oberhalb der Plasmafrequenz erhältman normale Ausbreitung, mit der Dispersionsrela-tion

w =q

w

2p + c2k2.

Abb. 5.45 vergleicht diese Dispersionsrelation mitderjenigen einer Lichtwelle im Vakuum. Für großeWellenlängen geht die Frequenz gegen einen endli-chen Wert, die Plasmafrequenz wp, für hohe Wellen-zahlen nähert sich die Frequenz der einer entspre-chenden Lichtwelle im freien Raum. Wellen mit Fre-quenzen unterhalb der Plasmafrequenz können sichin Metallen nicht ausbreiten (verbotener Frequenz-bereich).

5.7 Elektron-PhononWechselwirkung

5.7.1 Grundlagen

Die bisher verwendete Born-Oppenheimer Nähe-rung vernachlässigt Wechselwirkungen zwischenElektronen und Kernen. Einige der vernachlässigtenTerme haben wir bereits berücksichtigt, z.B. indemwir die Streuung von Elektronen an Phononen alsBeitrag zum elektrischen Widerstand diskutiert ha-ben. Eine Wechselwirkung kommt dadurch zustan-de, dass Phononen das Kerngitter verzerren und dieElektronen deshalb ein Potenzial spüren, welchesnicht mehr die ideale Periodizität aufweist. Phono-nen können deshalb absorbiert oder gestreut werden.Die Wechselwirkung kann mit akustischen Phono-nen oder mit optischen Phononen geschehen. Manunterscheidet

• Fröhlich-Wechselwirkung

• Deformationspotenzial-Wechselwirkung

• Piezoelektrische Wechselwirkung.

Elektronen-Phononen Wechselwirkungen spielen inHalbleitern (vor allem binären und ternären) einewichtige Rolle, sowie in Supraleitern, wo sie für dieBildung der Cooper-Paare verantwortlich sind.

5.7.2 Polaronen

Auch in dielektrischen Festkörpern spielenElektron-Phonon Wechselwirkungen eine Rolle.Dass es eine Wechselwirkung zwischen Elektronenund Phononen geben sollte, vermutete Lev Landauschon 1933, kurz nachdem das Konzept von Phono-nen entwickelt worden war. Man kann diesen Effektauch über ein neues Quasiteilchen beschreiben, dasPolaron. Dabei handelt es sich um ein Elektron,welches an eine Gitter-Deformation gekoppelt ist.Diese Kopplung führt zu einer höheren effektivenMasse des Elektrons.

In einem ionischen Kristall, wie z.B. KCl erzeugt einElektron eine Gitterverzerrung: die positiven Ionenwerden in Richtung auf das Elektron verschoben, die

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5 Freie Elektronen

K+

K+

K+

K+

K+

K+Cl-

Cl- Cl-

Cl-

Cl-

Cl-

Elektron

Abbildung 5.46: Gitterverzerrung durch Wechsel-wirkung mit Elektron.

negativen davon weg. Ein Resultat dieser Wechsel-wirkung ist, dass die effektive Masse des Elektronssteigt: wird es bewegt, so bewegt sich die Gitterver-zerrung mit. Die Kombination aus Ladung und Git-terverzerrung (oder Ladung und Phonon) wird alsPolaron bezeichnet.

KopplungskonstanteMasseBandmasse (starres G.)

Abbildung 5.47: Effektive Masse von Leitungsband-Elektronen in Isolatoren.

Die effektive Masse eines Leitungselektrons in KClwächst dadurch um einen Faktor 2.5 im Vergleichzum Fall eines starren Gitters.

Abbildung 5.48: Effektive Masse von Leitungsband-Elektronen in Halbleitern mit teil-weise kovalenten Bindungen.

Bei Materialien mit stärker kovalentem Charakter,wie z.B. dem Halbleiter GaAs, ist die Gitterverzer-rung durch die Leitungselektronen schwächer unddamit die Kopplungskonstante kleiner.

5.7.3 Cooper Paare

Die Verzerrung, welche die Elektronen im Gitter er-zeugen, wirkt wiederum auf andere Elektronen undkann dazu führen, dass zwischen (weit voneinanderentfernten) Elektronen eine effektive Anziehungs-kraft zustande kommt. Dadurch kommt es zur Bil-dung von sogenannten Cooper Paaren, welche fürdie Supraleitung verantwortlich sind. Dies wird imKapitel 9 genauer diskutiert.

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