50 mal Zukunft in Thüringen

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Thüringentour Land und Leute der Thüringer Ministerpräsidentin 15.07. – 19.07.2013 und 14.08. – 23.08.2013

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50 mal Zukunft in Thüringen

Thüringentour Land und Leute der Thüringer Ministerpräsidentin15.07. – 19.07.2013 und 14.08. – 23.08.2013

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4 Vorwort 6 Jüttner Orthopädie 8 Stiftung Landleben 10 Tagungshaus Rittergut 12 KTW Umweltschutztechnik 14 Fresnel Optics 16 Johannispark Pflegezentrum 18 Hoffmann.Seifert.Partner 20 Landschaftspflege-Agrarhöfe Kaltensundheim

22 Thüringer Karneval Museum 24 Gründerwerkstatt neudeli 26 Kindertagesstätte »Waldgeister« 28 Waldkrankenhaus »Rudolf Elle« 30 Micro-Hybrid Electronic 32 Friedrich-Schiller-Universität 34 Windpark Olbersleben 36 Clausberg AG 38 Jugendherberge Wasserburg Heldrungen

40 Goethe Schokoladentaler Manufaktur 42 Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik 44 Kaufland Fleischwaren Heiligenstadt 46 Deuna Zement 48 Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik 50 AHN Biotechnologie 52 August Storck KG 54 EJOT Tambach-Dietharz 56 Seniorensiedlung Tambach-Dietharz

Inhaltsverzeichnis

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58 1. Deutsches Bratwurstmuseum 60 Gelenkwellenwerk Stadtilm 62 Avermann Laser- und Kant-Zentrum 64 Käserei Altenburger Land 66 Göppel Bus 68 CJD Berufsbildungswerk Gera 70 Getzner Textil Weberei 72 Briefodruck Fülle 74 Vereinsbrauerei Greiz

76 Bergal Erfurter Flechttechnik 78 Metallbau Möller 80 Ingenieurbüro Kleb 82 Deckel Maho Seebach 84 Photonic Sense 86 Asklepios Katharina-Schroth-Klinik 88 Stadtverwaltung Bad Liebenstein 90 Fuchs Gewürze 92 Sportverein Biberau

94 Berufsbildende Schule Sonneberg 96 Neuhäuser Kunststoff 98 Otto Bock Mobility Solution 100 Aeropharm 102 Thüringen-Kliniken »Georgius Agricola« 104 Rehau AG 106 Agrar e.G. Remptendorf 108 Impressum

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Vorwort

So viel Inspiration, Kreativität und positiver Wettstreit waren zu spüren. Ich bin immer wieder überwältigt von dem, was unser Land zu bieten hat, was die Men-schen hier alles auf die Beine stellen. Mit diesem Buch möchte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, teilhaben lassen an meiner Thüringentour 2013 und mit Ihnen gemeinsam Rückschau halten auf »Land und Leute« in Wort und Bild. 51 Besuchsstationen an zwölf Tagen in allen Landkreisen und kreisfreien Städte des Frei-staats, bei Unternehmen, Forschungs- und Bildungs-einrichtungen, Vereinen und Initiativen. Der demografische Wandel als inhaltliche Klammer für die Tour wirft viele Fragen auf: Wie gehen wir mit dem Bevölkerungsrückgang um? Können wir die Infra- struktur in dünn besiedelten Gebieten weiter be-zahlen? Wie sichern wir eine gute Gesundheitsver-sorgung für die immer älter werdende Bevölkerung? Diese Herausforderungen zu meistern und tragfähige Antworten zu finden, das ist unsere große gemeinsa-me gesellschaftliche Aufgabe. Viele clevere Lösungen und tolle Ideen gibt es bereits in unserem Land – von Menschen, auf die wir stolz sein können.Der demografische Wandel wird unsere Gesellschaft auf Jahrzehnte prägen, er wird unsere Zukunft bestim-

men. Die zentrale Herausforderung, vor der wir stehen, ist der sinkende Anteil von Menschen im arbeitsfähi-gen Alter. Diese Tatsache wird das Bild unserer Städte und Dörfer verändern. Sie hat konkrete Auswirkungen auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Sie berührt immer mehr Bereiche unseres Alltags, das habe ich an jedem Tour-Tag aufs Neue erlebt. All meine Begegnungen und Gespräche haben be-stätigt: Der demografische Wandel ist kein Schreck-gespenst, er ist eine Herausforderung, die gestaltbar und zu bewältigen ist. Ich bin stolz darauf, wie sich unser Land entwickelt hat – dank seiner klugen und fleißigen Menschen. Ich bin während meiner Tour vielen kreativen Köpfen, Ideen und Produkten begeg-net. Jeder Blick hinter die Kulissen war spannend und aufschlussreich. Für mich steht fest: In Thüringen ver-geht kein Tag ohne Entdeckungen.Meine Thüringentour Land und Leute 2013 hat ge-zeigt: Thüringen ist nicht nur ein Land der Superlative, es lebt von unendlich vielen Nischen, die ideenreiche Menschen geschaffen haben. Ich bewundere die Er-findungskraft, die Professionalität, die Perfektion in den Unternehmen. Und ich bin voller Achtung vor Fir-men, denen es am alten Standort gelungen ist, tradi-

tionelles Knowhow aufzunehmen und technologisch bis zur Weltmarktführerschaft weiterzuentwickeln. Ich finde gut, dass viele Firmen verstärkt auf ältere Mitarbeiter zurückgreifen und damit ihren Fachkräf-tebedarf sichern. Junge Leute werden bereits früh mit Praktika gefördert und auf die Berufswelt vorbereitet. Immer mehr Arbeitgeber achten darauf, dass ihre An-gestellten Familie und Beruf besser miteinander ver-einbaren können. Vieles ist auf gutem Weg, aber es gibt auch noch eine ganze Menge zu tun. Die Unternehmen, Forschungs- und Bildungseinrich-tungen, Initiativen und Vereine sind der Beweis: In Thüringen hat Zukunft Tradition. Sie sind eine gute Werbung für unseren Freistaat. Mein Respekt gilt zu-dem den vielen fleißigen Menschen, die sich für den Zusammenhalt der Generationen engagieren, die die Schwachen stärken und mit Menschlichkeit Tag für Tag ihren Dienst tun.

Viel Spaß beim Blättern und Lesen!

Ihre Christine LieberknechtMinisterpräsidentin des Freistaats Thüringen

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1 | Firmenpräsentation durch Geschäftsführer Frank Jüttner.2 | Auszubildender Antony Jung.3 | Lars Pinternagel und Orthopädie-Techniker-Meister Christian Müller. 4 | Rohling.

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JüTTNER ORTHOPäDIE

Auftakt bei Fußbekleidungsingenieuren in der dritten Generation

15. Juli | Lars Pinternagel ist der gehende Beweis da-für, welche Beinahe-Wunder moderne Orthopädie-technik vollbringen kann. Obwohl der 32-Jährige 2010 einen Motorradunfall hatte und dabei sein Bein bis hinauf zum Oberschenkel verlor, spaziert er über den Flur bei Jüttner Orthopädie in Mühlhausen. Seine Le-bensfreude, sagt er, habe er sich bewahrt. Trotz allem und wegen der heutzutage herstellbaren orthopädi-schen Produkte, die bei aller Modernität bei Jüttner noch immer eines sind: Handwerk.

Für den Beginn ihrer Sommertour hätte sich Christi-ne Lieberknecht keinen besseren Startpunkt aussu-chen können als das Familienunternehmen, in dem 131 Frauen und 94 Männer in 21 Filialen in Thüringen und Niedersachsen arbeiten. Hier kommt vieles von dem zusammen, worüber Lieberknecht mehr erfah-ren möchte. Zwar, sagt Lieberknecht, klinge das Mot-to ihrer diesjährigen Tour alltäglich: Land und Leute. Tatsächlich aber verberge sich dahinter ein zentrales Problemfeld: der demographische Wandel, seine He-rausforderungen und Chancen. »Wie schaffen wir es, mit wenigen Menschen im erwerbsfähigen Alter und mit weniger Mitteln zur flankierenden Wirtschaftsför-

derung unseren Wohlstand zu sichern?« Bei Jüttner kennen der geschäftsführende Gesellschafter Frank Jüttner und seine Tochter Kathrin diese Probleme – sie sind täglich damit konfrontiert. So hat ihr 1946 von Frank Jüttners Vater Max gegründetes Unterneh-men einerseits mit dem Fachkräftemangel zu kämp-fen, den der demographische Wandel mit sich bringt. Anderseits ist das Unternehmen in einer Wachs-tumsbranche aktiv, immerhin sind Erkrankungen des menschlichen Skeletts eine der typischen Schatten-seiten einer alternden Gesellschaft. Nicht nur die »Fußbekleidungsingenieure«, wie Frank Jüttner einen Teil seiner Mitarbeiter nennt, werden in Zukunft viel zu tun haben. Dass Jüttners ihr bei diesem Besuch zudem 5.000 Euro als Spende für die Thüringer Flu-topfer überreichen, nennt Lieberknecht »eine große Geste« und betont, es sei kein Zufall, dass ein Famili-enunternehmen, in dem mit Kathrin Jüttner nun bald die dritte Generation vollends das Ruder übernehmen wird, so erfolgreich in Thüringen arbeite. In der Mitte Deutschlands habe die Orthopädie wie so viele an-dere Branchen Tradition – was wiederum ein Beweis für die häufig unterschätzte Vielfalt des Lebens und Arbeitens im Freistaat sei.

Jüttner Orthopädie KGIm Flarchen 5a99974 Mühlhausen

→ www.juettner24.de

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1 | Rundgang mit den Hausbewohnern.2 | Außenansicht Bungalowsiedlung.3 | Idylle. 4 | Im Gespräch mit MdL Annette Lehmann, Frank Baumgarten und Bewohnerinnen.

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STIFTUNG LANDLEBEN

Generationenvertrag fürs Dorf

Stiftung Landleben Bahnhofstraße 186a99947 Kirchheilingen

→ www.stiftung-landleben.de

15. Juli | Seit Februar 2013 wohnt Helga Walter in ihrem neuen 50 Quadratmeter-Apartment in Kirchheilingen. Zuvor, erzählt sie Christine Lieberknecht, habe sie auf einem Bauernhof gelebt. Auf dem drohte die Scheu-ne einzustürzen. Und bei all den Veränderungen, die der Umzug für die 80-jährige Frau – zwei Töchter, neun Enkel, 17 Urenkel – bedeutet, ist sie froh, ihren Lebensabend selbstbestimmt verbringen zu können. »Ich kann hier alles alleine machen«, sagt sie. Nur beim Fensterputzen lasse sie sich helfen. »Dafür bin ich zu klein.« Und das Beste: Walter ist zwar aus ihrem vertrauten Wohnumfeld ausgezogen, musste aber ihr vertrautes Dorfleben nicht hinter sich lassen.

Die Stiftung Landleben in Kirchheilingen hat das mit einem Wohnprojekt möglich gemacht. Dessen Kern- idee: Altehrwürdige Bauerngehöfte werden von älte-ren Menschen günstig an junge Familien weitergege-ben. Gleichzeitig wird im Dorf altersgerechter Wohn-raum geschaffen, in dem Senioren weiterhin einen eigenständigen Haushalt führen. Ziel des Projektes: Dafür sorgen, dass ältere Menschen trotz des demo-graphischen Wandels nicht gezwungen sind, im Alter aus ihrer gewohnten Umgebung fortzuziehen. Bei

Walter hat das alles schon geklappt. Die treibende Kraft hinter der Stiftung ist Frank Baumgarten. Auch wenn neben ihm noch viele andere an der 2011 an-erkannten Stiftung mitarbeiten und geholfen haben, dass aus großen Plänen nun altersgerechte kleine Häuser geworden sind, so ist es doch vor allem er, der immer wieder auch öffentlich für die Stiftung ge-kämpft und ihr ein Gesicht gegeben hat. Er arbeitet eigentlich für die Agrargenossenschaft Kirchheilingen und das Unternehmen ist auf so vielen Gebieten ak-tiv – eigene Biogasanlage, eigene Landfleischerei, Ackerbau, Zucht von Auerochsen –, dass man sich wirklich fragen muss, woher Baumgarten seine Ener-gie nimmt.

Insgesamt acht altersgerechte Häuser hat die Stiftung inzwischen gebaut: vier in Kirchheilingen, je zwei in Sundhausen und Blankenburg. Nur drei davon sind noch zu haben. Aber weil Leben nicht nur Wohnen ist, haben Baumgarten und seine Mitstreiter noch mehr Ideen, damit das Land lebenswert bleibt. Eine davon: Sozialstationen auf dem Land installieren, die als An-sprechpartner in allen Lebenslagen dienen sollen. Der Name dieses Vorhabens ist Programm: Landengel.

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1 | Außenansicht.2 | Rundgang.3 | Ferienbetreuung.

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TAGUNGSHAUS RITTERGUT

Begegnungen im Grünen

Tagungshaus Rittergut e.V.Rittergut 9999955 Lützensömmern

→ www.rittergut.de

15. Juli | In der langen Geschichte des Ritterguts in Lützensömmern gibt es zwei besonders herausra-gende Daten. Einmal das Jahr 1001 – damals wurde das Rittergut erstmals urkundlich erwähnt; in einem Dokument von Kaiser Otto III. Dann das Jahr 1992 – damals taten sich Jugendliche aus Erfurt und Stuttgart zusammen und pachteten das verfallende Objekt, um es vor dem Aus zu retten. Ein Jahr später gründete sich der Verein Tagungshaus Rittergut. »Am Anfang wur-de das Vorhaben belächelt«, erinnert sich Hermann-Josef Eckes, der bald nach der Gründung des Vereins in diesen eintrat. »Inzwischen ist daraus ein Staunen geworden.«

Und zu Bestaunen statt zu Belächeln gibt es tatsächlich viel während des Besuchs von Christine Lieberknecht, bei dem sie erfährt, wie das Rittergut aus Ruinen auferstanden ist. Nicht nur, dass der Verein in einer strukturschwachen Region inzwischen 23 Menschen eine Beschäftigung bietet und als freier Träger der Kin-der- und Jugendhilfe anerkannt ist. Bestaunen lässt sich vor allem, wie vielfältig der Verein sein Haus nutzt und wie sehr sich die vielen Nutzungsmöglichkeiten dabei gleichzeitig zu einem Gesamtkonzept zusam-

menfügen. Die Kontakte, die der Verein ermöglicht, sind zahlreich und entsprechend unterschiedlich. Sie finden zwischen Menschen aller Generationen ebenso statt wie zwischen Menschen verschiedener Nationa-litäten. Aus Italien, aus Frankreich, aus Russland und sogar aus China seien schon Jugendliche in Lützen-sömmern gewesen, erzählt Geschäftsführer John.

Zusätzlich fänden auch deutsch-deutsche Begegnun-gen auf dem Gelände statt: Weil die Anlage nahe des geografischen Mittelpunkts Deutschlands liege, kä-men zum Beispiel bei Hochzeitsfeiern über die ganze Bundesrepublik verstreute Familien hier zusammen. Das Rittergut verzeichnet mit seinen circa 100 Betten etwa 17.000 übernachtungen jährlich. Beim Rundgang durch das Gut und seine etwa drei Hektar große Park-anlage – vorbei an Lehmbacköfen, Volleyball-Platz, Schweine- und Hasenstall – ist es besonders das »Ein-gebettet-sein« des Ritterguts in die Natur, das Lieber-knecht gefällt. Wenn Kinder auch in Zukunft nicht den Bezug zu Tieren und Pflanzen verlieren sollen, dann braucht man Orte wie diese, sagt sie – Orte, an denen sich auch Mensch und Natur treffen, also: begegnen können.

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1 | Geschäftsführer Klaus Deininger.2 | Rundgang mit Klaus Deninger, MdL Mike Mohring, MdB Johannes Selle u.a. 3 | Fugendichter.

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KTW UMWELTSCHUTZTECHNIK

Dichter und Denker im Kuhstall

KTW Umweltschutztechnik GmbHMagdalaer Straße 102 a99441 Mellingen

→ www.ktweimar.de

16. Juli | Man sieht es nicht. Man riecht es nicht. Aber: »Wir sitzen jetzt hier, wo früher Kühe standen«, sagt Klaus Deininger. »Wir sitzen im alten Stall.« Als der Geschäftsführer der Firmengruppe KTW in Mellingen zu einem Streifzug durch die Geschichte seines Be-triebes einlädt, wird schnell klar, warum dem so ist: Da, wo heute KTW seinen Sitz hat, stand früher eine Milchviehanlage – bis 1990 der erste Teil jenes Fir-menkonstrukts gegründet wurde, das sich im Laufe der Zeit immer neue Geschäftsfelder suchte, ohne da-bei aber von dem Pfad abzuweichen, den es damals einschlug: Bei KTW geht es vor allem um die Abdich-tung von Fugen und Flächen. Mit Blick auf die weitläu-figen Felder rings um die Firma ist dann auch einer der ersten Sätze von Christine Lieberknecht bei diesem Besuch: »Sie bauen Zukunft im Grünen!«

Diese Abgeschiedenheit ist für Deininger alles ande-re als ein Nachteil. Der überwiegende Teil des KTW-Geschäfts finde auf Baustellen in ganz Deutschland statt, sagt er. Der Autobahnanschluss in unmittelba-rer Nähe sei da für ihn wichtiger als ein städtisches Umfeld. Weil es in der Baubranche auf und ab geht, hat KTW schon früh begonnen, sich nicht nur auf die

Abdichtung von Fugen an Hausfassaden zu speziali-sieren. Schon 1998, erzählt Deininger, habe man bei KTW gewusst, dass der Boom der Baubranche einmal enden werde. Deshalb habe man 2000 das Tochter-unternehmen KTW Umweltschutztechnik gegründet. »Wir waren uns sicher, dass Umwelt ein wichtiges Thema werden wird.« Ergebnis: Heute verfugen die etwa 60 Mitarbeiter der Gruppe nicht nur an Häu-sern, sondern auch an Windrädern, Kläranlagen und Tanklagern. So schafft die Firmengruppe einen Jah-resumsatz von rund acht Millionen Euro. Weil die Zeit aber nicht stehen bleibt und KTW auch in Zukunft am Markt bestehen will, entwickeln sechs hauseigene Ingenieure gemeinsam mit Forschungseinrichtungen wie dem Institut für Angewandte Bauforschung in Weimar hochelastische Kunststoffe, die nur schwer entflammbar sind. 780 Grad Celsius muss das Mate-rial für 30 Minuten aushalten. Das sei das, was zum Beispiel Tanklagerbetreiber als sogenannte Tankfuß-schürzen gerade stark nachfragten, erklärt Deinin-ger. »Sie bauen Zukunft«, wiederholt Lieberknecht schließlich. »Erst auf der grünen Wiese und jetzt mit Ihren Produkten.«

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1 | Durchblick.2 | Rundgang mit Geschäftsführer Hans-Martin Bitzer.3 | Frank Gaudlitz.

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FRESNEL OPTICS

Die Kunst sich immer neu zu erfinden

Fresnel Optics GmbHFlurstedter Marktweg 1399510 Apolda

→ www.fresnel-optics.de

16. Juli | »Es lebe der Polylux!« Christine Lieberknecht blickt in eine Ecke des Raumes. Dass sie das graue Gerät oben auf dem Schrank als Polylux und nicht als – Achtung: Neudeutsch! – Overhead-Projektor be-zeichnet, das weise sie zweifelsfrei als Ostdeutsche aus, sagt Hans-Martin Bitzer. Der muss es wissen. Denn wenn es um den Polylux geht, dann gibt es in Thüringen und wahrscheinlich weit über die Grenzen des Freistaats hinaus kaum einen kompetenteren Ansprechpartner als ihn. Das Unternehmen, dem er seit 1994 als Geschäftsführer vorsteht, war immer-hin zwischen 1997 und 2003 Weltmarktführer bei der Produktion von Fresnel-Linsen, die jedes dieser Geräte erst funktionsfähig machen. Kein Zufall also, dass der Firmenname auf den französischen Physiker Augustin Jean Fresnel verweist.

Bitzer aber ist noch mehr als der Geschäftsführer von Fresnel Optics, wo heute knapp 120 Menschen arbei-ten, die zuletzt einen Jahresumsatz von circa 24 Mil-lionen Euro erwirtschafteten und inzwischen längst nicht mehr nur Fresnel-Linsen produzieren, sondern optische Bauteile verschiedenster Art an verschie-denste Unternehmen in der ganzen Welt liefern. Gut

drei Viertel der Produkte gehen in den Export. Mit dem, was in der mittelthüringischen Stadt hergestellt wird, lassen sich ebenso Fingerabdrücke scannen wie dekorative Deckenleuchten bauen oder Minister-präsidentinnen vergrößern; zumindest optisch.

Der Geschäftsführer von Fresnel Optics ist seit 2003 auch der Vorstandsvorsitzende des Thüringer Opto-nets, einem Zusammenschluss von fast 100 Akteuren des Photonik-Clusters im Freistaat; also jener Bran-che, die mittels optischer Verfahren zum Beispiel In-formationen überträgt.

Schnell wird bei dem Gespräch, das sich auch wäh-rend des Betriebsrundgangs fortsetzt, dann offenbar, wie sehr die Innovationsfähigkeit der deutschen Un-ternehmen deren internationalen Erfolg bestimmt. In die Zukunft gerichtet heißt das: Nur, wenn Unterneh-men wie Fresnel Optics auch das bislang für unmög-lich Gehaltene möglich machen, dann werden sie im Wettbewerb bestehen können. »Bei Ihnen sieht man, was es heißt, Thüringen ständig in der Welt zu be-haupten«, sagt Lieberknecht.

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1 | Zuwendung. 2 | Im Gespräch mit Bewohnern.3 | Parkansicht.

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JOHANNISPARK PFLEGEZENTRUM

Intensivpflege im Grünen

Johannispark-PflegezentrumAm Bahnhof 1498527 Suhl

→ www.johannispark.de

17. Juli | Mit sichtlichem Spaß sitzen Volker Härtel und Rosemarie Weisheit in ihren Rollstühlen auf der schattigen Terrasse des Johannispark Pflegezentrums im Herzen von Suhl, vor dem Hintergrund der uralten Bäume und einer denkmalgeschützten Jugendstilvil-la. Als sie eingeliefert wurde, konnte die junge Frau, die einen schweren Schlaganfall erlitten hatte, nur liegen. Dass sie nun wieder sitzen und sogar mit an-deren Patienten spielen kann, ist Zeugnis für die gute Arbeit, die hier geleistet wird.

ähnlich ungewöhnlich ist die Geschichte der ge-samten Einrichtung, die sich auf die Intensivpflege spezialisiert hat – als eine der wenigen Einrichtun-gen dieser Art im gesamten Freistaat. »Rückblickend kann ich mich nur wundern, wie verrückt wir damals waren«, sagt Heimleiterin Gudrun Vestner. Nach der Wende hatten fünf Kollegen aus einem Altenpflege-heim beschlossen, die Gunst der Stunde zu nutzen und eine eigene Pflegeeinrichtung auf die Beine zu stellen. Entgegen aller Widerstände fand das Pflege-heim nach vier Jahren Kampf schließlich seinen Platz in der Villa inmitten einer kleinen Parkanlage. Nur mittels Mundpropaganda bekannt geworden, war

das Haus schnell ausgebucht. »Bemerkenswert ist das Zusammenwirken von Denkmalschutz und der Nutzung als einer höchsten medizinischen Ansprü-chen gerecht werdenden Pflegeeinrichtung.«, sagte Christine Lieberknecht während des Rundgangs.

Die meisten der 81 Patienten, die hier teilweise Tag und Nacht beatmet werden müssen oder im Wach-koma liegen, bringen eine tragische Geschichte mit. »Es ist das Schlimmste, was passieren kann – wenn Eltern ihre Kinder im Heim besuchen müssen«, sagt Vestner. Den Menschen trotzdem ein würdiges Da-sein zu ermöglichen, das sei Ziel des Johannispark-Teams. Heute sind hier etwa 100 Mitarbeiter beschäf-tigt, 70 Prozent des Pflegepersonals rekrutieren sich aus Fachkräften. Niedriglöhne gibt es hier keine, aus-gebildet wird direkt im Haus, die Versorgung basiert auf regionalen Produkten. Ganz besonders wichtig sei auch die Familienfreundlichkeit, sagt Vestner: Beim Dienstplan werde auf die Bedürfnisse junger Mütter ganz besondere Rücksicht genommen – das zahlt sich aus. »Mit Fachkräftemangel haben wir kei-ne Probleme.« Im Bereich Pflege mittlerweile eine Aussage mit Seltenheitswert.

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1 | Geschäftsführer Jens Hoffmann.2 | Im Gespräch mit Jens Hoffmann, Oberbürgermeister Jens Triebel, MdL Henry Worm und Mark Hauptmann.3 | Modell zum Hochwasserschutz in Eisfeld.

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HOFFMANN.SEIFERT.PARTNER

Zukunftsentwurf auf dem Reißbrett

Hoffmann.Seifert.PartnerRennsteigstraße 1098528 Suhl

→ www.hsp-plan.de

17. Juli | Seit Jahren bereitet die Zukunft des Suhler Nordens nicht nur den Stadtvätern einiges Kopfzer-brechen. Aus dem einstigen Vorzeige-Stadtteil mit den vielen Plattenbauten ist längst ein Problemfall für die Stadt geworden – und eventuell gleichzeitig ein Modell für Kommunen, die mit ähnlichen Proble-men zu kämpfen haben. Dass das Gebiet am Ende sogar ein überregionales Leuchtturmprojekt werden könnte, davon sind die Experten des Planungsbüros Hoffmann.Seifert.Partner in Suhl überzeugt. Die Fir-ma gehört heute zu den größten inhabergeführten Planungsbüros in den neuen Ländern.

»Damit das Entwicklungspotenzial effektiver genutzt werden kann, sollten Kommunen grundsätzlich zu-nächst in langfristige Entwicklungskonzepte investie-ren – damit die Konzepte zu Ende gedacht werden«, sagt der Stadtentwicklungsspezialist und Partner Felix Harbig. Die Erstellung solcher Masterpläne ist einer der Schwerpunkte des Planungsbüros, das derzeit an acht Standorten rund 70 Mitarbeiter be-schäftigt. Zum Leuchtturm-Projekt könne der Suhler Norden in Verbindung mit der Internationalen Bau-ausstellung werden, die in den kommenden zehn Jah-

ren wegweisende Bauprojekte in Thüringen initiieren solle, sagt Harbig. »Ziel sollte es sein, einen regional angepassten Masterplan für Suhl zu entwerfen, der dem Stadtteil langfristige Perspektiven bietet.«

Hochbrisant waren auch die Erkenntnisse, die das Team zum Hochwasserschutz präsentierte. »Ein Drittel aller Kommunen in Thüringen liegen in einem potenziellen Hochwasser-Risikogebiet«, sagt Part-ner Jens Hoffmann. Um den aktuellen Stand beim Schutz gegen die Fluten abzufragen, hatte das Un-ternehmen gemeinsam mit der Landesregierung alle betroffenen Kommunen um Informationen gebeten. Das ernüchternde Ergebnis: Nur die Hälfte der An-geschriebenen antwortete, nur zwanzig Prozent da-von verfügten über ein Hochwasser-Schutzkonzept. »Einige der Dinge, die hier zur Sprache kamen, sind bisher tatsächlich nicht zu mir durchgedrungen«, sagt die Ministerpräsidentin. »Ich nehme viele neue Erkenntnisse mit zurück nach Erfurt.« Bedauerlich sei der Umstand, dass die Planungen des Unternehmens zum Hochwasserschutz nicht früher begonnen hätten – manch ein Flutschaden hätte sich sonst vielleicht vermeiden lassen.

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1 | Reinhold Roll ist seit 28 Jahren Schäfer und betreut ca. 600 Schafe. Daneben Hund Schaben.2 | Im Gespräch mit Geschäftsführer Dr. Aribert Bach, Minister Jürgen Reinholz und MdL Michael Heym.3 | Im Stall.

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LANDSCHAFTSPFLEGE-AGRARHöFE KALTENSUNDHEIM

Glückliche Kühe im Land der weiten Fernen

Landschaftspflege-Agrarhöfe Kaltensundheim / Rhön GmbH & KGMittelsdorfer Straße 2398634 Kaltensundheim

17. Juli | Eine kühle Brise streift über die sonnen-durchfluteten Hänge der Hohen Rhön, hier und da hängt ein weißes Wölkchen am stahlblauen Himmel – ein idyllischerer Arbeitsplatz als der von Schäfer Reinhold Röll dürfte in ganz Deutschland nur selten zu finden sein. Mit seinen knapp 600 Schafen leis-tet er einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der cha-rakteristischen Magerrasen, die diese einzigartige Kulturlandschaft prägen. Dass auch inmitten dieses Biosphärenreservates äußerst erfolgreiche Wirt-schaftsbetriebe entstehen können, die sich nahtlos in die Natur einfügen, zeigt das Beispiel der Land-schaftspflege-Agrarhöfe in Kaltensundheim. Gerade plant das 100-Mitarbeiter-Unternehmen, das sich vor allem auf die Milcherzeugung spezialisiert hat, den Bau einer neuen Stallanlage. In dem 228 Meter lan-gen Neubau werden sich zwei individuell arbeitende Milchroboter um das Melken von 780 Kühen küm-mern. überwacht wird das Ganze von einem mensch-lichen »Herdenmanager«, wie der Beruf neudeutsch bezeichnet wird. »Wir bauen hier derzeit eine der mo-dernsten Milcherzeugungsanlagen in Deutschland«, erklärt der Geschäftsführer der Landschaftspflege-Agrarhöfe, Aribert Bach, beim Rundgang durch die

Stallungen. Rund 1.200 Haushalte werden in 120 Ortschaften der Region täglich mit frischer, vor Ort erzeugter Bio-Milch beliefert – ein Luxus, der sich sowohl für das Unternehmen als auch für die Kunden lohnt. Der überwiegende Teil der Milch geht jedoch in die Molkerei. Weitere Standbeine des Unternehmens sind die Futtermittelerzeugung, die Rinderzucht, der Betrieb einer eigenen Biogas-Anlage sowie der Han-del und Service mit und rund um Landtechnik und Stallausrüstung.

»Betriebe wie dieser sind ein unverzichtbarer Bau-stein, um das Leben auf dem Land auf Dauer at-traktiv zu halten«, sagte Christine Lieberknecht bei einer Verkostung der Rhöner Bio-Spezialitäten. »Sie bilden die wirtschaftliche Basis, auf die andere Wirt-schaftszweige aufbauen können.« Unternehmen wie der Biolandbaubetrieb im Herzen des Biosphä-renreservats seien ein gutes Beispiel, wie trotz aller Veränderungen die Zukunft nachhaltig gestaltet wer-den könne. Mit dem Engagement in der Landschafts-pflege zeigten die Agrarhöfe, dass sich ökologisches Engagement, der Erhalt von Kulturlandschaften und wirtschaftliche Interessen nicht ausschließen.

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1 | Museumsansicht.2 | Ordensübergabe an den LTK-Präsidenten Michael Danz.3 | Erbsbär. 4 | Uns kann Keiner – uns können Alle.

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THüRINGER KARNEVAL MUSEUM

Uns kann Keiner ... – Karnevalisten gegen Kader

Thüringer Karneval MuseumUntertor 1 98634 Wasungen

→ www.karnevalthueringen.de

17. Juli | Mit einem breiten Grinsen deutet Theo Heine-mann auf einen auf den ersten Blick recht unschein-baren Orden. Er liegt in einer der vielen Vitrinen im Thüringer Karneval Museum in Wasungen. Zu fast jedem Exponat hat der Protokollführer des Landes-verbands Thüringer Karneval eine kleine Anekdote auf Lager. Die Keramik-Medaille zeigt ein nacktes Hinterteil und wurde seinerzeit – als die Büttenreden noch von den DDR-Organen zensiert wurden und Ver-kleidungen viel Handarbeit und Improvisationstalent erforderten – besonders »verdienten« Persönlichkei-ten verliehen. »Auf der Rückseite ist der Spruch ›Uns kann Keiner – uns können Alle‹ aufgedruckt, damit ihn nur der damit Ausgezeichnete lesen konnte«, erklärt der heutige Protokoller des Landesverbands Thüringer Karnevalvereine. »Für diesen Scherz muss-te ich als Präsident des Witterdaer Carneval Club ein paar Tage später vor dem Rat des Kreises in Erfurt Rede und Antwort stehen.«

Das kleine, aber feine Museum zeigt eindrucksvoll die lange und spannende Geschichte der Thüringer Narren. Vom ganz und gar in Stroh gekleideten »Erbs-bär«, der auch heute noch bei jedem Umzug für eini-

ges Aufsehen sorgt, bis hin zum Lumpenmann reicht das Spektrum der Thüringer Karnevalstraditionen. Mit 327 Mitgliedsvereinen und etwa 27.000 Mitglie-dern stellt Thüringen unter allen Bundesländern den größten Landesverband im Bund Deutscher Karne-val. Weil die Verbände jedoch nach Regionen gezählt werden, belegt der Freistaat im offiziellen Ranking nur den vierten Platz.

»Der Erfolg der Karnevalsvereine zeigt, wie wichtig Brauchtum auch für die Gegenwart und die Zukunft ist«, sagt Christine Lieberknecht beim Gang durch das Museum. »Die Vereine leisten eine exzellente Nachwuchsförderung, von Tanzgruppen über Kinder-prinzenpaare zu Familienangeboten.« Im Gespräch mit LTK-Präsidenten Michael Danz gibt sie dann noch einen kleinen Einblick in ihr eigenes Programm wäh-rend der fünften Jahreszeit: Ein eng gestrickter Ter-minplan, bei dem an jedem Tag gleich mehrere när-rische Termine auf dem Plan stehen. Und auch neue Exponate für die Narren hat Lieberknecht im Gepäck – insgesamt 103 Karnevalsorden, die ihr bisher als Ministerpräsidentin verliehen wurden. Gesamtge-wicht: stolze 8,1 Kilogramm.

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1 | »Comake« Schuh.2 | Mustermöbel aus Pappe. 3 | Martin Breuer: Gründer und Garage.

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GRüNDERWERKSTATT NEUDELI

Garagengeschichten aus der Gründervilla

Gründerwerkstatt neudeli Bauhaus-Universität WeimarHelmholtzstraße 1599425 Weimar

→ www.neudeli.net

18. Juli | Einige der wegweisendsten Innovationen der Geschichte haben eines gemeinsam – sie wurden in Hinterhöfen und Garagen entwickelt. Vielleicht wird eines Tages auch die Idee von Martin Breuer und sei-nem Team zu einer dieser Erfolgsgeschichten. Noch werden sich zwar die meisten unter deren »aqua-ponischem« Produkt nur wenig vorstellen können. Systeme wie das Projekt »Plants and Machines«, das Breuer und seine Weimarer Kommilitonen in der Garage des Gründerzentrums neudeli entwickeln, könnten jedoch die Nahrungsversorgung der Zukunft revolutionieren: Vor allem die Bewohner von Städten sollen von dem Kreislaufsystem profitieren, in dem sich Pflanzen und Fische gegenseitig mit Nährstoffen versorgen – und die Notwendigkeit einer Zufuhr von außen auf ein absolutes Minimum reduziert wird. Noch in diesem Jahr soll für die Weiterentwicklung ein Gründerstipendium beantragt werden, sagt die Leiterin des neudeli, Christiane Kilian. Derzeit betreut das Gründerzentrum 24 Teams, die die unterschied-lichsten Projekte verfolgen. Eines der bekanntesten ist die Hybridwindel »purapur«, die mit einem voll kompostierbaren Einwegteil und einer ansprechend designten Mehrweg-Außenhülle eine Alternative zur

herkömmlichen Wegwerfwindel bieten soll. Großes Zukunftspotenzial schlummert aber auch in anderen Projekten, wie etwa einer Software zum Auffinden von Plagiaten in wissenschaftlichen Arbeiten (Pica-pica), einem digitalen Geschichtsbuch (Histoglobe) oder aus Pappe hergestellten Möbelstücken (von-Pappe). Bereits seit 12 Jahren unterstützt die Ein-richtung Studierende und Absolventen der Weimarer Bauhaus-Universität mit großem Erfolg beim Schritt in die Selbstständigkeit.

»Thüringen lebt von unendlich vielen Nischen, die ideenreiche Menschen geschaffen haben«, sagt Christine Lieberknecht. Ein Prinzip, das das Land zu einem Wegweiser und Ideengeber gemacht habe. »Einrichtungen wie diese leisten einen wichtigen Bei-trag, die Zukunft des Landes zu gestalten.« Wie an-regend regionale Kontakte sein können, zeigte indes das Beispiel des Teams der »Comake«-Schuhe, die aus ökologischen Materialien vom Käufer selbst zu-sammengebaut und bei Bedarf auch leicht repariert werden können: Die Schnürsenkel dafür stammen vom Erfurter Flecht-Spezialisten Bergal, der ebenfalls auf der Besuchsliste der Ministerpräsidentin steht.

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1 | Levin.2 | Picknick mit Selbstgebackenem.3 | In Aktion: Landrat Hartmut Holzhey und MdB Carola Stauche.

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KINDERTAGESSTäTTE »WALDGEISTER«

Kindersachen und Kinderlachen in Kirchhasel

Johanniter-Kindertagesstätte »Waldgeister« KirchhaselZum Hirschgrund 4707407 Uhlstädt-Kirchhasel

→ www.johanniter.de

18. Juli | Mit großen Augen sitzt die kleine Ylenia auf dem Schoß ihres Vaters im Sandkasten der Kinder-tagesstätte »Waldgeister« in Uhlstädt-Kirchhasel. Noch kann die Zweijährige nicht ganz verstehen, wa-rum alle Erwachsenen so viel Aufhebens um die Frau machen, die neben ihr Platz genommen hat und ge-rade die versammelten Kinder fragt, welches Lied sie zusammen singen können. »Jetzt hat sie ein Foto mit der Ministerpräsidentin«, sagt ihr Vater Steve Reuter lächelnd. Ein wenig später haben es sich die Kinder der Dino-, Käfer- und Bienengruppe zusammen mit Christine Lieberknecht im Schatten eines Baumes mit selbstgebackenem Kuchen zu einem Picknick ge-mütlich gemacht.

»Unser Ziel ist es, dass die Kinder möglichst selbst-ständig und mit dem nötigen Selbstbewusstsein ausgestattet sind, wenn sie in die Schule wechseln«, erklärt die Leiterin des Kindergartens, Silke Salomo. »Das ist wichtiger als die Frage, wie herum sie sich die Schuhe binden und ob sie ihren Namen schrei-ben können«.

Von den Problemen der Kindergärten in ländlichen Regionen ahnen die Kleinen zum Glück noch nichts. »Da 80 Prozent der Thüringer in ländlichen Struktu-ren leben, sind gute Kindergärten besonders auf dem Land unverzichtbar«, sagt Lieberknecht später beim Gespräch mit den Betreuern und den Vertretern der Johanniter, die die Trägerschaft der Einrichtung über-nommen haben. Der Idealfall sei es, dass wie bei den Waldgeistern Erzieher und Eltern gut und produktiv zusammenarbeiteten.

Trotz einiger bürokratischer Hürden habe sich der Kindergarten mit seinen 75 Plätzen inzwischen gut eingerichtet, sagt Salomo. »Wir sind bis 2014 voll ausgebucht.«

Als Landesverband des ältesten und größten evan-gelischen Ordens unterhalten die Johanniter in Sach-sen-Anhalt und Thüringen derzeit 77 Kitas und Horte, 60 Jugendgruppen und 18 Schulsanitätsdienste. Von den fünf Kindertagesstätten in den 32 Ortsteilen von Uhlstädt-Kirchhasel werden drei von den Johannitern betrieben.

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1 | Mit Geschäftsführer David-Ruben Thies auf dem Rundgang.2 | Im Gespräch mit Mattheo Thun, MdL Mario Voigt, Landrat Andreas Heller, Albert Weiler und MdL Wolfgang Fiedler.3 | Antonio und Josefina aus Angola. 4 | Mattheo Thuns Entwurf.

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WALDKRANKENHAUS »RUDOLF ELLE«

Natur-Heilkraft in Eisenberg

Waldkrankenhaus »Rudolf Elle« GmbHKlosterlausnitzer Straße 8107607 Eisenberg

→ www.krankenhaus-eisenberg.de

18. Juli | Das neue »Patientenhotel«, mit dem das Waldkrankenhaus Rudolf Elle seinen Status als eine der besten – und wohl auch am schönsten gelege-nen – Universitätskliniken in Deutschland festigen will, ist momentan sicher eine der deutlichsten Ver-bindungen von Natur, Mensch und Nachhaltigkeit im Freistaat. Ab September 2017 soll das neue Haus 254 Gästen ideale Bedingungen für eine rasche Erholung bieten. Umsetzen wird das Konzept die Planungsge-sellschaft von Michael Keitel gemeinsam mit dem in-ternational renommierten Architekten Mattheo Thun. Insgesamt werden rund 41 Millionen in den Neubau fließen, 31 Millionen davon stammen vom Freistaat Thüringen.

»Der wunderbare Ausblick ins Grüne wird sicher ent-scheidend zur raschen Genesung unserer Patienten beitragen«, sagte Geschäftsführer David-Ruben Thies. 2012 wurden in der Klinik insgesamt rund 37.000 Pati-enten behandelt, das Waldkrankenhaus ist damit die größte universitäre Orthopädie in Europa und die Ein-zige im Freistaat. In einem aktuellen »Focus«-Ranking belegte das Haus einen Platz in der Spitzengruppe der orthopädischen Kliniken in Deutschland.

»Im Gegensatz zu anderen Häusern müssen wir uns über einen Mangel an ärzten keine Sorgen machen«, sagt der Chefarzt der Orthopädie, Georg Matziolis. Noch nicht einmal aktiv werben müsse die Klinik mo-mentan. »Unser Bestreben ist es, für Arbeitnehmer immer attraktiv zu bleiben. Etwa, indem wir Leistun-gen und nicht Dienstjahre fördern. Qualität setzt sich langfristig durch.«

»In der Tour hätte etwas Elementares gefehlt, wenn wir hier nicht Station gemacht hätten«, sagt Christine Lieberknecht am Ende des Besuchs. »Gesund wird man am besten, wenn Mensch und Natur eine Ein-heit bilden, deshalb müssen wir unser grünes Herz behüten.«

Durch die hohe Energieeffizienz, die die Energieko-sten des Hauses jedes Jahr um etwa ein Drittel ver-ringern soll, passen die Neubaupläne ideal in das Konzept der Nachhaltigkeit – ein Prinzip, das bereits vor 300 Jahren im Freistaat mitentwickelt wurde und heute aktueller ist denn je.

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1 | Präzision.2 | Laboransicht.3 | Übergabe »NAThüringen« Urkunde an Geschäftsführer Dr. Knuth Baumgärtel.

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MICRO-HYBRID ELECTRONIC

Familienfreundlichkeit als Firmenphilosophie

Micro-Hybrid Electronic GmbH Heinrich-Hertz-Straße 807629 Hermsdorf

→ www.micro-hybrid.de

18. Juli | Eigentlich ist die Micro Hybrid Electronic GmbH aufgrund ihrer Spitzentechnologie in Minia-turformat weltweit ein Begriff. Doch auch in Sachen Nachhaltigkeit und Familienfreundlichkeit ist das Un-ternehmen ganz vorne dabei, wie etwa die Leiterin der Controlling-Abteilung, Martina Glasenapp, aus eige-ner Erfahrung berichten kann: Zwei Kinder brachte sie in der Zeit bei Micro-Hybrid zur Welt – ohne dass ihre berufliche Weiterentwicklung darunter gelitten hätte.

»Das Unternehmen übernimmt nicht nur die Kinder-gartenkosten für die Mitarbeiter, auch Elternteilzeit oder flexible Arbeitszeiten sind überhaupt kein Pro-blem«, sagt Glasenapp. »Das ist hier schon optimal geregelt.« Auch ihre Kollegin Christine Lesch kann das nur bestätigen. Obwohl ihr Mann als Lastwagen-fahrer die ganze Woche unterwegs ist, lassen sich für die dreifache Mutter Kinder und Beruf unter einen Hut bringen.

»Erfolgreiche Unternehmen ermöglichen Ihren Mit-arbeitern Familie und Karriere. Hermsdorf und be-sonders Micro-Hybrid sind dafür ein gutes Beispiel«, sagt Christine Lieberknecht – zumal das zur Mikro-

Epsilon-Group gehörende Unternehmen mit 120 Mit-arbeitern in Thüringen mit einigen Produkten zu den Weltmarktführern gehört.

Und dass Erfolgsgeschichten nicht zwangsläufig auf prunkvolle Neubauten angewiesen sind, zeigt das Beispiel Micro-Hybrid ebenfalls. Nicht nur, dass die altgedienten Gebäude der keramischen Werke Hermsdorf beim Einzug des Unternehmens mit neu-em Leben erfüllt wurden – für seine freiwilligen Maß-nahmen für Umweltschutz, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit wurde der Betrieb zudem vom Um-weltministerium und der IHK Ostthüringen mit dem Preis »NAThüringen« ausgezeichnet. »Alles in allem eine äußerst gelungene Erfolgsgeschichte«, so das Fazit der Ministerpräsidentin. Bei einem jährlichen Umsatz von etwa 11 Millionen Euro ist der Betrieb gut am Markt platziert. Produziert werden unter anderem Platinen, die auch im Hochtemperaturbereich arbei-ten und in der öl- und Gasförderung eingesetzt wer-den. Auch in Sachen Infrarotkomponenten ist das Un-ternehmen gut aufgestellt. Beliefert werden Kunden aus der Medizintechnik, der Automobilherstellung, der Umwelttechnik und der Luftfahrt.

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1 | Teilnehmer der Summer-School.2 | Rektor Prof. Dr. Klaus Dicke.3 | Eröffnungsrede.4 | Forschungszentrum für Versöhnung.5 | Sawako Fujiwara aus Japan und Elina Erdnieva aus Russland.

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FRIEDRICH-SCHILLER-UNIVERSITäT

Ein Sommer im Zeichen der Versöhnung

Friedrich-Schiller-Universität Jena Theologische Faktultät Fürstengraben 607743 Jena

→ www.theologie.uni-jena.de

18. Juli | Für Sawako Fujiwara aus Japan und ihre Kommilitonin Elina Erdnieva aus Russland sind die nächsten zehn Tage ein ganz besonderes Erlebnis. Zusammen mit Dutzenden Studierenden aus allen Teilen der Welt nehmen sie an der Summer School der Universität Jena teil, die in diesem Jahr bereits zum dritten Mal stattfindet. Zentrales Thema sind dieses Mal die Konflikte und Friedensbemühungen in Asien sowie die spannungsgeladene Geschichte der Aborigines in Australien. Fujiwara hat sich auf die Geschichte der protestantischen Frauen in Nord-Thailand spezialisiert.

Doch nicht nur die Summer School wird an diesem Tag von der Fakultät für systematische Theologie er-öffnet. Gleichzeitig fällt der Startschuss für das »Jena Center for Reconciliation Studies« – zu deutsch: »Jenaer Forschungszentrum für Versöhnung«. Hinter dem etwas sperrigen Begriff verbirgt sich ein inter-disziplinäres Projekt zur Forschung rund um das The-ma »Versöhnung«. Es geht um Strategien, mit denen Staaten und Bevölkerungsgruppen lang gewachsene Konflikte beilegen können. Unter anderem wird seit dem 1. Juli 2013 in einem eigenen Projekt versucht,

neue Ansätze zu finden, um die Versöhnungsbereit-schaft zwischen Israelis und Palästinensern zu för-dern. Zwischen den Studierenden aus aller Welt sa-ßen deshalb auch fünf Studierende aus Palästina und acht aus Israel. »Es freut mich, dass Teilnehmer aus so vielen verschiedenen Ländern für diese Veran-staltung zum ersten Mal nach Deutschland gekom-men sind«, sagt Christine Lieberknecht, die selbst an der Theologischen Fakultät in Jena studiert hat, in ihrem Grußwort. Ganz im Sinne Albert Camus, der als wesentlichen Bestandteil der Versöhnung die Fähigkeit sah, »aus dem Ich herauszutreten und an die Tür des Du zu klopfen«, sei Versöhnung ein für beide Seiten anspruchsvoller Prozess – was auch an der teils sehr schwierigen Aufarbeitung der deutsch-deutschen Geschichte ablesbar sei. Zwar seien Re-ligion und Theologie dazu prädestiniert, aktiv an der Versöhnung mitzuwirken, sagt Lieberknecht. Die Herausforderung sei es jedoch, auch Menschen ohne religiösen Hintergrund dazu einen Zugang zu verschaffen. Weil Versöhnung ein solch globales Thema ist, wird sich die Fakultät noch stärker inter-national aufstellen und einen eigenen Internetstudi-engang einrichten.

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1 | Rundgang mit Geschäftsführer Jörg Kuntzsch, Landrat Harald Henning u.a.2 | Windpark Olbersleben.

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WINDPARK OLBERSLEBEN

Vom Winde verwöhnt

BOREAS Energie GmbHGrünstraße 10699955 Ballhausen

→ www.boreas.de

19. Juli | Die erste von zwei Tour-Stationen in Söm-merda, einem der Vorzeigelandkreise beim Thema Erneuerbare Energien, führt Christine Lieberknecht in einen Windpark in der Nähe von Olbersleben. Auf diesem Feld sollen in absehbarer Zukunft 40 Wind-kraftanlagen stehen, die zusammen etwa 200 Giga-wattstunden Strom jährlich erzeugen werden. Das ist etwa ein Drittel der Strommenge, die im Kreis pro Jahr verbraucht wird, womit die Beziehung Stromer-zeugung-Stromverbrauch tatsächlich zu einem gro-ßen Teil regionalisiert werden könnte. Mehr noch als auf technische Details kommt es Lieberknecht des-halb bei diesem Stopp darauf an, welches Potenzial im großen Ganzen in der Windkraft steckt und wie die Betreiber des Parks die Akzeptanz der Menschen vor Ort für die Erneuerbaren Energien sichern.

Die Betreiber – dafür steht an diesem Morgen als einer von sieben Investoren das Unternehmen Bore-as, das in Ballhausen und Dresden ansässig ist und mehr als 90 Beschäftigte hat. Neun Windräder be-treibt Boreas bei Olbersleben bereits.

Doch trotz seiner schon beachtlichen Präsenz im Norden Thüringens ist Boreas noch nicht am Ende seiner Ausbauziele angelangt. Geschäftsführer Jörg Kuntzsch präsentiert Lieberknecht einen ehrgeizigen Plan, während sich über ihren Köpfen die Rotoren drehen. Bis 2035 könnte der gesamte Energiebe-darf des Freistaats aus Windkraft gedeckt werden, sagt er. Nötig sei lediglich, die Vorrangflächen für den Ausbau von Windkraftanlagen von derzeit 0,3 auf 1,6 Prozent der Landesfläche auszuweiten. Das funktioniere, ohne Windräder in den Thüringer Wald zu stellen. Dann könne die Zahl der Windmühlen von aktuell etwa 600 auf 1.700 gesteigert werden – was ausreiche, um 100 Prozent des Thüringer Strombe-darfs aus grüner Windenergie zu gewinnen; regio-nalisierte Energieerzeugung pur, was den Bedarf an weiteren großen Hochspannungsleitungen wohl sinken ließe. Bei aller technischen Machbarkeit, da sind sich Kuntzsch und Lieberknecht einig, geht ein solcher Ausbau aber nur, wenn auch die Menschen vor Ort dabei mitgenommen werden und an der Wert-schöpfung für die Region teilhaben.

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1 | Clausberg AG.2 | Anlagenfahrer Axel Denke.3 | Im Gespräch mit Geschäftsführer Enrico Bergmann, Minister Christian Carius, MdB Johannes Selle, Landrat Harald Henning u.a. 4 | Überwachungsmonitor.

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CLAUSBERG AG

Der Mix macht's

Clausberg AG VogelsbergRosa-Luxemburg-Straße 3399610 Vogelsberg

→ www.clag.de

19. Juli | Gibt es keinen Bedarf an anderen Erneuerba-ren Energien mehr, wenn der Ausbau der Windener-gie nur schnell genug vorangetrieben wird? Kaum. »Wir werden den Mix aus mehreren grünen Energi-en brauchen«, sagt Christine Lieberknecht, nach-dem sie die zweite Station im Landkreis Sömmerda besucht hat: eine Biogasanlage in Kölleda, die zur Clausberg Unternehmensgruppe gehört, die ihren Hauptsitz in Vogelsberg hat. Nicht nur in Thüringen sind die Clausberg-Firmen aktiv, sondern auch in Brandenburg. Sie erzielen einen Jahresumsatz von etwa 20 Millionen Euro.

Warum der Mix? »Mit unserem Biogas sind wir regel-bar«, erklärt Enrico Bergmann. Er ist Mitglied des Clausberg-Vorstandes, lobt das Investitionsklima im Freistaat ausdrücklich und spricht sich gegen jede Einseitigkeit bei den Erneuerbaren Energien aus. Wenn der Wind nämlich einmal nicht wehe oder die Sonne einmal nicht scheine, dann könnten – Vielfalt am Markt vorausgesetzt – zum Beispiel die 16 Bio-gasanlagen des Unternehmens im Landkreis für die dann dringend benötigte Energie sorgen. Und wie auch die regionale Windenergie kämen auch die Bio-

gasanlagen der Region zu Gute – zum Beispiel über Gewerbesteuereinnahmen. Deshalb, so argumentiert Bergmann: Nur der Mix sichert die Grundlastfähigkeit der Erneuerbaren Energien.

Die Geschichte von Clausberg ist ein Paradebeispiel dafür, wie Erneuerbare Energien regionale Quellen des Wohlstands sein können: Während 2005 und 2006 der Agrarmarkt am Boden lag, erzählt Berg-mann, habe man sich dafür entschieden, auf grüne Energie zu setzen und seine landwirtschaftlichen Produkte »zu veredeln«. Das Konzept geht auf: Einer-seits macht Clausberg Gewinne. Andererseits sichert das Unternehmen Arbeitsplätze und ist ein gefragter Geschäftspartner vor Ort.

Das schließlich beeindruckt Lieberknecht nicht we-niger als das Potenzial von Biogas als Energieträger. Denn: Von seiner Biogasanlage in Kölleda aus be-liefert Clausberg die zu Daimler gehörende Moto-renschmiede MDC Power mit Wärme. Anders ausge-drückt: In Thüringen trifft Greentech auf Hightech.

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1 | Gäste.2 | Außenansicht Wasserburg.3 | Sportplatz.

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JUGENDHERBERGE WASSERBURG HELDRUNGEN

Junges Leben in alten Mauern

DJH Jugendherberge HeldrungenSchloßstraße 1306577 Heldrungen

→ www.jugendherberge.de

19. Juli | Es dauert nicht lange, da sitzt Christine Lie-berknecht ganz oben in einem der Etagenbetten. Die steile Holzleiter, die sie dafür hinauf musste und die bis fast unter die Decke reicht, hat sie nicht daran ge-hindert, es sich dort gemütlich zu machen. »Jetzt habe ich die Wasserburg erobert«, scherzt sie. »Das ist schon ein kleiner Hauch von Ferien.« Die Wasserburg in Heldrungen hat tatsächlich mit beidem zu tun: mit Erobern und mit Ferien. Einerseits ist sie eine in ihrem Erhaltungszustand vielleicht einzigartig mittelalter-liche Burganlage. Vor allem die noch immer funktio-nierenden Flutgräben an den Außenmauern machen sie zu etwas Besonderem. Ihre Geschichte reicht bis ins Jahr 1217 zurück. Zur Wasserburg im eigentlichen Sinne wurde sie zwischen 1512 und 1519 ausgebaut, später vollständig zerstört, dann wieder aufgebaut. Anderseits ist die Wasserburg heute eine von 21 Ju-gendherbergen des Deutschen Jugendherbergswerks in Thüringen – und damit ein steinernes Symbol da-für, dass Gegenwart und Vergangenheit und Zukunft immer in einer Beziehung miteinander stehen; gera-de auch im Freistaat. Und geht es nach dem Thürin-ger Landesverband des Jugendherbergswerks, dann kann die Wasserburg noch eine sehr lange Zeit als

Gästehaus dienen. 1,6 Millionen Euro Eigenmittel nehme man für den laufenden Ausbau der Anlage in die Hand, sagt der Geschäftsführer des Werks in Thüringen, Peter Kraft. Zusätzlich erhalte der Ver-band noch 3,9 Millionen Euro Fördermittel. Das Ziel: Die in Heldrungen aktuell vorhandenen Kapazitäten und übernachtungszahlen praktisch verdoppeln, auf dann mehr als 120 Betten und 24.000 übernachtun-gen jährlich. Insgesamt, sagt Kraft, habe es in den Häusern des Landesverbandes im vergangenen Jahr fast 240.000 übernachtungen gegeben. Rund 40 Pro-zent der Gäste in den Jugendherbergen seien Schüler, so wie jene 85 Kinder und Jugendliche, die während des Besuchs von Lieberknecht zu einer Singe-Woche auf der Burg sind. Damit seien die Jugendherbergen auch wichtige Wirtschaftsfaktoren für ihre jeweiligen Regionen.

Im Fall der Wasserburg ist das Jugendherbergswerk zudem wichtig für die Erhaltung der Bausubstanz und damit eines historischen Denkmals in Thüringen, in dem auch ein Thomas-Müntzer-Gedenkstätte unter-gebracht ist, sagt Lieberknecht.

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1 | Produktion.2 | Köstlichkeiten.3 | Im Gespräch mit Geschäftsführerin Karin Finger, MdB Johannes Selle, MdL Gudrun Holbe u.a.

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GOETHE SCHOKOLADENTALER MANUFAKTUR

Köstlichkeiten im Kyffhäuserkreis

Goethe Schokoladentaler Manufaktur GmbHGewerbegebiet 1306578 Oldisleben

→ www.goethe-schokoladentaler.de

19. Juli | Als der Chocolatier Patrick Naumann die wei-ße Schokolade mit einem Löffel auf dem Backpapier verteilt und zu einem fast perfekten Kreis ausstreicht, da erübrigt sich jede Frage danach, wie oft er das schon gemacht hat. Nach wenigen Augenblicken ist klar: Der Mann versteht sein Handwerk; ebenso wie die anderen der insgesamt 16 Mitarbeiter der Goethe Schokoladentaler Manufaktur in Oldisleben. Jede ein-zelne Praline, jedes einzelne Glas Konfitüre wird hier in penibler und aufwändiger Handarbeit gefertigt. So sehr ist man in dem Unternehmen von Geschäftsfüh-rerin Karin Finger auf Einzigartigkeit bedacht, dass beim Zubereiten der Früchte beispielsweise nur eine relativ kleine Menge von ihnen aufgekocht wird. An-dernfalls, erklärt Finger Christine Lieberknecht, wür-de es zu lange dauern, bis die komplette Masse warm genug wird – was wiederum dem Aroma schade.

Das Wort Manufaktur im Unternehmensnamen wird hier ganz ernst genommen. Vor etwa acht Jahren hat Finger – die eigentlich gelernte Elektroinstallateurin ist und später Betriebswirtschaft studierte – ihren Job bei einem großen deutschen Industrieunternehmen aufgegeben, sich in der Feinkostbranche selbststän-

dig gemacht und den Dichterfürsten zum Patron ih-res Unternehmens erkoren. Nun, da sich die Goethe Schokoladentaler Manufaktur erfolgreich am Markt behauptet – seit 2011 im neuen Produktionsgebäu-de in Oldisleben –, erfreuen sich Genießer in ganz Deutschland an den Köstlichkeiten aus dem Freistaat. Es gebe schon seit Längerem gute Geschäftsbezie-hungen unter anderem zu mehreren Luxushotels und zu bekannten Gourmet-Läden, erzählt Finger und schiebt dann noch einen Satz nach, dessen Inhalt erstaunt: »Wir sind in Deutschland der teuerste Kon-fitüre-Anbieter auf dem Markt.« Mit seinen Produkten hat das Unternehmen eben eine Nische besetzt und kann es sich leisten, sie hochpreisig zu verkaufen. Das schafft Zukunft. überhaupt gibt Finger während des Rundgangs durch das Haus noch mehrere über-raschende Einblicke in ihr tägliches Arbeiten. Mit der Kreativität und dem Geschmack zum Beispiel, erklärt sie Lieberknecht, sei es wie mit dem Sport: Beides könne man ebenso trainieren und aufbauen wie Mus-keln und Ausdauer. »Das müssen wir wissen, denn wir müssen kreativ sein, sonst haben wir als kleines Unternehmen keine Chance«, sagt sie.

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1 | Im Gespräch mit Geschäftsführer Prof. Dieter Beckmann.2 | Labor.3 | Detail.

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IBA – INSTITUT FüR BIOPROZESS- UND ANALYSENMESSTECHNIKEin Leuchtturm, der kein Elfenbeinturm ist

Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik e.V.Rosenhof 37308 Heilbad Heiligenstadt

→ www.iba-heiligenstadt.de

14. August | Im Keller des Instituts für Bioprozess- und Analysenmesstechnik bedankt sich Steffi Groh-mann überschwänglich bei Christine Lieberknecht. Die Landesmittel, die in das Forschungszentrum, das mit iba abgekürzt wird, gesteckt worden seien, seien gut angelegtes Geld gewesen, sagt die wissen-schaftliche Mitarbeiterin. Und sie hätten auch ihr persönlich eine Perspektive in der ländlich gepräg-ten Region gegeben. Sie selbst, erzählt Grohmann, stamme aus Nordthüringen und sei glücklich, hier einen Arbeitsplatz gefunden zu haben. Lieberknecht nennt das iba bei ihrem Besuch »einen Leuchtturm«, der für etwas stehe, was Thüringen in seiner Gesamt-heit auszeichne: »Dass wir solche Leuchttürme nicht nur in den Ballungszentren haben, sondern auch in der Fläche.« In Fachkreisen ist diese Strahlkraft kein Geheimnis. Im iba in Heilbad Heiligenstadt fänden schon seit Jahren größere wissenschaftliche Tagun-gen statt, erklärt der Direktor des Hauses, Dieter Beckmann. Das sei ebenso ein Ausweis der Exzellenz wie die Tatsache, dass das iba neben seinen Dutzen-den Forschungspartnern in Thüringen und Deutsch-land 75 weitere in Europa und acht in den übrigen Tei-

len der Welt hat. »In der Welt der Wissenschaft haben wir uns einen Namen gemacht«, sagt Beckmann. Das iba ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung des Freistaats, an der mehr als 60 Mitarbeiter – Inge-nieure, Biologen, Chemiker, Physiker, Mathematiker – arbeiten. Sie beschäftigen sich mit all jenen Grenz-flächen, an denen biogenes mit nicht-biogenem Ma-terial in Berührung kommt. Grohmann zum Beispiel forscht daran, wie künstliche Gelenke so präpariert werden können, dass sie besser mit dem menschli-chen Körper verwachsen. Dazu, erklärt sie, brauche es einen biologisch anmutenden überzug, der ver-hindere, dass ein Implantat vom Körper als Fremd-körper erkannt wird. Der Markt für solche Lösungen, sagt sie, sei groß und zukunftsträchtig, denn: »Der Gesundheitsmarkt ist ein Wachstumsmarkt.«

Das größte Problem für das iba, da ist Beckmann of-fen, stelle die Lücke zwischen den Labors der Wis-senschaftler und der wirtschaftlichen Anwendung ihrer Ergebnisse dar. Zur überwindung dieses Tals müsse der Staat Geld zur Verfügung stellen, gibt er Lieberknecht mit auf den Weg.

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1 | Außenansicht.2 | Fleischverarbeitung.3 | Bratwurstherstellung.4 | Marius Heinrich Azubi im 3. Lehrjahr und Thomas Nolte, Koch in der Kantine.

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KAUFLAND FLEISCHWAREN HEILIGENSTADT

Wenn's um die Wurst geht: Eichsfeld

Kaufland Fleischwaren Heiligenstadt GmbH & Co.KGHugo-Engelmann-Straße 237308 Heilbad Heiligenstadt

→ www.kaufland.de

14. August | Die Hände müssen tief hinein in den sil-bernen Metallkasten. Wenn das Licht von Rot auf Grün springt, sind sie voller Seife. Hände raus, ein paar Schritte – über eine Schuhputzmaschine – gehen und an einem Waschbecken die Hände reinigen. Dann Ab-trocken. Wieder ein Kasten mit Lichtern, diesmal mit Desinfektionsmittel. Erst, wer diese Prozedur hinter sich hat, der darf da hin, wo in der Kaufland-Fleische-rei in Heilbad Heiligenstadt insgesamt mehr als 600 Mitarbeiter unter anderem Thüringer Rostbratwürste herstellen. In riesigen Mengen: 800 Kilogramm Fleisch pro Stunde kann eine der Maschinen unweit der Hygi-eneschranke zu Bratwürsten verarbeiten. In der Flei-scherei gibt es fünf davon. Von den strengen Hygie-nebestimmungen wird für niemanden eine Ausnahme gemacht, auch nicht für Christine Lieberknecht. Zu sensibel ist die Lebensmittelproduktion. Insgesamt 44.000 Tonnen Fleischartikel sollen die Produktions-hallen jährlich verlassen. Dass sich Kaufland dazu ent-schloss, diese Fleischerei in Thüringen zu bauen, das, sagt Frank Lehmann, der Vorstandsvorsitzende von Kaufland, habe auch mit Thüringer Rostbratwürsten zu tun. Selbstverständlich sei die zentrale Lage des Landes ein wichtiger Grund für diese Entscheidung

gewesen. Immerhin sollen von hier aus die mehr als 630 Kaufland-Märkte in ganz Deutschland beliefert werden. Aber die Möglichkeit, die in Heilbad Heiligen-stadt produzierten Würste, »Thüringer Rostbratwürs-te« zu nennen, sagt er, die sei ebenfalls ein zentrales Argument gewesen; für Lieberknecht ein Beleg, dass in Thüringen eine weitere Tradition – in diesem Falle: die Grilltradition – ein Garant für Zukunft ist.

Und Zukunft hat Kaufland mit dieser Fleischerei ohne Zweifel nach Nordthüringen gebracht. Nicht nur, weil nach Angaben des Geschäftsführers der Fleischerei, Thorsten Groß, 80 Prozent der Beschäftigten aus dem Eichsfeld- oder dem Unstrut-Hainich-Kreis kommen. Auch die Art und Weise, wie Kaufland die Mitarbeiter gefunden hat und unter welchen Bedingungen sie beschäftigt sind, ist in Zeiten des Fachkräftemangels wegweisend. So hätten die Verantwortlichen nicht auf Bewerbungen gewartet, erzählt Groß. »Stattdessen haben wir uns als Arbeitgeber bei den Eichsfeldern beworben.« 100.000 Flyer habe das Unternehmen verteilt. Ein Bewerbungsbogen lag bei. Und: Alle Mit-arbeiter, sagt Groß, hätten unbefristete Arbeitsverträ-ge und würden nach Tariflohn bezahlt.

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1 | Leitstand.2 | Werksansicht.3 | Verabschiedung.

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DEUNA ZEMENT

Geschäftsabschluss dank Gleisanschluss

Deuna Zement GmbH Industriestraße 737355 Deuna

→ www.deuna-zement.de

14. August | Vor gut zwanzig Jahren hätte man den Chefs des Zementwerks in Deuna vorwerfen können, nicht mit der Zeit zu gehen. Heute wissen es die Ge-schäftsführung und auch etwaige Kritiker von einst besser: Die Entscheidung, den Bahnhof des Werkes nicht zu schließen, war langfristig richtig, trotz der damit verbundenen Kosten. Eineinhalb mal so groß wie der Bahnhof Nordhausen sei der des Werks, sagt Ulrich Kühner, einer der beiden Geschäftsführer von Deuna Zement. Etwa 26 Kilometer Gleise lägen inner-halb des Betriebsgeländes. Für Deuna Zement, dass zur Dyckerhoff AG gehört, ist der Bahnhof ein Garant für Umsatz. Etwa die Hälfte der Zementlieferungen des Werks – 2012: 1,5 Millionen Tonnen, bei 225 Mit-arbeitern und einem Jahresumsatz von etwa 100 Mil-lionen Euro – gingen inzwischen über die Schiene, erklären Kühner und sein Mit-Geschäftsführer Ger-hard Weiland Christine Lieberknecht, kurz bevor es in den Leitstand des Werkes geht. Von dort aus wird die Produktion von zwei Leitstandfahrern auf zahl-reichen Computerbildschirmen überwacht. Der Weg hinauf bietet einen guten überblick über das Unter-nehmensgelände – und eben einen Blick auf den

Bahnhof. Die Gleisanlagen sind so wichtig für Deu-na, weil Kunden mittels Lkw nur in einem Radius von maximal 100 Kilometer zu konkurrenzfähigen Prei-sen beliefert werden könnten, erklären Weiland und Kühner. Mit Hilfe der Eisenbahn sei es möglich, weit entfernte Abnehmer zu erreichen. Die zentrale Lage des Freistaats sei ein wesentlicher Standort-Vorteil für das Werk. Beim Blick auf eine Karte mit den Liefer-beziehungen kann Lieberknecht dann auch nicht an-ders, als gleich mehrmals festzustellen: »Sie liegen hier wie im Mittelpunkt eines Zifferblattes.«

Von den großen Infrastrukturprojekten der vergange-nen Jahre hat das Unternehmen nachhaltig profitiert. Egal ob beim Bau der Autobahnen 38, 44, 71 oder 73. überall wurde und wird Deuna-Zement verbaut – was, sagen Kühner und Weiland, nur möglich sei, weil die Firma derzeit noch von der EEG-Umlage be-freit ist. Aber für genau solche energieintensiven Un-ternehmen sei diese Möglichkeit ja auch geschaffen worden, sagt Lieberknecht. »Auch wegen dieser In-formationen ist diese Station ein wertvoller Baustein im Mosaik meiner Sommertour.«

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1 | Außenansicht.2 | Versuchsaufbau.3 | Rundgang mit Geschäftsführer Manfred Seikel, Oberbürgermeister Dr. Klaus Zeh, MdL Evelin Groß u.a.

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BUNDESFACHSCHULE KäLTE-KLIMA-TECHNIK

Gutes Klima in Niedersachswerfen

Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik NiedersachswerfenSteinstraße 1999768 Harztor

→ www.bfs-kaelte-klima.de

14. August | »Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht, herzlich willkommen in der weltweit modernsten Bil-dungseinrichtung für Kälte- und Klimatechnik.« Bei seiner Begrüßung gibt sich der Geschäftsführer des Trägers der Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik nicht wirklich bescheiden. Den Stolz, den Manfred Seikel darüber empfindet, im kleinen Niedersachs-werfen vor wenigen Monaten ein neues, hochfunktio-nales Schulgebäude bezogen zu haben, kann er nicht verbergen. Er muss es auch nicht. Denn dass in dem Haus im Winter mit jener Wärme geheizt wird, die bei der »Produktion« von Kälte entsteht, ist nur eine der Raffinessen des Thüringer Standortes der Schule. Die Aus- und Weiterbildung von Kälte- und Klimaspezia-listen aus ganz Deutschland könnte in keinem bes-seren Umfeld stattfinden. Aus ganz Deutschland? Längst nicht mehr nur. Darauf ist Seikel ebenso stolz, wie Christine Lieberknecht davon beeindruckt ist: Schüler aus 56 Nationen, sagt Seikel, hätten schon in Niedersachswerfen gelernt. »Die meisten sind wieder zurück in ihre Heimatländer gegangen, um dort als Lehrkräfte zu arbeiten.« Träger der Bundesfachschu-le ist die Landesinnung Kälte-Klima-Technik Hessen-

Thüringen / Baden-Württemberg, der Neubau im Frei-staat macht Niedersachswerfen zum modernsten der insgesamt vier Standorte. 8,1 Millionen Euro seien in dem neue Gebäude insgesamt verbaut worden, mehr als eine Million Euro alleine in die Ausstattung des Hauses geflossen, sagt Seikel. Ergebnis: Aus Sicht Lieberknechts hat die Innung damit fraglos Geld für das Fortbestehen der eigenen Zunft in die Hand ge-nommen: »Bildung, Bildung, Bildung ...«, sagt sie – und muss den Satz gar nicht beenden, weil jeder weiß, was er bedeutet.

Neben der Zunft profitiert die Region. Etwa 1.500 Männer und Frauen hätten im vergangenen Jahr die Schule besucht, sagt der Leiter der Einrichtung, Jörg Peters. Für Pensionen, aber auch private Ferien-wohnungen im Umfeld habe das 17.000 zusätzliche übernachtungen bedeutet. Rechne man neben den reinen übernachtungskosten auch hinzu, dass die Lehrgangsteilnehmer Essen gingen und touristische Einrichtung besuchten, dann bringe der Standort für die Region jährlich Einnahmen in Höhe von mindes-tens einer Million Euro.

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1 | Fertigung.2 | Im Gespräch mit den Geschäftsführern Sam Luke und Torsten Buchwald.3 | Im Gespräch mit Fertigungsleiterin Monique Ganz.4 | Microtubes.

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AHN BIOTECHNOLOGIE

Vom Händler zum Hersteller

AHN Biotechnologie GmbHUthleber Weg 1499734 Nordhausen

→ www.ahn-bio.de

14. August | Erst beim Rundgang durch die Räumlich-keiten von AHN Biotechnologie merkt Christine Lie-berknecht, wie willkommen sie hier ist. Während sie die Produktionshallen besichtigt, erfährt sie, dass das Unternehmen eigentlich Betriebsferien macht. Extra für Lieberknechts Besuch aber hat eine Viel-zahl der Mitarbeiter den Urlaub unterbrochen, um ihr das Unternehmen zu zeigen. Und Gründe, AHN gesehen zu haben, gibt es genug. Vor allem demons-triert die Firma, dass man auch mit in Deutschland hergestellten Produkten auf dem Weltmarkt konkur-renzfähig sein kann – selbst wenn es Mitbewerber aus Asien gibt.

Aktuell, sagt AHN-Geschäftsführer Torsten Buch-wald, kümmerten sich bei der Firma 38 Mitarbeiter um die Herstellung und den Vertrieb von vielem, wo-mit sich Flüssigkeiten bewegen lassen, sogenannte Liquid-Handling-Produkte; Pipetten gehören zum Beispiel dazu. Vor kurzem habe das Unternehmen noch 28 Beschäftigte gehabt, bis Ende 2014 sollen es 45 sein.

Die überraschung dabei: Als AHN 1999 gegründet wurde, erzählt Buchwald, habe man überhaupt nicht vorgehabt, selbst solche Produkte herzustellen. Stattdessen habe man sie nur vertreiben wollen – bis die Unternehmenslenker merkten, dass deutsche In-genieurskunst selbst so etwas scheinbar Simples wie eine Pipette noch verbessern kann und sich deshalb mit dem Label »Made in Germany« auch bei dieser Art von Produkten gutes Geld verdienen lässt. Heute nun, sagt Buchwald, habe AHN sein Geschäft prak-tisch vollständig auf die Produktion verlagert und verkaufe nur noch an Händler, nicht mehr an End-kunden.

Besonders beeindruckend für Lieberknecht: Die Strategie von AHN hat nach Angaben von Buchwald auch für den Gesamtmarkt Relevanz. Der werde im Wesentlichen von zwei großen Firmen dominiert, die ihren Kunden Preise und Konditionen diktieren könn-ten. Wer nicht in eine solche Abhängigkeit geraten wolle, komme zu den Thüringern.

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1 | Halb zehn in Ohrdruf.2 | Qualitätskontrolle.

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AUGUST STORCK KG

Morgens halb zehn in Ohrdruf

August Storck KGHerrenhöfer Landstraße 599885 Ohrdruf

→ www.storck.com/de/

15. August | Von all den überraschungen, die Thürin-gen bereit hält, zählt das Werk von Storck sicherlich zu den Süßesten: Auf Schritt und Tritt werden Gäste praktisch überall auf dem Gelände von dem unver-wechselbaren Duft begleitet, der für die Mitarbeiter untrennbar mit ihrem Beruf verbunden ist. »Wir de-cken hier den gesamten Prozess ab: von der Kakao-bohne bis zum fertig verpackten Produkt.«, erklärt der Geschäftsführer Produktion und Technik, Achim Westerhoff, beim Rundgang, während im Hintergrund jede Minute Tausende kleine Schokoladenstücke vom Band laufen, geprüft, verpackt und für den Ver-sand vorbereitet werden.

»Ab und an gönnt man sich etwas Süßes und viele der Produkte kenne ich natürlich, aber die schiere Menge macht doch Staunen«, sagt die Ministerpräsidentin sichtlich beeindruckt von den Dimensionen, in denen hier die süßen Gaumenfreuden über die endlosen Produktionsstraßen rattern. Auch die Knoppers-Waf-feln, als »das Frühstückchen« beworben, gehören dazu. Jede Waffel, die in Deutschland oder irgendwo

anders auf der Welt über den Ladentisch geht, kom-me aus dem Thüringer Werk, sagt Westerhoff. »Die Produktion einer Schicht wäre aufeinander getürmt so hoch wie der Inselsberg.« Seit der Unternehmens-gründung im Jahr 1903 im westfälischen Werther – damals nur mit einem Bonbonkocher und einem Dragee-Kessel – hat sich viel getan.

Heute ist Storck einer der zehn größten internatio-nal agierenden Süßwarenhersteller der Welt. Von allen Krisen weitgehend unbeeindruckt konnte das Unternehmen die Umsätze in den vergangenen Jah-ren kontinuierlich steigern. An drei Standorten in Deutschland werden heute Süßwaren aller Art vom Karamell über Schokoladenerzeugnisse bis hin zu Schaumküssen produziert und nach ganz Europa, Asien und Amerika exportiert; derzeit in mehr als 100 Länder auf der ganzen Welt. Allein in Ohrdruf arbeiten derzeit rund 1.100 Mitarbeiter, darunter 36 Auszubildende.

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1 | Im Gespräch mit Minister Jürgen Reinholz und Wilfried Koch.2 | EJOT-Produkte.3 | Automatisierte Fertigung.4 | Beim Rundgang.

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EJOT TAMBACH-DIETHARZ

Damit zusammenhält, was zusammengehört

EJOT Tambach GmbHIm Grund 499897 Tambach-Dietharz

→ www.ejot.de

15. August | Dass manchmal selbst in ganz alltäg-lich erscheinenden Gegenständen eine ungeahnte Komplexität steckt, zeigt das Beispiel des Schrau-benherstellers Ejot in Tambach-Dietharz. Durch alle Zeitenwechsel hindurch werden hier seit 91 Jahren Schrauben produziert. »Auf der Welt gibt es zehn-tausende Schraubenfabriken. Wenn man am Markt bestehen will, muss man sich immer etwas Pfiffiges einfallen lassen«, sagt Geschäftsführer Christian Ko-cherscheidt. »Dann lohnt sich sogar die Herstellung der ›teuren‹ deutschen Schraube.«

Etwa 8.000 verschiedene Produkte rund um die Schraube werden heute in Tambach-Dietharz produ-ziert, insgesamt ist das Unternehmen in 30 Ländern vertreten. »Die richtigen Strategien und Köpfe sind im-mens wichtig, Ausbildung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind da ganz elementare Punkte«, sagt Kocherscheidt. Einer, der dieses Prinzip voll und ganz verkörpert, ist Wilfried Koch. Seit 46 Jahren ist er hier am Standort in der Schraubenproduktion be-schäftigt und noch immer mit Leib und Seele dabei. Mittlerweile arbeitet er viel in der »Ausbildungsinsel«: einem Bereich in den Werkshallen, in dem eigens für

den Nachwuchs zwei große Maschinen aufgebaut wur-den, an der die komplizierten Arbeitsschritte erlernt werden. Drei Milliarden Schrauben werden bei Ejot jährlich hergestellt. Der wohl eindrucksvollste Beleg für die Qualität der Erzeugnisse aus Thüringen ist ihre Verwendung bei der Sicherung des Katastrophenreak-tors von Tschernobyl: In einem strengen Verfahren wur-den die Thüringer ausgewählt, die Schrauben für die zweite Sicherungshülle zu liefern – eine Aufgabe, die extreme Langlebigkeit erfordert. Auch im Burj Khalifa Tower und den erfolgreichsten Smartphone-Modellen stecken Ejot-Produkte.

Weltweit sind mehr als 2.300 Mitarbeiter in der Unter-nehmensgruppe beschäftigt, der Umsatz lag 2012 bei mehr als 330 Millionen Euro. Seit Jahresbeginn expor-tiert Ejot zudem auch Maschinen und Knowhow: Ein neuartiges, in Tambach-Dietharz entwickeltes Reib-schweißverfahren wird bereits jetzt für den Bau der Karosserie des neuen Audi A8 eingesetzt und könnte helfen, Autos in Zukunft noch leichter und energieeffi-zienter zu machen.

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1 | Beim Rundgang mit Bewohnern, MdB Tankred Schipanski, Landrat Konrad Gießmann, MdL Evelin Groß, Geschäftsführerin Katrin Scharffenberg u.a.2 | Glücklich im Grünen.3 | Ingeborg Richter.

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SENIORENSIEDLUNG TAMBACH-DIETHARZ

Glücklich im Grünen

Seniorensiedlung Tambach-DietharzSpitterstraße 3699897 Tambach-Dietharz

→ www.loeffler-diakoniewerk.de

15. August | Für Ingeborg Richter ist der 24. Juli 2013 ein Datum, das sie nicht so schnell vergessen wird. Das Hochwasser im Frühling hatte in dem Haus, in dem sie vorher gewohnt hatte, die Aufzugsanlage beschä-digt. Für die Rentnerin ein schwerer Schock, immerhin war sie auf den Lift angewiesen, um überhaupt in ihre Wohnung zu kommen. Am 24. Juli 2013 nun konnte sie eine der altersgerechten Wohnungen in der Senioren-siedlung in Tambach-Dietharz beziehen – und auch weiterhin ein selbstbestimmtes Leben führen.

Erst Anfang Juli dieses Jahres wurde die Senioren-siedlung eröffnet und ist damit eine der modernsten Senioren-Einrichtungen im Freistaat. Neben den acht Wohnungen sind auch 12 Plätze zur Tagespflege und 48 Plätze in der Hausgemeinschaft vorhanden, in der die Bewohner voll versorgt werden. Die Bezeich-nung »Hausgemeinschaft« sei dabei durchaus wört-lich gemeint, erklärt Junior-Geschäftsführerin Kathrin Scharffenberg. »Wir achten darauf, dass die Tages-abläufe und die Kommunikation untereinander im Vordergrund stehen und die Pflege im Hintergrund abläuft.« Träger der Einrichtung ist das Löffler Diako-niewerk. Der christliche Glaube hat deshalb auch im

Alltag der Einrichtung einen festen Platz. »In einer Gesellschaft im demografischen Wandel sind neue und vielfältige Konzepte der Lebensgestaltung im Al-ter besonders wichtig«, sagt Christine Lieberknecht bei ihrem Besuch. Wie gut das neuartige Konzept an-kommt, zeigt der Rundgang durch die Einrichtung. In der Wohngemeinschaft »Bergwiesen« haben es sich Marie Sänger und Lisa Scharfenberg mit einigen ande-ren Bewohnern beim Mittagessen mit Hackbraten und Gemüse gemütlich gemacht. Beim Gemüse putzen helfen alle mit, auch beim Kochen kann jeder mitma-chen. Ein Konzept, das bei den gut gelaunten Bewoh-nern sichtlich ankommt.

»Von Anfang an war die Nachfrage sehr intensiv, in-nerhalb weniger Wochen waren alle Plätze belegt«, sagt Scharffenberg. Bedenklich sei hingegen der Um-stand, dass gute Pflege immer häufiger zu einer Sa-che des Geldbeutels werde – und Pflegekräfte nach wie vor häufig in benachbarte Bundesländer abwan-derten. Ein Thema, das auch die Arbeit Lieberknechts seit Langem beschäftigt und das bei der Ministerprä-sidentin auf offene Ohren stößt.

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1 | Im Gespräch mit Bratwurstkönig Rudi Butkus, Siegfried Umbreit (ältestes Vereinsmitglied), David Butkus (jüngstes Vereinsmitglied) und seiner Mutter sowie Bernd Plachter.2 | Museumsgelände. 3 | »Thüringer Festmahl« – Gemälde von Arno Funke.

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1. DEUTSCHES BRATWURSTMUSEUM

Extratour: Weltkulturerbe Bratwurst

1. Deutsches BratwurstmuseumHinter dem Gute 299310 Wachsenburggemeinde

→ www.bratwurstmuseum.net

15. August | Eigentlich standen die fünfzig Ziele der Thüringentour 2013 schon seit Wochen fest, als Chris-tine Lieberknecht zum Thüringentag 2013 in Sonders-hausen am Stand des Bratwurstmuseums spontan entscheidet: »Das passt so gut, der Besuch in Holz-hausen wird zum zusätzlichen Ziel, zur ›Extratour‹ in-nerhalb der Thüringentour Land und Leute.«

Und so kommt es zu einem »historischen Moment«: Mit einem zufriedenen Lächeln liegt der kleine David Butkus in den Armen seiner Mutter. Davon, dass er im Beisein der Thüringer Ministerpräsidentin gerade offiziell als jüngstes Mitglied in den Verein »Freunde der Thüringer Bratwurst« aufgenommen wurde, ahnt er mit seinen zwei Monaten noch nichts. Umso größer ist die Freude bei den Bratwurstfreunden, die an die-sem Tag im Bratwursttheater auch das stolze 98 Jahre zählende älteste Mitglied des Vereins ehren.

»In diesem Projekt steckt eine enorme ehrenamtliche Initiative«, sagt Lieberknecht bei der obligatorischen Bratwurstverkostung. Und in der Tat haben die Brat-wurstfreunde seit der Gründung des Museums im Jahr 2006 weder gerastet noch geruht. Nach wie vor ist

das Publikumsinteresse ungebrochen – rund 20.000 Individualbesucher wurden im vergangenen Jahr hier gezählt, etwa zwanzig Prozent davon kamen aus dem Ausland. »Zwei Reiseanbieter aus den USA haben uns bereits als festes Besuchsziel im Angebot«, freut sich der Vorsitzende der Bratwurstfreunde, Uwe Keith.

Während das eigentliche Museum um immer weite-re Ausstellungsstücke bereichert wird, wächst auch im Außenbereich die Zahl der Attraktionen rund um die Wurst. Den wissenschaftlichen Ritterschlag der Thüringer Bratwurst dokumentiert die Skulptur des Bratwurst-Sauriers. Die Begeisterung eines ameri-kanischen Paläontologen-Teams, das die Thüringer Spezialität während Ausgrabungen in der Region ken-nen und schätzen lernte, führte zu einer eigenwilligen Namensgebung: Die wissenschaftliche Bezeichnung der neu entdeckten Saurierart »Tambachia trogallas« bedeutet frei übersetzt »Tambacher Wurst-Mampfer«. Und die Vereinsmitglieder planen schon den nächsten Coup. »Derzeit sammeln wir Unterschriften für eine Be-werbung um den Unesco-Status eines immateriellen Kulturerbes«, sagt Keith. 2.000 Unterschriften haben die Bratwurstfreunde bereits zusammengetragen.

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1 | Qualitätsarbeit.2 | Fertigung.3 | Im Gespräch mit Geschäftsführer Benjamin Redlingshöfer.

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GELENKWELLENWERK STADTILM

Wellenmacher mit Welterfolg

Gelenkwellenwerk Stadtilm GmbHWeimarische Straße 6299326 Stadtilm

→ www.gewes.de

15. August | Mit konzentriertem Blick steht der Werk-zeugmacher Patrick Menge-Nowak in einer der Fer-tigungshallen von Gewes Gelenkwellen in Stadtilm. Mit routinierten Griffen bedient er die Schleifmaschi-ne, an der ein Zapfenkreuz für eine Gelenkwelle bear-beitet wird. Akkurates Arbeiten und höchste Qualität gehören für ihn und seine Kollegen zum Arbeitsalltag. Immerhin hängen Menschenleben von der Verläss-lichkeit der Produkte ab, die hier gefertigt werden.

Sowohl in chinesischen Hochgeschwindigkeitszü-gen als auch in Schiffen und Schleppern finden sich Teile aus thüringischer Produktion. Auch in Pkw und Lkw werden die Gelenkwellen verbaut, mit denen sich die Antriebskraft gleichmäßig in zwei Richtun-gen verteilen lässt. Rund die Hälfte der Produktion gehe derzeit ins Ausland, sagt der geschäftsfüh-rende Gesellschafter Martin Röder. Die 536 Kunden kommen aus 48 Ländern. Ein eigenes Patent hält Gewes auf eine spezielle Hohlwelle für Schiffe, die 50 Prozent Gewichtseinsparung bringt. »Keines der Teile verlässt unser Werk, ohne dass es auf Herz und Nieren überprüft worden ist«, sagt Röder. Für Fehler sei kein Platz.

Selbst schwierigste Zeiten wie die Umstrukturierung des Werks nach der Wende konnte das Unternehmen mit dieser Philosophie meistern.

Für 2013 plant die Geschäftsführung einen Jahres-umsatz von 49 Millionen Euro. Bis heute ist der Be-trieb zu 100 Prozent in Familienbesitz, und das soll auch so bleiben. »Im vergangenen Jahr haben wir die Nachfolge geklärt«, erzählt Röder. Seine beiden Töchter sowie die beiden Schwiegersöhne sind seit-dem als Gesellschafter und Geschäftsführer mit im Boot.

Auch das Wohl der Mitarbeiter spiele eine wichtige Rolle für den Erfolg. »Bezahlung und Betriebsklima sind wichtig. Bei uns stimmt beides«, erklärt Röder. Neben einem Lauftreff hat das Werk auch eine eigene Fußballmannschaft. Seit der Wende wurden 120 Mil-lionen Euro in den Standort investiert. »Betriebe wie dieser stehen für das, was Thüringen stark gemacht hat«, sagt Lieberknecht. Dass Thüringens Wirtschaft in den letzten zwanzig Jahren eine so erfreuliche Ent-wicklung genommen habe, sei vor allem auch ein Ver-dienst des Mittelstandes.

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1 | Laserschneiden.2 | Restewolf.3 | 3-D-Druck.

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AVERMANN LASER- UND KANT-ZENTRUM

Der Restewolf und die siebzig Laserschneider

Avermann Laser- und Kant-Zentrum GmbHIndustriestraße 699334 Ichtershausen-Thörey

→ www.laserzentrum-avermann.de

15. August | Auf den ersten Blick ähnelt das Gerät, dass sich von Ichtershausen aus zu einem Verkaufs-schlager für die Großküchen der Welt entwickeln könnte, am ehesten einer massiven Toplader-Wasch-maschine aus Edelstahl. Bei genauerer Betrachtung gibt das stabile Mahlwerk im Inneren aber einen Hin-weis auf den wahren Verwendungszweck des gefräßi-gen »Restewolfs«.

»In einem ersten Arbeitsschritt werden alle in einer Küche anfallenden Speisereste eingefüllt«, erklärt Avermann-Geschäftsführer Holger Hunstock. »Ob Knochen, Kartoffeln oder Fischhäute: Alles wird klein gemahlen.« Mit Wasser vermengt werden die Reste dann in einem Tank aufgefangen. In regelmäßigen Abständen wird dieser von einem Spezialfahrzeug geleert und in eine Biogasanlage transportiert, wo das Gemisch zur Energieerzeugung genutzt wird.

»Für die Küchen heißt das vor allem: Kein Personal muss mehr zum Schleppen der schweren Abfallton-nen eingesetzt werden, die momentan noch überall üblich sind.« Bisher seien es vor allem Abnehmer im skandinavischen Raum, die den »Restewolf« nach-

fragten. Für Hunstock ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis sich die Technik auch in Deutschland und in anderen Ländern durchsetzt – auch die Ministerpräs-dentin zeigt sich beeindruckt: »Solch unermüdliche Innovationskraft ist letztlich für den Erfolg des Frei-staats mit verantwortlich«, sagt sie. »Es sind dieser Unternehmergeist und dieser Ideenreichtum, der Thüringen auszeichnet.«

Noch ist der »Restewolf« jedoch ein zukunftsträchti-ges zweites Standbein im Produktportfolio des Un-ternehmens. Hauptgeschäftsfeld des Betriebs ist die Lasertechnologie. Bis zu 1.000 Tonnen Stahl werden von den etwa 70 Mitarbeitern pro Jahr geschnitten. Dabei hat sich Avermann auf die ganz großen Jobs spezialisiert: Mit den Lasern können bis zu zwölf Meter lange Bleche mühelos durchtrennt werden. Standardqualitäten werden ebenso verarbeitet wie hochveredelte Stähle oder Aluminium. Vor allem bei Konstrukteuren von Windkraftanlagen sind die Fertig-keiten der Ichtershäuser gefragt. Das alles hat seinen Preis: Im Schnitt müssten die Laser alle zwei Jahre dem aktuellen Stand der Technik angepasst werden, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, sagt Hunstock.

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1 | Produktverkostung mit MdB Volkmar Vogel, Landrätin Michaele Sojka und Geschäftsführer Claus Katzenberger.2 | Käsemacherin Sabrina Thieme.3 | Firmensitz.4 | Alles Käse.

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KäSEREI ALTENBURGER LAND

Käse für Kyoto

Käserei Altenburger Land GmbH & Co.KGTheo-Nebe-Straße 104626 Lumpzig/ OT Hartha

→ www.kaeserei-altenburger-land.de

16. August | Jeder Raum hat seine ganz eigene Duft-note. Hinter jeder Tür, die sich in der Käserei öffnet, erwartet Christine Lieberknecht ein anderer Geruch: mal süßlich, mal herb, mal fein-würzig. Die Herstel-lung von Käse ist nicht nur ein zeitaufwändiger Vor-gang, der ein hohes Maß an Hygiene erfordert. Vor allem ist dieser Prozess auch ein Erlebnis für die Nase. Die meisten der 82 Mitarbeiter des in Lumpzig ansässigen Unternehmens werden das wohl gar nicht mehr so intensiv wahrnehmen. Doch beinahe mehr noch als die technischen Raffinessen der Produkti-onsanlagen sind es die vielfältigen Gerüche, die die Erinnerung an diesen Besuch prägen.

Was so intensiv duftet, in der Käserei Altenburger Land, das sind unter anderem die Ziegenkäse-Spezia-litäten des Hauses, die unter dem Markennamen »Der grüne Altenburger« vertrieben werden. »In diesem Segment sind wir in Deutschland mit großem Abstand Marktführer«, sagt Geschäftsführer Claus Katzenber-ger. Daneben stellt das Unternehmen verschiedenste Käsesorten der Marke »Rotkäppchen« her. Insgesamt werden bis zu 5.000 Tonnen Weichkäse und 2.000 Tonnen Landrahm jährlich hergestellt. Dazu sind pro

Jahr etwa acht Millionen Liter Ziegen- und mehr als 20 Millionen Liter Kuhmilch nötig. Soweit möglich, kom-men alle Rohstoffe für die Herstellung aus der Region. So sehr die Lumpziger aber regional einkaufen, so überregional verkaufen sie. Denn nicht nur Thüringer wie Lieberknecht – »Ich bin ein absoluter Ziegenkäse-Fan« – schätzen deren Produkte. Sie sind auch im Aus-land gefragt. Seit 2012 geht sogar einmal pro Woche von Thüringen aus eine Ladung Käse nach Japan. »Das ist unser erster Schritt in den Export«, sagt Katzenber-ger. Besonders erfreulich sei dabei, dass sich in Asien Preise erzielen ließen, die weit über denen lägen, die in Deutschland möglich seien. Koste ein Camembert in Deutschland im Supermarkt circa 1,20 Euro, werde er in Japan im Einzelhandel für etwa 6 Euro verkauft. Im vergangenen Jahr schaffte die Käserei einen Umsatz von rund 21 Millionen Euro.

Für Lieberknecht sind solche Exporterfolge Ausdruck der besonderen Kompetenz der Thüringer Ernährungs-wirtschaft, der nach der Automobilzulieferindustrie zweitstärksten Branche im Freistaat. »Ich bin beein-druckt, wie leistungsstark die Thüringer Lebensmittel-branche ist.«

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1 | Montage.2 | Präsentation durch Geschäftsführer Bernhard Schmidt.3 | Verabschiedung von Ronny Schmidt und Geschäftsführer Bernhard Schmidt.

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GöPPEL BUS

Länger dank Hänger – flexibel gegen den Verkehrsinfarkt

Göppel Bus GmbHMittelweg 404603 Nobitz/ Ehrenhain

→ www.goeppel-bus.de

16. August | Der Rundgang durch die Hallen von Göp-pel Bus in Ehrenhain macht Staunen. An insgesamt 20 Stationen stehen Metall-Gerippe herum, an denen Männer mit Schweißgeräten oder anderem Werkzeug in der Hand arbeiten. An jeder Station ist zwar klar erkennbar, dass aus diesen Rohbauten Busse entste-hen. Doch wer die Bilder aus der Automobilindustrie im Kopf hat, wo Roboter und Menschen an Fließbä-dern im Sekundentakt vorgefertigte Teile ineinander stecken und verschrauben oder verschweißen, der kommt nicht umhin, ebenso überrascht wie Christine Lieberknecht zu sein, mit wie viel handwerklichem Geschick diese großen Fahrzeuge im Altenburger Land entstehen.

Etwa 1.000 Arbeitsstunden steckten in einem Göp-pel-Bus, erklärt der Produktionsleiter des Unter-nehmens, Ronny Schmidt. Bei einem Golf seien es gerade einmal gut 30. Jeder Arbeitsschritt an einem Thüringer Bus dauere zwei bis drei Tage, weshalb klassische Fließbandarbeit bei Göppel keinen Sinn mache. »Der Anteil der handwerklichen Fertigung an

einem unserer Busse beträgt circa 60 Prozent.« Der Geschäftsführer des Hauses, Bernhard Schmidt, ist überzeugt davon, ein so zukunftsweisendes Produkt für die Lösung eines zentralen Problems der kom-menden Jahrzehnte im Angebot zu haben, dass er sich scheut zu sagen: »Wir sind eines der am wenigs-ten bekannten Unternehmen in Thüringen. Wir haben schon immer Busse gebaut, nur weiß das außerhalb der Branche fast keiner.« 107 Männer und Frauen ar-beiten derzeit bei Göppel, 2011 lag der Umsatz bei etwa 15 Millionen Euro. Das Problem und das Göp-pelsche Lösungsangebot: Im öffentlichen Personen-nahverkehr, kurz öPNV, ist zu Stoßzeiten in Bussen oft zu wenig und zwischen ihnen zu viel Platz. Aber jeder nicht belegte Platz während einer Fahrt kostet Geld. Göppel bietet Anhänger für Niederflurbusse an, um solchen Kapazitätsengpässen zu begegnen. Bei großem Platzbedarf wird mit Hänger gefahren, bei wenig ohne. Lieberknecht ist nach einer Testfahrt angetan von der Idee: »Alle, die mit dem öPNV zu tun haben, sollten mal durchrechnen, was sie mit diesen Hängern sparen können«, sagt sie.

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1 | Bei der Verabschiedung mit Oberbürgermeisterin Viola Hahn, Geschäftsführer Gerd Diesel, Landtagspräsidentin Birgit Diezel u.a.2 | Gewächshäuser.3 | Kapelle.

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CJD BERUFSBILDUNGSWERK GERA

Chancengeber in Gera

CJD Berufsbildungswerk Gera gGmbHAm Ferberturm 7207546 Gera

→ www.cjd-bbw-gera.de

16. August | Der große Blumenstrauß zum Abschied ist auch ein Symbol dafür, wie einig sich Christine Lieberknecht und Gerd Diesel bei einem besonders sensiblen Zukunftsthema sind: der Verbesserung des gemeinschaftlichen Zusammenlebens von behinder-ten und nicht-behinderten Menschen. Seit Langem wird darüber unter dem Schlagwort Inklusion disku-tiert. »Meine Idee von Inklusion ist«, sagt Diesel, der Geschäftsführer des Geraer Berufsbildungswerks des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland, »dass beide Wege möglich sind«. Menschen mit Behinde-rungen sollten an Schulen unter Nicht-Behinderten lernen können. Gleichzeitig solle es auch Männern und Frauen ohne Behinderung möglich sein, an Ein-richtungen wie seinem Berufsbildungswerk zu lernen. Lieberknecht sieht das genauso: »Es muss unser Ziel sein, eine in höchstem Maße inklusive Gesellschaft zu schaffen«, sagt sie. »Dafür muss Bewegung in bei-de Richtungen möglich sein.«

Etwa 300 Männer und Frauen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen sowie Lernbehinde-rungen werden beim Christlichen Jugenddorfwerk

Deutschland, kurz CJD, in Gera aktuell auf ein erfolg-reiches Berufsleben vorbereitet. Sie können einen von 27 Berufen aus sieben Berufsfeldern erlernen, zum Beispiel aus dem Holz- oder Metallbereich sowie aus der Haus- oder Agrarwirtschaft. »Wir holen die jungen Menschen dort ab, wo sie stehen und begleiten sie ein Stück auf dem Weg zu einem erfolgreichen Leben«, sagt Werner Krügel, Leiter der Förderberufsschule, die zum Berufsbildungswerk gehört. Dort wird dem spezi-ellen Förderbedarf der CJD-Lernenden Rechnung getra-gen. Das Werk versteht sich als »Chancengeber«. Jähr-lich erhalten an 150 Standorten in ganz Deutschland mehr als 155.000 Menschen Möglichkeiten, die sie andernorts nicht hätten. Beim Spaziergang durch die weitläufige Anlage – vorbei an einer kleinen Kapelle, zu Besuch bei den Gärtnern, und schließlich den Flo-risten, die den großen Blumenstrauß binden – erlebt Lieberknecht, wie sehr die 180 Mitarbeitenden schon heute die Inklusion leben: mit Barrierefreiheit im gan-zen Objekt, im respektvollem Umgang miteinander und mit der Tatsache, dass unter anderem auch Geschäfts-führer Diesel selbst auf dem Gelände wohnt und damit zeigt, dass Inklusion nicht mit dem Arbeitstag endet.

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1 | Denkmalgeschützte Architektur.2 | Rundgang mit Geschäftsführer Ralf Lechner.3 | Boubou.

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GETZNER TExTIL WEBEREI

Damast aus dem Denkmal

Getzner Textil Weberei GmbHLange Straße 7307551 Gera

→ www.getzner.de

16. August | Es ist ohrenbetäubend laut in der unte-ren Etage der Getzner Textil Weberei in Gera. Normale Gespräche sind unmöglich. Die Frauen, die an den Maschinen stehen, tragen Gehörschutz. Was auf den ersten Blick aussieht und sich vor allem anhört wie ein Fertigungsprozess, der in der modernen deut-schen Arbeitswelt keinen Platz hat – die Konkurrenz aus Billiglohnländern! –, ist tatsächlich hoch lukrativ. Denn das Gewebe, das hier im Fünf-Schicht-Betrieb rund um die Uhr gefertigt und dann zu Damast ver-arbeitet wird, geht nach Afrika. Als Luxusware. Diese Konstellation ist auch für Christine Lieberknecht eine echte überraschung.

Auf dem teilweise bitterarmen Kontinent sind Stoffe aus Gera bei wohlhabenden Afrikanern sehr beliebt. Manchmal, sagt Ralf Lechner, der Geschäftsführer von Getzner in Gera, würden sogar Edelsteine auf die traditionellen Gewänder aus Thüringer Damast – sogenannte Boubou’s – gestickt. Dann könne ein solches Kleidungsstück schon mal mehrere Millionen Euro wert sein. Dem Unternehmen geht es wegen der Exporte auf diesen Markt so gut, dass dort 70 Männer

und Frauen beschäftigt sind und nach Tarif bezahlt werden, der Jahresumsatz jüngst bei etwa 6,2 Millio-nen Euro lag und etwa 4,3 Millionen laufende Meter Stoff die Werkhallen jährlich verlassen. So wirtschaft-lich solide ist Getzner aufgestellt, dass sich das Un-ternehmen zudem mit viel Engagement um die Er-haltung des architektonischen Erbes Geras bemüht: Getzner arbeitet am Standort der früheren Wollen- und Seidenweberei Schulenburg & Bessler, die dort 1897 gegründet worden war und an deren Aus- und Umbau Thilo Schoder, einer der bedeutendsten Ar-chitekten des Neuen Bauens in Thüringen, mitwirkte. Getzner kümmert sich so liebevoll um das Gebäude, dass die Firma dafür 2008 den Thüringer Denkmal-schutzpreis erhielt. Und die Planungen für weitere Sanierungsmaßnahmen liefen schon, sagt Lechner. Lieberknecht bedankt sich nachdrücklich für den Er-halt eines alten Thüringer Handwerks, wie auch den Erhalt des wertvollen Baudenkmals. »Es beeindruckt mich sehr«, sagt Christine Lieberknecht, »wie Sie hier an Geras textile Traditionen anknüpfen und wie erfolgreich Sie damit auf dem Weltmarkt sind.«

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1 | Verabschiedung von Sabine Fülle, Frank Fülle und Wolfgang Fülle.2 | Farbe.3 | Katrin Kratzsch.

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BRIEFODRUCK FüLLE

Papierlos bleibt Fiktion

Briefodruck Fülle KGFuchstalstraße 807570 Wünschendorf

→ www.briefodruck.de

16. August | Papier, Papier, Papier – Auch am Beginn des 21. Jahrhunderts dreht sich bei Briefodruck in Wünschendorf alles um diesen Werkstoff, der seit Jahrhunderten Träger von Wissen und Informationen ist, aber seit Jahren massive Konkurrenz durch das In-ternet bekommt. Trotzdem ist in dem Familienunter-nehmen um Geschäftsführer Wolfgang Fülle nieman-dem bange um die Zukunft der Firma – oder um die Zukunft des Gedruckten. Wie Christine Lieberknecht glauben sie bei Briefodruck an die Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Briefodruck hat schon auf Papier gesetzt, da wurden die Buchstaben zum Drucken noch mit der Hand ge-setzt. 1912 sei die Firma gegründet worden, erzählt Fülle. Sein Urgroßvater habe das Unternehmen aus der Taufe gehoben, er führe es nun in der vierten Generation und mit seinem Sohn werde es nun bald die fünfte übernehmen. Im Laufe der Jahrzehnte ent-wickelte sich das Unternehmen von einer Druckerei und Briefumschlagsfabrik zu einer Spezialdrucke-rei, in der heute persönlich adressierte Werbepost erstellt und anschließend versendet wird. Nach 100-jähriger Firmengeschichte gehöre Briefodruck

nun zu den Top 10 der Branche, sagt Wolfgang Fül-les Sohn, Frank. Für den reibungslosen übergang von einer Generation zur nächsten hat Lieberknecht viel Bewunderung übrig: »Besonders, weil es nicht in jedem Unternehmen so gut funktioniert.«, sagt sie. Noch mehr Lob: »Sie stecken mittendrin in der digita-len Revolution«, sagt Lieberknecht. »Und jetzt sehe ich, wie sich traditionsreiche Unternehmen wie das Ihre dabei aufstellen.« Klingt im Zeitalter von Werbe-E-Mails wie eine Durchhalteparole? »Nein, wir sind fest davon überzeugt, dass Papier eine Zukunft hat«, sagt Sabine Fülle. Die Produktionsräume von Briefo-druck – da, wo die Mehrzahl der 38 Mitarbeiter ar-beitet, alle aus der Region – sind voll von Belegen für diese These. Der überzeugendste: Selbst der Inter-netriese eBay kommt nicht ohne das Knowhow von Fülle aus. Manche Werbesendungen verschickt das Internetauktionshaus nicht per elektronischer Post, sondern mit Briefen, die im Herzen Deutschlands entstehen. Gleichzeitig ist Briefodruck nicht blind für die Chancen des Internets: Das Unternehmen ist längst crossmedial aufgestellt – ohne seine Wurzeln zu vernachlässigen.

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1 | 1. Braumeister Bertram Rostock2 | Feierabendbier aus Greiz.3 | Im Gespräch mit Geschäftsführer Thomas Schäfer, MdB Volkmar Vogel, Landrätin Martina Schweinsburg, Bertram Rostock u.a.4 | Am Zapfhahn mit Thomas Schäfer und MdB Volkmar Vogel.

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VEREINSBRAUEREI GREIZ

Auch Feierabendbier macht Arbeit

Vereinsbrauerei Greiz GmbHLindenstraße 6007973 Greiz

→ www.greizer.de

16. August | »Die Provinz ist in Thüringen immer der Inbegriff von Innovation, Kreativität und positivem Wettstreit«, sagt Christine Lieberknecht. Der Satz kommt spontan. Und er fällt an einem Ort, der kaum passender sein könnte: an einem hölzernen Tisch in-mitten des Geländes der Vereinsbrauerei Greiz. Soll noch mal jemand behaupten, an Biertischen gehe es immer nur oberflächlich zu!

Warum? Weil es um die Vielfalt in der Thüringer Brau-ereilandschaft geht, als Lieberknecht diesen Satz sagt; eine Vielfalt, zu der sie im beschaulichen Greiz ihren Beitrag leisten, wo die Brauerei von Geschäfts-führer Thomas Schäfer geführt wird. Gemeinsam mit seinem Braumeister Bertram Rostock sorgt er dafür, dass jährlich etwa 70.000 Hektoliter Bier das Werks-gelände verlassen. Seit mehr als 140 Jahren wird in der Vereinsbrauerei das goldfarbene Getränk herge-stellt. Aktuell sind dort 32 Mitarbeiter und vier Aus-zubildende beschäftigt.

Dass die Vereinsbrauerei noch in Betrieb ist, das liegt selbstverständlich zuerst daran, dass die Greizer ihr Bier schätzen: In einem Radius von circa 70 Kilometern

um die Stadt herum befinde sich der Hauptabsatz-markt der Brauerei, sagt Schäfer. Aber es liegt auch daran, dass die Verantwortlichen beständig in das Un-ternehmen und in ihr Produkt investieren. So haben die Greizer erst kürzlich einen neuen Läuterbottich angeschafft, mit dem eine Vorstufe des Biers gewon-nen wird. Außerdem haben sie 700.000 Euro in eine Flaschenfüllanlage gesteckt. »Die Alte war mehr als 40 Jahre alt«, sagt Rostock. Und sie haben neue Biersor-ten auf den Markt gebracht und sogar – auf Wunsch vieler Durstiger – die kleinen, bauchigen 0,33-Liter-Flaschen wieder in ihr Sortiment aufgenommen.

All das ist ein Ausdruck von Innovation, Kreativität und positivem Wettstreit, auf den Lieberknecht so pointiert hinweist und der es Brauereien wie der in Greiz ermöglicht, im Konkurrenzkampf mit den gro-ßen Bierproduzenten zu bestehen. Von der Findig-keit der Provinz und der Menschen dort profitiert der Freistaat übrigens unmittelbar. Lieberknecht weiß das und bekommt es in Greiz trotzdem noch einmal vorgerechnet: Jährlich, sagt Schäfer, zahle die Ver-einsbrauerei etwa 600.000 Euro Biersteuer an die Thüringer Staatskasse.

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1 | Im Gespräch mit Geschäftsführer Jan Stüve.2 | Schnürsenkel.3 | Flechterei.

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BERGAL ERFURTER FLECHTTECHNIK

Weltweit verflochten

20. August | Wer zum ersten Mal die Hauptfertigungs-halle von Bergal Flechttechnik in Erfurt betritt, wird unwillkürlich an ein riesiges Ballett erinnert: Etwa 700 Maschinen lassen unermüdlich Tausende Garn-rollen rotieren, um die Fäden zu Schnürsenkeln in allen Farben und Durchmessern zu verweben. Derzeit gehört das Werk am Rande der Erfurter Innenstadt zu den modernsten Flechtereien in ganz Europa – und zudem zu den größten Schnürsenkel- und Dochther-stellern.

»Es ist immer wieder spannend zu sehen, dass Be-triebe in Thüringen häufig Produkte für Nischen pro-duzieren, über die zwar wenig gesprochen wird – in denen die Unternehmen aber Weltmarktführer sind«, sagt Christine Lieberknecht bei der Tour-Station in der Landeshauptstadt. »Ganz persönlich freut es mich aber, dass in der Schuhmacherstadt Erfurt zu-mindest die Schnürsenkel noch leben.«

Heute produziert das Traditionsunternehmen Bergal neben Senkeln und Dochten für den Weltmarkt auch technische Geflechte – etwa für den Einsatz in Elektro- motoren. Ein erstaunlich hoher Anteil der täglichen

Arbeit wird dabei noch per Hand erledigt. Dass es trotz der Billig-Konkurrenz aus dem Ausland nach wie vor rentabel sei, in Deutschland zu produzieren, liege nicht nur am hohen Grad der Automatisierung, sagt Geschäftsführer Jan Stüve: »Ohne die Partnerschaft mit dem Christophorus-Werk wäre unsere Arbeit nicht möglich.« Rund ein Dutzend Menschen mit Behinde-rung arbeiten derzeit in der Flechterei und verpacken unter anderem per Hand Schnürsenkel in hochwerti-ge Verpackungen.

Einzig auf dem Gebiet der Nachwuchsgewinnung sieht es derzeit bei Bergal weniger gut aus: »Wir würden gerne ausbilden, finden aber leider keine Lehrlinge«, sagt Stüve. Damit das Traditionsunter-nehmen auch in Zukunft erfolgreich bleibt, sind die Flecht-Experten immer auf der Suche nach neuen Ge-schäftsfeldern. »Wir forschen derzeit auf dem Gebiet der Leichtbau-Werkstoffe.« Das Prinzip: Geflochte-nen Röhren werden mit Harz verstärkt und ergeben sehr leichte und dennoch sehr widerstandsfähige Rohre. »Einsatzgebiete sind zum Beispiel der Boots-bau – oder die Rohrkonstruktionen in Satelliten oder Raumstationen«, erklärt Stüve.

Bergal Erfurter Flechttechnik GmbHStauffenbergallee 1399086 Erfurt

→ www.bergal-flechttechnik.de

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1 | Fertigung.2 | Im Gespräch mit den Geschäftsführern Oliver und Rene Möller sowie Ministerin Marion Walsmann.3 | Ronny Fiedler.

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METALLBAU MöLLER

Viel mehr als bloß Fassade

Metallbau Möller GmbH & Co.KGFriedrich-Glenck-Straße 799087 Erfurt

→ www.metallbau-moeller.de

20. August | Mit geübten Handgriffen bedient Ronny Fiedler eine große CNC-Maschine in den Werkstätten von Metallbau Möller in Erfurt. Ob es um Aussparun-gen für Schlosszylinder, Türbänder oder gar Fingerab-druckscanner geht: Mit dem hochmodernen »Profilbe-arbeitungszentrum« lassen sich in kürzester Zeit alle nötigen Arbeiten erledigen. Während das Werkstück vor ihm einmal als Rahmen einer Terrassentür an ei-nem Einfamilienhaus Verwendung finden wird, ar-beitet sein Kollege Reinhard Wächter wenige Schritte daneben an einem Fassadenelement, das ein paar Wo-chen später ein Bankgebäude in Nürnberg zieren soll.

»Momentan ist so viel zu tun, dass ich noch ein paar Geschwister gebrauchen könnte«, scherzt René Möl-ler, der gemeinsam mit seinem Bruder Oliver als Ge-schäftsführer tätig ist. Auch die Ehefrauen und Kinder sind bereits fest ins Unternehmen integriert. 1948 gegründet, produziert das Familienunternehmen seit 1991 vor allem Fassadenelemente, Fenster und Türen und ist damit weit über die Grenzen Deutschlands hinweg erfolgreich. »Unsere Werkstatt ist ständig ausgelastet, die Auftragsbücher sind gut gefüllt«, sagt Möller.

Ob für das Goethe-Institut in Kairo, die britische Bot-schaft in Warschau oder die Bayreuther Universität: Das Knowhow aus Erfurt ist weltweit gefragt. Und auch in der Region wird die Arbeit der Metallbauer geschätzt: Bei der Sanierung des Erfurter Bahnho-fes konnten die Spezialisten von Möller ihr Können ebenso zeigen, wie bei der Renovierung des Univer-sitäts-Hochhauses in der Landeshauptstadt.

Mit rund 150 Mitarbeitern erwirtschaftete der Betrieb im vergangenen Jahr einen Umsatz von 14 Millionen Euro. »Beeindruckend, wie Sie von Ihrem Standort in Erfurt aus in ganz Deutschland, Europa und der Welt unterwegs sind«, sagt Christine Lieberknecht. Von Herausforderungen ist jedoch auch der Vorzei-gebetrieb nicht verschont: Neben der zunehmenden Bürokratie werde es immer schwerer, geeignete Aus-zubildende zu finden, sagt Möller. Um den steigen-den Energiekosten zumindest zum Teil entgegenzu-wirken, haben die findigen Unternehmer eine eigene Solaranlage installiert: Zu fast 100 Prozent fließt der hier erzeugte Strom in die eigene Produktion.

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1 | Pläne.2 | Fußgängerbrücke über die Weiße Elster in Gera.3 | Im Gespräch mit Geschäftsführer Thomas Kleb und MdB Antje Tillmann.

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INGENIEURBüRO KLEB

Brückenbauer und Philanthrop

20. August | Noch heute, fast acht Jahre nach der Fer-tigstellung der monumentalen Saaletalbrücke, die den Autobahnverkehr der A4 an Jena vorbeiführt, ist den damals zuständigen Planern die Begeisterung für das Projekt noch deutlich anzumerken. »Es war ein geradezu riesiges Unterfangen, bei dem neben der Verkehrsplanung auch Umwelt- und Denkmal-schutz berücksichtigt werden musste«, erinnert sich Geschäftsführer Thomas Kleb an jene Zeit. Selbst für ein Unternehmen, das zu den renommiertesten Brü-ckenplanern im Freistaat gehört, war das Projekt ein außergewöhnliches Unterfangen.

Seit der Unternehmensgründung sind die Planer auf den Straßen- und Brückenbau spezialisiert, doch auch Stahl-, Hoch- und Tiefbau sowie Vermessungs-arbeiten sind Teil des Portfolios. überall im Haus begegnen der Ministerpräsidentin beim Rundgang Bilder und Modelle der unterschiedlichsten Brücken aus allen Epochen. »Brückenbau ist immer auch ein Symbolthema. Es ist schön, dass wir im Freistaat ein Ingenieurbüro haben, das für so viele Brücken steht und bei dem die Auftragslage so gut ist«, sagt Christi-ne Lieberknecht. »Verkehrsadern sind Lebensadern,

das hat sich in Thüringen einmal mehr bewahrheitet.« Wie eng Leben und Verkehr verflochten sind, zeigt auch das Beispiel des Jenaer Brückenbaus. Statisti-sche Erhebungen belegen, dass der Wohnungsleer-stand im angrenzenden Stadtteil Lobeda von einst 50 auf nur 2 Prozent verringert wurde – die Kombination von Brücke und Einhausung trug vermutlich wesent-lich dazu bei.

Heute arbeiten 24 Mitarbeiter für das Ingenieurbüro Kleb in einer schmucken Jugendstilvilla im Erfurter Süden. Und obwohl der Straßen- und Brückenbau-boom der 1990er Jahre mittlerweile vorüber ist, sind die Auftragsbücher weiterhin gut gefüllt. Vor allem Stützmauern für Straßen und die Sanierung von Hochwasserdämmen würden immer wichtiger, sagt Kleb. »Damit ist auch bei uns mittlerweile planeri-scher Alltag eingekehrt.« Keineswegs alltäglich ist in-des das soziale Engagement des Unternehmers, un-ter anderem für die Stadtmission in Erfurt sowie bei der Unterstützung Behinderter und Kinder. Für sein Engagement wurde der Bauingenieur 2011 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Ingenieurbüro Kleb GmbHGustav-Freytag-Straße 2999096 Erfurt

→ www.ib-kleb.de

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1 | David Brandau, Azubi 1. Lehrjahr zum Mechatroniker.2 | Stefan Herrmann im Hochregallager.3 | Fertigung.4 | Rundgang mit Geschäftsführer Hans-Günter Dose, MdB Christiian Hirte, Landrat Reinhard Krebs, MdL Gustav Bergemann und Günther Richter.

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DECKEL MAHO SEEBACH

150 Jahre: Vom Uhrwerk zum Fräswerk

Deckel Maho Seebach GmbHNeue Straße 6199846 Seebach

→ www.gildemeister.com

21. August | Geschäftsführer Hans-Günter Dose tritt an einen der breiten Monitore heran, die vor einer der futuristischen Montagestationen in den Werkshallen des Maschinenbauers Deckel Maho in Seebach ange-bracht sind. Ein grünes Licht zeigt ihm auf den ersten Blick, dass bei der Montage der komplexen Maschi-nen der »Evolution«-Baureihe, die hier zusammenge-baut werden, alles nach Plan verläuft. »Clustermon-tage« nennt sich das Modell, nach dem die Arbeit hier organisiert ist. Das Prinzip: Anstelle einer reinen Fließbandproduktion sind Gruppen von je vier Mitar-beitern eigenverantwortlich mit dem Bau von drei Ma-schinen beschäftigt. Ein Konzept, das die Produktion nicht nur im Maschinenbau revolutionieren könnte. »Die Montage wird dadurch um 30 Prozent schnel-ler«, erklärt Dose. Bereits mehrere andere Werke des weltweit agierenden Gildemeister-Konzerns, dem Deckel Maho angehört, haben die effiziente Produk-tionsweise des Thüringer Werks übernommen. Rund 50 Patente hat das Werk über die Jahre angemeldet, darunter für einen hier entwickelten Montagetisch. Zweifellos gehört die Entwicklung von Deckel Maho in Seebach zu den beeindruckendsten Thüringer Er-folgsgeschichten. Vor 150 Jahren wurde der Betrieb

– damals noch als Hersteller von Pferdebeschlägen und Uhren – gegründet und hat sich bis heute zum größten Werkzeugmaschinenbauer der neuen Länder gemausert. Die hier gefertigten Maschinen gehen an Kunden in der Luftfahrt, Medizintechnik oder der Au-tomobilbranche in der ganzen Welt. Mit den über 600 Mitarbeitern konnte das Unternehmen im vergange-nen Jahr rund 306 Millionen Euro Umsatz erzielen so-wie den ersten Platz im unter anderem von der Zeit-schrift Wirtschaftswoche ausgelobten Wettbewerb »Die beste Fabrik« belegen.

Eine besonders wichtige Rolle spielt bei einem solch prominenten Unternehmen die Nachwuchsgewin-nung, ein Selbstläufer sei das längst nicht mehr, sagt Personalleiterin Antje Kunkies. »Man muss sich schon etwas einfallen lassen. Vor allem ist es uns ein Anliegen, Mädchen für die Metallberufe zu be-geistern.« Da die Zeiten schwerer körperlicher Arbeit im Maschinenbau vorüber seien, könnten Mädchen ohne weiteres in einen technischen Berufszweig ein-steigen. »Ich bin stolz, dass hier Thüringens große Werkzeugmachertradition so erfolgreich fortgeschrie-ben wird.«, sagt Lieberknecht.

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1 | Im Gespräch mit Oberbürgermeisterin Katja Wolf, MdB Christian Hirte, Günther Richter u.a.2 | Wolfgang Helget mit einer Germaniumlinse.3 | Blick in einen Zieh-Ofen mit Manuel Stützer.

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PHOTONIC SENSE

Kristallfarm am Goldberg

Photonic Sense GmbHAm Goldberg 399817 Eisenach

→ www.photonic-sense.com

21. August | Der Kristallzüchter Manuel Stützer wirft einen prüfenden Blick durch das kleine Sichtfenster am Zieh-Ofen bei der Eisenacher Firma Photonic Sen-se. 930 Grad Celsius benötigt der große Germanium-Block im Innern der Anlage, um zu wachsen. Alles läuft nach Plan. Dem späteren Einsatz als Linse im Infra-rotbereich steht nichts im Wege. »So sieht der Ger-maniumkristall aus, wenn er aus einem unserer öfen kommt«, erklärt Geschäftsführer Linus Zoller und deu-tet auf einen massiven Metallzylinder, der in der Form am ehesten an einen großen Suppentopf erinnert. Stattliche 100 Kilogramm bringt ein solcher Block auf die Waage. Mit den funkelnden und glänzenden Pro-dukten von Arnstadt Kristall – Ziel der Thüringentour 2012 – hat dieser Kristall auf den ersten Blick freilich nichts zu tun. Wertvoll ist er indes auch. Wertvoller sogar: Derzeit hat ein Germaniumkristall dieser Größe und Qualität einen Marktwert von rund 180.000 Euro. Beim Rundgang durch den Betrieb wird schnell klar, dass die Spezialisten hier auf einem Feld arbeiten, das weit jenseits des Alltäglichen liegt. Photonic Sen-se ist eines von wenigen Unternehmen weltweit, das optische Komponenten aus Germanium und Silizium selbst entwickelt und auf eigenen Anlagen fertigt.

Das Unternehmen – 2003 gegründet und seit 2006 zur Jenoptik gehörend – beliefert Hersteller optischer Systeme auf der ganzen Welt. Die maßgeschneiderten Produkte, die bei den Eisenachern in vielen Arbeits-schritten aus selbst gezüchteten Kristallen entstehen, werden in der Infrarotoptik eingesetzt. Sie finden sich beispielsweise in Thermografiekameras, in Nacht-sichtgeräten, in Feuerwehrausrüstungen und überwa-chungskameras für die Industrie.

Weltweit gehört Photonic Sense mit seinen 33 Mit-arbeitern zu den führenden Anbietern auf diesem Markt. Von sich reden machen könnte das Werk aber demnächst auch aufgrund einer neuen Technologie, der die Spezialisten von Photonic Sense derzeit auf der Spur sind: »Wir entwickeln Solarzellen mit einem wesentlich höheren Wirkungsgrad als üblich«, er-klärt der Chemiker und Manager der Kristallzüchtung, Christian Hell. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Derzeit werde eine etwa Fußballfeld-große Fläche Solarzellen benötigt, um ein Megawatt Leistung zu erzeugen, erklärt Hell. »Mit unserer Technik könnte dieselbe Energieausbeute mit der Fläche eines Auto-dachs erzielt werden.«

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1 | Patient Philipp Wappes.2 | Parkanlage.3 | Außenansicht.4 | Im Gespräch mit Geschäftsführer Martin Merbitz, MdB Christian Hirte, MdL Manfred Grob u.a.

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ASKLEPIOS KATHARINA-SCHROTH-KLINIK

Tausend Jahre Therapietradition

Asklepios Burgseekliniken Bad SalzungenAm See36443 Bad Salzungen

→ www.asklepios.com

21. August | »Jetzt bitte die Arme locker lassen und nicht bewegen«, sagt Schwester Eveline Hunnesha-gen zu dem 15-jährigen Philipp Wappes, der ein paar Meter entfernt mit dem Gesicht zur Wand gerichtet in einem der Untersuchungsräume der Asklepios Kli-nik in Bad Salzungen steht. Einen Augenblick später zeichnen Lichtstrahlen in dem abgedunkelten Zim-mer ein enges Raster auf Philipps Rücken. Innerhalb von Sekunden ist die Prozedur vorbei.

»Hier ist deutlich die Fehlstellung der Wirbelsäule er-kennbar, unter der Philipp leidet«, erklärt der Chefarzt der Orthopädie, Dietrich Großmann, die Aufnahmen, die nach einiger Zeit auf dem Computerbildschirm angezeigt werden. Seit der Eingliederung in den Asklepios-Konzern 1993 liegt der Schwerpunkt der Rehabilitationsklinik auf der Behandlung von Wirbel-säulenfehlstellungen wie der sogenannten Skoliose. Jedes Jahr werden in der Klinik rund 4.000 Patienten behandelt. »Es ist auch für mich sehr aufschlussreich, einmal hinter die Kulissen schauen zu können«, sagt Lieberknecht bei der Vorstellung der Arbeitsberei-che der Klinik. »Dank Einrichtungen wie dieser hat der Freistaat alles Potenzial, auch als Gesundheits-

land Thüringen wahrgenommen zu werden. Darüber hinaus ist es besonders schön, dass die klassische »Bad«-Funktion an diesem traditionsreichen Stand-ort weitergeführt wird.« Mit einer rund 1.000-jährigen Kurtradition gehört Bad Salzungen zu den ältesten Soleheilbädern in Deutschland. Die Behandlung der Skoliose, einer Wachstumsstörung der Wirbelsäule, ist für die Betroffenen eine lebenslange Herausfor-derung, erklärt Großmann, als die Besuchergruppe in einem der zahlreichen Gymnastikräume Halt macht. Rund ein Dutzend junger Mädchen machen im Raum verteilt spezielle übungen, die von der Physiothe-rapeutin Katharina Schroth entwickelt wurden. »Im Prinzip geht es darum, die Haltung grundlegend zu korrigieren«, sagt Großmann. Die Nachfrage bestä-tigt das Konzept: Mit rund 270 Mitarbeiten liegt der Jahresumsatz des Unternehmens bei etwa 13 Millio-nen Euro. Dass die Lage bei den Auszubildenden und dem Personal momentan noch recht gut ist, zeugt von dem hohen Stellenwert, den die Personalpolitik im Unternehmen einnimmt. Damit hat es das Unterneh-men in die Liste der Top 100 der besten Arbeitgeber geschafft, die jedes Jahr vom »Great Place to Work In-stitute« erstellt wird.

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1 | Musikalische Begrüßung durch die Kinder des Fröbelkindergartens.2 | Fröbelgrab.3 | Neugierige Kinderaugen.4 | Waschbär im Tierpark Bad Liebenstein.

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STADTVERWALTUNG BAD LIEBENSTEIN

Ein (K)Urlaubsort mit Zukunft

Stadtverwaltung Bad LiebensteinBahnhofstraße 2236448 Bad Liebenstein

→ www.bad-liebenstein.de

21. August | Es ist das Bad mit der längsten Kurtradi-tion in Thüringen, einer der größten Reha-Standorte im Land, die letzte Ruhestätte des Kindergarten-»Erfinders« Friedrich Wilhelm August Fröbel: Die idyllische Region um Bad Liebenstein hat einige Su-perlative zu bieten, die dennoch manchem Thüringer unbekannt sein dürften.

Weithin sichtbar mit bester Aussicht über die wald-reiche Gegend um Bad Liebenstein thront heute das Grab Fröbels am Hang des Friedhofs von Schweina. Obenauf sind die »Spielgaben« verewigt, die un-trennbar mit seinem Werk verbunden sind: Eine Ku-gel, eine Walze und ein Würfel symbolisieren das Lebenswerk des berühmten Pädagogen. »Heute sprechen wir immer von der Kita«, sagt Lieberknecht beim Besuch des Grabmals. »Dabei schwingt in dem Begriff »Kindergarten« so viel Gutes mit, dass dieser zum Exportschlager in der ganzen Welt wurde.« Wo-möglich sollte man sich in diesem Fall stärker auf die-se »alten« Werte besinnen, sagt sie. Einst als Som-merresidenz der Herzöge von Sachsen-Meiningen genutzt, ist die Kommune heute mit ähnlichen Proble-

men konfrontiert wie viele andere Gemeinden. Doch auch was mögliche Lösungsstrategien angesichts des demografischen Wandels angeht, kann die Region als Modell dienen: Erst Anfang des Jahres 2013 ist Bad Liebenstein mit den Gemeinden Schweina und Stein-bach zu einer Einheitsgemeinde verschmolzen. »Wir haben damit eine gesunde Größe erreicht und sind für die kommenden Jahre gut gerüstet«, sagt Bürger-meister Michael Brodführer.

Keimzelle des modernen Lebens ist nach wie vor das große ehrenamtliche Engagement der Liebensteiner, die – etwa durch den Unterhalt des einzigen Tierparks im Wartburgkreis – Bemerkenswertes leisten. »Der Unterhalt des Parks ist eine gigantische Aufgabe, die viel Engagement erfordert«, sagt Tierparkleiter Udo Bleske, der die Hauptverantwortung für 260 Tiere 60 verschiedener Arten trägt. »Wie an vielen Orten im Freistaat sind es das Ehrenamt und das Vereinsge-schehen, die unser Land erst lebenswert machen«, sagt Lieberknecht beim Besuch des Tiergartens. »Vor diesem Engagement habe ich größten Respekt«.

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1 | Rundgang mit MdL Henry Worm, Mark Hauptmann, Landrat Thomas Müller, Geschäftsführer Nils Meyer- Pries, Betriebsleiter Volker Börner u.a.2 | Geschmack aus Schönbrunn.

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FUCHS GEWüRZE

Da, wo der Pfeffer herkommt

FUCHS Gewürze GmbH Eisfelder Straße 11198667 Schönbrunn

→ www.fuchs-gewuerze.de

22. August | In Schönbrunn liegt buchstäblich etwas Besonderes in der Luft. Und das schon seit vielen Jah-ren. Grund ist die lange Gewürztradition, die bereits vor 100 Jahren hier ihren Anfang nahm und heute vom Familienunternehmen Fuchs Gewürze fortgeführt wird. Für den gesamten europäischen Markt werden hier Produkte abgefüllt und verschickt – insgesamt etwa 540 Millionen Einheiten pro Jahr.

»Ganz persönlich gehört für mich die Verbindung von Gewürzduft und Schönbrunn einfach zusammen«, sagt Christine Lieberknecht beim Besuch des Un-ternehmens. »Es ist schön, in einer Gegend, in der schon seit jeher die Kräutersammler unterwegs wa-ren, das Thema Gewürze noch immer eine so große Rolle spielt.« In der Tat sind die Produkte von Fuchs buchstäblich in aller Munde – egal ob zum Backen, Braten oder Kochen. Mittlerweile hat sich das Unter-nehmen zur weltweiten Nummer zwei der Gewürz-spezialisten emporgearbeitet, mit 2.700 Mitarbeitern und 530 Millionen Euro Jahresumsatz. »Wenn wir an-fangen, Pfeffer zu kaufen, bewegt sich der Weltmarkt,

sagt Geschäftsführer Nils Meyer-Pries. Die Produkte gehen in den Groß- und Einzelhandel oder zur direk-ten Weiterverarbeitung in die Nahrungsmittelindus-trie. Dazu gehöre eine gewisse Verantwortung, sagt Meyer-Pries. »Vom Mahlen bis hin zur Verpackung machen wir alles selbst.« Sogar das Nachfüllen der Regale in den Supermärkten übernimmt das Unter-nehmen in Eigenregie, um gleichbleibende Qualität zu gewährleisten. In Schönbrunn tragen momentan 638 Beschäftigte ihren Teil zum Erfolg des Unterneh-mens bei. Das Einzugsgebiet der Mitarbeiter reicht von Bamberg bis Erfurt. Den demografischen Wandel bekommt das Werk aber ebenfalls bereits zu spüren. Von sechs ausgeschriebenen Stellen konnte in die-sem Jahr keine Einzige besetzt werden. Dennoch ist Fuchs gerne in Schönbrunn. »Was den Standort aus-zeichnet, ist das gute Investitionsklima, das wir hier vorgefunden haben«, sagt Meyer-Pries. »Von Anfang an ist alles perfekt gelaufen, die Zusammenarbeit mit Behörden und Politik ist vorbildlich. Wir fühlen uns hier wohl.«

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1 | Trainer Jörg Beetz an der Schanze am Biberschlag.2 | Original Bibergrundmusikanten.3 | Vorführung der Nachwuchssportler.4 | Gang zur Schanze.

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SPORTVEREIN BIBERAU

Ein Verein hilft auf die Sprünge

Sportverein Biberau e.V.Hauptstraße 6998666 Biberau

→ www.sv-biberau.de

22. August | Mit ganz viel Respekt steht die Besucher-gruppe um Ministerpräsidentin Lieberknecht am Fuß der Skisprungschanze im Roßbachtal und lauscht den Erklärungen von Trainer Jörg Beetz. »Etwa ab der fünften Klasse springen unsere Nachwuchssportler hier über die große Anlage«, sagt er. An den Reak-tionen der Gäste ist abzulesen, dass für viele selbst die kleinste der drei Schanzen deutlich zu hoch wäre. »Wer nicht in frühester Jugend mit dem Skisprung an-fängt, hat fast keine Chance mehr, es zu lernen. Die überwindung, sich bei der Abfahrt auch noch nach vorne zu lehnen, ist dann einfach zu groß«, sagt Beetz. Die Anfänge des SV Biberau liegen in der 1962 gegründeten Betriebssportgruppe »Empor« Biberau.

Heute gehört die Sektion Ski zu der größten und erfolgreichsten Abteilung des Vereins. Besonders wichtig: die Förderung der Nachwuchstalente für den Skisport mit den Schwerpunkten Nordische Kombi-nation und Langlauf. 35 skibegeisterte Kinder und Jugendliche werden derzeit hier betreut. »Besonders schön ist es, dass immer mehr Mädchen mitmachen, auch im Skisprung«, sagt Beetz. Die Erfolgsgeschich-te des SV Biberau kann sich durchaus sehen lassen.

Der Nordische Kombinierer Sven Koch hat seine Wur-zeln ebenso hier wie der Langläufer Tim Tscharnke, der bei den Olympischen Spielen 2010 in Vancou-ver eine Silbermedaille errang. Für das große Enga-gement für junge Sportler wurde der Verein in der Vergangenheit gleich mehrfach ausgezeichnet: 1972 und 1976 als »Vorbildliche Sektion« des Skiläufer-verbandes der DDR, 2005 und 2011 mit dem Grünen Band für vorbildliche Talentförderung.

2004 wurde schließlich die rund 237.000 Euro teure Drei-Schanzen-Anlage im Roßbachtal fertiggestellt, ein Meilenstein für die Nachwuchsförderung vor Ort. 2009 bekamen die Sportler zudem eine fast einein-halb Kilometer lange Rollerstrecke für das Sommer-training. Auch die Skibaude unterhalb der Schanze wurde saniert. Eine Investition, die sich gelohnt hat, findet auch Christine Lieberknecht. »Thüringen ist ein Sportland – Vereinsarbeit und Ehrenamt spielen dabei eine unverzichtbare Rolle«, sagt sie beim zünf-tigen Empfang vor der idyllisch gelegenen Skibaude – mit strahlend blauem Himmel, Bratwurst und Blas-musik. »Der Sport ist eine der wichtigen Klammern, die eine Region zusammenhalten.«

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1 | Porträt-Büsten.2 | Unterrichtsraum.3 | Auf dem »SON-Rider« mit Landrätin Christine Zitzmann, MdB Carola Stauche und MdL Beate Meißner unter Aufsicht von Schulleiter Jürgen Frieß.

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BERUFSBILDENDE SCHULE SONNEBERG

Wo Kinderträume Form annehmen

Staatliche Berufsbildende Schule Sonneberg Fachschule für TechnikMax-Planck-Straße 4996515 Sonneberg

→ www.sbbs-son.de

22. August | Das Regal an der Wand eines Seminar-raums der Berufsbildenden Schule Sonneberg zeigt auf den ersten Blick, dass hier mehr gelehrt wird, als die traditionellen Ausbildungsberufe: Gliederpuppen und Tierskelette stehen neben kubistischen Men-schenskulpturen. Davor ist eine Reihe lebensgroßer Porträt-Büsten aufgestellt, die beredtes Zeugnis der künstlerischen Begabung ihrer Macher geben. »Als einzige Berufsschule in ganz Deutschland bilden wir hier sowohl Spielzeugdesigner als auch Spielzeug-hersteller aus«, erklärt der gelernte Grafik-Designer und Berufsschullehrer Hendryk Spanier. »Wir sind froh und stolz, dass das hier möglich ist.«

Nachdem fünf Nachwuchs-Spielzeugdesigner im vergangenen Schuljahr ihren Abschluss gemeistert haben, bereiten sich die Lehrer nun auf den neuen Kurs vor. Die Nachfrage sei zwar merklich zurückge-gangen: Noch vor einigen Jahren hatte die Klasse zwanzig Schüler. Lediglich sieben haben sich für die neue Ausbildungssaison eingeschrieben. Aber angesichts der demografischen Entwicklung sei das Ergebnis zufriedenstellend, sagt Schulleiter Jürgen Frieß. In drei Lehrjahren werden die jungen Designer

mit handwerklichen Techniken vertraut gemacht und lernen den Umgang mit den verschiedensten Materi-alien von Textilien über Holz bis hin zum Kunststoff.

Abstriche bei der Qualität der Bewerber würden trotz der geringeren Nachfrage nicht gemacht, sagt Frieß. Bei den Eignungstests fielen immer wieder Bewerber durch. »Wenn man Qualität haben will, muss man auswählen. Das gilt auch für unsere Spielzeugdesig-ner.« Viele der Schüler suchten sich nach der Ausbil-dung einen Job bei Spielzeugfirmen. Doch auch als Produktdesigner hätten die Absolventen eine Chance am Arbeitsmarkt: als »staatlich geprüfter Gestalter«, sagt Spanier. »Bildung hat Thüringen von der ersten Stunde an vorangebracht. Mit einem hohen Ausbil-dungsniveau leisten wir gleichzeitig einen wichtigen Dienst an unserer Zukunft«, sagt die Ministerprä-sidentin bei ihrem Besuch. »Die Thüringer waren in den vergangenen Jahren so klug, sich auf das zu be-sinnen, was sie können, ihre Handwerkstraditionen zu bewahren und weiterzugeben«, sagt Lieberknecht mit Blick auf die Vergangenheit der Spielzeugstadt Sonneberg. »Die Arbeit der Berufsschulen ist ein wichtiger Baustein für den Erfolg des Landes.«

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1 | Piratenschiff.2 | Im Gespräch mit Nico Zinner.3 | »Automobilherstellerin« Ilona Henkel.4 | Verabschiedung.

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NEUHäUSER KUNSTSTOFF GMBH

Mit Plastik-Piraten auf Erfolgskurs

Neuhäuser Kunststoff GmbHWaldweg 2298724 Neuhaus am Rennweg

→ www.gkt.de

22. August | Neben mannshoch aufgetürmten Kartons steht Nico Zinner an der Druckmaschine der Neuhäu-ser Kunststoff GmbH in Neuhaus am Rennweg. Quasi im Minutentakt bestückt er das Gerät mit knallroten Playmobil-Piratenschiffen. Die fertig bedruckten Teile werden von ihm gleich bei der Entnahme sorgfältig auf Fehler geprüft und weggepackt. 540 davon wür-den in einer Schicht bedruckt, erzählt er.

Im ganzen Haus spielen die bunten Plastikmännchen und die zugehörige Ausstattung eine große Rolle, das Unternehmen ist Zulieferer für Playmobil. Eigens für den Großkunden wurde Anfang Juli die Abteilung Be-druckung eingerichtet, für eine halbe Million Euro. Da-bei hatte die Unternehmerfamilie, der die Geschäfts-führer Sandra und Ralf Götze angehören, den Betrieb erst Ende 2012 aus der Insolvenz heraus aufgekauft und zurück in die schwarzen Zahlen geführt. Heute ge-hört er zur Gruppe Gunzenheimer-Götze, einem Famili-enunternehmen, das zudem Standorte in Gräfenthal, Leipzig und Zittau unterhält.

Nach der übernahme habe die gesamte Anlage re-noviert und teilweise angebaut werden müssen, er-

innert sich Uwe Gunzenheimer, der Vater von Sandra Götze, der in Neuhaus als Gesellschafter im Boot ist. Für viele Mitarbeiter des Vorgängerunternehmens sei die übernahme ein Glücksfall gewesen, aber auch das Unternehmen habe profitiert: »Gerade die über-nahme der älteren und erfahrenen Mitarbeiter hat sich für die Firma rentiert: Sie haben einen reibungs-losen Neustart abgesichert.« Im aktuellen Geschäfts-jahr werde am Standort in Neuhaus mit 30 Mitarbei-tern und 12 Spritzgießmaschinen ein Umsatz von 1,2 Millionen Euro angestrebt, sagt Gunzenheimer.

»Unternehmen wie diese bilden das Rückgrat der Thüringer Wirtschaft, sie vereinen Fortschritt und Bodenständigkeit«, sagt Lieberknecht. »Das gilt be-sonders in diesem Fall, war es doch eine sehr mutige Entscheidung, einen Betrieb aus der Insolvenz her-aus aufzukaufen und den Mitarbeitern vor Ort eine neue Perspektive zu bieten.« Zudem sei die familien-geführte Unternehmensgruppe Gunzenheimer-Götze ein Beispiel für eine gelungene Unternehmensnach-folge. »Das ist längst nicht überall so. Es ist schön zu sehen, dass es hier so gut funktioniert.«

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1 | Riko Kürsten.2 | Oliver Lämmerzahl.3 | Im Gespräch mit Michael Cowan, Geschäftsführer Ralf Theisen und MdL Gerhard Günther.

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OTTO BOCK MOBILITY SOLUTION

Königsee macht mobil

Otto Bock Mobility Solution Königsee GmbHLindenstraße 1307426 Königsee

→ www.ottobock.de

23. August | Wie so manche ländlich geprägte Region in Thüringen habe auch Salt Lake City ein Problem mit seinem Ruf, sagt Sarah McCarvill. Ja, Salt Lake City; die Hauptstadt des amerikanischen Bundes-staates Utah, die mit etwa 190.000 Einwohnern un-gefähr so groß wie Erfurt ist und damit in den USA als Provinz gilt. Dabei, sagt McCarvill, seien solche Per-spektiven verkürzt. Wer die Natur liebe, der könne in ihrer Heimatstadt Salt Lake City ebenso gut leben wie in den ländlichen Regionen des Freistaats. Leben und Unglaubliches entdecken – so wie den Stand-ort von Otto Bock in Königsee, als dessen Leiterin der Entwicklungsabteilung die Amerikanerin seit mehr als eineinhalb Jahren arbeitet. Dieser Besuch von Christine Lieberknecht am Thüringer Standort von Otto Bock, der zum Geschäftsbereich Mobili-ty Solutions gehört, ist für sie nicht der Erste; auch wenn Lieberknecht McCarvill und deren Geschichte bislang noch nicht kannte. Wie zuletzt, sagt Lieber-knecht, sei sie wieder beeindruckt davon, »wie sehr Sie in Ihrem Haus den demografischen Wandel als Chance begreifen«. Der Stopp in Königsee ist der erste im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, wo sich die

Komplexität des Gesundheitssektors auf engstem Raum mit Händen greifen lässt. Dass das Traditions-unternehmen mit Thüringer Wurzeln, das im Besitz der Familie Näder ist, von steigenden Mobilitätsbe-dürfnissen älter werdender Menschen profitiert, da-raus macht einer der Geschäftsführer von Otto Bock in Königsee, Ralf Theisen, kein Geheimnis. Man sei zwar auf die Entwicklung und Herstellung von Hilfs-mitteln wie Rollstühlen für Menschen mit Handicaps spezialisiert, sagt er. In Zukunft solle das Knowhow aber auch anderen Zielgruppen zur Verfügung ge-stellt werden: älteren Menschen.

Die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen des Ge-schäftsbereichs Mobility Solutions zeugen von die-sem Potenzial. Lag der Umsatz des Geschäftsbereichs 2010 noch bei »nur« etwa 83 Millionen Euro, setzte er 2012 schon fast 112 Millionen Euro um. Seit 2002 wuchs der Umsatz des Geschäftsbereiches um durch-schnittlich neun Prozent pro Jahr. Ende 2012 arbeite-ten mehr als 850 Menschen weltweit für Otto-Bock-Mobility-Solutions, circa 300 am Standort Königsee.

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1 | Auf dem Rundgang mit Katrin Burbach u.a.

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AEROPHARM

Sandoz‘ spannendster Standort

Aeropharm GmbHFrancois-Mitterand-Allee 107407 Rudolstadt

→ www.aeropharm.de

23. August | Seit 16 Jahren ist Thomas Nothegger beim Pharmariesen Sandoz beschäftigt. Das Unter-nehmen ist Teil der Novartis-Gruppe und innerhalb des Firmengeflechtes zuständig für die Produktion patentfreier Arzneimittel, sogenannter Generika. Für Sandoz hat Nothegger schon in Deutschland gearbei-tet, in österreich, in den USA, in Argentinien. Jetzt ist er Geschäftsführer der Sandoz-Niederlassung in Ru-dolstadt, die unter der Bezeichnung Aeropharm fir-miert. Nothegger nennt Aeropharm den »im Moment spannendsten Standort der Sandoz«: »Deshalb bin ich auch hier«, sagt er. Aus Sicht von Christine Lieber-knecht wird damit offenbar, unter welch guten Bedin-gungen die große Pharmabranche im Landkreis Saal-feld-Rudolstadt arbeiten kann. Vieles, was Nothegger erzählt – manches davon streng geheim –, überzeugt sie von der Richtigkeit dieser Annahme.

Die Zahlen, die Nothegger präsentiert, sind allesamt beeindruckend und verdeutlichen, wie bedeutend die Pharmaindustrie tatsächlich ist. Das sind zum Beispiel seine Angaben zur Entwicklung des Mitar-beiterbestands. Habe das 1876 als »Ankerwerk« ge-gründete Unternehmen 2002 nach der schwierigen

Nachwendezeit gerade einmal 49 Männer und Frauen beschäftigt, so seien es heute 365, sagt Nothegger. Durchschnittsalter: 37 Jahre. Mehr noch aber beein-druckt Lieberknecht das Gesamtvolumen des welt-weiten Marktes, von dem Aeropharm ein Stück ab-haben möchte. Das liege bei zwölf bis 14 Milliarden Euro, sagt Nothegger. Was die Rudolstädter herstel-len? Womit sich so viel Geld verdienen lässt, selbst wenn man nun ein kleines Stück von diesem großen Kuchen abbekommt? Auf einer Webseite der Firmen-gruppe heißt es laienfreundlich: In Rudolstadt stehe ein Kompetenzzentrum des Konzerns, »das sich auf die Entwicklung und Produktion von Asthmasprays und Augentropfen spezialisiert hat«.

Jenseits des Unternehmerischen freut sich Lieber-knecht, dass Nothegger sich ganz auf seinen Arbeits-ort als Heimat eingelassen hat und sich auch per-sönlich ebenso mit der Region verbunden zeigt, wie Sandoz es tut, indem es dem Standort eine solche Prominenz innerhalb der Gruppe zuweist. Es sei gut und richtig, dass Notheggers nach Rudolstadt gezo-gen seien.

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1 | Im Gespräch mit Chefarzt Dr. med. Wolfgang Christoph.2 | Verabschiedung.3 | Untersuchungsraum Radiologie.

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THüRINGEN-KLINIKEN »GEORGIUS AGRICOLA«

Gesundheitszentrum im Grünen Herzen

Thüringer-Kliniken »Georgius Agricola« Saalfeld-Rudolstadt GmbHRainweg 6807318 Saalfeld

→ www.thueringen-kliniken.de

23. August | Christine Lieberknecht muss nur wenige Worte mit Hans Eberhardt wechseln, bis jeder merkt, dass sich hier in den Thüringen-Kliniken »Georgius Agricola« in Saalfeld zwei Menschen treffen, die sich kennen. Zwischen ihr und dem Geschäftsführer der Kliniken, die aktuell etwa 1.600 Mitarbeiter, Auszubil-dende, Praktikanten sowie Studenten beschäftigen und damit zu den größten Arbeitgebern in Ostthürin-gen gehören, entspinnt sich schnell ein Gespräch, in dem die Komplexität des Gesundheitssystems eben-so deutlich wird wie die des Klinikalltages. Insgesamt vier Standorte hat das Unternehmen: je einen in Saal-feld und Pößneck, zwei in Rudolstadt. Es erbringt zen-trale Gesundheitsdienstleistungen für die Menschen in der Region: Bis zu 60.000 Patienten werden jährlich behandelt, etwa 12.000 Operationen pro Jahr durch-geführt.

Etwa 250 Millionen Euro sind seit der Wiederverei-nigung in das Unternehmen investiert worden, sagt der Geschäftsführer. 200 Millionen Euro davon seien Fördergelder des Landes gewesen, 50 Millionen Euro hätten die Kliniken selbst eingebracht. Messe man die Summe der Förderungen an den 3,3 Milliarden Euro

Bundes- und Landesmitteln, die Thüringen seit 1990 insgesamt als Fördergelder ausgereicht habe, erwi-dert Lieberknecht, dann sei leicht zu erkennen, dass das Krankenhaus mit all seinen Standorten überpro-portional von diesen Zuwendungen profitiert habe. »Aber Sie sind es wert«, sagt Lieberknecht. »Wir ste-hen zu unseren kommunalen Krankenhäusern.« Al-leiniger Gesellschafter der Kliniken ist der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt.

Nicht nur, weil die Komplexität des Krankenhausallta-ges Sinnbild der Komplexität des Gesundheitswesens ist, habe sie diese dritte und zugleich letzte Station ihrer Reise durch diesen Landkreis keinesfalls missen wollen. Diese Station sei so wichtig gewesen, weil die Kliniken nun wieder investieren und damit dem stän-digen Anpassungsbedarf in der Medizin Rechnung trügen. Aktuell wird eine neue Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin ge-baut. 2015 soll sie fertig sein, circa 30 Millionen Euro werden dort verbaut, mehr als 25 Millionen Euro da-von kommen vom Freistaat. »Und so schließt sich der Kreis«, sagt Lieberknecht.

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1 | Pierre Larose mit »Hightech-Strohhalmen«.2 | Mikrokabelrohr.3 | Rundgang mit Geschäftsführer Olaf Lämmer.

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REHAU AG

»Breitband und Bratwurst gehören zusammen«

Rehau AG + Co Niederlassung TriptisIm Kälbertale 107819 Triptis

→ www.rehau.com

23. August | Wenn es um die Zukunft geht, muss man auch über das Internet sprechen. Und zwar nicht nur über das Internet als Mittel zum Zweck der übertra-gung von Daten für Automobilzulieferer, Architektur-büros und Privathaushalte. Man muss auch darüber sprechen, wie sich das Internet als Infrastruktur so ausbauen lässt, damit es den Anforderungen einer vernetzten und globalisierten Welt gerecht werden kann – in Erfurt und Berlin ebenso wie in Katzhütte. Insofern hält Christine Lieberknecht in der Rehau-Niederlassung in Triptis die Zukunft in der Hand, als ihr der Leiter des Werks, Olaf Lämmer, ein dickes Ka-bel gibt. Aus diesem ragen wiederum kleinere Kabel hervor, die an Strohhalme erinnern. Mikrokabelrohr nennt man dieses Gebilde bei Rehau. Es werde ge-braucht, um den Internet-Breitbandausbau voranzu-treiben, erklärt die für den Standort verantwortliche Vertriebsleiterin, Katrin Große. Und produzieren ließen sich solche Mikrokabel am Thüringer Rehau-Standort in großen Mengen – wenn denn die Politik die Rahmenbedingungen schaffe, damit der Ausbau schnell vorankomme. Zwar geht es dem 1993 in Be-trieb genommenen Werk nach Angaben von Lämmer auch jetzt alles andere als wirtschaftlich schlecht.

205 Menschen arbeiten inzwischen dort, darunter 16 Lehrlinge. Neben den Mikrokabelrohren werden in Triptis auch andere Rohrarten hergestellt; außer-dem zum Beispiel Sonden für die Geothermie. Rehau mit seinen circa 17.000 Beschäftigten in mehr als 50 Ländern – und damit auch der Standort in Triptis – gehört zur kunststoffverarbeitenden Industrie.

»Aber wenn der Breitband-Ausbau richtig voran-getrieben würde«, heißt es immer wieder, »dann würden hier noch mehr Arbeitsplätze entstehen.« Lieberknecht zeigt sich offen für solche Vorstöße. Sie weiß, dass es in großen Teilen Thüringens inzwi-schen einerseits eine stabile Internet-Grundversor-gung gibt, dass sich andererseits viele Privathaus-halte und erst recht Firmen aber noch schnellere Web-Anbindungen wünschen. Deshalb wiederholt Lieberknecht bei diesem Termin einen für sie zent-ralen Satz: »Bratwurst und Breitband gehören zu-sammen«; ebenso übrigens wie die Verantwortung, die Rehau offenkundig für Menschen im ganzen Frei-staat übernimmt: Am Ende dieses Besuchs nimmt Lieberknecht noch eine 1.000-Euro-Spende für die Thüringer Fluthilfe entgegen.

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1 | Geschäftsführer Dietmar Wurmehl in der »Wurstkammer«.2 | Ernte.3 | Im Gespräch mit Geschäftsführer Dietmar Wurmehl und Landrat Thomas Fügmann.

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AGRAR E.G. REMPTENDORF

Und zum Abschluss zu Land und Leuten im besten Sinne

Agrar e.G. RemptendorfUmspannwerkstraße 1507368 Remptendorf

→ www.agraregremptendorf.de

23. August | Dietmar Wurmehl ist ein glücklicher Landwirt. Für sechs neue Silos hat der Vorstands-vorsitzende der Agrargenossenschaft Remptendorf kurz vor dem Besuch von Christine Lieberknecht erst Richtfest gefeiert. »Mit der Möglichkeit, große Mengen Raps oder Getreide zu lagern, werden wir unabhängig von Spekulanten«, sagt er – und lacht. Zudem hebt eine gute Rapsernte seine Laune. Mehr als 40 Dezitonnen dieser Pflanzensorte habe sein Unternehmen eingefahren. »Damit können wir sehr zufrieden sein«, sagt Wurmehl. Und lacht wieder. Auf dem Hof der Genossenschaft liegt wie zum Beweis ein großer Haufen schwarzer Körner, als Christine Lie-berknecht sich das Gelände ansieht. »So einen Berg Raps habe ich lange nicht mehr gesehen«, sagt sie.

Wurmehls positive Einstellung ist ansteckend; auch wenn er die Probleme seiner Branche – die Ausein-andersetzung mit einer ausufernden EU-Bürokratie beispielsweise – nicht ignorieren kann und will. Ins-gesamt 1.500 Hektar Land bewirtschaftet die Agrar-genossenschaft. Im Jahresdurchschnitt stehen 1.900 Rinder und 2.300 Schweine in ihren Ställen. Seit 2006 gibt es zudem eine Biogasanlage, die den Schweine-

stall beheizt. 69 Mitarbeiter hat der Betrieb; 37 von ihnen sind in der Direktvermarktung von Fleisch und Wurst tätig. Diese breite Aufstellung ermöglicht es der Genossenschaft, die üblichen Nachfrage- und Preis-schwankungen bei allem, was die Landwirtschaft so herstellt, ausgleichen zu können. Mit einem großen Produktionsspektrum kann man vieles überstehen.« Weil in Remptendorf jede Produktionslinie mit einer Be- oder Verarbeitungsstufe versehen sei, ermögli-che das »eine größere Wertschöpfung«.

Für Lieberknecht ist dieses Denken und Handeln ein Ausweis der Modernität der heimischen Landwirt-schaft. »Kinder auf den Traktor zu setzen, um sie für die Landwirtschaft zu begeistern, das ist Folklore«, sagt sie. Stattdessen müssten die Agrarunternehmen auf die in diesem Wirtschaftsbereich alltäglich prak-tizierte Verbindung von traditioneller Lebensmittel-herstellung mit modernsten Mitteln verweisen, um sich nicht unter Wert zu verkaufen. »Aus dieser Per-spektive wird klar, dass Sie hier Land und Leute im besten Sinne verkörpern«, sagt Lieberknecht. Es ist der letzte Satz auf der Thüringen-Tour 2013.

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Impressum

Herausgeber: Thüringer Staatskanzlei

V.i.S.d.P.: Karl-Eckhard Hahn

Redaktion: Mathias Surber

Fotos: Marcus Scheidel

Seite 28: Bild 4 – Waldkrankenhaus Rudolf Elle GmbH

Seite 80: Bild 2 – Ingenieurbüro Kleb GmbH

Gestaltung: Klapproth + Koch GbR, Weimar

Druck: BELTZ Bad Langensalza GmbH

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