%5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

19

Transcript of %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Page 1: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Woher kommen unsere Mobilfunk-Grenzwerte?

Sonderdruck aus der Bürgerwel le-Mitgl iederzeitung Ausgabe 2/2010

Redaktion, Herausgeber und Copyright ©:Bürgerwel le, Dachverband der Bürger und Initiativen zum Schutz vor Elektrosmog e.V.Sprecher des Vorstands: Siegfried Zwerenz, Lindenweg 10, D-95643 Tirschenreuth,

Tel . 09631-795736, Fax -795734, pr@buergerwel le.de, www.buergerwel le.de

Für die Verbreitung dieser Schrift zur Information von Entscheidungsträgern undBevölkerung ist die Papierform wirksamer als die elektronische Form. Bei Bestel lungen

wird die ganze Ausgabe 2/2010 der Mitgl iederzeitung zu € 2,50 zuzügl ich Porto gel iefert.

Editorial ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2I Die Geschichte der Grenzwerte:

Der Gesundheitsschutz hatte schon immer das Nachsehen .... . . . . . . . . . . . . . . . . 3II Die Hauptakteure geben Antwort .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6III Da stehen wir jetzt. Wie kommen wir

zu einem wirkl ichen Gesundheitsschutz? .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Page 2: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/20102

EditorialSehr viele Menschen haben schon davon gehört, dass die Mobilfunk-Grenz-werte zu hoch sind. Aber sie wissen nicht immer, was das konkret bedeutet.Die direkt Betroffenen jedoch, die Tag für Tag und vor al lem Nacht für Nachtunter der Strahlung leiden, wissen es aus eigener, schmerzl icher Erfahrung.

Aber auch die Strahlenschutz-, Umwelt- und Gesundheitsbehörden der Staa-ten wissen es. Sie haben schon Appel le und Petitionen sowie Hunderte, wennnicht Tausende von Klage- und Protestbriefen erhalten. Sie kennen die For-schung, die in der Gesamtschau klar auf die Gesundheitsschädl ichkeit derStrahlung hinweist und die Erfahrung der Betroffenen durchaus stützt. Siewissen, dass die Studienergebnisse insgesamt ausreichen würden, um das Er-greifen drastischer Vorsorgemaßnahmen zu begründen.

Trotzdem behaupten sie stur, die Grenzwerte seien Schutz genug. Wissen-schaftl iche Nachweise für eine Schädigung der Gesundheit durch Strahlunggebe es bei Einhaltung dieser Grenzwerte nicht. Als redl icher Bürger rätseltman, wie amtl iche Verantwortungs- und Entscheidungsträger es fertigbrin-gen, gegen ihr eigenes Wissen die Bevölkerung zu täuschen und manipul iertestaatl iche Forschungsprogramme mit vorausgeplantem Negativergebnisdurchzuführen. Wem gegenüber sind sie denn verantwortl ich? Das Vertrauenin die Behörden ist auf dem Nul lpunkt.

Der norwegische Fernsehfilm „Ein strahlender Tag“ war uns Anlass, dem Ur-sprung der Grenzwerte bis ganz an den Anfang nachzugehen. Das Filmteamdrang bis zu den weltweit maßgebenden Verfassern und Hütern der interna-tionalen Grenzwerte vor. Viele Dokumente haben wir zusammengetragen,gesichtet und übersetzt. Die Geschichte beginnt mit den ersten Rundfunksen-dern der 1920-er Jahre. Dann zeichnen wir den Weg der Grenzwerte von1966 bis in die Gegenwart nach. Was wir an Zensurmaßnahmen, Einflussnah-men von Mil itär und Industrie, Verharmlosungen und Verfälschungen deswahren Wissensstandes fanden, spricht Bände. Wir haben es anhand einzel-ner Beispiele zu veranschaul ichen versucht.

So sehen wir uns denn einer scheinbar unangreifbaren Festung gegenüber.Wenn man nun vol lends Klarheit darüber hat, welche Mächte diese Festunggebaut haben und bisher al le Versuche, sie zu stürmen, abpral len l ießen,dann könnte man denken, dass es noch einiges brauchen wird, bis der Schutzunserer Gesundheit endl ich Wirkl ichkeit zu werden beginnt.

Doch Resignation ist keinesfal ls angebracht. Die Festung ist auf Sand gebaut.Weitere, unermüdl iche Anstrengungen zur Information der Bevölkerung undvor al lem auch der Entscheidungsträger al ler Stufen können und müssen denDruck aufbauen helfen, der schl ießl ich etwas bewirken wird. Zunächst geht esjetzt dringend darum, dass die elektrosensiblen Menschen Schutz vor derStrahlung erhalten. Sie müssen überal l Orte haben, wo sie leben und überle-ben können. Und dann geht es um die Gesundheit der gesamten Bevölke-rung. Besorgte Ärzte und unabhängige Wissenschaftler sehen schwarz voral lem für die Zukunft der jungen Generation, wenn deren elektromagnetischeBelastung nicht rasch und massiv gesenkt wird.

Titelbilder:Links das Logo der WHO am Hauptquartier in Genf (Wikimedia Commons, Yann I. )Rechts zwei Bilder aus dem Film "A radiant day" des norwegischen Fernsehens NRK

Page 3: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/2010 3

Grenzwerte sollen die Bevölkerung vor Strahlungschützen. Tun sie das? Die Praxiserfahrung sagtweltweit immer klarer NEIN. Mobilfunkstrahlungerweist sich weit unterhalb der geltenden Grenzwer-te als gesundheitsschädlich.

Auch viele wissenschaftl iche Studien geben deutl icheHinweise auf eine Gesundheitsschädl ichkeit. Trotzdemhämmern uns Behörden und Industrie tägl ich ein: „Un-sere Grenzwerte sind sicher.“ Und die Gerichte entschei-den danach. Warum haben wir derart hohe Grenzwertefür elektromagnetische Strahlung und Felder (aufdeutsch und engl isch meist mit EMF abgekürzt), undwarum verweigern al le nationalen Behörden hartnäckigeine Senkung dieser Grenzwerte?

Warnungen vor Strahlung – von AnbeginnAnfangs der 1920-er Jahre nahmen die ersten Rund-funksender den Betrieb auf. Im Juni 1924 sagte RudolfSteiner, Begründer der Anthroposophie, anlässl ich einesVortrags, die elektromagnetische Strahlung werde be-wirken, dass die Menschen die Nachrichten, welche siemittels dieser Strahlung bekommen, „nicht mehr kapie-ren können“. Al les Lebendige werde durch die Elektrizi-tät „nervös und zapplig und sklerotisch nach und nach“.

In der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ vom05.08.1932 erschien der Abdruck eines Vortrags desArztes Erwin Schliephake. Darin sind die Symptome al lder Personen beschrieben, die „an starken Kurzwellen-sendern ohne genügende Schutzmittel“ arbeiten muss-ten: „Starke Mattigkeit am Tag, dafür in der Nachtunruhiger Schlaf, zunächst ein eigenartig ziehendes Ge-fühl in der Stirn und Kopfhaut, dann Kopfschmerzen, diesich immer mehr steigern, bis zur Unerträglichkeit. DazuNeigung zu depressiver Stimmung und Aufgeregtheit. (… )Durch Wärmewirkung allein lassen sich diese Erscheinun-gen nicht erklären.“

In den 1930-er Jahren wurde außerdem der Radar ent-wickelt, der erstmals die periodisch gepulste Strahlungzur verbreiteten Anwendung brachte.

Existenz nicht-thermischer Auswirkungenschon früh diskutiertBereits in den 1930-er Jahren entstand eine Kontroverseüber die Existenz nicht-thermischer Auswirkungen aufden Organismus. Da die Diathermie, die Erwärmung vonKörpergewebe mittels elektromagnetischer Wel len, alsTherapiemittel in der Medizin damals Mode war, wol ltendie meisten Ärzte nichts von einer Schädl ichkeit derStrahlung wissen.

Im 2. Weltkrieg spielten Radar und Funk bereits einederart wichtige Rol le, dass die Frage ihrer Schädl ichkeit

in den Hintergrund trat. Immerhin sah sich die US-Mari-ne 1942 durch die in der Truppe weit verbreitete Angstvor dem Radar veranlasst, Nachforschungen über mög-l iche schädl iche Wirkungen der Mikrowel lenstrahlunganzustel len. Die in Auftrag gegebenen Studien fandenjedoch offiziel l keine nachteil igen Wirkungen.

Festsetzung des ersten Grenzwertes in derwestlichen WeltIm Jahre 1953 wurde das Interesse an den biologischenWirkungen von Mikrowel lenstrahlung wieder entfacht,als man anfing, sich über Krankheitsberichte von Radar-Bedienungspersonal und Servicetechnikern Sorgen zumachen. Zum Beispiel l istete ein medizinischer Beraterin der Flugzeugindustrie, John T. MacLaughlin , in einemBericht an das US-Mil itär folgende mögl ichen Wirkun-gen auf: Innere Blutungen, Leukämie, Katarakte (GrauerStar), Kopfschmerzen, Hirntumoren, Herzbeschwerdenund Gelbsucht.

Jetzt reagierte das Mil itär. Es begann ein über zehn Jah-re dauerndes Hin-und-Her, das schl ießl ich zum erstenstaatl ichen Grenzwert führte: dem U.S. Standard C95.1-1966. Der für die berufl iche Exposition gültige Grenz-wert von 100 W/m2 [194 V/m] war mehr oder wenigeraufs Geratewohl entstanden. Er fußte auf oberflächl i-chen, rein physikal ischen Überlegungen über die Wär-mebelastung des Körpers, dies in der vorgefasstenMeinung, Strahlungseffekte im Körper entstünden nurdurch Wärmewirkungen. Unter dem Druck, endl icheinen Grenzwert haben zu wol len, war widersprechen-des Beweismaterial ignoriert und Forschung zur vertie-fenden Klärung nicht durchgeführt worden.

Natürl ich waren die Auseinandersetzungen damit nichtzu Ende. Einerseits wurde ein zusätzl icher, tiefererGrenzwert für die Al lgemeinbevölkerung vorgeschlagen.Andererseits sahen U.S. Army und Navy bei der Umset-zung des Standards C95.1-1966 Schwierigkeiten, weil sieeine Beschneidung der Funktionen ihrer Kampfmittelbefürchteten.

Viel tiefere Grenzwerte in OsteuropaIn Russland wurden die Auswirkungen schwacher Mikro-wel lenstrahlung auf das Zentralnervensystem von Men-schen und Tieren schon früh und über lange Jahrehinweg beobachtet. Seit 1933 wurden kl inische Lang-zeituntersuchungen durchgeführt. Die im 2. Weltkriegauch dort zu hörenden Klagen von Radarpersonal überKopfschmerz, Augenbeschwerden und übermäßige Er-müdung führten zu umfangreichen Untersuchungen. Ab1948 wurden in Moskau über 1000 Personen währendmehr als 10 Jahren untersucht. Als typisch für das Mi-krowel len-Syndrom wurde beschrieben: Neurovegetati-

Woher kommen unsere Mobilfunk-Grenzwerte?

I. Die Geschichte der Grenzwerte: Der Gesundheits-schutz hatte schon immer das Nachsehen

Page 4: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/20104

scher Strahlung basieren, wird die Menschheit in denkommenden Jahrzehnten in ein Zeitalter der Umweltver-schmutzung durch Energie eintreten, welche mit der che-mischen Umweltverschmutzung von heute vergleichbarist. " Und: "Die Folgen einer Unterschätzung oder Miss-achtung der biologischen Schädigungen, die infolge lang-dauernder Strahlungsexposition auch bei geringerständiger Strahlungseinwirkung auftreten könnten, kön-nen für die Volksgesundheit einmal verheerend sein. "

Dieser – aus heutiger Sicht geradezu prophetische – Be-richt hatte keine Konsequenzen. In den anschl ießendenEmpfehlungen durften nur unverbindl iche Hinweise ste-hen. – Andere Fachleute warnten ebenfal ls, aber auchsie drangen damit nicht durch.

IEEE-ICES: Das Dogma „Es gibt nur ther-mische Wirkungen“ wird zementiertIn den Jahren 1988-90 ging die Trägerschaft für dasNormenwesen von der US-Normungsbehörde ANSI, dieden Standard C95.1-1966 eingeführt hatte, auf das in-ternational tätige IEEE (Institute of Electrical and Electro-nics Engineers, größter technischer Berufsverband derWelt) mit seiner Unterorganisation ICES (InternationalCommittee on Electromagnetic Safety) über. Auslöserwar offenbar eine Kontroverse über Haftungsfragen.

Das ICES ist ein großes Komitee und gemäß eigenerAussage „offen für jedermann mit einem erheblichen In-teresse an der Sache“. Faktisch haben jedoch die Indus-trie und das US-Mil itär den bestimmenden Einfluss.

Das ICES erklärt, es halte sich streng an die Wissen-schaft. In al len seinen Publ ikationen vertritt es bis heutedie Position, dass ausschl ießl ich thermische Auswirkun-

ve Störungen, Neurosen, Depressionen, Tagesmüdig-keit, Leistungseinbuße, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen,Herz-Kreislaufprobleme, Hyperaktivität und innere Un-ruhe. Festgestel l t wurde auch, dass die Sensibil ität ge-genüber nichtionisierender Strahlung (z.B. Radio- undMikrowel len) bei andauernder Exposition mit der Zeitzunahm. Eine solche dosisabhängige Langzeitwirkungwar bisher nur von der ionisierenden Strahlung (Gam-ma- und Röntgenstrahlung) bekannt.

In der Zeit, als in den USA der Standard C95.1-1966 inKraft trat, hatte die Sowjetunion bereits einen tausendmal tieferen Grenzwert sowie Richtl inien für dessenstrikte Umsetzung in der Arbeitswelt. Für tägl ich maxi-mal 8 Stunden Strahlungsexposition lag der Grenzwertbei 0,1 W/m2 [6 V/m] , für die Al lgemeinbevölkerung bei0,01 W/m2 [2 V/m] . Man befand sich damit klar imnicht-thermischen Bereich der Strahlungsauswirkungen.

Im Westen wurde die Tatsache der viel tieferen Ost-Grenzwerte mit Verzögerung bekannt und – wenn über-haupt – nur al lmähl ich ernst genommen.

Im Westen: Warnungen vor gesundheits-schädigendem Potential werden unter-drücktImmer mehr begannen nun auch westl iche Wissen-schaftler die Existenz nicht-thermischer Auswirkungenvon niedrigintensiver Strahlung zu akzeptieren. 1971kam ein zuhanden der US-Regierung verfasster Unter-suchungsbericht zum Schluss: "Wenn nicht in naher Zu-kunft angemessene Vorkehrungen und Kontrolleneingeführt werden, die auf einem grundsätzlichen Ver-ständnis der biologischen Wirkungen elektromagneti-

Abb. 1Organisation des "InternationalCommittee on Electromagnetic Sa-fety" ICES(Quelle: C.K. Chou, "RF BioeffectResearch to Address Human SafetyConcerns", 2007; Übersetzung desOrganigrammtextes durch dieBürgerwelle)

Legende:IEEE = Institute of Electrical andElectronics EngineersSASB = Standards Association,Standards BoardICES = International Committee onElectromagnetic Safety (früher:IEEE-SCC39)TC = Technical CommitteeSC = Subcommittee

Page 5: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/2010 5

Repacholi, ehemals Präsident des australasiatischen Ko-mitees für Hochfrequenz-Normen sowie Gründungsmit-gl ied der früheren INIRC.

Prof. Jürgen Bernhardt löste Repachol i als Vorsitzenderder ICNIRP von 1996-2000 ab. Zugleich war BernhardtAbteilungsleiter im Bundesamt für Strahlenschutz BfS(1989-1998) und Vorsitzender des Ausschusses „Nicht-ionisierende Strahlen“ in der StrahlenschutzkommissionSSK (1987-89 und 1998-2002). Gerade während der ent-scheidenden Phase der staatl ichen Grenzwertsetzung inDeutschland hatte er diese Doppelfunktion inne. Später,von 2000 bis 2004, war Bernhardt stel lvertretender Vor-sitzender der ICNIRP. Außerdem war er zeitweise imIEEE-Subkomitee SC-4, das sich mit der Normen-Koordi-nation befasst. Ferner war er persönl icher Berater desdamal igen Bundesumweltministers Jürgen Trittin .

Als weiterer BfS-Mitarbeiter wurde der Elektronikinge-nieur Rüdiger Matthes wissenschaftl icher Sekretär derICNIRP und später deren stel lvertretender Vorsitzender.

Außerdem stammten von 1993 bis heute insgesamt dreiUS-Mitgl ieder der ICNIRP aus dem IEEE-ICES-Subkomi-tee SC-4, unter ihnen M.L. Swicord, der für Motorola unddie FDA (Food and Drug Administration = das Gesund-heitsamt der USA) tätig war bzw. ist. Ein weiteres Mit-gl ied ist Direktor in einem medizinischen Forschungs-institut der U.S. Army. Die restl ichen Mitgl ieder derICNIRP arbeiten in Gesundheits- oder Strahlenschutzbe-hörden anderer Staaten oder im universitären For-schungsbetrieb, der ja weitgehend von der Industriefinanziert ist.

Daneben hat die ICNIRP vier Fachkomitees, und sie hatzahlreiche beratende Experten angegl iedert. Daruntersind mehrere Wissenschaftler, die beim US-Mil itär oderin staatl ichen Fachbehörden arbeiten. Auf der Webseiteder ICNIRP sind ihre Funktionen und Organisationszu-gehörigkeiten beschrieben, aber bei al l denen, die inIEEE-Normenkommissionen mitarbeiten, fehlt eben die-se Angabe.

Militär und Industrie haben ihr Ziel derEinflussnahme erreichtZwischen der Weltgesundheitsorganisation WHO undder ICNIRP besteht eine von der WHO periodisch bestä-tigte, offiziel le Zusammenarbeit.

Die WHO hat die ICNIRP-Grenzwerte von 1998 über-nommen und ihren Mitgl iedstaaten zur Einführungempfohlen.

Über die WHO besteht so eine indirekte Verflechtungvon nationalen Behörden mit der ICNIRP. Bei der deut-schen Strahlenschutzbehörde ist diese Verflechtungüber Personen mit Doppelfunktion eine ganz direkte.

Die ICNIRP unterhält ihrerseits enge fachl iche und per-sonel le Beziehungen zur IEEE und damit zu den Konzer-nen der Elektro- und IT-Industrie sowie zum US-Mil itär.

So ist es nicht verwunderl ich, dass weltweit al le nationa-len Grenzwerte dem Dogma „Es gibt nur thermischeWirkungen“ folgen. Das Netz zur Durchsetzung diesesDogmas wurde in den 1990-er Jahren geknüpft. Nachder Veröffentl ichung der ICNIRP-Grenzwertvorschläge

gen auf den Körper wissenschaftl ich gesichert seien.Langfristige und kumulative Effekte seien nicht bekannt.Der im IEEE Standard C95.1-2005 für die Strahlungsex-position der Al lgemeinbevölkerung im Rundfunk- undMobilfunkbereich vorgeschlagene Grenzwert von (jenach Frequenz) 2 bis 10 W/m2 [27,5 bis 61,4 V/m]schützt denn auch bloß vor einer kurzfristigen Überer-wärmung des Körpers. Eine solche kommt jedoch imAl ltag der Bevölkerung nie, an Arbeitsplätzen nur unterextrem ungünstigen Bedingungen vor.

Das ICES bezeichnet die Übernahme seiner IEEE-Grenz-werte als „gänzlich freiwillig“ und schreibt, die Existenzeines IEEE-Standards bedeute nicht, dass es nicht auchandere Standards geben könne. Ein Versuch, sich mitBl ick auf drohende Haftungsfragen aus der Verantwor-tung zu schleichen? In der Real ität war – und ist – je-doch der Einfluss des US-Mil itärs und der Industrie inden Normenkommissionen des IEEE so groß, dass zu-mindest in den USA die Übernahme der IEEE-Grenzwer-te durch den Staat vorprogrammiert war.

Außerhalb Amerikas konnten die IEEE-Grenzwerte denNationen natürl ich nicht einfach direkt vorgeschriebenwerden. Für deren weltweite Durchsetzung brauchteman eine eigens dafür geschaffene Organisation, diesich den Anschein der Unabhängigkeit zu geben hatte.Diese Organisation wurde mit der ICNIRP geschaffen.

Die ICNIRP als Brücke zur Grenzwertset-zung durch die einzelnen StaatenZuerst die Vorgeschichte: Im Jahre 1964 wurde in Parisdie "International Radiation Protection Association"(IRPA) gegründet. Sie diente dem internationalen Fach-austausch auf dem Gebiet der ionisierenden (= radioak-tiven) Strahlung. Das Gebiet der nichtionisierendenStrahlung wurde ab 1977 durch das "International Non-Ionizing Radiation Committee" (INIRC) abgedeckt.

1992 begann in Europa der Aufbau der GSM-Mobilfunk-netze, die mit ihrer viel größeren Kapazität das frühere,beschränkt leistungsfähige C-Netz ablösen sol lten. Jetztwurde es Ernst. Im gleichen Jahr beschloss die IRPA dieUmwandlung ihres Komitees für nichtionisierendeStrahlung (INIRC) in eine selbständige Organisation. Mitder Gründung der ICNIRP (International Commission onNon-Ionizing Radiation Protection) am 19.09.1993 inNeuherberg bei München war diese Umwandlung vol l-zogen. Neuherberg – das ist doch die Adresse des deut-schen Bundesamtes für Strahlenschutz BfS?

Die ICNIRP ist ein am Amtsgericht München registrierterVerein (e.V.) . Ihre Satzung nennt den Zweck, „Leitl inienund Empfehlungen zum Schutz vor der Exposition mitnichtionisierenden Strahlen zu geben“, sowie eine engeBeziehung zur IRPA. Auf ihrer Homepage steht heute alsHauptzweck die Verbreitung von Information und dieBeratung in Bezug auf potentiel le Gesundheitsschädi-gungen infolge dieser Strahlung. Die ICNIRP besteht ausdem zweiköpfigen Vorstand und höchstens 12 weiterenMitgl iedern. Sie ergänzt sich personel l aufgrund vonVorschlägen aus den eigenen Reihen oder der IRPA.

Gründungsmitgl ied der ICNIRP und ihr Vorsitzender bis1996 war der austral ische Wissenschaftler Michael H.

Page 6: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/20106

wird er in exponierten Wohnungen in der Nähe vielerMobilfunkmasten tatsächl ich ausgeschöpft, aber erstel l t noch keine wesentl iche Einschränkung für dieBetreiber dar.

- Seit den 1990-er Jahren festigte sich aufgrund vielerTausender von Messungen bei Betroffenen die Erfah-rung, dass stark elektrosensible Personen bei GSM-Mobilfunkstrahlung erst etwa unterhalb von0,0000001 W/m2 = 0.1 µW/m2 [0,006 V/m] keine Be-schwerden mehr verspüren. Der Schreibende kannanhand seiner 10-jährigen, umfangreichen Mess- undBeobachtungserfahrungen, die er bei Hunderten vonBetroffenen gewonnen hat, die Praxistaugl ichkeit die-ses Richtwertes bestätigen. Bei der aggressiverenUMTS-Strahlung ist die Schwel le sogar noch tiefer.Selbst die „Vorsorgewerte“ der Schweiz, Ital iens undBelgiens erscheinen vor diesem Hintergrund noch umGrößenordnungen zu hoch.

Wie die ICNIRP ihre Grenzwerte wissen-schaftlich begründetDie im Jahre 1998 veröffentl ichten Grenzwertrichtl iniender ICNIRP wurden und werden von unabhängigen Wis-senschaftlern heftig kritisiert. Bekanntestes Werk derICNIRP-Richtlinien-Kritik ist die 1999 herausgegebenegleichnamige, umfassende Untersuchung des Wissen-schaftlers Neil Cherry (†) . Er untersuchte im Detail diewissenschaftl ichen Begründungen der ICNIRP für ihreGrenzwerte von 1998, die unter dem VorsitzendenMichael Repacholi verfasst worden waren. Im Ergebnisseiner Untersuchungen kam Neil Cherry zu einem eben-so fundierten wie vernichtenden Urteil über die Bewer-tung vorhandener Studien durch die ICNIRP:

„Ich zeige klar und schlüssig, dass hier eine Voreinge-nommenheit besteht gegenüber der Entdeckung und An-erkennung schädlicher Auswirkungen. DieseVoreingenommenheit geht so weit, dass die meisten dervorhandenen wissenschaftlichen Studien, welche Effektezeigen, ignoriert werden, und die ausgewählten Studienwerden weitgehend falsch dargestellt, falsch interpretiertund missbräuchlich verwendet.“ (. . . )

„Zitiert wird nur eine kleine Zahl von Studien aus einergroßen Menge vorhandenen Materials, welches potentiel-le, wahrscheinliche und in der Gesamtschau realistischeSchädigungen der Gesundheit zeigt. Wesentliche Teile derganzen Forschung sowie die Forschungsergebnisse gan-zer Disziplinen, wie z.B. der Biometeorologie, werden völ-lig ignoriert.

Dies geschieht derart einheitlich, systematisch, nachweis-bar und offenkundig, dass wir nur auf unwissenschaftli-che Motive hinter der Bewertung und dem Endergebnisschließen können.

Staatliche Richtlinien müssen auf einer objektiven undunabhängigen Bewertung des wissenschaftlichen Materi-als sowie auf epidemiologischem Beweismaterial basie-ren, das überaus solide und konsistent ist. Sie dürfen sichnicht auf die bloße Übernahme eines mangelhaften sowiewissenschaftlich und gesetzlich anfechtbaren Vorgehensund Expositionsniveaus beschränken.“

von 1998 übernahmen denn auch fast al le Staaten diesevon der WHO empfohlenen Grenzwerte.

Mil itär und Industrie haben ihr Ziel der weltweiten Ein-richtung sehr hoher Grenzwerte für nichtionisierendeStrahlung erreicht. Für die Industrie bedeutet das, dasssie für die Entwicklung und Vermarktung ihrer Produkteund beim Aufbau der Mobilfunknetze weltweit faktischfreie Hand hat. Die Gesetzgebung der Staaten ist so ein-gerichtet, dass die betroffene Bevölkerung und die Ge-meinden juristisch nur geringe oder gar keineMögl ichkeiten haben, um sich gegen die zunehmendeDurchdringung des Lebens mit elektromagnetischerStrahlung und Feldern zu wehren. Nichts scheint diesesich überschlagende Entwicklung stoppen zu können.

Die Grenzwerte der IEEE und ICNIRPschützen nur vor einer Übererwärmungdes KörpersDie Grenzwerte, welche die ICNIRP über die WHO denStaaten empfahl und noch immer empfiehlt, beruhengenau wie diejenigen der IEEE auf dem Dogma „Es gibtnur thermische Wirkungen“. Für Mobilfunkstrahlung istder Grenzwert frequenzabhängig. Der höchste Wert fürUMTS-Strahlung beträgt 10 W/m2 [61,4 V/m] . Mit demeingebauten Sicherheitsfaktor gegen schädl iche Gewe-beerwärmung schützen diese Grenzwerte vor etwas, dasim Al ltag der Al lgemeinbevölkerung nie vorkommt. Derim Al ltag mittlerweile überal l gegenwärtigen schwäche-ren Strahlung, welche nicht-thermische Auswirkungenauf den Organismus verursacht, ist die Bevölkerung je-doch völ l ig schutzlos ausgel iefert.

Selbst die etwas tieferen „Vorsorgewerte“ in Belgien, Ita-l ien und der Schweiz tragen der Existenz nicht-thermi-scher, kurz- und langfristiger Wirkungen keineswegsRechnung. In der Schweiz wurde dies vom Bundesge-richt im Urteil vom 30.08.2000 sogar bestätigt: „DerBundesrat hat die Anlagegrenzwerte [. . . ] nicht nach medi-zinischen Kriterien, sondern auf Grund der technischenund betrieblichen Möglichkeiten und im Blick auf diewirtschaftliche Tragbarkeit für die Mobilfunkbetreiberfestgesetzt.“ Mit anderen Worten: Der Schweizer Anla-gegrenzwert ist nichts anderes als ein Kompromiss mitder Industrie auf komfortablem Niveau für diese.

Ernsthaft um die Gesundheit besorgte Kreise in al lerWelt – vor al lem auch in den USA und in Deutschland –weisen oft auf tiefere, vermeintl ich beispielhafte „Vor-sorgewerte“ anderer Länder hin. Solche positiven Hin-weise auf die „tiefen“ Strahlungsgrenzwerte der Schweizund Ital iens (6 V/m) oder der Region Brüssel (3 V/m)sind jedoch aus zwei Gründen irreführend und verfehlendamit ihr wohlgemeintes Ziel :

- Die Staaten mit dem unverändert übernommenenICNIRP-Grenzwert von maximal 10 W/m2 [61.4 V/m]schöpfen einfach ihren Grenzwert bei weitem nichtaus. Dieser wird nur dann relevant, wenn man sich aufeinem Flachdach direkt vor ein dort montiertes An-tennenpaneel hinstel l t. Der "Vorsorgewert" von 6V/m entspricht in Europa ohnehin etwa dem höchs-ten Strahlungsniveau, das in der Betriebspraxis derMobilfunknetze lokal erreicht wird. Als Grenzwert

Page 7: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/2010 7

nerhalb der Ärzteschaft prägt? Die fachl ich in manchemangreifbaren, wissenschaftl ich nicht fundierten und teilsmit verblüffender Deutl ichkeit industriefreundl ich for-mul ierten Faktenblätter müssten doch eigentl ich als sol-che durchschaut werden.

Doch für die Entscheidungsträger und auch für die Mas-senmedien scheint al les, was von der WHO her kommt,noch immer Maßstab zu sein. Diese WHO-Faktenblättersind entscheidend daran beteil igt, dass die EMF nochimmer nicht als einer der bedeutendsten gesundheitl i-chen Risikofaktoren unserer Zeit erkannt und anerkanntwerden. Sie sind mitschuldig, wenn nicht hauptverant-wortl ich, dass die elektrosensiblen Menschen noch im-mer fast durchwegs Unglauben, Misstrauen, Aggression,Ausgrenzung oder Psychiatrisierung erfahren. Dabeihätte die Menschheit al le Ursache, den unter EMF lei-denden Menschen dankbar zu sein, dass sie gewisser-maßen ein "Frühwarnsystem" sind. Sie zeigen uns, wowir hinsteuern, wenn wir den Kurs nicht korrigieren.

Die Weltgesundheitsorganisation WHOim Dienste der IndustrieAuch die WHO verbreitet das Dogma, dass nur thermi-sche EMF-Wirkungen gesichert seien, mit absoluterKonsequenz. Das zeigt sich in al l ihren neueren Publ ika-tionen, zum Beispiel in ihren Faktenblättern (FactSheets). Der Inhalt wichtiger Publ ikationen ist im unten-stehenden Kästchen zusammengefasst und aus der Sichtdes tatsächl ichen Standes der Wissenschaft sowie ausder Praxiserfahrung kommentiert.

An diesen Publ ikationen wird deutl ich, in welchem Um-fang die für Behörden, Fachwelt, Medien und breite Öf-fentl ichkeit bestimmte WHO-Botschaft nicht demGesundheitsschutz, sondern der Industrie dient. Den-noch scheint das internationale Ansehen der WHO alsWächter über die Gesundheit der Bevölkerung weither-um noch intakt zu sein. Wie wäre sonst zu erklären, dassder Inhalt dieser Faktenblätter immer noch die vorherr-schende Meinung zum Beispiel bei Behörden sowie in-

Faktenblatt Nr. 296 über Elektrosensibilität (Electro-magnetic Hypersensibility, EHS), Dezember 2005Die Existenz von EHS wird anerkannt, aber den Ärztenwird geraten, nicht auf eine Reduzierung der elektromag-netischen Immissionen zuhause und am Arbeitsplatz ein-zugehen. Vielmehr sol le das Problem medizinisch undpsychologisch/psychiatrisch angegangen werden. Unddie Umgebung des Patienten sol le auf andere mögl icheUrsachen (Raumluft, Lärm, Beleuchtung oder ergonomi-sche Faktoren) untersucht werden. Die Regierungen sol-len Elektrosensible, Gesundheitspersonal und Arbeit-geber über die potentiel len Gesundheitsrisiken derelektromagnetischen Strahlung „gezielt und ausgewo-gen“ informieren. Zugleich sol le aber klar festgehaltenwerden, dass es zur Zeit keine wissenschaftl iche Basis füreinen Zusammenhang zwischen Elektrosensibil ität undelektromagnetischer Strahlung gebe.

Was sind die Folgen dieser WHO-Ratschläge? So wer-den die Elektrosensiblen disqual ifiziert als Menschen, dieangebl ich nicht im Vol lbesitz ihrer Urteilsfähigkeit ste-hen. So bleiben die Elektrosensiblen der Pharmaindus-trie und dem medizinischen Dienstleistungsbetrieb alseinträgl iche Geldquel le erhalten. Und so wird verhindert,dass die Elektrizität – die Funktionsbasis unserer gesam-ten technischen Zivil isation! – in ihrer gesundheitl ichenProblematik kritisch betrachtet wird. Es fäl l t schwer, beial ldem nicht an Absicht zu glauben.

Faktenblatt Nr. 304 über Mobilfunksender und Draht-losnetzwerke, Mai 2006Da nur thermische Auswirkungen im Körper belegt sei-en, könne eine gesundheitl iche Beeinträchtigung durchdie „schwache“ Antennenstrahlung nicht vorkommen.Auch gebe es Radio- und Fernsehsender seit 50 Jahrenohne irgendwelche schädl ichen Folgen. Spezifische Ge-

fahren durch die unterschiedl ichen Modulationsverfah-ren (Pulsung) seien nicht bekannt. Es gebe keineBeweise für eine Erhöhung des Krebsrisikos, für Schlaf-störungen oder Herz-Kreislaufstörungen.

Faktenblatt Nr. 193 über Mobiltelefone, Mai 2010Lapidar wird festgestel l t, bis heute seien keine Gesund-heitsschäden infolge Mobiltelefonbenutzung erwiesen,weder kurz- noch langfristige.

Diese Aussage muss auch im Zusammenhang damit ge-sehen werden, dass die WHO (genauer: die Krebsfor-schungsagentur IARC) ebenfal ls im Mai 2010 dieGesamtresultate ihrer INTERPHONE-Studie zum ThemaHandy und Hirntumor publ izierte. Das einzige Resultatvon Bedeutung waren gewisse Hinweise für ein erhöhtesHirntumorrisiko bei Mobiltelefonbenutzung von mehrals 10 Jahren. INTERPHONE-kritische Wissenschaftlerfanden jedoch heraus, dass das Studiendesign massiveMängel hatte, wodurch das Tumorrisiko systematischunterschätzt wurde. Korrigiert man die Ergebnisse, sowird das Risiko für Gliome sogar bei kurzen Nutzungs-dauern alarmierend erhöht.

WHO-Publikation „Einrichten eines Dialogs über dieRisiken elektromagnetischer Felder“Das Handbuch basiert auf der Ansicht, dass EMF keinwesentl iches gesundheitsgefährdendes Potential haben.Die Schrift l iest sich wie eine Anleitung, wie man der Be-völkerung „unbegründete Ängste“ austreibt, indem manihr wirksam kommuniziert, dass elektromagnetische Fel-der keinerlei relevante gesundheitl iche Auswirkungenhaben. Dass (urteilsfähige! ) Menschen nicht bloß Ängstevor Strahlung, sondern konkrete Erfahrungen mit derenkrankmachenden Wirkungen haben, wird gar nicht erstin Betracht gezogen.

Publikationen der WHO zum Thema Elektromagnetische Felder (EMF)und Gesundheitsschutz, kritisch kommentiert.

Page 8: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/20108

Instal lation oder demontieren bereits instal l ierte Anla-gen wieder, wie zum Beispiel Hérouvil le-Saint-Clair (F).Auf der anderen Seite ist WLAN-Strahlung heute zu ei-ner der häufigsten Ursachen massiver Schlaf- und Ge-sundheitsprobleme geworden, dies vor al lem wegen derexplosionsartigen Verbreitung von WLAN im häusl ichenBereich.

■ NRK: „Trondheim wurde im vergangenen Jahr zur'Wireless-Stadt'. Zahlreiche Sender gewährleisten dieVerbindung im Stadtzentrum. Menschen begannensich krank zu fühlen. Der Bezirksarzt schlug Alarm. . . . "

■ Jan Waage, Bezirksarzt: „ . . . .weil jetzt viele Gemein-den flächendeckende Drahtlos-Netzwerke in Betrachtziehen, und weil es von anderen Orten Berichte überkrank werdende Menschen gibt. "

■ NRK: „Die Strahlenschutzbehörde sagte, das sei un-schädlich. . . . "

■ Waage: „ . . . . sie verwies auf die international akzeptier-ten Strahlungsgrenzwerte.“

■ NRK: „Die Strahlenschutzbehörde sagt, die Werte inTrondheim seien innerhalb der internationalen Nor-men.“

Krank wegen eines Sendemastes■ Erik Dalgaard: „Wir stehen hier auf einem Hügel über

Oslo neben einem Sendemast für Mobilfunk und ande-re Systeme. Ich lebte und arbeitete während vier Jah-ren neben diesem Mast, und das war die Ursache, dassich ernsthaft krank wurde. – Das erste Symptom warein Ausschlag am ganzen Körper. Und Kopfschmerzen.Manchmal habe ich schreckliches Herzklopfen undSchmerzen in der Brust. Meine Störungen des Zentral-nervensystems machen, dass ich nachts Atembe-schwerden habe. Ich kam nicht darauf, was es war. Niehätte ich den Sender als Ursache vermutet. "

Angestoßen durch konkrete Fäl le mit Gesundheitspro-blemen im Umfeld von Mobilfunksendern ging das nor-wegische Fernsehen NRK im Jahre 2008 der Frage nach,woher die weltweit gültigen Grenzwerte für Mobilfunk-strahlung stammen. Der Dokumentarfi lm

„A Radiant Day“(En strålende dag)

gehört zum Aufschlussreichsten, was auf diesem Gebietbisher produziert wurde. Er erlaubt einen differenziertenEinbl ick in die gegensätzl ichen Welten der verschiede-nen Akteure auf dem Gebiet „Grenzwerte und Gesund-heitsschutz“.

Die Sprache des Films ist norwegisch mit engl ischen Un-tertiteln. Die Aussagen engl isch sprechender Personenhaben keine Untertitel . Der Link zum Film:http://www1.nrk.no/nett-tv/kl ipp/428197

Nachstehend folgen von uns kommentierte Text- undBildausschnitte aus dem Film, ergänzt durch wichtige Er-läuterungen aus anderen Quel len. Die Übersetzung derengl isch gesprochenen Texte und der engl ischen Unter-titel ins Deutsche besorgte die Bürgerwel le. Für denJournal isten, der als Erzähler wirkte und die Interviewsführte, steht das Kürzel „NRK“. Al le Zitate aus dem Filmsind mit ■ gekennzeichnet und kursiv gesetzt.

Wireless-Stadt TrondheimSeit 2006 hat Trondheim (Norwegen) ein öffentl ichesWLAN-Netz, wie manche andere Städte in Europa undin der Welt. Aus einigen dieser Städte sind gesundheitl i-che Probleme infolge der WLAN-Dauerstrahlung be-kannt geworden. In Glastonbury (GB) gelang es denBetroffenen, die Gesundheitsprobleme öffentl ich zu ma-chen. Sebastopol (USA) kündigte einen bereits abge-schlossenen Vertrag für ein stadtweites WLAN-Netz.Auch immer mehr Schulen verzichten auf eine WLAN-

Woher kommen unsere Mobilfunk-Grenzwerte?

II. Die Hauptakteure geben AntwortKommentierte Ausschnitte aus dem NRK-Dokumentarfilm "Ein strahlender Tag"

Page 9: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/2010 9

■ NRK: „Der Job als Hauswart brachte für Erik Dalgaardeine unerwünschte Zugabe: Er lebte neben einer star-ken Antenne. Am Arbeitsplatz hatte er außerdem diegebäudeinterne Basisstation eines Mobilfunknetzes.Die Ärzte konnten sich seine Probleme nicht erklären.– Da schaltete er die Basisstation ab. . . . "

■ Dalgaard: „ . . . . und die Veränderung, die ich am an-dern Tag fühlte, war einfach unglaublich. Da wussteich, dass ich die Ursache meiner Probleme gefundenhatte. – Die Telefongesellschaft nahm mich nicht ernst.Sie schoben es auf alles Mögliche. Sie sagten, meineSymptome kämen wahrscheinlich von einem Zecken-biss oder einer Quecksilbervergiftung verursacht durchZahnamalgamfüllungen.“

■ NRK: „Sein Job verlangt umfassende Sicherheit undVertraulichkeit. Aber jetzt fühlt er sich verpflichtet, auf-zudecken, wie Behörden und Industrie das Problemnicht ernst nehmen.“

■ Dalgaard: „Es überrascht mich, dass Elektrosensibleals völlig verrückt betrachtet werden.“

■ NRK: „Sein Arbeitsplatz wurde von der Telekommuni-kationsbehörde überprüft. Das Strahlungsniveau lagbei weitem innerhalb der von der WHO empfohlenenGrenzwerte. Aber die WHO akzeptiert nicht, wie ge-fährlich das ist. “

Ablösung bei der WHO in Genf:Wird sich etwas ändern?■ Kommentator (Archivaufnahme 1998): „Jeder weiß:

Das wird größere Änderungen bedeuten innerhalb derOrganisation. Der Grund? Die neue GeneraldirektorinGro Harlem Brundtland.“

In die ausgebildete Ärztin und frühere norwegische Mi-nisterpräsidentin wurden offensichtl ich Hoffnungen ge-setzt. Nachstehend ein Ausschnitt aus der Rede, die FrauBrundtland anlässl ich der Annahme ihrer Wahl zurWHO-Generaldirektorin hielt: „Ich sehe die Rolle derWHO so, dass sie die moralische Stimme und technischeFührerin für die Verbesserung der Gesundheit der Men-schen dieser Welt sein soll. “

■ NRK: „Gro Harlem Brundtland ist selber elektrosensi-bel. Sie reagiert aufMobiltelefone.“

Gro Harlem Brundtland war Generaldirektorin der WHOvon 1998 bis 2003. Wegen ihrer Elektrosensibil ität galtin ihrem Büro Handyverbot. In einem Interview von2002 sagte sie: „Leute kamen in mein Büro, die ihr Handyin der Tasche versteckt hatten. Ohne dass ich wusste, obes ein- oder ausgeschaltet war, haben wir meine Reaktio-nen getestet. Ich habe immer reagiert, wenn das Geräteingeschaltet war, niemals wenn es ausgeschaltet war. Sogibt es daran keinen Zweifel. “

Während Frau Brundtlands Amtszeit bei der WHO warMichael Repacholi der Leiter des Internationalen EMF-Projektes der WHO, das von 1996 bis 2008 dauerte. Essei daran erinnert, dass Repachol i Gründungsmitgl iedund Vorsitzender der ICNIRP war. Die ICNIRP hat dieAufgabe, die von der IEEE-ICES vorgeschlagenen EMF-Grenzwerte bei den Staaten weltweit durchzusetzen.

Das Drehteam des norwegischen Fernsehens besuchteRepachol i in Ital ien:

■ NRK: „Man nennt Sie den starken Mann der EMF-Grenzwerte. . . "

■ Repacholi: "Nun. . . ich, ich. . . ich weiß nicht warum. . .Sie wissen ja, ich bin halt schon lange dabei, das ist al-les. Vielleicht bin ich der alte Mann der Grenzwerte.Aber. . . . ich meine. . . ich glaube leidenschaftlich an dieWissenschaft. Für mich gibt es keine Forschungsergeb-nisse, die nachweisen würden, dass es unterhalb dieserGrenzwerte irgendeinen Effekt gibt.“

■ NRK: „Wenn jemand glaubt, Sender würden ihn krankmachen, so löst das bei ihm eine psychische Reaktionaus – behauptet Repacholi. “

■ Repacholi: „Mir scheint, das ist eine psychosomatischeReaktion. Denn wenn man diese Leute hinsetzt und ih-nen die Augen verbindet, und sie haben das Handyhier, können es aber nicht sehen, und man fragt sie: Istdas Handy ein- oder ausgeschaltet? – so ist das Ant-wortergebnis nicht besser, als wenn sie raten würden,ob es an oder aus ist!“

Musste die WHO-Generaldirektorinmachtlos zuschauen?Was konnte Frau Brundtland während ihrer Amtszeit inBezug auf den Schutz vor elektromagnetischer Strah-

Page 10: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/201010

Sitzungen mitzukommen, und sie durften daran teil-nehmen.“

Wie unabhängig von der Industrie ist dieWHO?Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gab es für diebreite Öffentl ichkeit mehrmals Anlass, an der Glaubwür-digkeit der WHO zu zweifeln; denken wir nur an dieGrippe-Pandemiefrage. In der Angelegenheit der Grenz-werte für elektromagnetische Strahlung al lerdings istder Verlust an Glaubwürdigkeit der WHO über begrenz-te Fachkreise hinaus kaum bekannt geworden.

Einzelne Fäl le trugen in Fachkreisen besonders starkzum Glaubwürdigkeitsverlust der WHO bei; in al len warMichael Repachol i Hauptakteur. Dieser beteil igte vor-wiegend die Industrie an der Erarbeitung von WHO-Do-kumenten. Sachkundige Wissenschaftler, Umweltgrup-pen, Arbeitnehmer und Konsumentenvertreter hielt erdavon fern (siehe Kästchen auf der nächsten Seite).

Woher kam das Geld für solche „WHO-Aktivitäten“?Am meisten Aufsehen erregte wohl eine Finanzierungvon Repachol is Tätigkeit durch die Industrie. Es war dieRede von $ 150'000 jährl ich.

■ NRK: „Michael Repacholi sagt, WHO und ICNIRP seienunabhängig. Aber die U.S. Air Force ist in der ICNIRPvertreten. Repacholi wurde kritisiert, er habe die Indus-trie einen Teil seines WHO-Projektes finanzieren las-sen. Ein früherer Arbeitgeber, ein Krankenhaus inAustralien, schleuste das Geld weiter.“

■ Repacholi: „Nun, das Adelaide Hospital sammelte dasGeld, und sie sagten uns, woher das Geld kam.

■ NRK: „Geld von der Industrie?“

■ Repacholi: „O ja, o ja. . . “

■ NRK: „Ist das OK?“

■ Repacholi: „Die WHO wusste es, aber es ging nur un-ter der Bedingung, dass das Geld für die WHO verwen-det wurde. Sie hatten keinen Einfluss darauf, wie dasGeld ausgegeben wurde, oder auf eines der Komitees.Nur so konnte das erlaubt werden.“

■ NRK: „Einige sagen, das schaffe Ihnen ein Glaubwür-digkeitsproblem.“

■ Repacholi: „Mag sein, dass sie das sagen. Aber bei derWHO muss man die Regeln beachten. . . und. . . ich binWissenschaftler. . . und. . . wenn ich mit jemandes Mei-nung nicht einverstanden bin, dann sage ich meine ei-gene Meinung. Und ich lasse mich nicht durch eineInteressengruppe beeinflussen, welche meint, die Wis-senschaft müsse anders interpretiert werden.“

■ NRK: „Könnte man es eben doch als ein Glaubwürdig-keitsproblem sehen. . . ?

■ Repacholi: „Irgend jemand wird das immer so sehen,da kann ich sagen, was ich will. Aber für mich war dasnie ein Problem. Ich wollte ganz einfach die Wahrheitherausfinden.“

lung erreichen, wenn jemand wie Michael Repachol i dasEMF-Projekt der WHO leitete?

■ NRK: "Unter Gro Harlem Brundtland debattierte dieWHO darüber, ob die ICNIRP-Grenzwerte von 1998tauglich seien. Michael Repacholi leitete das Projekt. Ermusste nachprüfen, ob seine eigenen Empfehlungenetwas taugten. . . "

■ Repacholi: „Gro Harlem Brundtland war besonders in-teressiert am EMF-Projekt. Sie wollte genau wissen waswir taten und wie wir unsere Informationen bewerte-ten, und sie wollte wissen, was dabei herauskam.“

■ NRK: „War sie besorgter über gesundheitliche Effekte?

■ Repacholi: „Sie war offensichtlich besorgter über ge-sundheitliche Effekte, als wir es waren oder als dieWissenschaft es angab. . . “

■ NRK: „Hatte sie damit recht?“

■ Repacholi: „Ich glaube nicht dass sie die Wissenschaftauf dem Gebiet der elektromagnetischen Felder wirk-lich so genau verstand. . . . . würde ich annehmen. . . . . “[lächelt ironisch]

■ NRK: "So siegte also Repacholi in den Auseinanderset-zungen bei der WHO. Gro Harlem Brundtland's Be-sorgnisse reichten nicht aus, um neue Grenzwerte zuschaffen. Welches waren die Gesichtspunkte? – Repa-choli hatte viele Kontakte, auch in die USA, wo dieStreitkräfte hohe Grenzwerte wollen. "

■ Repacholi: „Bei der WHO erlaubten wir einem ansäßi-gen Vertreter und jemandem vom US-Militär, an die

Page 11: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/2010 11

der Industriekonzerne sowie der Exponenten des eta-bl ierten Wissenschaftsbetriebes auf dem Gebiet der Er-forschung schädl icher Auswirkungen elektromagneti-scher Felder.

Eine solche Grundhaltung kann man fast in al len Wis-senschaftszweigen beobachten, vor al lem in denjenigen,wo die Industrie großen Einfluss hat. Die etabl ierte, uni-versitäre Wissenschaft sieht sich selbst als die oberste,maßgebl iche Instanz in der Beurteilung al ler Fragen, dievon Pol itik und Bürgern gestel l t werden. Dies gilt geradeauch dort, wo es um Gesundheitsrisiken geht. Was öf-fentl ich als „Die Wissenschaft“ wahrgenommen wird, istalso meist nichts anderes als die jeweils vorherrschendeMeinung im betreffenden Wissenschaftszweig. DieseMeinung kann vom interessierten Industriezweig mani-pul iert sein, ohne dass die Mehrheit der Forscher diesdurchschaut. Wie entstand und entsteht dieser soge-nannte "Konsens" im Fal l der EMF-Risikoforschung?

Der unabhängige Wissenschaftler und prominenteICNIRP-Kritiker Neil Cherry hat es in einem Bericht von2002 in Bezug auf die Auswirkungen der EMF sehr tref-fend charakterisiert. Er bringt eine Analogie zu denSpielregeln im Sport und zeigt, wie die ICNIRP bei ihrer

Dieser Fal l der Finanzierung durch die Industrie warf un-ter Fachleuten hohe Wel len. Eine Onl ine-Petition für dieAbsetzung Repachol is von seinem Posten bei der WHOwurde mit einigen hundert Unterschriften eingereicht.Aus Besorgnis um die Industrienähe der Verantwortl i-chen gingen 2005 und 2006 Offene Briefe von Wissen-schaftlern und Betroffenenorganisationen an denjeweil igen WHO-Generaldirektor.

Am 11. Jul i 2006 beendete Repachol i seine Tätigkeit beider WHO und wurde Industrieberater. Sein erster Jobwar eine Beratung der Elektrizitätsindustrie des US-Staa-tes Connecticut, wie sie sich wehren könnte gegen dieEinführung von Grenzwerten für niederfrequente Ma-gnetfelder, die viel tiefer waren als die vom IEEE und derICNIRP empfohlenen Grenzwerte.

Was darf als wissenschaftlich gelten?Charakteristisch für Repachol i ist sein Beharren darauf,dass er selbst die wahre Wissenschaft [sound science]vertrete, seine Kritiker aber die Wissenschaft nach Bel ie-ben interpretieren würden. Dies ist auch die Grundhal-tung der meisten Vertreter der IEEE, ICNIRP und WHO,

Zum Glaubwürdigkeitsverlust der WHODie nachfolgende Zusammenfassung von Beispielen überdie Tätigkeit des ICNIRP-Mitgl iedes Michael Repachol ibei der WHO stützt sich vor al lem auf die Insider-Websitewww.microwavenews.com des unabhängigen ForschersLouis Slesin.

An einem WHO-Workshop vom Februar 2003 in Luxem-burg wurde ein WHO-Entwurfspapier aus der Gruppe Re-pachol is über die Notwendigkeit der Einführung desVorsorgeprinzips eingehend diskutiert. Für viele der betei-l igten Wissenschaftler war klar: Jetzt müssen griffige Vor-sorgemaßnahmen her. Wir erinnern an die Definition derEU-Kommission aus dem Jahr 2000: „Das Vorsorgeprinzipist anzuwenden, wenn wissenschaftliche Beweise ungenü-gend, nicht schlüssig oder unsicher sind und gemäß einervorläufigen wissenschaftlichen Risikobewertung begründe-ter Anlass zur Besorgnis besteht.“ Dieser Anlass zur Be-sorgnis besteht in Bezug auf die elektromagnetischenFelder längst in hohem Maße. Doch kaum drei Monatenach dem Luxemburger Workshop buchstabierte dieWHO wieder zurück. Nichts mehr geschah in dieser Sa-che. Hatte die Industrie eingegriffen?

Der nächste Schritt war die Planung eines Workshops inOttawa im Jul i 2005. Ein pol itisches WHO-Rahmenpro-gramm, ausgearbeitet von Michael Repachol i , sol l te prä-sentiert werden. Microwave News kritisierte: „Das nennenwir eine Täuschung. Mike's Zusammenstellung ist eine Lis-te von Gründen um nichts zu tun. Elektrizitäts- und Tele-komgesellschaften hätten dieses Papier verfasst habenkönnen.“ Am Workshop sei ausschl ießl ich die Industriepräsent, daneben ein paar Akademiker, Risikoberater undWHO-Kumpel . Es fehlten völ l ig die Arbeitnehmer, die Kon-sumenten und die Umweltgruppen (außer einer einzigenunbedeutenden Gruppe). Thema seien vorwiegend Kl ima-

wandel , Rinderwahnsinn und Grippepandemie. Die Bot-schaft Repachol is sei klar: „Sorgt euch nicht wegen eineskleinen – und unwahrscheinlichen – EMF-Gesundheitsrisi-kos, wenn am Horizont wichtigere Bedrohungen aufschei-nen“, so Microwave News.

Ein weiterer Fal l , der in Fachkreisen Wel len schlug: Esging um den Grenzwert für niederfrequente Magnetfel-der z.B. von Hochspannungsleitungen. Zur Sitzung derWHO-Arbeitsgruppe (die zur Hälfte aus ICNIRP-Mitgl ie-dern oder -Experten bestand) in Genf vom 3. Oktober2005 lud Repachol i 8 Vertreter der Elektrizitätsindustrieals einzige externe Beobachter. Mit dem Thema primärvertraute Forscher wussten nichts von der Sitzung; diePresse war ausgeschlossen. – Kommentar von MicrowaveNews: „Es war höchst unüblich, ja beispiellos, dass einWHO-Gesundheitsdokument von derart Vielen mit derartstarken Verbindungen zur betroffenen Industrie überprüftwurde.“ – Kommentar in einem wissenschaftl ichen Artikelüber diesen Fal l von Don Maisch: „Eine derart eklatanteMissachtung der grundlegenden Prinzipien einer glaub-würdigen Wissenschaft wie auch der Aufgabe der WHO,die Weltgesundheit zu schützen, entspringt dem despera-ten Bestreben, die unabhängige Wissenschaft um jedenPreis zu begraben, selbst wenn dieser Preis die Unbe-scholtenheit der WHO ist.“

Ein weiteres Detail , das Licht in dunkle Ecken wirft: KeithBaverstock, ehemal iger Mitarbeiter Repachol is bei derWHO, sagte, dass dieser acht renommierte [peer review-ed] Studien über Krebs durch abgereichertes Uran (wirerinnern uns: im Balkankrieg und im Irak eingesetzte Ge-schoße) unterschlagen habe. In einem BBC-Radiointer-view hatte Repachol i , der auch mit ionisierenderStrahlung zu tun hatte, diese Studien als „Märchenzeugs“bezeichnet.

Page 12: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/201012

dritter von rechts, sitzend). Osepchuk ist noch heute inden Normenkomitees der IEEE aktiv.

Bewertung vorhandener wissenschaftl icher Studien dieRegeln, nach denen zu verfahren sei, selber so festlegt,dass das Ergebnis der Studien in ihre Absichten passt.So werden "positive" Studien, das heißt solche, dieeinen Effekt zeigen, zu "negativen" Studien, die ergeb-nislos waren (siehe untenstehendes Kästchen) .

Ein Mikrowellen-Begeisterter der erstenStundeDas NRK-Filmteam wollte die Wurzeln des westl ichenMikrowel len-Grenzwertes, welcher durch die Grenzwert-empfehlungen der ICNIRP und WHO bis heute verhäng-nisvol l weiterwirkt, am Ort des Geschehens in den USAselbst aufsuchen.

Als erstes besuchten sie das IEEE-Mitgl ied John Osep-chuk, der in Fachkreisen als „Chefarchitekt“ des erstenUS-Grenzwertes von 1966 gilt (auf der Archivaufnahme

Die ICNIRP spielt ein Spiel, dessen Regelnsie selber erfindetDer Wissenschaftler Neil Cherry schrieb in seinem Be-richt "Criticism of the health assessment in the ICNIRPguidelines for radiofrequency and microwave radiation(100 kHz - 300 GHz)" vom 21. September 2002:

„Die ICNIRP hält verbissen an der thermischen Sichtweisefest und weist jede Infragestellung ab, und sei diese nochso stark untermauert. Bei jeder anderen potentiellenKrankheitsursache stützt sich die Erarbeitung von Grenz-werten am stärksten auf die Epidemiologie [= statistischausgewertete Datenerhebungen an Menschengruppen].Die ICNIRP jedoch lehnt alles epidemiologische Beweisma-terial ab. Zwei sehr weit voneinander entfernte Ansätze!Ein Satz kommt einem in den Sinn: 'Sie scheinen ihr eige-nes Spiel zu spielen und im Weiterspielen die Regeln zu er-finden. ' Diese Analogie erscheint hilfreich: Die beidenAnsätze sind zwei verschiedene Spiele.

Die ICNIRP spielt ihr eigenes Spiel und stellt ihre eigenenRegeln auf. Es ist das Spiel, das die nationalen Behördenspielen und sich dabei sehr wohl fühlen. Der Name desSpiels ist 'Wissenschaftlicher Konsens'. Beteiligt ist nurein ziemlich kleines und erlesenes Team aus nationalenExperten, die von nationalen Behörden stammen, welchedie ICNIRP-Spielregeln anerkennen.

Im ICNIRP-Spiel heißt die erste Regel, dass elektromagne-tische Strahlung nur den Effekt einer Gewebeerwärmunghaben kann. Daraus folgt im ICNIRP-Spiel, dass alle ande-ren biologischen Effekte nicht real sind; jede epidemiologi-sche Studie, die einen Effekt infolge nicht-thermischerExposition zeigt, muss daher fehlerhaft sein und wird ab-gelehnt. Anders gesagt, wer diese Regel verletzt, fällt ausdem Spiel.

In diesem Spiel kann man die Regeln ändern: Wann istein Ergebnis signifikant; was gilt als Beweismaterial; nachwelchen Kriterien wird ein biologischer Effekt als solcherfestgestellt. In diesem Spiel ist eine Studie erst dann be-weiskräftig, wenn sie exakt wiederholt wurde. Man stellt

13 Kriterien auf, die ein Experiment erfüllen muss, umverlässlich zu sein, z.B. Meltz (1933). Wenn dann auchnur eines der Kriterien verletzt wird, kann man das Stu-dienergebnis ablehnen. In ähnlicher Weise benutzt dasICNIRP-Team die Bradford-Hill-Kriterien (1965), um epi-demiologische Studien zu kritisieren. Ein einziger Kritik-punkt, ob stichhaltig oder nicht, reicht aus, um die ganzeStudie abzulehnen.“

An anderer Stel le betont Cherry, dass man bei Bradford-Hill eigentl ich nicht von Kriterien, sondern von Gesichts-punkten sprechen müsste. Diese werden durch die IC-NIRP missbraucht, da sie sie als starre Kriterien einsetzt.

Auch andere Wissenschaftler entlarven dieMethoden der ICNIRP.Der Austral ier Don Maisch untersucht in seinem Artikel"The ICNIRP Guidel ines: RF risk assessment built on ahouse of cards" die Bewertungspraktiken der ICNIRP de-tail l iert an Beispielen und schreibt: "Ein derartiger Gradan Voreingenommenheit und Irrtum ist unentschuldbarbei einer internationalen Gruppe, die mit der Durchfüh-rung bestmöglicher Risikobewertungen auf höchstemNiveau betraut ist. (. . . ) Die verschiedenen nationalen Gre-mien zur Erarbeitung von Strahlungsnormen, die sich aufdie ICNIRP-Richtlinien stützen, haben versucht, die feh-lerhaften Risikobewertungen der ICNIRP mit einer Auravon Experten-Unfehlbarkeit zu umgeben, die keinerlei öf-fentliche Kritik am Entscheidungsprozesses zulässt – einProzess, der weitgehend den Gesichtspunkt der für dieStrahlung Verantwortlichen und nicht denjenigen der Be-strahlten vertritt. "

Der Forscher Franz Adlkofer schreibt in Heft 4 der Kom-petenzinitiative e.V. "Warum Grenzwerte schädigen, nichtschützen – aber aufrechterhalten werden": "Die ICNIRPnimmt für sich das Recht in Anspruch, zwischen guterund schlechter Forschung zu entscheiden – und gutscheint ihr alles, was keine Gefährdung von Mensch undUmwelt annimmt. Aber auch die ICNIRP wird sich derlängst fälligen Revision der Grenzwerte nicht auf Dauerwidersetzen können. "

Page 13: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/2010 13

men über Elektrizität, Hochspannungsleitungen und sofort. Die ICNIRP hat diese Konzepte übernommen.“

■ NRK: „Osepchuk half die ersten Grenzwertempfehlun-gen des IEEE für elektromagnetische Strahlung festzu-legen. Wir entschlossen uns, am Jahrestreffen ihresKomitees teilzunehmen.“ .… [gezeigt wird die Ankunftin San Diego, Kal ifornien, an einem strahlenden Tag]. . . . „Wir würden nun bald den mächtigsten Akteurenauf dem Gebiet des Strahlungsschutzes begegnen.“

Internationale Strahlungsgrenzwerte:Im Zentrum des Geschehens bei denHauptakteurenIn San Diego fand vom 6.-8. Juni 2008 die Jahresver-sammlung des IEEE-ICES-Normenkomitees TC-95 statt.Dieses Komitee ist zuständig für die EMF-Grenzwert-Empfehlungen. Der Elektroingenieur Ron Peterson, alsaltgedientes IEEE-ICES-Mitgl ied dort schon länger in lei-tenden Funktionen tätig, hatte zur Versammlung einge-laden. Peterson ist einer der ersten Träger des 2010 neugeschaffenen Edison-Preises, der von der IEC (Internatio-nal Electrotechnical Commission) für besondere Ver-dienste um die Sicherheit elektrotechnischer Produkteverl iehen wird.

■ Ron Peterson: „Als erstes schauen wir uns die gesam-te wissenschaftliche Literatur an, die relevanten Studi-en. Und wir haben Experten, die die Studien beurteilenund zu einem Schluss kommen, ob sie für die Gesund-heit relevant sind oder nicht.“

■ NRK: „Es braucht viel, bis die IEEE besorgt ist. Man kri-tisiert sie dafür, dass sie Studien, welche Effekte auf dieGesundheit zeigen, ignoriert habe. Im Jahr 2006 befür-wortete sie eine Erhöhung [! ] des empfohlenen Grenz-wertes für Mobiltelefone. Zur selben Zeit 'explodierte'die Benutzung von Mobiltelefonen.“

■ Peterson: „Ich sehe keinen Grund, warum man vorMobiltelefonen oder Sendemasten Angst haben sollte,vorausgesetzt, die ICNIRP-Empfehlungen oder IEEE-Grenzwerte werden eingehalten. . .

■ NRK: „Dann gibt es also keinen Grund, Angst zu ha-ben. . . “

■ Peterson: „Ich kenne keinen stichhaltigen Grund,nein. . . “ – „Ich arbeitete für Bell Labs [gehört heute zuAlcatel-Lucent, früher zu AT&T; im Film irrtümlich als

NRK: „Die USA waren Pioniere bezüglich Strahlungs-normen. Normen, die heute immer noch Auswirkun-gen haben. Aber wer legte sie fest? – Während desKalten Krieges strebten die USA nach den technologi-schen Grenzen. Viele Systeme benutzten Mikrowellen.John Osepchuk war Radarexperte für die Streitkräfte.Als großer Fan für Mikrowellen trat er später zur Pri-vatwirtschaft über. John Osepchuk hat bei der Ent-scheidung mitgewirkt, was als gefährliche Strahlung zubetrachten ist. – Wir besuchten den 84 Jahre altenOsepchuk in seinem Heim außerhalb Boston.“

■ Osepchuk [in seinem Labor]: „Sehen Sie diesen hölzer-nen Stuhl? Niemand hat je nachgewiesen, dass dieserStuhl absolut sicher ist. Nichts auf der Welt wurde jeals absolut unschädlich bewiesen. . . [fährt ein medizini-sches Gerät heran]. . . "

■ NRK: „Was ist denn das?“

■ Osepchuk: „Das ist ein Diathermiegerät. Wenn ich daseinschalte, kann ich 100 Watt Mikrowellenleistung undmehr herauskriegen, und meine Frau kann es an ihreSchulter halten. Sie braucht sich bloß hinzusetzen, unddas hilft Prellungen heilen, Schmerzen lindern. . . Das istein Beispiel dafür, dass Millionen Menschen Mikrowel-len-Diathermiebehandlungen hatten bei Leistungenvon mindestens 100-mal mehr als ein Mobiltelefonaussendet.“

Im Verlauf des Gesprächs erfährt man, dass John Osep-chuk den Mikrowel lenofen entwickeln half, als er bei derFirma Raytheon arbeitete. [Anmerkung: Raytheon bautheute auch „nichttödl iche“ Mikrowel lenwaffen.] Außer-dem träumt er von der Entwicklung einer Mikrowel len-heizung, mit der Personen energiesparend direkterwärmt werden können, ohne dass man den Raum alsGanzes aufheizen muss.

■ NRK: „Ist das nicht gefährlich?“

■ Osepchuk: „Ja sehen Sie, das ist jetzt gerade derGrund, warum das nicht akzeptiert wird, weil die LeuteMikrowellen als gefährlich betrachten.“

■ NRK: „Osepchuk begann an den Strahlungsgrenzwer-ten in den 1950-er Jahren zu arbeiten – bei der IEEE,deren Empfehlungen diejenigen der ICNIRP beeinfluss-ten – und die WHO und die Normen, die Norwegenheute befolgt.“

■ Osepchuk: „Die IEEE entwickelt viele, viele, viele Nor-

Page 14: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/201014

ge ich nur dazu bei, dass alles wissenschaftlich korrektgeschieht.“

■ NRK: „Könnte es nicht ein Problem sein, dass so vieleLeute mit kommerziellen Interessen in Ihrer Gruppesitzen?“

■ Chou: „Ich weiß gar nicht, warum man das immersagt. Sehen Sie, wir als Firma wollen, dass unsere Kun-den lang und zufrieden leben, um unsere Produkte zubenutzen. Wir wollen niemanden schädigen!“

■ NRK: „Sie wollen Geld verdienen. . . “

■ Chou: „Oh, natürlich ist es kommerziell, aber das istnicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist die Sicherheitder Kunden. Das ist mein Job.“

Einbl ick in die Motive der Grenzwertsetzung durch dieIEEE-ICES gab auch das Interview mit John DeFrank vomUS-Verteidigungsministerium.

■ DeFrank: „Ich wüsste nicht, warum diese Energieschädlich sein sollte. Schließlich benutzt jeder einenMikrowellenofen.“

■ NRK: „Warum sind die Sicherheitsbehörden an EMF-Grenzwerten interessiert? Wieder haben China, Russ-land und einige andere Länder strengere Grenzwerteals der Westen. Aber die NATO-Staaten haben fastidentische EMF-Grenzwerte.“

CIA: Aus strategischen und wirtschaftli-chen Gründen keine Senkung der Grenz-werte möglich■ NRK: „Die Archive der National Security Agency ent-

halten ein Dokument des Nachrichtendienstes von1977 betreffend sowjetische Forschungsresultate: Nied-rigintensive elektromagnetische Strahlung könnteschädlicher sein als bisher angenommen. In dem Me-morandum warnt CIA-Direktor George Bush seniorden Präsidenten Jimmy Carter, dass die Berücksichti-

gung gesundheitlicher Bedenken ökonomische undstrategische Konsequenzen hätte.“

Zurück zum IEEE-Jahrestreffen in San Diego:

■ NRK: „Das Militär ist ein wichtiger Akteur in der IEEE.

Bel l Hel icopter bezeichnet] während 40 Jahren, undich war im [IEEE-] Komitee, damit sie wussten, was inden Normenkomitees geschah (. . . ) und ich denke esging meinem Arbeitgeber darum, zu wissen: Ist da et-was, das in nächster Zeit auf uns zukommen wird undunser Produkt beeinflussen könnte. Das wollen wirwissen, bevor es soweit ist. Niemand hat mir je gesagt,wie ich mich zu den Normen zu stellen hätte, und ichdenke, das gilt für fast jedermann in diesem Raum.“

■ NRK: „Dann gibt es für Sie also kein Glaubwürdig-keitsproblem?“

■ Peterson: „Ich denke nicht. Andere mögen es als einsolches wahrnehmen, aber von all den Leuten, die ichkenne und mit denen ich täglich zu tun habe in all die-sen Komitees, vertraue ich bestimmt jedem von ihnen.“

Mitgl ieder des IEEE-ICES-Komitees kommen von derU.S. Air Force und U.S. Army sowie von den Telekommu-nikationskonzernen Motorola, Siemens, Nokia, Alcatel-Lucent, France Télécom.

Als nächsten interviewte der NRK-Journal ist C.K.Chou,den gegenwärtigen Vorsitzenden des TC95-Normenko-mitees. Chou arbeitet beim Telekommunikationskon-zern Motorola.

■ NRK: „Einige Leute fragen, wie ein Motorola-Mann da-zu kommt, Grenzwerte festzusetzen. . . “

■ Chou: „Die setze nicht ich fest! Als Wissenschaftler tra-

Page 15: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/2010 15

Strahlenschutzbehörden im Widerspruchmit sich selbstDas folgende Interview wäre wohl mit jeder Vertreterin,mit jedem Vertreter irgend einer staatl ichen Strahlen-schutzbehörde ähnl ich herausgekommen. Nur wärenviel leicht die persönl ichen Empfindungen der interview-ten Person ob ihrer vertrackten Lage nicht in jedem Fal lderart offensichtl ich geworden wie bei Merete Hannevik(dazu muss man den Film sehen).

Zum einen müssen diese Beamten strikt das IEEE-IC-NIRP-WHO-Dogma der ausschl ießl ich thermischen Aus-wirkungen vertreten. Andernfal ls wären sie baldentlassen. Sie müssen steif und fest behaupten, unter-halb der Grenzwerte gebe es keine Gesundheitsschäden.Zum andern haben viele von ihnen schon Hunderte vonKlage- und Protestbriefen und -anrufen von EMF-Be-troffenen ihres Landes erhalten. Sie wissen, was in derPraxis vorgeht, aber dieses Wissen verdrängen sie, umdem Gewissenskonfl ikt auszuweichen – eine unwürdigeSituation.

Vorsichtig beginnen die Strahlenschutz- und Gesund-heitsbehörden auf ihren Internet-Seiten Ratschläge fürdie "vorsorgl iche" Vermeidung der (al lerschl immsten)Strahlungbelastung zu verbreiten.

■ Hannevik: „Es gibt keinen wissenschaftlichen Grundanzunehmen, es sei schädlich für die menschliche Ge-sundheit. “

■ NRK: „Aber die Strahlenschutzbehörde ist unter Druck.Sie stellt jetzt Vorsorgemaßnahmen auf ihre Homepa-ge. – (zu Frau Hannevik:) Dann geben Sie also zu, dasses eben doch gefährlich sein könnte?“

■ Hannevik: „NEIN! Überhaupt nicht! Die Forschunghat bis jetzt keinerlei Beweise für Gesundheitsschädi-gungen geliefert. Aber wir sind uns bewusst, dass aufdiesem Gebiet noch Forschung notwendig ist. Die Zu-kunft wird neue Erkenntnisse bringen.“

■ NRK: „Die Behörden bleiben unsicher. Unterdessenwerden weltweit immer mehr drahtlose Netze errich-tet. Etwa die Hälfte der Wissenschaftler glaubt, diesekönnten ein Gesundheitsrisiko darstellen. Andere inder Industrie und im Militär sagen, es gebe keine ne-gativen Auswirkungen auf die Gesundheit.

Der frühere Vorsitzende der ICES war Michael Murphyvon der U.S. Air Force. Das amerikanische Militär be-nutzt eine Menge Übermittlungsgeräte für die Zweckeder Luftwaffe, Marine und Landarmee. . . . “

■ DeFrank: „ . . . .Funk, Radar, alle möglichen Mittel, undeiniges an spezialisierter Forschungsausrüstung. . . ein

ziemlich breites Spektrum von Einsatzmitteln, die wirda draußen benutzen müssen.

■ NRK: „Der moderne Soldat ist ständig der elektromag-netischen Strahlung ausgesetzt. EMF-Strahlungsquel-len werden in der Übung und im Kampf eingesetzt. Sie[die Mil itärvertreter] gestehen ein, dass strengereGrenzwerte einen Einfluss auf die Kampfhandlungenhätten.“

■ DeFrank: „Wann immer man einen Expositionsgrenz-wert senkt – falls man das denn tun wollte – so hätteman die Einwirkung der zusätzlichen Strahlungsquel-len aus den Siedlungsgebieten auf unsere eigenenQuellen, und dann müsste man all die Quellen, dieman heute dort draußen hat, neu überprüfen.

■ NRK: „Die Streitkräfte sind bei der Festlegung derGrenzwerte beteiligt. Und sie glauben nicht, dass dasein Problem ist.

■ DeFrank: „Die IEEE-Mitglieder und die, welche zu die-ser Gruppe gehören, haben einen Ethikkodex, an densie sich halten sollten. Man erwartet von uns, dass wiruns daran halten. Wir haben eine ethische Verpflich-tung, das Richtige zu tun. Nicht unbedingt, was popu-lär ist, oder was die Firma vorschreibt. Die Leute, diehier sind, wollen ehrlich das Richtige tun. Wir wollendie Menschen schützen.“

Eine Zusatzinformation: Dass die Festsetzung vonGrenzwerten eine eminent (mil itär-)pol itische Sache ist,i l lustriert auch das folgende Beispiel . Eine interne Fach-gruppe der EPA (Amt für Umweltschutz der USA) emp-fahl im Jahr 1990, dass niederfrequente Magnetfelderals "wahrscheinlich krebsfördernd" und hochfrequenteStrahlung als "möglicherweise krebsfördernd" klassifiziertwerden sol lten. Auf Druck des Weissen Hauses unterBush änderten die EPA-Beamten ihre Schlussfolgerun-gen, und die Klassifikation wurde durch die EPA nie offi-ziel l bestätigt [Sibbison, 1990] . Die Begründung dafürentsprach dem in solchen Fäl len übl ichen "Wir wol lendie Öffentl ichkeit nicht erschrecken".

Page 16: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/201016

Nationale Behörden wissen, was sie tun1998 wurden den nationalen Umwelt- und Gesundheits-behörden Grenzwertvorschläge präsentiert, die das Ge-wand der WHO und der vermeintl ich ebenso offiziel lenICNIRP trugen. Doch in diesem Gewand verborgensteckten das Mil itär und die Industriekonzerne. Daswussten zunächst viel leicht nicht al le Beamten. Zumin-dest das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz indes-sen wusste es.

1999 übergaben einige Ärzte, Wissenschaftler, Vertretervon Betroffenenorganisationen und Baubiologen demdeutschen Umweltminister Jürgen Trittin eine Resoluti-on. Darin verlangten sie, nebst anderen Vorsorgeforde-rungen, einen 10-mil l ionenfach tieferen Grenzwert fürgepulste Mobilfunkstrahlung im Wachbereich. ImSchlafbereich sol lte er um den Faktor 1 Mil l iarde tiefersein (in Volt pro Meter: ca. 3'000-fach beziehungsweise30'000-fach tiefer). Denn schon damals l itten viele emp-findl iche Menschen unter der Mobilfunkstrahlung.

Die Behörden wussten also, was sie taten, als sie dieWHO-ICNIRP-Grenzwerte per Verordnung festschrie-ben, oder sie hätten es wissen können. Aufschlussreichist die sarkastische Äußerung des Schweizer Umweltmi-nisters Moritz Leuenberger in einem Vortrag vom26.06.2004 über den Widerstand der Industrielobby ge-gen seine Bemühungen um einen tieferen Grenzwert beider Grenzwertsetzung von 1999: „Die Nachhaltigkeitwird in der Theorie stets begrüßt und von niemandem be-stritten. Die Umsetzung einer nachhaltigen Politik hat esda schon schwerer und stößt regelmäßig auf Kritik. (. . . . . )So wurde verlangt, dass wir eine NIS-Verordnung (alsodie Handy-Antennen-Regelung) so zu formulieren hätten,dass sich die Fernmeldegesellschaft frei entwickeln könne.Je mehr Elektrosmog, desto verwirrter seien die Leute unddesto mehr würden sie das Handy benutzen; das sei ge-sund, mindestens für die Telekommunikationswirtschaft.“

Einem Brief Moritz Leuenbergers (siehe Kästchen links)kann man entnehmen, dass er den hundertmal tieferenSchweizer Anlagegrenzwert (in V/m zehnmal tiefer) ge-gen den Widerstand der Wirtschaft und der von dieserbeeinflussten wissenschaftl ichen Mehrheitsmeinungdurchsetzen musste. Damit ist auch klar, dass eine nochstärkere Senkung nicht durchsetzbar war.

Die notwendige Forderung nach tieferenMobilfunk-Grenzwerten: abgeblocktNoch immer vertreten Mil itär, Industrie, WHO und dienationalen Behörden in al ler Welt das Dogma „Es gibtnur thermische Wirkungen“ als geschlossener Block.Noch zerschel lte bisher jede Anstrengung, die Grenz-werte zu senken, an den Mauern dieser Festung. Dassdiese Mauern auf einer bewussten Verfälschung deswahren Wissensstandes basieren, dringt nicht bis an dieÖffentl ichkeit. Das Schlagwort „Gesundheitliche Auswir-kungen von EMF sind wissenschaftlich nicht erwiesen“ istzur Standardformel der Massenmedien geworden undtut seine Wirkung in der Bevölkerung: "Nicht bewiesen"tönt einem tägl ich von Menschen entgegen, die Angsthaben, sie müssten ihre bequemen und faszinierendenstrahlenden Dinger wieder hergeben...

Schweizerische EidgenossenschaftDer Bundespräsident

Bern, 02. Februar 2006

Sehr geehrter Herr Schlegel

Besten Dank für Ihr engagiertes Schreiben vom 9.Dezember 2005, in dem Sie das Zustandekommen derNIS-Verordnung kritisieren und mich auffordern, denSchutz der Bevölkerung vor Elektrosmog zu verbessern.

Zunächst möchte ich präzisieren, wie der Abschnitt ausmeiner Rede vom 26. Juni 2004, den Sie in Ihrem Briefzitieren, gemeint war. Darin heisst es sinngemäss, dieWirtschaft habe sich für eine schlanke NIS-Verordnungmit möglichst wenig Einschränkungen stark gemacht.Diese Aussage entspricht der Realität; nicht zutreffend isthingegen die Vermutung, mein Departement oder derBundesrat hätten dem Druck aus der Wirtschaft einfachnachgegeben. Wäre dies der Fall gewesen, hätten wirheute eine NIS-Verordnung ohne Vorsorgemassnahmenund ohne die im internationalen Vergleich strengenAnlagegrenzwerte.

Dass die geltende Vorsorgeregelung vielen Menschen indiesem Land zu wenig weit geht, ist mir bekannt. InAnbetracht der – je nach Standpunkt – unterschiedlichenBewertung von wissenschaftlichen Fakten und Alltags-erfahrungen im Zusammenhang mit Elektrosmog ist diesnicht weiter erstaunlich. Auch wenn über dieGesundheitsrisiken des Elektrosmogs noch zahlreicheUnklarheiten bestehen, so gibt es dennoch eine wissen-schaftliche Mehrheitsmeinung, an die ich mich imZweifelsfall halten muss.

Ich danke Ihnen für Ihren Einsatz zugunsten vonMenschen, die sich durch Elektrosmog beeinträchtigtfühlen, und möchte Sie gleichzeitig ermuntern, dabei alledenkbaren Einflussfaktoren – und nicht nur den Elektro-smog – in Betracht zu ziehen.

Freundliche Grüsse

gez. Moritz Leuenberger

Woher kommen unsere Mobilfunk-Grenzwerte?

III. Da stehen wir jetzt. Wie kommen wir zu einemwirklichen Gesundheitsschutz?

Page 17: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/2010 17

Mehr und bessere Forschung!Risikoforschung war gegenüber der Grundlagen- undEntwicklungsforschung schon immer ein Stiefkind.Neuere Studien zeigen außerdem, dass die Risikofor-schungsergebnisse sehr häufig von der Finanzierungs-quel le abhängen. Die Industrie tut al les Erdenkl iche,damit eine Schädl ichkeit ihrer Produkte nicht öffentl ichbekannt wird. Konzerne schrecken nicht davor zurück,wissentl ich ganze Menschheitsgenerationen mit Produk-ten gesundheitl ich zu belasten.

Dabei gibt es auf dem Gebiet der EMF-Risiken viele Stu-dien, die in der Gesamtschau zu größten Bedenken überdie Nebenwirkungen der Elektrizität Anlass geben. Unddiese Gesamtschau muss geleistet werden; sie al lein er-fül l t die Forderung nach wahrer Wissenschaftl ichkeit.Das von der Industrie geübte Gegeneinander-Aufrechnenvon positiven und negativen Einzelstudien ist im höchs-ten Maße unwissenschaftl ich.

Experimentelle Forschung: Zahlreiche Studien gibt esaus der experimentellen Forschung im Labor. Diese trägtMosaikstein um Mosaikstein zu einem dereinst al lge-mein anerkannten Model l der EMF-Auswirkungen in denmenschl ichen Zel len bei. Ist aber davon ein baldigerDurchbruch in der Anerkennung der Gesundheitsschäd-l ichkeit der EMF zu erwarten? Pol itiker und Richter kön-nen die Studienergebnisse nicht direkt verwerten.Solange also die Mehrheitsmeinung innerhalb des Wis-senschaftbetriebes nicht auf ein anerkanntes Wirkungs-model l einschwenkt, passiert – nichts! Und die Industriekann für sie gefährl iche Studien diskreditieren und soden Anerkennungsprozess verzögern, wie es kürzl ich ander Medizinischen Universität Wien geschah.

Epidemiologische Studien: Epidemiologische For-schung, das heißt die statistische Verwertung von in derPraxis erhobenen Daten, könnte einiges beitragen –nicht zum strengen Nachweis eines Ursache-Wirkungs-Zusammenhanges, aber zur Steigerung der Evidenz alsGrundlage für griffige Vorsorgemaßnahmen. Wäre die€ 19 Mio. schwere INTERPHONE-Studie (2000-2004;publ iziert 2010) zu "Handy und Hirntumor" wissen-schaftl ich korrekt entworfen und durchgeführt worden,so hätten ihre Resultate ein derartiges Aufsehen erregt,dass Vorsorgemaßnahmen oder wenigstens eine Sensi-bil isierung der Bevölkerung nicht ausgebl ieben wären.Doch das fehlerhafte Studiendesign, die um Jahre hin-ausgeschobene und unvol lständige Schlusspubl ikationsowie die grob vereinfachenden Zeitungsmeldungen"Kein Zusammenhang", die der INTERPHONE-Studie denRest gaben, haben dies erfolgreich verhindert, ja letztl ichdie Mobilfunkstrahlung weißgewaschen.

Expositionsstudien: Wichtig wären außerdem fachge-recht und sauber durchgeführte Expositionsstudien , dasheißt eine Bestrahlung menschl icher Probanden. Bei po-sitiven Resultaten wird die Ursache-Wirkungs-Beziehungunmittelbar offensichtl ich. Die bisherigen Studien jedochtrugen dem Phänomen der Elektrosensibil ität, wie siesich individuel l-konkret äußert, kaum Rechnung. KeinWunder, dass die Resultate bei Kurzzeit-Expositionsver-suchen meistens (nicht immer! ) negativ waren. Hier wirdweltweit ein Qual itätssprung benötigt. Das Forschungs-projekt der Bürgerwelle berücksichtigt in seinem Design

Der Wirtschaftsverband Economiesuisse warnte 2002 voreiner Senkung der Grenzwerte, weil die Mobilfunkbran-che nicht gefährdet werden dürfe. Diese trage maßgeb-l ich zum Wirtschaftswachstum bei.

Zwar wäre in Liechtenstein eine Senkung des Grenzwer-tes für Mobilfunkmasten auf 1000 µW/m2 [0,6 V/m] fastgeglückt. Doch wieder vereitelte das die Wirtschaft.Über ein Referendum erreichte sie eine Volksabstim-mung. Ihre Drohung mit einem angebl ich lahmgelegtenMobilfunk war erfolgreich: Der neue, tiefere Grenzwertwurde mit einer Stimmenmehrheit von 57% wieder aufdie früheren 6 V/m – wie in der Schweiz – erhöht.

Vergleichen wir diese Grenzwerte nochmals mit demStrahlungswert, den man misst, wenn empfindl icheMenschen erfahrungsgemäß symptomfrei sind: 0.1µW/m2 [0,006 V/m] und weniger. Das bedeutet konkret,dass eine beträchtl iche Minderheit der Bevölkerungnicht mehr weiß, wo sie noch menschenwürdig lebensol l . Denn dieser tiefe Strahlungswert wird heute in be-wohnten Gebieten kaum mehr erreicht, selbst in Gebäu-den nicht. Dafür sorgen nicht nur die sich vermehrendenSendemasten, sondern auch die zunehmend mitSchnurlostelefonen und Drahtlos-Internet (WLAN) ver-funkten Wohnungen. Und in Kürze wird der Breitband-funk LTE den Strahlungspegel weiter anheben.

Unsichere wissenschaftliche Beweislage?Nicht nur die elektromagnetischen Strahlungen und Fel-der (EMF), sondern auch andere schädl iche Faktorenwirken sich auf die Gesundheit immer stärker aus: Che-mie in Umwelt, Lebensmitteln und Medizin; Luftver-schmutzung; Auswirkungen der heutigen Denk- undLebensweise... Das al les kumul iert sich. Die Folge ist einal lgemeiner physiologischer und psychischer Stress,dessen einzelne Ursachen – wenn überhaupt – schwervoneinander zu trennen sind. „Burnout“ ist einer der Be-griffe, die nicht nur, aber auch im Zusammenhang mitEMF zu nennen sind.

So wird es in der wissenschaftl ichen Forschung immerschwieriger, aussagekräftige Ergebnisse epidemiologi-scher Studien zu erhalten. Unbelastete Vergleichsgrup-pen gibt es immer weniger, und die Belastungenwerden immer vielfältiger. Die Verfechter des Dogmas„Es gibt nur thermische Wirkungen“ wissen das. Solangesie nur hartnäckig genug auf ihren unerfül lbaren Be-weiskriterien für nichtthermische Wirkungen bestehen,und solange die nationalen Pol itiker und Behördenglauben, sich auf die wissenschaftl iche Mehrheitsmei-nung stützen zu müssen, wird die Industrie freie Bahnfür die Verwirkl ichung ihrer Ziele haben.

Die Mehrheitsmeinung in dem von der Wirtschaft be-herrschten universitären Wissenschaftsbetrieb wird je-doch erst kippen, wenn die Hinweise auf eineGesundheitsschädl ichkeit der EMF aus der Forschungund vor al lem aus der zunehmend unter der Strahlungleidenden Bevölkerung derart zahlreich und aussage-kräftig werden, dass sie nicht mehr ignoriert oder ver-fälscht werden können. Solange es noch nicht soweit ist,riskieren Forscher, die aus dem "Konsens" ausscheren,dass ihnen der Geldhahn zugedreht wird.

Page 18: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/201018

Warum geht es so langsam voran?Von "oben" ist zunächst kein Anstoß zu einer Änderungder Verhältnisse zu erwarten. In Regierung und Parla-ment hat die Wirtschaft die Vorherrschaft; die staatl i-chen Umwelt- und Gesundheitsämter haben sicheingemauert; die Richter müssen sich auf die meist be-hördenkonformen Gutachter stützen.

Manche sagen, das sei halt ein "Generationenproblem".Doch auf die nächste, einsichtigere Generation könnenund dürfen wir nicht warten! Dies schon deshalb nicht,weil nicht "nur" die heute schon Elektrosensiblen betrof-fen sind, sondern mittel- bis langfristig die Gesundheitder gesamten Bevölkerung. Es sei wiederholt: Die Elekt-rosensiblen sind unser Frühwarnsystem!

Immer öfter hört man sagen, es müssten wohl noch vielmehr Menschen zu „Strahlungsopfern“ werden, bis diePol itik das Thema endl ich konsequent genug aufgreift.Diese Bemerkung kann aus einer verständl ichen Resi-gnation kommen. Oft muss sie aber bloß die eigene Un-tätigkeit rechtfertigen.

Viel bedenkl icher noch ist der Ausspruch, dass sich dieMenschheit nun eben an die Strahlung anpassen müsse.In der Evolution der Lebewesen hätten schl ießl ich auchimmer nur die stärksten überlebt. Betreten muss ich ge-stehen, dass ich solches bisher vor al lem von Ärztenhörte, wil l aber gleich anfügen, dass es selbstverständ-l ich viele Ärzte gibt, die sich besonders engagiert fürden Schutz des Lebens einsetzen.

Was jetzt not tut: Eine informierte Bevöl-kerung!Verstehen kann man die Frage Außenstehender, warumdie Betroffenen sich denn nicht selber bemerkbar ma-chen würden. Doch wer als Elektrosensibler Tag für Tagdarum kämpfen muss, den eigenen Al ltag im Auswei-chen vor Strahlungsquel len und Ertragen von Sympto-men gerade knapp zu meistern, hat kaum Kraft fürzusätzl iche Bewusstseinsarbeit nach außen übrig. Undweniger stark Betroffene, die ihr Leben halbwegs normalführen können, müssen oft aufpassen, dass ihre Umge-bung und vor al lem ihr Arbeitgeber nichts von ihrerElektrosensibil ität erfahren.

Dennoch führt kein Weg daran vorbei, dass al l die per-sönl ichen Erlebnisse der Betroffenen mit Strahlung unddie oftmals klaren, stichhaltigen Folgerungen daraus inder Öffentl ichkeit noch viel bekannter werden müssen.Das Niederschreiben der Erfahrungen und deren Publ i-kation durch die Betroffenenorganisationen, in Konsu-mentenzeitschriften und durch Ärzte in der Form vonKasuistiken ist ein Anfang, der weitergehen muss. Auchdas engagierte Buch "Ein schönes Gefängnis" der schwe-dischen Pädagogin Gunilla Ladberg kann manche Türeöffnen, wo Aufnahmebereitschaft da ist.

Doch mit al ldem wird erst ein begrenzter Kreis erreicht.Daher muss jetzt durch breiten Druck von "unten" Be-wegung in die Sache kommen. Die Bevölkerung mussinformiert werden, gegen al le Widerstände.Erstens muss das Leiden der von den Nebenwirkungender Elektrizität existentiel l Betroffenen so schnel l wie

die Eigenheiten elektrosensibler Menschen. Die Ergeb-nisse dieser Studie werden für Behörden und Richterunmittelbar einsichtig und direkt verwertbar sein.

Militär-, Wirtschafts- und StaatsmachtDie Akteure der Macht wechseln, die Mechanismen sinddieselben. Die vereinte Mil itär-, Wirtschafts- und Staats-macht wil l , dass weltweit al le elektromagnetischenFunk- und Feldquel len fast bel iebig stark senden dürfen.Die Motive von Mil itär und Wirtschaft sind zwar unter-schiedl ich, die Stoßrichtung ist aber dieselbe. Und dieStaatsmacht ist die folgsame Vol lstreckerin.

In der Praxis zeigt sich nun: Die IEEE-ICNIRP-WHO-Grenzwerte sind derart hoch, dass die zivi len Nutzer derStrahlung ohnehin weit darunter bleiben. Denn es lägenicht im Interesse der Industrie, wenn Mobilfunksende-masten und al l die anderen Quel len wesentl ich stärkersenden würden als heute. Die Auswirkungen auf die Ge-sundheit der Bevölkerung wären derart massiv, dass dasEMF-Schädl ichkeitspotential sofort offenbar würde. Eswürden derart viele Menschen völ l ig offensichtl ich dar-unter leiden, dass es kaum mehr mögl ich wäre, diestrahlenden Ursachen so zu negieren, wie es heute ge-tan wird. Die Usanzen der Mobilfunkindustrie würdenauch für die entlarvt, die sie heute noch nicht sehen.

Doch Macht ist nicht anonym. Das zeigt uns der Doku-mentarfi lm "Ein strahlender Tag" anschaul ich. Macht hatdas Gesicht von Menschen. Im Film sind es al les ein-prägsame, unverwechselbare Gesichter. Diese Menschensind mit ihrem Schicksal in die Machtstrukturen verwo-ben. Dass sie im Dienste der Macht stehen und sie aus-üben, braucht ihnen dabei nicht vol l bewusst zu sein.

Viele mögen sich einfach als Rädchen vorkommen, des-sen Funktion im Getriebe sie brav erfül len. Manchen istdie Arbeit viel leicht unbehagl ich, aber sie wol len die gu-te Stel le und die sichere Pension nicht aufs Spiel setzen.Andere leben in einer scheinbar festgefügten Welt, dieman nicht hinterfragt. Wieder andere glauben uner-schütterl ich an ihre Mission und schauen weder rechtsnoch l inks. Einige aber lassen sich von Macht und Geldlocken und so weit einspannen, dass sie weder zurückkönnen noch wol len, wenn sie das Spiel irgendwanndurchschauen.

Al les Gedanken, die einem beim Film kommen können...Gewiss wäre es vermessen, den in diesem Dokumentar-fi lm vorkommenden Personen nun gleich einen entspre-chenden Stempel aufzudrücken. Ihre Taten jedoch unddie Folgen ihres Mitwirkens im Machtgefüge müssen er-kannt und beurteilt werden.

In der global isierten, hochtechnisierten Welt des 21.Jahrhunderts können einzelne Menschentaten derartweitreichende, ja ungeheure Folgen haben, dass dasbestmögl iche Bemühen um Durchbl ick lebens- undüberlebenswichtig ist. Wir al le sol lten jede Technik zu-mindest in ihren Grundzügen verstehen. Und wir müs-sen diejenigen, die die Techniken verbreiten und sichihrer bedienen, im Auge behalten. Wir müssen ihr Tunhinterfragen und die Folgen dieses Tuns in Vergangen-heit und Gegenwart erkennen und für die Zukunft ab-schätzen.

Page 19: %5.+71533+4:48+7+ 5(/2,:41 7+4?

Bürgerwelle Mitgl ieder-Zeitung 2/2010 19

Wenn ALLE, insbesondere aber Ärzte, Wissenschaftler,Pol itiker, Beamte und Journal isten HINSCHAUEN stattden Kopf wegwenden, kann und wird etwas geschehen.

Illusionen wegstecken...Zum Hinschauen gehört, sich über das Ausmaß des Pro-blems schonungslos Klarheit zu verschaffen. Dabei istimmer zu berücksichtigen, dass es nicht nur um denempfindl ichen Teil der Bevölkerung geht, sondern letzt-l ich um eine langfristige Schädigung der gesamtenVolksgesundheit.

Positive Anzeichen gibt es. 16 französische Städte wol-len jetzt einen Versuch mit einem Mobilfunk-Grenzwertvon 1'000 µW/m2 [0.6 V/m] machen. Dies ist ein al lerers-ter Schritt, nicht mehr und nicht weniger. Man kann hof-fen, dass dadurch an den am wenigsten bestrahltenOrten dieser Städte die Belastung in einen Bereich sinkt,wo elektrosensible Menschen wieder leben können –fal ls ihre Umgebung WLAN- und DECT-frei ist... . Für dieStadt als Ganzes wird die Verbesserung indessen nochgering sein. Der Antennenstrahlungspegel wird trotz derGrenzwertsenkung immer noch zu hoch sein. Dies voral lem dann, wenn nun mehr Sendemasten instal l iertwerden, weil die Betreiber im Wettbewerb um die besteFunkversorgung im Gebäudeinnern stehen.

Es führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass die zurZeit verwendete Mobilfunktechnik grundsätzl ich schäd-l ich ist. Daher ist es nicht zu verantworten, mit der heuti-gen Technik, das heißt mit dem heutigen GSM-, UMTS-,WLAN-, DECT-, TETRA-, Bluetooth- und LTE-Funkstan-dard überhaupt weiter zu fahren. Mit dieser Technik gibtes keinen "sanften Mobilfunk". Es braucht eine ganz an-dere Technik.

In der Zwischenzeit ist die Strahlungsbelastung so raschund so tief als mögl ich zu senken; am dringendsten fürKranke, Betagte, Kinder und Schwangere und dann fürdie gesamte Bevölkerung. Wo in der Pol itik nur eineschrittweise Senkung der Belastung mögl ich ist, kannman jeden dieser Schritte bejahen und unterstützen,darf aber zugleich das Ziel der radikalen Senkung aufein für al le zuträgl iches Niveau nicht aus den Augen ver-l ieren. Der Einsatz für die Gesundheit ist ein immerwäh-render Prozess, solange der Industrie die Gesundheitder Bevölkerung gleichgültig ist und die staatl ichenWächter der Gesundheit unter ihrem Einfluss stehen.

Peter Schlegel, Bürgerwelle e.V.

Empfehlenswerte Quellen:

Brodeur P.: Mikrowel len, die verheiml ichte Gefahr. Pfriemer 1987.Vergriffen; evtl . antiquarisch erhältl ich. Oft zitiertes Standardwerk.

Steneck N.H. et al .: Die Ursprünge der US-amerikanischenSicherheitsstandards für Mikrowel lenstrahlung. Originaltitel : TheOrigins ofU.S. Safety Standards for Microwave Radiation; SCIENCE Vol .208, 13.8. 1980.

Cherry N.: ICNIRP-Richtl inien-Kritik. (ICNIRP Guidel ine Critique), 2000.Erhältl ich bei der Bürgerwel le e.V..

Warum Grenzwerte schädigen, nicht schützen – aber aufrechterhal-ten werden. Heft 4, Schriftenreihe der Kompetenzinitiative e.V.

TV-Dokumentarfi lm "Ein strahlender Tag" (A Radiant Day).Norwegisches Fernsehen, www1.nrk.no/nett-tv/klipp/428197

möglich öffentl ich bekannt werden. Zwar nimmt dieZahl der Betroffenen rasch zu, und das bleibt in der Be-völkerung nicht verborgen. Aber der Fortschritt im Be-wusstseinsprozess steht im Wettlauf mit der immerintensiveren "Verfunkung" unseres Lebensraumes.

Zweitens muss der wahre Stand des Wissens öffentl ichgemacht werden. Es muss kommuniziert werden, dass inder Gesamtschau das Beweismaterial aus der For-schungstätigkeit von Jahrzehnten längst ausreicht, umdrastische Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Vorsorge-maßnahmen, die kein Kompromiss mit der Wirtschaftmehr sind, sondern wirkl ich greifen.

Durchbruch in den Massenmedien?Wichtig wäre es deshalb, in den Massenmedien denDurchbruch zu schaffen. Dem stehen Hindernisse entge-gen. Die Wirtschaft hat mit den Werbeaufträgen einwirksames Druckmittel in der Hand. Und der Trend hinzur Onl ine-Ausgabe im Internet sowie zur tägl ich perUMTS-Strahlung zugeschickten elektronischen Zeitungmacht mobilfunkkritische Artikel vol lends zur Rarität.Die in finanziel ler Bedrängnis stehenden Zeitungen ha-ben wohl Angst, sie würden sich mit solchen Artikelnden Ast absägen, auf den sie gerade hinüberwechseln.

Hingegen lassen einige wirkl ich recherchierte, um Ob-jektivität bemühte Fernseh-Dokumentarfi lme der letztenMonate und Jahre doch etwas Hoffnung schöpfen.Einen der besten haben wir mit dem Film "Ein strahlen-der Tag" hier vorgestel l t.

Betroffenen- und Selbsthilfeorganisationen, engagierteÄrzte, unabhängige Wissenschaftler und vor al lem auchzahl lose Bürger versuchen in ihrem Umfeld unermüd-l ich, die Öffentl ichkeit für die EMF-Problematik zu sensi-bil isieren. Diese Arbeit muss weitergeführt, ja gesteigertwerden. Man muss sich klar sein: Die Betroffenenorgani-sationen können Medienmitteilungen versenden, sovielsie wol len – doch den Weg in die Zeitung oder auf denFernsehbildschirm finden solche Meldungen nur dann,wenn der zuständige Redaktor persönl ich überzeugt istvon der Bedeutung und Stichhaltigkeit der Meldung.Und dann muss er noch den Mut haben, gerade diesesThema zu bringen.

Direkte persönl iche Kontakte von Bürgern zu Journal is-ten können manchmal erreichen, was Massenversändenicht schaffen, solange die Gesundheitsrisiken des Mo-bilfunks faktisch ein Tabuthema sind.

Hinschauen!Wie also kommen wir weiter? Was definitiv nicht funk-tioniert, ist, dass der Einzelne seine von der Obrigkeitenttäuschte Erwartungshaltung "Die da oben sollen'srichten!" nun einfach auf die Leitung einer Betroffenen-organisation überträgt. Diese Organisationen, das sindwir als deren Mitgl ieder! Der Ruf ergeht daher an jedeneinzelnen einsichtigen Menschen, der in seinen Lebens-umständen in der Lage ist, etwas zu tun.

Die einzige sinnvol le Alternative für al le ist: Hinschauen.Nicht wegschauen. Nicht al le mögl ichen Ausreden su-chen, warum man gerade nicht hinschauen kann.