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7 Blickwinkel auf Interkulturelle Kommunikation In Zusammenarbeit von RKW Berlin GmbH und proventis consult Autorin: Cornelia F. Krämer

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7 Blickwinkel aufInterkulturelle Kommunikation

In Zusammenarbeit von RKW Berlin GmbH und proventis consultAutorin: Cornelia F. Krämer

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Woraus resultiert die Notwendigkeit, sich im betrieblichen Alltag mit dem Thema der „interkulturellen Kommunikation“ zu beschäftigen? Internationalisierung und Globalisierung sind weit fortgeschritten und eine aktuelle Internetrecherche zu dem Suchbegriff erzielt „ungefähr 1.250.000 Ergebnisse“1. Es gibt zahlreiche Bücher, Fachartikel, Seminare, Trainings und (fast) alles, was man sich noch so vorstellen kann. Dennoch ist „Interkulturalität“ im deutschen Mittelstand immer noch ein sehr weiter und weich definierter Begriff.

Im Rahmen eines zweijährigen Modellpro-jektes „DiP – Diversity Management in der Personalentwicklung“ haben wir als ein Schwerpunktthema „Mitarbeiter(innen) mit Migrationshintergrund“ gewählt. Das Pro-jekt wurde mit und in 20 Berliner kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) durchgeführt und hatte weitere Schwer-punkte im „Generationsmanagement“ und in der „Chancengleichheit“. Für alle drei Themen wurden praxisorientierte Konzepte zur strategischen Verankerung in der Un-ternehmenskultur und in der Personalarbeit entwickelt.

Im Verlauf der zwei Jahre intensiver Pro-jektarbeit wurde in Bezug auf den Schwer-

Vorwort

punkt „Interkulturalität“ immer wieder deut-lich, dass auch bei scheinbar identischen Fragestellungen keine Standardlösungen greifen, sondern unternehmens- und be-darfsorientierte Lösungen zu schaffen und permanent zu hinterfragen sind. Unterneh-men, die auf ausländischen Märkten unter-wegs sind, gehen meist länderspezifisch und personenspezifisch an diese Aufgaben heran.

Der vorliegende Leitfaden bietet Anre-gungen und Beispiele, sich dem Thema „Interkulturelle Kommunikation“ zu nähern und soll motivieren, einen eigenen unter-nehmerischen Weg zu finden und von den Erfahrungen und Kompetenzen anderer zu lernen.

Das RKW-Team wünscht Ihnen eine kurz-weilige eigene Beschäftigung mit den auf-gezeigten Fragen und Themen und steht Ihnen für weitere Informationen mit seinen Erfahrungen und Angeboten gern zur Ver-fügung.

Dr. Ulrich HoffmannGeschäftsführer RKW Berlin GmbH

1 google Stand Oktober 2011

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Interkulturelle Kommunikation muss nicht zwingend international sein. Das Beson-dere an interkultureller Kommunikation ist, dass sie zwischen Gesprächspartnern1 stattfindet, die von unterschiedlichen gesell-schaftlichen, familiären und religiösen Wer-ten geprägt sind. Je nachdem, in welchem Kulturraum sie aufgewachsen sind, haben die Gesprächspartner - bewusst oder unbe-wusst - ein für ihren Kulturkreis typisches Verständnis von Zeit und Raum, von guter Kommunikation, davon, woran Werte wie Verlässlichkeit und Vertrauen festzuma-chen sind, entwickelt. Die Sprache an sich spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Z.B. haben Deutsche, Österreicher und die Bewohner der deutschsprachigen Schweiz eine gemeinsame Sprachbasis. Deswegen anzunehmen, dass die Zusammenarbeit im Team von Anfang an reibungslos verlaufen wird, wäre blauäugig. Wer schon mal ein deutsch-österreichisch-schweizerisches Projektteam geleitet hat, wird festgestellt haben, dass dieses Team anfangs eine besondere Art von „Dolmetscher“ braucht. Einen, der Übersetzungsarbeit zwischen den Wertewelten, gleichsam „von deutsch nach deutsch“ leistet. Das Gleiche gilt für Teams, deren Mitglieder aus Großbritan-nien-Australien-den USA mit Englisch als Muttersprache stammen, den französisch-sprachigen aus Frankreich-Belgien-Alge-rien usw. und für fachlich wie auch sozial heterogene Teams.

EinleitendeBemerkungen

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Übersetzungsarbeit zwischen Kulturen setzt außer der „technischen“ Kenntnis von Sprachen und „Sprachmittlung“ insbe-sondere auch kommunikative Fähigkeiten voraus und eine respektvolle Grundhal-tung. Diese stellt sich ein, wenn man sich seiner eigenen Prägung, der Werte, die einen tragen, bewusst wird. Fehlendes Bewusstsein der eigenen Werte kann zur unbewussten Abwertung von andersarti-gem Verhalten führen. Abwertung teilt sich auch über Mimik, Gestik und Stimme mit: „der Ton macht die Musik“. Dabei lässt sich über Werte ebenso wenig diskutieren wie über Geschmack. Jede Kultur wird von Er-fahrungen gespeist, die einer Gesellschaft erfolgreich das Überleben gesichert haben. Daher betrachtet jede Kultur die Welt aus dem eigenen Blickwinkel.

„Die Erde ist rund und alle Völker haben von jeher ihr Land als den Mittelpunkt der Welt betrachtet. Jedes Volk handelt aus sei-nem eigenen Blickwinkel heraus.“ 2

In Zeiten des Fachkräftemangels setzen zukunftsorientierte Unternehmen auf Viel-falt. Sie suchen Absatzmöglichkeiten und Kooperationen auf internationalen Märkten und erschließen innerbetrieblich neue Po-tenziale, die eine fachlich und sozial hete-rogene Belegschaft und damit eine „bunte“ Wertewelt ergeben: Männer und Frauen, Alt und Jung, Einheimische und Zugereiste,

Behinderte und Nicht-Behinderte, Deutsch- und Fremdsprachige.

Mit diesem Leitfaden möchten wir - auch angehenden - international und interkultu-rell aktiven Verantwortlichen in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) Anregungen bieten für das erfolgreiche Knüpfen wirt-schaftlicher Kontakte im Ausland und für die Integration multikultureller Arbeitsteams im eigenen Betrieb. Dabei haben wir den Schwerpunkt auf international-multikulturelle Teams gelegt. Werden diese um sozial-multikulturelle Mitarbeitende erweitert (s.o.), steigt die Komplexität der Führungsarbeit entsprechend.

Die hier beschriebenen „Blickwinkel“ blei-ben an sich gültig und bieten Anregungen für einen guten transkulturellen Austausch. Sie kristallisieren sich - unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit und Nationalität der Ansprechpartner - immer wieder in der interkulturellen Zusammenarbeit als erfolgs-kritisch heraus.Wir laden Sie herzlich ein, sich diese „Blick-winkel“ zu erschließen, indem Sie sich der eigenen vorgefertigten Muster, aktueller Erwartungen und früherer Enttäuschungen bewusst werden und das Kommunikations-verhalten weiterentwickeln.1 Alle Formulierungen beziehen die männliche und weib-liche Form ein2 Nach: Geert Hofstede, entnommen aus http://www.transkulturelles-portal.com/index.php/5/52

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Gesprochene Botschaften, verborgene Rituale und Körpersprache

Im Erstkontakt entscheidet sich, wie die spä-tere internationale/interkulturelle Zusammen-arbeit verlaufen wird. Diese Entscheidung treffen wir aufgrund von Informationen, die wir meist unbewusst aufnehmen. Je nach kul-tureller Prägung nutzen wir als Informations-quelle entweder die gesprochenen Botschaf-ten oder wir entnehmen sie aus dem Verlauf der Begegnung, aus den körpersprachlichen, den nonverbalen Signalen. Jede Wahrneh-mung beinhaltet eine Bewertung. Eine Wahr-nehmung ist subjektiv, dementsprechend ist die Interpretation der Situation und der Menschen, die in dieser Situation handeln, subjektiv wertend und nicht allgemeingültig wertfrei. Wir interpretieren Botschaften und Verhalten auf Grundlage der eigenen Werte und Erwartungen. Dabei ist es uns Menschen eigen, Ansichten und Verhalten, das wir nicht

Blickwinkel: Erstkontakt verstehen, unbewusst abzuwerten. Missver-ständnissen und Konflikten sind damit Tür und Tor geöffnet.

Aber es gibt auch andere, positive „Türen und Tore“, die zu einer konstruktiven Kom-munikation führen. Sie können mit Hilfe von Informationen z.B. darüber, welche Bot-schaften und Signale in anderen Kulturen vertrauensbildend wirken, gefunden werden. Definiert sich Vertrauen über Nähe, gehen die Menschen offen aufeinander zu und unbefan-gen miteinander um. Sie begrüßen einander mit Handschlag, nehmen im Gespräch eine zugewandte Körperhaltung ein, männliche Gesprächsteilnehmer klopfen sich gegensei-tig auf die Schulter, der Übergang zum „Du“ erfolgt zügig. Auch heikle Themen werden direkt angesprochen. Das Prinzip „Nähe“ als Tor zur erfolgreichen Kommunikation findet sich in den USA, in angloamerikanischen Unternehmen in Deutschland und in deut-

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schen KMU. In arabischen Ländern wird es keine Geschäftsanbahnung ohne persönliche Präsenz und mehrmalige persönliche Treffen geben. In Osteuropa und in Russland stellt eine Einladung zum privaten Abendessen die Tür zur Kontaktanbahnung dar. Im privaten Rahmen wird die Vertrauenswürdigkeit des potenziellen Geschäftspartners überprüft und getestet, ob man „miteinander kann“. In der Türkei wird es keine Geschäfte ohne Small-talk geben. Von Internationalität abgesehen, gelten hierzulande die Informationstechnolo-gie und das Handwerk als näheorientiert.

Im Gegensatz dazu stehen distanzorientierte Kulturen, in denen es Abstand braucht, um Vertrauen wachsen zu lassen. Der Hände-druck ist sanft, die Ansprache formell, indem sich die Gesprächspartner mit ihren Titeln ansprechen, wie in Polen und in Österreich. Die Rangordnung wird durch Hierarchie vor-gegeben und ist streng einzuhalten. Damen

werden mit Handkuss begrüßt. In Thailand wird Körperkontakt selbst im Erstkontakt vermieden, in China dagegen ist die Kör-persprache lebhaft, mit Berührungen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Visitenkarten dagegen werden in den meisten asiatischen Ländern, auch in Japan, mit beiden Händen und einer Verbeugung überreicht. In arabi-schen Ländern werden Frauen meist nur mit einem Kopfnicken begrüßt. Die Signale in den USA wirken - mit europäischen Maßstäben gemessen - widersprüchlich: einerseits ist kräftiges Händeschütteln, offene Ansprache mit lauter Stimme, Schulterklopfen üblich, an-dererseits wird streng zwischen Beruflichem und Privatem getrennt.

Wer sich seiner kulturellen Prägung und der typischen Umgangsformen bewusst ist, der ist klar im Vorteil, indem er nicht nur mit seinen Botschaften sondern auch mit seinem Verhal-ten an die Erwartungen im Umfeld „andockt“.

„Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare“ Christian Morgenstern 6

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Schnell entscheiden oder Beteiligung stiften?

Die Werte einzelner Gesprächspartner drü-cken sich in ihrem Verhalten aus und bestim-men so die Gesprächskultur von Arbeits- und Projektteams, z.B. gilt ein durchstrukturierter Verlauf als Indikator für den Erfolg eines Mee-tings. Entscheidungen können hinterfragt und revidiert werden - „Ober sticht Unter“. Ergebnisse werden im Protokoll festgehal-ten, das als Referenz für getane Arbeit gilt. Für Mitteleuropa typische Kriterien für eine „gute“ Gesprächskultur sind z.B.: einander zuhören, sich gegenseitig ausreden lassen, Probleme offen und ehrlich ansprechen, sachlich argumentieren, sich in Diskussionen einbringen, konkrete Lösungen vorschlagen, verbindliche Absprachen treffen.

Die afrikanische Gesprächskultur ist durch Beziehungsorientierung geprägt: die Lei-tungspersönlichkeit, die kein Hierarch, je-doch persönlich hoch angesehen sein muss, bestimmt den Beginn eines Gespräches, die Sitzordnung, die Redeanteile, die Pausen. Alle Anwesenden werden entsprechend ihres Status beteiligt, d.h., spontane Wort-meldungen und schnell gelieferte Lösungs-ideen, die im mitteleuropäischen Kulturkreis geschätzt sind, tragen im afrikanischen Umfeld nicht gerade zum Ansehen des

Sprechers bei. Da jeder in der Art und Wei-se beteiligt wurde, wie es ihm zusteht, wird erwartet, dass die im Meeting getroffenen Entscheidungen tragfähig bleiben und nicht hinterfragt werden. Die Verständigung erfolgt nicht nur in verbaler Form, sondern auch per Augenkontakt, mit ausgeprägter Mimik und Gestik. Die Stimmung im Raum wirkt als In-dikator für eine gelungene Besprechung. In Italien und Griechenland ist die Gesprächs-kultur vor allem laut, emotional und direkt. Unsicherheit im Umgang miteinander ist aus thailändischer Sicht schädlich und muss da-her unbedingt vermieden werden. In China und in anderen asiatischen Ländern werden Probleme umgangen - Konfliktfähigkeit im mitteleuropäischen Sinne stellt keinen er-strebenswerten Wert dar.

Kommunikation im internationalen Umfeld hängt sehr von der Qualität der Dolmetscher ab und wie es ihnen gelingt, die Werteebene über die reine „Sprachmittlung“ hinaus zu übersetzen. Dagegen zählt das Überwinden von Kommunikationsbarrieren - eine wichti-ge Voraussetzung für erfolgreiche Integrati-on multikultureller Teams - zu den Führungs-aufgaben. Führungsaufgaben sind nicht auf Dolmetscher oder Assistenten delegierbar.

Blickwinkel: Gesprächskulturen

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Informationen aufnehmen und verarbeiten

Wie kommen diese Unterschiede im Selbstverständnis, in der Wahrnehmung von Kommunikation und Bewertung der Botschaften zustande? Warum ist das so?

Der Evolutionspsychologe Simon Ehlers hat einen grundlegenden Unterschied in den Denkstilen zwischen dem westlichen und dem östlichen Kulturkreis beschrie-ben1. Demnach betrachten Menschen in den USA und in Europa die Welt als eine Ansammlung einzelner, loser Objekte. Sie denken faktenorientiert. Menschen östli-

cher Kulturkreise, v.a. in China und Japan, achten auf Zusammenhänge und Bezie-hungen zwischen Lebewesen und Dingen und nehmen damit umfeld- oder kontext-bezogen wahr.

Dieser Unterschied in der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen bedeutet, dass sich die westliche Welt als analytisch empfindet, eine Vorliebe für Struktur und Organisation sowie Freude am Detail hegt, sich auf Routinen und überprüfbare Fakten verlässt und den Individualismus als Wert achtet. Die östliche Welt empfindet sich als komplex und ganzheitlich, hegt eine Vor-liebe für Spontaneität, sucht nach Alter-

Blickwinkel: Denkstile

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nativen, strebt nach Harmonie, vermeidet Konflikte und nutzt Intuition als wichtige Informationsquelle, um sich im Umfeld zurechtzufinden. Beide Denkstile sind richtig, sie gehören beide dazu. Konflikte treten erst dann auf, wenn sich Menschen ihrer Wahrnehmungsfilter unbewusst sind. Damit ist gegenseitige Abwertung mit in-terkulturellen Konflikten im Team als Folge vorprogrammiert.

Erfahrungsgemäß kann man sich jedoch nicht auf diese strikte geographische Tren-nung verlassen, weil sich die unterschiedli-chen Denkstile in jeder Gesellschaft finden lassen. Daher fällt es Führungskräften oft-

mals leichter, Integration in internationalen als in national-interkulturellen Teams her-zustellen. Die Fremdsprachigkeit als Kom-munikationsbarriere hilft dem Bewusstsein auf die Sprünge, Unterschiede im Denken und Handeln wahrzunehmen und zu ach-ten.

Wer sich seiner Wahrnehmungsfilter be-wusst werden will, sollte „vorbeugende Instandhaltung“ betreiben: im vertrauten Umfeld, wie der Familie oder dem Freun-deskreis üben, die Denkstile anderer Menschen zu verstehen. Das funktioniert mit Zuhören und Nachfragen, ob man die Botschaften richtig verstanden hat.

1 Simon Ehlers: Der Kreis und die Linie. Die Geographie des Denkens. In: Psychologie heute 2/2004, S. 48-53.

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„Der Afrikaner hat die Zeit erfunden, der Europäer die Uhr.“ afrikanisches Sprichwort

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Blickwinkel: ZeitExakte Maßeinheit oder Orientierungsrahmen?

Zeit ist je nach kulturellem Verständnis ein- oder mehrdimensional. In unserer abendländischen Kultur ist „Zeit“ gleich-bedeutend mit einer Maßeinheit für Arbeit, eine mathematische Größe, die inter-national geregelt und eindeutig ist - also eindimensional. Wir knüpfen Werte daran wie Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Wir wertschätzen es, wenn sich jemand gut or-ganisiert und seine Zeit effizient nutzt. Zeit ist Orientierungsrahmen - Zeit ist Geld.

Der morgenländischen Kultur ebenso wie den osteuropäischen, mediterranen und asiatischen Kulturen liegt das mehrdimensionale Verständnis von Zeit zugrunde. Zeit wird als „Erlebnis-raum“ begriffen, sozusagen als virtueller Raum, in welchem man sich gleichzeitig beruflich und privat begegnet. Viele wichtige Dinge wollen zur selben Zeit bedacht, besprochen und getan sein, sie alle brauchen Aufmerksamkeit und Wertschätzung. In diesem Raum ist auch Platz für Phantasie. Das preußische Prinzip der Verlässlichkeit durch Pünktlichkeit und die Erwartung, dass Terminvorgaben als Anweisung verstanden werden, ruft in diesem Umfeld Unverständ-nis hervor. Es kann als übertrieben druckvoll und geradezu bedrohlich wirken, mindestens ruft es Kopfschütteln hervor - die Aufgaben werden deshalb nicht schneller erledigt.

Den Blickwinkel nutzend, lassen sich klassische Fehler umgehen, wie z.B.:

Sich des grundlegenden Unterschiedes zwischen ein- und mehrdimensionalem Ver-ständnis von „Zeit“ unbewusst zu sein,

Partner und Mitarbeiter aus Kulturen mit mehrdimensionalem Zeitverständnis als un-strukturiert, unzuverlässig und chaotisch abwerten, ihnen unreflektiert Nachlässigkeit und fehlende Motivation unterstellen,

„Überhören“, dass die Terminerwartung als Vorschlag aufgefasst wird, und sich ärgern, dass Vereinbarungen aus abendländischer Sicht „lax“ gehandhabt werden,

Die Nichteinhaltung von Terminen formal bestrafen, z.B. durch Lohnabzug.

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Blickwinkel: Geltung und Autorität

Kulturelle Zuschreibungen

Welchen Personen wir bereitwillig Geltung und Autorität zuschreiben, ob das z.B. eher Männer oder Frauen sind, Alte oder Junge, hochrangi-ge oder in erster Linie sozial kompetent wirken-de Personen, hängt von dem Wertesystem ab, in welchem wir sozialisiert wurden. Die USA-beeinflussten Länder, zu denen zweifellos auch Deutschland zählt, setzen auf jugendliche Dy-namik und straffes Äußeres. Im Kulturkreis Ost-, Süd- und Südosteuropas, Afrikas und Asiens setzt man auf Erfahrung. Da Erfahrung wieder-um ein gewisses Alter voraussetzt, wird älteren Ansprechpartnern mehr Respekt entgegenge-bracht als jüngeren. Fast überall auf der Welt wird Männern mehr Bedeutung beigemessen als Frauen. In Ost- und Südeuropa, wie auch in Indien, haben auch Frauen Autorität - sofern sie über Alter und Lebenserfahrung, gern auch über geschäftlichen Erfolg, verfügen.

In Asien wird Autorität mit Funktionen und Rän-gen gleichgesetzt, d.h. es wird gemacht, was und wie es der Höherrangige oder der Mentor vorgemacht hat. Die deutsche Fehlerkultur und das Bestreben, aus Fehlern zu lernen, mutet unverständlich an, insbesondere in Vietnam und Korea. Fehler zu machen ist gleichbedeu-tend mit Gesichtsverlust. Zeigt ein ansonsten

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fähiger Mitarbeiter aus Asien nicht die erwar-teten Leistungen im europäischen Projekt, kann es an seinen Hemmungen liegen, sich die Aufgabe noch einmal erklären zu lassen. In asiatischen Kulturen bedeutet Nachfragen das Eingeständnis von Unzulänglichkeit und führt damit zwangsläufig zum Gesichtsverlust.

Ob Kritik als angemessen empfunden wird, hängt von der kulturellen Prägung ab. Unter-schiede gibt es sogar schon im verhältnismä-ßig kleinen Europa, z.B. in der Auffassung von Feedback nach deutschen und tschechischen Maßstäben. In Tschechien wird das Feedback eines Chefs als Aufforderung zum Handeln ver-standen. Sie wird meist direkt, ohne Nachfra-gen, wie es gemeint war, umgesetzt.

In unseren Nachbarländern Österreich und Polen drückt sich Respekt einer Person ge-genüber aus, indem diese mit ihrem Titel, in Polen sogar ohne den persönlichen Namen zu nennen, angesprochen wird. Türken pflegen ebenfalls eher formale Umgangsformen und gelten damit als „die Preußen des Orients“. Im Unterschied zu Polen und Österreich möchten Türken mit dem persönlichen Namen ange-sprochen werden.

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Blickwinkel: Arbeitsstile

Allein oder gemeinsam?

Der am stärksten ausgeprägte Gegensatz zwischen „individuell“ und „kollektiv“ ist wahr-scheinlich der zwischen Deutschen und Chinesen. In der deutschen Grundhaltung spiegelt sich ein starker Drang zum Individualismus wider, der sich in dem Wunsch nach selbstver-antwortlicher Lebensgestaltung, Weiterentwicklung der Person und Steigerung der Lebens-qualität des Einzelnen ausdrückt.

In anderen europäischen Regionen wird die Familie mehr in den Vordergrund gerückt, z.B. in Ost-, Süd- und Südosteuropa. Es handelt sich um einen Individualismus, der die nächs-ten Verwandten umfasst.

In Asien dagegen, insbesondere in China, werden Menschen von der Vorstellung gelei-tet, nur gemeinsam, als Gruppe, erfolgreich zu sein. Verantwortung wird geteilt, wirkliches Interesse wird den dauerhaften Verbindungen entgegengebracht, Einzelinteresse hat zu-rückzustehen. Die Mitglieder einer Gruppe mit kollektivistischer Kultur halten unbedingt zusammen. Ein drohender Gesichtsverlust wird dementsprechend kollektiv, zur Not auch entgegen der Weisung des deutschen Chefs, abgebogen. Chinesen, Japaner, Koreaner suchen kulturelle Gemeinschaft, sogar auf Reisen. Der europäische Individualtourismus ist in Asien kaum vertreten.

Die türkischen Unternehmen in Deutschland sind echte Familienbetriebe, die vom Gemein-schaftssinn getragen werden. Pflichten und Rechte werden geteilt. Erfolgreich ist jeder, der in einem erfolgreichen Betrieb mitarbeitet und wer in eine Familie, einen Clan eingebunden ist, dessen Wort wird auch gehört.

Im krassen Gegensatz dazu steht der individualistische Unternehmer, für den der persön-liche Erfolg zählt. Da er die unternehmerische Gesamtverantwortung allein trägt, wird er mit Achtung und ggf. auch mit einer Auszeichnung, wie „Der Enterpreneur des Jahres“ be-lohnt.

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Blickwinkel: WerteJeder ist in nur einem Land auf der Welt „Nicht-Fremder“

Werte und Wertvorstellungen sind tief ver-wurzelte Überzeugungen darüber, was gut oder schlecht, richtig oder falsch ist. Unbe-wusst gehen wir davon aus, dass die Dinge, die wir aus Überzeugung tun, gut und richtig sind und reflektieren nicht unbedingt, dass unser Verhalten auf andere befremdlich wir-ken kann.

Wer in einem vertrauten Umfeld arbeitet und Chef/Chefin ist, braucht sich nicht täglich zu hinterfragen. Wer laufend damit beschäftigt ist, heterogene Teams zu integrieren und neue Mitarbeiter mit den unterschiedlichsten sozialen, fachlichen, kulturellen und sprach-lichen Prägungen einzuarbeiten, wird die eigenen Wertvorstellungen längst erkannt haben. Das Risiko kultureller Konflikte liegt in der Veränderung: wenn Verantwortli-che das vertraute Umfeld mit gefestigten Beziehungen verlassen, um neue Märkte oder unbekannte Fachkraftpotenziale zu er-schließen. Wer sich dabei der eigenen kul-turellen Prägung unbewusst ist, eckt schnell an. Es sind Stereotypen und Vorurteile wie „Polnische Wirtschaft“, „Stolze Franzosen“, „Gastfreundliche Türken“, „Anpassungsfä-hige Asiaten“, die zu Fehleinschätzungen von Menschen und Situationen und damit zu einem falschen Verhalten führen. Der

Schlüssel zu einem besseren Verständnis fremder Kulturen und zu einem vorurteils-freien Umgang damit liegt im bewussten Erkennen der eigenen kulturellen Wertvor-stellungen.

Doch woher weiß man, was man nicht weiß? Am besten helfen Feedback und Selbstreflexion: Was wissen Sie über Ihr Verhalten? Darüber, wie Sie andere wahr-nehmen? Welche Verhaltensweisen wirken auf Sie vertrauenerweckend und sympa-thisch, welche nicht? Wie reagieren Sie auf ungewohnte Situationen? Welche Folgen hat Ihr Verhalten auf den Gesprächspart-ner und den weiteren Verlauf der Verhand-lung? Wie wirken Sie auf andere, wenn Sie Ungewohntes hören, sehen, riechen, schmecken? Wie gut sind Sie darin, non-verbale Signale zu erkennen und wertfrei zu hinterfragen? Oder sind Sie sich Ihrer Interpretationen sicher? Welche Strategien haben Sie, um ein Gespräch, das aus dem Ruder zu laufen droht, auf die richtige Bahn zu lenken?

Der Schlüssel zur erfolgreichen interkulturel-len Kommunikation liegt im bewussten und wertschätzenden Umgang mit den Werten der Geschäftspartner und Mitarbeiter!

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Alle Blickwinkel im Blick?Ein Selbst-CheckHaben Sie die wichtigsten Informationen beisammen?

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Ansprechpartner(innen) beim RKW

Anja Rakowski Dr. Thomas RauProjektleiterin DiP ProjektleiterTel. +49 30 20308-4300 Tel. +49 30 20308-4302E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected]

Anna John Katarzyna LojProjektmanagerin Projektmanagerin Tel. +49 30 20308-4309 Tel. +49 30 20308-4303E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected]

Cornelia F. Krämer (Beraterin und Autorin)proventis consultJoachimstaler Straße 1510719 BerlinTel. +49 30 8861 4420 E-Mail: [email protected]

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Impressum

Hrsg:RKW Berlin GmbHDr.-Ing. Ulrich HoffmannBreite Str. 2910178 BerlinTel: +49 30 20308-4300www.rkw-bb.de

Projektleiterin:Anja Rakowski, RKW Berlin GmbH

Konzept und Redaktion:Cornelia F. Krämer, proventis consultAnja Rakowski, RKW Berlin GmbH

Autorin:Cornelia F. Krämer, proventis consultwww.proventis-consult.eu

Fotos:Titelblatt: ©iStockphoto.com/VikaValter · Seite 1: ©iStockphoto.com/ozgurdonmazSeite 3: ©iStockphoto.com/mattjeacock · Seite 6: ©iStockphoto.com/helenecanada Seite 7: ©iStockphoto.com/francisblack · Seite 7: ©iStockphoto.com/bryttaSeite 9: ©iStockphoto.com/klosfoto · Seite 10: ©iStockphoto.com/SilviaJansenSeite 12: ©iStockphoto.com/Spiderstock · Seite 13: ©iStockphoto.com/aqualandphotographySeite 13: ©iStockphoto.com/Darkcloud · Seite 14: ©iStockphoto.com/elwynn1130Seite 16: ©iStockphoto.com/slobo · Seite 16: ©iStockphoto.com/WendellandCarolynSeite 16: ©iStockphoto.com/dan_prat · Seite 17: ©iStockphoto.com/PhotomorphicSeite 19: ©iStockphoto.com/mattjeacock · Seite 20: ©iStockphoto.com/spxChrome

Gestaltung: jeske media, www.jeske-media.de

Oktober 2011

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Das Modellprojekt wird gefördert von der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds.