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H U H E R T MOKDEK

Livius und Eiiihard

Gedanken über dar Verhält~~is der Knrolinger 3 M I atziiken L i t e ~ a t t u

So prob1em;itisch die Bezeichriung Karolingisci~e Rennisrance für die geistige Er- n e ~ e r u n g s h e w e ~ o n ~ unter Kar1 dem Großen und seinen Naclrfolgcrn auch sein mag, daß die Zeitgenosseii damals auf vielen Gebieten bewiißt ari die Antike an- knüpften, an die christliche wie an dic heidnischc, ist unbestritten.' Iri dic Wert- schätzung des Alten mischte sich der Stolz auf die eigzne Lcistuiig, ulid CS gab sogar Stimmen, die der, Franken Uberlegenlieit gegeiiübcr deii Griechen beschei- nigter~, deiiii sie, die Franl<eri, seien - anders als die Heiden - der Eileiichtung durcli deii Heiligen Geist teilhaftig geworden.' Kenntnis der Antike also als Basis fiir Höheres? Lupus von Ferrieres (Y nach 862) etwa, seiner Zeit weit voraus als textkritischer Geist und daher gern als Frühhumanist apostropl~iert, schien äiin1ic.h zu denken, als er die Vertrautheit rnit Sallust und I.ivius fiir jeden 7.U Bedingung machte, der als halbwegs gebildet gelteii wolle.' Fast könnte nian nieiiieii: In Wissciiscliaft, Sprache, Literatur und Dichtung, kurzum auf geistigcrn Gebiet ar- beiteten sie Hand in Hand, die iräiikischen Gelehrten mit den antiken Geistesgrö- ßen, nahmen die Karolinger gleichsam schon in FIumanistenmanier die Alten ir? sich auf, machten sie zu täglichen I.esepartnern in ihren Studierstiibcri. \War der31 wirklich so?

Das Veihiltnis der Karolingisch~n Reiiaissance zur antiken Literatur iin einzel-

' 1.iteratui zur K ~ i o l i ~ i ~ i ~ ~ l ~ e ~ ~ Rriiairrance in srrrrlicher Zahl etwa bei P. I.cliniriiii, Das I'm- blem der karolingirclicn Rennirrnncc: Eiforschung des Mirtelaltcn. A i i~~cxvä l i l t e i\l>linndliirikeri und Aufsirzc 2 (Stuti,?,ari i y ~ y ) 138 (Erstdruck: 1 prublerni clella c i v i l t l c*rolinsia. Seirimane d i studio del Cenrro irnliaiio di studi ruli 'slro inedioevo i , 26 nlarro - i aprile iy!). Spoleto 1914 3x3); W. von den Steinen, Der Neubeginn: Kai1 der Große. I.ehensnerk ui id Nrchlrben 2 ([Ii ir- seldorf 1961) 17; Si. Löwe: B. Gebhardr, Handbuch dcr deutschen Gcschiclite 2 (dtv-'Tascheiibucli 4 ~ 0 1 , */r98t) 168 ff.; hZedioevo l r f i no i, hg. von C. I.eonnidi (Spoleto ,980) 340 ff. E. Patrelrs r g 6 ~ wiederwfgelegtc Weck von ,927: D i e Karolingische R~iiaissincc, i n d r i i i der Nacl ineis gefüiirt ~ve idcn sollte, die von den Knioliiigcin auf~en<rmnicnrn Ai~sri iahlungen d r r Antike ~ e i e ~ i rrets ,.durch das kircliliclie Prisma gebioclien" (164). har in diercin zerirralen I'unkr nicht bbei- rcugr.

' Alk i i in an K n i l d. Gi.. 1. 7yy ( cp i~ i . 170; MG Epp IV, ed. E. Dümiiiler, i891, 179); vgl. K . I.angoscb, Profile d e Inreinisclien Mirrelalrers (Darrnstnrli ,961) 89.

X Lupus i n seinem Begleitbrief zur V I I ~ rnnrii Wtixbcrti an Ab t Ruiiur uil<l die Miincl ic voii

Heisfeld (MG Epp VI. XI. E, Dümo>ler, ro7 1.). DIR mni> in seiiirn eigeiieii \Vrrlrrn rbei i e i g e h ~ lich nach Zitaten aus Snllurr und 1.iviits suclx. betonte zu Rer l i i R. J. Gari tpy. L.i,pur oi i :~rr i+rcr ' k r iomled~e o f r l a r r i c ~ l La i in l i r en i~ i re : Honinisges l Andie Boutrriiy, hg. aoii G. Cni ih ier (Col-

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nen zu klären wiire Stoff genug für ein fiilliges Buch.' Hier sei, im Ralimen eines Randbeitrags zu einer Festschrift, für die nicht das Mittelalter, sondern die Antike im Zentrum steht, nur eine Einzelfrage exemplarisch herausgegriffen: Einhard (T 840),' der Vertraute Karls des Großen wie dessen Sohnes Ludwig, wie arbeitete er mit seinen antiken literarischen Vorbildern, speziell mit Livius? Einhard war schließlich nicht irgendwer. Als einer der führenden geistigen Köpfe am fränki- schen Königshof scheint er repräsentativ für die ganze Bewegung. „Vielleicht", so schon Ranke, und damit wird Einhards „Verwendbarkeit" für unsere generellere Fragestellung unterstrichen, „tritt in keinem "eueren Werke.. . die Nachahniung der Antike stärker Iiervor, als in Einhards Lebensbeschreibung Karl's des Großen."'

Und in der Tat: man ist herindruckt, liest man die Textkolonnen, die Max Manitius als Quellenbelege für die Benutzung antiker Autoren in Einhards Ge- samtwerk herausgestellt hat.' Da finden sich Cicero, Caesar, Livius, Vitruv, Sene- ca, Sueton und Tacitus (Germania und Annalen) neben Vergil, Horaz, Ovid, Cor- nelius Nepos, Velleius Paterculus, Curtius Riifus, Plinius d. Ä., Pomponius Mela, Florus, Iustins Epitome des Pompeius Trogus, Orosius, und in späteren Nachträ-

lecrion Latornur 141. Brüsrel 1976) i j y (Zusrmmenfassung reiner Dissertarion über: Lupus of 1:errieres ;ind tbe Classicr, Darien, Conn., ,967).

Überblicke, weniger detaillierte Information zur Karolingerzeir vermitteln die folgenden gro- ßcn Gerrrntrrhauen: J. E. Snndys, A f-fisrory of Clasrical Scholaiship r (Canlbridge l / i g l i ) ; G. Highet, ?l>c Classical Tradition (Oxfoid 5949): R. R. Bolgar, I h e Classical Heiirage and irr Beneficiaries (Cambridge ,954); R. Newald, Nachleben des anrikcn Geistes im Abendland bis zum Beginn des Humanismus (Tübingen ,960); R. W. Southein, Aspects of rlie European Tradi- tion of Hiatorical Wriiing. r . I h e Clarsicrl Tradition from Einhard to Geolfrey of Monmouth: Transacrions of rhc Royal Hirtorical Society, 5. Sec., 20 (London 1970) r7)-196. Zum Nachleben römischer Autoren immer noch nützlich die Angaben bei Schanz-Hor. r (München '/rgz7), t (München ' / i g ) ~ ) , 3 (München 'ligr2). VgI. auch I'. Lehmann, Deutschland und die niittelalter- l icl~e Überlieferung der Anrike: Erforschung des Mirrelalterr. Ausgewälilte Abhandlungen lind Aufsätze 3 (Srurtgarr 1963) r 4 y r 7 ' (Erstdruck: Zeitschrift für Gciriergescl>ichte i , z931,61-74. i 3 6 ~ 4 8 ) und die Sperinlthemen behandelnden Beiträge in den Sammelwerken: Classical Influeii- Ces on Europern Culrure A. D. (oo-i5co (Proceedings of an Internntionrl Conference held at

King's College C m b r i d g e April ,969) hg. von R. R. Bolgnr (Cambridge ,971: wenig zur Karo- lingerreit); La cultura nnticn nelPOccidenre larino da1 VII alPXI secolo (Settimme di srudio del Ceniro italiaiio di studi rull'alro medioevo 11, r8-24 ~ p r i l e ,974. Spoleto ,975; besonders B. Birct~off und G . Vinry). Wichtig jetzt de r nach jüngsrcn paläegraphirchen Erkennrnisen gearbei- tete Aufsatz von B. Bischoff, Das benediktinischc Mönchtum und die Übcrlieferungdcr klassischen Literatur: Studien und Mitteilungen zur Geschichte der Benedikriner-Ordens und reitiei Zweige 92 ( ig8i) i65-'90 mit weiteren bibliographischen Hinweisen.

I Neuesre Lireraiurüberrichren zu Einhnrd: Deursches Lizeratur-Lexikon 4 (Bein, München . . '/l9?2) 14-60 (P. Ochrcnbein); Die deutsclie Literatur der Miirelnlrerr. Veifasserlexikon 2 (Berlin, Nerv Yoik 'Irg80) 420-425 (I. Eberl). 'I. von Ranke, Zur Kritik fränkisch-dcurscheiRei~lirnnnalisten ( 1 8 5 ~ : zirierr nach dem ereänz- .

ten Neiidiuck: Simmrlichc Werke 11/52. Leipzig i888) 96. 'M. Manitius, Einhartr Werke und ihr Stil: Neues Archiv 7 (r88z) 1i7-568. Auf einen Anklang

an Solinus in der Karlrviin (Cap. I 5) machre B. Simson aiifmerksam (MG SS rer. germ. in usum schol., Einhnrdi Viin Keroli dfngni edirio sexta. i 9 i i , S. 1 8 Anm. r).

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I.ivii<r r<nd Einbard 3j7

gen' vervollständigen den crlauclrrcri Aiiiorenkreis die Manitius' scliarfciir Aupc 7unächsr entgangenen Sallust, 'I'acitus (Hirtoricn), die Ifirroru2 Augr<rtn, Dictys und Darcs, Festus und Sulpicius Sererus. Eduard Norden lobt denn auch: ,,Der Stil Einharts ist von Manitius . . . vortrefflicli heiiandelt worden",? und nian wäre gern geneigt, einem Kenner wie Norden itiibesehen Glauben zu sclieiikeri, mclde- ten sich nicht, scliw-ach zunächst. Gegenstimmen zu \Vort." ,,Ganz klar hat man übrigens", resümierte erst kürzlich Franz Brunhiilzl, „die Sprache Eiiiliards noch nicht erkannt. Die iiblicliern-eise angeführten Parallelen usw. Iialtcri durchnris nicht alle dcr Nachprüfung stand."" Und deutlicher wird I>aul Leliniann: ,,Man sagt, Einhart habe die Germania und die Annalen gelesen. Jedoch ist das für mich rcclit zweifelhaft."" Hat Eiiihard nun oder hat er nicht? Gellen ~ i r den .,Nacliweisen" von Manitius etwas näher nach.

Mißlich ist von vornherein, daß Manirius unbeirrbnr. man könnte auch sagcn mit unbelehrbarem Starrsinn, Einhard für den Verfasser von \Verkeri hielt. die er in Wirklichkeit nie geschrieben Iiat." Der Grund: Manitius war davon iiberzeiigt, nu r die sprachliche Analyse führe „zu einem abschliessenden Ut-rlieil", nicht die Iiisto- rische Untersuchung.'( Und nach seiner, vor, Noiden gefeicrtrn Sprachanalyse hatten Vita Karoli, Reichrannalen und Anfialer Einhardi von ein und demselben Verfasser Z U starnmen, eben von Einhard.

Maniiius' ,,abschliessendes Urrheil" hat andcrc bekanntlicli (und zuin GliicK)

' M. Maiiitiar. Nacl i tng: Neucs Aicliiu 8 (1883) (97; d w s . Z~ii dcm Epos Kn>olr<r ilfnprir<r ct

Leo pnpn: Ncucs Archiv 9 ( ~ 8 8 4 ) 61 7: deis., 71, deutrrl>ci> Ge~cliichrs~uelleri drs 9. bis i i .

Jnhrhiindens: Neues Archiv i t (1886) 67 i.; dris., Zu l'inliarts Virn f i rn l i : Ncurr Archiv i i

(r887) l o j 1.; d e m , Zu deutschen Geschic l i r~~uel lsn des 6. und r r . Jahritanderrr: Nci ies Archiv ( 3 (1888) ir2 f.: derr., Nachträge zu Eiriliarrr Stil: Mi r r l i~ i l un~en der Insritiits iiir &reireirliirrlie Gescliicl>rsforrcliung r8 (i897) 6ic-61 j . Neben Salliirt, Tacirus (l-lirij, der i f i$ tor in Ai<gi<rrn. Diciyr uiid Darer. Fcstur iind Sulpiciiis Severus wer<len hier weircre Stellen der hcrcirs i i i N A 7 genannren Ailtoren iiachgerirgen. ' E. Norden, Die nritike Kuiirtprora 2 (Le i~z ig , Ilerliii 'isqog) 749. '"Wenn iiiclit als Ges<ni,orum, so doch als Enihalturig darf die Ei>tsclieidun~ der lerzteii M G -

Editors der Virn Knroli Mngni Holder- fgger (r. uiiren Anm. 22) gewertcr re idei i . die nieirrcn dcr von Mznitiur anpefühnen klaraisclien Quellensrclleii nicht i i i i Appai-ar 7.u rcrnirrkcti. Allrrdiiigr hat der Hernuspcbcr - was bei einer kririsclien Edition doch zu foidcrn ist -- mcli keinc brroii<le~ ren eigenen Ansrrengui~gen zur Erfassring aller nacliweishar unniirielharrn \'urlagen <ler Wcrker unternommen.

" F. Rninhölzl, Geschichte der laieinirclieii I . i tentur der hlirielalieir 1 (Miinchcii 1971) 319 Anni. 4. Skeptisch hinsichtlich der Reweirkraft von hlanirius' 'llhellcn schon S. licilmann, Eiii- hnrds iireiarische Sielliing: Ausg~rnählre Ahl>.indlianpen zur H i ~ t o r i o ~ r a p h i c und Geisresgeschicli- re des Mirrel.lters (Darrnstadr ~ 9 6 1 ) 187 Afini. roq (l'irdmck: Hirroiische Vicrrelinlirsclirift 27, ~ 9 3 2 , 68 Arim. $04).

" P. Lehmmn, Dic alte KlorrerLibliorlick Fulda lind ihre Brdeuriing: Eiiocscliuiig des Mitreinl- reis. AusgenRlilrc AhhandIi>ngcn iiiid Aufsätze r (Srurigart i qq , ) i i g (Erstdruck: Aus dcr 1.iiides- bibliotliek I:uld.i 2. Juli ig i8 , J , ) .

' 5 Noch iii seiner Grrcl>ichre der lateinisclien Liteirtur der Ivfirrelrlteir I (Müi>clicn 191 T ) 639 hält Manirius es „trotz der ablehnenden 'Ialtiiiip von Syhel und andriri- 1:orrchci doch (für) sehr wshrscheinlicli. da8 Eiiiliari am Hofe die ropenniirircn Loischer Anrislcti von 79j an iorrscrzre".

'' Mmititis (wie Arini. 7) a9.

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140 Ift~bert Mordek

nicht davon abgehalten, die Autorenfrage erneut zu untersuchen und zu ganz anderen Ergebnissen zu gelangen.'' Hermann Blochs scharfsinnige und überzeti- gende Darlegungen sind inzwischen Allgemeingut der Wissenschaft:" Einhard hat weder mit der Abfassung der fränkischen Reichsannalen noch mit ihrer Überarbei- tung in Form der sog. Einhardrannnlen etwas zu tun. Die Annakr qui dicuntur Einhardi sind vielmehr als Vorlage für Einhards Vita Karoli anzusehen.

Damit schrumpfen die langen Listen von Parallelstellen, die Manitius für Ein- hard reklamierte, erheblich zusammen. Und natürlich entbehren jetzt auch jeder echten Beweiskraft jene antiken Texte der allein noch heranzuziehenden Vita Ka- roli und der Translatio rs. Marcellini et Petri," die in gleicher oder ähnlicher Form schon in den Annalen auftauchen, Einhard also problemlos über jene Zwischen- quelle entlehnt haben könnte, deren Benutzung an anderen Stellen des Werkes zweifelsfrei feststeht."

Was bleibt dann überhaupt noch an direktem Zitat aus antiken Autoren, bei- spielsweise aus Livius?

a) Livius und Einhards Tranrlatio Sr. Marcellini et Petrir9

Drei Livius-Stellen machte Manitius namhaft:'"

romno excitur (Translatio Cap. 15; Li,.. I , 7 ) morbo implicitur (Cap. 40; 23,40) pro dolor! (Cap. y I ; 22, 14).

Keine der zitierten Wendungen ist bei näherem Hinsehen spezifisch livianisch. Lange Wortkolumnen sind zur Erläuterung gar nicht nötig, es genügt der Hinweis,

" Zur lebhaften Diskussion um die Verfassench~ft der Reichsannalen und ihrer Überarbeitung vgl. Wattenbacli - Levison - Löwe, Deutschlands Geschichisquellen im Mitrelnlrer. Vorzeit und Karolinger 2 (Weimar ipyj ) 111 ff.

z6 1.i. Bloch, Rezension von G. Monod. Erudes critiques sur les sources de I'hisroirecarolingien- ne I : Götringische gelehire Anzeigen 163 , 2 (Berlin ,901) 872-897. " Einliardr weitere literarische Produktion gibt für die Frage nach seinen klassischen Vorbildern

wenig her; selbst die Briefe (MG Epp V, ed. K. Hampe, <oy-i4(), in denen man noch am ehesten Zitate erwarten könnte (vgl. epirt. 57, 138: Benutzung des Vitruv, De arcbitenr<rir und Zitat nur Vergil, Georgicn), sind in ihrem schlichten. persönlich gehaltenen Stil für Livius unergiebig. Auf das problemieiche Aachenci Knrlrepor, das D. Schaller, Das Anclieiier Egos für Kar1 den Ksirer: Fiühmiirelalreiliche Studien $0 (1976) i 6 3 f f . mit beachtlichen Gründen wieder als ein möglicher Frühwerk Einhaidr ingesprochen hat, gehe ich hier nicht ein.

5' ' ' initiv geklärt von Bloch (wie Anm. r6 ) und H. Wibel, Beiträge zur Kritik der Annaler regni Frnncorion und der Annnler q d. Einhardi (Stnßbuig ,902).

"Benutzte Edirioncn: l i i i Livi ab wrbe condita, libri I-X, XXI-XXX, edd. R. S. Conway - C. F. Walters - S. K. Johnson, 4 Bde. (Oxfoid 1914-35); Einhardi Tranrlatiorr. Morcclliniri Priri, ed. G. Waitz: MG SS 1 5 , i ( ~ 8 8 7 ) 138-264.

z* Zwei weitere Stellen sind in Trrnslrtio (Cap. 30. 37) u n d Vita (Ctp. r r . 18) belegt, s. dazu unreli Anm. 24. DaR dem geläufigen metztionem Jncere (Traianrlatio C n p . I : meniiofieret), zitiert in Vita Cap. 2 0 wie schon in den sog. Einhardrnnnnlen (zu a. 787: mentio Jaciefilrret), jede Beweis- kraft fehlt. bcdarf wohl keiner besonderen Begründung.

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daß son~no excitur u. a. bei Sallust (Iiig. 7r) , 1nor6o inq~lirirns U. a. bei Caesar (C,.. . 3, 18) anzutreffen ist, bei Autoren demnach, deren Werke nufzrund anderer Beleg- stellen ja gleiclifalls zum Qiiellenarsenal Einliards gehört haben sollen. Und das gängige pro dolor kann getrost noch ziirn ah~iven YiJcii<irisciintz eines Iicutigen L.;itei- ners gerechnet werden. Daß ein Einhard erst bei Livius hätte nachsehen müsscn, urii auf den Ausruf pro doiolor! zu verfallen, klingr doch ganz uiiwalirscheinlich," dazu in einem Werk, das stark von kirchlich-religiösen, Geist geprägr, in dc i Sprache bewußt einfach gehalten ist und frei von klassisch-rlietorischem Schmuck. Nein, Livius scheidet m. E. aus als direkte Quelle für Einhards Ti-anslatio 1s. Mnr - cellini et &tri.

b) Livius und Einhards Vita Ikrol i Magni''

Und was haben wir von der nachweislichen Livius-Benutzung in Eiohnrds Vitn Karoli Magni zu halten?

Knapp die Hälfte der von Manitius herausgepickten Lirius-Phrasen neutralisie- ren sich selbst durch ihr Fortl~beii auch in den (überarbeiteten) Reicl~.cannaleti, d i r Wortkombination inzidiir oppidanorurn interceptus (Vita Cap. 13) z. B. ist sogar zweifelsfrei, da wörtlich iibereinstimmend, aiis den sog. Einhardsannale>z (zu a.

799) entlehnt und nicht aus Livius, der mitper inrirlias interrepti die Urlieher des Ilinrerhalts völlig im dunkeln IäRt. Alle übrigen ,,reinen 1.iviana" lesen wir - abgesehen von einer doch kauiii aussagekräftigen Konstruktio~lsparallele quu nidli-

um neqrre. . . neque . . ." - mirunter sogar mehrfach auch bei Veigil, Ovid, Cicero, Caesar, Sallust, Seneca oder Iusrin.'< Warum -diese Frage drängt sich natürlich

'I Es ist zudem melir als unsicher, ob ir pro lioio~! überhaupt in .,seiner" I.ivius-Handschrift Iiärre finden könncn. Nach Ausreis der kritischen Editionen licsr m a n pm iloinr! nur in jiingeien oder korrigierteii Überlieferungen, alle nlren Codices schreiben dagegen pro! (ohne doior). Aucli im gesamten übrigen \Werk des l.ivius r i r d p r o doior! veiinißr, ugl. D. W'. Ptcknid, A Concordnn- ee io I.ivy r (C;imbiidge, Mars. ,968) r p i .

" ßenutzre Editionen: Liviuss. oben Anm. i g : Einhnrdi Vita Kalaii Mag>?,, cdd. G. H. Perrz - G. Wairz - 0. Holder-Egger (M<; SS ver. gern,. in urum rchol., ' I iq i i ) .

" Manitius ha t diese Konprueriz relbsr erst in einen, späiercn Siclirungrgaiig erfaßr (Neuer Archiv I i , ,886, 67).

"Ich gebe im folgenden n u r eine Aurn,nhl der für unsere Argumeritrrioii bercichncriden Srelleii wieder. Vollständige ßelegnmnilung (soreir alphrbetirch erfaßr) ini Thcraurur linguae I.atinsc (Leipzig igoo ff.). Zu Vita Cap. 6 ( p r omnii<ni indinotne) C ~ I . auch Cic. Serr. 67: a d melioie»a rpein i~zn'inniio und Quinr. &d 246: rper inclinnta; zu Vitn Cnp. g (noniirimi agnrinir incedenrer) rs l . auch Sall. or. Lep. 2 4 : ogmine.. . incedit; zu Viin C a p i i (irtncro Joedcre ci<m liiozir; ähnlich Gap. i 5 : iz<nnc<m o'm eo Joedr<r und 7kniiniiu Cap. p:focdur tacuni iungrre) vgl. auch Caer. Galt. 6. i, i: Joedere adii'ngxnt, Vag. Aen. 7, 146: f~edero iroignnt, O v . Met. 7, 403: Joede~e ivngit, u.n . (allerdings ohne den otm-Anrchi<~ß); zil Vita Cap. r2 (rrgi? rigna ii~iiac ieqi<ebo>itur) ugl. auch Saii I i < g 80: rigna ieqii, Veig. Acn. ro, 258: rig»n reqi<nntirr. Sen. epiit. $ 1 , 7: rignn irqi<enribi<r u a . ; zii Vita Cap. 1 3 ( ' 4 ) (dix durnie non poti<erioit) ugi. statt Liv. 23, r8 (rnepc ac dir< Anrnri<mj Or. M e t . 7. 446: diiiferti<r di<rerre, Seil. hen. 6, 3 i , 4: diir dirrnre U. a.; zu Vita Cap. I 5 (beiio <o?fli.~itj vgl. auch Trog. pro1 io: belio conj7ixii; zu Vita Cap. 18 (rnemori'ze non ocriorit; ilinlich Tranrinrio Cap. 17: mrmoriae occioreri,,i) vgl. niirli lusr. 14, 6, io: mr>norinr oro<rrcnirbr<r.

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auf - ausschließlicli auf Livius-Pfaden wandeln, wo andere Autoren-Wege ebenso sicher (oder unsicher) nach Rom führen? Die Spuren verlaufen sich, und einmal zumindest hat sich Manitius ganz gewiß geirrt. Denn in Cap. 13 (früher 14) meint Einhard mit diu durare die zeitliche Dauer (der Kriege), Livius dagegen (23, 18)

hebt mit raepe uc diu dzruturn das Ahgehärtetsein (der Truppen Hannihals) hervor.''

Es geht also nicht an, quasi im FDV-Verfaliren gleiche oder ähnliche Worte und Phrasen aus den Werken verschiedener Schriftsteller aneinanderzureihen und aus den Listen dann o l ~ n c genaue Prüfung des Sinnes und des Kontextes, ohne sorg- samste Suche nach weiteren Parallelen im gesamten fraglichen Umfeld einfach eine historische Abhängigkeit des jüngeren Autors vom älteren zu konstruieren. Von Sybel hat es gegenüber Dorr treffend formuliert und er hätte das gleiche zu Mani- tius sagen können: „Ein ganz ansehnlicher ?heil seines Materials bekundet nichts weiter, als dass beide Autoren für gewisse Begriffe dieselben Wörter. . . verwen- den, wie das ein Jeder thut und thun muss, der eben lateinisch ~chreiht." '~ Einden- tig klassische Wendungen - dies ist unser zweites Fazit - lassen sich in ihrer Verkürzung und Umbiegung im neuen Kontext oft nur schwer auf einen einzigen Autor als Quelle zurückführen. Für eine „sehr starke Benutzung" des Livius durch Einhard, wie sie uns Manitius glauben machen will," wären die Beweise auch bei der Vita Karoli Magni jedenfalls erst noch zu erbringen."

Der Kontext läßt keine andere Übersetzung zu, vgl. Vita Cap. i3 (rq): (Belli<m) Roemonici<m quoqxe ei Linonimm, quae portea exorrs iunr, diu durare non poii<erunt. Quorum uirumque . . . celerifine conpletirm ert, und Liv. 23, 58: Ibipertem maiorem hiemir exercitrrm in tecrir hnbz'it, oduerriir omnio humanc malil rnepe ac dir< di<raii<m, bonir inexpertum nrqi'e inruetum.

"H. von Sybel, Nachwort (zu R. Dorr, Beiträge zur Einhardsfiage): Neues Archiv ro (1885) 305 f.

Manitius: Neues Archiv 7 (r881) 5'5; etwas ~hgesciiwächt („In Einharts historischen Schiif- ren ist die Benutzung der 1,iviur eine zicmlich ausgedehnte"): Phiiologur 48 (1889) 571, -Die von Manitius angeführten Übereins6mmungen scheinen mir auch keineswegr ausreichend für die Folgerung: „Die pcriochae.. . haben wohl vollrtändig vorgelegen" (Neues Archiv 7. ( ~ 5 ) . '' Daß Livius irn Mirrclaltcr nicht eben zu einem Berrselleiautoi avancierte, hat schon Maiiirius

zugegeben: „Hzndseliriften des Livius weiden in alten Bibiiorhekrkatalogen nui wenig erwähnt und auch Citare nur Livius finden sich irn Mittelalter nur selren" (Philologus 48, ,889, $70). Livius wurde auch zu keiner Zeit - wie G . Glruche, Schullekrüre irn Mittelalter (Münchener Beiträge zur Mediäuirtik und Rennissance-Forrchuiig 5 , München ,970) 80 Anm. 42 betont („Liviur gehörte zu dcn Kostbarkeiten unter den Klarrikertexten") - in den 1,ekrürekanon der miirelalterlichen Schu- Ir? aufer.nommcn L,,.h iilltc eiiir hcacl i t l~~hc l i \ i i ><-Kr ! t i i< :ancr ini Spiiiiiiiielalrsr ni:ht uL<.i-

~ c h e n n c i J < , o : tpl hl l'iiliiniann. I.i\tu<. I)cr Klrtne I>aiilv ) .Iii Ti<;licnl>u<h $96). 84-9 C i ) >

\Y ahrC.n,i A r r !.aiii!,:!>,iiilichi,i L'l>i.rlnfvruiic in kriti<:lirn F.itxincri iuid I-~i,r<~liinii.r\,i< hun:en " vielfach nachgegangen irr (neuere Littistur bei L. D. Reynolds - N. G. Wilson, Sciibes and Scliolnrr. A. Guide t o the Transmission of Greek 2nd Latin Literarure, Oxfoid '/rg;q, 23'; vor

allem L. Trailbe. Pnlne~gra~hische Forschungen 4: Bamberger Fragmente der vierten Dekade der Livius [Abh. der Hisi. KI. der Kgl. Bay. Akademie der Wirr. 24, I . Abt., München] ~906,)-44; G. Billanouich, Petrarch and the Texrurl Tradition of Li-.: Journal of the Waiburg and Courtauld Institutes 14, rgr l , 137-208; dazu für die i. Dekade: R. M. Ogilvie, n i e Manurcript Tradition of Livy's First Dccade: n i e Clarrical Quarrerly, N. S. 7, ,957, 68-81; für die 3. und 4. Dekade: G. Parquali, Storia delln rrndizione e criticn clel iesto, Florenz '11971, 83 ff. und iüngsr A. de la Mare,

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Liviitr irnd Einhard 341

Mit diesem negativen Zitatenhefund soll nicht gesigt sein, der Franke habe das Werk des Römers überhaupt nicht gekannt. In I:iilda und vor allem später a m Königshof hatte Einhard Zugang zu den besten Bibliotheken des Reiches.'9 Hier konnte er seinen Livius studieren, sowie eine Menge weiterer antiker Autoren; hier bot sich ihm die Möglichkeit, seinen eigenen lateinischen Stil mit klassischen Mu- stern anzureichern, ohne da8 ihm später beim Spracligebrauch die Provenienz jeder einzelnen Phrase noch präsent gewesen sein muR.

Seine Hauptwerke schrieb Einhard ja erst im otiurn, als er sich wohl 830 zu beschaulich-frommer Lebensweise in die Einsamkeit von Ohermühlheim-Seligen- stadt am MainlP zurückzog." Da8 er dorthin aufs I.and, wo ihn vornehmlich religiöse Probleme beschäftigten, einen ganzen Bücherberg heidnischer Autoren mitgeschleppt haben soll, will nicht recht einleuchten.,' Sueton - ihr1 hatte er gewi8

Florentine Mantiscriprs of Livy in the Fifieenrh Century: Livy. hg. von T. A. Dorey, Greek and Larin Srudies. Clasrical Lirerature and itr Influence, Loiidon, Toronro 197,. '77-191 mir einer langen Handschrifrenliste vor allem der 4. Dekade, igG-igg), uäic die Geschichte der I.ivius- Rezeption im Mittelalter erst noch zu schreiben. Für unsere Zeit nichts Ncuer hierer B. Docr. Livy 2nd ihe G c r m ~ n s : I ivy, hg. von T. A. Dorey (wie oben) 97-t 17.

' 9 Wenn 'ich der Bücherberiand karolingischer Klöster auch nie lückenlos wird rekonstruieren lassen, neueic Forschungen Iiahen doch beinerkenswerrcTrileii,sichren cröffnet in dic Vielfalt und Breite frühmirrelnltcrlicher Bildungninteiessen gernde in den geis~igen Zentren der Reiclier. Zu Fulda, für das uns mehrere alte Vcireichnisse vorliegen, rgl. besonders 1'. 1.elimanii. Piildaer Studien (SBAW', philor.-philol. und Iiist KI. i y j , Abh. 3 und ,927, Abli. z), dens., Fiilch und di r antike Literatur: Aur Fuldas Geistesleben. Festsclirifr riiin i(ojilirigen Juhillum der Lrnderhi- bliorhek Fulda, hg. von J. Ilicele (Fulda 1918) 5-13 und dens. (wie ohen Anm. 12) arj-231

(Ersrdruck ( - i%). Auf die berühmte Hofhibliorhek Karlr d . Gr. irr - neben Erkenniniaren aus liceratirchen Emähnrrngen und pa130grrpliirchen Untersuchungen - neues I.ichi gelallen durch den Hinweis B. BischoMr, der iti Cod. Berlin Diez B. 66 überlieferte Katalog römischer Autoren beschreibe wahrscheinlich Bücher dcs Hofes, vgl. B. Bisclioff, Die Hofhibliorhek Knrls der Gro- ßen: Karl der Große. Lebensn-eik und Nachleben 2 (Düsseldoif ,961) 4-62 (61: ,.Wenn.. .auch nichr mehr als eine recht zufällig tusgewählrc Liste von Tireln . . ., s o . . . d o c h . . . ein originales Dokument von größrem Wen fü r die Homibliorhek aus der Zeit um 790"); niich deiir., Hadoard und die Klassikerhandschrifren aus Corbie, in dessen Mirtelaiterliclien Siudien. Ausgca~llilre Auf- sätze zur Schriftkunde und Liternruigerchichre r (Stutigarr ,966) 6s ff.

1'Nichr im Odeiiwald, wie in der Geschichte der Tentübeiliefrrung der antiken und mittelalter- lichen Literatur i (Zürich ,964) 49 irrtiimlichcrn,eire angegeben.

1' Mir K. Hauck, Versuch einei Gesrmtdeutung des Einhaid-Kreuzes: Das F.inliardkrcu7. (AAG, philo1.-hirr. KI., 1. Folge, Ni. 87, Görtingen 1974) i7: f. halte ich an dcr Abfrsrung auch der Karliuitn in der Ungesiöirheir von Obcrmühlheim-Seligenstndt fest. rahisclieinlicli zu Begirin von Einhards dortigem Aufenrh;ilt: vgl. riich K. Hauck. Das bisherige Ergehiiis der L3skussion des Einhard-Bogens (ebd.) 30 f. (in diesen, Beitrag allerdings unbertinimrer: .,\'ielinehi rchiieh Einhsrd die Vita, bevor er in den Dienst der rex und dominirr lerrrr Chri<ii<r iiberirat."). Von Obeimühlheim-Seligenstad~ als Enrrrehiingrorr der W a möchic offenbar - wenn ich ihn recht verstehe - J. Fleckenstein. Einhard, reine Gründung und sein Vermlchinis in Seiigensradt (ebd.) r r 6 f . abrücken, doch scheint mir dar unruliige Leben am Hof in den endenden z<unnriger Jahren des 9. Jahrhunderts ein wenig passendes Ambienre für die Schnffuiig eines so kon,.eoriierr ge- schriebenen, bis ins einzelne duichkomponieiien \Veiker wie der Knrliuirn.

1' Selbrtverrtändlich Iiat sich F.inh;ird iiiclii völlig ohne Lirci;rtui in sein Alteirdomii.il ziriick- ge7,ogen (s. auch oben Anm. 17). \Vir wissen aber nicht einmal, o b ilin sänirliclie Bücher nacli

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als Folie für seine I(ar1suita zur Hand,'' sehr wohl auch Cicero; ansonsten aber wäre fü r jeden einzelnrn antiken Autor noch eingehend zu ~ r ü f e n , o b sich seine zwingend schwaclic oder „starke Benutzung" durch Einhard nicht ebenso in ne- belliafter Unbestimintheit auflijst wie die Spuren Liviiis'.

Die geforderte neue Gesamtbestimmung der siclier zu erweisenden, bewußten Übernahmen klassisclier Autoren durch die Karolinger - im Unterschied eben zu antiken Reminiszeiizen, wie sie jedem Gebildeten damals von selbst in die Feder fließen konnten - würde auch weiterhelfen, den Stil jener späteren Schriftsteller, speziell den eines Einhard, angemessener zu verstehen, sachgerechter zu beurtei- len.'' Wer nur auf \Vom sieht und diese Worte lediglich unter dem Aspekt ver- folgt, o b ein anderer sie schon vorher einmal benutzt habe, der muß ja laufend quelleniündig werden, und mit jedem neuen Text mag er triumphierend verkün- den, „die Selbständigkeit der Schriftstellerei Einharts (sei) wieder um ein beträcht- liches geschmälert"." Und wer - wie Bernheim - das frühinittelalterliche Latein nur an der Sprache der Klassik mißt, Iauft eben Gefahr, die Karlsvita fiir ,,ein(en) mühsam zusammengearbeitetc(n) Er~t l in~sversuch (zu halten), der überall den Mangel an selbständiger Herrschaft über Stoff und Form verräth"."

Wie schwer sich der humanistisch Denkende mit dein Verständnis livianisclier Übernahmen in der Karolingerzeit tun kann, zeigt - um abschließend noch ein weiteres Beispiel aufzugreifen - das Bemühen Simsons, die Verarbeitung einer Livius-Phrase durch den sog. Einhardsannnlisten als einen ,,Mißgriff" zu erwei-

Ohermühllieim-Seiig~nstadt begleireren, die Lupus von Ferrieres nach einer Fuldaer Lisre im B e i t z Einhards wähnte (Qi'or vor habrre d r b i t r o r , propteren quod in brevi voluminum ve- rtrorilm.. . rmiprum repperi.. .; hlG Epp V1 8). Von einer Scligenstädter Schreibrchule zur Zeit Einhnrds sind keine Zeugnisse bckannr, vgl. B. Bisclioff, Pnliogiaphie und frühmirtelalrerliche Klasrikeriiberliefening: La cultura anticr neli'Occidente latilio da1 V11 all'X1 secolo (wie Anm. 4) 7' ff.

Zur Einhrrdrchen Technik der Sueion-Benutzurig ziiletzi: W. S. M. Nicoll, Some parrager in Einhaid'r Vita Karoli in ~elatio" to Sueroniur: Medium Aerum 44 ( ~ 9 7 1 ) rt7-r~o.

Weiterführende Erkenntnisse brachien in iüngcrer Zeit nach Hellnisnn (wie oben Anm. i r )

vor allem die Arbeiten von H. Beismann, Ideengescliichtliche Studien zu Einhard und mdcren Gerchichrsschreibern des früheren Mittelalteir (Darmrtldt ,962) und H. Löwe, Religio chrirtiana, Roni und das Kaisertum in Einhards Vita Knroli Magni: Sroriografin e Sroria. Studi in onore di Eugenio Ilupre Iheseider r (Rom ,974) L-20.

'I M. Manitius, Zu Einharts L'ita Kdroli Neues Archiv i > (1887) 206. Abwertender noch E. Bernheim, Die Km Karoli Mngni als Ausgangspunkt zur literarischen Beurtheilung der Hisrori- kers Einhard: Historische Aufsätze, dem Andenken an Georg Wzaitz gewidmet (Hannover r886). der zögert, iiberhaupt von einem Stil Einliardr zti spredien (92). seine „unselbriändige Arbeitsarr in Konzipierung, Dirporirion und Ausführung des Werkrs" anprangert (96) und die ,,selbständige liirrarische Individiialirär" Einhards gar ins Reich des Mythos verweist (91). Eist Hellmtnn (wie oben Anm. i i ) hat in einfühlsamen Analysen die lirerarisclie Bedeusung Einhards wieder ins iechre Licht gerückt. '' Bernlieim (wie vorige Anm.) 96. Deutlich gemäßigter schon der Bernlieim-Schüler A.

Schniidt in seiner Dissertation Die Sprache Einhords (Greifrwnld ,904). - Liviur wurde übrigens frülier von altphilologischer Sciic ebenso gründlich mißveisranden wie Eiiiliaid von mediävis<i- scher land für einen „bloßen Kompilator oder Centoflicker" gehairen, vgl. E. Burck, Einführung: Wege zu Livius, hg. von E. Burck (Wege der Forschung i 32 , Darnisiadr ,967) 3 f. (Zitat 4).

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sen." Livius wie Annalist betonen, die (jeweils angesprochenen) kriegerischen Niederlagen seien für die Verlierer weniger aufgrund der Zahl der Getöteten als wegen der Bedeutung bestimmter gefallener Persönlichkeiten erheblich gewesen.'' Wenn bei Placentia Römer wie Feinde etwa gleichviel Krieger verloren, die fränki- sche Schar am Süntel aber fast aufgerieben wurde, so Iaßt sich m. E. durchaus aus beiden unterschiedlichen Prämissen - anders als Siinson will - ein Sinn für den eben skizzierten Vergleich gewinnen. Einmal handelte es sich bei den Franken ja nur um eine auf eigene Faust agierende Teiltruppe, keinesfalls um ein großes Heer,I9 so daß sich die Verlustdimensionen in etwa zurechtrücken. Zum andcren ist der karolingische Annalist kühn genug - und dafür verdiente er eigentlich Lob statt Tadel -, im freien Umgang mit der Vorlage eine neue Akzcntilierung zu versuchen: Höher noch als die Römer schätzten offenbar die Franken das Gewicht jener Großen ein, deren Tod sie schwerer traf als der Verlust fast aller übrigen. Wenn also schon ,,Griff", dann eher Kunstgriff, nicht Mißgriff von sciten des Annalisten.

Auf ein adäquates Verständnis mittelalterlicher Autoren kommt es an, auch und gerade hinsichtlich ihres Verhältnisses zur Antike. N u r weil sachfremde Wertrnaß- stähe die Kategorien zur Beurteilung abgaben, konnte derselbe Einhard im 19. Jahrhundert zum blutigen Anfänger werden, der von den Zeitgenossen ein Jalir- tausend zuvor noch alsprudentissimus,'" doctüsimus" ingenioque sagax4' gepriesen worden war. Heute hat uns die Philologie in verdienstvollen Forschungen wieder an die Ursprünge herangeführt. Sie hat Uns den Blick geschärft für die Eigenart und den Eigenwert des mittelalterlichen Lateins" und in Einhard einen der ersten erkannt, der „die neue Sprache vollkommen beherrscht und in den Dienst des

B. Simson, Kleine Bemerkeiigen zu karolingischen Annalen. 3 . Ueber Benurriing des Liviur in einer Stelle der Annales Eicihardi: Forschungen zur Dcurschen Geschichte 14 (1874) 136 f.

'"iv. z i , $9: Annairr qui dici<nti<r Einhardi (zu 1. 782):

Srd maior Romnnir qunm pro numero innirrn Sed mainr Frnncii qwam pro >ii<mero iacci<rafi<it, fxit, qriin equerrrir ordinir nliqi<ot er tribnni quin lcgaroruni dxo, Adnlgiii<r et Geilo. comirurn militi<m qxinque et piaeJeni rocioru>n trer qi<iittuor alion<mqi<e dnrorr<m nlqite nobiliion runi intefecti. urque ad viginti interfedi.

19 Von „eine(r) rnselinliche(n) Srreirniachr", wie sie S. Abei - B. Siniron, Jahrbücher des Fränki- schen Reicher unter Karl dem Grollen i (I.eipzig'li888) q i8 nnnetimen, sagen die <2<iellen nicliis. Man sollte nach dem \Villen Knils des Großen ja nur gegen ein paar rebellische Sinven roigelicn (Siauor paucor; Annnler regni Fmncorion 'U 1. 781). verlor aber das olfenrictirlich Iiarmlose Ziel sofort aus den Augcn, als der Sachsensufstand hcknnnt wurde. I.+e ( r i e Anm. i ) iqz spricht denn auch nur unbesrimmt von „eine(r) liänkische(n) fleeresabreilung". '" Vita Hbdowici impernroris des sog. Asironomur Cap. qr (MG SS 2 . ed. G. H. Peitz) 631. " Gerta rannorrun potrxm Foninnellenrir coenobii Cap. $3, ed. F. Lohiei - J . Lnporre (Paris

1936) 94 (= Crp. 1 7 in der MG-Edition von G. H. Perrz, SC i, 291). Errnoldi Nigelli i>i honorr7n Hii~dowici libei 1, 32 (M<; Poeme Latini 2 , ed. E. Dümmiei,

$884, 211. 'J Vgl. die Beirräge im Sammelband: Miriellateinirche Philologie. hg. von A. «nneilors (Wege

de r Forschung igi, Darrnrtadt ,971) mic der wertvollen Auswnhlhibliogrnphie von A. 6nne i lo r s 421-411 und die jetzt hequenl gesan>melten Aufs;irz.e i,on F. Ohly, Schriften zur mirtelnlreilichen Bedeuri~ngsforschong (l>armsirdr ,977).

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166 Hubert Mordek

Gedankens 7." zwingen" vermochte.'* Von dirscr Grundeinsicht wird jeder ausge- hen müssen bei dem mögliclien und gewiß lohnenden Versuch, das noch keines- wegs befriedigend gcklärte Verhältnis der Karolinger z.ur Antike auf literarischem Gebiet neu zu analysieren, gerechter zu bestiinmen. Das aber kann nur heißen: die Abhängigkeiten der frühmittelalterlichen Literaten von den Alten gegenüber ex- zessiven Aiislassungen zurückzunelimen auf ein realistisches Maß.

'' H~l lmmi i (wie Anm. i i ) 7: (= Aiirgewählie Abhandlungen i94).

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