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MATERIALDIENST Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen 73. Jahrgang 8 / 10 ISSN 0721-2402 H 54226 Evolutionsbiologie, Szientismus, Kreationismus – eine wissenschaftstheoretische Sicht Neue Glaubensartikel und alte Geschichte Quo vadis, Neuapostolische Kirche? Hausverbot im Friedensreich Zu Besuch beim Universellen Leben Wirbel um Germanische Neue Medizin Ryke Geerd Hamer will Habilitation Stichwort: Ortsgemeinden Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen

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ST Zeitschrift fürReligions- undWeltanschauungsfragen

73. Jahrgang 8/10IS

SN 0

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2402

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Evolutionsbiologie, Szientismus,Kreationismus –eine wissenschaftstheoretische Sicht

Neue Glaubensartikel und alte GeschichteQuo vadis, Neuapostolische Kirche?

Hausverbot im FriedensreichZu Besuch beim Universellen Leben

Wirbel um Germanische Neue MedizinRyke Geerd Hamer will Habilitation

Stichwort: Ortsgemeinden

Evangelische Zentralstellefür Weltanschauungsfragen

EZW, Auguststraße 80, 10117 BerlinPVSt, DP AG, Entgelt bezahlt, H 54226

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Hansjörg HemmingerEvolutionsbiologie, Szientismus, Kreationismus wissenschaftstheoretisch betrachtet 283

BERICHTE

Christian RuchAlter Wein in neuen SchläuchenEin Kommentar aus römisch-katholischer Sicht zu den neuen Glaubensartikeln der Neuapostolischen Kirche 298

Michael Utsch50 Jahre nach dem Tod von Johann Gottfried BischoffNeuer Anlauf zur Geschichtsaufarbeitung in der Neuapostolischen Kirche 302

INFORMATIONEN

Universelles LebenHausverbot im Friedensreich 305

Alternative MedizinHamer gegen die Universität Tübingen 307

GesellschaftKarlheinz Stockhausens Spätwerk KLANG – die Vertonung eines „Sektenbuchs“? 308

EsoterikGlücksproduzenten auf Käufersuche: Das neue Esoterik-Magazin „happinez“ 310

Ortsgemeinden (local churches) 311

INHALT MATERIALDIENST 8/2010

INFORMATIONENINFORMATIONEN

INFORMATIONENBERICHTE

ZEITGESCHEHENIM BLICKPUNKT

INFORMATIONENSTICHWORT

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AnonymusTraktat über die drei Betrüger 313

Bertram SchmitzDer Koran: Sure 2 „Die Kuh“Ein religionshistorischer Kommentar 315

Markolf H. NiemzLucys VermächtnisDer Schlüssel zur Ewigkeit 316

INFORMATIONENBÜCHER

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Am 12. Februar 1809 wurde Charles Dar-win geboren. Im gleichen Jahr publizierteJean-Baptiste de Lamarck die erste echteEvolutionstheorie, in der er die Vererbungerworbener Eigenschaften postulierte (La-marckismus). Allerdings konnte er sichdamit gegen die Theorie von der Konstanzder Arten noch nicht durchsetzen.1 1859erschien das Hauptwerk Charles Darwins„On the Origin of Species ...“, in dem ihmdie Zusammenfassung aller Argumente fürdie Abstammungslehre gelang, also fürein langes Erdalter, eine lange Lebensge-schichte, für die Verwandtschaft aller Lebewesen und ihren gemeinsamen Ur-sprung. 150 Jahre später beschreibt die Evoluti-onstheorie die Geschichte des Lebens alsein kompliziertes Wechselspiel von Gene-tik, Ontogenese (individuelle Entwick-lung) und Ökologie, das sich über Milliar-den Jahre erstreckt. Sie ist eingebettet inKosmologie, Geologie und in biochemi-sche Hypothesen zum Übergang von un-belebter Materie zum Leben. Allerdingsentfernen sich ihre komplizierten undabstrakten Begründungen auch immerweiter von der Alltagserfahrung und demVorstellungsvermögen der Nicht-Exper-ten. Wissenschaft und Pseudowissenschaftsind deshalb für Laien kaum mehr unter-scheidbar. Die aus dem protestantischen Fundamen-talismus der USA stammenden Ideen desKreationismus und eines „intelligenten

Designs“ sind solche Pseudowissenschaf-ten, die für Laien eine oberflächlichePlausibilität besitzen. Man braucht Fach-kenntnisse, um ihre naturwissenschaft-liche Unhaltbarkeit zu durchschauen. EinUnterschied zu früheren Jahrzehnten (bisetwa 1975) ist, dass viele Christen in Frei-kirchen, im Pietismus usw. heute auf ihrefachkundigen Mitchristen nicht mehr hö-ren, sondern ihr Weltbild mit einerscheinbar christlichen Pseudowissen-schaft abrunden. Ebenso schwer zu beurteilen, wenn auchaus anderen Gründen, sind atheistischeWelt- und Menschenbilder, die sich aufdie Evolutionstheorie berufen. Der Szien-tismus der „neuen Atheisten“2 stützt sichzwar auf recht verstandenes biologischesWissen, behauptet aber zusätzlich, ausdiesem Wissen ergebe sich zwingend einnaturalistisches oder materialistischesWeltbild. Von dem berühmten Paläontolo-gen Simon Conway Morris wird dieses Ar-gument als „Ultra-Darwinismus“ charak-terisiert: „Den Ultra-Darwinisten scheintselten aufzugehen, dass die Theologie ih-ren eigenen Reichtum und ihre eigenenDifferenzierungen hat und dass sie – selt-same Idee – uns tatsächlich etwas überdie Welt sagen könnte, was nicht nur sehrzu unserem Vorteil wäre, sondern was unsdie Naturwissenschaft auch nie zu sagenimstande wäre.“3

Die meisten Evolutionstheoretiker sindkeine Ultra-Darwinisten, z. B. Marc W.

Hansjörg Hemminger, Stuttgart

Evolutionsbiologie, Szientismus, Kreationismuswissenschaftstheoretisch betrachtet

IM BLICKPUNKT

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Kirschner und John C. Gerhart4, derenbahnbrechendes Buch inzwischen – wiedas von Conway Morris – auf Deutsch er-hältlich ist. Es ist deshalb unabdingbar,zwischen der naturwissenschaftlichenDiskussion um die Evolution und ihrerweltanschaulichen Verwertung zu unter-scheiden. Mit Recht hat der EKD-Text 945

von April 2008 die Überwindung falscherAlternativen zwischen Theologie und Na-turwissenschaft zum pädagogischen Zielerklärt. Darüber hinaus bietet das Span-nungsfeld zwischen Naturwissenschaft,Kreationismus und Szientismus dieChance, sich auf das Wesen naturwissen-schaftlicher Erkenntnis zu besinnen, da-rauf, wie sie gewonnen wird, was sie sagtund was nicht und was aus ihrem enor-men Erfolg zu schließen ist. Das wird imFolgenden versucht.

Gute naturwissenschaftliche Theorien

Naturwissenschaftliche Theorien zeichnensich (nach Gerhard Vollmer) durch Zirkel-freiheit und interne Konsistenz aus.6 Bei-des gilt auch für formale Idealwissen-schaften wie Mathematik und Logik. EinKriterium für empirische Wissenschaftenist die externe Konsistenz, also die Verein-barkeit mit dem gesamten Wissenshinter-grund. Für Charles Darwin war zum Bei-spiel ein Haupteinwand gegen die Evolu-tion, dass keine Energiequelle bekanntwar, die für eine Sonnenaktivität von Jahr-millionen ausgereicht hätte. Man disku-tierte eine Gravitations-Schrumpfung oderchemische Reaktionen auf der Sonne,ohne eine Lösung zu finden. Damit be-stand eine Inkonsistenz zwischen Biologieund Physik. Diese wurde durch die Kern-physik aufgelöst. Inzwischen ist die ex-terne Konsistenz der Evolutionsbiologieallgemein gegeben. Weitere Kriterien sind der Erklärungswerteiner Theorie, ihre Prüfbarkeit und der tat-

sächliche Testerfolg. Zum Beispiel publi-zierte Mendel seine Arbeiten zur Verer-bungslehre bereits 1865, aber Darwinnahm sie nicht zur Kenntnis. Sie hättenden Erklärungswert seiner Theorien auflange Sicht erhöht.7 Stattdessen entwi-ckelte er eine spekulative Pangenesis-Theorie, die unfruchtbar blieb. Erst diemoderne Genetik erweiterte den Erklä-rungswert der Evolutionstheorie entschei-dend. Er ist inzwischen ihre auffälligsteStärke, während Kreationismus und „intel-ligentes Design“ so gut wie keinen Erklä-rungswert besitzen. Entweder bieten siefür einen Befund wie den bekannten Fos-silbestand gar keine Erklärung an odereine, die den Kriterien für eine Theorienicht entspricht, etwa weil sie nicht prüf-bar oder extern inkonsistent ist. Die Be-hauptung, alle Meeresfossilien seiendurch die Sintflut abgelagert worden, ist z. B. mit Geologie und Physik völlig in-konsistent. Die physikalischen und geolo-gischen Altersbestimmungen sagen etwasganz anderes. Die Zusatzbehauptung,Gott habe die Fossilien vor 10 000 Jahrenmit der ganzen Welt zusammen geschaf-fen, sie seien keine Überreste lebenderWesen, ist zwar mit allen denkbaren Da-ten konsistent, aber eben deswegen nichtprüfbar und naturwissenschaftlich belang-los.Die seriösen Einwände gegen die Evoluti-onstheorie, soweit es sie noch gibt, zielenauf ihre Prüfbarkeit und auf den tatsäch-lichen Testerfolg. Karl Popper war überJahrzehnte der Ansicht, dass die Selekti-onstheorie an der Erfahrung nicht schei-tern könne, da sie nicht in Form falsifizier-barer (empirisch widerlegbarer) Sätze for-mulierbar sei. Sie sei ein „metaphysischesForschungsprogramm“. Diese Ansicht ver-trat er bis 1974, widerrief sie aber 1978aufgrund detaillierter Wahrnehmung derbiologischen Theorien. Erkenntnistheore-tisch hat sein Einwand sich seither erle-

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digt. Der Kreationismus und die Bewe-gung für ein „intelligentes Design“ kön-nen mit der ständig wachsenden Erklä-rungskraft und den vielen erfolgreichenÜberprüfungen der Evolutionstheorienicht mehr sinnvoll umgehen. Sie argu-mentieren entweder destruktiv (wie dieStudiengemeinschaft „Wort und Wissen“)oder polemisch (wie die islamistischenKreationisten) oder mit einer Grundsatz-verweigerung (wie die Organisation „Ans-wers in Genesis“): „Definitionsgemäßkann kein noch so einleuchtendes, er-kanntes oder behauptetes Beweismaterialauf irgendeinem Gebiet, eingeschlossenGeschichte und Chronologie, wahr sein,wenn es im Widerspruch zu den bibli-schen Berichten steht. Von elementarerWichtigkeit ist die Tatsache, dass das Be-weismaterial immer von fehlbaren Men-schen interpretiert wird, die nicht allesWissen haben.“8

Die Bibel enthält also nach Ansicht von„Answers in Genesis“ absolut richtigesWissen auf allen Wissensgebieten, das Er-fahrung und Vernunft vorgeordnet ist. DerKreationismus ist eine zu diesem Schrift-verständnis passende, alternative Sicht derNatur. Nach Michael J. Reiss9 darf manihn nicht als Naturwissenschaft interpre-tieren, sondern als geschlossenes, externnicht kommunizierbares Weltbild (worldview). Sein theologisches Merkmal ist derTranszendenzverlust. Denn die Glaubens-gewissheit wird innerhalb dieses Welt-bilds abhängig von einem Text in mensch-licher Sprache, und der Schöpfungsglaubewird abhängig von der Naturerkenntnis.Darin ähnelt der Kreationismus bei allenUnterschieden dem Szientismus. Dennauch wenn man das eigene Weltbild mitder Naturwissenschaft vollständig homo-genisiert, ja identifiziert, liefert man es derNaturwissenschaft aus. Homogenität allermenschlicher Aussagen, alles Wissensund aller Erkenntnis ist kein Merkmal ei-

nes produktiven Denkens, sondern ehereines von Realitätsverlust, sogar von Fana-tismus und ideologischer Starrheit. Inho-mogenitäten und Inkonsequenzen zwi-schen verschiedenen Wissens- und Er-kenntnisebenen sind keineswegs Defizite,sondern einerseits unüberholbar und an-dererseits die Voraussetzung für neue Ein-sichten und Lernprozesse.10 Das schließtnicht aus, sondern gerade ein, dass dieEvolutionstheorie naturwissenschaftlichkonsequent als „gute“ Theorie gestaltetund entwickelt wird.

Was ist „methodischer Naturalismus“?

Um Scheinalternativen zu vermeiden, istes inzwischen weithin gängige Praxis,zwischen einem methodischen Naturalis-mus als Bedingung der Möglichkeit, Na-turwissenschaft zu betreiben, und einemontologischen Naturalismus zu unter-scheiden. Dieser kann als „schwacher“oder als „starker“ Naturalismus formuliertsein; im ersten Fall wird ein transzenden-ter Kontext der Natur nicht verneint, aberauch nicht behauptet. Verneint werdenübernatürliche Eingriffe in den Gang dernatürlichen Welt. Im zweiten Fall wird eintranszendenter Kontext der Natur ausge-schlossen, die natürliche Welt ist dieganze Wirklichkeit. Damit wird der„starke“ Naturalismus zum geschlossenenWeltbild.11 Der schwache Naturalismusist dem methodischen praktisch sehr ähn-lich, wenn auch nicht mit ihm identisch.Denn die Methode der Naturwissenschaftan sich kollidiert nicht mit religiösen Deu-tungen der Wirklichkeit, wie noch zu dis-kutieren sein wird. Das ist schon deshalbso, weil jede vom Menschen durch Erfah-rung erlernte und kulturell tradierte Fähig-keit, die Natur gemäß ihrer Kausalzusam-menhänge zu nutzen, auf „naturalisti-schen“ Kausalerklärungen beruht, vom Ja-gen und Spurenlesen bis zur Töpferei und

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Schmiedekunst. Die Methodologie ent-stand erst mit der modernen Naturwissen-schaft, die Methode gab es schon immer.Auch die Cro-Magnon-Menschen vor 30 000 Jahren wussten aus Erfahrung,dass sich Hirsche bei bestimmtem Winter-wetter eher auf den Höhen aufhalten undbei anderem Wetter eher in den Tälern.Entsprechend planten sie ihre Jagd unterder Voraussetzung, dass ihre Beute nichtvon böswilligen Geistern anderswohin ge-trieben wurde. Auch als Animisten setztensie voraus, dass die bekannten Kausalzu-sammenhänge ihnen solche Vorhersagenerlaubten.12

Nach dem englischen Wissenschaftsphilo-sophen James Woodward ist es das Cha-rakteristikum einer naturalistischen Kau-salerklärung, dass sie die Manipulationder Natur prinzipiell möglich macht. Dasunterscheidet sie von der Beschreibung:„Wir verfügen mindestens über den An-fang einer Erklärung, wenn wir Faktorenoder Bedingungen identifiziert haben, de-ren Manipulation oder Veränderung auchÄnderungen in dem Resultat bewirken,das erklärt wird. Beschreibendes Wissenist demgegenüber Wissen, das keine Infor-mation liefert, die potenziell Manipulatio-nen ermöglicht, obwohl es eine Basis fürVorhersagen, Klassifizierungen oder mehroder weniger einheitliche Repräsentatio-nen und Systematisierungen liefern mag... Was man für Manipulationen benötigt,ist Information über invariante Beziehun-gen, und man kann invariante Beziehun-gen sogar in Fällen finden, in denen mankein Gesetz kennt, in denen man keineräumlich und zeitlich kontinuierlichenProzesse verfolgen kann und wo man [dieBeschreibung von Phänomenen, H.H.]nicht vereinheitlichen oder systematisie-ren kann.“13

Nun konnte die Cro-Magnon-Kultur dasWetter nicht manipulieren, ebenso wenigwie wir heute. Aber darauf kommt es

nicht an. Die Kausalerklärung liefert eineAussage darüber, wie sich das Verhaltender Rothirsche ändern würde, wenn sichdie Wetterbedingungen ändern ließen.Die Astrophysik kann die Bedingungender ersten Millisekunden nach dem Ur-knall auch nicht ändern. Aber sie kannaus ihrer Theorie des Urknalls ableiten,was eine Änderung bewirken würde. Sol-che Kausalzusammenhänge sucht die„naturalistische“ Methode über invarianteBeziehungen in Raum und Zeit zu bestim-men; sie gehört zu den (vermutlich evolu-tionär vorstrukturierten) Grundeigenschaf-ten menschlichen Denkens. Nach MartinNeukamm setzt sie wie der schwache Na-turalismus „…z. B. die Annahme voraus,dass es eine Welt gibt, die nicht nur derEinbildung unserer Gehirne entspringt,die in Teilen als solche erkannt bzw.durch Theorienbildung (hypothetisch-de-duktiv) erschlossen werden kann und dassdie Gewinnung empirischer Daten keinerwillkürlichen supranaturalistischen Mani-pulation unterliegt“14.Solipsismus und radikaler Konstruktivis-mus, die beide auf ihre Weise behaupten,Realität gebe es nur als Produkt unseresBewusstseins, müssen paradigmatisch ver-worfen werden. Eine verlässliche Regel-mäßigkeit sinnlich wahrnehmbarer Ab-läufe in der Welt muss gegeben sein, da-mit die Methode der Eiszeitjäger und die-jenige der empirischen Wissenschaft funk-tionieren. Karl Popper hat diese Vorausset-zungen mit dem Begriff „hypothetischerRealismus“ belegt.

Von der Kausalerklärung zum Naturgesetz

Wir machen Erfahrungen mit der Natur,entwickeln Ideen, erkennen Regeln undnutzen Vorhersagbarkeiten. Die Naturwis-senschaft fasst diese in logische und for-malisierte Systeme, also in Hypothesen

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und Theorien. Sie erzeugt damit ein Ab-bild der Realität in unserem Wissen. We-der dessen Abbildcharakter noch dessenRealismus dürfen übersehen werden. „DieEvolutionstheorie ist nur eine Theorie“,heißt es im Kreationismus. Richtig, abersie ist eine realistische Theorie, was manvom Kreationismus nicht sagen kann. DerSzientismus neigt dagegen dazu, den Ab-bildcharakter der Naturwissenschaft zuübersehen. Die von einer naturwissen-schaftlichen Theorie formulierten Kausal-beziehungen sind nicht mehr – aber auchnicht weniger – als die Formalisierungdessen, was menschliche Erfahrung als in-variant erkannt und in der Sprache der Lo-gik und Mathematik erschlossen hat.Nach Ulrich Beuttler konstituieren sichsogenannte Naturgesetze „aus den Ereig-nissen in der Zeit als deren Zusammen-hang ... Naturgesetze sind nicht naturnot-wendig, sie sind aber nötig für die regel-hafte Erfahrung und Beschreibung der Na-tur ... Auch Kausalität ist eine Kategorieder Naturbeobachtung, nicht der Natur-ordnung“15.Wenn dies zutrifft, ist der Begriff „Natur-gesetz“ missverständlich, zumindest wirder zu allgemein verwendet. Wir würdenzögern, einen nur mäßig invarianten Zu-sammenhang von Ereignissen in der Zeitwie den zwischen dem Winterwetter undden Wanderungen von Rothirschen als„Naturgesetz“ zu bezeichnen. Dazu istder Zusammenhang – obwohl empirischgesichert – zu abhängig von wechseln-den, unkontrollierbaren und zum Teil un-bekannten Randbedingungen. Woodwardweist jedoch darauf hin, dass die meistenKausalzusammenhänge, die von der Na-turwissenschaft formuliert und in derTechnik praktisch genutzt werden, von ge-nau dieser Art sind. Es ist das normale Ge-schäft der Forschung, die Anfangs- undRandbedingungen von Naturprozessenimmer besser mit den Folgen in Zusam-

menhang zu bringen und diese Zusam-menhänge möglichst in der Sprache vonLogik und Mathematik zu formulieren,um die Manipulierbarkeit der Abläufe im-mer mehr zu verbessern. Was die Jagd auf Rothirsche angeht, sinddie Verhaltensforscher vermutlich nichtviel weiter gekommen als die Steinzeitjä-ger, wenn sie überhaupt so viel wie jenewissen. Aber in anderen Bereichen hat dieNaturwissenschaft ungeheure technischeMacht produziert. Eine chemische Reak-tionsformel würden wir wohl ebenfallsnicht als Naturgesetz bezeichnen wollen.Dennoch erlauben solche Formeln, inVerbindung mit den Theorien der Thermo-dynamik, der Physik chemischer Bindun-gen usw., die technische Produktion vonchemischen Substanzen in einem ohnewissenschaftliche Chemie undenkbarenAusmaß. Aber was ist nun ein Naturgesetz im Sinneder Naturwissenschaft? Man könnte im-merhin wissenschaftlich formulierte Kau-salzusammenhänge von besonders großerReichweite und Erklärungstiefe als „Ge-setz“ titulieren16, z. B. das Energie-Masse-Äquivalent der Relativitätstheorie oder dieVeränderung von Lebewesen durch Selek-tion anhand der relativen Fitness ihresErbguts. Aber man sollte sich darüber imKlaren sein, dass die Natur kein Subjektist, schon gar kein Souverän, und dass derBegriff „Gesetz“ selbst in solchen Fällenbildhaft zu verstehen ist.

Wie kommt man zu besseren Theorien?

Die Verknüpfung zwischen Ursachen undWirkungen, die eine Kausalerklärung aus-macht, kann in Alltagssprache formuliertsein; in der Regel handelt es sich aber umlogische und mathematische Formalis-men. Die Begriffe (Konzepte, Metaphern)sind exakter und enger definiert als in derUmgangssprache, wenn sie nicht von

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vornherein abstrakt oder theoriespezifischsind. Zum Beispiel erklärt die Abstam-mungstheorie die geordnete Schichten-folge, die ein Grundmerkmal des bekann-ten Fossilbestands ist. Dabei kommt siemit wenig Zahlenwerk aus, aber Zeitanga-ben und Statistik sind im Spiel. Das ist an-ders, wenn Populationsgenetiker die Ver-teilung von unterschiedlichen Morphen(Gestalten) in einer Population vonHirschkäfern spieltheoretisch erklären.Dazu benötigen sie eine mathematischeFormelsprache. Die empirisch erhobenen Daten, die kau-sal zu erklären sind, werden manchmalals Basis- oder Protokollsätze bezeichnet.Der von Woodward benutzte Begriff „be-schreibendes Wissen“ trifft die Sachlageaber besser. Auch dieses beschreibendeWissen ist nicht mit der Realität an sichidentisch, sondern stellt ein Ergebnis derBeobachtungs- und Messmethode dar.Weil es sich durch den Fortgang der For-schung laufend ändert und erweitert, be-findet sich das Theoriengebäude der Na-turwissenschaft in ständiger Bewegung.Faktisch ergibt sich der Erkenntnisfort-schritt in einem Zirkel zwischen der Theo-rie und ihren Vorhersagen, der empiri-schen Prüfung dieser Vorhersagen und derBestätigung (oder der Neuformulierung)der Theorie. In diesem Zirkel werden of-fene Fragen durch „Hypothesenkonkur-renz“ entschieden: Wenn mehr als eineprüfbare, mit dem Hintergrundwissen ver-einbare Hypothese zur Wahl steht, istnach „kritischer Evidenz“ zu suchen, dieeine Entscheidung ermöglicht. Nicht prüf-bare oder mit dem Gesamtwissen inkon-sistente Hypothesen werden von vornher-ein aussortiert. Die Hypothese, die schlüs-sigere Erklärungen liefert, weniger Unge-reimtheiten enthält und weniger willkürli-che Annahmen machen muss, setzt sichdurch. Im Ergebnis werden naturwissen-schaftliche Theorien allerdings selten voll-

ständig durch neue ersetzt. In der Regelwerden alte durch neue Theorien aufge-nommen und erweitert, verfeinert und er-gänzt, oder sie werden zu Spezialfällen ineinem allgemeineren Theorierahmen. DieSelektionstheorie ist eine gewisse Aus-nahme, sie ersetzte frühere Kausalerklä-rungen der Deszendenz. Aber auch nachDarwin blieb am Lamarckismus manchesrichtig, z. B. die Idee eines Abstammungs-verhältnisses zwischen ähnlichen Arten. Die Naturwissenschaft erarbeitet ihreKausalerklärungen also theoretisch-schlussfolgernd und nicht rein experimen-tell-beschreibend.17 Deshalb enthält jedeformalisierte Theorie nicht-empirische Ka-tegorien, nämlich die bereits erwähntenmathematischen Strukturen und fachlichdefinierte Metaphern (Konzepte). In derEvolutionsbiologie ist „Fitness“ ein sol-ches nicht-empirisches, aber logisch defi-niertes Konzept, ebenso „Information“ inder Genetik. Sie setzen sich durch, wennsie heuristisch fruchtbar sind, wenn siesich also beim „Abbilden“ der Erfahrun-gen in Theorien bewähren.Demgegenüber ist eine Beschreibungnoch keine Kausalerklärung und keineTheorie. Man kann z. B. die regelmäßigeAbfolge von Fossilien in Gesteinsschich-ten beschreiben, ohne sie mit Abstam-mungsverhältnissen zu erklären. Dieses„beschreibende Wissen“ reicht bereitsaus, um das alternative Naturbild desKurzzeit-Kreationismus unglaubwürdig zumachen. Der Kreationismus hat deshalbein Interesse daran, den Unterschied zwi-schen Beschreibung und Erklärung zu ver-wischen. Nicht selten wird eine spezielleevolutionstheoretische Erklärung angegrif-fen, und aus deren (angeblicher) Kritisier-barkeit wird gefolgert, dass mit der gan-zen Theorie etwas nicht stimmt. In Wirk-lichkeit lassen sich allgemeine Theorienwie zum Beispiel die Selektionstheorienur mit Hilfe von spezielleren Theorien

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und Zusatzdaten auf das Einzelphänomenanwenden. Anders gesagt: Singuläre Kau-salerklärungen werden entweder direktgewonnen (wir waren dabei, als es ge-schah) oder erfordern zusätzliches Wissenüber den Einzelfall. Das ist nicht immerverfügbar und oft grundsätzlich unzu-gänglich. Die Entwicklung einer Art in der Stam-mesgeschichte folgt immer der Selektions-logik, aber wohin die „evolutionary tra-jectory“ der Population führen wird, lässtsich aufgrund der überaus komplexenökologischen, genetischen und ontogene-tischen Bedingungen nicht vorhersagen.Die Abhängigkeit von bekannten oderkonstanten Bedingungen schränkt dieMöglichkeiten der Naturwissenschaftzwar nicht bei der Theorieentwicklung,aber beim Erklären von Ereignissen ein.Einzelereignisse sind – außer sie werdendokumentiert oder sind so monumental,dass kontrollierbare Dokumente verblei-ben – nicht in naturwissenschaftlichenTheorien enthalten. Der Einschlag einesAsteroiden am Ende der Kreidezeit wareinmalig, aber monumental; deswegenkann er aus geologischen „Dokumenten“erschlossen und theoretisch erfasst wer-den. Wenn eine Expedition von Aliens ge-landet wäre, um im Eozän alle Pferdevor-fahren auf einem Kontinent für einen pla-netaren Streichelzoo einzufangen, hättedas einen großen Einfluss auf die Stam-mesgeschichte der Pferde haben können.Wir wüssten aber nichts davon, und dieEvolutionstheorie wäre in keiner Weisebetroffen. Wenn also Kreationisten Erklärungen fürEinzelphänomene fordern (wie für dieevolutionäre Entstehung der Leuchtsignalevon Glühwürmchen) und wenn diesemangels einschlägiger Forschung ausblei-ben, stellt das die Theorie nicht in Frage.Was unter (bisher) unbekannten und (bis-her) nicht rekonstruierbaren Randbedin-

gungen geschieht, ist in keine Richtungbeweiskräftig. Genauso könnte man dieGültigkeit der Newton’schen Physik be-zweifeln, weil nicht jeder Verkehrsunfallvon Gutachtern erklärt werden kann. DieBewegung für ein „intelligentes Design“geht sogar so weit, aus der (behaupteten)Unerklärbarkeit der Merkmale der Lebe-wesen auf einen „Designer“ schließen zuwollen. Solche Fehlschlüsse missverste-hen das Wesen einer naturwissenschaft-lichen Theorie.

Erklärbares und Unerklärliches

Sehr viele Ereignisse sind unerklärlich in-sofern, als die Theorien der Wissenschaft(und der „gesunde Menschenverstand“)keine Ursachen für sie angeben können.Das ist kein Grund, die Theorien zu be-zweifeln, sondern lediglich dafür, sie wei-ter auszubauen. Aber wie weit reichen dieMöglichkeiten wissenschaftlicher Erklä-rungen? Die Liste derzeit unerklärter Phä-nomene ist jedenfalls lang: Begegnungenmit „Aliens“, Spukphänomene, Spontan-remissionen bei Karzinomen, Heilungs-wunder, paranormale Wahrnehmung usw.Eine staatlicherseits publizierte Auflistungvon UFO-Sichtungen in Frankreich zumBeispiel weist eine Vielzahl erklärbarerSichtungen aus, aber auch eine erheb-liche Zahl, für die jede Erklärung fehlt.Dennoch kommt kein Naturwissenschaft-ler auf die Idee, deshalb an Raumschiff-landungen zu glauben. Er behandelt dierätselhaften Fälle als „subjektive Zufälle“,weil aus seiner Sicht das für eine Erklä-rung nötige beschreibende Wissen fehlt.Er betrachtet sie nicht als Anomalien, diegegen bekannte und bewährte Kausalzu-sammenhänge verstoßen. Beweisen kanner seine Sicht allerdings nicht, ebenso we-nig wie der UFO-Gläubige die seine. DasUnerklärliche wird dem Erklärbaren im-mer deutend zugeordnet, entweder als

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prinzipiell kausal Erklärbares oder alskontingentes Geschehen, als intentionaleEinwirkung usw. Wie die Zuordnung des Unerklärten –und des Unerklärlichen – zum bereits Er-klärten aussieht, hängt vom Weltbild ab.Wenn die Rothirsche sich doch andersverhalten, als sie das üblicherweise bei ei-nem bestimmten Wetter tun, würde einheutiger Verhaltensforscher das nicht alseinen Eingriff von Ahnengeistern (odersonst irgendwie intentional) deuten, son-dern auf bisher unbekannte Naturbedin-gungen schließen, die neben dem Wetterauf die Wanderungen der Tiere einwirken.Daraus würde er folgern, er habe entspre-chende Hypothesen aufzustellen und em-pirisch zu überprüfen, um die Erklärungs-tiefe seiner Theorie zu verbessern. Die Eis-zeitjäger deuteten eine solche Erfahrung(besonders wenn sie selten gewesen seinsollte) dagegen im Rahmen ihres intentio-nalen Weltbilds als Werk missgestimmterGeister. Sie würden folgern, dass es nötigsei, das Wohlwollen der Geisterweltdurch entsprechende Rituale wieder her-zustellen. Wenn die Regelmäßigkeit desVerhaltens ihrer Jagdbeute danach wiedereintrat (was im Fall seltener Abweichun-gen zu erwarten ist), würden sie sich be-stätigt fühlen. Dennoch gibt die Möglich-keit, naturwissenschaftliche Kausalerklä-rungen scheinbar beliebig zu erweiternund zu vertiefen, dem modernen Verhal-tensforscher recht und spricht gegen einintentionales Weltbild.Aber es ist festzuhalten, dass der Forscherseinen „methodischen Naturalismus“nicht durch seine Forschung beweist. Er istdie Voraussetzung kausaler Erklärungen,nicht (oder nur im Sinne seiner prakti-schen Bewährung) ihr Ergebnis. Das über-sieht der „neue Atheismus“ bei seinemVersuch, die Naturwissenschaft zur einziggültigen Weltdeutung zu machen. Diephysische Welt erweist sich tatsächlich als

kausal erklärbar, aber nur soweit wir sieempirisch untersuchen und Kausalbezie-hungen theoretisch modellieren können.Die Einschränkung wäre unwichtig, fallswenig oder nichts von der Erforschungausgeschlossen wäre. Davon kann jedochkeine Rede sein, auch wenn Naturwissen-schaftler häufig anderer Ansicht sind. DerPhysiker Jürgen Schnakenberg schreibtzum Beispiel: „Der klassische Zufall istder, der uns im täglichen Leben begegnet.Man nennt ihn auch subjektiven Zufall,weil er auf einem subjektiv bedingtenMangel an Kenntnissen beruht, die grund-sätzlich aber vollständig verfügbar sind.Wenn wir sagen: Gestern traf ich zufälligmeinen Freund Paul ... dann drücken wirdamit aus, dass wir den Tagesplan vonPaul nicht kannten ... Hätten wir Pauls Ta-gesplan gekannt, hätten wir das Treffenmit ihm nicht zufällig, sondern zwangs-läufig genannt.“18

Das trifft nicht zu. Die Handlungen einesMenschen im Alltag hängen von derartvielen inneren und äußeren Bedingungenab, die weit jenseits der Messbarkeit lie-gen, dass die Begegnung durch die Kennt-nis einer dieser Bedingungen (den Tages-plan) zwar viel wahrscheinlicher, aberkeineswegs zwangsläufig wird. Die füreine allgemeingültige Kausalerklärung nö-tigen Kenntnisse stehen in diesem Fall undbei der Mehrheit der Ereignisse unseresAlltags grundsätzlich nicht zur Verfügung.Die Erfassung und Kontrolle von Anfangs-und Randbedingungen natürlicher Ab-läufe haben praktische und prinzipielleGrenzen: die Komplexität des Prozesses,sein unverfügbarer Raum- und Zeitrah-men, die Ursachenlosigkeit von Quanten-prozessen usw. Zum Beispiel setzen soge-nannte chaotische Systeme jeder Vorher-sage prinzipielle Grenzen. Der klassische Zufall ist also weder reinobjektiv wie der Quantenzufall noch reinsubjektiv, wie es vermutlich die unerklär-

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ten UFO-Sichtungen sind. Er lässt sichdurch mehr Kenntnisse verringern, abernicht aus der Welt entfernen, weil dasmögliche Mehr an Wissen begrenzt ist.Unerklärte Vorgänge sind daher nicht au-tomatisch Anomalien. Meist erfüllen siedie Voraussetzungen des Kausalerklärenseinfach nicht. Kein Naturwissenschaftlerwürde es als eine Anomalie registrieren,wenn er seinen Freund nicht im Büro an-trifft, obwohl er dessen Terminkalenderkennt.

Wie deuten wir das Regelhafte und seineAusnahmen?

Der Gegenbegriff zum invarianten, kausalgeordneten und dadurch erklärbaren Ge-schehen ist auf der Ebene der Naturwis-senschaft nicht das indeterminierte, son-dern das anomale, also ein Geschehen,das aus der bekannten Regelhaftigkeit he-rausfällt. Der Begriff „Wunder“ oder„übernatürliche Verursachung“ ist keinzulässiger Gegenbegriff, weil er das Han-deln einer nicht-immanenten Macht alsDeutung voraussetzt. Zum Beispiel sindunerklärliche Heilungen, die gegen jedemedizinische Prognose erfolgen, zwar sel-ten, aber gut belegt.19 Insofern sind sieechte Anomalien. Aber sie als Wunder zudeuten, die Gott bewirkt oder die einemHeiligen zugeschrieben werden (wie imkatholischen Verfahren der Heiligspre-chung), setzt einen weiteren Schritt vo-raus, nämlich eine theologische Einzelfall-entscheidung. Ebenso setzt die Idee eines „intelligentenDesigns“ eine übernatürliche Intelligenzvoraus, die mit der Natur in Wechselwir-kungen tritt. Sie kann deshalb nicht alsnaturwissenschaftliche Hypothese formu-liert werden. Design könnte in der Evolu-tionstheorie nur vorkommen, wenn dieplanende Intelligenz als Naturphänomenbeschrieben wird. Diesbezügliche Vor-

schläge gibt es nicht, deshalb sind die Ar-gumente für ein „intelligentes Design“ derLebewesen nicht prüfbar. Dass sie auchnoch logisch inkonsistent sind, kommt alsKuriosität hinzu.20

Allerdings ist Richard Dawkins’ umge-kehrtes Argument, der „starke“ ontologi-sche Naturalismus folge aus der Abwesen-heit von Übernatürlichem, ebenfalls nichthaltbar. Denn ob das Übernatürlichewirklich abwesend ist, entscheidet sich jadaran, ob alle Anomalien durch Kausaler-klärungen auflösbar sind. Genau das kannman nicht wissen. Dass die Welt in sichabgeschlossen sei und dass die unerklär-ten oder unverfügbaren Phänomenedurchweg von derselben Art seien wie diekausal erklärbaren Phänomene, ist einephilosophische Prämisse, kein Ergebnisder Wissenschaft. Sie wird nie zwingendbewiesen werden, ihr Gegenteil ebensowenig. Eine naturalistische Reduktion der Realitätist deshalb eine denkbare Interpretationder zu deutenden Erfahrung, nämlich derRegelhaftigkeit der Natur und des Funk-tionierens der naturwissenschaftlichenMethode, aber nicht die einzige. Wennman im Sinne eines starken Naturalismusfolgert, dass alles, was geschieht, gesetz-mäßig und aufgrund von weltimmanenten(natürlichen) Prinzipien und Mechanis-men geschieht, deutet man die naturwis-senschaftlich vermittelte Wirklichkeit kon-sistent. Die Naturwissenschaft benötigtdiese spezielle Deutung jedoch nicht.Vielmehr sind andere Deutungen ebensomit ihr verträglich: die buddhistische Phi-losophie des Theravada (mit einigen Paral-lelen zum kausalen Denken der Naturwis-senschaft in der Vorstellung vom „beding-ten Entstehen“), eine biblische Schöp-fungstheologie usw. Dass die kausal erklärbaren Phänomene,ebenso wie die unerklärten und unerklär-baren, dem schaffenden Willen Gottes

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entspringen, der unter anderem ihre Re-gelhaftigkeit will, ist eine konsistente phi-losophische Deutung. Die alte Idee Gali-leis und Keplers, die Erklärbarkeit der Na-tur spiegele die Schöpfungsvernunft Got-tes wider, ist nicht an sich unplausibler alsdie noch ältere Idee, sie spiegele einengeordneten, aber blinden Tanz der Mate-rie wider. Sogar das abgeschwächte Argu-ment, der „starke“ Naturalismus sei einfa-cher als religiöse oder idealistische oderbuddhistische oder stoische oder andereOntologien, weil er weniger Ebenen zu-lasse, überzeugt nicht. Das Einfachheitsar-gument (Ockhams Rasiermesser) ist einKriterium zur Unterscheidung speziellerHypothesen, nicht allgemeiner Prämissender Weltdeutung. Der starke Naturalismusist keine Nullhypothese.21

Transzendenz und Immanenz

Dennoch ist die Erkenntnismacht der Na-turwissenschaft philosophisch und theolo-gisch alles andere als trivial. Sie beweistzwar keine kausale Geschlossenheit derphysischen Welt, aber sie belegt eine kau-sale Ordnung, die in unserem Erfahrungs-bereich gilt. Obwohl es also keine „lo-gisch zwingende“ Ableitung des Natura-lismus aus der Naturwissenschaft gibt,folgt aus ihr nicht doch eine große, viel-leicht sogar überwältigende Plausibilität,die gegen religiöse Weltdeutungenspricht? Als Begründung dafür wird (wievon Dawkins) von Keith Augustine ange-führt, dass übernatürliche Phänomenevorkommen könnten, aber faktisch nichtoder nicht sicher belegbar vorkommen.„Obwohl naturwissenschaftliche Erklärun-gen wesenhaft naturalistisch sind, könn-ten wissenschaftliche Entdeckungenstarke Hinweise darauf liefern, dass es einEreignis gab, das mit natürlichen Ursa-chen nicht plausibel erklärbar ist. Wärenmenschliche Wesen zum Beispiel die ein-

zige Lebensform gewesen, die auf demPlaneten Erde erschienen wäre, unmittel-bar nachdem er bewohnbar wurde, ohneBelege für eine Entwicklung aus früherenVorfahren und ohne Funde ausgestorbe-ner Arten, würde diese wissenschaftlicheEntdeckung einen übernatürlichen Ur-sprung der Menschheit sehr wahrschein-lich machen. Die Naturwissenschaft hatdie Glaubwürdigkeit aller Formen des Su-pernaturalismus nicht dadurch untergra-ben, dass sie als methodisches Prinzip vo-raussetzt, es gebe nur natürliche Ursa-chen, sondern weil diese Voraussetzungdie Naturwissenschaft erfolgreich ge-macht hat. Es gibt einfach keine Lücken inunserem wissenschaftlichen Weltbild, dieeine Berufung auf übernatürliche Ursa-chen benötigen. Die einfachste und direk-teste Erklärung für den Erfolg des methodi-schen Naturalismus als wissenschaftlicheStrategie ist, dass der metaphysische Na-turalismus wahr ist.“22

Die Schwäche dieses Arguments ist, dasses die Alternative zum Naturalismus zueng ansetzt, nämlich als Dualismus vonnatürlichen und übernatürlichen Ursa-chen. In diesem Dualismus gibt es zweiReiche, Natur und Übernatur, die inWechselwirkung treten könnten, eineDenkmöglichkeit, die der Supernaturalistbejaht und der Naturalist verneint. Er ver-wirft die Existenz einer so verstandenenÜbernatur als unplausibel, weil ihre hypo-thetische Wechselwirkung mit der Naturnicht wissenschaftlich feststellbar ist. Da-mit hat er recht – das sei Augustine vonvornherein zugestanden. Aber die Verhält-nisbestimmung von natürlicher (wissen-schaftlich erforschbarer) Welt und einemtranszendenten Kontext dieser Welt mussnicht so dualistisch erfolgen. Wenn manvom Glauben an einen in der Welt han-delnden Gott ausgeht, ist das Begriffspaar„Transzendenz und Immanenz“ vorzuzie-hen, weil es weniger voraussetzt und sich

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deshalb besser für die Diskussion desseneignet, was aus dem Erfolg der Naturwis-senschaft theologisch folgt.23

Man muss aber nicht einmal von einemsolchen transzendenten Kontext der Naturausgehen, auch monistische Alternativenzum Naturalismus sind denkbar (s. unten).Hinzu kommt ein epistemologisches Pro-blem. Augustines Argument setzt voraus,dass übernatürliche Ursachen, die von au-ßen in das Naturgeschehen hineinwirken,unabhängig vom Welt- oder Naturbildvon natürlichen Ursachen unterscheidbarsind. Aber das sind sie nicht. Spukerschei-nungen, Präkognitionen oder Spontanre-missionen schwerer Krankheiten sindnicht objektiv als Folge übernatürlicherEinwirkungen erkennbar, sondern sind(wie oben ausgeführt) weltanschaulichverschieden deutbar. Für die Eiszeitjägerwar das „anomale“ Verhalten der Hirscheeine Folge „übernatürlichen“ Einwirkens(unbeschadet dessen, dass dieser Begriffzu einem animistischen Weltverständnisnicht passt). Für den Verhaltensforscher istdas gleiche Phänomen eine Anomalie, einRätsel, das wissenschaftlich aufzulösenist. Der Unterschied kommt durch dasnicht-intentionale Weltbild und das um-fangreichere Hintergrundwissen des mo-dernen Biologen zustande. Das räumt auch Augustine ein, meintaber, dass man dennoch ein Plausibilitäts-Argument für den Naturalismus aufrecht-erhalten könne.24 Er argumentiert, dass esPhänomene geben könnte, die eine natür-liche Kausalerklärung aus verschiedenenGründen sehr unwahrscheinlich machenwürden, und dass diese Phänomene ent-weder nicht vorkommen oder nicht gutbelegt sind. Er führt Totenerweckungen alsBeispiel an, die zwar vielfach historischbezeugt sind, aber bisher nicht in einemLaboratorium unter kontrollierten Bedin-gungen stattfanden. Man könnte die Ver-wandlung von Wasser in Wein oder das

Gehen auf dem Wasser aus biblischenWundererzählungen hinzufügen. Augusti-nes oben zitiertes Beispiel ist allerdingsnicht gut gewählt, denn eine naturalis-tische Erklärung für eine Urwelt, in der dieMenschen zuerst auftauchen und in der eskeine Fossilien ausgestorbener Arten gibt,wäre leicht zu geben: Raumfahrt. DieMenschen könnten vor Jahrmillionen voneinem anderen Planeten gekommen seinund die Lebewesen mitgebracht oder bio-technisch vor Ort erzeugt haben. Tatsäch-lich gibt es UFOisten, die so etwas glau-ben und die ihre Argumente von denKreationisten borgen. Die Auswirkung auffundamentale Naturgesetze wäre übrigensgleich null.

Anomalien und Schauwunder

Dennoch hat Augustine großenteils recht:Es gibt denkbare Anomalien, die eine tiefeund weitreichende Wirkung auf unser Na-turbild hätten, die jedoch nicht vorkom-men. Wenn wir regelmäßig neben Dino-saurierknochen Reste fossil eingebettetertechnischer Geräte finden würden, wäreeine bisher universale, zeitliche undräumliche „Invarianz“ nicht mehr gültig.Daraus wäre eventuell zu schließen, dassZeitreisen möglich sind, dass also derZeitbegriff der Physik fundamental verän-dert werden müsste. Wenn an Weihnach-ten die Lichtgeschwindigkeit drei Prozenthöher wäre als sonst, müsste eine Wech-selwirkung zwischen der unbelebten Na-tur und der Menschenwelt in die Physikeingeführt werden, die es bisher nirgendsgibt.25 Wenn das Ergebnis eines chemi-schen Experiments von der Nationalitätdes Experimentators abhinge, hätte dieseAnomalie ebenso weitreichende Folgen. Aber wäre der Befund „übernatürlich“ imobigen, dualistischen Sinn? Ohne weltan-schauliche Interpretation wäre er es nicht,denn man könnte Anleihen bei der Para-

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psychologie machen und zum Beispielauf eine innerweltliche, telekinetischeHypothese zurückgreifen. Sogar wenn dasErgebnis des Experiments schwankenwürde, ohne dass dafür kontrollierbareBedingungen erkennbar wären, wäre daskein Beweis für übernatürliche Mächte.Dann wäre keine Theorienbildung mög-lich, bis „Invarianzen“ gefunden würden.Es gibt kein denkbares Wissen, das zwin-gend auf eine Wechselwirkung mit einerhöheren Welt schließen ließe; immer wä-ren auch immanente oder monistische In-terpretationen möglich. Das gilt sogar fürmirakulöse Ereignisse wie eine Totenerwe-ckung bei fortgeschrittener Verwesung un-ter kontrollierten Laborbedingungen, eineAnomalie vom Typ „Schauwunder“ oderSpektakulum. Eine supernaturalistischeDeutung wäre selbst dafür nicht nötigoder auch nur nahe liegend. Nahe liegend wäre ein Glaube an magi-sche Mächte, an einen „vergeistigten Kos-mos“, also an einen esoterischen oder spi-ritualistischen Monismus. Er wird vonmindestens 10 bis 20 Prozent unserer ge-bildeten Bevölkerung vertreten und ist da-mit so häufig, dass Religionssoziologenvon einer „unsichtbaren Religion“ spre-chen.26 Diese nicht-organisierte, mit ma-gischer Praxis unterlegte Religion produ-ziert ihre eigene Plausibilität, indem siedie Vielzahl unerklärter Ereignisse des Le-bens spiritualistisch oder magisch inter-pretiert. Dennoch beruhen die behaupte-ten und öffentlich präsentierten Spektakelder Esoterik-Bewegung und des Okkultis-mus, der Wunderheiler und der magi-schen Helfer großenteils auf Täuschungund Selbsttäuschung. Die Anomalien, auf die man sich beruft,sind entweder singulär oder sehr selten,oder es gibt sie nicht. Darüber hinaus fin-den wir auch keine technischen Artefakteneben Dinosaurierknochen, und chemi-sche Experimente hängen nicht von der

Nationalität der Laborassistentin ab. Die-ser Befund widerspricht einem „intentio-nalen Weltbild“ und den zahlreichen For-men magischen Denkens, auch in der„unsichtbaren Religion“ unserer Kultur.Die Wechselwirkung zwischen Geist undMaterie, die sie voraussetzt, findet sich inunserer Naturerfahrung nicht. Wenn alsodie natürliche Welt in irgendeiner Formkausal oder intentional gegenüber einergrößeren Wirklichkeit offen sein sollte, istdiese Wirklichkeit (kosmische Gesetze,eine spirituelle „Überwelt“, ein schaffen-der Gott usw.) jedenfalls nicht innerwelt-lich manipulierbar. Das Mirakulöse ist inunserer Welt nicht oder nur ausnahms-weise anzutreffen, nicht regelmäßig undnicht als Teil kontrollierbarer menschli-cher Erfahrung, schon gar nicht als Ergeb-nis menschlicher Magie. Das ist der Be-fund, von dem wir auszugehen haben. Es gibt für die recht verstandene Naturwis-senschaft zwar Erkenntnisgrenzen, jen-seits derer sich die modernen Magier tum-meln, nämlich Unerklärtes, Unerklär-liches und zahlreiche Anomalien. Es gibtaber nichts, was offensichtlich über dienatürliche Welt hinausweist. Die Regel-haftigkeit des Naturgeschehens, die Har-monie und Kontinuität dieser Regeln inRaum und Zeit, ihre praktische und tech-nische Verlässlichkeit gehören zum We-sen der erfahrbaren Welt ebenso wie dieMöglichkeit, das Regelwerk des Natür-lichen mit wissenschaftlichen Mitteln indie Tiefe und Weite des Mikro- und Ma-krokosmos auszudehnen. Ob alle Anoma-lien durch wissenschaftlichen Fortschrittauflösbar wären, ist zwar eine offeneFrage, die auf Dauer unbeantwortet blei-ben wird. Aber das ändert an der Grund-erfahrung einer regelhaft geordneten Na-tur und an dem überwältigenden Erfolgder Naturwissenschaft nichts. Wie siehtdie christliche Welterfahrung im Kontextdieser Naturerfahrung aus?

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Welterfahrung aus einer religiösen Perspektive

Die Wirklichkeit des Glaubens – hier ver-engt sich der Blick auf eine christlichePerspektive – ist nicht in erster Linie eineWirklichkeit von Regeln und Regelmäßig-keiten in der Welt und von deren Nutzungoder Durchbrechung. Sie unterscheidetsich dadurch grundlegend vom esoteri-schen Monismus und vom magischenDenken. Ihre Grunderfahrung ist die einerBeziehungswirklichkeit, in der Gott alsein „Du“ erfahren wird, als ein Gegen-über, das die Beziehung zu sich selbst, zuden Mitmenschen und zur Welt nachhal-tig verwandelt – aber eben auch die Welt-beziehung: Die Widerfahrnisse des äuße-ren Lebens, bis hin zu Naturprozessen,sind in diese Wirklichkeit einbezogen undnicht von ihr ausgeschlossen. Erfahrungenwie Krankheit und Unglück werden nichtnur psychologisch bewältigt oder durchreligiöse Hoffnungen relativiert. Vielmehrschließt das Reden mit Gott „in Bitte undFürbitte, Dank und Anbetung“ die Hoff-nung auf ein Welthandeln Gottes mit ein.Das Bittgebet (Unser tägliches Brot gibuns heute ...) lässt sich in seinem offen-sichtlichen, direkten Sinn nicht aus derGottesbeziehung ausklammern. Aller-dings ist es keineswegs die Grundlageoder gar der Ausgangspunkt des Glau-bens, sondern seine letzte und in gewis-sem Sinne gewagteste Konsequenz. Es gibt zwar Christen (vor allem in derPfingstbewegung), die behaupten, derGlaube entstehe durch Wundererfahrun-gen. Die Idee hat eine oberflächliche Lo-gik für sich, scheitert aber schon daran,dass ein erfahrbares Handeln Gottes inder Welt den Glauben als Deutungsrah-men voraussetzt. Eine Anomalie besagt,wie oben erläutert, ohne Interpretationwenig, etwas Unerklärtes noch weniger.Vielmehr führt die Beziehungserfahrung

des Glaubens letztlich dazu, Gottes Wirk-lichkeit so umfassend zu sehen, dass sieauch die natürlichen Dinge umgreift.Nicht ich als Mensch kann die regelhafteOrdnung der Schöpfung verändern. Nurder Schöpfer selbst ist nicht auf dieseseine Ordnung begrenzt. Aus der Grund-erfahrung, dass Gott für mich da ist, ergibtsich deshalb die Hoffnung, dass Gott auchin der Welt für mich handelt. Die (traditio-nell gesprochen) „providentia specialis-sima“ rückt durch die Zuwendung desSchöpfers zu dem Menschen, den er inLiebe geschaffen hat, in den Bereich desDenkbaren.Dann stellt sich allerdings die Frage, wieman die religiöse Innenerfahrung mit derAußenerfahrung zusammenbringt, nachder die materielle oder natürliche Weltkontinuierlich in Raum und Zeit kausalgeordnet ist und nach der diese Ordnungnicht intentional durchbrochen werdenkann. Im Naturalismus lässt sich die Frageauflösen, indem man die Innenerfahrungbiologisch oder psychologisch in das kau-sale Kontinuum einordnet. Die evolutio-nären Religionstheorien und die Religi-onspsychologie bieten dafür reichhaltigesMaterial. Naturwissenschaftlich ist diesePerspektive übrigens nicht nur möglich,sondern richtig und fruchtbar. Biologieund Psychologie sind an religiösen Erfah-rungen (wie an allen menschlichen Erfah-rungen) zentral beteiligt. Daraus folgt al-lerdings nicht, wie bereits begründetwurde, dass es keine weiter reichendeWirklichkeit gibt oder dass sie nicht er-fahrbar ist. Wenn man also den naturalis-tischen Schluss nicht zieht, wie beantwor-tet man die Frage nach der „Methode“ desWelthandelns Gottes? Wie kann sich dieBeziehung Gott-Mensch durch das Gebetoder als „providentia“ auf die Natur aus-wirken, ohne dass man in naive Antwor-ten verfällt, wie die, dass Gott immer zumgenau richtigen Zeit und am genau richti-

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Anmerkungen

1 Siehe die Darstellung der Biologiegeschichte inThomas Junker, Kreationisten erklären die Evolu-tion: Das „kritische Lehrbuch“ von R. Junker und S.Scherer, in: Martin Neukamm (Hg.), Evolution imFadenkreuz des Kreationismus. Darwins religiöseGegner und ihre Argumentation, Göttingen 2009,321-340.

2 Wichtige Autoren sind: Richard Dawkins, Der Got-teswahn, Berlin 2007 (engl. The God Delusion,2006); Christopher Hitchens, Der Herr ist keinHirte. Wie Religion die Welt vergiftet, München2007; Michel Onfray, Wir brauchen keinen Gott,München 2006; Daniel Dennett, Breaking the Spell.Religion as a Natural Phenomenon, London 2006;Martin Urban, Wer leichter glaubt, wird schwererklug, Frankfurt a. M. 2007.

3 Simon Conway Morris, Life’s Solution, Cambridge2003, 316, Übersetzung H.H.; Morris ist einer derführenden Evolutionstheoretiker in Biologie und Pa-läontologie.

4 Marc W. Kirschner / John C. Gerhart, The Plausibi-lity of Life, New Haven 2005.

5 Evangelische Kirche in Deutschland (Hg.), Weltent-stehung, Evolutionstheorie und Schöpfungsglaubein der Schule, EKD-Texte 94, Hannover 2008.

6 Eine ausführlichere Darlegung findet sich bei Mar-tin Neukamm / Andreas Beyer, Kreationismus undIntelligent Design – Wissenschaft oder Pseudowis-senschaft?, in Martin Neukamm (Hg.), Evolution im

Fadenkreuz des Kreationismus, a.a.O., 37-54; so-wie noch umfassender bei Gerhard Vollmer, Bio-philosophie, Stuttgart 1995.

7 Mendels „Spaltungsregel“ sprach zu Darwins Zeitunmittelbar eher für Artkonstanz, weil die Merk-male der P-Generation in der F 2-Generation wie-der zum Vorschein kamen. Erst als die Populations-genetik entwickelt wurde, stellte sich heraus, dassMendels Regeln nur einen idealisierten Gleichge-wichtszustand beschreiben, der durch genetischeVeränderungen und Allelverschiebungen dauernddurchbrochen wird (persönliche Mitteilung MartinNeukamm).

8 www.answersingenesis.org/de/faith (21.6.2010).9 Michael J. Reiss, The Relationship between Evolu-

tionary Biology and Religion, in: Evolution, July2009 1934-1941.

10 Die Formulierung geht auf eine persönliche Mittei-lung von Rudolf Jörres (Universität München) zu-rück.

11 Siehe Bernulf Kanitscheider, Die Materie und ihreSchatten, Aschaffenburg 2007.

12 Der Bezug zwischen Alltagserfahrung und religiöserWeltdeutung wurde nicht abstrakt, sondern überein tradiertes Symbolsystem und über den Kultushergestellt, wie es noch in geschichtlicher Zeit inStammeskulturen der Fall war. Zur Kontingenzbe-wältigung (wenn zum Beispiel die Jagd unerklär-licherweise dennoch misslang) konnte auf eine ma-

gen Ort durch einen übernatürlichen Eingriff den Kausalnexus der Natur verän-dert? Wohlgemerkt, selbst dieser „Inter-ventionismus“ ist nicht zwingend wider-legbar, aber er ist sowohl aus der Sicht einer kritischen Erkenntnistheorie unbe-friedigend als auch für den Glaubenselbst. Wenn man den Schöpfungsglauben derBibel ernst nimmt, kann die Welt nicht alsein Mechanismus gedacht werden, der(einmal in Gang gesetzt) unabhängig vonGott oder außerhalb von ihm weiterläuft.Gott ist nicht in der Welt, aber die Welt istin Gott und bleibt es. Die Frage nach dem„Wie“ des Welthandelns Gottes wird da-mit im Einzelnen und Speziellen aller-

dings nahezu unbeantwortbar. Wir kön-nen das Verhältnis des schaffenden Gotteszur Welt nicht so formulieren, dass sichdaraus Antworten auf die Frage nach Got-tes „Methode“ ableiten ließen. Wie immerman das versucht hat (Pascual Jordan überdie Ursachenlosigkeit von Quantenereig-nissen, Wolfhart Pannenberg über diephysikalischen Feldtheorien usw.), wardas Ergebnis ein mehr oder weniger ver-steckter Physikalismus, der dem Geheim-nis des Welthandelns Gottes nicht näherkam. Begnügen wir uns damit, dass Ver-nunft und Wissenschaft diesem Geheim-nis Raum lassen, einen Raum, den derGlaube betreten, den er aber nicht ver-messen kann.

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gisch-religiöse Erklärung zurückgegriffen und ent-sprechende rituelle Maßnahmen konnten durchge-führt werden.

13 James Woodward, Making Things Happen, Oxford2003, 10, Übersetzung H.H.

14 Martin Neukamm, Wissenschaft und ontologischerNaturalismus. Eine Kritik antievolutionistischer Ar-gumentation, in: Ulrich Kutschera (Hg.), Kreationis-mus in Deutschland, Berlin 2007, 168.

15 Ulrich Beuttler, Gottes Wirken in der Zeit – Überdie Vereinbarkeit von Naturgesetzlichkeit und demfreien Wirken Gottes, in: Georg Souvignier u. a. (Hg.),Gottesbilder an der Grenze zwischen Naturwissen-schaft und Theologie, Darmstadt 2009, 100-101.

16 Eine Erläuterung dieser Kategorien findet sich beiJames Woodward, Making Things Happen, a.a.O.,239ff.

17 Einen Überblick über die philosophische Analysedes naturwissenschaftlichen Erklärens gibt JamesWoodward, Scientific Explanation, http://plato.stannord.edu/entries/scientific-explanation (21.6.2010).

18 Georg Souvignier u. a. (Hg.), Gottesbilder, a.a.O.,76.

19 Siehe dazu Jakub Pawlikowski, What can Physici-ans say about a Miracle? Paper at the European

Conference on Science and Theology XIII, Edin-burgh 2010 (www.esssat.org).

20 Siehe z. B. die Analyse von Mark Perakh, TheDream World of William Dembski’s Creationism,www.talkreason.org von 2005 (21.6.2010).

21 Die Unterscheidung von Nullhypothese und dar-über hinausgehenden Hypothesen lässt sich wieOckhams Rasiermesser auf weltanschauliche Prä-missen nicht anwenden.

22 Keith Augustine, A Defense of Naturalism, www.infidels.org/library/modern/keith_augustine/thesis.html (21.6.2010), Übersetzung H.H.

23 Siehe die Entwicklung dieses Begriffspaars als per-spektivische Erkenntnisformen bei Wolfgang Weid-lich, Transzendenz und Immanenz – oder Gott unddie Welt. Können wir ihr Verhältnis verstehen?, in:Glaube und Denken 22 (2009), 203-214.

24 Siehe die ausführliche und differenzierte Diskussionder epistemologischen Schwierigkeiten in Keith Augustine, A Defense of Naturalism, a.a.O.

25 Das Beispiel geht auf eine persönliche Mitteilungvon Andreas Beyer (Essen) zurück.

26 Siehe die Diskussion zwischen Detlef Pollack undHubert Knoblauch, www.goethe.de/ges/phi/dos/her/mod/de2404205.htm (21.6.2010).

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Die Neuapostolische Kirche (NAK) hat am6. Juni 2010 neue Glaubensartikel vorge-legt. Eigentlich hatten außenstehende Beobachter wie wohl auch viele Kirchen-mitglieder darauf gehofft, dass noch 2010der neue Katechismus der NAK herausge-geben würde, wie dies auch des Öfterenangekündigt worden war. Doch nachdemStammapostel Wilhelm Leber nun mitge-teilt hat, dass der neue Katechismus erst„voraussichtlich Ende des Jahres 2012 er-scheinen“1 werde, muss man sich wohlzunächst an die neuen Glaubensartikelhalten, um zu beurteilen, in welche theo-logische Richtung sich die Kirche bewe-gen wird und bewegen will. Damit sinddie neuen Glaubensartikel auch und ge-rade hinsichtlich des Strebens der NAKnach einer ökumenischen Öffnung gegen-über anderen Kirchen von großer Bedeu-tung.Im Folgenden möchte ich mich auf einigeWidersprüche und Inkonsistenzen derGlaubensartikel konzentrieren. Zunächsteinmal fällt auf, dass sich die neuen vonden alten Glaubensartikeln kaum zu un-terscheiden scheinen, sieht man einmalvon wohltuenden Anpassungen an denheute üblichen Sprachgebrauch ab. Umsowichtiger und aufschlussreicher sind die14-seitigen „Erläuterungen zu den zehnArtikeln des neuapostolischen Glaubens-bekenntnisses“, die die Kirchenleitung her-ausgegeben hat.

Was ist unter „apostolischer“ Kirche zuverstehen?

Die ersten drei Artikel befassen sich mitdem Glauben an den dreieinigen Gottund könnten so auf den ersten Blick auchvon katholischen oder evangelischenChristen mitgetragen werden. Dochschauen wir genauer hin. Im dritten Glau-bensartikel heißt es: „Ich glaube an denHeiligen Geist, die eine, heilige, allge-meine und apostolische Kirche, die Ge-meinschaft der Heiligen, Vergebung derSünden, Auferstehung der Toten und dasewige Leben.“ Die NAK weist in ihren Er-läuterungen darauf hin, dass die Formulie-rung „eine, heilige, allgemeine und apos-tolische Kirche“ aus „dem Bekenntnis vonNizäa-Konstantinopel“ stamme.2 Dochwas ist diese eine Kirche? „Sie ist die Ver-sammlung derjenigen, die getauft sind, ihrLeben in der Nachfolge Christi führen undJesus Christus als ihren Herrn bekennen.“3

Wenn die NAK diese Aussage ernst nimmt– und das ist zu hoffen –, erkennt sie auchanderen christlichen Gemeinschaften dieAuszeichnung „Kirche“ zu und hat damitihren Exklusivitätsanspruch scheinbar auf-gegeben4, was sicherlich ein großer Fort-schritt und aus ökumenischer Perspektivesehr zu begrüßen wäre. So weit, so erfreu-lich.Doch wie verhält es sich mit dem Attribut„apostolisch“? Gemäß NAK ist die Kirche

Christian Ruch, Chur/Schweiz

Alter Wein in neuen SchläuchenEin Kommentar aus römisch-katholischer Sicht zu den neuen Glaubensartikeln der Neuapostolischen Kirche

BERICHTE

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apostolisch „in zweierlei Hinsicht, dennin ihr wird apostolische Lehre verkündigtund in ihr wirkt das apostolische Amt. Dieapostolische Lehre ist die unverfälschteBotschaft von Tod, Auferstehung und Wie-derkunft Christi. Das apostolische Amt istdas von Christus gegebene und vom Hei-ligen Geist gelenkte Apostelamt mit sei-nen Vollmachten. Die Apostolizität derKirche besteht also darin, dass sie die Ver-kündigung der apostolischen Lehre fort-setzt und darin, dass sich das Apostelamtin gegenwärtig wirkenden Aposteln ge-schichtlich verwirklicht.“5

Hier zeigt sich ein großer Unterschied zurrömisch-katholischen Kirche. Zwar ver-steht auch sie sich als „apostolisch“, kenntjedoch keinerlei „gegenwärtig wirkendeApostel“, in denen sich „das Apostelamt... geschichtlich“ verwirklichen würde. ImKatechismus der katholischen Kircheheißt es: „Die Apostel ‚übertrugen, damitdie ihnen anvertraute Sendung nach ih-rem Tod fortgesetzt werde, ihren unmittel-baren Mitarbeitern gleichsam nach Art eines Testamentes die Aufgabe, das vonihnen begonnene Werk zu vollenden undzu festigen, wobei sie ihnen ans Herz leg-ten, auf die gesamte Herde achtzuhaben,in die sie der Heilige Geist hineinstellte,die Kirche Gottes zu weiden. Daher setz-ten sie derartige Männer ein und gabendann die Anordnung, dass nach ihremHingang andere bewährte Männer ihrenDienst aufnähmen’ (LG 20) ... ‚Wie aberdas Amt fortdauert, das vom Herrn in ein-zigartiger Weise Petrus, dem ersten derApostel, gewährt wurde und seinen Nach-folgern übertragen werden sollte, so dau-ert auch das Amt der Apostel, die Kirchezu weiden, fort, das von der geheiligtenOrdnung der Bischöfe immerwährendausgeübt werden muss.’ Darum lehrt dieKirche, ‚dass die Bischöfe aufgrund gött-licher Einsetzung an die Stelle der Apostelnachgerückt sind, gleichsam als Hirten

der Kirche; wer sie hört, hört Christus, undwer sie verachtet, verachtet Christus undden, der Christus gesandt hat’ (LG 20).“6

Reinhard Hempelmann hat völlig zuRecht darauf hingewiesen, „dass dieApostolizität der Kirche ihre Kennzei-chen“ eben gerade „nicht in der Etablie-rung eines besonderen Apostelamtes hat“,und dies gilt für „alle ökumenisch verbun-denen Kirchen“.7 Fazit: Am fundamenta-len Unterschied, was die Träger und denCharakter des apostolischen Amts betrifft,hat sich nichts geändert. Denn währenddie NAK weiterhin von „gegenwärtig wir-kenden Aposteln“ ausgeht, sind nach rö-misch-katholischer Auffassung „die Bi-schöfe aufgrund göttlicher Einsetzung andie Stelle der Apostel nachgerückt“, diedas Amt quasi testamentarisch verwaltenund ausführen. Daraus folgt, dass ein rö-misch-katholischer Christ unter einerapostolischen Kirche etwas völlig anderesversteht – verstehen muss – als die NAK.Auf diesen Punkt hinzuweisen ist sehrwichtig. Denn es gibt nach meiner Beob-achtung auf NAK-Seite bisweilen die Ten-denz (man könnte das auch Taktik nen-nen), durch die Verwendung derselbenBegriffe vor allem im Dialog mit Katholi-ken einen Konsens zu postulieren, den esaufgrund unterschiedlicher Definitionendes Begriffs – wie eben z. B. „apostolisch“– gar nicht gibt.Das hat zur Folge, dass aus römisch-ka-tholischer Sicht auch dem vierten neuenGlaubensartikel der NAK nicht zuge-stimmt werden kann. Er lautet: „Ichglaube, dass der Herr Jesus seine Kircheregiert und dazu seine Apostel gesandt hatund noch sendet bis zu seinem Wieder-kommen mit dem Auftrag zu lehren, inseinem Namen Sünden zu vergeben undmit Wasser und Heiligem Geist zu tau-fen.“ Diese Formulierung macht deutlich,dass der vierte Glaubensartikel in einemoffenkundigen Gegensatz zu den Erläute-

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rungen hinsichtlich des dritten steht. Wiebereits erwähnt, definiert die NAK Kirchedarin als „Versammlung derjenigen, diegetauft sind, ihr Leben in der NachfolgeChristi führen und Jesus Christus als ihrenHerrn bekennen“. Im vierten Glaubensar-tikel wird „seine (= Jesu) Kirche“ aller-dings nun wieder an die Sendung vonAposteln geknüpft. In den Erläuterungenliest man dazu: „Das Apostelamt ist inner-halb der Geschichte nicht zeitlich be-grenzt, es soll seine Aufgabe bis ‚zu sei-nem [Jesu] Wiederkommen’ erfüllen.“8

„Ja, was denn nun?“, ist man geneigt zufragen. Ist Kirche in einem inklusivenSinne Versammlung der (und dann aller)Glaubenden und Getauften oder in einemexklusiven Sinne eine Institution, die vonlebenden Aposteln geführt wird, ja sogargeführt werden muss? Jedenfalls zeugtdieser Widerspruch ganz offensichtlichvon dem Dilemma, in dem sich die NAKbefindet: Einerseits wagt man eine ge-wisse Öffnung, indem man die Definitionvon Kirche sozusagen ökumenisch an-schlussfähig macht, andererseits beharrtman auf der altbekannten Einschränkung,indem man den Kirchenbegriff eben dochwieder an das Apostelamt bindet und da-durch Exklusivität postuliert. Man wirdden Eindruck nicht los, dass man damitseitens der NAK die Quadratur des Kreisesversucht hat und progressive Kräfte sowiedie Gesprächspartner anderer Kirchen aufder einen Seite genauso zufrieden stellenwollte wie konservative Kräfte im Innerender NAK auf der anderen. Von dieser auf Apostel fixierten Veren-gung zeugt dann auch der fünfte Glau-bensartikel: „Ich glaube, dass die von Gottfür ein Amt Ausersehenen nur von Apos-teln eingesetzt werden, und dass aus demApostelamt Vollmacht, Segnung und Hei-ligung zu ihrem Dienst hervorgehen.“Dazu die Erläuterungen: „Wie der vierteGlaubensartikel spricht auch der fünfte

von der Bedeutung des Apostelamts.Wurde im vierten Artikel der Zusammen-hang von Apostelamt und rechter Lehre,Sündenvergebung sowie Sakramentsspen-dung herausgestellt, so geht es hier umdas geistliche Amt. Gott ist es, der jeman-den für ein Amt ausersieht. Von daher istdas Amt kein menschliches Werk undletztlich auch nicht das der Gemeinde,sondern es ist Gottes Gabe an seine Kir-che. Der Mensch, so wird im Glaubensar-tikel ausgedrückt, trägt sein Amt aufgrundgöttlichen Willens und nicht menschlicherEntscheidung. Verwirklicht oder umge-setzt wird dies durch das Apostelamt. Amtund Apostolat hängen unmittelbar zusam-men; nur dort, wo das Apostelamt wirkt,kann es folglich auch ein geistliches Amtgeben.“9

Diese Ausführungen machen deutlich,dass der Gemeinde als solcher offenbarkeine priesterliche Funktion zugetrautwird, sondern nur von den Aposteln be-auftragten Einzelpersonen. Die römisch-katholische Kirche sieht dagegen „dieganze Gemeinschaft der Gläubigen ... alssolche“ als „priesterlich“ an. „Durch dieSakramente der Taufe und der Firmungwerden die Gläubigen ‚zu einem heiligenPriestertum geweiht’ (LG 10).“10

Selbstverständlich kennt die römisch-ka-tholische Kirche auch Amtspriester, derenSendung jedoch zum einen nota bene vonden Bischöfen als den Nachfolgern derApostel und nicht von angeblich heute le-benden Aposteln ausgeht. Zum anderenändert das nichts daran, dass die römisch-katholische Kirche daneben auch dasPriestertum der Gläubigen als Volk Gotteskennt – eine Auffassung, die in der rö-misch-katholischen Kirche zwar zugege-benermaßen ab und zu in Vergessenheitzu geraten droht, von der die NAK jedochnoch sehr viel weiter entfernt zu seinscheint als selbst konservativste Katholi-ken.

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Ist die Versiegelung heilsnotwendig?

Sehr problematisch ist schließlich auchder achte Glaubensartikel: „Ich glaube,dass die mit Wasser Getauften durch ei-nen Apostel die Gabe des Heiligen Geis-tes empfangen müssen, um die Gottes-kindschaft und die Voraussetzungen zurErstlingsschaft zu erlangen.“ Gemeint istdamit die Gabe der „Heiligen Versiege-lung oder der Geistestaufe“, eine sakra-mentale Handlung, die es so nur in derNAK gibt.11 Umso schwerwiegender istes, dass die Erlangung der Gotteskind-schaft im Sinne von Röm 8,14-17 ausSicht der NAK zwingend an sie gebundenist. Das bedeutet im Umkehrschluss, dassalle, die dieses Sakrament nicht kennenund daher auch nicht erfahren haben,weil sie keine NAK-Mitglieder sind, dieGotteskindschaft verfehlen – die Formu-lierung „empfangen müssen“ lässt eigent-lich gar keinen anderen Schluss zu. In den Erläuterungen heißt es: „‚Gottes-kindschaft’ ist mithin jene Situation desMenschen vor Gott, die durch den Emp-fang aller Sakramente, durch die rechtePredigt des Evangeliums und die Ausrich-tung des Lebens auf die WiederkunftChristi gekennzeichnet ist“12. Der Emp-fang „aller Sakramente“ ist nötig, was bedeutet, dass ohne Versiegelung keineGotteskindschaft zu erlangen ist undChristen außerhalb der NAK daher keineHeilsgewissheit haben können. WennHelmut Obst feststellt, dass „der Exklusiv-anspruch der Neuapostolischen Kirche ...eng mit der Lehre von der Versiegelungverbunden“ ist13, so gilt dies – zumindestmuss man das aus dem achten Glaubens-artikel schließen – leider nach wie vor.Dieser Anspruch dürfte sich auf das Ge-spräch mit anderen Kirchen nicht geradevorteilhaft auswirken. Im römisch-katholischen Verständnis gehtman davon aus, dass die „pilgernde Kir-

che zum Heile notwendig sei. Der eineChristus nämlich ist Mittler und Weg zumHeil, der in seinem Leib, der die Kircheist, uns gegenwärtig wird“ (LG 14)14.Doch aus römisch-katholischer Sicht hatKirche als Volk Gottes eher einen inklusi-ven als einen exklusiven Charakter, dennsie umfasst alle, die dem Volk Gottes„durch den Glauben an Christus und dieTaufe“ angehören und als „Leib Christi“eine „Gemeinschaft mit Jesus“ bilden.15

Der Schweizer Bischof Kurt Koch sprichtdenn auch von der „Universalität der Kir-che in der Taufe“.16 Das heißt im Klartextgesprochen: Während neuapostolischeChristen aus diesem Blickwinkel durchausTeil der Kirche sind und damit die not-wendige Voraussetzung zum Heil erfüllen,spricht die NAK allen, die ihr nicht ange-hören und nicht versiegelt sind, das Heilin Form der Gotteskindschaft ab.

Fazit

Man wird das Gefühl nicht los, dass essich bei den neuen Glaubensartikeln imGrunde um alten Wein in neuen Schläu-chen handelt. Die NAK ist – aus welchemGrund auch immer – offenbar immernoch nicht in der Lage und / oder willens,ihren durch das Apostelamt und die Ver-siegelung untermauerten Exklusivitätsan-spruch aufzugeben. Die Glaubensartikelwerden auch von manchen NAK-Mitglie-dern als rückwärtsgewandt wahrgenom-men. Zwei Gemeindeleiter der NAK-GemeindeHannover, die erst kürzlich als Gastmit-glied in die örtliche ACK aufgenommenworden war und durch innovative Pro-jekte auffiel, sind von ihren Gemeindeäm-tern zurückgetreten. Aus ihrer Sicht wür-den die Glaubensartikel andere christli-che Gemeinschaften verletzen und aus-grenzen, und auf diesem Weg wollten sienicht weiter mitgehen.

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Anmerkungen

1 Brief von Stammapostel Wilhelm Leber an die Mit-glieder der NAK, 18.5.2010.

2 Neuapostolische Kirche International (Hg.), Erläute-rungen zu den zehn Artikeln des neuapostolischenGlaubensbekenntnisses, o.O. 2010, 6.

3 Ebd., 5.4 Siehe dazu Helmut Obst, Neuapostolische Kirche –

die exklusive Endzeitkirche?, R.A.T. 8, Neukirchen-Vluyn 1996, 115ff.

5 Neuapostolische Kirche International (Hg.), Erläute-rungen, a.a.O., 6.

6 Katechismus der Katholischen Kirche (KKK), Mün-chen 2005, 861f. Die Abkürzung „LG“ steht für„Lumen gentium“, eines der wichtigsten Doku-mente des Zweiten Vatikanischen Konzils.

7 Reinhard Hempelmann, Wie ökumenefähig ist dieNeuapostolische Kirche?, in MD 1/2010, 5-10, 6.

8 Neuapostolische Kirche International (Hg.), Erläute-rungen, a.a.O., 7.

9 Ebd., 8.10 Katechismus der Katholischen Kirche (KKK), a.a.O.,

1546.11 Siehe dazu Helmut Obst, Neuapostolische Kirche,

a.a.O., 130ff.12 Neuapostolische Kirche International (Hg.), Erläute-

rungen, a.a.O., 11.13 Helmut Obst, Neuapostolische Kirche, a.a.O., 131.14 Katechismus der Katholischen Kirche, a.a.O., 846.15 Ebd., 782 und ff.16 Kurt Koch, Die Kirche Gottes. Gemeinschaft im Ge-

heimnis des Glaubens, Augsburg 2007, 19.17 Andreas Fincke, „Und sie bewegt sich doch!“

Neues von der Neuapostolischen Kirche, EZW-Texte 193, Berlin 2007.

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„Und sie bewegt sich doch!“, hatte An-dreas Fincke 2006 noch hoffnungsvoll ge-schrieben und darauf hingewiesen, dasses aus Sicht der NAK neuerdings „derSouveränität Gottes überlassen“ bleibe,ob auch „unversiegelte Seelen durch ei-nen besonderen Gnadenakt des Herrn zurBraut“ Christi gehören könnten.17 Dasmag sein – doch von dieser Offenheit und

in einem positiven Sinne Unentschieden-heit zeugen weder die neuen Glaubensar-tikel noch die dazugehörigen Erläuterun-gen. Eher sieht es so aus, als hätten diekonservativen Kräfte innerhalb der NAKim Moment die Oberhand. Die neuenGlaubensartikel und die dazugehörigenErklärungen lassen – leider – kaum einenanderen Schluss zu.

Michael Utsch

50 Jahre nach dem Tod von Johann Gottfried BischoffNeuer Anlauf zur Geschichtsaufarbeitung in der Neuapostolischen Kirche

Die jüngere Geschichte der Neuapostoli-schen Kirche (NAK) verlangt insbesonderein drei Problembereichen nach einer kriti-schen Aufarbeitung: die Anpassung derKirche an den Nationalsozialismus, derautoritäre Führungsstil des StammapostelsJohann Gottfried Bischoff (1871-1960),der in seiner Amtszeit von 1930 bis 1960

zahlreiche Abspaltungen nach sich zog,und seine falsche „Botschaft“, dass Jesuszu seinen Lebzeiten wiederkommenwerde.Ein Versuch der NAK, ihre Geschichte auf-zuarbeiten, schlug vor drei Jahren fehl.1Die umfangreiche Ausarbeitung der „Pro-jektgruppe Geschichte“, die am zweiten

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Informationsabend im Dezember 2007 inZürich vorgestellt wurde, überging vieleoffene Fragen oder bot fragwürdige Erklä-rungen an. Es war kein Wunder, dass hef-tige Kontroversen innerhalb und außer-halb der NAK folgten. Kurz vor dem 50.Todestag von Stammapostel Bischoff imJuli 2010 setzte nun der amtierendeStammapostel Wilhelm Leber ein ver-söhnliches Zeichen: Das umstrittene Ge-schichtspapier wurde Mitte Juni 2010 vonder Internet-Präsenz der NAK entfernt.In der aktuellen Ausgabe der Mitglieder-zeitschrift „Unsere Familie“2 wird auf achtSeiten ein neuer Versuch der Geschichts-aufarbeitung unternommen, der erfolgver-sprechender erscheint. Ohne Deutungenund Erklärungen seitens der Redaktionwerden die Erinnerungen und Gefühlevon 22 Zeitzeugen wiedergegeben. Seitder „Botschaft“ Bischoffs im Jahr 1951glaubten sie gemeinsam mit den meistenNAK-Mitgliedern neun Jahre lang an dieunmittelbar bevorstehende WiederkunftChristi. Bischoff hatte im Weihnachtsgot-tesdienst 1951 in Gießen verkündet, dasser der letzte Stammapostel sei: „Ich binder Letzte, nach mir kommt keiner mehr.So steht es im Ratschluss unseres Gottes,so ist es festgelegt, und so wird es derHerr bestätigen!“ Doch im Gottesdienstam 10. Juli 1960 wurden die NAK-Mit-glieder dann vor vollendete Tatsachen ge-stellt. Es wurde ihnen mitgeteilt, dass derStammapostel in den Abendstunden des6. Juli 1960 in Karlsruhe verstorben sei. Die so schlichte wie brisante Frage in„Unsere Familie“ lautet nun: „Mit wel-chen Gefühlen erlebten Sie den Gottes-dienst am 10. Juni 1960, in dem Bezirks-apostel Walter Schmidt das Stammapos-telamt übernahm?“ Die Zeugnisse gebenlebendige Einblicke in die existenziellenKrisen und die tiefen seelischen Wunden,die durch die falsche Prophezeiung desdamaligen Stammapostels und die eilige

Nachfolgeregelung hervorgerufen wur-den: „Bei der Bekanntgabe im Gottes-dienst war ich wie erstarrt und weinte bit-terlich in dem Gedanken: ‚Ich bin nichtdabei’ ... Es war für uns wie der Weltun-tergang ... Es traf uns wie ein Schlag ...Wir weinten in diesen Tagen viel und sag-ten immer wieder, es kann doch nichtsein. Wir kamen uns so hilflos vor ... EineWelt war zusammengebrochen. Wohinsollten wir gehen?“ Die Rückblicke ma-chen den emotionalen Ausnahmezustanddeutlich, in den viele Mitglieder geführtwurden. Wenn der Prophet einer Endzeit-gemeinschaft die Wiederkunft Jesu ankün-digt und dann verstirbt, ist die schlimmstealler Schreckensvisionen eingetreten. Esist also kein Wunder dass die Verzweif-lung der neuapostolischen Gläubigennach dem Tod des Stammapostels extremgroß war. Der Handlungsdruck für die zu-rückgelassenen Bezirksapostel war jedochähnlich hoch. Wie konnte man sich indieser ausweglosen Lage verhalten, ohnedas Stammapostelamt zu beschädigenund trotzdem der verstörten, zurückgelas-senen Gemeinde eine neue Zukunftspers-pektive aufzeigen? In einem offenen Brief warf Kurt Huttenschon kurz nach Bischoffs Tod der Apos-telversammlung mangelnde Ehrlichkeitvor: Es sei eine „faule Unternehmung“ gewesen, den Irrtum Bischoffs nicht zu-zugeben: „Aber sein Grab war noch nichtgeschlossen, als sie schon einen neuenStammapostel wählten.“ Vielen verunsi-cherten Gemeindemitgliedern der NAKsprach er sicher aus dem Herzen: „Eigent-lich hättet ihr von den Aposteln erwartendürfen, dass sie nach dem Tod Bischoffsvor euch treten und ehrlich bekennen:Wir haben uns vom Stammapostel irrefüh-ren lassen und haben euch irregeführt“.3Der eindringliche Appell Huttens wolltedie enttäuschten und verwirrten neuapos-tolischen Christen ermutigen, ihr Ver-

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trauen nicht auf den Stammapostel unddie Versiegelung zu setzen, sondern sichallein Gottes Gnade und seinem Wort an-zuvertrauen.Die Redaktion des Bischoff-Verlags lässtin „Unsere Familie“ als Zeitzeugen sogarauch einige „abtrünnige“ NAK-Mitgliederzu Wort kommen, die heute der Vereini-gung apostolischer Gemeinden (VAG) an-gehören. Schon auf dem europäischen Ju-gendtag 2009 der NAK hatte Stammapos-tel Leber eine versöhnliche Geste in Rich-tung der VAG gezeigt. Auch wenn dieklare Bitte um Vergebung für die „Bot-schaft“ und ihre Folgen seitens der NAK-Führung noch aussteht – die Aufarbeitungder Problematik hat begonnen. Zum kritischen Umgang mit der eigenenGeschichte gehört jedoch ebenso die Auf-arbeitung des Verhältnisses der NAK zumNationalsozialismus, die bisher nur in ers-ten Ansätzen erfolgte.4 Um ein Verbot sei-ner Kirche zu verhindern, passte sich Bi-schoff, der sein Amt 1930 angetretenhatte, vielen Forderungen der Machthaberan. Nachweislich gehörten schließlich erselbst und zwölf weitere Apostel und Be-zirksapostel der NSDAP an.5 Der Stamm-apostel „trug die nationalsozialistischeKriegsbegeisterung und den Glauben anden Endsieg mit“6. Der Anpassungskurs istals eine der Ursachen dafür anzusehen,dass ausländische NAK-Gemeinden dendeutschen Stammapostel ablehnten. Mitteder 1940er Jahre trennten sich 25 000niederländische Mitglieder von der NAK.Wie reagierte die NAK „auf den Zusam-menbruch Hitlerdeutschlands? Wie wur-den der große Irrtum und die damit zu-sammenhängende Schuld verarbeitet? DieReaktion war verschweigen, verdrängen,verfälschen. Es gab kein Schuldbekennt-nis, wie es etwa die Vertreter der evangeli-schen Kirche in Deutschland am 18./ 19.Oktober 1945 ablegten“.7 Auch aus ande-ren als politischen Gründen kam es nach

dem Zweiten Weltkrieg in Südhessen undim Saarland zu Abspaltungen von derNAK. Während der Amtszeit Bischoffs gabes ungewöhnlich viele Zerwürfnisse, beidenen es vor allem um Machtfragen undum die Anerkennung der „Botschaft“ desStammapostels ging.8 Die Dogmatisierungder „Botschaft“ ist hier als besonders pro-blematisch zu werten, denn das Glaubender „Botschaft“ wurde den Gemeindeglie-dern nach 1951 als Dogma auferlegt. Ver-siegelungen sowie Berufungen in neu-apostolische Ämter wurden von der An-nahme der „Botschaft“ abhängig gemacht.Die Aufarbeitung der Geschichte der NAKhat mit den Erinnerungen der Zeitzeugenin „Unsere Familie“ begonnen, aber hierliegt noch eine weite Wegstrecke vor die-ser Gemeinschaft. Nur durch schonungs-lose Offenheit könnten alte Wunden hei-len und neues Vertrauen entstehen. Abermit den seelischen Abwehrreflexen derVerdrängung und Verleugnung ist man inder NAK leider gut vertraut. Dies lässt sichderzeit auch am Umgang mit den neuenGlaubensartikeln beobachten9. Obwohlvielfache Kritik an ihnen geäußert wurde,findet sich niemand der Bezirksaposteldazu bereit, sie zu begründen und zu ver-teidigen.10 Mit einem komplizierten Rück-meldeverfahren via Internet wird das di-rekte Gespräch unterbunden und der ein-heitlich apostolischen Leitung unterwor-fen. Mehr Mut zur Wahrheit und eine res-pektvolle, aber offene Streitkultur könntediese Gemeinschaft verändern – wenn dieLeitung es zulassen würde.

Anmerkungen

1 Vgl. Michael Utsch, Mangelnde Geschichtsaufar-beitung in der NAK, in: MD 3/2008, 106f.

2 Unsere Familie 12/2010, 30-38.3 Siehe www.apostolischekritiek.nl/brhutten.html.4 Vgl. Richard Fehr, Verhalten der NAK in der Zeit

des Nationalsozialismus, in: Unsere Familie56/1996, 19.

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5 Vgl. Michael König / Jürgen Marschall (Hg.), DieNeuapostolische Kirche in der N.S.-Zeit und dieAuswirkungen bis zur Gegenwart, Feldafing 1994.

6 Helmut Obst: NAK – die exklusive Endzeitkirche?R.A.T. 8, Neukirchen-Vluyn 1996, 54.

7 Ebd., 55.8 Vgl. Kurt Hutten, Seher, Grübler, Enthusiasten,

Stuttgart 151997, 504-512.9 Siehe dazu den vorstehenden Bericht von Christian

Ruch.10 „Das neue Glaubensbekenntnis hat in seinen Arti-

keln 4-9 ... die neuapostolischen Gläubigen wiederin die Sektenecke gestellt“ (Michael Koch, Keinerwill es rechtfertigen. Editorial vom 1.7.2010 unterwww.glaubenskultur.de).

UNIVERSELLES LEBEN

Hausverbot im Friedensreich. (Letzter Be-richt: 5/2010, 183ff) Der Besuch von reli-giösen und weltanschaulichen Gemein-schaften zählt immer wieder zu interes-santen Tätigkeiten eines kirchlichen Welt-anschauungsbeauftragten. Dabei ergibtsich die Möglichkeit zu persönlichen Kon-takten sowie zu Information und Aus-tausch. Doch nicht immer sind kirchlicheBeauftragte willkommen. Von einer unge-wöhnlichen Erfahrung soll an dieser Stellekurz berichtet werden. Ende Juni 2010 be-suchte ich mit den beiden katholischenKollegen des Bistums Würzburg, AlfredSinger und Dr. Jürgen Lohmayer, in Unter-franken verschiedene Einrichtungen, diezum Umfeld der GlaubensgemeinschaftUniverselles Leben (UL) zählen. Erste Station auf unserer kleinen Rund-reise im Umfeld von Würzburg undMarktheidenfeld war der „Biotop-Ver-bund“ der „Internationalen Gabriele-Stif-tung für alle Kulturen weltweit“. Zu Anlie-gen und Ziel heißt es in einer neuenSelbstvorstellungsbroschüre: „Unter derAnleitung von Gabriele, der Prophetinund Botschafterin Gottes für unsere Zeit,

wurde in Deutschland in der Nähe vonWürzburg ein Pilotprojekt ins Leben geru-fen, das Land des Friedens, das weltweitBeispiel gibt für ein friedvolles Miteinan-der aller Lebensformen.“ Das etliche Hek-tar umfassende Gelände ist über öffent-liche Wege erreichbar. Direkt an derStraße befindet sich ein Schild, das denBesucher mit den Worten begrüßt: „Herz-lich willkommen auf Deutschlands größ-tem privaten Biotop-Verbundsystem“.Nach mehreren hundert Metern stößt derBesucher auf eine weiße Hirtenfigur mitkleinen Schafen. Davor ist ein kleinesMessingschild angebracht mit der Auf-schrift „Schafe können sicher weiden“.Unweit davon findet sich ein weiteresSchild: „Natur-Rundweg über das Frie-densland“. Wir hatten uns nur wenige Minuten dortaufgehalten, als sich über einen Feldwegein Fahrzeug näherte. Unschwer war zuerkennen, dass man auf uns aufmerksamgeworden war. Kurz darauf hielt der Ge-ländewagen in unserer Nähe an. Sein Fah-rer stellte sich als Andreas Hautzinger undals Verantwortlicher für das Biotop vor. Zuunserer Verblüffung begrüßte er die bei-den katholischen Kollegen mit Namenund forderte uns nachdrücklich auf, dasswir uns von den Einrichtungen wie Hofla-den und dem nahegelegenen Gut (nachMeinung von Experten der Aufenthaltsortder „Lehrprophetin“ Gabriele Wittek undranghoher „Urchristen“) fernhalten soll-ten. Wie Hautzinger einräumte, könne eruns die Benutzung der öffentlichen Wegejedoch nicht untersagen.Als wir uns dem Gut näherten, tauchteplötzlich ein weiterer UL-Anhänger auf. Ersollte uns in der folgenden Zeit ununter-brochen filmen. Unsere „Bewacher“ lie-ßen nun nicht mehr von uns ab. Immerwieder wurden wir verbal von den beidenprovoziert: Die katholische Kirche sollesich lieber um ihre Probleme und die Pä-

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dophilen in ihren Reihen kümmern. Alsich meinerseits ein Foto von dieser „Be-wachungsmaßnahme“ machen wollte,wurde mir wegen einer möglichen Veröf-fentlichung des Fotos gedroht. Schließlich verließen wir das Biotop undfuhren zum Einkaufszentrum „Alles füralle“ in Marktheidenfeld-Altfeld, dasebenfalls zum Umfeld des UL zählt. Dortwurden wir bereits „erwartet“. Als wir dieBuchhandlung im Gewerbegebiet betre-ten wollten, kam schon ein ganz inSchwarz gekleideter Sicherheitsmann aufdie beiden katholischen Kollegen zu: „Siehaben hier Hausverbot! Bitte verlassen Siedas Grundstück!“ Wie er ausführte, geltedas Hausverbot auch für weitere Gebäudein der Max-Braun-Straße. Schließlich kamder junge Mann auch auf mich zu undsprach auch mir ein Hausverbot aus. Aufdie Nachfrage nach dem Grund wurdemir mitgeteilt: „Weil Sie mit den beiden(gemeint waren die katholischen Kolle-gen) zusammenhängen.“ Wir verließendas Grundstück und gingen wenigeSchritte weiter. Als wir umkehrten, kamder Sicherheitsmann erneut auf uns zuund übergab Herrn Lohmayer das UL-Buch „Des Satans neue Kleider“ mit demHinweis, nunmehr könne er sich besserinformieren. Als Begründung für dasHausverbot schob er zu unserem Entset-zen noch nach: „Pädophilie ist vermutlichansteckend.“ Kollege Alfred Singer wiesihn auf die Tragweite dieser justiziablenUnterstellung hin. Das Gespräch war be-endet. Wir kehrten zum Fahrzeug zurück– unter dem aufmerksamen Blick eines„gewappneten“ UL-Anhängers, der sicheher etwas ungeschickt im Gebüsch ver-schanzt hatte.Wir fuhren weiter nach Kredenbach zurApostel-Apotheke, die ebenfalls zum Um-feld des UL gehört. Uns war zwischen-zeitlich offensichtlich ein Fahrzeug ge-folgt. Als wir uns in der Nähe des Gebäu-

des aufhielten, war schon wieder einschwarz gekleideter Sicherheitsmann zusehen, der mit seinem Handy telefonierte,um seine Auftraggeber „auf dem Laufen-den zu halten“. Als ich ihn erblickt hatte,war er schnell wieder im Gebäude ver-schwunden. Unsere nächste und letzteStation war Esselbach, wo sich die „Privat-schule ‚Lern mit mir’ im Universellen Le-ben“ befindet. Auch dort wurden wir be-reits erwartet und wiederum fotografiert. Als wir zurückfahren wollten, kam unsschon der Sicherheitsmann aus dem Ein-kaufszentrum in einem Fahrzeug entge-gen. Kurz danach stand plötzlich derranghohe UL-Funktionär Gert-JoachimHetzel an der Straßenseite und bedeuteteuns anzuhalten. Es kam zu einem kurzen,aber heftigen Wortwechsel. Hetzel warfdem katholischen Sektenbeauftragten Sin-ger vor, er würde Stimmung gegen die Ur-christen machen und falsche Dinge be-haupten. Auf die Nachfrage von HerrnSinger, in welchen Fällen das geschehensei, konnte Hetzel nur ausweichende An-gaben machen. Schließlich gab er zu, ersei hierher gekommen, um uns seine Mei-nung zu sagen. Wir sollten uns lieber umdie Pädophilen in der Kirche kümmernund nicht unbescholtene Bürger verfol-gen. Die altbekannten und UL-typischenAnschuldigungen des ranghohen „Ur-christen“ sollen an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Wir beendeten dasGespräch und verließen Esselbach. Wirsahen noch, wie Hetzel in seiner schwä-bischen Limousine davonbrauste. Inzwischen ist ein Flugblatt in Würzburgaufgetaucht, mit dem die zum Umfeld desUL zählende Initiative „Freie Bürger fürAnstand und ethische Werte“ auf die ebengeschilderte Begegnung Bezug nimmt:„Doch anstatt im eigenen Lager für Ord-nung zu sorgen, hatten die selbsternann-ten ‚Experten’ der Kirchen neulich wiedermal nichts Besseres zu tun, als Menschen

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nachzustellen, deren einziges ‚Vergehen’darin besteht, weder katholisch noch lu-therisch gesinnt zu sein. Die drei Beauf-tragten ihrer Großsekten im ‚Arbeitsein-satz’ wurden allerdings zur Rede gestelltund dazu aufgefordert, doch zunächst dieSkandale und den Dreck in den eigenenKirchen aufzuräumen, ehe sie unbeschol-tenen Bürgern nachschnüffeln.“ Auch nach der kleinen Exkursion in Un-terfranken bleibt als Eindruck: StereotypeFeindbilder, Verschwörungs- und Verfol-gungsängste sowie massiver Kirchenhassdominieren weiterhin das Denken vonUL-Anhängern. Offensichtlich werdendiese Faktoren für eine Sektenideologiebenötigt, die sich gegenüber kirchlichenKritikern massiv abgrenzen muss, um in-terne Konflikte und den Erwartungsdruckim „Friedensreich“ besser überspielen zukönnen.

Matthias Pöhlmann

ALTERNATIVE MEDIZIN

Hamer gegen die Universität Tübingen.(Letzter Bericht: 5/2006, 186ff) Am25.6.2010 verhandelte das Verwaltungs-gericht Sigmaringen eine Klage des 1935geborenen Gründers der GermanischenNeuen Medizin (GNM), Ryke Geerd Ha-mer, gegen die Universität Tübingen. Ge-genstand war die 1981 erstmals einge-reichte Habilitation Hamers, in der er diePrinzipien der GNM darlegte, nach denennicht nur Karzinome, sondern sämtlicheKrankheiten zu behandeln seien. Der Klä-ger beantragte, die Universität zur Habili-tation zu verurteilen sowie ihm eine Uni-versitätsklinik zur Verfügung zu stellen, inder die GNM unter seiner Leitung anzu-bieten sei. Der Verfahrensgang seit 1981 umfasstezahlreiche frühere Klagen, Berufungenund Entscheidungen und ist nur noch von

juristischen Experten nachvollziehbar.Der Berichterstatter der Kammer benötigteeine halbe Stunde, um ihn in knapperForm darzulegen. Eine Entscheidung desVerwaltungsgerichts vom 17.12.1986hatte der Universität auferlegt, die Ableh-nung von Hamers Habilitation zu über-prüfen, da sie von einem formal unzustän-digen Gremium getroffen worden sei.Ausgehend davon versucht der Klägerseither, die Universität zur Habilitation zuzwingen. Allerdings existieren spätereEntscheidungen, zum Beispiel vom8.2.2001, nach denen die Grundlage füreine Habilitation durch die strafrecht-lichen Verurteilungen Hamers entfallensind, darunter ein Urteil des AmtsgerichtsKöln von 1997, mit dem er wegen Versto-ßes gegen das Heilpraktikergesetz zu ei-ner Haftstrafe von einem Jahr und siebenMonaten verurteilt wurde. Hamers Versu-che, diese Entscheidung anzufechten,blieben erfolglos (Urteil vom 9.6.2005).Die Universität Tübingen reichte eineVollstreckungsabwehrklage ein, um An-träge Hamers auf Vollstreckung der Ent-scheidung von 1986 zu unterbinden. Da-rauf reagierte dieser mit einer Widerklage,die nun am 25.6.2010 verhandelt wurde.Der Saal – der größte in Sigmaringen –war mit ca. 35 Anhängerinnen und An-hängern Hamers voll besetzt. Vertretenwurde dieser durch seinen Vertrauten Hel-mut Pilhar und einen weiteren Anhänger.Die Universität hatte keine Vertretung ge-schickt. Die Kammer hörte sich die Aus-führungen der Bevollmächtigten Hamersgeduldig an, ließ aber keine Beiträge ausdem Saal zu. Im Wesentlichen wurde diebekannte Verschwörungstheorie referiert:Die Universität habe insgeheim HamersThesen längst geprüft und für richtig be-funden, mache dies aber nicht publik, umdie Interessen der Pharmaindustrie zuwahren. Dabei stünde sie unter dem Ein-fluss des Weltjudentums, ebenso wie die

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sind vermutlich der Grund dafür, dass esbisher nicht zu äußeren Exzessen kam. InSigmaringen wurde jedenfalls klar, dassder Antisemitismus nicht – wie oft von An-hängerinnen und Anhängern behauptet –eine unwesentliche Randerscheinung derGruppe ist. Er steht im Zentrum ihrerWeltanschauung, steigert sich immermehr und wird nach außen hin nur not-dürftig verschleiert. So heißt es auf der ak-tuellen Internetseite Helmut Pilhars: „DieChemo-Giftgas-Pseudotherapie ist nichtsanderes als ein rituelles Schächten (Anä-mie, Blutarmut, Ausbluten)! Weil es reli-giös motiviert ist, kommt man mit wissen-schaftlichen Argumenten nicht dagegenan!“ (www.pilhar.com) Damit ist auch fürdie Kirchen geklärt, dass es mit der An-hängerschaft der GNM keine Gemein-samkeit geben kann.

Hansjörg Hemminger, Stuttgart

Gerichte und die „jüdische Gossen-Jour-naille“, die Hamer zum Scharlatan ge-macht habe. Der Berichterstatter referierte dazu ausden Schriftsätzen des Klägers, dass dieserauch das Gericht in Sigmaringen beschul-digt habe, aus Juden zu bestehen und un-ter jüdischem Einfluss zu sein. In Israelwürden die Erkenntnisse Hamers exklusivfür die Juden genutzt, so dass dort dieMortalität durch Karzinome bei 21 Todes-fällen pro einer Million Einwohnern undJahr liege. In der EU sei dieser Wert mehrals hundertmal höher. Es handle sich um„das größte Verbrechen der Menschheits-geschichte“, das Millionen und MilliardenMenschen das Leben koste. Darauf rea-gierte das Publikum mit frenetischem Bei-fall. Das Gericht antwortete nicht auf die sehremotionalen Appelle, das millionenfacheLeiden zu beenden, ermahnte aber dazu,keine ethnische oder religiöse Gruppe zuverunglimpfen. Als der Vorsitzende un-spektakulär mitteilte, dass die Entschei-dung schriftlich zugestellt werden würde,kam es zu Tumulten. Denn wie die Ent-scheidung ausfallen würde, war allen An-wesenden klar. Die aufgeheizte, fanati-sche Stimmung drängte auf Entladung, dieForderungen nach Rechtfertigung Hamerswurden nun hinausgeschrien. Der Vorsit-zende drohte mit der Polizei, nahm demTumult aber die Spitze, indem die drei Be-rufsrichter und zwei Schöffen den Saalverließen.Ein Fazit: Hamers Ideen haben die Formeiner antisemitischen Verschwörungstheo-rie mit der Besonderheit, dass die ge-heime Ursache des Übels in der Weltnicht nur enthüllt wird, sondern dass mitihm ein Weltenretter bereitsteht, der zumtragischen Opfer der Verschwörung wird.Seine hoch fanatisierte Anhängerschaftidentifiziert sich mit ihm. Nur ihre geringeGröße und kleinbürgerliche Verankerung

GESELLSCHAFT

Karlheinz Stockhausens Spätwerk KLANG– die Vertonung eines „Sektenbuchs“?(Letzter Bericht 2/2008, 73ff) Als der Kom-ponist Karlheinz Stockhausen (1928-2007)vor rund zweieinhalb Jahren starb, hinter-ließ er sein letztes großes Werk, den Zy-klus „KLANG – Die 24 Stunden des Ta-ges“, unvollendet. Die Teile bzw. Stunden22 bis 24 konnte der Komponist nichtmehr fertigstellen. Trotzdem wurden dievorliegenden Werke, also die 1. bis 21.Stunde, im Mai 2010 bei der Kölner Mu-sikTriennale erstmals in ihrer Gesamtheitaufgeführt. Dabei bot KLANG, wie schonder zwischen 1977 und 2003 hervorge-brachte Opernzyklus „LICHT – Die siebenTage der Woche“, auch einen interessan-ten Einblick in den synkretistischen Glau-benskosmos Stockhausens, der sich ab un-gefähr Ende der 1960er Jahre vom from-men rheinischen Katholiken zu einem an

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verschiedensten Traditionen orientiertenKünstler entwickelte. Die ersten beiden Teile und Stunden mitden Titeln HIMMELFAHRT (vgl. MD7/2005, 274) und FREUDE stützen sich inihren Libretti auf eine im weitesten Sinnechristliche Tradition. Für FREUDE – einebeeindruckende Komposition für zweiHarfen und Gesang – verwandte Stock-hausen den Pfingsthymnus „Veni creatorspiritus“, und ursprünglich sollte das Werksogar den Titel PFINGSTEN tragen. Gera-dezu rührend ist die „HIMMELS-TÜR“ be-titelte vierte Stunde: Ein Percussionisttrommelt mit großer Virtuosität gegen einehölzerne Pforte, die ihn erst einlässt, als ersie bis zur Erschöpfung mit seinen Schlä-gen bearbeitet hat. Ihm folgt ein kleinesMädchen, das wesentlich müheloser, aberauch neugierig und vorsichtig ebenfallsdurch die Himmelspforte schlüpft. DieKLANG-Teile bzw. -Stunden drei biszwölf sind weitgehend rein instrumentaleKompositionen und insgesamt kann manwohl sagen, dass die ersten zwölf Kompo-sitionen zum gefälligeren Teil des Zyklusgehören. Eine echte Herausforderung für die Ohrenist dagegen COSMIC PULSES (13.Stunde), eine enorm komplexe, aber auchfaszinierende Komposition für elektroni-sche Musik, die Stockhausens Anspruch,das Ungehörte und Unerhörte hörbar zumachen, zweifellos erfüllt. Schwere Kostsind dann auch die Stunden 14 bis 21,denn sie bauen auf den Klangschichtenvon COSMIC PULSES auf, befremdenaber sicher auch durch ihre Titel und Gesangslibretti. Diese Teile heißen HAVONA, ORVONTON, UVERSA, NE-BADON, JERUSEM, URANTIA, EDENTIAund PARADIES, mit Ausnahme des letzte-ren wohl für viele Konzertbesucher völligunbekannte Wortkreationen. Sie stammenaus dem „Urantia-Buch“, einer Kosmolo-gie, die von höheren Wesen übermittelt

worden sein soll und 1955 in Chicagoerstmals veröffentlicht wurde (vgl. MD9/2006, 341-350). Havona, Orvonton,Uversa, Nebadon, Jerusem und Edentiasind Namen von im Urantia-Buch näherbeschriebenen Universen und Himmels-sphären, Urantia dagegen ist der Nameder Erde. Es fällt auf, dass vor allem Musiker immerwieder vom inhaltlich sehr komplexen bisnahezu unverständlichen Urantia-Buchbegeistert und inspiriert gewesen sind. Zuihnen zählen z. B. Elvis Presley, JimmyHendrix, Janis Joplin, Jerry Garcia von derGruppe „Grateful Dead“ sowie die Band„The Moody Blues“ und die Jazzrock-For-mation „Weather Report“. Letztere nannteeine ihrer Kompositionen ebenfalls „Ha-vona“. Karlheinz Stockhausen hatte dasBuch Anfang der 1970er Jahre währendeiner Tournee in den USA kennengelernt,aber erst mit Beginn der Arbeiten anLICHT in sein Werk einfließen lassen. DieBegeisterung des Komponisten für dasBuch wurde von der Musikwissenschaftlange nicht thematisiert – sei es, weil manden Meister vor noch größerer Hämeschützen wollte, sei es, weil diese wich-tige Quelle für das Schaffen des Kompo-nisten entweder nicht ernst oder gar nichterst zur Kenntnis genommen wurde. Dieshat sich mittlerweile geändert. Stockhau-sen selbst hat sich öffentlich nie sehr aus-führlich zum Urantia-Buch geäußert. Imprivaten Gespräch sagte er 1999, er habelängst nicht das ganze, über 2000 Seitenstarke Werk gelesen, doch das, was er ge-lesen habe, sei für ihn wahr. Dazu zähltvor allem die im Urantia-Buch themati-sierte Rebellion Luzifers gegen Michael,die auch in LICHT eine wichtige Rollespielt. Jene KLANG-Teile, die sich explizit aufdas Urantia-Buch beziehen, sind alle inStockhausens letztem Lebensjahr, also2007, entstanden. Möglicherweise hat der

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reichen Stockhausen-Fans unter den Zu-hörern kennen eben „ihren“ Meister undsind seine nicht gerade mehrheitsfähigeSpiritualität schon gewohnt – sie habendeshalb einfach die Musik und ein einma-liges Konzertereignis genossen.

Christian Ruch, Chur/Schweiz

Komponist zuvor so etwas wie eine Re-lecture des Buchs betrieben, liegt es dochseit 2005 erstmals auf Deutsch vor (mitt-lerweile ist bereits die zweite Auflage imHandel). Diese deutsche Version hatStockhausen auch öfters verschenkt, wo-bei er zum Verfasser dieser Zeilen wenigeMonate vor seinem Tod meinte: „Ich er-zähle jetzt vielen Leuten, was ich im Jen-seits so alles vorhabe. Die sind dann völ-lig fassungslos, und ich sag’ zu ihnen, ‚Ichgeb’ Ihnen was zu lesen’.“So kam es wohl, dass Stockhausen inKLANG kein Blatt vor den Mund nahm,sondern sich freimütig und vor allem we-sentlich expliziter als noch in LICHT zuseinem Glauben an den Inhalt des Uran-tia-Buchs bekannte. Im Stück HAVONAsingt der Bass etwa: „Gott – Deine Kinderstreben Schritt für Schritt – von URANTIAzu JERUSEM in NEBADON – lernen wei-ter durch UVERSA – und das große OR-VONTON – über EDENTIA bis zu HA-VONA – und von HAVONA zum PARA-DIES ...“Die Medienschaffenden reagierten erwar-tungsgemäß rat- und verständnislos, alssie anlässlich der Kölner KLANG-Auffüh-rung (wohl zum ersten Mal) mit demUrantia-Buch konfrontiert wurden. JörnFlorian Fuchs verwandte im „Deutsch-landradio“ im Zusammenhang mit demUrantia-Buch das Attribut „esoterisch“,Rainer Nonnenmann im „Kölner Stadt-Anzeiger“ sogar das Etikett „Sektenbuch“.Auf eine Wertung verzichten wollte dage-gen wohl Olaf Weiden in der „KölnischenRundschau“, der allerdings schrieb, dassauf dem Urantia-Buch nach seinem erst-maligen Erscheinen in den USA „baldeine Glaubensgemeinschaft“ basiert habe(was so nicht stimmt, es gibt bisher nurlose organisierte Leservereinigungen). DasPublikum dagegen schien sich an all denunbekannten Namen und seltsamen Tex-ten nicht sonderlich zu stören. Die zahl-

ESOTERIK

Glücksproduzenten auf Käufersuche: Dasneue Esoterik-Magazin „happinez“. Aufzugkräftige wie verheißungsvolle Titelkommt es an, wenn Produkte auf demZeitschriftenmarkt etabliert werden sollen.Sie offenbaren auch eine gehörige PortionZeitgeist. Jüngstes Beispiel dafür ist die am10. Juni 2010 erschienene deutsche Erst-ausgabe von „happinez“, einem „Mind-style-Magazine“. Was ist darunter zu ver-stehen? Nach Meinung der Zeitschriften-macher steht „Mindstyle“ für die Verbin-dung von Geist und Herz: „Happinez istein modernes, feminines Magazin, das ei-nen puren und positiven Lifestyle vermit-telt. Es richtet sich in der Kernzielgruppean anspruchsvolle Frauen im Alter zwi-schen 35 und 50 Jahren, die Wert auf einen bewussten Lebensstil sowie emotio-nale Weiterentwicklung legen.“ Die Ziel-gruppe deckt sich mit typischen Nutzernmoderner Esoterik-Angebote. In dem zweimonatlich erscheinendenMagazin zum Einzelpreis von 4,95 Eurosoll sich alles um „Weisheit, Psychologieund Spiritualität“ drehen. Thematisch an-gereichert wird das Ganze mit Infos undBerichten zu „Leben, Job, Gesundheit, Er-nährung, Living, Reise und Natur sowieKunst und Kultur“. Die Zeitschrift ist einProdukt der „Bauer Media Group“ undeine Lizenzausgabe des gleichnamigen,seit 2003 erscheinenden holländischenMagazins, dessen Gesamtauflage rund250 000 Stück beträgt. Für die Startauf-

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lage wurden in Deutschland 150 000Hefte produziert.Zum Selbstverständnis des Magazins heißtes im Internet (www.happinez.de): „EinHeft für Menschen, die interessiert sindam Entdecken ihrer Innerlichkeit, verbun-den mit einem angenehmen Leben.“ DieErstausgabe widmet sich auf rund 140 Sei-ten dem Schwerpunktthema Liebe. Dabeigeht es um magische Orte für Liebende,Tantra und eine Prise Exotismus, der miteiner Reportage über Schamanismus in Vietnam angereichert wird. Aber auchSpirituelles lässt sich im Heft finden: ImInnenteil kommen u. a. die YogalehrerinMiriam Wessels, der US-amerikanischeNew-Age-Autor Gregg Braden und – miteigener Kolumne – der Satsang-LehrerEckhart Tolle zu Wort („Die Kraft des ge-genwärtigen Augenblicks“). Typische eso-terische Überzeugungen begegnen imHeft immer wieder, etwa beim Thema„Die Magie der Anziehung“. Dort heißt esapodiktisch: „Wir erschaffen unsere Reali-tät“. An anderer Stelle findet sich ein Be-richt über das – angeblich alte – keltischeRitual „Handfasting“, bei dem sich dieLiebenden mit Bändern an den Händenverbinden. Es handelt sich um ein Ritual,das auch in der Neuheidenszene, insbe-sondere im Wicca-Kult, verbreitet ist. Eu-phorisch heißt es in „happinez“: Einewunderbare Möglichkeit für alle, die nichtauf traditionelle Weise heiraten möchten“. Selbstverständlich dürfen im „happinez“-Heft esoterische Devotionalien nicht feh-len! Persönliche Hilfe verheißen die„Bring-mehr-Liebe-in-Dein-Leben-Karten“.Sie sollen – so die Empfehlung – an einenOrt gelegt werden, an dem frau sich oftaufhält. Auf der Vorderseite der Karte be-finden sich Sinnsprüche von Marc Aurelüber Goethe bis Mutter Theresa. Auf derRückseite werden Empfehlungen gege-ben, z. B. „Besuchen Sie einen sakralenOrt – eine Kirche, eine Bibliothek, einen

Wald. Und erlauben Sie sich, die Stilleund Einsamkeit zu fühlen.“Mit dem neuen Magazin „happinez“ gibtsich ein schon länger sich abzeichnenderTrend zur Popularisierung und Banalisie-rung esoterischer Themen zu erkennen.Schlagworte wie Intuition und Spiritualitätsollen Menschen verzaubern und ihnenImpulse für ein gelingendes Wohlfühl-Le-ben in einer kraftvollen spirituellen Mind-style-Atmosphäre offerieren. Dafür gibt esin dieser Zielgruppe nach wie vor Bedarf.Aber auch ein marktstategisches Kalküllässt sich bei den Glücksproduzenten er-kennen. Das Heft setzt auf positive As-pekte und Themen. Das ist an sich nichtsSchlechtes. Doch die Themen passen vor-züglich zu einem zunehmend individuali-sierten „Mind-“ und „Lifestyle“, der sichmühelos mit unterschiedlichen spirituel-len und esoterischen Ritualen, Tipps undUtensilien kombinieren lässt. Die in „hap-pinez“ propagierte Glückssuche vollziehtsich daher bewusst konsumorientiert undentdeckungsfreudig. Für eine „entschleu-nigte“ Reflexion über Sinn und Unsinnsolcher Angebote bleibt dabei kein Raum.

Matthias Pöhlmann

Ortsgemeinden (local churches)

„Ortsgemeinden“ (local churches) ist dieBezeichnung für eine kleine, weltweit ver-breitete christliche Bewegung (andere Be-zeichnung: Die Gemeinde). Zu ihremSelbstverständnis gehört das spezifischeAnliegen, dass alle wahrhaft Glaubendenund Wiedergeborenen eines Ortes Teil dereinen Ortsgemeinde sind, die sich alswiederhergestellte neutestamentliche Ge-meinde begreift und den Namen des jeweiligen Ortes trägt. Für dieses Ver-

STICHWORT

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ständnis von Gemeinde beruft man sich inbiblizistischer Weise auf Texte der Brief-literatur des Neuen Testaments, in denensituationsbedingt jeweils eine Gemeindeam Ort vorausgesetzt wird (z. B. Korinth,Rom, Ephesus, Philippi, Kolossä).

Ausprägungen in Lehre und Praxis

Die Hervorhebung des formal verstande-nen Ortsprinzips ist charakteristischesMerkmal der Ortsgemeinden, gleichzeitigMittel der Selbstunterscheidung gegen-über anderen christlichen Gemeinschaf-ten. In Lehre und Frömmigkeitspraxis be-rufen sich die Ortsgemeinden auf den chi-nesischen Christen und Missionar Watch-man Nee (1903-1972), dessen Schriften(u. a. The Spiritual Man / Der geistlicheChrist, The Normal Christian Life / Dasnormale Christenleben) auch in zahlrei-chen anderen christlichen Gemeinschaf-ten, insbesondere im Kontext des Evange-likalismus, weite Verbreitung fanden. Ihren organisatorischen Aufbau und ihrefrömmigkeitsmäßige Prägung empfingendie Ortsgemeinden durch Witness Lee(1905-1997), einen ehemaligen Mitarbei-ter Nees, unter dessen Führung sie sichseit 1962 in den USA und zahlreichenweiteren Ländern, seit 1970 auch inDeutschland ausbreiteten. Lehrfragenwerden als nicht zentral angesehen. Alsfundamentale Voraussetzung für daschristliche Leben gilt die Erfahrung vonBekehrung und Wiedergeburt. Die Taufe,die nicht als Sakrament gilt, wird allein anBekehrten vollzogen. Nur die Erwachse-nentaufe wird anerkannt. Das Kirchenverständnis ist in seiner anti-denominationellen Ausrichtung durchJohn Nelson Darby (1800-1882) beein-flusst. Es lässt ökumenische Offenheit undBeziehungen zu anderen christlichen Kir-chen und Gemeinschaften nur begrenztzu, obgleich lehrmäßige und frömmig-

keitsbezogene Anliegen mit anderenevangelikalen Gruppen geteilt werden.Vom Grundsatz her verstehen sich Ortsge-meinden als unabhängig, ihr Erschei-nungsbild differiert jedoch an unter-schiedlichen Orten kaum. Der zentralisti-sche und autoritative Leitungsstil WitnessLees führte seit 1987 zur Trennung dermeisten europäischen Ortsgemeinden vonihm und seiner Organisation „LivingStream Ministry“ (Anaheim, California).Die Trennung bedeutete jedoch nicht dieAbkehr von zentralen Anliegen der reli-giösen Praxis. Ortsgemeinden sind mit ca. 150 000 Mit-gliedern in ca. 2000 Gemeinden in China,Taiwan, in den USA, in Kanada, Mittel-und Südamerika, Afrika, Europa und Aus-tralien verbreitet. Die Zahl ihrer Angehöri-gen in Deutschland beträgt ca. 500 in ca.15 Städten. In Stuttgart befindet sich einePublikationseinrichtung der Ortsgemein-den, der Verlag „Der Strom“, der insbe-sondere Bücher von Watchman Nee, aberauch von John So u. a. publiziert. Unab-hängig davon gibt es in Berlin den „Dienstim Lebensstrom / Living Stream Ministry“(LSM), einen Verlag, der die Richtung derinternationalen „Local Church Move-ment“ repräsentiert und dessen Vertreterdie Kontinuität im Wirken WatchmanNees und Witness Lees betonen. LSM gibtderen Werke (u. a. die umfangreiche eng-lische Ausgabe von 62 Bänden der Werkevon Watchman Nee) und eine eigene Bi-belübersetzung (Recovery Version) he-raus. Zahlreiche Schriften Nees und Leessind im Internet in englischer Sprache zu-gänglich, ebenso die Bibelübersetzung(www.ministrybooks.org).

Einschätzungen

Im nordamerikanischen Kontext war dasVerhältnis zwischen Ortsgemeinden undevangelikalen Gruppen durch verschie-

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dene öffentliche Kontroversen und ge-richtliche Auseinandersetzungen be-stimmt. Dabei ging es unter anderemauch um Lehrfragen (Trinität, Christologie)und Frömmigkeitspraktiken (Art des Bibel-lesens und Betens). Im deutschsprachigenRaum treten Ortsgemeinden mit ihren An-liegen öffentlich wenig in Erscheinung.Vereinzelt wird das Gedankengut vonGruppen aufgegriffen, die sich um Einzel-personen (z. B. Horst Schaffranek) bildenund die Betonung des Ortsprinzips mit ag-gressiver Infragestellung anderer Gemein-schaften und Kirchen verbinden. Dialoge zwischen evangelikalen Vertre-tern (u. a. Fuller Seminary) und Vertreternder Ortsgemeinden führten teilweise zuveränderten Beurteilungen der Schriftenvon Nee, Lee und LSM. Es wurde daraufhingewiesen, dass ihre lehrmäßigen Ori-entierungen mit zentralen Aussagen deschristlichen Bekenntnisses übereinstim-men, und wahrgenommen, dass unter-schiedliche Akzente im Frömmigkeitsvoll-zug auch kulturelle Gründe haben. 2002wurde LSM als Mitglied der EvangelicalChristian Publishers Association (ECPA)aufgenommen. Auch J. Gordon Melton at-testierte der Bewegung eine Konformitätmit grundlegenden christlichen Lehren.Gleichzeitig fordern andere, vor allemevangelikal geprägte Leiter, den VerlagLSM auf, sich von häretischen Lehren Wit-ness Lees zur Trinität, zu anderen Kirchenetc. zu distanzieren und seine Texte nichtweiter zu verbreiten.Das Konzept der Ortsgemeinde ist alsWeg zur Überwindung der Spaltung undTrennung der Christen untauglich. DieVerabsolutierung eines äußeren Merkmalsruft faktisch weitere Trennungen hervor.

Quellen

Lee, Witness, Gottes neutestamentliche Ökonomie,Stuttgart 1980

Nee, Watchman, Die Ortsgemeinde, Stuttgart 1987

Zeitschriften

Der Lebensstrom (Living Stream Ministry / Dienst imLebensstrom)

Die goldenen Leuchter (Verlag „Der Strom“)

Literatur

Melton, J. Gordon, Encyclopedic Handbook of Cults inAmerica, New York / London 1986, 165-170

Melton, J. Gordon, Encyclopedia of American Religi-ons, Detroit (Michigan) u. a. 51996, 500f

Reimer, Ingrid, Nur eine Gemeinde am Ort? – Aus-einandersetzungen um die „Ortsgemeinde“, in: MD9/1987, 261-271

Reimer, Ingrid, „Ortsgemeinden“ trennen sich vonWitness Lee, in: MD 7/1990, 202-205

Reinhard Hempelmann

BÜCHERAnonymus, Traktat über die drei Betrü-ger. Französisch – Deutsch. Kritisch he-rausgegeben, übersetzt, kommentiert undmit einer Einleitung versehen von Win-fried Schröder, Felix Meiner Verlag, Ham-burg 1992 (Neudruck: 2010), 168 Seiten,16,90 Euro.

Der renommierte Felix Meiner Verlag hatin seiner „Philosophischen Bibliothek“den „Traktat über die drei Betrüger“ neuaufgelegt. Es handelt sich bei diesem ano-nymen Traktat um einen im letzten Dritteldes 17. Jahrhunderts entstandenen Schlüs-seltext der Religionskritik, der im 18. Jahr-hundert recht weit verbreitet war. Mit dendrei Betrügern sind Mose, Jesus und Mo-hammed gemeint. Die von WinfriedSchröder, Professor für Geschichte derPhilosophie in Marburg, sorgfältig edierteAusgabe präsentiert ausführliche Informa-tionen zur ideengeschichtlichen Einord-nung und Rezeption eines wichtigen Do-kuments des Atheismus.Entgegen weit verbreiteter Annahmen warjene Bewegung, die wir heute als „Aufklä-

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rung“ bezeichnen, nicht dezidiert atheis-tisch, sondern allenfalls kirchen- und reli-gionskritisch ausgerichtet. Doch schonbald entstanden am Rande der AufklärungStrömungen, die auf die Beseitigung allerReligion drängten und somit eine neueQualität an Atheismus erreichten. Dennzuvor war „Atheismus“ keine grundsätz-liche Infragestellung der Religion, sonderndie Leugnung der (jeweils unterschiedlichgedachten) wahren Religion. Der vorlie-gende Traktat kritisiert nun nicht mehr be-stimmte Glaubensinhalte oder Glaubens-verirrungen, sondern stellt vielmehr dieOffenbarung Gottes unter den Verdachtdes Betruges. Damit ist der Traktat, wieder Herausgeber in seiner kenntnisreichenEinleitung schreibt, eine „Ausnahmeer-scheinung“. Und weiter: „Bis ins frühe 18.Jahrhundert war kaum ein Religionskriti-ker Atheist“ (IX).Der Traktat gliedert sich in sechs Kapitel,die jeweils noch weiter in mehrere Para-grafen unterteilt sind: Zunächst geht esum falsche Vorstellungen von Gott, dieentstanden seien, „weil man zu schwachist, den gesunden Menschenverstand unddie Vernunft zu Rate zu ziehen“ (3), späterwird über Jesus Christus, die Seele unddie Geister verhandelt. Insgesamt zeichnet sich der Traktat durchgroße Schärfe aus. Bereits auf der erstenSeite heißt es, dass allein die Unwissen-heit die Quelle unserer falschen Vorstel-lungen und lächerlichen Meinungen vonGott sei (5). Die Herrschenden und diePriester „haben ein zu großes Interesse ander Unwissenheit des Volkes, als dass siees hinnehmen könnten, dass man ihm dieAugen öffnet“ (7). Was die Apostel undPropheten über Gott lehren, erscheint denVerfassern „derart plump, dass man völligunkultiviert sein muss, um an sie zu glau-ben“ (9). Mehr noch: „Ihre Äußerungensind größtenteils so dunkel, dass mannichts versteht, und derart verworren, dass

man unschwer einsehen kann, dass siesich selbst nicht verstanden und über-haupt bloß arglistige Ignoranten waren“(11).Wie der Titel erwarten lässt, erklären dieAutoren die Religion damit, dass Mose,Jesus und Mohammed, also Judentum,Christentum und Islam aus bestimmtenMachtinteressen heraus entstanden.Denn: „Die Religionsstifter hatten ein ge-naues Gespür dafür, dass ihre betrügeri-schen Machenschaften auf die Unwissen-heit des Volkes gegründet waren“ (53).Mose wird als „Gauner und Betrüger“ be-zeichnet (71). Das Urteil über Jesus istmaßlos; so heißt es mit Blick auf die Kreu-zigung: „Jesus Christus entrann nicht sei-ner gerechten und verdienten Strafe“ (13).Das Christentum wird als „plumper Be-trug“ (101) bezeichnet.Der „Traktat über die drei Betrüger“ istnicht nur ein interessantes Dokument zurGeschichte des Atheismus. In Frankreichfindet er auch heute eine nennenswerteVerbreitung. So ist der Text in unseremNachbarland in den letzten Jahren immerwieder neu aufgelegt worden. Ob mandie Neuauflage des Felix Meiner Verlagesin den Kontext des zunehmenden Atheis-mus in Deutschland stellen kann, scheintmir jedoch fraglich. Aber dennoch ist einVergleich mit dem sogenannten „neuenAtheismus“ (Richard Dawkins, DanielDennett, Christopher Hitchens, Sam Har-ris) interessant. Oft wird gesagt, diescharfe Pauschalverurteilung aller Reli-gion sei ein Wesensmerkmal des „neuenAtheismus“. Der vorliegende Traktat zeigt,dass diese Vereinfachung nicht haltbar ist.Ähnlich wie Dawkins suggeriert unserText aus dem 17. Jahrhundert, dass dieWelt signifikant besser wäre, wenn eskeine Religion gäbe. Beim Lesen des Traktats verspürte ich im-mer wieder Lust, mit den Autoren zu strei-ten. Eine solche Auseinandersetzung mit

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dem (historischen und aktuellen) Atheis-mus wäre dringend nötig. Leider wird siein keiner der großen Kirchen, in keinerAkademie und auch in der kirchlichen Pu-blizistik nicht geleistet. Aber das ist eineandere Geschichte.

Andreas Fincke, Berlin

Bertram Schmitz, Der Koran: Sure 2 „DieKuh“. Ein religionshistorischer Kommen-tar, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart2009, 363 Seiten, 44,00 Euro.

Ein Kommentar zum Koran, nicht von ei-nem Arabisten oder Islamwissenschaftler,nicht aus explizit historischer Sicht, nichtals theologische Auslegung? Man magsich zunächst fragen, was es mit einem re-ligionswissenschaftlichen Kommentar aufsich hat. Fest steht, dass diese Herange-hensweise ungewohnt und in systemati-scher Durchführung neu ist – und dass sieeinen erfrischend neuen Blick auf den Ko-ran eröffnet. Der Hannoveraner Privatdozent BertramSchmitz interpretiert den Koran in seineninterreligiösen Bezügen religionsge-schichtlich, und dies vorrangig im Gegen-über zu den biblischen Religionen Juden-tum und Christentum. Exemplarisch wirdSure 2 als wichtiges Zeugnis der Entste-hung des Islam als eigenständige Religiongleichsam „in den religiösen und theolo-gischen Fluss der Religionsgeschichte ein-gearbeitet“ (12). Dabei geht es allerdingsnicht so sehr um Einflüsse, Anleihen, lite-rarische Abhängigkeiten, nicht um Herlei-tung koranischer Inhalte aus Früherem,wozu durchaus eine Genealogie bedeut-samer Studien von A. Geiger über H.Speyer bis hin zu G. Lüling und anderenzu nennen wäre. Vielmehr sucht der Kom-mentar die religiöse Botschaft des Koransdurch die Korrelierung mit religionsge-schichtlich relevanten – verwandten, pa-

rallelen, gegenläufigen – Themen, Denk-mustern und Argumentationen gerade inihrer Eigengestalt sichtbar zu machen –und dies unter Wahrung der religionswis-senschaftlichen Distanz. Dazu werdenAnalogien und Vergleichspunkte mehrphänomenologisch und diskursorientiertals historisch-kritisch ins Gespräch ge-bracht. So werden etwa Psalmenmotivewie „Lobpreis der Tora“ (Ps 19) oder dieEröffnung des Psalters (Ps 1), semantischeBeziehungen, Stellen aus den Schriftpro-pheten sowie weisheitliche Texte, die Sün-denlehre des Paulus, Gleichnisse Jesu,Passagen aus der jüdischen Traditionslite-ratur oder patristische Texte usf. in großerBreite herangezogen, um Parallelitätenund Divergenzen aufzuspüren. Aus dieser konzentrierten interreligiös-in-tertextuellen Lektüre ergibt sich nicht nureine Fülle interessanter Details im Blickauf mögliche ursprüngliche Verständnis-ebenen, sondern in der Zusammenschaudie wohlbegründete These, dass der Tora –die fünf Bücher Mose – nicht nur alsGrundlage für das Judentum und indirektfür das Christentum, sondern in spezifi-scher Weise auch für den entstehenden Is-lam entscheidende Bedeutung zukommt.Insofern die Tora grundsätzlich als Offen-barung anerkannt, auf der Basis der zwei-ten Sure aber auch modifiziert bzw. re-konstituiert wird, kann Sure 2 in religions-geschichtlicher Hinsicht geradezu als„Neue Tora“ bezeichnet werden. Schmitzmöchte am Ende gar „beinahe“ von ei-nem „Tritonomium“ sprechen, einem zumdritten Mal genannten Gesetz – so sehrfallen die Parallelen zum „Deuterono-mium“ ins Auge. Neben der Mikroebene der Versanalysenwird also in dieser Hinsicht der Makro-ebene besondere Aufmerksamkeit ge-schenkt. Sie bildet sich in der Gliederungdes Buches ab, die selbst unmittelbar derTextlektüre folgt: Sure 2 enthält nach einer

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Sure 2 platziert. So lässt die Sure durchihre kunstvolle Komposition einerseits er-kennen, dass und wie Muhammad sichauf die Tora als Maßstab bezogen hat, an-dererseits formuliert sie den zu Beginn dermedinischen Zeit sich ankündigenden An-spruch des Korans, nun seinerseits alsMaßstab für die Tora und ihre Wirkungs-geschichte zu gelten. Auf verschiedenen Ebenen zeigt die Stu-die, dass Relationen aufzuzeigen nichtRelativierung der „Originalität des arabi-schen Propheten“ (Johann Fück) bedeutet.Es gerät nicht aus dem Blick, dass die Surevielfach in polemischer Abgrenzung ge-gen Juden und Christen argumentiert. Siesteht selbstbestimmt und souverän gegen-über der Tora – symbolisiert in der „Um-wendung zur Kaaba“, die zugleich diepraktische Lösung von den biblischen Re-ligionen vorzeichnet (346). Dieses in sei-nem religiösen Moment im Kontext derReligionen nachzuvollziehen, ist Aufgabeund Ziel des Buches. Es gelingt ihm aus-gezeichnet. Ein Beitrag zur gegenseitigenReligionsverständigung, wie beabsichtigt,kann es daher mit Sicherheit sein. Des-halb sei die Lektüre allen am Koran undam christlich-muslimischen Dialog Inte-ressierten warm empfohlen.

Friedmann Eißler

allgemeinen Grundlegung (V. 2-29) einengeschichtlichen Teil (V. 30-141), einenMittel- und Wendepunkt (V. 142-162) so-wie einen kultisch-rechtlichen Teil (V.163-283) mit Abschluss (V. 284-286). DerDurchgang wird mit der genannten Thesein einer Art Fazit beendet, worauf eine au-ßerordentlich ergiebige, detailliert geglie-derte Inhaltsangabe zu allen Versen dergesamten Sure mit Unterüberschriften so-wie hier und da eingeschobenen kom-mentierenden Bemerkungen folgt („Vers-inhalte“, 347-359!). Leider ist dem Bandnur ein sehr sparsames Literaturverzeich-nis beigegeben, Register fehlen.Dem Autor gelingt es, den parallelen Auf-bau von Tora und Sure 2 in den erzählen-den Teilen (Haggada) wie auch im Gesetz(Halacha) aufzuzeigen, und zwar sowohlwas die entscheidenden Themenkom-plexe als auch deren Abfolge in der Dar-stellung betrifft. So spannt Sure 2 den Bo-gen von der Urgeschichte über Mose unddie Wüstenwanderung bis ins GelobteLand. Desgleichen läuft der Gesetzeskom-plex Sure 2,142-274 mit der ThemenfolgeKultzentrum (ein Ort, ein Glaube), Speise-gebote, Feste, Frauen und Abgaben er-staunlich parallel zu Dtn 12.14.16.21-22.24-25.26. Bedeutsame Abweichungenwerden inhaltlich begründet, etwa dassdie Nachordnung der Väterüberlieferungmit dem Schwerpunkt Abraham (V. 124-141) hinter die Mosegeschichte argumen-tativ plausibel ist, da sich der Islam als Er-neuerung eben der Religion Abrahamsversteht. Die entscheidende Schlüssel-stelle um die keineswegs nur räumlich-geographisch, sondern durchaus grund-sätzlich theologisch zu begreifende Wen-dung von Jerusalem nach Mekka, die ar-gumentativ durch Abraham als Vater desGlaubens in Mekka vorbereitet und durchdie Änderung der Gebetsrichtung (V. 142-145) vollzogen wird, ist somit markiertund kaum zufällig genau in der Mitte von

Markolf H. Niemz, Lucys Vermächtnis.Der Schlüssel zur Ewigkeit, Droemer Ver-lag, München 2009, 192 Seiten, 16,95Euro.

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Na-turwissenschaftler über Fragen von Lebenund Tod sowie von Zeit und Ewigkeitschreibt. Markolf Niemz ist habilitierterPhysiker an der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität und Ordinarius an derMedizinischen Fakultät Mannheim. Er legtnun mit „Lucys Vermächtnis“ den dritten

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Band einer Reihe vor, mit der er im Blickauf das Verständnis von Sterben und Todden Dialog zwischen Naturwissenschaft,Philosophie und Religion belebenmöchte. Niemz hat Physik und Bioengi-neering in Heidelberg und an der Univer-sity of California in San Diego studiert. Erspezialisierte sich auf physikalische Mess-technik und wurde für seine Arbeiten zurLasermedizin 1995 von der HeidelbergerAkademie der Wissenschaften mit demKarl-Freudenberg-Preis ausgezeichnet.Auf eine Tätigkeit am Fraunhofer-Institutin Freiburg folgte die Berufung zum Di-rektor der Mannheim Biomedical Engi-neering Laboratories. Gegenwärtig hat erseine Berufstätigkeit zu Gunsten einer El-ternzeit unterbrochen. Mit seinem Wissenschaftsroman „Lucymit c – Eine Reise durch Raum und Zeit“wurde Niemz zuerst 2005 einem breite-ren Publikum bekannt. Das Werk ver-kaufte sich bis heute mehrere zehntau-send Mal und schaffte es sogar auf eineBestsellerliste. Wie in den früheren Bü-chern ist es auch in dem neuen Band „Lu-cys Vermächtnis“ wieder die vom Autorgewählte Kunstfigur Lucy, die in dialogi-scher und auf größtmögliche Verständlich-keit bedachter Form in jene Grenzfragenvon Leben und Tod einführt, die mit derRelativitätstheorie, der Quantenphysikund der Absolutheit der Lichtgeschwin-digkeit verbunden sind. Dabei werden er-neut jene für alle Glaubensvorstellungengrundlegenden natürlichen Vorgegeben-heiten herausgearbeitet, die für rationaldenkende Menschen nachvollziehbarsind. Einzelne Aussagen auch des voraus-gehenden Bandes „Lucy im Licht“ werdenin dem neuen Werk präzisiert und ver-schiedentlich auch korrigiert. Die mit demBegriff „Ewigkeit“ verbundene Zeitvorstel-lung wird verändert („frühere Fehler“ bit-tet der Autor „zu verzeihen“), und es wirdunterstrichen, dass Sterben vor allem

„Loslassen vom Ich“ bedeutet und es nachdem Tod kein „Leben“ mehr gibt. An entscheidender Stelle unterscheidetsich Niemz markant von einer in der ge-genwärtigen Theologie gültigen Überein-kunft. Er übernimmt nicht die verbreitete„Ganztodtheorie“, die unterstreicht, dassmit dem Tod alles aus sei und dass von al-lem, was darüber hinausgehe, gar nichtoder nur metaphorisch geredet werdenkönne. Die Auffassung, dass Tod als einradikales Ende zu verstehen ist, setzte sichin der Theologie ab Mitte des 20. Jahrhun-derts weithin durch. Sie trat an die Stelleder von der christlichen Tradition überJahrhunderte vertretenen spezifischenAussagen über den Glauben an ein himm-lisches Jenseits. Der Kirchenvater Augustinhatte im 4. Jahrhundert – beeinflusst vonPlatons Philosophie – den Glauben an einWeiterleben der Seele nach dem Tod un-terstützt und ihr einen Platz in der gött-lichen Welt reserviert. Die mittelalterlicheScholastik und die Glaubensmystik vielerJahrhunderte folgten ihm darin mit zumTeil überaus konkreten Bildern. Bis in dieNeuzeit gehörte es zu den christlichen Po-pulärvorstellungen, ein Jenseits als Fortset-zung des Diesseits zu denken. Erst in derjüngeren westeuropäischen Theologiewurde im Rahmen eines gewaltigen Para-digmenwechsel ein Wandel vollzogenund für die christliche Hoffnung kein jen-seitiger Himmel mehr ausgemalt. Theolo-gie darf nun nichts mehr über das Jenseitssagen. Solche Aussagen werden als Spe-kulation gebrandmarkt. Die Frage, wasnach dem Tod passiert und ob überhauptetwas passiert, lässt sich im Diesseits nichtbeantworten.Genau diese Vorstellungen aufgeklärtertheologischer Lehre entsprechen nun abernicht mehr den Erkenntnis- und Erfah-rungsprozessen vieler Menschen der Ge-genwart. Der Tod wird von ihnen nichtmehr „tabuisiert“, sondern – nicht zuletzt

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durch Berichte von Nahtoderfahrungen inden Medien – in vielfacher Weise „mysti-fiziert“. Es gibt so etwas wie eine neue Of-fenheit für das Jenseits. Gerade die Jungenglauben wieder, was die Alten skeptischablehnten. Wenn sie sich mit Gott undden letzten Dingen beschäftigen, schlägtdie Sehnsucht nach Geborgenheit denZweifel. Sie wollen doch an einen Him-mel glauben. Jörg Zink und ähnlich Heinz Zahrnt ha-ben in diesem Zusammenhang zuletztverdeutlicht, wie sehr die Erfahrungen derGläubigen einer Zeit jeweils den Grundund Boden einer kontextuell verwurzeltenTheologie bilden. Es erscheint gegenwär-tig unumgänglich, dass wir auch für diekirchliche Lehre von Gott und den letztenDingen eine neue Sprache finden. Niemz’Überlegungen können der Theologie hel-fen, sich auf neue Weise den Erkenntnis-und Erfahrungsprozessen von Menschender Gegenart zu öffnen. Ein dadurch ge-prägtes Denken wird sich vielleicht vongeläufigen Vorstellungen des Christlichenverabschieden, nicht jedoch vom Chris-tentum überhaupt.In diesem Zusammenhang spielen dieauch bei Niemz prominenten Berichtevon sogenannten Nahtoderfahrungen einewichtige Rolle. In „Lucys Vermächtnis“stehen bekannte Repräsentanten der„Nahtodforschung“ wie zum Beispiel K. Ring, M. Schröter-Kunhardt, S. Parnia,D. G. Waller, R. Yeates, P. Fenwick, P. vanLommel im Hintergrund. Das Thema der„near death experiences“ spielt aber indem neuen Band nicht mehr die Rolle,die ihm in den vorausgehenden Bändenzukam. Für den Niemz’schen Ansatz einerZusammenschau verschiedener Wissen-schaftsdisziplinen ist es jedoch ein wichti-ger Baustein. Insgesamt kann man es geradezu rasantnennen, wie die Leser mit Einsichten zuphysikalischen Größen wie Raum, Zeit,

Materie und Licht bekannt gemacht unddiese mit Begriffen wie Körper, Seele, Ich,Jenseits und Ewigkeit verbunden werden.Am Ende stehen dann die existenziellenFragen „Warum bin ich hier?“, „Warumlässt Gott es zu?“ und „Warum lasse ichGott zu?“ sowie der Versuch einer Antwortauf der Basis der vorangehenden Überle-gungen.Das Buch ist in formaler Hinsicht vorbild-lich gestaltet. Das mal links-, mal rechts-bündige Druckbild, luzide Graphiken unddas genauestens eingehaltene Zusammen-spiel von Fragen, Antworten und Zusam-menfassungen vermitteln den Eindrucksorgfältiger Durchdringung des Stoffesund unterstreichen den im Titel bereits an-klingenden Eindruck eines „Vermächtnis-ses“.So wirft Niemz Fragen auf, die heute vieleMenschen bewegen. Dennoch wird ersich in Zukunft deutlicher als bisher derFrage stellen müssen, ob sich die Betrach-tungsweisen von Natur- und Geisteswis-senschaften in der gewählten eher intuiti-ven Weise aufeinander beziehen lassen:Wo ist die Beziehung sinnvoll gestaltet,wo gibt es scharfe Trennungslinien, undwo ist von unangemessenen Vermengun-gen zu sprechen? Von Bedeutung ist aber,dass er auch die Physik in den Kreis theo-logisch und thanatologisch relevanter Dis-ziplinen einbezieht und ihr Relevanz fürFragen religiöser Orientierung zumisst. ImBlick auf die Nahtodforschung steht imGespräch mit Niemz wohl noch eine de-tailliertere Diskussion an. Dabei muss esum Fragen wie die folgenden gehen: Kannman die vermittelten Phänomene so sum-marisch rezipieren, ohne auf ihre spezifi-schen Probleme einzugehen? Ist das„klassische Nahtoderlebnis“ nicht ein My-thos, dem eine Fülle abweichender undkeineswegs als „schön“ zu beschreiben-der Berichte an die Seite zu stellen ist?Müssen nicht auch kultur- und kontextbe-

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zogene Erlebnisformen stärker berück-sichtigt werden? Deutlich unterscheiden lassen sich dieAusführungen des Autors von populärenesoterischen Betrachtungsweisen. Er ver-tritt nachdrücklich die Auffassung vomnachtodlichen Verschwinden eines indivi-duellen Ichs, eine These, die seine Leser-gemeinde – wie jüngste Reaktionen zei-gen – keineswegs goutiert. Auch laufenseine Überlegungen nicht einfach auf eineBestätigung traditioneller Aussagen deschristlichen Glaubens hinaus. Es deutensich Kompatibilitäten für zukünftige inter-religiöse Dialoge an. Zunächst aber stel-len gewisse Elemente seines Gedankenge-bäudes eine beträchtliche Herausforde-rung für den christlichen Glauben dar. Sosind etwa die Vorstellung von einemSelbstgericht im Sterbeprozess oder dieAussagen über die Relativität aller Religio-nen keine Positionen, auf die sich Chris-ten ohne Widerspruch einlassen können.Leider wird Werner Thiede in seinen Re-zensionen der beiden ersten Bände (MD4/2007, 158f, und MD 5/2008, 196f) denNiemz’schen Intentionen nicht gerecht. Erbricht Brücken ab, wo diese gerade ge-baut werden müssen. Allerdings siehtThiede an anderer Stelle (MD 11/2009,417) zu Recht, dass die Nahtodforschungder Gegenwart „eine noch kaum er-kannte, geschweige denn angenommeneHerausforderung für Theologie und Kir-che“ darstellt. Was Theologen bisher aufdiesem Gebiet äußern, nennt Thiede „bes-tenfalls Einleitungen“.Markolf Niemz weiß um das Ungewöhn-liche und zum Teil Unvollständige seinerGedanken. Sie bilden nach seiner Auffas-sung jedoch das für unsere heutige Ein-sicht „schlüssigste Weltbild“ und besitzen„logische Eleganz und innere Harmonie“(9). Wo die vor allem hermeneutisch be-stimmten Aussagen traditioneller Kircheund Theologie verhallen, empfinden viele

Menschen die von Niemz formuliertenPerspektiven als bemerkens- und nach-denkenswert. Der Autor hat damit ein Ge-spräch angefangen, das von Seiten derTheologie dringend der Fortführung be-darf.

Dieter Becker, Neuendettelsau

AUTORENProf. Dr. theol. Dieter Becker, geb. 1950, Lehr-stuhlinhaber für Interkulturelle Theologie, Mis-sions- und Religionswissenschaft an der Augus-tana-Hochschule Neuendettelsau.

Dr. theol. Friedmann Eißler, geb. 1964, Pfarrer,EZW-Referent für Islam und andere nichtchrist-liche Religionen, neue religiöse Bewegungen,östliche Spiritualität, interreligiösen Dialog.

Dr. theol. Andreas Fincke, geb. 1959, Pfarrer,1992-2007 EZW-Referent für christliche Son-dergemeinschaften und Beauftragter für Sekten-und Weltanschauungsfragen der EvangelischenKirche in Mitteldeutschland. Pfarrer der Evange-lischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesischeOberlausitz.

Dr. rer. nat. habil. Hansjörg Hemminger, geb.1948, Weltanschauungsbeauftragter der Evan-gelischen Landeskirche in Württemberg, Stutt-gart.

Dr. theol. Reinhard Hempelmann, geb. 1953,Pfarrer, Leiter der EZW, zuständig für Grund-satzfragen, Strömungen des säkularen und reli-giösen Zeitgeistes, pfingstlich-charismatischesChristentum.

Dr. theol. Matthias Pöhlmann, geb. 1963, Pfar-rer, EZW-Referent für Esoterik, Okkultismus,Spiritismus, Satanismus.

Dr. phil. Christian Ruch, geb. 1968, Historiker,Mitglied der Katholischen Arbeitsgruppe „Neuereligiöse Bewegungen“, Chur/Schweiz.

Dr. phil. Michael Utsch, geb. 1960, Psychologeund Psychotherapeut, EZW-Referent für christli-che Sondergemeinschaften, Psychoszene undScientology.

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MAT

ERIA

LDIEN

ST Zeitschrift fürReligions- undWeltanschauungsfragen

73. Jahrgang 8/10

ISSN

072

1-24

02 H

542

26

Evolutionsbiologie, Szientismus,Kreationismus –eine wissenschaftstheoretische Sicht

Neue Glaubensartikel und alte GeschichteQuo vadis, Neuapostolische Kirche?

Hausverbot im FriedensreichZu Besuch beim Universellen Leben

Wirbel um Germanische Neue MedizinRyke Geerd Hamer will Habilitation

Stichwort: Ortsgemeinden

Evangelische Zentralstellefür Weltanschauungsfragen

EZW, Auguststraße 80, 10117 BerlinPVSt, DP AG, Entgelt bezahlt, H 54226

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