8A6LniQo 025 ABM ABZ 00 050118 - forum-humor.de · ehr lic h ge sagt noc h nie ge - lac ht. Gibt es...

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25 kultur ABENDZEITUNG FREITAG, 5. 1. 2018 / NR. 4/1 TELEFON 089.23 77-3100 E-MAIL [email protected] Celentano Der typische Italiener SEITE 26 Karl Marx Was von ihm bleibt SEITE 27 Mo- Frab 05 Uhr / UKW 95.5 DIE HEROLD SHOW 0 E RADIO AN! hol dir die App Verstehen Sie Spaß? E r sagt gleich, dass er nicht viel Zeit habe. Gerhard Polt muss rüber in die Kammerspiele zum Stück „Ek- zem Homo“. Dann gibt er auch zu, immer Lampenfieber zu ha- ben, was aber gut sei für die Verdauung. Was auch immer er damit meint. Also sollen wir mit dem Gespräch schnell an- fangen? „Ja klar, fangen Sie an. Denn meistens ist ja die Frage früher da als die Antwort. Wenn es sich nicht um voraus- eilende Antworten handelt oder beflissen hinterher hin- kende Fragen. Soll’s ja alles ge- ben. Vor allem in der Politik.“ AZ: Herr Polt, gibt es sowas wie Münchner Humor? GERHARD POLT: Nein, aber es gibt Karl Valentin, der zum Bei- spiel in einem Stück vorführt, wie er vor der Inflation und nach der Inflation gelacht hat. Das ist nicht Münchnerisch, sondern menschlich. Es hat ja angeblich drei Begegnungen zwischen Valentin und Hitler gegeben, und bei einer hat Hit- ler gesagt: „Mein lieber Valen- tin, ich freue mich immer über ihren Humor.“ Und der Valen- tin hat gesagt: „Kann schon sein, aber über Ihren habe ich ehrlich gesagt noch nie ge- lacht.“ Gibt es humorlose Menschen? Ja, aber das ist ja dann auch wieder komisch. Man weiß, dass es unter den Nazis die Di- rektive gab, humorvoll zu sein, um sympathischer rüber zu kommen. Aber bei denen hat der Spaß nicht funktioniert und schnell aufgehört. Gibt es einen englischen Hu- mor? Ich bin dem persönlich noch nicht begegnet. Und wenn man aktuell den Donald Trump nimmt, dann wird doch auf der ganzen Welt über ihn gelacht und sicher wird es auch in Ne- pal Karikaturisten geben, die ihn karikieren. Überhaupt ist Humor ein Rätsel. Wenn man jemanden fragt, warum er ge- rade gelacht hat, kann er es oft gar nicht sagen. Sie haben gesagt: Humor ist ein Ozean, wie auch die Liebe. Das macht es so interessant und gleichzeitig schwierig, Hu- mor einzufangen. Ich bin aktiv geworden für ein „Forum Hu- mor und Komische Kunst“, weil ich mich bei all den neuen rechten politischen Strömun- gen gefragt habe: Kann Demo- kratie überhaupt ohne Humor existieren? Nehmen wir das Thema Humor in der Religion, also Blasphemie, wo Humor vorkommt, wo er offiziell nicht stattfinden soll. Dann wird klar: Humor ist antitotalitär. Worüber lachen Sie? Das kann ich so gar nicht sagen, aber es gibt zum Beispiel das weite Feld des historischen Witzes, wie den Toilettenwitz vor 2000 Jahren: In Pompeji wurden in den Latrinen auch Witze an die Wand gekritzelt. Da wurde eine Inschrift ent- deckt: „Du arme Wand, wie be- wundere ich, dass du trotz des Blödsinns, den du tragen musst, nicht zusammen- brichst“. Man könnte ergän- zen: „...vor allem nicht vor La- chen“. Humor ist schön, macht aber viel Arbeit. Polgar hat gesagt: „Geben S’ mir a Flasche Rotwein und am andern Tag habe ich Ihnen eine Tragödie geschrieben. Aber a Komödie? I weiß net, ob des meine Leber aushält.“ Sie werden immer als Co-In- spirator bezeichnet, wenn es um das Haus für den Humor geht. War das Ihre Idee? Nein, das hat eine lange Vorge- schichte mit der Meisi Grill und ihrer Sammlung von Satire- zeichnungen. Aber ich bin mit meiner Frau auf die Viehbank im Schlachthof gekommen, um dort das „Forum für Humor und Komische Kunst“ zu ma- chen. Ich habe lieber die Idee beigesteuert und muss nicht organisieren. Die Arbeit haben die anderen. Die müssen das jetzt voranbringen. Warum fehlt in München ein solches Forum? Wir haben das Valentin-Mu- säum oder in Tegernsee das Gulbransson-Museum. Aber es gibt keinen Ort, an dem man al- les bündeln kann: ein Forum, wo man Humor erlebt, wenn er stattfindet, wo man Humor zeigt, aber eben auch analy- siert. Es wäre ein Forum für So- ziologen, Psychologen, Maler, Zeichner, Literaten, Kabarettis- ten, Filmemacher oder Kas- perltheaterbetreiber. Interes- sant wäre es doch, zum Beispiel bei Siemens zu vergleichen, welche Witze da oben im Vor- stand gerissen werden und welche unten im Keller beim Archivar. In so einem Forum könnten auch Leute davon er- zählen, wie sie Humor schaf- fen. Der Witz ist ja: Einer kann auf der Bühne eine Bewegung machen und keiner lacht, er va- riiert leicht, und das Publikum lacht. Warum? Man kann es nicht sagen, man muss es erfor- schen. Oder: Mir hat nach einer Vorstellung mal einer ein Buch in die Hand gedrückt, an dem er gearbeitet hatte: „Der Witz in Auschwitz“. Darin wurde klar, wie sich Menschen mit Kalauern für Augenblicke aus dem Schrecken gerettet haben. Das ist auch ein interessantes Feld. Es gibt Leute, die sind Ex- perten nur für Flüsterwitze in Diktaturen. Adrian Prechtel Gerhard Polt setzt sich für das Münchner Humor-Forum ein. Aber was genau ist Humor? Ein Gespräch mit dem großen Komödianten Gerhard Polt mit Reinhard G. Wittmann, im Dezember bei einem Pressegespräch zum „Forum für Humor und Komische Kunst“. Foto: Sigi Müller AZ-INTERVIEW mit Gerhard Polt Der Humor der Münchner Kabarett-, Film- und TV-Le- gende ist erst kürzlich in ei- ner Dissertation wissen- schaftlich analysiert worden ANZEIGE 8A6LniQo

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kulturABENDZEITUNG FREITAG, 5. 1. 2018 / NR. 4/1

TELEFON 089.23 77-3100E-MAIL [email protected]

CelentanoDer typische

ItalienerSEITE 26

Karl MarxWas von

ihm bleibtSEITE 27

Mo - Fr ab 05 Uhr / UKW 95.5

DIE HEROLD SHOW

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Verstehen Sie Spaß?

E r sagt gleich, dass er nichtviel Zeit habe. GerhardPolt muss rüber in die

Kammerspiele zum Stück „Ek-zem Homo“. Dann gibt er auchzu, immer Lampenfieber zu ha-ben, was aber gut sei für dieVerdauung. Was auch immer erdamit meint. Also sollen wirmit dem Gespräch schnell an-fangen? „Ja klar, fangen Sie an.Denn meistens ist ja die Fragefrüher da als die Antwort.Wenn es sich nicht um voraus-eilende Antworten handeltoder beflissen hinterher hin-kende Fragen. Soll’s ja alles ge-ben. Vor allem in der Politik.“

AZ: Herr Polt, gibt es sowaswie Münchner Humor?GERHARD POLT: Nein, aber esgibt Karl Valentin, der zum Bei-spiel in einem Stück vorführt,wie er vor der Inflation undnach der Inflation gelacht hat.Das ist nicht Münchnerisch,sondern menschlich. Es hat jaangeblich drei Begegnungenzwischen Valentin und Hitlergegeben, und bei einer hat Hit-ler gesagt: „Mein lieber Valen-tin, ich freue mich immer überihren Humor.“ Und der Valen-tin hat gesagt: „Kann schonsein, aber über Ihren habe ichehrlich gesagt noch nie ge-lacht.“

Gibt es humorlose Menschen?Ja, aber das ist ja dann auchwieder komisch. Man weiß,dass es unter den Nazis die Di-rektive gab, humorvoll zu sein,um sympathischer rüber zukommen. Aber bei denen hatder Spaß nicht funktioniertund schnell aufgehört.Gibt es einen englischen Hu-mor?Ich bin dem persönlich nochnicht begegnet. Und wenn manaktuell den Donald Trumpnimmt, dann wird doch auf derganzen Welt über ihn gelacht

und sicher wird es auch in Ne-pal Karikaturisten geben, dieihn karikieren. Überhaupt istHumor ein Rätsel. Wenn manjemanden fragt, warum er ge-rade gelacht hat, kann er es oftgar nicht sagen.Sie haben gesagt: Humor istein Ozean, wie auch die Liebe.Das macht es so interessantund gleichzeitig schwierig, Hu-mor einzufangen. Ich bin aktivgeworden für ein „Forum Hu-mor und Komische Kunst“, weilich mich bei all den neuenrechten politischen Strömun-gen gefragt habe: Kann Demo-kratie überhaupt ohne Humorexistieren? Nehmen wir dasThema Humor in der Religion,also Blasphemie, wo Humorvorkommt, wo er offiziell nichtstattfinden soll. Dann wirdklar: Humor ist antitotalitär.Worüber lachen Sie?Das kann ich so gar nicht sagen,aber es gibt zum Beispiel dasweite Feld des historischenWitzes, wie den Toilettenwitzvor 2000 Jahren: In Pompejiwurden in den Latrinen auchWitze an die Wand gekritzelt.Da wurde eine Inschrift ent-deckt: „Du arme Wand, wie be-wundere ich, dass du trotz desBlödsinns, den du tragenmusst, nicht zusammen-brichst“. Man könnte ergän-zen: „...vor allem nicht vor La-chen“.Humor ist schön, macht aberviel Arbeit.Polgar hat gesagt: „Geben S’mir a Flasche Rotwein und amandern Tag habe ich Ihnen eineTragödie geschrieben. Aber aKomödie? I weiß net, ob desmeine Leber aushält.“Sie werden immer als Co-In-spirator bezeichnet, wenn esum das Haus für den Humorgeht. War das Ihre Idee?Nein, das hat eine lange Vorge-

schichte mit der Meisi Grill undihrer Sammlung von Satire-zeichnungen. Aber ich bin mitmeiner Frau auf die Viehbankim Schlachthof gekommen, umdort das „Forum für Humorund Komische Kunst“ zu ma-chen. Ich habe lieber die Ideebeigesteuert und muss nichtorganisieren. Die Arbeit habendie anderen. Die müssen dasjetzt voranbringen.Warum fehlt in München einsolches Forum?Wir haben das Valentin-Mu-säum oder in Tegernsee dasGulbransson-Museum. Aber esgibt keinen Ort, an dem man al-les bündeln kann: ein Forum,wo man Humor erlebt, wenn erstattfindet, wo man Humorzeigt, aber eben auch analy-siert. Es wäre ein Forum für So-ziologen, Psychologen, Maler,Zeichner, Literaten, Kabarettis-ten, Filmemacher oder Kas-perltheaterbetreiber. Interes-sant wäre es doch, zum Beispielbei Siemens zu vergleichen,welche Witze da oben im Vor-stand gerissen werden undwelche unten im Keller beimArchivar. In so einem Forumkönnten auch Leute davon er-zählen, wie sie Humor schaf-fen. Der Witz ist ja: Einer kannauf der Bühne eine Bewegungmachen und keiner lacht, er va-riiert leicht, und das Publikumlacht. Warum? Man kann esnicht sagen, man muss es erfor-schen. Oder: Mir hat nach einerVorstellung mal einer ein Buchin die Hand gedrückt, an demer gearbeitet hatte: „Der Witzin Auschwitz“. Darin wurdeklar, wie sich Menschen mitKalauern für Augenblicke ausdem Schrecken gerettet haben.Das ist auch ein interessantesFeld. Es gibt Leute, die sind Ex-perten nur für Flüsterwitze inDiktaturen. Adrian Prechtel

Gerhard Polt setztsich für das MünchnerHumor-Forum ein. Aberwas genau ist Humor?Ein Gespräch mit demgroßen Komödianten

Gerhard Polt mit Reinhard G. Wittmann, im Dezember bei einem Pressegespräch zum „Forum für Humor und Komische Kunst“. Foto: Sigi Müller

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Gerhard PoltDer Humor der MünchnerKabarett-, Film- und TV-Le-gende ist erst kürzlich in ei-ner Dissertation wissen-schaftlich analysiert worden

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