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(9) Abrupte Klimaänderungen

(c) G. Larson

Klima 72

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Die Eem Warmzeit

Während der Eem-Warmzeit (Sangamon in Nordamerika), benannt nach einem

Fluss in den Niederlanden, herrschten letztmalig für längere Zeit Klima-

bedingungen, die mit den heutigen vergleichbar sind. Das Eem dauerte nur etwa

10 ka, war aber generell etwas wärmer und feuchter als das Holozän (die

aktuelle Warmzeit, in der wir uns gerade befinden). Die Südgrenze des

Permafrostes lag weiter nördlich als heute, Skandinavien war wahrscheinlich

eisfrei, und fast vollständig bewaldet. In England lebten, zumindest zeitweilig,

Nilpferde, Löwen, Nashörner und Elefanten. Pollenfunde aus den

verschiedensten Weltgegenden zeigen, dass die mittleren Temperaturen 1 bis

3°C über den „heutigen“ lagen. Die Weltmitteltemperatur lag wohl ca. 2°C über

der „heutigen“.

Die höheren Temperaturen haben auch zu einem Anstieg des Meeresspiegels

geführt, ein Wert von ca. +6 m ist mit allen Beobachtungsergebnissen

vereinbar. Südflorida lag zu einem großen Teil unter Wasser, Fennoskandien

war eine Insel. Dieser Meeresspiegel-Anstieg kann nur durch das partielle

Abschmelzen eines größeren Eisschildes erklärt werden, dafür kommen am

ehesten der grönländische, oder der westantarktische in Betracht. Es ist sehr

wahrscheinlich, dass der „Schuldige“ auch heute bei einer Erwärmung um

einige °C ähnlich reagieren würde.

Der letzte Kaltzeit-Zyklus

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Dansgaard-Oeschger-Zyklen

Am Ende der Eem-Warmzeit begannen die Temperaturen zunächst langsam zu

sinken.

Der letzte Kaltzeit-Zyklus

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Schon bald darauf setzten im Bereich um den Nordatlantik Klimaschwankungen

zwischen kalten Stadialen und deutlich wärmeren Interstadialen (insgesamt

25) ein, bei denen vor allem die Erwärmungen abrupt erfolgten. Sie prägten die

gesamte letzte Kaltzeit. Nach ihren Entdeckern werden die Klimaschwankungen

als Dansgaard-Oeschger-Zyklen bezeichnet.

Willi Dansgaard (links), Hans Oeschger

(rechts), dazwischen Chester C. Langway

(nach dem nichts benannt ist).

Temperatur-

rekonstruktion

basierend auf dem

NGRIP Eisbohr-

kern aus Grönland

(oben) und auf

einem Sediment-

bohrkern vor der

spanischen Küste

(Quelle: Nature):

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Die Entdeckung der Dansgaard-Oeschger-Zyklen (oder –Ereignisse bzw.

–Events) war eine der ganz großen Überraschungen in der Klimaforschung. Im

Verlauf dieser Zyklen sind die Temperaturen in Grönland wiederholt innerhalb

weniger Jahre um 8–10 °C gestiegen, und dann erst nach Jahrhunderten zum

normalen, kalten Eiszeitniveau zurückgekehrt. Ihre Ursachen zu verstehen gilt

seither als eine der Kernfragen der Klimaforschung. Diese Klimaänderungen

sind viel zu häufig und viel zu schnell, um durch (bekannte) Änderungen der

Erdbahnparameter erklärt werden zu können. Die DOZ starten mit einer

abrupten Erwärmung. Darauf folgt eine allmähliche Abkühlung über einige

Jahrhunderte, die mit einem Rückfall in glaziale Verhältnisse endet.

Dansgaard-Oeschger-Zyklen (1)

Klima 75

Schwankung des 18O

Gehaltes in Grönland

(GRIP Eisbohrkern)

während der letzten

100,000 Jahre (rechts

ist „heute“!). Die Inter-

stadiale sind (von 1 bis

20) nummeriert.

Der Temperaturverlauf

ist bei den DOZ jeweils

ähnlich – einer

abrupten Erwärmung

folgt eine eher

graduelle Abkühlung

(Quelle: S. Rahmstorf).

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Nicht nur in Grönland

Nach der Entdeckung der DOZ wurde natürlich nach entsprechenden

Temperaturschwankungen im Bereich des Nordatlantiks gesucht. Bei einer

genauen Analyse von zwei Tiefseebohrkernen wurden sie schließlich auch

entdeckt. In beiden Fällen sind viele abrupte Änderungen der Oberflächen-

temperatur von mindestens 5°C zu beobachten, die ihm Rahmen der zeitlichen

Auflösung „schlagartig“ erfolgten – sie stimmen mit den DOZ in Grönland

überein. [Bei Tiefseebohrkernen kann nur relativ selten eine gute zeitliche

Auflösung erreicht werden, da die obersten cm des Sediments gewöhnlich von

im Meeresboden lebenden Organismen „umgegraben“ werden - Bioturbation].

Die Rekonstruktion der Oberflächentemperaturen erfolgte durch Messung des

prozentuellen Anteiles der Foraminiferen-Art Neogloboquadrina pachyderma

(s), die Werte schwanken zwischen fast 0 % (Temperaturen über 10°C) und

nahezu 100 % (Sommertemperaturen unter 5°C). Die hohen Temperaturen

entsprechen fast subtropischen, die niedrigen subpolaren Verhältnissen, man

kann daher annehmen, dass sich die Standorte der Bohrkerne im ersten Fall

südlich, im zweiten aber nördlich der Polarfront befunden haben.

Die Daten aus dem Meeresschlamm weisen auf drei unterschiedliche

Strömungszustände im Nordatlantik hin: In dem einen reichte der warme

Nordatlantikstrom (der „verlängerte Arm“ des Golfstroms) bis vor die Küsten

Skandinaviens, ganz so wie im heutigen Klima. Im zweiten hörte die Strömung

dagegen schon südlich von Island auf, im dritten war sie offenbar ganz

ausgefallen.

Dansgaard-Oeschger-Zyklen (2)

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Die Tiefenzirkulation der Ozeane hängt in erster Linie von der Temperatur

und vom Salzgehalt des Meerwassers ab (daher auch der Name

„Thermohaline Zirkulation”). Sie kann auf kleine Änderungen der

Ausgangsbedingungen äußerst empfindlich reagieren. Oberflächenwasser kann

im sonst sehr stabil geschichteten Ozean nur absinken, wenn es sehr kalt und

sehr salzig ist. Derzeit ist diese Bedingung nur in den arktischen und

antarktischen Bereichen des Atlantiks erfüllt. Im Nordatlantik sinken dadurch

pro Sekunde über 15 Millionen Kubikmeter Wasser in die Tiefe, sie werden

durch warmes Oberflächenwasser ersetzt (Nordatlantikstrom). Schon eine

geringfügige Verringerung des Salzgehaltes (durch schmelzendes

Gletschereis, aber auch durch erhöhte Niederschläge bei einer generellen

Erwärmung) kann dazu führen, dass der gesamte Prozess zum Erliegen kommt.

Modellrechnungen legen nahe, dass die thermohaline Zirkulationszelle auf

mindestens zwei verschiedene Arten arbeiten kann, wobei der Nordatlantik in

einem (dem gegenwärtigen) Fall mit gewaltigen Zusatz‑Energiemengen

versorgt wird, die im anderen Fall ausbleiben. Die Übergänge zwischen den

einzelnen „Operationsmoden” sollten äußerst schnell, innerhalb von wenigen

Jahren erfolgen. Dieses Modell könnte das beobachtete schnelle Pendeln

zwischen zwei einigermaßen stabilen Klimazuständen erklären, und es gibt auch

etliche Hinweise, dass die ozeanischen Zirkulationsmuster während der

Kaltphasen tatsächlich anders waren als heute.

Der Nordantlatikstrom

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Bond Zyklen

Die DOZ treten offenbar in Gruppen auf, beginnend mit einem warmen

Interstadial, dem dann zunehmend kältere folgen, bis schließlich auf ein

ausgeprägtes, kaltes Stadial eine markante Erwärmung folgt. Eine solche

Sequenz von DOZ wird auch Bond-Zyklus genannt (Gerard, nicht James).

Bond-Zyklen haben eine Periode von 5-15 ka.

(Quelle: links – Nature, rechts, G.C. Bond)

Die meisten besonders kalten Stadiale am Ende eines Bond-Zyklus fallen auch

noch mit einem so genannten Heinrich-Ereignis zusammen.

Dansgaard-Oeschger-Zyklen (3)

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Heinrich Events

In den Sedimenten des Nordatlantik lassen sich in einem breiten Streifen

zwischen ca. 40°N und 50°N, der von Neufundland über mehr als 3000 km fast

bis Europa reicht, deutlich 6 Schichten identifizieren, die durch einen

überraschend hohen Gehalt an fein zerriebenem Gestein gekennzeichnet sind.

Da man ausschließen kann, dass Körner dieser Größe (> 150 µm) durch

Oberflächenströmungen oder Winde so weit transportiert worden sind, kommen

als Quelle praktisch nur schmelzende Eisberge in Frage, bei den Körnern

handelt es sich somit um „dropstones“.

Die nach dem Entdecker, Hartmut Heinrich, benannten Heinrich‑Schichten

enthalten wiederum Schichten mit bis zu 25% Karbonat‑Gestein (Kalk und

Dolomit), die offensichtlich in sehr kurzer Zeit abgelagert worden sind. Die

nächsten größeren Vorkommen von Kalkstein und Dolomit liegen in Ostkanada

und in Nordwestgrönland. Da außerdem die Dicke der karbonatreichen

Schichten nach Westen deutlich zunimmt, besteht guter Grund zur Annahme,

dass die Eisberge vom Laurentischen Eisschild stammen. Aus der Verbreitung

und der Dicke der Schichten kann man schließen, dass sich bei jedem

Heinrich‑Event gewaltige Mengen an Eisbergen über den Nordatlantik verteilt

haben müssen, Abschätzungen gehen bis zur Hälfte des derzeitigen

Gesamtvolumens des grönländischen Eisschildes (!).

Die besonders kalten Stadiale, die mit den Heinrich Events zusammenfallen,

waren offenbar auf der ganzen Erde deutlich zu spüren – sie fallen z.B. genau

mit markanten Gletschervorstößen in den Anden zusammen.

Dansgaard-Oeschger-Zyklen (4)

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Mögliche Ursachen der Dansgaard-Oeschger-Zyklen

Ein Anhaltspunkt für die Erklärung der DOZ ist die Regelmäßigkeit dieser

Ereignisse: Sie treten meist alle ~1500 Jahre auf, manchmal aber auch nur alle

~3000 oder ~4500 Jahre. Ein geheimnisvoller Taktgeber scheint einen Zyklus

von 1500 Jahren vorzugeben, doch ab und zu setzt ein Schlag aus. Physiker

sind mit einem Mechanismus vertraut, der dieses Phänomen erklären könnte:

die stochastische Resonanz. Sie wird erzeugt, wenn drei Voraussetzungen

gleichzeitig eintreten: Ein periodischer Taktgeber (in diesem Fall von 1500

Jahren), „Rauschen“, das heißt in diesem Fall zufällige Schwankungen des

Klimas, sowie ein Schwellenwert, an dem das System von einem Zustand in

einen anderen springen kann. Die periodische Störung allein reicht nicht aus,

um das System in den neuen Zustand springen zu lassen. Wird sie aber durch

die zufälligen Störungen „im richtigen Moment“ verstärkt, so kann das System

in den neuen Zustand springen.

Die vertikalen Linien haben einen Abstand von 1,470 Jahren; die meisten DO-

Ereignisse fallen in die Nähe einer solchen Linie (Quelle: S. Rahmstorf).

Dansgaard-Oeschger-Zyklen (5)

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Die Temperaturen stiegen immer dann abrupt, wenn der warme Nordatlantik-

strom über Island hinaus bis ins Europäische Nordmeer vordrang. Dies ließ das

Meereis schmelzen und löste eine Erwärmung der ganzen Region aus.

Um das Strömungssystem in diesen Zustand zu bringen, reichten anscheinend

kleine Störungen im Süßwasserhaushalt des Nordmeeres aus. Das System

befand sich damals offenbar dicht an der Schwelle, an der es von seinem kalten

Grundzustand in einen warmen kippen konnte - die DO-Events traten ein. Da

dieser warme Strömungszustand (unter eiszeitlichen Randbedingungen) aber

instabil war, gingen die Warmphasen nach einigen Jahrhunderten wieder von

selbst vorüber (Unter den gegenwärtigen Randbedingungen ist, zum Glück, der

Zustand mit unterdrückter thermohaliner Zirkulation instabil).

Während das Modell zeigt, dass man für die DO-Ereignisse nur einen äußerst

schwachen ~1,500-Jahreszyklus braucht, bleibt doch ein Rätsel übrig: Was ist

der Ursprung dieses Zyklus? Aussichtsreiche Kandidaten sind Schwankungen

in der Strahlungsintensität der Sonne, oder eine bis jetzt noch unbekannte

Schwankung der Erdbahn-Parameter. Neben dem bekannten ~11-jährigen

Zyklus der Sonnenaktivität gibt es noch zwei längerfristigere Zyklen, den

Gleißberg-Zyklus (Periode ~87 Jahre) und den De-Vries-Zyklus (Periode

~210 Jahre). Beide Zyklen haben als kleinstes gemeinsames Vielfaches eine

Periodendauer von ~1,500 Jahren (87 x 17 = 1479, 210 x 7 = 1470).

Dansgaard-Oeschger-Zyklen (6)

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Mögliche Ursachen der Bond-Zyklen und Heinrich Events

Nach einem Eisschild‑Modell von Douglas MacAyeal könnte man sich den

ganzen Prozess etwa folgendermaßen vorstellen: In Nordamerika bildet sich ein

Eisschild, der zunächst als kalter Gletscher am Boden festgefroren ist. Dadurch

ist die horizontale Bewegung vergleichsweise gering, der Eisschild wird rasch

dicker, und entwickelt steile Flanken, ohne sich seitlich sehr weit ausbreiten zu

müssen. Laut Modellrechnungen muss die Existenz eines derartigen Eisschildes

zu einer Verstärkung und einer, im Zuge des Eisschild‑Wachstums

zunehmenden Abkühlung der Westwinde führen. Dadurch könnte man den

langfristigen Abkühlungstrend während der einzelnen Bond‑Zyklen erklären.

Inzwischen erhöht sich aber durch den geothermischen Wärmestrom ganz

langsam die Temperatur an der Unterseite des Eisschildes, und überschreitet

stellenweise den Druckschmelzpunkt, irgendwann beginnt das basale Gleiten,

der Eisschild kann sein, unter diesen Bedingungen zu steiles, Profil nicht mehr

aufrechterhalten, und kollabiert teilweise.

Ab einer kritischen Dicke von einigen Metern kann auch verformbares

Grundmoränenmaterial als Gleitmittel dienen. Das Eis strömt radial nach außen

und erreicht stellenweise die Küste, wo daraufhin Unmengen von Eisbergen ins

Meer kalben. Inzwischen ist der ausgedünnte Eisschild wieder festgefroren, und

das ganze Spiel beginnt von neuem. Nach dem Kollaps muss man mit einem

Rückzug der Eisströme, und einem verringerten Eisberg‑Fluss rechnen, dadurch

kann sich die Thermohaline Zirkulation wieder erholen, und Wärme in den

Nordatlantik transportieren. Das Modell von MacAyeal liefert ca. alle 7000

Jahre einen Eisschild‑Kollaps.

Dansgaard-Oeschger-Zyklen (7)

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Vor ca. 15 ka, am Ende der Ältesten Dryas (bzw. Tundrenzeit) begannen die

Temperaturen weltweit drastisch zu steigen, und das Abschmelzen der großen

Eisschilde setzte ein. Zu dieser Zeit verstärkte sich die Sommer-

Sonneneinstrahlung auf der Nordhalbkugel deutlich. Die folgende

Bølling‑Allerød‑Warmphase ist durch raschen Rückgang des Eises, Anstieg des

Meeresspiegels, Erhöhung der Temperaturen, und die Rückkehr der Wälder in

mittlere Breiten gekennzeichnet. Sie wurde vor ca. 14 ka durch eine kurze

Kaltphase, die Ältere Dryas unterbrochen. Vor ca. 13 ka herrschten fast

warmzeitliche Bedingungen, im Alpenraum hatten sich die Gletscher bis in die

Gebirgstäler zurückgezogen (Bølling‑Allerød werden üblicherweise zusammen-

gefasst als letztes Interstadial der Kaltzeit betrachtet, da die Ältere Dryas im

allgemeinen nicht sehr deutlich ausgeprägt ist). Der Meeresspiegel, der am

Höhepunkt der letzten Kaltzeit ~ 120 m unter dem heutigen Niveau lag, stieg

innerhalb von weniger als 1000 Jahren um 24 m (rekonstruiert mit Acropora

palmata Daten). Auf die rasche Erwärmung folgte vor ca. 12.9 ka zumindest in

Europa und im Nordatlantik trotz steigender Sonneneinstrahlung eine abrupte

Rückkehr zu fast kaltzeitlichen Bedingungen: die Jüngere Dryas.

Die Jüngere Dryas oder „Jüngere Tundrenzeit“

In Mitteleuropa verschwanden die Wälder größtenteils wieder, und wurden

durch Kälte-Steppen‑, bzw. Tundren‑Floren ersetzt, die unter anderem auch aus

der namensgebenden Dryas octopetala bestanden. Periglazial‑Erscheinungen,

die sich erst bei Jahresmitteltemperaturen unter -2°C ausbilden, deuten generell

auf eine starke Abkühlung hin.

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In Westeuropa und Skandinavien sanken die mittleren Jahrestemperaturen

innerhalb von weniger als 200 Jahren um 6 °C, die gesamte

Temperaturabnahme betrug über 8°C. In Grönland sanken die Temperaturen um

über 10°C.

Untersuchungen der Coleoptera‑Fauna (Käfer) in Großbritannien ergeben sogar

eine Reduktion der Jahresmitteltemperatur um 15°C. Hier waren vor allem die

Wintertemperaturen extrem niedrig, da der Atlantik von Eis bedeckt war. Auch

vor der norwegischen Küste waren die Übergänge offenbar abrupt (unten

rechts).

Die Jüngere Dryas (2)

Klima 84

Während der Jüngeren Dryas kam der weltweite Anstieg des Meeresspiegels

fast völlig zum Erliegen. Der Methan-Gehalt der Atmosphäre, der sich von

einem Tiefstand (350 ppb) am Höhepunkt der letzten Kaltzeit bis zur Allerød-

Warmphase verdoppelt hatte, sank in der JD wieder auf 450 ppb ab. Es waren

also offenbar auch die niederen Breiten massiv von dem Kälteeinbruch (und

Trockenheit) betroffen.

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Vor etwa 11,500 Jahren – am Ende der Jüngeren Dryas (Übergang zum

Präboreal) – stiegen die Temperaturen in Grönland um fast 10°C – in nur

einem Jahrzehnt. Auf die heutige Situation übertragen hieße das, dass es in

Moskau ähnlich heiß würde wie derzeit in Madrid.

Die Dicke der Jahresschichten in den Eiskernen zeigt zugleich, dass parallel

zum Temperaturanstieg der Niederschlag zunahm. So verdoppelte sich der

Schneefall in Grönland innerhalb von nur 3 Jahren. Aber auch andere Gebiete

wurden damals feuchter. Der Methan-Gehalt der Atmosphäre stieg wieder

deutlich an, weil durch Überschwemmungen in den Tropen neue Feuchtgebiete

entstanden und im Norden zugefrorene Sümpfe auftauten. Die Abnahme des

Methan-Gehaltes während der JD ist auch in antarktischen Eisbohrkernen

nachgewiesen (dort war allerdings die Temperaturänderung wesentlich

geringer). Sämtliche späteren Klimaänderungen nehmen sich im Vergleich dazu

(noch) bescheiden aus (Bildquelle: Spektrum der Wissenschaft).

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Die Jüngere Dryas (4)

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Quelle: IPCC

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Mit dem Ende der Jüngeren Dryas stieg der Meeresspiegel wieder deutlich an,

und zwar um 28 m innerhalb von etwas mehr als 1500 Jahren (Acropora

palmata Daten).

Das Ende der Jüngeren Dryas fällt in vielen Regionen (insbesondere

Nordamerika und Eurasien) mit dem Aussterben der Pleistozänen Megafauna

zusammen. Seither gibt es große Säugetier-Arten in großer Zahl fast nur noch in

Afrika. Noch vor 12,000 Jahren gab es in Europa Mammuts, Wollnashörner und

Riesenelche. Dieses Aussterbeereignis ist bemerkenswert, da fast ausschließlich

große Säugetiere davon betroffen waren, die außerdem ähnliche Klima-

schwankungen (z.B. DOZ) ohne größere Probleme überlebt hatten. Im

Gegensatz zu den früheren Klimaschwankungen gab es für die Megafauna

diesmal ein zusätzliches Problem – jagende Menschen (in größerer Zahl als

zuvor).

Mögliche Ursachen der Jüngeren Dryas

Die Jüngere Dryas ähnelt in ihrer Struktur einem kalten Stadial bzw. einem

Heinrich Event. Auch hier kam es zu einer abrupten Unterbrechung der

Thermohalinen Zirkulation. Während der Jüngeren Dryas ereignete sich ein

katastrophaler Ausbruch des baltischen Eisstausees durch die Billinger-Pforte

in Südschweden. Anscheinend gelangten hier die Schmelzwasser-Mengen

genau am „richtigen“ Ort in das System.

Die Jüngere Dryas (5)

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