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311 _________________________________________________________________________ 9. Zeitgenossen Parallel zu Max Reger und seinem Schülerkreis sind die Komponisten zu erwähnen, die in deren Dunstkreis – aus persönlicher, geographischer und kompositorischer Nähe zu ihnen – aber auch auf Grund differenter Biografie-Wege zur Gattung des Orgelliedes gefunden haben, die es mitgeprägt haben. Sigfrid Karg-Elert (1877 – 1933), Heinrich Kaminski (1886 – 1946) und Günter Raphael (1903 – 1960) ist Bemerkenswertes zuzuschreiben, Peter Griesbacher (1864 – 1933) und Walter Courvoisiers (1875 – 1931) gelten als Randerscheinung. 9.1. Sigfrid Karg-Elert (1877 – 1933) Als Sigfrid Karg bekam der seit zwei Jahren am Leipziger Konservatorium studierende Schüler 1902 das Angebot, als Klavierlehrer an das Konservatorium Magdeburg zu gehen, allerdings mit folgender vertraglicher Auflage: Ein Doppelname sei zu führen, weil sein Name dem dort lebenden jüdischen Kaufmann Karger ähnlich war. Die Hinzufügung von Elert entstammt dem Mädchennamen seiner Mutter (ohne Buchstabe h). 1 Prägend für sein bewegtes, andere bewegendes Leben sind die vielerlei Wesenszüge – zwischen den Extremen schwankend – und demnach eine Überfülle an Gedanken und Ideen für eigene musikalische Positionierungen, für stilistische Einflüsse, für kompositorische Formen, Instrumentierungen, extravagante Gattungen, schließlich für gesellschaftlichen Umgang! Musikalische Einflüsse waren wichtige Weichenstellungen, Harmonik (gelegentlich extrem modern), Kontrapunktik, Formen, Instrumentalbezüge sind stetem Wechsel unterworfen gewesen. Auf die Leipziger Studienjahre (bis 1902) bei Salomon Jadassohn (Theorie), Carl Reinecke (Komposition), Paul Homeyer (Orgel) sowie Alfred Reisenauer und Robert Teichmüller (Klavier) folgte das Jahr 1904, der zunächst lebensentscheidenden Begegnung mit Edvard Grieg (1843 – 1907). 2 In einer kurzen Zwischenphase (1912 – 1914) wandte er sich den neuen Idolen Schönberg, Debussy und Skrjabin zu; Debussy war im eigenen späteren impressionistischen Orgelwerk von Bedeutung. Ab 1927 brachen sich die Mammut-Orgelwerke Bahn, Karg-Elerts Anerkennung als Organist im Ausland (England/USA) wuchs, was aus regem Briefkontakt mit dem Londoner Organisten Godfrey Sceats hervorgeht. 3 Sein Drang zur Nachahmung (33 Portraits op. 101, Komponisten vom 16. Jahrhundert bis heute, Karg-Elert der 33ste!), seine Auseinandersetzung mit dem französischen Kunstharmonium, sein Schreiben für Salonorchester, aber auch seine individuelle Textbehandlung im Umgang mit Choral und Lied machen ein komplexes Oeuvre aus, was quantitativ wie qualitativ schier undurchdringbar erscheint. Op. 101/29 (Crucifixus etiam pro nobis) hat Karg-Elert als Stilkopie alla Reger geschrieben. Ihr beider Verhältnis bedeutet einen Prozeß von persönlichen und musikalischen Schwankungen. Wolfgang Stockmeier schreibt in der Festschrift zum 100. Geburtstag: 4 „Einzigartig ist Karg-Elerts Bedeutung auf dem Gebiet der Choralbearbeitung ..., dessen Formenreichtum bei weitem von keinem Komponisten seiner Epoche – Reger eingeschlossen – erreicht wird“. Sein Verhältnis zum übermächtigen Reger beschreibt Karg-Elert u. a. an Godfrey Sceats: 5 „Zu der Zeit (etwa 1905 – 1908) hätte ich nicht gewagt, Orgelmusik zu schreiben, denn ich war völlig eingeschüchtert durch die Gegenwart Regers ... Aber er selbst, der später fast direkt neben mir wohnte und mit dem ich sehr freundschaftlichen Umgang hatte, veranlaßte mich, für die Orgel zu schreiben. Er schätzte mein Werk hoch ein“. Etliche Anregungen durch Reger sind bekannt. 6 1915 sah dieses positive Verhältnis gänzlich anders aus. „Wenn Sie eine

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9. Zeitgenossen Parallel zu Max Reger und seinem Schülerkreis sind die Komponisten zu erwähnen, die in deren Dunstkreis – aus persönlicher, geographischer und kompositorischer Nähe zu ihnen – aber auch auf Grund differenter Biografie-Wege zur Gattung des Orgelliedes gefunden haben, die es mitgeprägt haben. Sigfrid Karg-Elert (1877 – 1933), Heinrich Kaminski (1886 – 1946) und Günter Raphael (1903 – 1960) ist Bemerkenswertes zuzuschreiben, Peter Griesbacher (1864 – 1933) und Walter Courvoisiers (1875 – 1931) gelten als Randerscheinung.

9.1. Sigfrid Karg-Elert (1877 – 1933) Als Sigfrid Karg bekam der seit zwei Jahren am Leipziger Konservatorium studierende Schüler 1902 das Angebot, als Klavierlehrer an das Konservatorium Magdeburg zu gehen, allerdings mit folgender vertraglicher Auflage: Ein Doppelname sei zu führen, weil sein Name dem dort lebenden jüdischen Kaufmann Karger ähnlich war. Die Hinzufügung von Elert entstammt dem Mädchennamen seiner Mutter (ohne Buchstabe h).1 Prägend für sein bewegtes, andere bewegendes Leben sind die vielerlei Wesenszüge – zwischen den Extremen schwankend – und demnach eine Überfülle an Gedanken und Ideen für eigene musikalische Positionierungen, für stilistische Einflüsse, für kompositorische Formen, Instrumentierungen, extravagante Gattungen, schließlich für gesellschaftlichen Umgang! Musikalische Einflüsse waren wichtige Weichenstellungen, Harmonik (gelegentlich extrem modern), Kontrapunktik, Formen, Instrumentalbezüge sind stetem Wechsel unterworfen gewesen. Auf die Leipziger Studienjahre (bis 1902) bei Salomon Jadassohn (Theorie), Carl Reinecke (Komposition), Paul Homeyer (Orgel) sowie Alfred Reisenauer und Robert Teichmüller (Klavier) folgte das Jahr 1904, der zunächst lebensentscheidenden Begegnung mit Edvard Grieg (1843 – 1907).2 In einer kurzen Zwischenphase (1912 – 1914) wandte er sich den neuen Idolen Schönberg, Debussy und Skrjabin zu; Debussy war im eigenen späteren impressionistischen Orgelwerk von Bedeutung. Ab 1927 brachen sich die Mammut-Orgelwerke Bahn, Karg-Elerts Anerkennung als Organist im Ausland (England/USA) wuchs, was aus regem Briefkontakt mit dem Londoner Organisten Godfrey Sceats hervorgeht.3 Sein Drang zur Nachahmung (33 Portraits op. 101, Komponisten vom 16. Jahrhundert bis heute, Karg-Elert der 33ste!), seine Auseinandersetzung mit dem französischen Kunstharmonium, sein Schreiben für Salonorchester, aber auch seine individuelle Textbehandlung im Umgang mit Choral und Lied machen ein komplexes Oeuvre aus, was quantitativ wie qualitativ schier undurchdringbar erscheint. Op. 101/29 (Crucifixus etiam pro nobis) hat Karg-Elert als Stilkopie alla Reger geschrieben. Ihr beider Verhältnis bedeutet einen Prozeß von persönlichen und musikalischen Schwankungen. Wolfgang Stockmeier schreibt in der Festschrift zum 100. Geburtstag:4 „Einzigartig ist Karg-Elerts Bedeutung auf dem Gebiet der Choralbearbeitung ..., dessen Formenreichtum bei weitem von keinem Komponisten seiner Epoche – Reger eingeschlossen – erreicht wird“ . Sein Verhältnis zum übermächtigen Reger beschreibt Karg-Elert u. a. an Godfrey Sceats:5 „Zu der Zeit (etwa 1905 – 1908) hätte ich nicht gewagt, Orgelmusik zu schreiben, denn ich war völlig eingeschüchtert durch die Gegenwart Regers ... Aber er selbst, der später fast direkt neben mir wohnte und mit dem ich sehr freundschaftlichen Umgang hatte, veranlaßte mich, für die Orgel zu schreiben. Er schätzte mein Werk hoch ein“ . Etliche Anregungen durch Reger sind bekannt.6 1915 sah dieses positive Verhältnis gänzlich anders aus. „Wenn Sie eine

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Ausgabe für Harmonium machen lassen ... nur von Kämpf, nicht von dem gräßlichen Kerl Karg-Elert!“ , so Reger in einem Brief an einen Verleger.7 Schon 1909 ereifert sich Reger in einem seiner unzähligen Briefe an Karl Straube (Straube hat u. a. Karg-Elerts Symphonischen Choral Jesu, meine Freude op. 87/2 mehrfach konzertant gespielt) und spricht von einer „Schweinekritik des Herrn Sigfrid Karg-Ehlert“ über die Interpretation von op. 74 und op. 109 (Reger). Jedenfalls ändern die seismographischen Störungen nichts am Respekt vor dem Können des anderen (Karg-Elert übte die Nachfolge Regers am Leipziger Konservatorium in den Fächern Komposition und Theorie von 1919 – 1933, ab 1932 als Professor aus). Auch an den Reger-Schülern Arno Landmann (8.7.), Fritz Lubrich (8.8.) und Karl Hoyer ging das kompositorische Potential, die Ausstrahlung Karg-Elerts nicht unerkannt vorbei; zum Teil wurden heimlich – parallel zum Studium bei Reger – seine Werke, die des Rivalen erarbeitet.8 Sein Gesamtschaffen umfaßt alle Gattungen (158 Werke mit opus-Zahl, 90 Werke ohne opus-Zahl, 95 Übertragungen und freie Bearbeitungen sowie einige nicht identifizierbare Werknachweise); das riesige Orgeloeuvre enthält mehrere Zyklen von Choralbearbeitungen (Improvisationen genannt); ca. 60 Lieder-Zyklen beinhalten ein Dutzend Geistliche Lieder in Fassungen für Singstimme(n) und Harmonium und/oder Orgel (z. T. unter Einbeziehung eines Soloinstrumentes). Die hier relevanten Geistlichen Lieder müssen ebenso (siehe Reger u. a.) aus ihrem Lebens- und Charakter-Kontext verstanden werden, führt man sich Karg-Elerts Kampf mit meiner Doppelnatur vor Augen. „Kommt die starke Sehnsucht des Kinderglaubens über mich, zieht mich der tiefgründige Text der Heiligen Schrift in seinen Bann und drängt in mir ..., so stelle ich meine Musik ohne meinen Willen auf Gebundenheit der Form, auf Tonalität und architektonische Symmetrie ein“ .9 Nach op. 97/3 Herr Gott, gib Last erschienen 1924 die Zwei Gesänge mit Orgel op. 98; ohne opus-Zahl muß der Erste Psalm „ Wohl dem, der nicht wandelt“ für hohe Stimme und Orgel (1922?) Erwähnung finden (Kleinere Geistliche Lieder: Weihnachten op. 66/3, Vom Himmel hoch op. 78/20). Zwei Gesänge op. 98:10

Nr. 1 Abendstern für Singstimme und Orgel Auch wenn die Sololieder nach Thomas Schinköth die Konstante seiner kompositorischen Produktivität bildeten,11 sind gerade auch mit op. 98 viele Fragen, ungelöste Probleme verbunden, die signifikant für Wesen, Werk und Leben des janusköpfigen Karg-Elert sind. Die o. a. Doppelnatur spiegelt sich in religiöser (evangelischer) Prägung durch die Mutter (seine Formulierung Kinderglaube) sowie im leidenschaftlich-explosiven Temperament des (katholischen) Vaters; daher verstand Karg-Elert seinen Glauben nicht als evangelische oder katholische Religionszugehörigkeit, sondern als eine Art „Verinnerlichung des geistigen Lebens, das Erstarken einer im Religiösen wurzelnden Weltanschauung, die den Menschen und Künstler Karg-Elert als untrennbare Einheit erkennen läßt“ .12 Dieses naturalistisch-kosmische Gottesbild scheint im Abendstern hindurch. Wahrscheinlich 1914 komponiert (eine gleiche opus-Zahl – oftmals inkorrekt behandelt – ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit selbiger Entstehungszeit), befindet sich Karg-Elert im Umbruch: Die kurze Phase der Orientierung an Schönberg und Skrjabin wich 1914 dem Moment der Aufklärung,13 die Experimentierphase impressionistischer Elemente begann. Den beiden Gesängen op. 98 stehen Pate die schon 1909 entstandenen Drei Impressionen op. 72 für Orgel (Claire de Lune Nr. 2 zeichnet adäquat den Sternenhimmel ...). Letzte Station auf diesem Wege stellen die Sieben Pastelle op. 96 (Bodensee-Impressionen) dar, objektives Einfangen eines für ihn typischen Naturerlebens. Damit ist die ästhetische Seite

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angesprochen, die sich in der Auswahl von Texten zeigt, die Natur und Musik zur Einheit zu erheben imstande sind. Ein Textautor dieser Art von Versenkung in ein von mystischen Bildern (Pointen und Impressionen) durchtränktes Naturschauspiel ist nicht bekannt. Ausschließen kann man eine gleichzeitige Textbehandlung Karg-Elerts nicht; seine vielen schöpferischen (Urlaubs-) Phasen im Gebirge oder am Gebirgssee (mit großem Familien- und Schülerkreis oder allein) waren oftmals Experimentierfeldern ausgesetzt. Eine Parallele kann solch´ eine Vermutung erhärten: Text und Musik im Zyklus der Sechs Gesänge an die Getrennte op. 20 (1901/02) stammen von ihm, allerdings ausdrücklich so notiert; Bilder und Farben (Natur und Musik) sind in Themen wie Abend und Nacht zutiefst pastellhaft verarbeitet, auch symbolträchtig zu verstehen (siehe op. 20/2 Abendröte ist´s, op. 20/5 Zwei Nachtgesänge). „Es sang und klang und verklang. Melodien kamen und gingen wie die Vögel unter dem Himmel ... Erarbeitet, erklügelt habe ich gar nichts, nur aufgefangen, was mir die Inspiration zutrug.“14 In Konsequenz für den Rezeptionsvorgang beim Hörer heißt das, emotionales, intuitives, schließlich rationales Erleben! Der musiktherapeutische Sinn erfährt bei Karg-Elert, speziell in den beiden Orgelliedern op. 98 (im Besonderen bei Nr. 2 Geistlicher Dialog) eine bisher nicht gekannte Tiefenwirkung; ein unbedingt zusätzliches Kriterium für die Gattung des Orgelliedes. Im Detail sei für Nr. 1 stichwortartig angedeutet: Als Weiterentwicklung zu Reger und seinen Schülern sind die Phänomene Tonarten (je tiefer in den b-Zirkel- / #-Zirkel-Bereich hinein desto symbolträchtiger und plastischer die Farbe der Impressionen), Harmonik (Modulation, Enharmonik � Cis-Dur op. 20/2 � Des-Dur op. 98/1; Dur-Moll-Akkordik als Spiegelfunktion sind in seinem Lebenswerk als Polaristische Klang- und Tonalitätslehre verankert15) wie überaus präzise Registrier-Vorstellungen („es gibt keinen Komponisten, der genauere und ungewöhnlichere Registriervorschriften formuliert hätte“ , so Wolfgang Stockmeier16); summa summarum eine Intensivierung von Symbolkraft mittels sprudelnder17 auslösender Pointen, die es möglich machen, jede nur denkbare Szene (inkl. stärksten Kontrastes) auf die Gesamtbühne Orgellied zu bekommen.

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Abbildung 103

Abendstern op. 98/1 für hohe Singstimme und Orgel von Sigfrid Karg-Elert (1914!) aus Zwei Gesänge – in Auszügen –

Nr. 2 Geistlicher Dialog - eines Vaters mit seinem fünfjährigen Töchterlein - Bei Jaromír Weinberger war die Identifikation von Rollen-, Verhaltens- und Situationsbewußtsein anhand eines jeweils variierten Motivs auszumachen, Jesus und Jünger sprachen narrativ durch die Solostimme. Die szenische Begebenheit eines Aufklärungsgespräches ungewöhnlichen Ausmaßes und bewundernswerter Tiefe, Offenheit und Fantasiekraft zwischen Vater und Töchterlein in beinahe sinfonischem Stil stellt eine absolute Ausnahmestellung im Gattungsbereich des Orgelliedes dar, die Bühne wird von Karg-Elert den beiden Hauptrollen in formaler Prägnanz, mit individueller plastischer Wort- und Tonsprache, äußerer und innerer Bodenhaftung (ohne/mit Pedal, Manualverteilung, Dynamik, Tonarten-Zuweisung D-Dur-F-Dur, Registrierprinzipien, charaktergemäße Melodie; Harmonie-, Rhythmus- und Motivbehandlung) bereitet. Alle Deklamation hat ihren Ursprung in unmittelbarer Empfangsbereitschaft des Komponisten, Sehen, Hören, Sprechen, Fühlen, Antworten, nicht-Loslassen-Wollen, sich in die Herzen von Jung und Alt hineindenken und –musizieren zu können, umzuwandeln. Jedes Bild – im Verschmelzen der drei Partner Solisten und Orgel (nur das macht effektiv Sinn), im jeweils Raumgeben des Anderen – spricht für sich, jede Blickrichtung, alle emphatische

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Fragestellung, die freundlich ausgeschmückten, überschäumenden Erwiderungen und Erläuterungen des Vaters sind interpretatorisch wie optisch nachzuvollziehen, alle textauslösenden Pointen sind Impressionen, werden zu einem nachdrücklichen Hörerlebnis („Paradies, ans Herz drücken, küssen, erquicken, krank, Himmelssaal, Leid, Krankheit, Qual, weiße Seide, Christi Blut, Thron, Krone, Harfe (!), preisen, Himmel erben“ ); die Partitur markiert es im einzelnen. Ein imposantes Schlußerlebnis (wie -ergebnis) soll gesondert erwähnt werden, es hat formale, deklamatorische, theologische, musikalisch-ästhetische und dramaturgische Bedeutung: Auf T. 90 finden sich Vater und Kind in der Tonart der Töchterchen-Rolle D-Dur (Terz!); sie finden sich im Verstehen füreinander, im gemeinsamen gesicherten, fröhlichen Wissen um die himmlische Auferstehung (Karg-Elerts evangelischer Kinderglaube)! Zum Anfang des Orgelliedes zurück: Die Frage nach dem Text ist gleichbedeutend mit Intention und Motivation zu diesem Stoff. Unwahrscheinlich bleibt bis heute ein Datum (abweichend von Nr. 1) auf das spätere Jahr 1919 (Drucklegung 1924!); seine Tochter Katharina (Schwaab-Karg-Elert) war dann 5 Jahre alt! Wenn also kein eigenes Erleben (Käthchen, so genannt, hat 1977 am Rande der Gedenkkonzerte zum 100. Geburtstag in Hamm von ähnlichen spontanen Erlebnis-Umsetzungen in die Feder gesprochen),18 dann sind persönliche Erinnerungen im Kreis der Widmungsträger (Ehepaar Dr. Wolfgang Rosenthal und Ilse Hellwig-Rosenthal, medizinischer Betreuer des Thomanerchores Leipzig und Gesangspädagogin) oder eigene Imagination um die Geburt von Töchterchen Katharina (21. April 1914) wahrscheinlich Ideenträger dieses Orgelliedes geworden. Zusätzlich ist der therapeutische wie pädagogische Aspekt von op. 98 entscheidendes Indiz dafür, daß nach und neben Max Reger, nach und neben einzelnen Reger-Schülern Karg-Elert die Gattung des Orgelliedes (inkl. der Lieder im Umfeld) zu neuer Höhe – und damit Tiefe – befördert hat.

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Abbildung 104 Geistlicher Dialog op. 98/2 für Singstimme(n) und Orgel von Sigfrid Karg-Elert (1914?)

aus Zwei Gesänge

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9.2. Heinrich Kaminski (1886 – 1946) Nur in den 1920er Jahren – nach dem ersten Weltkrieg – wurde sein Werk (mehrheitlich geistliche Vokalmusik) häufig aufgeführt; heute gilt Kaminskis Oeuvre als beinahe vergessen; in seinen reifen Lebensjahren wurde er mit Aufführungsverbot belegt (1938 – 1941). 1906 beginnt er in Heidelberg sein Theorie-Studium beim Rheinberger-Schüler Philipp Wolfrum (1854 – 1919),19 dem das Hauptstudium ab 1909 in Berlin (Komposition bei Hugo Kaun, 1863 – 1932) folgte. Anhand seiner biographischen Schritte sind zumindest mittelbare Verbindungslinien zu Reger und seinen Schülern abzulesen: 1925 begegnet er nicht nur dem Bielefelder Wilhelm Lamping20 (er spielt am 20.12.1904 Regers Ein feste Burg op. 27 für Orgel in der dortigen Neustädter Kirche, u. a. auch mit Reger als Duopartner am 3. 3. 1907 seine Beethoven-Variationen op. 86 für zwei Klaviere) bei den Donaueschinger Musiktagen, Kaminski wird auch die beiden Gründer Josef Haas und Heinrich Burkard (1888 – 1950) sowie Paul Hindemith, der 1924 hinzustieß, kennengelernt haben. 1930 übernahm er in der Nachfolge von Hans Pfitzner (1869 – 1949; unter seinem ca. 110 Stücke umfassenden Liedschaffen ist kein Geistliches Lied zu finden, lediglich in zwei Klavierliedern sind orgelhafte Züge wie Akkordtechnik und Orgelpunkte auszumachen: An die Mark ohne Opus-Zahl und Danzig op. 22/1) die Kompositionsklasse an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin. Die vorgesehene Nachfolge von Paul Hindemith an der Berliner Musikhochschule (1938) wurde vom NS-Regime verhindert. Die Freundschaften zu Wassily Kandinsky (1866 – 1944), Franz Marc (1880 – 1916) und Emil Nolde (1867 – 1956) sind nicht ohne Einflüsse auf Form und Inhalt seines kompositorischen Wirkens geblieben. In einem altkatholischen Pfarrhaus aufgewachsen, suchte er die religiöse Weite, über Grenzen von Weltreligionen und -anschauungen hinweg.21 Sein Introitus und Hymnus (1919) verbindet Paulus-Worte mit denen des Zarathustra von Friedrich Nietzsche; das Fragment einer deutschen Messe (1934) erhellt traditionelle Texte mit individuellen Gedanken. Eine komplexe, weitumspannende Musikauffassung – in tiefstem Grunde stets als religiös anzusehen – schafft gleichermaßen schöpferischen Raum für Nähe zur griechischen Tragödie (Oper Jürg Jenatsch, 1929), läßt den kultischen Tanz Indiens erstehen (Orchesterwerk Tanzdrama, 1942), verbindet in einer Art szenischem Oratorium altfranzösische Mysterienspiele mit Bibeltexten (Musik zur Passion für Sopran, Tenor, Chor und Orchester, 1920), gibt dem gregorianischen Choral seinen Stellenwert (Magnificat für Sopran, Bratsche, Orchester und Fernchor, 1925) und dokumentiert im Rückgriff auf das mehrstimmige Sololied des Mittelalters unter Begleitung von Melodieinstrumenten (auch) die Nähe zur Orgelbegleitung (Sonderform der Drei Geistlichen Lieder für Sopran, Violine und Klarinette, 1923).22 Seinem Wesen nach bleibt er Spätromantiker (sein Orgelwerk weist Reger´sche Nähe auf, allerdings ist bei Kaminski z. B. im Bereich der (Fugen-) Polyphonie ein umfassenderes Harmonieverständnis im Gegensatz zu einer konkreten harmonischen Lage des Themas festzustellen), antike Elemente (Kirchentonart, Mensuralnotation, rhythmische Freiheit) fließen eigenwillig ein, der harmonische wie melodische Raum werden geschärft (kleine Sekunde), und dennoch hält er an der Tonalität fest. Was rhythmische Freiheit bedeutet, wird in dem Orgellied-Zyklus Triptychon für Alt und Orgel (1931) deutlich. In den drei Gesängen verarbeitet der Komponist Verse aus den Gathas des Zarathustra (YASNA 43 Alle Wege, wenn sie nur gut sind, führen zu Gott), Worte aus dem buddhistischen Pali-Kanon (ITTIVUTTAKAM 27 Gesagt wurde dies von dem Erhabenen) und das Wessobrunner Gebet (Das hört ich hienieden am meisten bestaunen als Wunder) mit den Stilmitteln von Synkopik, Taktwechseln, Poly- und

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Komplementärrhythmik und Mensuralmusik aus Zeiten des 15./16. Jahrhunderts. Wie sehr ihm aber auch die schlichte Erfahrung des Gottesdienstes, seine Bewahrung vor immer stärkerem Abgleiten in den Winkel von Leben und Gesellschaft wichtig war, zeigt das vorliegende Orgellied Brautlied aus der Zeit seines Studiums in Berlin. Brautlied für Sopran und Orgel, ohne opus-Zahl (1912) Im selben Jahr entstand sein heute noch aufgeführter 130. Psalm für Sopran und Chor. Ein konkreter Hinweis zu Entstehung und Anlaß des Liedes ist nicht bekannt, es ist vier Jahre vor der eigenen Eheschließung mit Friederike Jopp, verh. Elfriede Kaminski komponiert. Im Rahmen dieser Anthologie haben Themenkomplexe zu Amtshandlungen der Kirche eine wichtige Funktion, zumal heutzutage die adäquate kirchenmusikalische Gestaltung verwässert erscheint. Insofern muß Kaminskis Geistliches Lied im Hinblick auf besprochene Trauungsgesänge, aber auch in Richtung späterer Liedkompositionen als wichtiger Baustein empfunden werden. Herausragende Nähe nimmt das Orgellied Lied der Ruth (Gesang zur Trauung, 1970) vom tschechischen Komponisten Petr Eben (geb. 1929) ein, zumal beide Lieder den gleichen Texthintergrund haben, nämlich das Buch Ruth aus dem Alten Testament (Ruth 1, Verse 16/17 Wo du hingehst, da will ich auch hingehen ...). Die geringfügige Textänderung am Anfang kommt dem Achtelduktus zugute. Formal sind die beiden Verse in A B A gegliedert, der Eingangsteil (A) ist geprägt von einer großen, substantiellen Einleitung mit Doppelpedal und für Kaminski typischen Orgelpunkt, aufbauend auf dem Anabasis-Akkord-Motiv (Zielrichtung gehen); die harmonische (Orgel) und melodische (Sopran) Analyse ergibt stets Auf- (Anabasis) und Abwärtsbewegung (Katabasis) für die Symbole Gehen und Sterben. Tonmalerisch interessant sind jeweils die weiteren Pointen Gott (harmonisch verdichtet), begraben werden (Gegenbewegung zum Gehen, übermäßiges Intervall c – gis), der Herr tue mir dies und das (chromatische Septole, Zielrichtung) sowie der Block Tod, scheiden (Ambitus, parallele Stimmführung, Duolen, Katabasis), bevor die Hoffnung auf Vereintsein über den Tod hinaus mit der Reprise (A) einsetzt (D-Dur, Orgelpunkt, Oberstimme Orgel ). Taktwechsel (formbezogen), rhythmische Wechsel (charakterbezogen), dichter, z. T. sperrig-griffiger Satz sowie Manualwechsel, Angaben zur Dynamik, Tempo und Charakter sind Kaminskis Eigenschaften bzw. zeigen Reger-Nähe. Beide Partner gestalten vielfältig unabhängig wie auch pointiert gemeinsam, der Sopran deklamiert textbezogen schlicht wie dramatisch. Kaminski macht entschieden sein Anliegen deutlich, die Trauung als den elementaren Beginn für einen gemeinsamen Weg mit Höhen und Tiefen über den Tod hinaus zu begreifen.

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Abbildung 105

Brautlied ohne opus-Zahl für Sopran und Orgel von Heinrich Kaminski (1912) Text: Das Buch Ruth 1, Verse 16/17

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9.3. Günter Raphael (1903 – 1960) „Günter Raphael war ein liebenswerter, verehrungswürdiger Mann, ein Tonkünstler von hohen Graden, ein Gläubiger voll echter Frömmigkeit“ , so charakterisiert ihn Hans-Joachim Moser in Der Kirchenmusiker anläßlich seines Todes (19.10.1960 in Herford).23 Er fährt fort, daß Bibel und Gesangbuch seine stetigen Wegbegleiter waren; aus diesem Grund überstand er die bitteren Jahre der Verfolgung und schwerer Erkrankung 1934 – 1944, die als seine Meininger Zeit gelten. Damit ereilte Raphael das gleiche Schicksal wie Heinrich Kaminski, völliges Berufsverbot erleiden zu müssen, mit dem Ergebnis allerdings, daß ab 1945 wieder verstärkt kirchenmusikalische Werke entstanden. Beide Komponisten, Kaminski und Raphael, dürfen unbestritten zu den Erneuerern der evangelischen Kirchenmusik im 20. Jahrhundert gezählt werden24 (Arnold Mendelssohn, 1855 – 1933, Raphaels Lehrer sowie Ernst Pepping, 1901 – 1981 und Hugo Distler, 1908 – 1942 gehören entscheidend dazu); beiden kann aber nicht die Stilwende der Musik25 etikettiert werden, die mit Ernst Pepping zu markieren ist; beide erscheinen in ihrem Oeuvre überwiegend traditionsver- und -gebunden. Raphael, zeitlebens ein großer Reger-Verehrer, läßt in seinem frühen Schaffen – vornehmlich der Orgelwerke – Reger-Nähe erkennen; Formen wie Variation, Ostinato, Introduction, Passacaglia, Fuge, Sonate als Großform geben davon Zeugnis, die Kleinform der Choralvorspiele, Partiten und Intonations-Zyklen (ca. 140) lehnt sich in Harmonik und Rhythmik an spätromantische Vorbilder an, nimmt auch Stilkopien aus Bach´scher Zeit auf (innere Bindung an den finnischen Choral); ab ca. 1945 löst er sich mehr und mehr von harmonischen Beziehungsfeldern, bringt atonale Bezüge ein, auch Pentatonik, vollzieht sogar diesbezügliche Schritte innerhalb eines Werkes (z. B. Toccata, Choral und Variationen über Wachet auf, ruft uns die Stimme op. 53, 1944). Seine musikalische Prägung erfuhr Raphael durch die Berliner Hochschulprofessoren Robert Kahn (ein Brahms-Schüler, Komposition), Walter Fischer (Orgel), Rudolf Krasselt und Julius Prüwer (Orchesterdirigieren) sowie Max Trapp (stark beeinflußt von Richard Strauss und Max Reger, Klavier und Theorie);26 familiär vorbelastet war er durch seinen Großvater Albert Becker (1834 – 1899, Organist, Leiter des Berliner Domchores und Komponist mit ungewöhnlich vielen Werken für Violine und Orgel) und seinen Vater Georg Raphael (1865 – 1904, Kantor an St. Matthäi, Berlin); seine Mutter Pauline Raphael war die erste Geigenlehrerin ihres Sohnes. Bezeichnenderweise beginnt der zwölfjährige Günter mit Kompositionen für Violine und Orgel sowie mit Liedern (sein erstes Lied Lied für Klavier). Brennpunkt seiner Biografik wird der September 1923 (mitten im Berliner Studium, 1922 – 1925), denn Raphael besucht in Leipzig Karl Straube, der mit seinem Vater in Freundschaft zusammen studierte. Straubes Blick in erste Kompositionen Raphaels machte kraft dessen Vermittlung ein Privatstudium bei Arnold Mendelssohn in Darmstadt möglich, das sich unmittelbar an Berlin im Sommer 1925 anschloß („ ... Es läge mir ungemein viel daran, daß er zu Dir kommen dürfte, um mit Dir zu arbeiten ... alles ungemein begabt, sehr stark fortentwickelt ..., das starke Talent darf auf keinen Fall verkümmern ...“ , so schreibt Straube an seinen lieben und verehrten Freund Arnold Mendelssohn.27 1926 (Uraufführung der 1. Sinfonie im Leipziger Gewandhaus unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler) wurde Raphael als Kompositions- und Theoriedozent an das Leipziger Kirchenmusikalische Institut-Abteilung des Landeskonservatoriums berufen (bis 1934).28 Straube und die Leipziger Schule wurden ihm in diesen Jahren zu persönlichem, atmosphärischem und konsekutiv kreativem Fundament (Karl Straube widmete er sein in Leipzig geschaffenes Requiem, welches der Widmungsträger so bewertete: „Das Chorwerk des 20. Jahrhunderts!“ ).29

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Sein Monumentalwerk umfaßt 9 Sinfonien, 15 Orchesterwerke, 8 oratorische Werke, 4 Schauspielmusiken, 10 Konzerte; demgegenüber sind die Bereiche der Kammermusik, des Klavierwerkes, der Kirchenmusik mit über 80 Motetten und Kantaten sowie der schon angesprochenen 30 Orgelwerke zu nennen. Die Kleinform des Klavierliedes umfaßt ca. 100 Lieder, zwei Zyklen sind im Bereich der Geistlichen Lieder anzusiedeln, Drei geistliche Gesänge op. 31 (1928, Leipzig) und Drei geistliche Gesänge ohne opus-Zahl (1938, Meinigen). Die Drei geistlichen Gesänge op. 31 scheinen aufgrund zeitweiliger Aufführungen bekannter zu sein,30 haben aber nur in Nr. 1 Morgengebet (Text: Walther von der Vogelweide) eine orgel-relevante Begleitung vorzuweisen (vorgesehen für Klavier- oder Orgelbegleitung, eine Orgelbearbeitung ist sinnvoll und wünschenswert). Nr. 2 Gebet (Text: Gustav Falke) kann in seinem durchgängig oktaviert-gesetzten Ostinato nur Klavierfunktion erhalten. Nr. 3 stellt insofern ein Spezifikum dar, daß Gattungsbegriff und Thema sich decken: Es ist überschrieben Ein geistliches Lied (Text: Martin Ulbrich). In Konsequenz handelt es sich um ein Geistliches Klavierlied; das Vier-Achtel-Prinzip als durchgängiges Perpetuum mobile gibt keinerlei Möglichkeiten für einen Orgelsatz frei. Besonders interessant erscheint – völlig unvermutet im Mittelteil (jeweils als tenuto-Viertel gekennzeichnet, im Stile Regers) – das Aufleuchten des Chorals Valet will ich dir geben (EG 523). Das Solo zitiert die 1. Choralzeile unter dem Text Laß mich doch erfahren ..., die rechte Hand im Klavierpart setzt fort mit der 2. Zeile, der Wiederholungszeile und der Schlußzeile des Chorals (und ich stehe und gehe); ein äußerst intimer wie sinnfälliger Hinweis Raphaels zur Wort-Ton-Beziehung bzw. zu seinem Verständnis von apokalyptischer Verarbeitung im Geistlichen Lied. Alle drei Geistlichen Lieder sind formal dreigegliedert, aber durchkomponiert. Drei geistliche Gesänge ohne opus-Zahl (1938) Motetten und Kantaten schrieb Raphael in diesen so schweren Jahren der rassistischen Verfolgung, die ihn nach der Heirat (13.10.1934) mit seiner Frau nach Meiningen verschlug. 1937 entstand die Choralkantate Vater unser op. 58 für Chor, Orchester und Orgel. Bedingt durch die Lebensumstände, haben die Texte der geistlichen Werke und diese drei Geistlichen Lieder von 1938 gemeinsam, im Angesicht des gekreuzigten Christus die Bitte, das Flehen um Erlösung und Auferstehung zu artikulieren, damit ein Zeichen gegen die Signale der Zeit zu setzen: Unübersehbar gründen sich die drei Lieder auf Choralmelodien und Texten der Passion, sie sind gerade auch unter kompositorisch-dramaturgischen Gesichtspunkten als Zyklus zu verwenden. Nr. 1 O hilf, Christe, Gottes Sohn (Text: Michael Weiße, Böhmische Brüder, 1531) lehnt sich formal als Strophenlied an die 8. (Schluß-) Strophe der Melodie Christus, der uns selig macht an. Ein vollgriffiger Orgel-Choralsatz inkl. Pedal (c.f. Leipzig um 1500, Böhmische Brüder 1501/1531, EG Nr. 77) führt den Choral durch, die Solostimme deklamiert völlig frei und ungebunden, sie zeichnet den Text nach, symbolisiert die Pointen der 8. Strophe (O hilf ..., meiden, fruchtbarlich bedenken, Dankopfer). Quarte als Prinzip, synkopische Einsätze wie Melismatik sind Spezifika im Raphael´schen Stil. Nr. 2 Der du, Herr Jesu, Ruh und Rast ... (Text: Georg Werner, 1589 – 1643) bildet als Mitte der Lied-Trias eine durchkomponierte Drei-Strophenform in Anlehnung an die Textvorlage des Passionsliedes Der du, Herr Jesu, Ruh und Rast; von der Solostimme wird dreifach variiert (in freier Form; als figurierter c.f. sowie in einer Art Überhöhung die Verbindung beider Gestaltungselemente), textlich deklamiert sowie charakterbezogen Dynamik und Tempo modifiziert. Zwei Strophen interpretiert die Orgel in der Form des Biciniums (c.f. als Lehnmelodie von Herr Jesu Christ, dein teures Blut von Johann Olearius, 1611 – 1684, im Sopran original, nach kurzer Imitation mit der Vokalstimme als Motiv, variiert und sequenziert), bevor die dritte (Abschluß-) Strophe einen zeitweise

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siebenstimmigen Orgel-Pedal-Satz mit großem Ambitus und versteckter c.f.-Thematik gestaltet; Schlußzitat wieder als Original-Orgelsatz in die Ruhe hinein. Beide Geistlichen Lieder in ihrer ungewöhnlichen kompositorischen Anlage prägen das theologisch-musikalische Bild des Orgelliedes neu. Nr. 3 O Lamm Gottes, unschuldig ... (Text: Nicolaus Decius, geb. um 1485, nach letzter Forschung nach 1546 gestorben) soll als Zentrum und Ziel des trinitarischen Geistliche-Lieder-Zyklus besprochen werden, theologisch und kompositorisch eine Zusammen-fassung und Verdichtung. Im Zentrum des liturgischen Geschehens angesiedelt, verarbeitet Raphael der Vorgabe des Passionsliedes gemäß (1531 nach dem altkirchlichen Agnus Dei) das heute ökumenische Lied in der dreigegliederten Form A B C; die Untergliederung A1-A2 entspricht der Struktur des c.f., die zweite Strophe in ihrem reinen Manualiter-Satz (unter absoluter Dominanz des Solo) schafft prägende Formkraft. 1. Strophe: (A1) Bekannter großflächiger Orgel-Pedal-Satz unter der Choralmelodie mit tonsymbolischer Deutung von Katabasis und Anabasis (bis T. 8); zwischen Parlando und Melisma deklamiert das Solo den Text, in Pointierung an das Ab (Kreuzestod) und Auf (Auferstehung) der Orgellinien; zwei weitere Merkmale: Tonrepetition und Rhythmik (Triolen, später Punktierungen, Überbindungen). (A2) Über Orgelimitation entsteht ein bewußt ruhig gehaltener Orgelsatz (in halben Noten), der das vom Solo an drei Stellen dramatisch forcierte Symbol des die Sünde-tragens abstützt (getragen, verzagen, O Jesu). 2. Strophe: (B) Der emphatische Soloeinstieg gewinnt unter transparenter Orgelstütze (Manual) an Profil, das Repetitionsmotiv hat tonmalerische Funktion, neben den pointierten Melismen gewinnt die Oktave an Bedeutung (in Teil A die Quarte). 3. Strophe: (C) In Anlehnung an (A1) färbt die Orgel mit großem Ambitus im p ein (Manual I!), das Choralzitat bekommt (ab T. 38) zugunsten eines sich entladenden Satzes freieren Duktus zugewiesen (verachtet), er ordnet sich schließlich der Singstimme unter und verengt völlig zur Stille; das Solo parliert-rezitiert O Lamm Gottes (T. 32) vehement, deklamiert emphatisch fünffach unter Betonung der Intervalle (Quinte, Sexte, Oktave); die Intensität beider Partner gestaltet sich stringent; alle Detailangaben zu Stufendynamik, Manual und Tempo werden erstmalig erweitert durch Atemzäsuren im Solo, ein Hinweis, zu welcher Einheit der Komponist die Interpreten seiner drei Orgellieder führen möchte. Auffallend bleibt zum Schluß das Choralmaterial des 16./17. Jahrhunderts, harmonisch-ästhetisch seine Anpassung an Charakter, Aussage und gottesdienstliche Funktion, barocke Nähe mit leicht romantischer Färbung.

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Abbildung 106

O Lamm Gottes, unschuldig ohne opus-Zahl von Günter Raphael (1938), aus Drei geistliche Gesänge für mittlere Singstimme und Orgel

(Text: Nicolaus Decius, ~ 1485 bis ~ 1546)

9.4. Peter Griesbacher (1864 – 1933) Der heute vergessene Komponist, Priester, Lehrer für Kontrapunkt an der katholischen Kirchenmusikschule Regensburg und – vor allem – weithin anerkannte Glockensach-verständige hat für den liturgischen Gebrauch der katholischen Kirchenmusik im Gottesdienst Wesentliches geleistet. Seine Tätigkeit als Schriftleiter verschiedener Fachzeitschriften, auch auf deutscher Ebene, machte es ihm zudem möglich, eigene Werke vorzustellen. Aus seinem umfangreichen Schaffen (318 Werke)31 sei hier eine Form des Geistlichen Liedes vorgestellt, die stilistisch den Autodidakten Griesbacher in die Nähe von Josef Gabriel Rheinberger (z. B. Sechs religiöse Gesänge op. 157) rückt, auch wenn seine Satztechnik – orgelgerecht – nicht an die Rheinbergers heranreicht; harmonisch weist Griesbacher allerdings durchaus nach vorn (Alterierung, Chromatik, Leittönigkeit). Der Hymnus Pange Lingua für eine Solostimme oder Chor unisono (einstg.) mit Begleitung der Orgel (ad unam vocum seu chorum unisonum comitante organo) op. 187 aus dem Jahre

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191532 vertont die 1., 5., 6. Strophe des Fronleichnam-Hymnus, der üblicherweise beim Schlußsegen mit der Monstranz (meist chorisch) gesungen wird. Diese Einrichtung läßt auch eine Solostimme zu. Die dreistrophige Grundform (textbezogen) wird durch Orgelzwischenspiele – charakterlich differenziert – geprägt. Ein Vergleich zu den bereits 1901 komponierten vier Tantum ergo-Liedern op. 61b für Sopran, Alt und Orgel von Max Reger drängt sich auf.33 Für den gleichen liturgischen Zweck bestimmt, sind sie ebenso in lateinischer Sprache abgefaßt; Reger verarbeitet nur die 5. und 6. Strophe des Pange lingua in unmittelbarer Nähe zum schlichten Melodielied, der dafür üblichen Strophenform, keine Zwischenspiele! Griesbachers Geistliches Lied entfernt sich vom Reger´schen Typus, der Sprung von 1. zu 5. Strophe ist optisch (6 Takte) und musikalisch-charakterlich (Bewegung durch sequenziertes Achtel-Motiv) ersichtlich. Leitmotivik, ihre Modifikationen sowie Imitationstechnik (T. 1 – 3, ab T. 23, T. 47 – 51, T. 57) unterstreichen das Strukturprinzip, balancieren melodischen Duktus und rhythmische Formulierungen aus (siehe z. B. Vater unser Nr. IV aus op. 157 von Rheinberger). Weitere Anzeichen auf dem Weg zum Orgellied – unter Berücksichtigung von liturgisch-ästhetischer, theologisch-adäquater Deklamation – sind Orgelpunkte (siehe Kaminski), textbezogen-pointierte Pedalverdoppelungen im Kontext zur ff-Dynamik (siehe Reger), symbolträchtige Intervalle (siehe Reger-Schüler); zum Deklamationsprinzip sind auch Triolen (Textakzente), das Wechselspiel zwischen pedaliter und manualiter (sinngemäß ergänzt), Stufen- und Schwelldynamik, die Tempo- und emphatischen Steigerungen (Motivwiederholung) im Schlußteil zu zählen. Hochromantisch ist das Amen angelegt, rhythmischer Stau (Triolen), Oktavierung, Hauptakzent auf der Terzverwandtschaft B-Dur (fff) mit Tenordurchgang in den Schlußakkord (7-stimmig, 3-Oktaven-Ambitus). Als Schwachpunkt erscheint mir lediglich die unvollkommen gebliebene Souveränität der Pedalstimme innerhalb des Orgelsatzes; Rheinbergers Behandlung ist schlüssiger, Reger und seine Schule klingen an. Die neun Orgelstücke op. 4934 erreichen ähnliches Niveau.

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Abbildung 107

Hymnus Pange lingua op. 187 für eine Singstimme oder einstimmigen Chor und Orgel von Peter Griesbacher (1915)

- Auszüge - (T. 1 – 8, 18 – 27, 49 – 70)

9.5. Walter Courvoisiers (1875 – 1931) Zwischen Max Reger und Joseph Haas geboren, ab 1902 Student an der Münchener Musikhochschule bei Regers Kontrahent Ludwig Thuille (vorher Abschluß als Dr. med.), ab 1910 dort Dozent und später Professor für Komposition, ist die bedeutendste Leistung von Walter Courvoisiers im umfangreichen Liedschaffen (19 Zyklen mit Opus-Zahl) zu suchen. Der kirchenmusikalische Anteil seines Gesamtschaffens enthält als Geistliches Klavierlied den fünfteiligen Zyklus Das Marienleben op. 27 (1917/1919) mit den Themen Geburt, Passion, Auferstehung, daneben die sinfonische Kantate Auferstehung für Solostimmen, Chöre, Orchester und Orgel (der einzig bekannte Orgelbezug!) nach Texten der Bibel. Im Liedzyklus op. 27 verarbeitet der Komponist Gedichte von Luther, Decius, Friedrich von Spee, Kerner, Eichendorff und Novalis. Das Geistliche Lied Ich sehe dich in tausend Bildern (Novalis), als Gegenstand der Marienverehrung, wurde von Max Reger (siehe 7.2.3.) und seinem Schüler Othmar Schoeck (siehe 8.3.) verarbeitet und als Orgellied besprochen. Courvoisiers hat diesem Text (ebenfalls) ein Geistliches Klavierlied gewidmet, „zarte, von drängenden Harmonien getragene Ekstatik“ sind die Charaktere.35 Ihm werden „ feines Wort-Ton-Verständnis und sorgfältige Klangschattierungen unter

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Einbeziehung impressionistischer und archaistischer Elemente“36 zugeschrieben, die sich besonders nachhaltig im Liedschaffen widerspiegeln. Der Forschung obliegen Sichtung und Wertung seines Gesamtwerkes, das nahezu nur im Manuskript vorhanden ist. 1 Vgl. Ralf Kaupenjohann, Sigfrid Karg-Elert. Verzeichnis sämtlicher Werke, im Auftrag des

Karg-Elert-Archivs, hrsg. v. Sonja Gerlach und Katharina Schwaab-Karg-Elert, Frankfurt 1984, S. XIII.

2 Von den 4 Salmer (Vier Psalmen) op. 74 (1906) von Edvard Grieg hat Joachim Dorfmüller zwei als Geistliche Lieder für Mezzosopran und Orgel bearbeitet: Jesus Kristus er opfaren (Jesus Christus ist aufgefahren) op. 74/3 und I Himmelen (Im Himmel) op. 74/4; 1999 entstanden, können sie als Sonderform der Bearbeitung zur Gattung eines Orgelliedes gerechnet werden (Kap. 12.1).

3 Vgl. Anm. 1, a. a. O., S. 7. 4 A. a. O., S. 5. Die Festschrift (hrsg. v. Volker Hempfling, 1977) ist gleichzeitig verbunden mit einer

Programmübersicht zu den Karg-Elert-Gedenkkonzerten in Nordrhein-Westfalen anläßlich des 100. Geburtstags.

5 Vgl. Johannes Matthias Michel, Sigfrid Karg-Elert und Max Reger, in: MuK 1986, Jg. 56, S. 242. Die große Verehrung gegenüber Reger läßt sich an einem Foto um 1920

ablesen (Karg-Elert mit seiner Frau), daß beide am Klavier zeigt, über ihnen Bilder mit Portraits u. a. von Reger (veröffentlicht im Werkverzeichnis, vgl. Anm. 1, Foto Nr. 8,

S. XVII). 6 Vgl. Anm. 5, S. 11/12 (Vergleich op. 27 Ein feste Burg von Reger mit op. 65 Macht hoch

die Tür von Karg-Elert). 7 Vgl. Anm. 6, S. 244. 8 Günter Hartmann, Karl Straube und seine Schule: „ Das Ganze ist ein Mythos“ , (Orpheus-

Schriftenreihe zu Grundfragen der Musik, hrsg. v. M. Vogel, Bd. 59), Bonn 1991, S. 98. Es wird berichtet, daß der Straube-Schüler (später auch Karg-Elert-Schüler) Johannes Piersig „heimlich“ Karg-Elerts Music for organ op. 145 (Piersig gewidmet) übte, um es unversehens „schallplattenreif“ im Unterricht vorzuspielen, was Straube mit Piersigs Uraufführung während eines Vortragabends beantwortete. Ähnliche Vorgänge spielten sich beim Reger-Schüler Karl Hoyer ab (Kap. 8.10).

9 Vgl. Anm. 7. 10 Vgl. Rolf Schönstedt, Das Geistliche Lied um Max Reger (Vorabdruck), München 1995, S. 46, 54. 11 Vgl. Thomas Schinköth, Gotischer Mystiker und expressionistischer Revolutionär (?):

Sigfrid Karg-Elert in Leipzig, in: Sigfrid Karg-Elert und seine Schüler, Hamburg 1999 (zugleich Mitt. KEG), S. 28.

12 Christoph Tietze, Sigfrid Karg-Elert. Doppelnatur und Dualistischer Ausdruck, in Mitt. KEG 1988, S. 33.

13 Vgl. Anm. 12, S. 31. 14 Wolf Kalipp, Klang und Mystik in den Orgelwerken von Sigfrid Karg-Elert, in: Mitt. KEG

1988, S. 5. 15 Vgl. Anm. 13, S. 27. Vgl. Johannes Matthias Michel, Das Modulationsverständnis um 1910, in Mitt. KEG 1988, S. 57. 16 Vgl. Wolfgang Stockmeier, Die Choralstudien op. 78 von Sigfrid Karg-Elert, in Mitt. KEG

1987, S. 16. 17 Sonja Gerlach, Sigfrid Karg-Elert. Verzeichnis sämtlicher Werke, vgl. Anm. 1, S. 5. Sein

Schüler Johannes Piersig nennt ihn einen „Sprudler, der flatterte, schwatzte, redete, flocht, demonstrierte, ganze Kaskaden von Einfällen steigen“ ließ.

18 Als Gast bei den Karg-Elert-Gedenkkonzerten zum 100. Geburtstag im Rahmen der III. Max-Reger-Orgeltage Hamm 1977 (26./27.11.) sprach seine Tochter Katharina mehrfach

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des Vaters spontane musikalisch-improvisatorische Umsetzung an, u. a. bei den wöchentlichen Andachten mit Harmonium aus dem Hause Karg-Elert bzw. bei Erlebnissen auf der Amerika-Reise 1932.

19 Philipp Wolfrum, Die musikalischen Formen in Bachs Kirchenmusik, in: Johann Sebastian Bach, Bd. II (J. S. Bach als vokaler Tondichter), Leipzig 1910 (Kap. V/39, S. 85). „Die Regersche Kunst z. B. bedeutet nicht bloß eine Bach-Renaissance, sondern schon etwas mehr. Und schon im 19. Jahrhundert ist mancherlei an Geist von Bach ausgegangen!“ ; der Autor setzt sich mit der Vokalmusik Bachs und ihrer Auswirkung auf das Reger´sche (Vokal-) Werk auseinander. Er fordert – praxisbezogen – einen Kirchenmusikerstand, „der da nicht bloß seinen Mendelssohn, sondern auch seinen Wagner, Liszt, Reger kennt und liebt ...“ :

S. 152. 20 Vgl. HKG e. V., Kaminskis Lebensdaten, Waldshut-Tiengen 1997, S. 58. 21 Vgl. Walter Frei, Heinrich Kaminskis musikalischer Grundgedanke, in: H. HKG, S. 8ff. 22 Vgl. Anm. 21, S. 16/17. Kaminski empfindet das Geistliche Lied mit Instrumenten als

„betonte Erscheinung eines Zusammenwirkens, das als Klangwerdung ewiger Lebensgesetze“ zu verstehen ist, „dessen Gemeinschaft stiftendes Ergebnis ein wesentlicher Aspekt der Musik überhaupt“ ist (siehe Joseph Haas, Kap. 8.2.). Eine Bearbeitung dieser Drei Geistlichen Lieder (1923) für Sopran, Violine, Klavier hat Kaminski ausdrücklich als nicht für den Konzertgebrauch gekennzeichnet (Anm. 14, S. 26).

23 A. a. O., Jg. 11, Kassel-Berlin 1960, S. 262. 24 Vgl. Dieter Hoßfeld, Das geistliche Vokalwerk Günter Raphaels, in: MuK 1993, Jg. 63, S. 149. 25 Stilwende der Musik nennt Ernst Pepping sein Buch, das sich mit der gesamtmusikalischen

Situation um 1930 befaßt, die er als Wende, Umkehr, Umbruch bezeichnet (Kap. 10.1.). 26 Vgl. Jürgen Böhme, Entstehung und Stil der Werke Günter Raphaels, in: Ars Organi 1988,

Jg. 36, S. 119. 27 Vgl. Christoph und Ingrid Held, Karl Straube – Wirken und Wirkung, Berlin 1976, S. 249/250. Der Brief ist datiert: „Z. Zt. Bayrisch Eisenstein, den 13. August 1924“ . 28 Unter dem Thema Spuren einer wechselvollen Geschichte hat die Hochschule für Musik

und Theater „Felix Mendelssohn-Bartholdy“ Leipzig eine Dokumentation zur Ausstellung (Das kirchenmusikalische Institut, hrsg. vom Rektor der Hochschule, Leipzig 2001) im Bach-Jahr 2000 erstellt. Maren Goltz schreibt unter Abschnitt 4 Das Institut im Dritten Reich, 1933 – 1941 u. a. „Günter Raphael wird im Zuge der Umsetzung des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 seine „nichtarische Abstammung zum Verhängnis“ . Vorsorglich kündigt das Kuratorium Raphael am 30.11.1933 „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ .

Ebd. S. 38/39. 29 Vgl. Anm. 24, S. 148. 30 Vgl. Anm. 29, S. 150. 31 Vgl. August Scharnagl, Peter Griesbacher, in: MGG 5, Sp. 910/911. 32 A. a. O., S. 2 (Vorwort). Der Komponist schreibt u. a.: „Die in Tonart, Motiven und

Umrissen einheitliche Grundform ist in allen 3 Strophen nach Maßgabe der Textlage frei variiert und zweckmäßig rhythmisiert“ (Regensburg, 27. März 1915).

33 Soeben ist eine Erstausgabe (hrsg. v. Rolf Schönstedt) mit folgendem Titel erschienen: Neun Geistliche Lieder für Singstimme(n) und Orgel von Max Reger, Magdeburg 2001; es handelt sich um die vier Tantum ergo-Lieder op. 61b, die vier Marienlieder op. 61e (beide 1901) und das Geistliche Lied Schönster Herr Jesu ohne opus-Zahl (1927).

34 Vgl. Klaus Beckmann, Repertorium Orgelmusik 1150 – 1988, Mainz 1999, 2. Auflage, S. 230. 35 Vgl. Werner Oehlmann, Reclams Liedführer, Stuttgart 1973, S. 725/726. 36 Vgl. Richard Schaal, Walter Couvoisiers, in: MGG 2, Sp. 1752/53.