93: Rückenmark und Wirbelsäule - unifr.ch · (Hinterstrangbahn) für die bewusste Proprioception,...

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Zentralnervensystem 25 93: Rückenmark und Wirbelsäule Maus Azan Die Medulla spinalis ist sofort zu erkennen. Im Rückenmark liegt die graue Substanz im Zentrum und beherbergt die Perikaryen der Neurone. Die weisse Substanz beinhaltet die Axone der Neurone, die zu Rückenmarksbahnen zusammengefasst werden, die in Längsrichtung aufoder absteigen. Die bekanntesten sind die aufsteigenden Fasciculi gracilis und cuneatus ganz posterior (Hinterstrangbahn) für die bewusste Proprioception, Vibration und feine Druckempfindung und die Tractus spinothalamici anterior und lateralis (Vorderseitenstrangbahnen) für die Perzeption von Druck, Berührung, Schmerz und Temperatur. Im Querschnitt zeigt die graue Substanz die Form eines Schmetterlings mit beidseits zwei Hörnern: das Vorderund das Hinterhorn (Cornu anterior und Cornu posterior). In den Segmenten C8 bis L3 ist auch ein Seitenhorn (Cornu lateralis) zu sehen, das Zellkörper der vegetativen (sympathischen und parasympathischen) Bahnen enthält. Die graue Substanz zeigt folgende Zelltypen: Wurzelzellen: efferente (motor.) Neurone im Vorderund Seitenhorn, deren Axone die Medulla über die Vorderwurzel verlassen. Interneurone: ubiquitär, kommunizieren zwischen zwei Neuronen oder einem Neuron und einem Axon Strangzellen: vor allem im Hinterhorn, ihre Axone ziehen in die weisse Substanz und erreichen Neurone anderer Rückenmarkssegmente oder supraspinale Zentren. Die aus dem Vorderhorn stammenden motorischen Efferenzen vereinigen sich nach Austritt aus dem Rückenmark als Radix anterior (Vorderwurzel) mit den Nervenfasern, die als Radix posterior (Hinterwurzel) aus dem Hinterhorn treten, zu einem Spinalnerven. Auf jedem Rückenmarkssegment besitzt ein Spinalnervenpaar (insgesamt 31 Paare). Der Spinalnerv wird zum PNS (peripheren Nervensystem) gezählt. graue und weisse Substanz Motoneurone im Vorderhorn Die Medulla ist von Rückenmarkshäuten (Meningen) umgeben Dura mater spinalis (= Pachymeninx) mit hier physiologischem Epiduralraum, der mit Fettgewebe und einem dichten Venenplexus ausgefüllt ist. Um das Gehirn dagegen kommt kein Epiduralraum vor, pathologisch kann sich aber dort bei einer Blutung ein epidurales Hämatom bilden. Die Dura mater cranialis ist relativ fest mit dem Periost der Schädels verwachsen. Sie enthält die venösen Sinus durae matris, die das Blut der Hirnvenen aufnehmen und deren Wand nur aus Endothel und Durabindegewebe besteht. Bemerkung: Subduralräume sind im Zentralnervensystem immer pathologisch, sie entstehen z.B. durch eine Ruptur einer Hirnvene nahe ihrem Übergang in einen Sinus, die als Brückenvene bezeichnet wird (Subdurales Hämatom zwischen Dura und Neurothel). Arachnoidea (Spinnhaut): äusseres Blatt der Leptomeninx, welche ein kompliziertes System aus MeningealzellLamellen und zarten Kollagenfasern darstellt. An der Grenze zur Dura weist die Arachnoidea einige Lagen von MeningealzellLamellen auf, die durch ihre tight junctions einen geschlossenen Verband bilden (Diffusionsbarriere) und als Neurothel bezeichnet werden. Pia mater spinalis: inneres Blatt der Leptomeninx, zwischen den beiden Blättern liegt der mit Liquor cerebrospinalis gefüllte Subarachnoidalraum. Er wird von Arachnoidaltrabekeln durchzogen. Die Pia sitzt der Hirnoberfläche direkt und eng an, d.h. sie folgt all ihren Sulci. Die Arachnoidea hingegen zieht über diese hinweg. Der ganze Subarachnoidalraum des Gehirns und des Rückenmarks wird als äusserer Liquorraum bezeichnet. Der Canalis centralis ist die Fortsetzung des IV. Ventrikels im Rückenmark und ist wie alle weiteren inneren Liquorräume (Ventrikelsystem) mit Ependym ausgekleidet, dessen Zellen kubisch bis hochprismatisch sind und viele Mikrovilli und Kinocilien tragen. Sie werden durch interzelluläre Haftkontakte zusammengehalten, besitzen aber keine tight junctions. An besonderen Orten ist speziell differenziertes Ependym zu finden (Epithel des Plexus choroideus).

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93: Rückenmark und Wirbelsäule       Maus        Azan  Die Medulla spinalis ist sofort zu erkennen. Im Rückenmark liegt die graue Substanz im Zentrum und beherbergt die Perikaryen der Neurone. Die weisse  Substanz beinhaltet die Axone der Neurone, die  zu Rückenmarksbahnen  zusammengefasst werden, die  in Längsrichtung  auf‐  oder  absteigen.  Die  bekanntesten  sind  die  aufsteigenden  Fasciculi  gracilis  und  cuneatus  ganz  posterior (Hinterstrangbahn) für die bewusste Proprioception, Vibration und feine Druckempfindung und die Tractus spinothalamici anterior und lateralis (Vorderseitenstrangbahnen) für die Perzeption von Druck, Berührung, Schmerz und Temperatur.   Im Querschnitt zeigt die graue Substanz die Form eines Schmetterlings mit beidseits zwei Hörnern: das Vorder‐ und das Hinterhorn (Cornu anterior und Cornu posterior). In den Segmenten C8 bis L3 ist auch ein Seitenhorn (Cornu lateralis) zu sehen, das Zellkörper der vegetativen (sympathischen und parasympathischen) Bahnen enthält. Die graue Substanz zeigt folgende Zelltypen:  Wurzelzellen: efferente (motor.) Neurone im Vorder‐ und Seitenhorn, deren Axone die Medulla über die Vorderwurzel verlassen. Interneurone: ubiquitär, kommunizieren zwischen zwei Neuronen oder einem Neuron und einem Axon Strangzellen:  vor  allem  im  Hinterhorn,  ihre  Axone  ziehen  in  die  weisse  Substanz  und  erreichen  Neurone  anderer Rückenmarkssegmente oder supraspinale Zentren.  Die  aus  dem  Vorderhorn  stammenden motorischen  Efferenzen  vereinigen  sich  nach  Austritt  aus  dem  Rückenmark  als  Radix anterior  (Vorderwurzel)  mit  den  Nervenfasern,  die  als  Radix  posterior  (Hinterwurzel)  aus  dem  Hinterhorn  treten,  zu  einem Spinalnerven. Auf  jedem Rückenmarkssegment besitzt ein Spinalnervenpaar  (insgesamt 31 Paare). Der Spinalnerv wird zum PNS (peripheren Nervensystem) gezählt.  

    graue und weisse Substanz                                       Motoneurone im Vorderhorn  Die Medulla ist von Rückenmarkshäuten (Meningen) umgeben  Dura mater spinalis (= Pachymeninx) mit hier physiologischem Epiduralraum, der mit Fettgewebe und einem dichten Venenplexus ausgefüllt  ist. Um  das Gehirn  dagegen  kommt  kein  Epiduralraum  vor,  pathologisch  kann  sich  aber  dort  bei  einer  Blutung  ein epidurales Hämatom bilden. Die Dura mater  cranialis  ist  relativ  fest mit dem Periost der  Schädels  verwachsen.  Sie  enthält die venösen  Sinus durae matris, die das Blut der Hirnvenen  aufnehmen und deren Wand nur  aus Endothel und Durabindegewebe besteht. Bemerkung: Subduralräume sind im Zentralnervensystem immer pathologisch, sie entstehen z.B. durch eine Ruptur einer Hirnvene nahe  ihrem Übergang  in einen  Sinus, die  als Brückenvene bezeichnet wird  (Subdurales Hämatom  zwischen Dura und Neurothel).  Arachnoidea (Spinnhaut): äusseres Blatt der Leptomeninx, welche ein kompliziertes System aus Meningealzell‐Lamellen und zarten Kollagenfasern darstellt. An der Grenze zur Dura weist die Arachnoidea einige Lagen von Meningealzell‐Lamellen auf, die durch ihre tight junctions einen geschlossenen Verband bilden (Diffusionsbarriere) und als Neurothel bezeichnet werden.  Pia mater  spinalis:  inneres  Blatt  der  Leptomeninx,  zwischen  den  beiden  Blättern  liegt  der mit  Liquor  cerebrospinalis  gefüllte Subarachnoidalraum. Er wird von Arachnoidaltrabekeln durchzogen. Die Pia sitzt der Hirnoberfläche direkt und eng an, d.h. sie folgt all  ihren  Sulci.  Die  Arachnoidea  hingegen  zieht  über  diese  hinweg.  Der  ganze  Subarachnoidalraum  des  Gehirns  und  des Rückenmarks wird als äusserer Liquorraum bezeichnet.  Der  Canalis  centralis  ist  die  Fortsetzung  des  IV.  Ventrikels  im  Rückenmark  und  ist  wie  alle  weiteren  inneren  Liquorräume (Ventrikelsystem) mit Ependym ausgekleidet, dessen  Zellen  kubisch bis hochprismatisch  sind und  viele Mikrovilli und Kinocilien tragen. Sie werden durch interzelluläre Haftkontakte zusammengehalten, besitzen aber keine tight junctions. An besonderen Orten ist speziell differenziertes Ependym zu finden (Epithel des Plexus choroideus). 

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In der weissen Substanz  finden  sich neben den Axonen Mikroglia, Oligodendrocyten und Sternzellen  (Astrocyten), die mit  ihren Füsschen  alle  Gefässe  umschlingen.  Die  Gesamtheit  der  Astrocyten‐Endfüsschen  bilden  die  Gliagrenzmembran,  die  eine Basallamina besitzt. Die Gliagrenzmembran leistet einen Betrag an die Blut‐Hirn‐Schranke. Wichtiger ist aber das Kapillarendothel, das eine 100‐fach niedrigere Permeabilität aufweist als in nicht‐neuronalen Geweben und praktisch keine Transcytose betreibt.  

       Corpus vertebrae (Knochen & Mark)             Meningen um das Rückenmark             Spingalganglion   95: Rückenmark           Affe         Nissl  Die Nissl‐Färbung macht besonders die Perikaryen der Neurone sichtbar. Die Neurone in der Substantia grisea sind gut erkennbar (Vorderhorn: Motoneurone, Hinterhorn: zweites sensorisches Neuron), dazwischen ev. Interneurone.  

                Ependymzellen um Canalis centralis                   weisse Substanz                                         mehrere Motoneurone im Vorderhorn    96A: Nucleus Dentatus          Affe         Nissl  Der  Nucleus  dentatus  projiziert  über  den  Thalamus  (Umschaltstation)  in  den motorischen  und  prämotorischen  Cortex.  Seine Efferenzen laufen über den Pedunculus cerebellaris superior. Desweiteren entsendet er Fasern zum kontralateralen Nucleus ruber (mesencephal).  

     Aufbau der Kleinhirnrinde             Purkinje‐Zellen             Kerngebiet im Kleinhirn (Ncl. dentatus)  

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96: Kleinhirn             Affe        Calbindin  Aufbau des Cortex: 3 Schichten: Stratum moleculare, Stratum purkinjense (= Stratum ganglionare), Stratum granulosum, darunter: weisse Substanz mit Oligodendrocyten, Mikroglia, Astrocyten und Axone der afferenten und efferenten Bahnen.  Stratum granulosum: Körner‐Zellen, excitatorisch als einzige im ganzen Cortex cerebelli , Golgi Zellen (inhibitorisch) und Fasern:  ∙ Kletterfasern: aus inferioren Olive, gehen direkt an die Purkinjezell‐Dendriten ∙ Moos‐Fasern: aus Rückenmark oder Pons, gehen an die Körnerzell‐Dendriten  Körner‐Zellen:  Axone  der  Körner‐Zellen  werden  als  Parallelfasern  bezeichnet,  weil  sie  parallel  zur  Längsachse  der Kleinhirnwindungen  liegen,T‐förmige  Aufspaltung  der  Axone,  diese  gehen  an  die  senkrecht  zu  den  Parallelfasern  gestellten Dendritenbäume der Purkinje‐Zellen  Stratum  purkinjense:  Perikarya  der  Purkinje‐Zellen  und  Bergman‐Glia,  die  Kleinhirn‐spezifische  Gliazellen  sind  und  bei  der Entwicklung eine wichtige Rolle spielen.  Stratum moleculare: Stern‐ und Korbzellen, sie wirken inhibitorisch auf Purkinje‐Zelle.  

    Arbor vitae – Aufbau des Cerebellums                Purkinje‐Zellen   97: Kleinhirn in der Entwicklung       Mensch       Nissl  Die Kleinhirnrinde entwickelt sich am Ende der Embryonalperiode aus dem teilungsaktiven Neuralepithel der oberen Rautenlippen oberhalb  des  zukünftigen  IV.  Ventrikels. Nach  einer  ersten Wanderungswelle  von  Zellen  aus  dem Neuralepithel  entstehen  die Kleinhirnkerne in der Mantelzone und die Kleinhirnrinde in der Marginalzone, wo sich die äussere Körnerschicht bildet, in der die Zellen sogar bis nach der Geburt teilungsaktiv bleiben. In einem zweiten Schub migrieren Zellen entlang der Bergmann‐Glia in die Innenseite der äusseren Körnerschicht und stellen die Vorläufer der Purkinje‐Zellen dar. Ihre Axone bleiben gewissermassen an den Kleinhirnkernen hängen. Aus der Aussenseite der noch zellreichen, äusseren Körnerschicht wird das zellarme Stratum moleculare. Der Plexus choroideus ist hier ebenfalls sichtbar!  

           Cerebellum in der Entwicklung                           Plexus choroideus 

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98: Kleinhirn             Mensch       Bodian  Die Axone der Korbzellen sind hier besonders deutlich sichtbar.  

    Übersichtsaufnahme: Körnerschicht & Cortex         Detailaufnahme: Purkinje‐Zellen & Axone   99: Gehirn             Affe        Bodian / Parvalbumin  Der  Isocortex  gliedert  sich  in  sechs  verschiedene  Laminae,  deren  Ausprägung  je  nach  Grösse,  Form  und  Packungsdichte  der Perikaryen variiert (Cytoarchitektonik). Die Pyramidenzellen sind efferente Projektionsneurone (Golgi‐Typ‐I‐Neurone). Sie besitzen einen dreieckig geformten Zellleib mit einem zur Cortexoberfläche hin gerichteten Apikaldendriten. Von den unteren Ecken gehen Basaldendriten  aus.  Die  Dendriten  tragen  zahlreiche  Dornen.  Das  Axon  entspringt  an  der  Zellbasis  und  strebt  seinem Bestimmungsort nach Abgabe von Kollateralen zu. Die Nicht‐Pyramidenzellen sind Interneurone (Golgi‐Typ‐II‐Zellen), deren Axone die Rindenregion nicht verlassen und für die intracorticale Informationsverarbeitung zuständig sind.  Schichten des Isocortex von aussen nach innen  Lamina molecularis (I): zellarm, faserreich Lamina granularis externa (II): dicht gepackte, kleine Pyramidenzellen und Nicht‐Pyramidenzellen Lamina pyramidalis externa (III): locker angeordnete, kleine bis mittelgrosse Pyramidenzellen und Nicht‐Pyramidenzellen Lamina granularis interna (IV): dicht gepackte, kleine modifizierte Pyramidenzellen Lamina pyramidalis interna (V): Pyramidenzellen aller Art, locker angeordnet, nur wenige Nicht‐Pyramidenzellen Lamina multiformis (VI): diverse modifizierte Pyramidenzellen und auch Nicht‐Pyramidenzellen  Beachte,  dass  die  Zellbezeichnungen  sich  auf  die  histoligische  Färbung  der  Perikaryen  nach  Nissl  richtet.  Die  grösseren Pyramidenzellen  werden  als  solche  bezeichnet.  "Körnerzellen"  ist  allerdings  ein  Sammelbegriff  für  alle  Zellen  mit  kleinen Perikaryen, egal ob sie der Klasse der Pyramidenzellen angehören oder nicht.  

          Übersichtsaufnhame des Isocortex       Detailaufnahme mit erkennbarer Schichtung 

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             Übergang V1 / V2             Übergang: Detailaufnahme                      Area striata (V17): Schicht 4b zellarm (heller)   100: Gehirn             Mensch       Luxol‐Fastblue  Auf diesem Schnitt  sind keine weitere Strukturen  sichtbar, welche nicht bereits  in vorherigen Schnitten besprochen wurden. Er eignet sich vor allem um die Schichten des Isocortex noch einmal zu wiederholen.  

         102: Plexus choroideus, IV. Ventrikel       Mensch       HE  Die Plexus chroidei sind zarte, zottenreiche Gebilde, die  in alle Ventrikel hineinhängen und den Liquor cerebrospinalis bilden. Sie können als in die Ventrikel gerichtete Ausstülpungen der Pia mater angesehen werden.   Das piale Bindegewebe enthält  sehr viele gefensterte Kapillaren. Das Plexusepithel  ist ein  speziell differenziertes Ependym, das kubisch und einschichtig  ist und reichlich Mikrovilli und  tight  junctions ausbildet. Diese garantieren die Blut‐Liquor‐Schranke, die erforderlich ist, weil der Liquor mit dem zentralnervösen Extrazellulärraum kommuniziert.  Differentialdiagnose: Plazenta‐Zotten: Der Plexus choroideus weist typische Ablagerungen auf (Hirnsand).