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9.3.21 Seite 1 Doppelte Haushaltsführung auch bei größerer Entfernung 10/13 9.3.21 Doppelte Haushaltsführung auch bei größerer Entfernung der Zweitwohnung zum Beschäfti- gungsort möglich (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.10.2011 – Az.: 11 K 4448/10 E, bestätigt durch das BFH- Urteil vom 19.04.2012 – Az.: VI R 59/11) Nach dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf ist eine doppelte Haushaltsführung auch dann gege- ben, wenn eine größere Entfernung zwischen der Arbeitsstätte und der Zweitwohnung gegeben ist. In dem Urteilsfall handelte es sich um eine Entfernung von 141 km. Deshalb war in dem Urteilsfall strei- tig, ob die Zweitwohnung überhaupt am Beschäfti- gungsort liegt. Dies bejahte das Finanzgericht Düs- seldorf in seiner Entscheidung. In dem Urteilsfall unterhielten die Kläger, ein Ehe- paar, einen gemeinsamen Hausstand in S. Die Ehe- frau war als Angestellte in A tätig. Dort unterhielt sie eine Zweitwohnung, die sie als Eigentumswohnung erworben hatte. Nachdem der Arbeitgeber seinen Firmensitz von A nach B verlegt hatte, arbeitete sie in dem betreffenden Streitjahr ausschließlich in B. Die Entfernung zwischen B und der Zweitwohnung in A beträgt 141 km. Die Klägerin machte in ihrer Einkom- mensteuererklärung Aufwendungen für die Fahrten zwischen ihrer Zweitwohnung in A und ihrer Ar- beitsstätte in B in Höhe der Entfernungspauschale sowie die Aufwendungen für die Zweitwohnung in A im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung steuerlich geltend. Das Finanzamt berücksichtigte bei der Veranlagung lediglich die Fahrten zwischen der Wohnung in A und der Arbeitsstätte, nicht je-

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Doppelte Haushaltsführung auch bei größerer Entfernung

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39.3.21 Doppelte Haushaltsführung auch

bei größerer Entfernung der Zweitwohnung zum Beschäfti-gungsort möglich

(Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.10.2011 – Az.: 11 K 4448/10 E, bestätigt durch das BFH-Urteil vom 19.04.2012 – Az.: VI R 59/11)

Nach dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf ist eine doppelte Haushaltsführung auch dann gege-ben, wenn eine größere Entfernung zwischen der Arbeitsstätte und der Zweitwohnung gegeben ist. In dem Urteilsfall handelte es sich um eine Entfernung von 141 km. Deshalb war in dem Urteilsfall strei-tig, ob die Zweitwohnung überhaupt am Beschäfti-gungsort liegt. Dies bejahte das Finanzgericht Düs-seldorf in seiner Entscheidung.

In dem Urteilsfall unterhielten die Kläger, ein Ehe-paar, einen gemeinsamen Hausstand in S. Die Ehe-frau war als Angestellte in A tätig. Dort unterhielt sie eine Zweitwohnung, die sie als Eigentumswohnung erworben hatte. Nachdem der Arbeitgeber seinen Firmensitz von A nach B verlegt hatte, arbeitete sie in dem betreffenden Streitjahr ausschließlich in B. Die Entfernung zwischen B und der Zweitwohnung in A beträgt 141 km. Die Klägerin machte in ihrer Einkom-mensteuererklärung Aufwendungen für die Fahrten zwischen ihrer Zweitwohnung in A und ihrer Ar-beitsstätte in B in Höhe der Entfernungspauschale sowie die Aufwendungen für die Zweitwohnung in A im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung steuerlich geltend. Das Finanzamt berücksichtigte bei der Veranlagung lediglich die Fahrten zwischen der Wohnung in A und der Arbeitsstätte, nicht je-

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doch die geltend gemachten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung. Zur Begründung führte es aus, dass die Zweitwohnung nicht am Beschäf-tigungsort liege und damit keine steuerlich anzuer-kennende doppelte Haushaltsführung vorliege.

Das Finanzgericht Düsseldorf sah dies anders und vertrat in seinem Urteil die Auffassung, dass die Klägerin sehr wohl am „Beschäftigungsort“, wenn auch im weiteren Sinn, wohne und damit die Vor-aussetzungen für eine steuerlich anzuerkennenden doppelte Haushaltsführung vorliegen würden. Die Zweitwohnung liege zwar weder in der politischen Gemeinde der Arbeitsstätte noch in deren engerem Einzugsgebiet, davon könne bei zwei Großstädten, die ca. 100 Kilometer Luftlinie auseinander liegen, nicht mehr ausgegangen werden. Trotzdem sei un-ter „Einzugsgebiet“ der Arbeitsstätte der Bezirk zu verstehen, von dem aus ein Arbeitnehmer üblicher-weise täglich zu seiner Tätigkeitsstätte fahre. Daher müsse die Zweitwohnung lediglich in einem Radius liegen, in dem das tägliche Aufsuchen der Arbeits-stätte noch möglich ist. Dies sei in dem Streitfall mit einer Entfernung von 141 km noch gegeben. Des-halb sei eine doppelte Haushaltsführung steuerlich anzuerkennen.

Das Finanzgericht führte in seiner Urteilsbegrün-dung weiter aus, dass es in Zeiten steigender Mo-bilitätsanforderungen an Arbeitnehmer nicht nur auf die bloße Entfernung der Wohnung zur Arbeits-stätte ankomme, sondern auch zu berücksichtigen sei, ob die Arbeitsstätte von der Wohnung verkehrs-günstig zu erreichen sei, auch wenn die Entfernung größer ist. Dies sei in dem Urteilsfall durchaus gege-ben. Die Fahrt von A nach B mit dem ICE dauert ca.

„Einzugsgebiet“ der Arbeitsstätte

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3eine Stunde. Dieser Zeitaufwand liege nach Ansicht des Senats im Bereich des Üblichen. Damit befin-det sich nach Abwägung der Gesamtumstände des Streitfalles die Zweitwohnung der Klägerin noch im Einzugsbereich der regelmäßigen Arbeitsstätte. Es liegen damit die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung vor.

Beachte:

Das Finanzgericht sah in seiner Entscheidung auch keinen Widerspruch zu der BFH-Recht-sprechung vom 02.10.2008 (Az.: VI B 33/08). Darin habe der BFH es nicht beanstandet, dass das Finanzgericht in der Vorinstanz aus den Ge-samtumständen, insbesondere aus einer Entfer-nung von 62 km zwischen Zweitwohnung und Beschäftigungsort, gefolgert hatte, dass keine Zweitwohnung am Beschäftigungsort vorliege. Das Finanzgericht Düsseldorf sah hierin nur eine Bestätigung für den Umstand, dass die bloße Ent-fernung nur eine von mehreren Gesamtumstän-den sei, die Rückschlüsse darauf zulasse, ob der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort wohnt. In dem vorliegenden Urteilsfall sprächen jedenfalls die Gesamtumstände dafür, dass die Klägerin am Beschäftigungsort ihre Zweitwohnung innehabe.

Bestätigung durch den BFH liegt nun vor

(BFH-Urteil vom 19.04.2012, Az.: VI R 59/11)

Der BFH hat das vorgenannte Urteil des Finanzge-richts Düsseldorf mit seinem aktuellen Urteil vom 19.04.2012 (Az.: VI R 59/11) bestätigt. Auch er sah in dem Urteilsfall eine Wohnung am Beschäftigungsort als gegeben, da diese dem Arbeitnehmer, ungeach-

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tet von Gemeinde oder Landesgrenzen, ermögliche, seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen. Die Ent-scheidung darüber, ob diese Wohnung so gelegen ist, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täg-lich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, ob-liegt in erster Linie insbesondere der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht. Dies sah der BFH in seiner Urteilsbegründung als gegeben an. Auch er war der Meinung, dass das Finanzgericht Düsseldorf in der Vorentscheidung zu der folgerich-tigen Würdigung gekommen ist, dass ein Fahrtzeit-aufwand von einer Stunde für eine einfache Fahrt zur Arbeitsstätte angesichts steigender Mobilitätsan-forderungen nicht unüblich sei. Es komme nicht vor-rangig auf die bloße geografische Entfernung der Wohnung zur Arbeitsstätte an, sondern vielmehr auf die verkehrsgünstige Erreichbarkeit.

Praxistipp:

Mit dem Urteil hat der BFH nun bestätigt, dass eine Zweitwohnung nicht zwingend direkt am auswärti-gen Beschäftigungsort gelegen sein muss, um eine doppelte Haushaltsführung steuerlich anerkannt zu bekommen. Vielmehr kommt es auf die kon-kreten Umstände des Einzelfalls an. Entscheidend ist nicht nur die bloße Entfernung von der Zweit-wohnung zur Arbeitsstätte, sondern insbesondere auch die verkehrstechnische Erreichbarkeit. Da-mit ergeben sich in der Praxis vermehrt die Chan-cen, eine doppelte Haushaltsführung anerkannt zu bekommen, sofern die übrigen Voraussetzun-gen gegeben sind.

Zweitwohnung muss nicht direkt am auswärtigen

Beschäftigungsort liegen