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Zum BuchNoch im mer ver sucht der ehe ma li ge CIA-Agent Sam Ca pra ver zwei-felt, sei nen Sohn Da ni el zu fin den, der von ei ner welt weit agie ren den Ge heim or ga ni sa ti on na mens Novem So les ent führt wur de. Ge mein-sam mit der ge heim nis vol len Mila ver sucht er, die Draht zie her der Or ga ni sa ti on aus fin dig zu ma chen. Doch Novem Soles sind ih ren bei-den Ver fol gern im mer ei nen Schritt vor aus – und sie ha ben ihre ei ge-nen Plä ne mit Ca pra. Er soll in ih rem Auf trag ei nen jun gen Ha cker um brin gen, be vor die ser bri san te In for ma tio nen an die CIA weiter-geben kann. Die Spiel re geln sind ein fach: Wenn Ca pra schei tert, wird er Da ni el nicht le bend wied er se hen.

Die ra san te Fort set zung von Jeff Ab botts Ac tion-Thril ler To des lauf.

»Trotz des hals bre che ri schen Tem pos ist man im mer ganz nah bei sei-nen Fi gu ren. Groß ar tig!« Eric van Lust ba der

Zum Au torJeff Ab bott wur de 1963 in Dal las ge bo ren. Er stu dier te Eng lisch und Ge schich te und ar bei te te ei ni ge Jah re in der Wer bung, be vor er sich dem Schrei ben wid me te. Sei ne Ro ma ne wur den be reits mehr fach für die welt weit be deu tends ten Kri mi prei se no mi niert und aus ge zeich net, dar un ter drei mal für den Ed gar Award, zwei mal den Anth ony Award und ein mal den Bar ry Award. Jeff Ab bott lebt mit sei ner Frau und zwei Kin dern in Au stin, Te xas.www.jeff ab bott.com

Lie fer ba re Ti telRun! – Es geht um dein Le benVer trau mir!To des lauf (Sam Ca pra 1)

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Jeff Abbot t

Die letzte Minute

Thriller

Aus dem Ame ri ka ni schen von Norbert Jakober

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Die Ori gi nal aus ga be The Last Mi nu te er schien 2012 bei Grand Cen tral Pu bli shing, New York

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Voll stän di ge deut sche Erst aus ga be 02/2013Co py right © 2012 by Jeff Ab bott

Co py right © 2013 der deutsch spra chi gen Aus ga beby Wil helm Hey ne Ver lag, Mün chen,

in der Ver lags grup pe Ran dom House GmbHPrin ted in Germ any 2013Re dak ti on: Mar cus Jen sen

Um schlag ge stal tung: yel low farm gmbh, S.Frei schem,un ter Ver wen dung ei nes Mo tivs von © plain pict ure/Arc an gel

Satz: Buch-Werk statt GmbH, Bad Aib lingDruck und Bin dung: GGP Me dia GmbH, Pöß neck

ISBN: 978-3-453-43703-6

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Man hat tan, Up per West Side

Ich klopf te an die grü ne Tür und wuss te, ich wür de in spä tes-tens fünf Mi nu ten ent we der tot sein oder die Wahr heit ken nen.

Der Mann öff ne te die Woh nungs tür, ge ra de als ich un ge dul-dig die Faust hob, um ein zwei tes Mal an zu klop fen. Er sah nicht wie ein Mann aus, der mit Men schen han del Geld ver dien te. Eher wie ein Buch hal ter. Er trug ei nen dunk len An zug, eine ge lo cker te, sil ber und pink ge streif te Kra wat te und eine recht-ecki ge Stahl rand bril le. Der Mann strahl te eine ge wis se Ner vo si-tät und Un ge duld aus. Sei ne Lip pen glänz ten fet tig von ei nem Thai-Fast-Food-Ge richt, und die Düf te der Mahl zeit – mög li-cher wei se sei ner letz ten – hin gen noch in der Luft.

Er schau te zu erst mich an, dann die zier li che Frau ne ben mir, und warf schließ lich ei nen Blick auf sei ne Uhr.

»Sie und Ihre Frau ha ben sich ver spä tet, Mr. Der watt«, sag te er. »Um eine Mi nu te.«

Er irr te sich in drei Punk ten. Ers tens hieß ich nicht Der watt. Zwei tens war ich mit Mila, der Frau an mei ner Sei te, nicht ver-hei ra tet. Drit tens wa ren wir ab so lut pünkt lich; ich hat te so gar ge war tet, bis der Mi nu ten zei ger ge nau auf zwölf Uhr stand, be-vor ich klopf te. Aber ich zuck te groß mü tig die Ach seln, und er öff ne te die Tür und ließ Mila und mich ein tre ten. Er mus ter-te sie miss trau isch, nur für eine Se kun de, doch es ent ging mir nicht. Mi las Blick sprang zu den bei den stier na cki gen Schlä-

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ger ty pen, die beim Ess tisch stan den. Dann schlug sie – schein-bar ein ge schüch tert – die Au gen nie der.

Gut ge schau spie lert. Mila könn te al lein mit ih rem Blick ei-nen aus ge wach se nen wei ßen Hai in Schach hal ten.

Ich streck te dem Buch hal ter die Hand ent ge gen. »Frank Der watt. Mei ne Frau Li lia.«

»Mr. Bell.« Er schüt tel te mir nicht die Hand, ich ließ sie sin-ken und lach te, wie um die Pein lich keit zu über spie len. Ich trug eine Jeans, ein pink far be nes Po lo hemd und dar über ei-nen ma ri ne far be nen Bla zer. Mila hat te ei nen schreck li chen ge-blüm ten Rock auf ge trie ben, der wahr schein lich ih rer bi zar-ren Vor stel lung von ei ner durch schnitt li chen ame ri ka ni schen Haus frau aus ei nem gut bür ger li chen Vor ort ent sprach. Dazu trug sie eine pink far be ne Hand ta sche. Man hät te an neh men kön nen, dass wir mehr an ei ner Mit glied schaft im Coun try Club in ter es siert wa ren als an ei ner il le ga len Ad op ti on.

»Ich dach te, wir wür den uns hier al lein treff en«, sag te ich. Mila blieb dicht an mei ner Sei te, gab sich ver ängs tigt.

Der Buch hal ter wisch te sich mit ei ner Ser vi et te die Thai-Sau ce von den Lip pen. Ich hät te ihn am liebs ten an der Keh le ge packt, ge gen die Wand ge wor fen und ge zwun gen, mir zu sa-gen, wo mein Sohn ist. Doch dann hät ten sie mei nen Jun gen wahr schein lich um ge bracht, also ver hielt ich mich wei ter wie der ner vö se Möch te gern-Dad, den ich spiel te.

»Dre hen Sie sich zur Wand«, for der te mich ei ner der Schlä-ger ty pen auf. Er trug sein ro tes Haar in ei nem Bürs ten schnitt, sein Ge sicht war vol ler Som mer spros sen. »Bei de.«

Wir ta ten, was er ver lang te. Ich stell te die klei ne Ak ten ta sche ab, die ich bei mir hat te.

Ich wag te kei nen Ein wand, schließ lich sa hen sie in mir ei nen auf ge reg ten recht schaff e nen Bür ger, wie ich es frü her viel leicht tat säch lich ein mal war. Ich war ohne Funk ge rät und ohne Waf-

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fe ge kom men, nur mit mei ner Wut, die ich tief in mir trug. Der Rot schopf filz te mich gründ lich. Auch Mila.

»Frank«, sag te sie ängst lich, wäh rend der Typ sie durch such-te. Sie spiel te ihre Rol le wirk lich über zeu gend.

»Kei ne Sor ge, Lieb ling, das dau ert nicht lang«, be ru hig te ich sie. »Und dann be kom men wir un ser Baby.«

Mila stieß ei nen lei sen Seuf zer aus, eine Frau, die sich von die sem Ge schäft das Glück ih res Le bens er hoff te.

»Mr. und Mrs. Der watt sind sau ber, Mr. Bell«, ver kün de te der Rot haa ri ge und trat zum Tisch zu rück. Ich drück te kurz Mi las Hand.

»Set zen Sie sich, Mr. Der watt«, for der te mich der Buch hal-ter auf. »Ent schul di gen Sie die Un ord nung. Wir ha ben schon ge ges sen. Ich treff e mich ge wöhn lich nicht abends mit mei nen Kun den.«

Ich wuss te, dass er um diese Zeit nor ma ler wei se im Pend-ler zug zu sei ner Fa mi lie nach New Jer sey fuhr. Ich hat te mich über ihn in for miert: Er hat te eine Frau, zwei Söh ne, ein hüb-sches klei nes Haus, auf das er eine Hy po thek auf ge nom men hat te, ein viel ver spre chen des Le ben.

All die Din ge, die ich auch ein mal be ses sen und dann ver-lo ren hat te.

Der Buch hal ter und sei ne Schlä ger be trach te ten mich ein ge-hend. Soll ten sie nur, dach te ich. Ich war gut vor be rei tet.

Ei ner der Män ner öff ne te die Ak ten ta sche. Er schüt te te die Geld bün del auf den Tisch und be gann sie zu sor tie ren.

»Mei ne Frau und ich«, log ich, »wir ha ben drei Jah re ver-sucht, ein Kind zu be kom men, aber es hat nicht ge klappt. Es hät te fast un se re Ehe zer stört. Ich will mei ner Frau un be dingt ein ge sun des, glück li ches Baby schen ken.«

»Sie könn ten ganz le gal eins ad op tie ren.«»Ja. Aber … ähm … es wär mir nicht recht, wenn die Be hör-

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den mei ne Ge schäf te durch leuch ten. Wir wol len ein fach nur ein Kind.«

Mila drück te sich an mich. »Sie ha ben doch über prüft, wer wir sind und wo her wir kom men, nicht? Wir möch ten jetzt gern un ser Kind aus su chen.«

»So ein fach ist das nicht, Mrs. Der watt.«»Ich hab die An zah lung hier. Wir su chen uns ein Kind aus

und ho len ihn oder sie ab.«Er sah mich blin zelnd an.»So war’s ab ge macht«, füg te ich hin zu.»Das Geld stimmt, Mr. Bell.« Der Rot haa ri ge hat te es mit

der ra schen Prä zi si on ei nes Man nes ge zählt, der es ge wohnt war, Geld bün del un ter die Lupe zu neh men. »Zwan zig tau send Dol lar.«

»Es gibt da ein paar Un ge reimt hei ten in Ih rer Ge schich te«, mein te Mr. Bell.

»Un ge reimt hei ten. Das Wort ken ne ich nicht«, er wi der te Mila mit be tont ost eu ro päi schem Ak zent.

»Äh, Fra gen, Mrs. Der watt.«Ich hielt den Atem an. Wir wa ren ex trem sorg fäl tig bei der

Vor be rei tung der fal schen Iden ti tä ten ge we sen. Mila hat te sie aus ge ar bei tet, wäh rend wir gleich zei tig dem ein zi gen Hin weis nach gin gen, den wir über den Ver bleib mei nes Soh nes hat ten: ein Foto von ei ner Frau, die kurz nach der Ge burt mei nes Jun-gen eine Pri vat kli nik in Straß burg ver ließ. An geb lich hat te sie mei nen Sohn ver kauft. Wir wuss ten im mer noch nicht, wer die Frau war, doch dank Mi las um fas sen der Res sour cen be sa-ßen wir zu min dest ein Foto von ei ner Über wa chungs ka me ra. Es zeig te sie zu sam men mit die sem Mann hier bei der An kunft am New Yor ker Flug ha fen eine Wo che nach der Ge burt mei-nes Soh nes. Mr. Bells Ge sicht fand sich in ei ner Ver bre cher da-ten bank des Bun des staats New York, seit er vor sechs Jah ren

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we gen Ver un treu ung ver ur teilt und nach ei ner kur zen Ge fäng-nis stra fe be dingt ent las sen wor den war. Wir re cher chier ten, wo er leb te und ar bei te te und wer sei ne Kom pli zen wa ren. Müh-sa me Nach for schun gen, die sich je doch be zahlt mach ten. Wir nah men Kon takt auf, in dem wir uns als Ehe paar mit Kin der-wunsch aus ga ben, und er reich ten so die ses Treff en, um uns ei-nen Sohn oder eine Toch ter aus zu su chen.

Und jetzt das.»Wir ha ben viel zu we nig über Mrs. Der mott ge fun den, be-

vor sie aus Ru mä ni en her kam.«Mila stamm te aus Molda wien, doch die Spra chen sind iden-

tisch. Sie wand te sich mir zu und sag te auf Ru mä nisch: »Wir wer den sie tö ten müs sen.«

Ich zwang mich zu ei nem Lä cheln. »Sie ver steht nicht ge nau, was Sie mei nen«, er klär te ich Mr. Bell auf Eng lisch.

»Sie sag ten, Sie hät ten Mrs. Der watt über eine In ter net-Part-ner bör se ken nen ge lernt, bei der Kon tak te zu Frau en aus Ost-eu ro pa ver mit telt wer den.«

»Ja. Ist das wich tig? Wir ha ben das Geld mit ge bracht. Wir wol len ein Kind.«

»Sie stammt aus Ru mä ni en. War um ha ben Sie nicht dort ei nes ad op tiert?«, frag te Mr. Bell. »Sie könn ten nach Ost eu ro pa flie gen und ein Kind kau fen, so wie sie sich eine Frau ge kauft ha ben.« Die Be mer kung war von ei nem spöt ti schen Lä cheln be glei tet.

Wir hat ten ir gend wo eine Lü cke in un se rer Ge schich te. Oder er woll te uns tes ten. Ich mach te ein em pör tes Ge sicht. »Es ist uns egal, wo her das Kind kommt. Ich hab Ih nen doch er klärt, dass wir nicht den nor ma len Weg ge hen kön nen.«

»Das Pro blem ha ben vie le un se rer Kun den, Mr. Der watt. Des halb wer den Sie si cher ver ste hen, war um wir so vor sich tig sind. Un se re po tenzi el len El tern sind manch mal … ge fähr li-che Leu te.«

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»Mein Ge schäft ist mein Ge schäft. Ich habe Ih nen über mich ge sagt, was Sie wis sen müs sen. Mehr kann ich aus Si cher-heits grün den nicht preis ge ben.«

»Ich brau che ge nau so Si cher heit.«»Lieb ling, pa cken wir un ser Geld ein«, sag te ich zu Mila.

»Wir ge hen.« Ich spiel te wei ter den Ent rüs te ten.»Las sen Sie das Geld lie gen, Mrs. Der watt«, sag te Bell.»Wir hat ten eine Ab ma chung.« Ich zeig te auf den Lap top

auf dem Tisch. »Wir leis ten eine An zah lung, su chen uns ein Baby aus dem An ge bot aus, be kom men das Kind und zah len den Rest.«

»Und wir kön nen je der zeit Nein sa gen, wenn wir bei je man-dem ein schlech tes Ge fühl ha ben.«

»Wo ist Pro blem?«, warf Mila ein. »Viel leicht Sie ha ben Miss-ver ständ nis, und kann man leicht klä ren.« Sie ver such te es mit ei nem strah len den Lä cheln.

»Sie be haup ten, Sie sei en Li lia Ro zan aus Bu ka rest und vor drei Jah ren ein ge wan dert.«

»Das be haup te ich nicht nur, das ist so.«»Diese Li lia Ro zan ar bei tet in ei ner Krebs sta ti on in New

Jer sey.«Ein Feh ler. Wir hat ten eine un ge eig ne te Iden ti tät ge wählt.

Mr. Bell nahm eine be tont auf rech te Hal tung ein. Er war zwar ner vös, doch er hat te sei ne Schlä ger bei sich. »Also, Mr. Der watt, wir wol len wis sen, wer Sie und die rei zen de Lady sind.«

»Wir wer den von der Po li zei ge sucht«, ant wor te te ich. »Wir muss ten lü gen.«

Mr. Bell lä chel te. »Et was ge nau er, bit te.« Sei ne Män ner fürs Gro be stan den links und rechts von ihm. Sie hiel ten es nicht für nö tig, ihre Pis to len zu zie hen. Schließ lich wa ren wir un be-waff net.

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»Hö ren Sie«, ver such te ich es noch ein mal, »wir ha ben das Geld. Al les an de re kann Ih nen doch egal sein. Bit te.«

Der Kahl köp fi ge trat hin ter Mila. Sie um fass te mit ei ner Hand ihre Arm band uhr.

»Wir wol len wis sen, wer Sie sind. Ent we der Sie sa gen es uns, oder er tut Ih rer Frau weh.«

Mila dreh te sich um, die Hän de wie zum Ge bet ge fal tet. »Nein, bit te tun Sie mir nichts. Wir wol len nur ein Baby. Bit te. Mehr wol len wir nicht.«

Er drück te sie ge gen die Wand. Sie hielt sich auf recht, hat te aber Trä nen in den Au gen. »Oh, bit te.«

Ich stand schwei gend da und rühr te mich nicht. Der Kahl-köp fi ge sah mich an ge wi dert an, weil ich es zu ließ, dass er mei-ne Frau miss han del te. In die sem Au gen blick zog Mila die Uhr vom Arm band. Die Ver bin dung zum Band be stand aus ei nem dün nen Stahl draht. Sie sprang dem Mann auf den Rü cken und schlang ihm den Draht um den Hals. Die Uhr und das Arm-band dien ten ihr als Griff e, so dass sie sich nicht in die Fin ger schnitt. Er schrie auf, doch ei nen Au gen blick spä ter war nur noch ein ver zwei fel tes Gur geln zu hö ren.

Ich häm mer te Mr. Bell die Faust ge gen die Brust, und er stürz te nach hin ten und lan de te auf mei nem Geld. Der Rot-haa ri ge zog die Pis to le, war aber ei nen ent schei den den Mo-ment lang un schlüs sig, ob er mich er schie ßen oder zu erst sei nen Kum pel ret ten soll te, des sen Ge sicht be reits blau an-lief. Als er die schall ge dämpf te Be retta 92FS auf mich rich te-te – sein Selbst er hal tungs trieb hat te sich wohl durch ge setzt –, stürz te ich mich be reits auf ihn. Ich stieß die Waff e nach un ten, als er ab drück te, und er schoss sich selbst in den Fuß. Er heul-te auf, und ich ramm te ihm die Faust in die Ma gen gru be und ge gen die Keh le. Er tau mel te, und wir kämpf ten um die Pis to-le. Ich schaff te es, die Waff e in sei ne Rich tung zu dre hen. Sei-

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ne Au gen wei te ten sich, als ihm klar wur de, dass der Lauf fast schon un ter sei nem Kinn war. Im nächs ten Au gen blick press-te ich sei ne Hand zu sam men, und sein ei ge ner Fin ger drück-te den Ab zug. Ein über rasch ter Aus druck er schien auf sei nem Ge sicht, ehe die Ku gel sei nen Kopf zer fetz te.

Ich ent riss ihm die Pis to le, wir bel te her um und rich te te sie auf Mi las Geg ner. Doch der Kerl war be reits er le digt. Mila ist klein und leicht ge baut, aber wenn sich fünf zig Kilo an ein Draht seil hän gen, ist das mehr, als der mensch li che Hals aus-hält. Der Kahl köp fi ge lag tot am Bo den, und sie wand te sich dem keu chen den Mr. Bell zu.

»Al les okay?«, frag te ich. Sie nick te.»Sie ha ben sie um ge bracht«, stöhn te Mr. Bell. Die Leu te sa-

gen oft über flüs si ge Din ge, wenn sie be nom men sind.»Sie han deln mit Men schen«, er wi der te ich. »Sie sind schlim-

mer, als ich je sein könn te.«»Wer sind Sie?«Ich gab kei ne Ant wort. Ich bin nur ein Mann, der sein ge-

stoh le nes Kind zu rück ha ben will. Mei nen Sohn, den ich nie ge se hen habe, au ßer auf ei nem Vi deo, auf dem ihn eine Frau im Arm trägt, die Men schen ver kauft. Mein Sohn. Ich war so nah dran, ihn zu fin den. Un zäh li ge Male hat te ich mei ne Hand auf den pral len Bauch mei ner Frau ge legt und ge spürt, wie er sich dar un ter reg te. Doch da war er erst ein wer den des Baby und nicht Da ni el, die ser ein zig ar ti ge Mensch, den ich noch nie ge se hen oder im Arm ge hal ten hat te.

Ich komm zu dir, hauch te ich wie ein Ge bet vor mich hin.Mr. Bell schluck te, sein Mund zit ter te, als sein Blick auf die

To ten fiel. »Okay, Sie kön nen ein Baby ha ben. Wel ches Sie wol len.«

»Ich will eins, das am 10. Ja nu ar in der Pri vat kli nik Les Sain tes in Straß burg ge bo ren wur de. Laut Ge burts ur kun de

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heißt er Ju lien Da ni el Bes son, doch sein rich ti ger Name ist Da-ni el Ca pra. Diese Frau hat ihn aus der Kli nik ent führt. Wir wis-sen nur, dass sie mit ei nem bel gi schen Pass reist, der auf den Na men Anna Tre maine lau tet. Ich hab mich ein biss chen um-ge hört und er fah ren, dass Sie mit Anna Tre maine zu sam men-ar bei ten.«

Er nick te kurz. In sei ner Angst schiel te er im mer wie der zu den to ten Schlä gern hin über.

»Wo ist mein Sohn?«, frag te ich sehr lei se.»Da mit hat te ich nichts zu tun. Anna weiß es be stimmt. Oh

Gott, bit te tun Sie mir nichts.«»Lü gen Sie uns nicht an.« Mila hob den blu ti gen Stahl draht.»Nein, ich lüge nicht!«Ich ging ne ben ihm in die Ho cke und drück te den noch

war men Schall dämp fer ge gen sei ne mo disch un ra sier te Wan ge. »Weiß Anna, dass Sie Be den ken we gen mir hat ten?«

»Äh, nein. Wir ma chen das am An fang bei al len so. Wir sa-gen, sie wä ren nicht ge eig net oder ir gend wie ver däch tig. Un se-re Kun den sind meis tens so ver zwei felt, dass sie al les tun, um ein Kind zu be kom men. Nor ma ler wei se brin gen wir sie dazu, uns wert vol le De tails zu ver ra ten, In si der in for ma tio nen über eine Fir ma, oder sie leis ten uns nütz li che Diens te.«

Also auch noch Er pres sung. Als ob il le ga le Ad op ti on nicht schon ge nug wäre. Wirk lich sym pa thi sche Leu te.

»Okay, Sie treff en sich mit uns, und wir be ste hen den Check. Was dann?«

»Ich rufe Anna an. Wir ver ein ba ren ein Treff en. Sie zah len den Rest be trag, dann macht Anna ei nen An ruf, und Sie be-kom men das Kind.«

»Wur de mein Sohn be reits ver kauft?«»Ich sag Ih nen doch, ich weiß es nicht. Bit te. Bit te!«»Pass auf ihn auf«, sag te ich zu Mila. Ich öff ne te den Lap-

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top. Der Bild schirm zeig te ei nen Ka ta log im PDF-For mat. Bil-der von Ba bys. Ur sprungs land, Be schrei bung der El tern, falls be kannt – aber kei ne Na men. Der Früh lings ka ta log um fass-te mehr als zwei Dut zend Kin der. Hüb sche Kin der, zum Ver-kauf an ge bo ten. Ich ging die Da tei rasch durch. Es wa ren kei-ne Kin der da bei, die in Frank reich zur Welt ge kom men wa ren, und ich nahm nicht an, dass sie in die sem Ka ta log fal sche Da-ten ein ge tra gen hat ten.

»Sie ru fen jetzt Anna Tre maine an und ver ein ba ren ein Treff en.«

Mr. Bells Lip pe zit ter te.»Wo ist sie jetzt?«»Ihre Te le fon num mer hat die Vor wahl von Las Ve gas. Aber

sie trifft sich oft wo an ders mit den Leu ten.« »Las Ve gas ist okay.« Ich be schloss, Anna Tre maine ent ge-

gen zu kom men. »Sa gen Sie ihr, Mr. und Mrs. Der watt ha ben den Check be stan den und rei sen mor gen Abend nach Ve gas, um das Kind ab zu ho len und den Rest zu be zah len.«

»Dann müs sen Sie eins aus su chen.«»Was?«»Ein Kind. Sie müs sen ein Kind aus su chen.«»Die ses.« Ich zeig te auf das Foto des Ba bys, das ge ra de auf

dem Bild schirm zu se hen war.»Okay.« Sei ne At mung be ru hig te sich. »Ich tu’s, aber bit te

brin gen Sie mich nicht um.«»Ruf sie an. Jetzt gleich. Und wenn du ein Wort sagst, das

mir nicht ge fällt, bist du tot.« Ich leg te ihm Mi las Draht um den Hals und zog die Schlin ge fest ge nug zu, dass er sie durch das Hemd am Hals spür te. Ich nann te ihm eine Adres se in Las Ve gas als Vor schlag für das Treff en. Er nick te.

Er wähl te die Num mer und war te te. Ich beug te mich zu ihm, um mit hö ren zu kön nen.

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»Ja?«»Anna. Bell hier. Das Ehe paar heu te, die Der watts, sie sind

okay. Sie ha ben sich ein Kind aus ge sucht.«»Wel ches?«»Num mer vier zehn.«Ich hör te das lei se Krat zen ei nes Ku gel schrei bers. »In Ord-

nung.«»Sie wol len sich aber nicht in New York treff en. Ich glau be,

sie wä ren be reit, nach Las Ve gas zu kom men.«Eine kur ze Pau se. »In Ord nung.«»Ken nen Sie die Can yon Bar, nicht weit vom Strip?«»Na wun der bar«, sag te sie. »Die El tern sind wohl Hip ster.«»Die bei den ha ben das Lo kal für das Treff en vor ge schla gen.

Mor gen Abend um neun.«Ich rech ne te da mit, dass sie viel leicht ei nen ei ge nen Vor-

schlag ma chen wür de. An de rer seits konn te je der öff ent li che Ort über wacht wer den. Un ser Lo kal war also so gut wie je der an de re mög li che Treff punkt. »Das ist okay«, sag te sie schließ-lich.

»Gut, dann sag ich ih nen das.«»Dan ke.«»Gern ge sche hen.« Das Ge spräch klang an ge spannt, doch

er hat te nichts ge sagt, das ich für ein ver steck tes Si gnal hielt.»Ih rer Frau und den Jungs geht’s gut?«»Ja, Anna, dan ke.« Er schluck te un ter dem Draht. »Brent

fängt die ses Wo chen en de mit Flag Foot ball an. Ja red ist in der Schwimm mann schaft.«

»Schön. Also, dann treff ich mich mor gen mit den Der watts. Wie er kenn ich sie?«

»Sie ist eher zier lich, dun kel haa rig. Er ist knapp über eins acht zig, schlank, dun kel blon des Haar, grü ne Au gen. Se hen nett aus.«

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»Sa gen Sie ih nen, sie sol len sich an ei nen Tisch weit hin ten set zen. Sie sol len für mich ei nen Mar ti ni mit drei Oli ven be-stel len und ei nen Platz für mich frei hal ten. Wenn mir ir gend-was in der Bar nicht ge fällt, las se ich das Treff en plat zen, und es gibt kein Baby.«

»Ich sag’s ih nen.«»Also gut«, sag te Anna. »Dann bis bald.«Er be en de te das Ge spräch und ließ das Handy fal len. Zit-

ternd er war te te er off en bar, dass ich ihn um brin gen wür de.Mila ging in die Knie und schau te ihm in die Au gen. »Du

wirst nicht ster ben. Du wirst re den. Du sagst mir jetzt al les, was du über Novem So les weißt.«

»Über wen?«»Novem So les, auch Neun Son nen ge nannt.«»Was? Ich hab kei ne Ah nung, was Sie mei nen.«»Ich mei ne den Ver bre cher ring, für den Anna ar bei tet.«»Ich ken ne nur Anna. Und ich glau be nicht, dass sie für ir-

gend je man den ar bei tet.«Ich zog sei ne Hemds är mel hoch. Er trug nicht die ty pi sche

Tä to wie rung: eine Neun, de ren obe rer Teil als leuch ten de Son-ne ge stal tet war. Das Kenn zei chen von Novem So les, das ich in den Nie der lan den an vie len Ar men ge se hen hat te. Ich check-te die Arme der bei den Schlä ger. Ei ner war tä to wiert, doch es war nur das chi ne si sche Sym bol für Glück. Hat te nicht funk-tio niert.

»Sie ar bei tet für eine ex trem ge fähr li che Or ga ni sa ti on«, sag te ich. »Vor ei nem Mo nat hat ten sie ein At ten tat auf fünf zig Leu te ge plant. Wer ih nen in die Que re kommt, der stirbt.«

Mr. Bells Lip pe zit ter te. Er ver such te ver geb lich, tap fer zu blei ben.

»Siehst du die zwei da?« Mila zeig te auf die To ten.Er nick te.

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»So lan ge du uns kei nen Är ger machst, musst du nicht so en den. Wir wer den dich in ein Zim mer sper ren, dort war test du, bis wir Anna ge troff en ha ben, und er zählst mei nen Leu ten al les, was du über Anna Tre maine und ihre Ma chen schaf ten weißt«, sag te Mila. »Al les. Wenn du das ge tan hast, darfst du zu dei ner Fa mi lie zu rück und lässt in Zu kunft die Fin ger von il le ga len Ge schäf ten.«

Er nick te.»Ruf dei ne Frau an. Sag ihr, du musst für ein paar Tage auf

Ge schäfts rei se. Dann rufst du im Büro an.«Er nick te eif rig an ge sichts der Per spek ti ve, am Le ben zu

blei ben.Nach dem er die An ru fe er le digt hat te, gab er ihr das Te le-

fon zu rück. Sie nahm die Hand schel len, die ei ner der To ten bei sich ge tra gen hat te, und fes sel te Bell. Er zit ter te fast vor Er leich te rung. Wenn sie ihm Hand schel len an leg te, wür de sie ihn nicht um brin gen.

Ich hat te die In for ma ti on, die ich brauch te, end lich. Ich wür de mei nen Sohn fin den.

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Ba ha mas

Es war ein Bruch der Re geln, der mit dem Tod be straft wer den konn te. Es war sein Pro jekt, des halb trug er für das Schei tern die Ver ant wor tung. Sei ne ein zi ge Hoff nung wa ren die vie len Ge heim nis se, die er kann te und von de nen die Or ga ni sa ti on pro fi tier te. Er strich sich über den dün nen Strei fen blon den Haa res, der in ei nem kur zen Iro ke sen schnitt über die Mit te des Schä dels ver lief, und rück te das Ja ckett sei nes Arm ani-An zugs zu recht. Er stand auf der Ve ran da sei nes Hau ses und war te te in der abend li chen Dun kel heit auf die An kunft der acht an de ren.

Der Re gen trom mel te auf den Strand her ab, der Wind peitsch-te die Wel len. Das Don ner grol len kam im mer nä her, und die Welt sah aus wie mit grau er Far be über malt. Ein Schild auf der Stra ße ent lang des Stran des zeig te an, dass sie we gen Re pa ra tur-ar bei ten ge sperrt sei. Im Lau fe der nächs ten zwei Stun den roll-ten acht Au tos über den re gen nas sen As phalt, ohne sich von dem vom Wind ver dreh ten Schild auf hal ten zu las sen. Je der der acht Lin coln Na vi ga tors mit den ge tön ten Schei ben war bei ei ner lo-ka len Fir ma ge mie tet wor den, die sich dar auf spe zia li siert hat-te, Film schau spie ler und Rock stars um die In sel zu kut schie ren.

In die sem Fall wa ren die Pas sa gie re kei ne Be rühmt hei ten, ja sie leg ten größ ten Wert auf ihre An ony mi tät.

Das Haus stand in ei ner pri va ten Bucht. Die Fah rer hal fen ih ren Pas sa gie ren ins Haus. Sie hat ten nur leich tes Ge päck bei

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sich, je der nur eine Ta sche. Die Fah rer – alle ehe ma li ge Sol da-ten, die nun als Si cher heits kräf te tä tig wa ren und die aus ver-schie de nen eng lisch spra chi gen Län dern stamm ten – nah men an schlie ßend ihre Pos ten rund um das Haus ein, um zu ver hin-dern, dass sich ir gend je mand per Boot, Auto oder Hub schrau-ber nä her te. Kurz nach dem der letz te Gast ein ge troff en war, ris sen die Wol ken auf, als wür de der Vor hang auf ei ner Büh ne hoch ge hen, und die ers ten Ster ne ka men zum Vor schein.

Im Haus duf te te es nach ita lie ni scher Kü che: eine an re gen de Mi schung aus Ore ga no, Knob lauch, kö cheln dem Rind fleisch und Rot wein. Der Gast ge ber die ser Zu sam men kunft von No-vem So les hat te ei nen Teil sei ner wech sel vol len Kind heit in Rom ver bracht. Er lieb te gu tes Es sen, und von sei nem Kin der-mäd chen hat te er ko chen ge lernt. Heu te gab es zum Abend-es sen Sa lat, ge grill ten Fisch, tos ka ni schen Ta fel spitz, herz haf te Pas ta und erst klas si ge Wei ne aus dem Pie mont.

Die neun Män ner und Frau en aßen und tran ken ih ren Wein und plau der ten über die Er eig nis se auf der Welt: eine Fi-nanz kri se in Süd ame ri ka, die Ge walt zwi schen Mu sli men und Chris ten in Ni ge ria, den jüngs ten Skan dal im ame ri ka ni schen Kon gress und über die Mög lich kei ten, die sich da durch bo ten.

Der Mann mit dem blon den Iro ke sen schnitt nahm dan-kend die Kom pli men te für das Es sen ent ge gen; er lä chel te und er mu tig te die stil le ren Mit glie der, sich an den Ge sprä chen zu be tei li gen – wo bei nie mand der Grup pe schüch tern war, ihre Stil le glich eher der lau ern der Ko bras. Gern hät te er sei ne Gäs-te auch mit Pro sti tu ier ten ver wöhnt, doch man hat te ihn ein-dring lich ge warnt, dass an ge sichts der jüngs ten Er eig nis se jetzt nicht der Mo ment für Aus schwei fun gen sei. Er ver miss te den Sex. Ihm blieb nur noch die Rol le des Zu schau ers: ein schwa-cher Er satz, aber im mer hin.

Hier in die sen Räu men spra chen sie ein an der nicht mit dem

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Na men an. Was zähl te, wa ren al lein ihre Ver ant wor tungs be rei-che: die Bank erin, der Ge ne ral, der Di plo mat, der Ku rier. Ti-tel, die je weils auf ei nen Nach fol ger über tra gen wur den, ob-wohl auch noch ei ni ge der ur sprüng li chen Mit glie der ak tiv wa ren. Der blon de Iro ke se war der Be ob ach ter. Er hat te viel da für ge tan, diese Rol le zu er lan gen, und er hat te nicht vor, sie sich so ein fach weg neh men zu las sen.

Der Be ob ach ter war te te dar auf, dass die Bank erin und der Ge ne ral, wie üb lich, zu zan ken be gan nen, doch dazu kam es dies mal nicht. Am Tisch wur de nicht nur Eng lisch ge spro-chen, son dern auch Rus sisch und Ara bisch. Diese Zu sam men-künf te bo ten den Be tei lig ten im mer eine gute Ge le gen heit, ihre Sprach kennt nis se an zu wen den. Die Sit zung selbst wur-de je doch stets in Eng lisch ab ge hal ten, der Lin gua franca der Grup pe.

Nach dem Abend es sen ver sam mel ten sich die An we sen den im gro ßen Ar beits zim mer. Der Be ob ach ter stand am Kopf en de des lan gen Ti sches. Er at me te tief durch, um sich zu be ru hi gen, was er hin ter ei nem ein la den den Lä cheln ver barg. Er war der Jüngs te in der Grup pe. Kei ne Angst, Jun ge, sag te er sich. Lass dich nicht un ter krie gen.

»Ich fin de, man soll te im mer mit den schlech ten Nach rich-ten be gin nen«, sag te der Be ob ach ter. »Wie ihr wisst, ist un ser ge plan tes Mas sen at ten tat in den Ver ei nig ten Staa ten ge schei-tert.«

Schwei gen un ter den neun Mit glie dern. Das Wohl wol len, das sie dank sei nes vor züg li chen Es sens und des erst klas si gen Weins an den Tag ge legt hat ten, schmolz da hin wie Eis auf som mer lich hei ßem Be ton.

»Der Schmugg ler ring, den wir be nutz ten, um neu ar ti ge Waf-fen in die Ver ei nig ten Staa ten zu be för dern, wur de zer schla gen. Ein ehe ma li ger CIA-Agent na mens Sam Ca pra hat den Ring

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in fil triert. Er hät te ei gent lich bei un se rem Bom ben an schlag auf ein ge hei mes CIA-Büro in Lon don ums Le ben kom men sol-len. Sein Büro ge hör te zur Spe cial-Pro jects-Ab tei lung der CIA, die jene Auf ga ben er le digt, über die nicht ein mal die CIA spre-chen darf.« Der Name »Spe cial Pro jects« brach te leich te Un-ru he in die Grup pe: Bli cke wur den ge wech selt, Au gen brau en ho ben sich, der eine oder an de re nahm ei nen Schluck Was ser. »Heu te be schäf tigt sich die Ab tei lung mit al len nicht-ter ro ris ti-schen kri mi nel len Ak ti vi tä ten, die die na tio na le Si cher heit der USA be dro hen.«

Er mach te eine Pau se. Sie sa hen ihn an und war te ten. Er drück te eine Tas te auf sei nem Lap top, und ein Foto von Sam Ca pra er schien auf dem Bild schirm. Dun kel blon des Haar, grü-ne Au gen, das schma le Ge sicht ei nes Läu fers, Mit te zwan zig, jun gen haft. »Ca pra über leb te nur, weil er das Büro ver ließ, be-vor die Bom be ge zün det wur de. Für die CIA galt er da nach als Ver rä ter, auch we gen der fi nan zi el len Un re gel mä ßig kei ten, die man sei ner Frau nach wies, aber auch weil sie ihn kurz vor der Ex plo si on an ge ru fen und auf ge for dert hat te, das Haus zu ver las sen. Ca pra ent kam den Fän gen der CIA und be gab sich auf die Su che nach sei ner Frau, er in fil trier te un se re Grup pe in Ams ter dam und ver ei tel te die At ten tats plä ne.«

Die acht Zu hö rer war te ten, wäh rend der Be ob ach ter lang-sam ei nen Schluck Was ser trank. Er stu dier te ihre Ge sich ter. Die meis ten wä ren kei ner Be hör de, kei nem Po li zis ten, kei-nem Jour na lis ten und kei nem Ge heim dienst auf ge fal len. Sie wirk ten ab so lut durch schnitt lich. So durch schnitt lich, dass es schon be ängs ti gend war. So wie ir gend je mand, der in der U-Bahn ne ben ei nem saß, der an der Su per markt kas se hin ter ei-nem stand. Sie ka men aus al len Tei len der Welt und gli chen doch ganz nor ma len Vor ort be woh nern. Eine per fek te Tar-nung, das muss te der Be ob ach ter zu ge ben. Schließ lich wa ren

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sie nahe dran ge we sen, die Ver ei nig ten Staa ten in ih ren Grund-fes ten zu er schüt tern und Cha os her vor zu ru fen. Ein Cha os, in dem sich un glaub li che Ge win ne ma chen lie ßen.

Wir sind weit ge kom men seit den An fän gen, dach te der Be-ob ach ter. Auch aus dem Schei tern konn te man viel ler nen. Sie wa ren ge nau so stark und ent schlos sen wie vor her. »Au ßer dem ha ben wir un se ren wich tigs ten Kon takt mann in der CIA ver-lo ren. Es war Ca pra, der ihn ge tö tet hat. Seit her ha ben wir noch zwei wei te re Kon takt per so nen ein ge büßt, die ich … in der CIA an ge heu ert hat te. Sie wur den fest ge nom men. Zum Glück hat ten wir nicht per sön lich mit ih nen zu tun, sie kön-nen uns also nicht ver ra ten.«

»Dann ha ben wir zur zeit kei ne Au gen in der CIA?«, frag te die Bank erin.

»Wir ha ben ein, zwei Au gen, die im mer noch off en sind«, ant wor te te er lä chelnd. Er wür de kei ne Na men nen nen. Es ge-nüg te, wenn sie wuss ten, dass er wei ter hin über In for ma ti ons-quel len in der Agen cy ver füg te. »Es wird sich zei gen, wie viel sie se hen.« Der Be ob ach ter räus per te sich. Er hät te sei nen Part-nern eine di cke Akte über Sam Ca pras Le ben vor le gen kön nen, doch er woll te die Be deu tung des Man nes nicht noch mehr be-to nen. »Auf alle Fäl le ha ben wir Sam Ca pra in der Hand. Wir ha ben sein Kind.«

»Kin der«, sag te die Bank erin na se rümp fend. Sie war eine zier li che Chi ne sin mit ei nem hüb schen Ge sicht, mit dem man mas sen haft Kos me ti ka hät te ver kau fen kön nen.

»Ein gu tes Kon troll mit tel«, be merk te der Ge ne ral.»Ja, wir ha ben die Kon trol le. Aber über eine Ma rio net te

ohne Strip pen, an de nen wir zie hen könn ten. Denn so lan ge wir das Kind ha ben, wird ihm die CIA si cher kei nen Zu gang zu ir gend wel chen für uns wich ti gen In for ma tio nen ge wäh ren«, warf der Di plo mat ein. Er sprach mit ei ner vol len Ba ri ton stim-

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me und süd afri ka ni schem Ak zent. »Ich sage: weg mit ihm. Zei-gen wir, dass wir uns das nicht ge fal len las sen.«

»Sam Ca pra«, be ton te der Be ob ach ter, »weiß nicht, dass un-se re Grup pe sein Le ben schon seit sechs Jah ren lenkt. Wir ha-ben ihn zu dem ge macht, was er heu te ist, nicht die CIA. Der Rück schlag mit sei ner Frau war … be dau er lich. Doch er kennt uns nur als ei nen Na men ohne Be deu tung, als eine vage Be dro-hung. Er weiß nicht, wer wir sind.«

»Noch kei ner hat uns so gro ßen Scha den zu ge fügt wie er«, er-wi der te der Ge ne ral. »Ich wäre auch da für, ihn aus zu schal ten.«

»Wir soll ten CIA-Agen ten nur tö ten, wenn es un be dingt not wen dig ist«, mel de te sich der His to ri ker zu Wort. Er war ein mas si ger Rus se mit kah lem Kopf und pral len Mus keln un-ter dem maß ge schnei der ten schwar zen An zug. »Das er regt Auf merk sam keit und scha det dem Ge schäft. Er ist nicht mehr bei der CIA und da mit wert los für uns, aber er kann uns auch nichts tun. Er wür de uns nie fin den. Wenn wir ihn tö ten, wird die CIA der Sa che nach ge hen.«

»Das stimmt«, mur mel ten ei ni ge der An we sen den. Der Be-ob ach ter blick te von ei nem Ge sicht zum an de ren, um ihre Re-ak tio nen ein zu schät zen. Die Bank erin sah ihn an, und er nick-te ihr auff or dernd zu. »Möch test du uns et was mit tei len?«

»Ja. Du woll test von uns die Mit tel, um aus ge wähl te Per so-nen aus zu spio nie ren. Ich möch te wis sen, in wie weit du nach die sem Rück schlag noch dazu fä hig bist.«

»Ich habe es erst er mög licht, dass wir ein so ehr gei zi ges Pro-jekt in An griff neh men konn ten. Dass wir jetzt an kom pro mit-tie ren de In for ma tio nen über ei ni ge der wich tigs ten Per sön lich-kei ten der Welt her an kom men und sie zwin gen kön nen, für uns zu ar bei ten. Ja, wir ha ben ei nen Rück schlag er lit ten. Aber das än dert nichts dar an, dass ich – dass wir – jetzt ei ni ge Leu te in höchs ten Äm tern in Po li tik und Wirt schaft kon trol lie ren.«

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»Dann willst du jetzt wohl mit dei nen tol len Res sour cen ein neu es Pro jekt star ten«, er wi der te die Bank erin spöt tisch. In ei ner an de ren Zeit hät te er sie ge ohr feigt, ihr den sei de-nen An zug vom Leib ge ris sen und ihr ge zeigt, wer der Herr ist. Sei ne Ge sichts mus keln zit ter ten. Diese Zei ten wa ren vor-bei. Er zü gel te sei nen Zorn und nick te ernst. »Ja. Aber zu erst wer de ich wie der gut ma chen, was Sam Ca pra an ge rich tet hat. Ich möch te euch nur auf das Ri si ko hin wei sen, das da mit ver-bun den ist.«

Die Bank erin nick te.»Wir hat ten ei nen Hel fer in Ams ter dam, ei nen Com pu ter-

ha cker, der für mich in die Com pu ter un se rer Ziel per so nen ein ge drun gen ist, so dass wir Zu gang zu ih ren ge hei men In-for ma tio nen er hiel ten. Nic ten Boom. Er ist tot, auch ihn hat Ca pra aus ge schal tet. Doch ei nen Un si cher heits fak tor gibt es noch, den wir erst jetzt ent deckt ha ben.«

»Was? Wer?«, frag te der Ge ne ral.»Ein jun ger chi ne si scher Stu dent, ein Com pu ter ha cker na-

mens Jin Ming, ge riet in Ams ter dam in ei nen Schuss wech sel in ei ner al ten Schlos se rei, die un se rem Schmugg ler ring ge hör te. Er war, wenn man so will, Nic ten Booms As sis tent. Ming wur-de schwer ver letzt und liegt jetzt im Kran ken haus.«

»Der As sis tent weiß wahr schein lich gar nichts.«»Das kann sein. Ich will trotz dem her aus fin den, ob er Pro-

ble me ma chen kann. Nic ten Boom war aus ge spro chen ehr gei-zig.« Er muss te jetzt sehr vor sich tig sein. »Ich habe fest ge stellt, dass ten Boom ver such te, mehr über uns her aus zu fin den. Wir heu er ten ihn an, da mit er für uns spio niert, doch er fing an, auch uns aus zu spio nie ren.«

»Dann bin ich froh, dass er tot ist, und du soll test in Zu kunft bes ser auf pas sen, wen du an heu erst«, be merk te die Bank erin.

»Nic woll te mehr, er woll te die Kar rie re lei ter hoch klet tern.«

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Der Be ob ach ter zuck te mit den Schul tern. »An schei nend war ihm nicht klar, dass man bei uns zu erst Er fol ge vor wei sen muss, be vor man be för dert wird.«

»Die jun gen Leu te heut zu ta ge sind ein fach faul«, mein te der Ge ne ral.

»Alle an de ren, die an der Ope ra ti on in Ams ter dam be tei-ligt wa ren, sind tot. Ei ni ge wur den, wie ge sagt, von Ca pra aus-ge schal tet, die an de ren von Ed ward, ei nem un se rer Leu te. Er woll te kein Ri si ko ein ge hen, spä ter von ih nen iden ti fi ziert wer-den zu kön nen. Ed ward ist eben falls tot.«

Der Tod ei nes ange heu er ten Hel fers war we der für ihn noch für die an de ren An we sen den ein Grund zur Sen ti men ta li tät.

»Ich habe erst jetzt er fah ren, dass die ser jun ge chi ne si sche Stu dent noch lebt. Die CIA hat ihn in ei nem In ter net-Café ge schnappt, des halb ver mu te ich, dass Ming ih nen die Adres-se un se rer Schmugg ler gab. Sie nah men ihn mit, als sie die Schlos se rei stürm ten, und Ming wur de nie der ge schos sen. Sie lie ßen ihn lie gen, weil un se re Leu te und die CIA ihn für tot hiel ten. Er liegt in ei nem Ams ter da mer Kran ken haus, un ter po li zei li cher Be wa chung.«

»Lass ihn be sei ti gen.« Die Bank erin we del te weg wer fend mit der Hand. »Ich ver si che re euch, wenn es et was auf die ser Welt im Über fluss gibt, dann sind das chi ne si sche Stu den ten.«

»Das wer de ich. Aber ich er zäh le euch das al les, weil es zu un se ren grö ße ren Plä nen ge hört. Wir ha ben Sam Ca pra zu dem ge formt, was er ist. Nun soll ten wir un ser Werk zeug ein-set zen. Ich weiß jetzt, wie uns Sam Ca pra von gro ßem Nut zen sein kann.«

»Weil wir sein Kind ha ben«, warf die Bank erin ein. »Also gut, du hast ei nen neu en Bau ern auf dei nem Schach brett, Schätz chen.« Sie lä chel te ihm so gar zu.

Es ge fiel ihm nicht, wie sie mit ihm sprach. »Man muss sei-

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ne Vor tei le nut zen«, sag te der Be ob ach ter. Die An span nung in sei ner Brust lös te sich. Es hät te ihm je der zeit pas sie ren kön nen, dass ei ner der an de ren eine Ab stim mung über sein Le ben ver-lang te. Doch sie hat ten es nicht ge tan.

»Die CIA wird ihm nie mals trau en, so lan ge wir sein Kind ha ben. Nie«, mein te der Ge ne ral.

»Oh, ich weiß. Und das wer de ich für un se re Zwe cke aus-nut zen. Es gibt ja nicht ge ra de ei nen Über schuss an bes tens aus ge bil de ten CIA-Agen ten auf dem Markt. Und die meis ten wür den nie für uns ar bei ten.«

»Aber er wird es tun«, warf die Bank erin ein.Der Be ob ach ter nick te. »Ja, das wird er.« Er wür de diese Sit-

zung über le ben und eine zwei te Chan ce be kom men.

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Ams ter dam, Nie der lan de

Die Frau, die als Kran ken schwes ter ver klei det war, be trat das Kran ken haus kurz nach elf Uhr abends Orts zeit, wäh rend auf den Ba ha mas eine Grup pe zu sam men traf und Sam Ca pra dem Ver bleib sei nes Soh nes ein Stück nä her kam. Die Frau hat-te ihre Pa pie re sorg fäl tig ge fälscht, in der Wä sche rei die ent-spre chen de Schwes tern klei dung ent wen det und sich Schu he ge kauft, die ei ni ger ma ßen da zu pass ten. Wirk lich kniff ig war nur, sich die Schlüs sel kar te für die ab ge si cher te Ab tei lung zu be sor gen, in der ihre Ziel per son lag. Es hat te eine Wei le ge-dau ert, in die Da ten bank des Si cher heits diens tes ein zu drin gen, eine Kar te mit dem ent spre chen den Code zu dru cken und das Mail box-Sys tem der Po li zei zu kna cken, um eine Nach richt zu fin den, die ihr ver riet, auf wel chem Zim mer Jin Ming un ter-gebracht war. Doch sie hat te es ge schafft.

Und wenn sie ihn fand, wür de sie ihn um brin gen.

Jack Ming spiel te das Schwei ge spiel: so lang wie mög lich durch-hal ten, ohne ein Wort zu spre chen. Er hat te schon drei Wo-chen ge schafft, drei Wo chen ei ser nes Schwei gen, und er frag te sich all mäh lich, ob sei ne Stim me noch funk tio nie ren wür de. Die De cke sei nes Kran ken haus bet tes um hüll te ihn wie ein Ko-kon. Die Schuss wun de am Hals be gann zu ver hei len, und der rie si ge blaue Fleck an der Schlä fe er in ner te an sei nen Sturz ge-

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gen eine Ma schi ne. Fast zwei Wo chen hat te er im Koma ge le-gen. Die Ärz te, die Schwes tern und die Er mitt ler der Po li zei nann ten ihn alle Jin Ming, was nicht sein rich ti ger Name war, doch er hat te nicht vor, sie auf den Irr tum hin zu wei sen.

Das Schwei gen wur de zu ei ner span nen den Auf ga be für ihn – als gin ge es dar um, ein Com pu ter pro gramm mit mög lichst we-ni gen Code zei len zu schrei ben oder mit mög lichst ge rin gem Auf wand eine Da ten bank zu kna cken. Wie lan ge hielt man das Schwei gen durch? Sei ne El tern hat ten ihn oft dazu auf ge for dert, wenn er sie mit sei nen vie len Fra gen lö cher te: war um der Him-mel blau sei, war um sie so oft strit ten, war um sie ihm nicht die-ses oder je nes Spiel zeug kauf ten. Dann sa hen sie ihn zor nig an, sein Va ter blick te von ei nem der Bü cher auf, die er stän dig las, sei ne Mut ter von ih rem Schreib tisch, an dem sie Tag und Nacht zu ver brin gen schien. Sei still, Jack, sag ten sie. Du störst mich. Spie len wir ein Spiel. Du musst ver su chen, so lan ge wie mög lich still zu sein. Doch es war nie ein rich ti ges Spiel, denn sie wa ren nie still. Zu ei nem rich ti gen Spiel ge hör te der Wett kampf, man starr te ein an der in die Au gen, bis ei ner es nicht mehr aus hielt. Sei ne El tern sag ten das nur, da mit er sie nicht stör te.

Er schwieg also.Als er er wacht war, hat te er ge glaubt, tot zu sein. Eine Ku gel

hat te ihn seit lich am Hals ge troff en: Hät te es die Hals schlag-ader er wischt, wäre er ret tungs los ver blu tet. Doch die Ar te rie blieb heil. Er wur de in ein Ams ter da mer Kran ken haus ein ge-lie fert und be kam ein Zim mer für sich al lein. Er frag te sich, was das zu be deu ten hat te. Gern hät te er um ei nen Com pu ter ge be ten, doch er woll te nicht spre chen. Sich mit Schwei gen zu pan zern hat te selt sa mer wei se et was Be frei en des. Er brauch te nicht die Wahr heit zu sa gen und nicht zu lü gen. Nach all den Mo na ten hat te er es ein fach satt, je mand sein zu müs sen, der er nicht war.

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Nachts träum te er von dem ro ten No tiz buch. Nic hat te ei-nes Abends zu viel ge trun ken und ihm in ter es san te Din ge er-zählt: »Diese Leu te, für die wir ar bei ten, wür den uns um brin-gen, wenn sie wüss ten, dass ich alle ihre Ge heim nis se ken ne. Das ist mei ne Le bens ver si che rung. Das rote No tiz buch.«

»Wenn’s ein Ge heim nis ist, war um er zählst du’s mir dann? Du bist be trun ken.« Und dumm, füg te Jack in Ge dan ken hin zu.

»Falls mir was pas siert, sol len sie da für bü ßen«, hat te Nic ge-lallt. »Das rote No tiz buch liegt in mei ner Woh nung, gut ver-steckt. Du bist ein schlau es Bürsch chen, du wirst es schon fin-den. Und dann sind die Neun Son nen er le digt.«

Neun Son nen. Das klang ein biss chen nach den Schur ken aus ei nem Zei chen trick film. Nie mand will dich um brin gen, Nic, hat te Jack ge sagt. Jetzt über treib mal nicht.

Doch als die CIA-Agen ten mit ihm in die alte Schlos se rei ein ge drun gen wa ren, die diese Schmugg ler der Neun Son nen als La ger nutz ten, hat te er Nic tot am Bo den lie gen se hen, be-vor die Schie ße rei los ging.

Er konn te nicht wis sen, ob er jetzt in Si cher heit war, des halb muss te er Nics ro tes No tiz buch fin den. Doch so lan ge er im Kran ken haus lag, konn te er nichts un ter neh men.

Heu te Vor mit tag hat ten sie ei nen neu en Po li zei in spek tor zu ihm ge schickt, als wür den sie ihn eher zum Re den brin gen, wenn sie sich ab wech sel ten. »Der Arzt sagt, Sie soll ten ei gent-lich spre chen kön nen«, mein te der In spek tor, ein ge wis ser van Bie zen. Er setz te sich zu Jack Ming ans Bett und sah ihn an, und Jack er wi der te sei nen Blick. Der Mann hat te ein No tiz-buch im Schoß lie gen, und Jack las, was dar in stand: Jin Ming. Dok to rand der Com pu ter wis sen schaf ten an der Uni ver si tät Delft. Mit Schuss ver let zun gen auf ge fun den, in der Nähe meh re rer Kri­mi nel ler, dar un ter der Ha cker Nic ten Boom. Wei gert sich zu spre­chen, kein me di zi ni scher Grund.

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Die Hand schrift des In spek tors glich ei ner Com pu ter schrift. Die Prä zi si on mach te ihm Angst. Die ser Mann war so wie sein Va ter, er ver stand es, Leu ten die Wahr heit zu ent lo cken.

Jack sah den Po li zis ten an.»Die Ärz te sa gen, die Wun de am Hals war zum Glück nicht

tief. Ihre Stimm bän der sind nicht be schä digt, Mr. Jin.«Jack blieb stumm.»Wir müs sen wis sen, wel che Ver bin dun gen Sie zu den to ten

Män nern in der Schlos se rei hat ten. Zu Nic ten Boom und den Pau der-Zwil lin gen.«

Jack schwieg wei ter.»Sie wis sen, dass ten Boom als Ha cker be kannt war. Ha ben

Sie ge wusst, dass er sich auch mit In ter net-Por no gra fie be schäf-tig te?« Van Bie zen ließ das fol gen de Wort in der Stil le des Zim-mers plat zen wie eine Bom be: »Kin der por no gra fie!«

Jack spür te Zorn und Ab scheu in sich auf stei gen. Das hat te er nicht ge wusst. Eine böse Über ra schung. Er schloss die Au-gen und be müh te sich, nicht zu zit tern. Als er sie wie der öff ne-te, saß van Bie zen im mer noch da.

»Er hat Vi de os für sei ne Kun den ge macht. Die Leu te woll ten Kin der se hen, die be stimm te Din ge tun: Er hat es ge lie fert.«

Jack biss die Zäh ne zu sam men. Schloss die Au gen. Nein, nein, nein. Er hat te sich fest vor ge nom men zu schwei gen, doch jetzt dräng te ein an ge wi der tes Stöh nen aus sei ner Keh le. Seit Wo chen das ers te Ge räusch, das er von sich gab.

»Un se re In for man ten sa gen, Nic ten Boom hat te Kun den über all auf der Welt. Was wis sen Sie über ihn?«

Jack wünsch te, er könn te ster ben, mit den Fin gern schnip-pen und sein Herz zum Ste hen brin gen. Das Gan ze wird im mer schlim mer, dach te er. Je des Mal, wenn ich den ke, jetzt ist der Tief­punkt er reicht, kommt die nächs te Ka ta stro phe. Doch sein Mund blieb ge schlos sen.

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»Die Pau der-Zwil lin ge ar bei te ten als Voll stre cker für ver-schie de ne kri mi nel le Or ga ni sa tio nen. Also, Mr. Jin, wie ge rät ein net ter Stu dent der Com pu ter wis sen schaf ten in eine Schie-ße rei mit so üb len Ty pen?«

Jack blieb stumm.»Ich glau be, Sie schwei gen, weil Sie nicht lü gen wol len«, sag-

te van Bie zen. »Wir wa ren viel zu lan ge ge dul dig mit Ih nen. Sie sind ja nicht ein mal be reit, et was auf zu schrei ben. Aber Sie wer-den mit mir spre chen.«

Jack hob eine Au gen braue.Van Bie zen öff ne te eine Ak ten map pe. »Dann wol len wir den

Din gen mal auf den Grund ge hen, nicht wahr? Sie sind Jin Ming, chi ne si scher Staats bür ger, in Hong kong ge bo ren. Sie spre chen per fekt Eng lisch, sa gen Ihre Stu di en kol le gen in Delft. Das ist al les, was wir wis sen. Ich war te dar auf, dass Sie mir er-klä ren, wie Sie in die ser al ten Schlos se rei vol ler ge fälsch ter Zi-ga ret ten und to ter Kri mi nel ler ge lan det sind.«

Jack hat te sich wäh rend sei nes lan gen Schwei gens eine Ant-wort über legt. Sei ne fal sche Iden ti tät war im mer noch in takt; schließ lich wur de sie von dem Ein trag in der Da ten bank der Uni ver si tät und ei ner Da ten bank al ler Aus lands stu den ten in Pe king ge stützt. Er konn te das al les über le ben und ver schwin-den. Und so sprach er sei ne ers ten Wor te seit Wo chen. »Ich wur de ent führt.« Es klang hei ser und krat zig, wie Sand pa pier auf Holz.

Van Bie zen hob eine Au gen braue, über rascht, so plötz lich Jacks Stim me zu hö ren. »Er spricht. Sehr gut.« Der In spek tor räus per te sich. »Ent führt.«

»Ja. Aus ei nem In ter net-Café, am 12. April. Café Sprong. Fra gen Sie den Bar kee per dort. Drei Män ner ka men rein und sag ten, sie wä ren von der Po li zei. Sie be droh ten die Leu te mit Pis to len und for der ten uns auf, uns nicht zu rüh ren. Dann

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nah men sie mich mit, schlu gen mich zu sam men und fuh ren mit mir zu der Schlos se rei.«

»War um soll ten sie Sie ent füh ren?«»Ver mut lich woll ten sie, dass ich ir gend was am Com pu ter

für sie ma che.«»Sind Sie ein Ha cker?«»Das Ge gen teil«, er wi der te er mit ei ner ge wis sen Wür de, ob-

wohl es nicht ganz der Wahr heit ent sprach. »Er kun di gen Sie sich an der Uni ver si tät.«

»Hab ich schon.«»Dann wis sen Sie auch, dass das The ma mei ner Dis ser ta ti-

on Com pu ter si cher heit ist. Nie mand kennt die Schwach stel len im Sys tem bes ser als ein Si cher heits ex per te. Mein Spe zi al ge biet ist das Pro gram mie ren von Trac king-Chips, RFIDs. Das sind diese Chips an ir gend wel chen Wa ren, mit de nen man ih ren Weg ver fol gen kann und eine Fäl schung ver hin dern will.« Er stock te. »Kann ich ein Glas Was ser ha ben?«

Van Bie zen gab ihm ein Glas mit ei nem Trink halm. Das Was ser schmeck te himm lisch. »Über prü fen Sie das Da tum. Es gibt doch be stimmt ei nen Po li zei be richt. Der Bar kee per war ziem lich sau er.«

»Werd ich ma chen. Und wie kam es, dass am Ende alle drei tot wa ren?«

Jack sah van Bie zen ver blüfft an. Der Bulle hat te ihn falsch ver stan den: Er dach te, die drei To ten – Nic und die Zwil lin-ge – wä ren sei ne Ent füh rer ge we sen. Jack hät te wei nen kön-nen vor Er leich te rung. Dass ihn ein Team der CIA ent führt hat te, auf der Su che nach ei nem der Ih ren, ei nem ge wis sen Sam Ca pra, woll te er ver schwei gen. Mit der CIA wür de er selbst spre chen.

Er hat te näm lich be schlos sen, sich von der CIA aus die-ser Sa che her aus hel fen zu las sen. Er schluck te und ant wor te-

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te: »An de re Män ner ka men rein und schos sen auf sie. Ich weiß nicht, war um. Aber eins …«

»Was?«»Sie hat ten Kis ten mit Zi ga ret ten dort, ver mut lich ge-

schmug gelt. Wenn die Zi ga ret ten ge stoh len wa ren, dann woll-ten sie viel leicht, dass ich die Trac king-Chips in den Kis ten um pro gram mie re, da mit man sie nicht ver fol gen kann.«

»Es wa ren kei ne ge stoh le nen Zi ga ret ten«, er klär te van Bie-zen. »Es wa ren ge fälsch te Mar ken.«

»Dann woll ten sie mich wohl aus ei nem an de ren Grund.«Van Bie zen wirk te nicht über zeugt. »Wenn wir Ihre Te le fon-

ver bin dun gen un ter su chen, wer den wir also kei ne An ru fe an Nic ten Boom oder die Pau der-Zwil lin ge fin den? Sie ha ben sie über haupt nicht ge kannt?«

»Nein, gar nicht.« Er war sehr vor sich tig ge we sen und hat-te im mer nur die Prep aid-Han dys ver wen det, die Nic ihm ge-ge ben hat te. Und auch in sei nen E-Mails wür den sie nichts fin den.

»Ich wer de Ihre An ga ben über prü fen. Ich hoff e um Ih ret wil-len, dass sie stim men.«

»Das tun sie.«»War um ha ben Sie dann so lan ge nicht ge spro chen?«Jack schwieg. Er setz te wie der sein rät sel haf tes Lä cheln auf

und sah den In spek tor an. Er be gann wie der mit sei nem Spiel.Van Bie zen stand auf und ging, und Jack dach te nach. Die

CIA hat te Nic und die an de ren in der La ger hal le ge tö tet und ihn schwer ver letzt zu rück ge las sen. Viel leicht hat ten sie ihn für tot ge hal ten. Er hat te kei ne Ah nung. Aber … er lag jetzt schon eine Wei le hier im Kran ken haus. Er hat te ein ei ge nes Zim mer und stand un ter Po li zei schutz.

Ver steck te ihn die Po li zei etwa?So muss te es sein. Dann such ten ihn viel leicht we der diese

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Neun Son nen noch die CIA, weil sie dach ten, er sei tot. Das ver schaff te ihm wert vol le Zeit, die er nicht hier in ei nem Kran-ken haus bett ver geu den durf te.

Er brauch te die ses No tiz buch.Er wür de nicht die Po li zei um Hil fe oder Schutz bit ten. Der

ein zi ge Schutz war die ses No tiz buch mit den Ge heim nis sen der Neun Son nen, das Nic ir gend wo ver steckt hat te. Er muss te hier raus und es fin den. Die Män ner, die ihn aus dem In ter net-Café ge holt hat ten, wür den es si cher auch ha ben wol len. Die CIA war off en bar hin ter die ser Grup pe her. Diese Novem So les muss ten eine in ter na tio na le Or ga ni sa ti on sein, wenn sich die CIA für sie in ter es sier te. Die CIA be zahl te ihre In for man ten. Und sie be-schütz te sie. Er sah ganz klar den Weg vor sich: Er wür de Nics No tiz buch fin den und es an Au gust ver kau fen, da nach wür de er für im mer un ter tau chen. Der Po li zei konn te er nicht trau en. Er wuss te, dass Nic die Po li zei-Ser ver ge knackt hat te; auch wenn sie ihm Schutz zu sag ten, wür de das Novem So les nicht dar an hin dern, ihn zu krie gen. Er brauch te den denk bar mäch tigs ten Ver bün de ten. Und das war nun mal die CIA.

Jack Ming be trach te te die ma kel los wei ße Zim mer de cke. Er muss te nur aus die sem Kran ken haus ver schwin den und das rote No tiz buch fin den.

Die Tür öff ne te sich. Eine Kran ken schwes ter trat ein. Sie war groß und dun kel häu tig, ein Stirn run zeln lag in ih rem mar-kan ten Ge sicht. Er blin zel te. Er träum te nicht.

Sie schloss die Tür und wand te sich ihm zu. Sei ne Au gen wei te ten sich scho ckiert. War um war sie als Kran ken schwes-ter ge klei det?

»Also«, sag te Ricki. Sie trat ans Bett und beug te sich zu sei-nem Ohr. »Ich hat te echt Mühe, dich zu fin den.«

Jack be schloss, sein Schwei gen bei zu be hal ten, ob wohl er fas-sungs los war, dass sie hier vor ihm stand.

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»Weißt du auch nur un ge fähr, wel che Sor gen ich mir ge-macht habe? Ich könn te dich um brin gen, weil du mir nicht mal ge sagt hast, dass al les okay ist.«

Jack gab ein Ge räusch von sich.»Ich muss te mich in tau send Da ten ban ken ha cken, um dich

auf zu trei ben.« Ricki stamm te ur sprüng lich aus dem Se ne gal in West af ri ka, und mit ih rem Ak zent zer stü ckel te sie manch mal die Wör ter, vor al lem, wenn sie zor nig war. »Du sagst gar nichts dazu?«

Er schüt tel te den Kopf und zeig te auf die Ope ra ti ons nar be an sei nem Hals. Sie weiß nicht, was ich ge tan habe, dach te er. Ich darf sie nicht ge fähr den.

»Machst du Wit ze? Ich setz Him mel und Höl le in Be we-gung, um dei nen Arsch zu fin den, und du sprichst kein Wort mit mir?«

Sein Herz droh te zu zer sprin gen. Am liebs ten hät te er ge-sagt: Ich bin so froh, dass du da bist, bit te hol mich hier raus. Doch das konn te er nicht. Ricki hat te Nic flüch tig ge kannt. Er durf te sie nicht mit Novem So les in Ver bin dung brin gen. Er muss te sie von die sen Wahn sin ni gen fern hal ten.

Also schüt tel te er nur den Kopf: nein.Sie ließ sich auf ihn sin ken, wein te lei se und küss te sein

Haar. Nicht sei ne Lip pen. Sie hat ten sich vor ei ni gen Wo chen ge trennt. Sie hielt ihn in den Ar men, und er hät te am liebs ten los ge heult und all die auf ge stau ten Ge füh le her aus ge las sen.

Sie nahm sich ei nen Stuhl und setz te sich zu ihm ans Bett.Er zeig te auf ihre Kran ken schwes ter tracht und hob fra gend

die Au gen brau en. Sie zuck te mit den Ach seln. »Wenn sie mich er wi schen, werd ich ein ge sperrt. Es war nicht so leicht, zu dir durch zu kom men.«

Die Tür öff ne te sich, der Si cher heits mann blick te her ein. Ricki hielt Jacks Hand ge lenk, als wür de sie sei nen Puls mes-

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sen. Jack nick te dem Mann kurz zu. Der Wäch ter schloss die Tür.

»Die Po li zei ver steckt dich«, flüs ter te ihm Ricki zu.Also stimm te es. Und sie hat te ihn trotz dem ge fun den. Er

lieb te ihre Klug heit. Gern hät te er ihre Hand ge nom men, doch er rief sich in Er in ne rung, dass sie sich ge trennt hat ten. Sie hielt wei ter sein Hand ge lenk.

»Ming« – es be schäm te ihn, dass sie nicht ein mal sei nen rich-ti gen Vor na men kann te –, »in was bist du da bloß rein ge ra ten?«

Er schüt tel te den Kopf und zeig te auf die Ope ra ti ons nar be.»Mir machst du nichts vor. Du kannst spre chen. Nor ma-

ler wei se muss man froh sein, wenn du mal fünf Mi nu ten die Klap pe hältst.«

Er schloss die Au gen.»Du brauchst mich nicht zu schüt zen«, dräng te Ricki. »Lass

mich dir hel fen.«Der Po li zist drau ßen öff ne te die Tür, und Ric kis Stim me

wur de wie der lau ter. »Also, es sieht ganz gut aus. Tut mir leid, dass ich Sie ge weckt habe.« Sie stand auf und nick te höfl ich.

Dann ging sie hin aus, ohne sich noch ein mal um zu dre hen.Lass mich dir hel fen. Nie mand konn te ihm hel fen, dach te er.

Es sei denn, er fand Nics ro tes No tiz buch.

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Up per West Side, Man hat tan

Es ist nicht ein fach, die Lei chen zwei er schwer ge wich ti ger Män ner aus ei ner Woh nung zu schaff en. Wir muss ten da von aus ge hen, dass die Woh nung ir gend ei nen Be zug zu Bell auf-wies, und wir woll ten ver mei den, dass je mand nach ihm such-te oder ihn mit zwei To ten in Ver bin dung brach te. Wir woll ten sei nen Na men nicht in der Zei tung le sen.

Ich rief Bert rand an. Er traf eine Stun de spä ter ein, mit ei nem Um zugs wa gen und Kis ten. Für Mila hat te er eine da zu pas sen-de Mö bel pa cker kluft da bei, samt Kap pe, die ei nen gro ßen Teil ih res Ge sichts ver deck te. Er hob eine Au gen braue, als er die To-ten sah, mur mel te et was in sei nem hai tian isch an ge hauch ten Fran zö sisch und ging an die Ar beit. Die Lei chen wa ren bin-nen fünf zehn Mi nu ten ver la den und ab trans por tiert. Er pack te auch Bell, mit Be ru hi gungs mit tel voll ge pumpt, in eine Kis te.

»Du bringst ihn nicht in die Bar?«, frag te ich, zu Mila ge-wandt.

»Soll ich viel leicht ei nen Be wusst lo sen an den Gäs ten vor-bei schlep pen?« Mila hält mich manch mal für be scheu ert. »Ich brin ge Bell an ei nen Ort, wo er kei nen Är ger macht und man ihn ver hö ren kann. Ein Fa mi li en va ter will sein net tes Le ben be stimmt nicht ver lie ren, des halb wird er mit uns zu sam men-ar bei ten. Küm me re du dich um die Rei se nach Las Ve gas.«

Als sie weg wa ren, trat ich ans Fens ter, um zu se hen, ob ih-

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Jeff Abbott

Die letzte MinuteThriller

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Taschenbuch, Broschur, 576 Seiten, 11,8 x 18,7 cmISBN: 978-3-453-43703-6

Heyne

Erscheinungstermin: Januar 2013

Sie nahmen ihm alles – jetzt will er es zurück! Er wurde hereingelegt, als Verräter gebrandmarkt, aus der CIA ausgeschlossen, seine Frau liegtim Koma und sein Kind wurde entführt. Für Sam Capra gibt es nur noch ein Ziel: Er muss seinenSohn aus der Gewalt einer mächtigen Geheimorganisation befreien. Die stellt ihre Forderung:Wenn Capra seinen Sohn lebendig wiedersehen will, muss er einen Mord begehen. Die Suchenach Daniel wird zum gnadenlosen Wettlauf gegen die Zeit.