Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben Fernerkundliche ... · Abbildung 3. Niederschlagsmenge...
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Abschlussbericht
zum Forschungsvorhaben
Fernerkundliche Beurteilung der Trocken- und Hitzetoleranz von
Weizengenotypen auf Selektionsstandorten mit
begleitenden Untersuchungen zu Durchwurzelungstiefe,
Wurzelmorphologie und Wasserhaushalt
(Phaenokopter)
Laufzeit des Vorhabens: 01.10.2014 - 31.05.2018
Zuwendungsempfänger: Johann Heinrich von Thünen-Institut
Julius Kühn-Institut
Strube Research GmbH & Co. KG
Abgabe des Berichts: 28.11.2018
Die Förderung des Vorhabens erfolgte aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgte über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung.
- II -
Verfasser des Abschlussberichts:
Dr. Tina Langkamp-Wedde, Dr. Lorenz Kottmann, Katja Matschiner,
Dr. Siegfried Schittenhelm, Martin Kraft
Projektpartner:
Johann Heinrich von Thünen-Institut (TI) Institut für Agrartechnologie Bundesallee 47 38116 Braunschweig
Projektleiter: Projektbearbeiterin: Förderkennzeichen:
Martin Kraft Dr. Tina Langkamp-Wedde 2814600113
Julius Kühn-Institut (JKI) Institut für Pflanzenbau & Bodenkunde Bundesallee 58 D-38116 Braunschweig
Projektleiter: Projektbearbeiter:
Förderkennzeichen:
Dr. Siegfried Schittenhelm Dr. Lorenz Kottmann 2814600213
Strube Research GmbH & Co. KG (SR) Hauptstraße 1 38387 Söllingen
Projektleiterin: Förderkennzeichen:
Katja Matschiner 2814600313
Im Projekt haben auch mitgewirkt:
Dr. Christiane Balko (JKI)
Eugen Diefenbach (TI)
Thomas Dietze (SR)
Henning Gottschalk (Warmser Bioenergie GmbH & Co.)
Alexander Huf (TI)
Dr. Andreas Jacobi (SR)
Carl Christian Köhler (Siestedt Agrar GmbH)
Fredrik Mühlberger (JKI)
Heiko Neeland (TI)
Sabine Peickert (JKI)
Dr. Susanne Schroetter (JKI)
….. und zahlreiche weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Projektbeteiligten
Kontakt: Martin Kraft, [email protected], Tel. +49(0) 531 596-4140
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Inhaltsverzeichnis
I. Kurze Darstellung .................................................................................................... 1
I.1 Aufgabenstellung .................................................................................................... 1
I.2 Voraussetzungen, unter denen das Vorhaben durchgeführt wurde ......................... 1
I.3 Planung und Ablauf des Vorhabens ........................................................................ 3
I.3.1 Praxisversuche auf Selektionsstandorten ........................................................3
I.3.2 Versuche am Kernsortiment ............................................................................4
I.3.3 Wurzelanalysen ...............................................................................................6
I.3.4 Hitzestressversuch ..........................................................................................6
I.4 Wissenschaftlicher und technischer Stand .............................................................. 7
I.4.1 Angabe bekannter Konstruktionen, Verfahren und Schutzrechte, die für
die Durchführung des Vorhabens genutzt werden ......................................... 10
I.4.2 Angabe verwendeter Fachliteratur, sowie der benutzten Informations- und
Dokumentationsdienste ................................................................................. 10
I.5 Zusammenarbeit mit anderen Stellen.................................................................... 10
II. Eingehende Darstellung .........................................................................................11
II.1 Verwendung der Zuwendungen und des erzielten Ergebnisses im Einzelnen, mit
Gegenüberstellung der vorgegebenen Ziele ......................................................... 11
II.1.1 Versuchsstandorte, Böden und Wetter .......................................................... 11
II.1.2 ThünoCopter, Kamerasysteme und automatische Bildanalyse ...................... 14
II.1.3 Praxisversuche auf Selektionsstandorten ...................................................... 16
II.1.4 Versuche am Kernsortiment .......................................................................... 19
II.1.5 Wurzelanalysen ............................................................................................. 31
II.1.6 Hitzestressversuch ........................................................................................ 40
II.1.7 Referenzen .................................................................................................... 50
II.2 Wichtigste Positionen des zahlenmäßigen Nachweises ........................................ 53
II.3 Notwendigkeit und Angemessenheit der geleisteten Arbeit ................................... 53
II.3.1 Fernerkundung und Selektionsversuche ........................................................ 53
II.3.2 Kernsortiment und Wurzeln ........................................................................... 54
II.3.3 Hitzestress ..................................................................................................... 54
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II.4 Voraussichtlicher Nutzen, insbesondere Verwertbarkeit des Ergebnisses im Sinne
des fortgeschriebenen Verwertungsplans ............................................................. 55
II.5 Während der Durchführung des Vorhabens dem ZE bekannt gewordenen
Fortschritts auf dem Gebiet des Vorhabens bei anderen Stellen ........................... 55
II.6 Erfolgte und geplante Veröffentlichungen des Ergebnisses .................................. 56
Kurzfassung .......................................................................................................................58
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Anbau des Kernsortimentes in zwei Rain-out Sheltern (links) und einer
benachbarten bewässerten Kontrolle (rechts) in Braunschweig. ............................................ 5
Abbildung 2. Lufttemperatur als Mittelwert in den Monaten März bis Juli der Versuchsjahre
2015, 2016 und 2017 über die Praxisstandorte zuzüglich dem Standort Braunschweig mit
Angabe der Standardabweichung. Als Ersatzwerte wurden die Lufttemperaturen von
nahegelegenen Wetterstationen des Deutschen Wetterdienstes verwendet. ........................12
Abbildung 3. Niederschlagsmenge (abzüglich der durch die Rainout-Shelter abgehaltene
Niederschlagsmenge in BRA-T, einschließlich Bewässerung in BRA-F) als Summe der
Monate März bis Juli in den Versuchsjahren 2015, 2016 und 2017 an den
Praxisstandorten Söllingen (SÖL), Siestedt (SIE) und Warmse (WAR) sowie in
Braunschweig im Rain-out Shelter (BRA-T) und bewässerter Kontrolle (BRA-F). Im
Versuchsjahr 2015 wurden die mobilen Wetterstationen in Söllingen und Warmse erst
Mitte Juni aufgestellt. Als Ersatzwerte wurden die Regenmengen von nahegelegenen
Wetterstationen des Deutschen Wetterdienstes verwendet. .................................................13
Abbildung 4. Beispiel der Bildanalyse an einer Aufnahme bei 850 nm. Links die
geometrische Analyse des Bildes und die Markierung der Parzellen. Rechts die
Markierung der Kernparzellen, deren Grauwert ausgegeben wird. .......................................15
Abbildung 5. Kornertrag in den Versuchsjahren 2015, 2016 und 2017 an den Standorten
Söllingen, Siestedt und Warmse. Unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante
Unterschiede p <0,05 zwischen den Standorten innerhalb der Versuchsjahre......................17
Abbildung 6. Zusammenhang zwischen der Canopy Air Temperature Difference (CATD)
und dem Kornertrag (links) und zwischen dem Crop Water Stress Index (CWSI) und dem
Kornertrag (rechts) an den Standorten Söllingen, Siestedt und Warmse. *, ** und ***
signifikant für p <0,05, p <0,01 und p <0,001; N = 4 Messungen. .........................................18
Abbildung 7. Zusammenhang zwischen NDVI_Juni und Kornertrag im Versuch 162 an
den Standorten Söllingen und Siestedt in 2016 (links) und an den Standorten Söllingen,
Siestedt und Warmse in 2017 (rechts). ** und *** signifikant für p <0,01 und p <0,001. ........19
Abbildung 8. Regression des Kornertrags der Genotypen aus den vier Genotypen-
Gruppen auf den Umweltindex mit Mittelwerten und Standardabweichungen (SD; in
Klammern) für Regressionskoeffizienten und Bestimmtheitsmaße. Die gestrichelten roten
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Linien repräsentieren einen hypothetischen Genotyp mit einer jeweils mittleren
Ertragsreaktion (b = 1). .........................................................................................................23
Abbildung 9. Beziehung zwischen dem Kornertrag für alle paarweisen Vergleiche der vier
Prüfumwelten. Die phänotypischen Korrelationskoeffizienten wurden separate für die
Jahre 2015 (r15), 2016 (r16) und 2017 (r17) berechnet. Die mittleren
Korrelationskoeffizienten (�) wurden nach Olkin & Pratt (1958) korrigiert. *p <0,05,
**p <0,01, ***p <0,001. BRA-T: Braunschweig trocken; BRA-F: Braunschweig feucht;
WAR: Warmse; SÖL: Söllingen. ...........................................................................................25
Abbildung 10. Zusammenhang zwischen BBCH 89 und NDVI zu Beginn der Abreife für
Braunschweig feucht (BRA-F; links) und Braunschweig trocken (BRA-T; rechts). ................26
Abbildung 11. Zeitliche Entwicklung der Mengen an wasserlöslichen Kohlenhydraten
(WSC) in den Stängeln im Mittel über 16 Genotypen an den Standorten Warmse und
Söllingen in den Jahren 2015, 2016 und 2017. .....................................................................27
Abbildung 12. Minimale WSC-Menge (oben) und Verlagerungseffizienz (unten) der 16
Genotypen des Kernsortimentes in Warmse und Söllingen im Mittel der Jahre 2015, 2016
und 2017 sowie Informationen zur geringsten signifikanten Differenz (p <0,05). ..................28
Abbildung 13. Kornerträge der 16 Genotypen des Kernsortimentes in Söllingen und
Warmse im Mittel der Jahre 2015, 2016 und 2017 sowie (schraffiert) Anteil der WSC am
jeweiligen Kornertrag. ...........................................................................................................29
Abbildung 14. Beziehung zwischen Kornertrag und minimaler WSC-Menge für 16
Genotypen in Söllingen und Warmse im Mittel der Jahre 2015, 2016 und 2017.*p <0,05. ....30
Abbildung 15. Verlauf der nutzbaren Feldkapazität (nFK) je Tiefe in den fünf
Prüfumwelten. In Warmse 2016 und 2017 ist der durch anstehendes Grundwasser bzw.
Bodenverdichtungen begrenzte Wurzeltiefgang eingezeichnet. In den anderen Umwelten
war die Durchwurzelung kaum eingeschränkt. Die Pfeile markieren den Zeitpunkt der
Rammkernsondierung. Die nFK-Werte zwischen Warmse und Söllingen sind aufgrund
unterschiedlicher Bodeneigenschaften nicht direkt vergleichbar. ..........................................32
Abbildung 16. Beziehung zwischen der Anzahl der Wurzeln pro cm2 (Bruchkernmethode)
und der Wurzellängendichte (Wurzelscans) für Warmse (links) und Söllingen (rechts) in
den Jahren 2015 und 2016. ..................................................................................................33
Abbildung 17. Beziehung zwischen Kornertrag und dem prozentualen Anteil der Wurzeln
in 0-30 cm (links) und 60-90 cm (rechts) am Standort Warmse 2015 (oben) sowie
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Beziehung zwischen Kornertrag und Wurzellängendicht in 60-90 cm am Standort
Söllingen 2016. *p <0.05, **p <0,01. .....................................................................................36
Abbildung 18. Links: Beziehung zwischen CATD (gemessen am 8. Juni) und
Wurzellängendichte in 0-30 cm am Standort Söllingen 2016. Rechts: Beziehung zwischen
CWSI (gemessen am 15. Juni) und Wurzellängendichte in 60-90 cm am Standort
Söllingen 2017. *p <0,05. .....................................................................................................39
Abbildung 19. Stündliche Mittelwerte der Lufttemperatur (a) und der Temperaturdifferenz
(b) zwischen der Lufttemperatur im Tunnel und der Außentemperatur während der Dauer
der Hitzestressbehandlung in Tagen nach Tunnelschließung. ..............................................41
Abbildung 20. Stundenwerte der Transmission der Globalstrahlung in den drei
Versuchsjahren über den Zeitraum der Hitzestressbehandlung für die Tage nach
Tunnelschließung. ................................................................................................................42
Abbildung 21. Kornertrag (a), Biomasseertrag (b) und Ernteindex (d) unter Freiland- und
Hitzestressbedingungen sowie Kornertragsverlust (c) für 2015, 2016 und 2017. Säulen
mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant für p <0,05. ......................42
Abbildung 22. Prolingehalt (a), Osmolalität (b) und Gesamtgehalt löslicher Zucker (c)
unter Freiland- und Hitzestressbedingungen in den Versuchsjahren 2015, 2016 und 2017.
Säulen mit unterschiedlichen Buchstaben innerhalb der Jahre unterscheiden sich
signifikant für p <0,05. ..........................................................................................................45
Abbildung 23. Zusammenhang zwischen Prolingehalt (a), Osmolalität (b) Gesamtgehalt
löslicher Zucker (c) und Kornertrag unter Hitzestressbedingungen in den Versuchsjahren
2015, 2016 und 2017. ..........................................................................................................45
Abbildung 24. Unterschiedliche Reaktion von ‘JB Asano‘ (links) und „Strohnutzungstyp“
(rechts) 4, 11, 12, 13, 17 und 27 Tage nach Tunnelschließung im Versuchsjahr 2017. ........47
Abbildung 25. Verlauf des Chlorophyllabbaus (als Median) während der
Hitzestressbehandlung und danach im Vergleich zu der Freilandkontrolle in den Tagen
nach Tunnelschließung in den Versuchsjahren 2016 und 2017 aller 32 Genotypen. ............48
Abbildung 26. Zusammenhang zwischen der Bonitur des Chlorophyllabbaus und dem
Kornertrag an Tag 12 und 27 nach Tunnelschließung im Versuchsjahr 2016 (links) und
im Versuchsjahr 2017 (rechts). *p <0,05. ..............................................................................49
Abbildung 27. Zusammenhang der Tage zwischen Blühende und Tunnelschließung zum
Kornertrag (links) und der Tage zwischen Ährenschieben und Tunnelschließung zum
Kornertrag (rechts). ***p <0,001. ..........................................................................................49
- VIII -
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1. Übersicht der Genotypen des Kernsortiments und ihrer Verwendung. .................. 4
Tabelle 2. Bodenzahl und Bodenart der Standorte Warmse, Siestedt und Söllingen in den
verschiedenen Versuchsjahren (Quelle: Bodenschätzung). ..................................................12
Tabelle 3. Ergebnis der ANOVA-Analyse über den Kornertrag mit den Faktoren Umwelt
(Standort), Jahre und Genotyp. ............................................................................................17
Tabelle 4. Mittelwerte für agronomische Merkmale der sechzehn Winterweizengenotypen
des Kernsortiments an vier Standorten über drei Jahre. .......................................................20
Tabelle 5. Phänotypische Korrelationen zwischen dem Kornertrag und verschiedenen
agronomischen Merkmalen in zwölf Prüfumwelten ...............................................................21
Tabelle 6. Standort- und Jahresmittelwerte der WSC-Merkmale WSCmax (maximale WSC-
Menge), WSCmin (minimale WSC-Menge), MWSC (Verlagerter WSC-Gehalt), WRE
(WSC-Verlagerungseffizienz) und WCG (Anteil der WSC am Kornertrag). ...........................28
Tabelle 7. Beziehung zwischen Kornertrag und WSC-Parametern an den Standorten
Warmse und Söllingen in den Jahren 2015, 2016 und 2017 sowie dem Mittel aller Jahre. ...29
Tabelle 8. Standorte der Wurzelanalysen mit Informationen zu Bodenart, Bodentyp und
Besonderheiten der Standorte. .............................................................................................31
Tabelle 9. Standortmittel für Kornertrag (GY, t ha-1), Gesamtwurzellänge (GWL, cm cm-2),
Wurzellängendichte (cm cm-3) und prozentualen Anteil je Tiefenabschnitt (%) für zwölf
Genotypen an fünf Standorten, sowie F-Werte der fixen Effekte aus der Varianzanalyse.
Freiheitsgrade: Genotyp = 11, Standort = 4, Genotyp × Standort = 44. ................................34
Tabelle 10. Beziehung zwischen Kornertrag und Wurzellängendichte sowie prozentualem
Anteil je Bodentiefenabschnitt (cm) an der Gesamtwurzellänge für 12 Genotypen in 5
Umwelten .............................................................................................................................35
Tabelle 11. Liste der Bestandestemperatur (CT)-Messtermine mit Informationen zur
Messmethode und den berechneten CT-Parametern, sowie zu den Signifikanzen der
Korrelationen zwischen CT-Parametern und den erfassten Wurzelparametern für
verschiedene Bodentiefenabschnitte (cm). ...........................................................................38
Tabelle 12. Ertragsparameter von 32 Weizengenotypen unter Hitzestress und
Freilandbedingungen sowie Kornertragsverluste für drei Versuchsjahre. .............................43
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Abkürzungen
b Regressionskoeffizient
BBCH Code für das morphologische Entwicklungsstadium der Biologischen Bun-
desanstalt, Bundessortenamt und Chemischen Industrie
BRA-F Braunschweig feucht (Versuchsstandort)
BRA-T Braunschweig trocken (Versuchsstandort)
CATD Canopy Air Temperature Difference
CIMMYT Centro Internacional de Mejoramiento de Maiz y Trigo
CO2 Kohlenstoffdioxid
CWSI Crop Water Stress Index
IRT Infrarotthermometer
JKI Julius Kühn-Institut
LAI Leaf Area Index (Blattflächenindex)
LAImax maximaler Blattflächenindex
MSI Moisture Stress Index
MWSC verlagerte WSC-Menge
NDVI Normalized Difference Vegetation Index
NDWI Normalized Difference Water Index
nFK nutzbare Feldkapazität in %
NIR Nahes Infrarot
Nmin Gehalt an verfügbaren mineralisiertem Stickstoff im Boden
r Korrelationskoeffizient
r2 Bestimmtheitsmaß
ROS angereicherte reaktive Sauerstoffspezies
SAVI Soil-adjusted Vegetation Index (bodenbereinigter Vegetationsindex)
SDK Software Development Kit
SÖL Söllingen (Versuchsstandort)
SPAD Soil & Plant Analyzer Development (Dimensionsloser Index-Wert des SPAD
502-Chlorophyllmeters, welcher mit dem realen Chlorophyllgehalt korreliert)
SR Strube Research GmbH & Co KG
SRWI Simple Ratio Water Index
SWIR Short Wavelength Infrared
TI Johann Heinrich von Thünen Institut
TKM Tausendkornmasse [g]
VIS Sichtbares Licht
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WAR Warmse (Versuchsstandort)
WCG Anteil der WSC am Kornertrag
WRE Verlagerungseffizienz
WSC Water Soluble Carbohydrates (wasserlösliche Kohlenhydrate)
WSCmax maximale WSC-Menge
WSCmin minimale WSC-Menge
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I. Kurze Darstellung
I.1 Aufgabenstellung
Der derzeit ablaufende Klimawandel wird die Wasserversorgung unserer Kulturpflanzen auch
in der gemäßigten Klimazone Mitteleuropas beeinflussen und die Pflanzen tendenziell stei-
genden Temperaturen aussetzen. Unter dem CO2-Emissionsszenario A1B (keine Klimapolitik;
IPCC 2014) prognostiziert der Deutsche Klimaatlas (DWD, 2018) während der nächsten 50
bis 100 Jahre eine kontinuierliche Erwärmung in allen Jahreszeiten und einen leichten Rück-
gang der Niederschläge in den Sommermonaten (Juni bis August). Der Temperaturanstieg
wird über eine Zunahme der Evaporation und Transpiration den Wasserverbrauch von Wei-
zenkulturen erhöhen, wobei bislang keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, welcher Teil
dieses Mehrverbrauchs durch den „Wasserspareffekt“ der zunehmenden CO2-Konzentration
ausgeglichen werden kann. Mit der Züchtung trocken- und hitzetoleranter Sorten soll dem Kli-
mawandel Rechnung getragen und vor allem sollen die Erträge in Jahren mit überdurchschnitt-
lichen Trocken- oder Hitzestresssituationen abgesichert werden.
Das Projekt verfolgte das Ziel, die Trocken- und Hitzetoleranz von Weizengenotypen mit Hilfe
Multikopter-gestützter Sensortechniken (Infrarotthermometrie, Reflexionsspektrometrie) in ho-
her zeitlicher und räumlicher Auflösung zu beurteilen. Das Potenzial der Fernerkundungsdaten
reicht weit über die Vorhersage des Kornertrags unter Trockenstress hinaus. Zusammenhänge
z. B. zwischen Bestandstemperatur und Wurzelwachstum sollten ebenso untersucht werden
wie die Eignung fernerkundlicher Daten für die Phänotypisierung.
Neben dem Potenzial der fernerkundlichen Daten interessierte auch die Frage, ob trockento-
lerante Genotypen eine bestimmte genetische Struktur oder eine charakteristische Phänologie
aufweisen (Linien vs. Hybriden, Kurzstroh vs. Langstroh, frühe vs. späte Sorten etc.). Das
besondere Interesse galt dabei genotypischen Unterschieden im Wasserhaushalt, die aus ei-
ner unterschiedlichen Tiefe und Intensität der Durchwurzelung herrühren können. Deshalb
stellten umfangreiche Untersuchungen der Wurzelentwicklung unter laufender Beobachtung
des Bodenwassergehaltes einen Schwerpunkt des Projekts dar. Dabei wurde auch untersucht,
ob signifikante Zusammenhänge zwischen der Wurzelentwicklung und oberirdisch gemesse-
nen Pflanzeneigenschaften bestehen, aus denen sich neue Möglichkeiten zur indirekten Se-
lektion auf Wurzeleigenschaften ableiten lassen.
I.2 Voraussetzungen, unter denen das Vorhaben durchgeführt wurde
Die Arbeiten des Thünen-Instituts für Agrartechnologie (TI) konzentrieren sich auf Techno-
logien und Produktionsmethoden für eine nachhaltige Agrarproduktion. Das Institut besitzt
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langjährige Erfahrungen in der Auswahl von Sensoren, im Entwurf und Aufbau komplexer
Mess- und Automatisierungssysteme, in der berührungslosen Temperaturmessung, der spekt-
ralen Reflexionsmessung, der Computer-Bildanalyse und in der bodenphysikalischen Analyse.
Das Institut verfügt über ein Elektrolabor, ein Optolabor, analytische Labore, ein bodenphysi-
kalisches Labor und eine feinmechanische Werkstatt, jeweils mit erfahrenem technischen Per-
sonal. Das Thünen-Institut verfügt über eine hochwertige Thermografiekamera (Infratec/Jen-
optik VarioCam hr inspect 680) und die Oktokopter-basierte Sensor-Plattform ThünoCopter.
Aus dem Projekt AQUARIUS (Förderung EU und Land Niedersachsen) liegen eigene Erfah-
rungen im Zusammenhang von Bestandstemperatur und Ertrag bei Winterweizen vor.
Die Arbeiten des JKI Instituts für Pflanzenbau und Bodenkunde (JKI) konzentrieren sich
auf grundlegende und angewandte Fragen der landwirtschaftlichen Primärproduktion und des
Schutzes ihrer natürlichen Ressourcen, wobei der Klimaanpassung der landwirtschaftlichen
Produktion eine wichtige Bedeutung zukommt.
Zu den Forschungsschwerpunkten der letzten Jahre gehörten die angewandte Ertragsphysio-
logie mit besonderer Berücksichtigung des Wasserhaushalts von Kulturpflanzen und die Wur-
zelentwicklung von landwirtschaftlichen Kulturen unter dem Einfluss agronomischer Maßnah-
men wie Bodenbearbeitung und Düngung anhand von Gefäßversuchen, Dauerfeldversuchen
und Praxiserhebungen.
Das Institut besitzt die für eine erfolgreiche Durchführung von Trockenstressversuchen erfor-
derlichen Standortvoraussetzungen, Infrastruktur (u.a. mobile Rain-out Shelter) und wissen-
schaftliche Expertise. Das Institut trägt darüber hinaus die Herausgeberschaft des „Journal of
Agronomy and Crop Science“ welches schwerpunktmäßig Forschungsergebnisse zu den The-
men abiotischer Stress und Klimawandel publiziert.
Die Strube Research GmbH & Co KG (SR) verfügt über eine über 140-jährige Erfahrung in
der Pflanzenzüchtung und ist Gesellschafterin der Saaten Union GmbH. Im Verbund der Saa-
ten Union GmbH werden aktuelle Sorten vermarktet und Hybridsaatgut erzeugt. Die aktive
Züchtung der Strube Research GmbH & Co KG umfasst die Fruchtarten Weizen, Zuckerrüben
und Sonnenblumen. Beispiele aktueller Weizensorten aus dem Hause Strube sind ‘Rumor‘,
‘Ponticus‘, ‘Lennox‘ und ‘Servus‘. Das Unternehmen verfügt im Rahmen seiner aktuellen Züch-
tungsarbeit über einen umfangreichen Pool an Genotypen mit teilweise deutlich unterschiedli-
cher Trocken- und Hitzetoleranz. Es verfügt über Versuchsflächen und die Kompetenz und die
Ausstattung zur Planung und Durchführung von Anbauversuchen, Bonituren und zu einigen
Analysen des Ernteguts.
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Für die Züchtung von leistungsfähigen Sorten aus einer großen Grundgesamtheit von
Zuchtstämmen sind ein zielgerichteter Anbau dieser Zuchtstämme und die fortlaufende Beur-
teilung einer Vielzahl von Eigenschaften unabdingbar. Zu diesem Zweck werden Parzellen
verschiedener Größen und für unterschiedliche Fragestellungen routinemäßig angebaut. Die-
ses Wissen hat sich Strube Research über viele Jahrzehnte hinweg angeeignet und kontinu-
ierlich ausgebaut. Strube Research verfügt über Kontakte zu Landwirten, deren Böden unter-
schiedlich stark zur Trockenheit neigen, und konnte für die Versuche geeignete Flächen an-
pachten.
I.3 Planung und Ablauf des Vorhabens
Die Arbeiten im Rahmen des Phaenokopter-Projektes waren in die vier Teilbereiche "Praxis-
versuche", "Versuche am Kernsortiment", "Wurzelanalysen" und "Hitzestressversuch" aufge-
teilt, welche im Folgenden kurz beschrieben werden.
I.3.1 Praxisversuche auf Selektionsstandorten
Ziel des Projektes war die Untersuchung der Reaktion von Winterweizen auf Trockenstress
mit Hilfe der Fernerkundung. Die Auswahl der Standorte (Warmse, Siestedt und Söllingen)
erfolgte mit dem Ziel, möglichst einen moderaten bzw. starken Trockenstress beobachten zu
können. Das Projekt umfasste drei Zuchtstammprüfungen (Versuche 80, 81 und 89) und zwei
Sortimentsprüfungen (Versuche 161 und 162). Die Zusammensetzung der Zuchtstammprü-
fungen wechselte jährlich, wohingegen die Genotypen in den Sortimentsprüfungen über die
drei Jahre angebaut und untersucht wurden. An allen Standorten beinhalteten die Zucht-
stammprüfungen drei Versuche mit je 46 Genotypen und die Sortimentsprüfungen zwei Ver-
suche mit je 60 Genotypen welche mit je vier Vergleichssorten in dreifacher Wiederholung
angebaut wurden. Insgesamt wurden in den drei Jahren 450 Genotypen geprüft. Die Parzel-
lengröße betrug je nach Arbeitsbreite 5-6 m². Die durch SR und TI erhobenen Parameter wa-
ren Entwicklungsstadien, fernerkundliche Parameter, Kornertrag, Ertragskomponenten und
Qualitätsmerkmale. Die Anlage und Durchführung der Versuche, sowie die Aufnahme der phä-
nologischen Merkmale lag in der Verantwortung von SR. Verantwortlich für die Fernerkundung
war das TI. In der ersten Projektphase führte das Thünen-Institut eine Markterkundung für die
benötigten Kameras durch, beschaffte diese, erweiterte und ertüchtigte die ThünoCopter-Platt-
form und integrierte die Kameras auf dem ThünoCopter. Diese Arbeiten erforderten einen so
hohen Aufwand, dass die Befliegungen mit den neu beschafften Messkameras erst ab dem
zweiten Versuchsjahr stattfinden konnten. In den Versuchsjahren 2016 und 2017 wurden ins-
gesamt etwa 90 Messflüge durchgeführt. Für die fernerkundlichen Untersuchungen wurde der
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am TI entwickelte ThünoCopter mit einer Multispektralkamera von VRmagic, einer SWIR-Ka-
mera von Xenics und einer Thermalkamera ebenfalls von Xenics eingesetzt.
I.3.2 Versuche am Kernsortiment
Die Betreuung von Rain-out Sheltern und bewässerter Kontrolle in Braunschweig sowie die
zusammenfassende Auswertung sämtlicher Versuche des Kernsortiments in Braunschweig,
Warmse und Söllingen in den Jahren 2015, 2016 und 2017 oblag dem JKI. Hauptziel dieser
Versuche war die Prüfung der Trockentoleranz des 16 Genotypen umfassenden genetisch
divergenten Kernsortimentes bestehend aus unterschiedlichen Sortentypen (Hybriden und Li-
niensorten) mit unterschiedlichen Halmlängen, Bestockungsgraden und geographischen Her-
künften unter Bedingungen unterschiedlicher Wasserverfügbarkeit (Tabelle 1).
Tabelle 1. Übersicht der Genotypen des Kernsortiments und ihrer Verwendung.
Genotyp Auswahlkriterium Genotypen-Gruppe† Wurzelanalysen‡
‘Hybery‘ Hybride Hybriden (H)
× ‘Hyland‘ Hybride × ‚Hystar‘ Hybride ‘Rumor‘ Bestandstyp
Deutsche Sorten (DS)
× ‘Memory‘ Bestandstyp × ‘Elixer‘ Einzelährentyp × ‘JB Asano‘ Einzelährentyp × ‘KWS Milaneco‘ Langwüchsig × ‘Gordian‘ Kurzwüchsig × „Strohnutzungstyp“ Langwüchsig
Zuchtstämme (ZS) ×
„Extremzwerg“ Kurzwüchsig × ‘Midas‘ Österreich
Europäische Sorten (ES)
‘Apache‘ Frankreich × ‘Psenica‘ Slowakei ‘Viktoriya Odesskaya‘ Ukraine × ‘MV Lucilla‘ Ungarn † Für die statistische Auswertung wurden die Sorten vier Genotypen-Gruppen zugeordnet. ‡ An den mit „ד gekennzeichneten Genotypen wurden verschiedene Wurzelparameter untersucht (vgl. I.3.3).
Der deutlichste Unterschied zwischen den 16 Genotypen des Kernsortimentes bestand im
Grad der Begrannung. Während die Sorten aus Süd- und Südosteuropa (mit Ausnahme der
französischen Sorte ‘Apache‘) durchweg lange Grannen aufwiesen, hatten die Hybriden
(deutsch-französischer genetischer Hintergrund) sowie die deutschen Sorten und
Zuchtstämme lediglich kurze oder gar keine Grannen. Durch Regenausschluss mit Hilfe von
Rain-out Sheltern (nFK 20-50 %) und Zusatzbewässerung (nFK >70 %) in Braunschweig so-
wie Verwendung von zwei hinsichtlich ihrer Wasserverfügbarkeit stark unterschiedlichen
Strube Research Selektionsstandorten (Warmse, WAR und Söllingen, SÖL) wurde die für eine
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Charakterisierung der Trockentoleranz erforderliche starke Differenzierung der Versuche ge-
schaffen. Neben der Wirkung von Trockenstress auf den Kornertrag wurden noch weitere ag-
ronomische und morphologische (Stroh- und Biomasseertrag, Ertragskomponenten, Wuchs-
höhe), phänologische (Schossbeginn, Blühbeginn, Blühende, Vollreife, Blühdauer, Kornfül-
lungsdauer), physiologische (Blattflächenindex, Chlorophyllgehalt, stomatäre Leitfähigkeit) so-
wie chemische (Saccharose, Glucose, Fructose, Fructane, N, C, Rohasche) Merkmale unter-
sucht. Die beiden unterschiedlich mit Wasser versorgten Versuche in Braunschweig (Abbil-
dung 1) wurden in der statistischen Auswertung als zwei unterschiedliche Standorte betrach-
tet: Braunschweig feucht (BRA-F) und Braunschweig trocken (BRA-T). Insgesamt ergaben
sich aus der Kombination von vier Standorten und drei Jahren 12 Prüfumwelten (Stand-
ort × Jahr-Kombinationen). In allen Prüfumwelten erfolgte ein Bodenfeuchtemonitoring mittels
des mobilen kapazitiven Rohrsonden-Messsystems „Diviner 2000“.
Die vier Standorte unterschieden sich jedes Jahr sehr stark in der Bodenfeuchte, während
Lufttemperatur, Globalstrahlung und andere klimatische Faktoren aufgrund der relativen räum-
lichen Nähe sehr ähnlich waren (Abbildung 3). Entgegen der ursprünglichen Planung wurden
die Gehalte der Stängel an wasserlöslichen Kohlenhydraten (water soluble carbohydrates,
WSC) in Warmse und Söllingen nicht nur zu einem, sondern zu mehreren Terminen zwischen
Blüte und Reife bestimmt. Auf diese Weise konnten die minimale WSC-Menge (WSCmin), die
maximale WSC-Menge (WSCmax), die verlagerte WSC-Menge (MWSC), die Verlagerungseffi-
zienz (WRE) sowie der Anteil der WSC am Kornertrag (WCG) berechnet werden. Die Kenntnis
dieser Größen ist wichtig zur Abschätzung der genotypspezifischen Bedeutung der WSC als
strategische Reserve für die Ertragsbildung unter Trockenbedingungen.
Abbildung 1. Anbau des Kernsortimentes in zwei Rain-out Sheltern (links) und einer benachbar-ten bewässerten Kontrolle (rechts) in Braunschweig.
- 6 -
I.3.3 Wurzelanalysen
An den Selektionsstandorten Warmse (2015-2017) und Söllingen (2016-2017) wurden durch
das JKI bei 12 Genotypen des Kernsortiments Wurzelanalysen durchgeführt (vgl. Tabelle 1).
Zu diesem Zweck wurden zum Zeitpunkt der Blüte insgesamt 500 Bohrkerne mittels Ramm-
kernsondierung entnommen und die Durchwurzelung nach der Bruchkernmethode (Smit et al.
2000) charakterisiert. Außerdem wurden an 50 Bohrkernen die Wurzeln mittels einer Wurzel-
waschanlage vom umgebenden Boden getrennt und gescannt. Mit Hilfe einer Bildanalysesoft-
ware wurde die Wurzellängendichte erfasst und mit den Ergebnissen der Bruchkernmethode
verglichen. Um den Einfluss von Wurzelparametern auf die Bestandstemperatur zu untersu-
chen, wurden die Ergebnisse der Wurzelanalysen mit den Messungen der Bestandstempera-
tur in Beziehung gesetzt, welche in jedem Versuchsjahr mit unterschiedlichen Messtechniken
erfasst wurde (siehe auch I.3.1 Praxisversuche auf Selektionsstandorten). Hierbei wurden
nicht nur die Bestandstemperaturmessung am Tag der Rammkernsondierung (bzw. die der
Sondierung zeitlich an der nächsten gelegenen Messung) genutzt, sondern auch frühere oder
spätere Messtermine mit in die Auswertung einbezogen.
I.3.4 Hitzestressversuch
Der Hitzestressversuch wurde zusätzlich zu den Praxisversuchen angelegt, um einen geziel-
ten Hitzestress in der Kornfüllungsphase direkt im Anschluss an die Blüte zu induzieren. Mit
Hilfe der Zuwendungen konnte von SR ein Filcair-Tunnel der Firma Nitsch erworben werden.
Die Maße betrugen 8,5 m × 49,5 m. Der Tunnel war mit einer Doppelschlauchfolie aus Po-
lyethylen sowie vier Lüftungssegmenten zur Temperaturregelung ausgestattet. Der Versuchs-
aufbau (Behandlung, Pflege, Bonituren) entsprach den Bedingungen der Praxisversuche. Auf-
grund der limitierten Fläche des Folientunnels wurde die Anzahl der Prüfglieder auf 32 be-
schränkt. Diese wurden in 4,5 m2 Parzellen in jeweils zweifacher Wiederholung angebaut. Die
Prüfglieder umfassen das Kernsortiment und 16 weitere Genotypen.
Während des Hitzestresses wurden kontinuierlich die Lufttemperatur, die Luftfeuchte, die Glo-
balstrahlung und die CO2-Konzentration in einem Intervall von 5 Minuten aufgenommen und
durch das TI online zur Verfügung gestellt. Im Tunnel mussten die Lufttemperatur und Luft-
feuchte an mehreren Stellen gemessen werden, um mögliche Temperaturgradienten erfassen
zu können. Im Tunnel befanden sich daher 16 Lufttemperatur- und Luftfeuchtesensoren, ein
Bodenfeuchte- und Bodentemperatursensor, ein CO2- sowie ein Globalstrahlungssensor. Im
Freiland auf der Kontrolle befanden sich lediglich ein Lufttemperatur- und Luftfeuchtesensor
sowie auch ein Bodenfeuchte-, ein Bodentemperatur- und ein CO2-Sensor. Die Integration
dieser Sensoren hat mehr Zeit in Anspruch genommen als geplant. Daher wurde der Tunnel
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in 2015 erst 14 Tage nach Blühende geschlossen. Zudem störten Sensorausfälle die Übertra-
gung der Daten. Daher begann die Aufzeichnung der Klimabedingungen in 2015 auch erst 3
Tage nach Tunnelschließung und endeten an Tag 9 nach Tunnelschließung. Durch ein Update
des Systems in den Wintermonaten konnte die Station in 2016 und 2017 zeitplanmäßig zum
Ende der Blüte und mit Tunnelschließung aufgebaut werden. Dank der Onlineübertragung der
Daten wurde bei einer Lufttemperatur >40 °C von SR die Lüftungselemente zur Temperatur-
regulierung geöffnet. Ziel war es, die Temperatur kontinuierlich bei 35 °C zu halten.
Neben der Erfassung von Kornertrag, Strohertrag und Biomasseertrag durch SR wurde wäh-
rend des Hitzestresses in 2016 und 2017 die Reaktion der Genotypen durch TI bildlich festge-
halten und daran der Chlorophyllabbau bonitiert. Im Jahr 2017 erfolgte durch JKI die Erfas-
sung der Anzahl grüner Blätter und des Gehaltes an Chlorophyll und an wasserlöslichen Koh-
lehydraten. Zusätzlich wurden Blühbeginn und -ende aufgenommen, und es wurden Messun-
gen von LAI und SPAD sowie die Analyse von WSC durchgeführt.
Am letzten Tag der Hitzestressbehandlung wurden von SR in den Versuchsjahren 2015, 2016
und 2017 Blattproben entnommen, und der Prolingehalt, die Osmolalität und der Gesamtgehalt
an löslichem Zucker bestimmt. Jede Probe umfasste fünf Fahnenblätter pro Parzelle, welche
in 1 cm Stücke geschnitten, auf Trockeneis gelagert und anschließend gefriergetrocknet wur-
den. Die Ninhydrin-Methode (Bates et al. 1972) wurde für den Gehalt an freien Prolinen und
die Anthron-Methode (Yemm & Folkes 1954) für den Gehalt an löslichen Zuckern verwendet.
Beide Methoden, Ninhydrin- und Anthron-Methoden, und die Methode, die zur Messung der
Osmolalität verwendet wurde, wurden in Wehner et al. (2015) beschrieben. Die Bestimmungen
der genannten Inhaltsstoffe wurde vom JKI, Institut für Stresstoleranz und Resistenz (Dr. C.
Balko, Groß Lüsewitz) durchgeführt.
I.4 Wissenschaftlicher und technischer Stand
Berührungslose Messungen und Fernerkundungsplattformen in der züchterischen Selektion
In der deutschen Pflanzenzüchtung werden berührungslose Messverfahren und fernerkundli-
che Methoden bisher praktisch nicht eingesetzt. Es gibt jedoch verschiedene Ansätze für so-
genannte Phänotypisierungsplattformen. Diese basieren auf ortsfesten Rahmen und erlauben
in der Regel nur Messungen auf kleiner Fläche, z. B. von Einzelpflanzen in Gewächshäusern.
Für züchterische Selektionsflächen kämen eher fahrbare Phänotypisierungsplattformen in
Frage, die aber bisher keinen Einsatz finden. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von unbe-
mannten Multikoptern eröffnet sich die Möglichkeit, fernerkundliche Methoden in großem Maß-
stab in der Selektion einzusetzen, und auf diesem Weg schnell und zerstörungsfrei Be-
standsparameter zu messen, die bisher wegen des hohen Aufwands nicht zugänglich waren.
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Die Erhöhung der Blatt- bzw. Bestandstemperatur stellt als spezifische, sensitive und kurzfris-
tig messbare Trockenstressreaktion einen flächenhaft messbaren Bioindikator für den Was-
serstatus der Pflanze dar. In verschiedenen Versuchen unter starken Trockenstressbedingun-
gen in Texas (Balota et al. 2007 und 2008), Mexiko (Saint Pierre et al. 2010), Israel (Blum et
al. 1989) und der Türkei (Bahar et al. 2008) konnte eine Korrelation der Bestandstemperaturen
von Weizen mit dem Kornertrag nachgewiesen werden. In eigenen Messungen des TI konnte
eine solche Korrelation auch unter norddeutschen Klimabedingungen gezeigt werden (Kraft et
al. 2013). Die Blatt- bzw. Bestandstemperatur lässt sich berührungsfrei mit Infrarotthermome-
tern (IRT) als Handmessgerät oder Einbauthermometer oder mit Thermografiekameras erfas-
sen.
Neben dem Wasserstatus können durch Messung der spektralen Reflexion in mehreren Wel-
lenlängen (VIS, NIR, SWIR) noch weitere für die Trockentoleranz relevante physiologische
Kenngrößen bewertet werden wie z. B. Biomasse, Blattflächenindex, Chlorophyllgehalt und
Reifegrad. Darüber hinaus können optische Wasserstressindizes (MSI, Hunt & Rock 1989; WI,
Penuelas et al. 1997) untersucht werden. Die Technik basiert auf dem Prinzip, dass bestimmte
Charakteristika eines Pflanzenbestandes mit der Absorption spezifischer Wellenlängen der
elektromagnetischen Strahlung (z. B. Bereiche des Nahen Infrarot für Wasser) in Beziehung
stehen. Die Gewinnung spektraler Daten von Pflanzen mit einem Feldspektrometer hat ge-
genüber traditionellen Labormethoden den Vorteil, dass die Messungen in situ, zerstörungs-
und kontaktfrei erfolgen können. Gutierrez et al. (2010) bestimmten bei Weizen am CIMMYT
in Mexiko verschiedene spektrale Reflexionsindizes. Zwischen einzelnen Wasserindizes und
dem Kornertrag bestanden signifikante Korrelationen.
Bedeutung hoher Lufttemperaturen auf Pflanzenwachstum und -entwicklung
Lufttemperaturen oberhalb des für das Pflanzenwachstum optimalen Bereichs können zu re-
versiblen und irreversiblen Schädigungen führen. Diese durch hohe Temperaturen hervorge-
rufene Stresssituation wird im Allgemeinen als Hitzestress bezeichnet. Die Intensität des Hit-
zestresses ist dabei von der Höhe des Temperaturanstieges und von der Dauer der Exposition
abhängig (Wahid et al. 2007). Weizen ist sehr empfindlich gegenüber hohen Temperaturen
(Satorre & Slafer 1999). Optimale Temperaturen für Weizen in der Blüte und in der Kornfül-
lungsphase liegen zwischen 12 °C und 22 °C (Farooq et al. 2011). Hitzestress wirkt sich je
nach Entwicklungsstadium in unterschiedlichem Maße aus. Die generative Phase ist wesent-
lich empfindlicher als die vegetative Phase, da Hitzestress direkt die Kornanzahl und das Tro-
ckengewicht beeinflusst (Wollenweber et al. 2003). Genauer betrachtet führen Temperaturen
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über 30 °C während der Blüte zu Blütenwurf (Wardlaw & Wrigley 1994), Pollensterilität, De-
hydrierung des Gewebes, geringerer CO2-Assimilation und erhöhter Photorespiration (Farooq
et al. 2011). Nach Wahid et al. (2007) ist die Photosynthese der empfindlichste Prozess, der
durch Hitzestress beeinflusst wird. Temperaturen >45 °C führen zu einer Hemmung des Pho-
tosystem II (Sharkey 2005). Vorausgegangen ist eine durch den Hitzestress hervorgerufene
erhöhte Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) (Mittler 2002). Diese ROS reduzie-
ren die Photosynthese durch die Zerstörung der Chloroplastenstruktur, diese verlieren ihre
Funktion und es kommt zu einer Reduktion des Chlorophyllgehaltes (Xu et al. 1995). Dieser
oxidative Stress führt zu Lipidperoxidation, die zu einem Proteinabbau, Membranabbau und
Enzyminaktivierung führt (Sairam et al. 2000). Die Folge ist eine verfrüht einsetzende Blattse-
neszenz (Harding et al. 1990). Ebenso beschleunigt Hitzestress die Entwicklung der Ähren
(Porter & Gawith 1999), wodurch die Anzahl der Ähren und die Anzahl der Körner pro Ähre
reduziert werden (Saini & Aspinall 1982).
Unter mitteleuropäischen Klimabedingungen gibt es bisher kaum Untersuchungen zu Hitze-
stress an Weizen in situ. Auch wenn bereits Hunderte von Stress induzierten Genen identifi-
ziert wurden, sind die Reaktionen der Pflanzen unter Stress so komplex, dass die Funktions-
weise dieser Gene letztlich nicht geklärt ist (Chaves et al. 2003). Es gibt Veröffentlichungen,
in denen Weizenbestände mit Hilfe von Heizstrahlern einer höheren Temperatur ausgesetzt
wurden (Fang et al. 2015), in denen Weizenbestände über Nacht mit einem reflektierenden
Blech bedeckt wurden, um die reflektierende Infrarotstrahlung des Bodens zurückzuwerfen
(Zhang et al. 2013) oder in denen die Anbauperiode so verschoben wurde, dass bestimmte
Entwicklungsphasen einem natürlichen Hitzestress und auch Trockenstress ausgesetzt waren
(Tewolde et al. 2006).
Bedeutung der Wurzeln für die Trockentoleranz
Die Wurzel als Organ der Wasseraufnahme ist für die Trockentoleranz von Pflanzen von be-
sonderer Bedeutung. Modellierungsstudien bei Weizen haben gezeigt, dass sich die Was-
seraufnahme durch Selektion auf ein tieferes und effektiveres Wurzelsystem signifikant ver-
bessern lässt (Manschadi et al. 2006, Liao et al. 2006). Kirkegaard et al. (2007) konnten bei-
spielsweise zeigen, dass 10 mm Wasser aus dem Unterboden nach der Blüte den Kornertrag
von Weizen um 0,6 t ha-1 erhöht. Wasson et al. (2012) gehen davon aus, dass eine höhere
Wurzellängendichte auch auf flachgründigen Standorten zu einer verbesserten Wasserauf-
nahme beitragen kann. Derzeit stehen jedoch noch keine geeigneten Methoden zur Hoch-
durchsatz-Phänotypisierung von Wurzelmerkmalen unter Feldbedingungen zur Verfügung. Da
konventionelle Wurzeluntersuchungen in größerem Maßstab sehr arbeits- und kostenintensiv
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sind, blieb die Wurzel in der züchterischen Selektion bisher so gut wie unberücksichtigt. Es
existieren jedoch erste Ansätze, Wurzelmerkmale mittels fernerkundlichen Methoden in situ
abzuschätzen. Lopes und Reynolds (2010) fanden beispielsweise einen signifikanten Zusam-
menhang zwischen Wurzeltrockenmasse und Bestandstemperatur bei Weizen.
I.4.1 Angabe bekannter Konstruktionen, Verfahren und Schutzrechte, die für die
Durchführung des Vorhabens genutzt werden
Im Projekt wurden marktverfügbare Flug- und Messtechnik eingesetzt. Eventuell dahinterste-
hende Schutzrechte wurden nicht geprüft. Im Projekt wurde ferner Saatgut von Zuchtstämmen
eingesetzt, an denen die Strube Research GmbH & Co KG und ihre Muttergesellschaft Rechte
besitzen. Im Übrigen wurden nur Kenntnisse und Verfahren aus der wissenschaftlichen Lite-
ratur oder Open Source Software eingesetzt.
I.4.2 Angabe verwendeter Fachliteratur, sowie der benutzten Informations- und Doku-
mentationsdienste
Die beteiligten Arbeitsgruppen im Thünen-Institut für Agrartechnologie und im JKI, Institut für
Pflanzenbau und Bodenkunde verfügen über eigene wissenschaftliche Literaturdatenbanken
für ihre Arbeitsgebiete. Die Endnote-Datenbanken im Thünen-Institut für Agrartechnologie und
im JKI, Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde wurden im Rahmen des Projekts erheblich
erweitert und enthalten je ca. 500 Referenzen zu verschiedenen das Projekt berührenden As-
pekten.
I.5 Zusammenarbeit mit anderen Stellen
Die Realisierung der einzelnen Teilprojekte war nur in Zusammenarbeit mit externen Partnern
möglich. Dazu gehören die Landwirte Henning Gottschalk (Warmser Bioenergie GmbH & Co.)
und Carl Christian Köhler (Siestedt Agrar GmbH), welche die Versuchsflächen an den Stand-
orten Warmse und Siestedt bereitgestellt haben. Die Versuchsflächen um den Standort Söllin-
gen wurden von den Landwirten Axel und Udo Maushake (Maushake GbR, Dobbeln), Anne
Sophie Burgdorf (Söllingen) und Constantin von Eltz-Rübenach (Anna und Constantin Eltz
GbR, Jerxheim) zur Verfügung gestellt. Weitere Kooperationen fanden mit der LUFA Nord-
West (Hameln) statt, welche die Bodenproben auf Nmin, Schwefel, Kalium und Phosphor un-
tersucht haben. Die Analysen der Blattproben (Prolin, Osmolarität, gesamtlösliche Zucker) aus
dem Hitzestressversuch wurden am JKI, Institut für Resistenzforschung und Stresstoleranz
unter der Leitung von Frau Dr. Christiane Balko durchgeführt. Das Versuchssaatgut stammte
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von verschiedenen Züchtern aus dem In- und Ausland. Durch das Zentrum für Agrarmeteoro-
logische Forschung des Deutschen Wetterdienstes (ZAMF-DWD) in Braunschweig wurden
Wetterdaten zur Verfügung gestellt für Zeiträume außerhalb der Anbausaison von Winterwei-
zen, in denen die mobilen Wetterstationen an den Versuchsstandorten nicht betrieben werden
konnten.
II. Eingehende Darstellung
II.1 Verwendung der Zuwendungen und des erzielten Ergebnisses im Einzelnen, mit
Gegenüberstellung der vorgegebenen Ziele
Die zugewiesenen Mittel sind wie vorgesehen für den Kopter, die Feldversuche, die Messun-
gen und Analysen sowie für die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung genutzt worden.
Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse dargestellt und den vorgegebenen Zielen
gegenübergestellt.
II.1.1 Versuchsstandorte, Böden und Wetter
Das Versuchsfeld mit den Rain-out Sheltern befindet sich am nordwestlichen Stadtrand von
Braunschweig, auf dem Gelände des Thünen- und des Julius Kühn-Instituts. Bedingt durch
die Rain-out Shelter ist der Standort festgelegt und wurde für den Trockenstressversuch am
Kernsortiment verwendet. Es handelt sich um einen schluffig-lehmigen Sand mit 35 Boden-
punkten. An den folgenden Standorten wurden die Praxisversuche für die Fernerkundung
(Warmse, Siestedt und Söllingen), Wurzelanalysen am Kernsortiment (Warmse und Söllingen)
und der Hitzestressversuch (Söllingen) realisiert. Der Standort Warmse ist ein Ortsteil der Ge-
meinde Meinersen im Landkreis Gifhorn. Die Region ist gekennzeichnet durch leichte, sandige
Böden (Bodenzahl 26 - 34) mit einem geringen Wasserhaltevermögen im Wurzelbereich. Der
Standort Siestedt gehört zur Stadt Oebisfelde-Weferlingen im Nordwesten des Landkreises
Börde. Die Region ist durch leichte bis mittelschwere Böden gekennzeichnet. Die Versuche
wurden auf sandigem (2015) bzw. schwerem (2016, 2017) Lehm angebaut. Der Standort
Söllingen befindet sich im Süden des Landkreises Helmstedt. Charakteristisch für diesen
Standort sind die schweren Lössböden (Bodenzahl 95-100) mit einem guten Wasserhaltever-
mögen. Die Versuchsflächen um Söllingen neigen weniger zu Trockenstress, weshalb die Ver-
suche in früher Mulchsaat als Stoppelweizen angebaut wurden, um den Stress für die Pflanzen
zu erhöhen. Die Auswahl der Schläge erfolgte in Zusammenarbeit der Projektpartner SR, JKI
und TI sowie mit den ortsansässigen Landwirten (Tabelle 2).
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Tabelle 2. Bodenzahl und Bodenart der Standorte Warmse, Siestedt und Söllingen in den ver-schiedenen Versuchsjahren (Quelle: Bodenschätzung).
Jahr Warmse Siestedt Söllingen
2015 34, Anlehmiger Sand (Sl4AL) 49, Sandiger Lehm (SL) 98, Lösslehm (L1Lo)
2016 26, Sand (S4AL) 53, Schwerer Lehm (LT) 98, Lösslehm (L1Lo) 2017 27, Sand (S4AL) 55, Schwerer Lehm (LT) 98, Lösslehm (L1Lo)
Zu Beginn des Projektes wurde ein Teil der Zuwendungen vom TI für den Aufbau von drei
Wetterstationen für die Praxisstandorte verwendet. In einem Intervall von fünf Minuten wurden
Lufttemperatur, Luftfeuchte, Luftdruck, Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Globalstrahlung,
Taupunkt und Niederschlagsmenge dokumentiert. Die Daten wurden im 15-Minuten-Takt an
einen Server übermittelt und standen für alle Projektpartner online zu Verfügung. Die Auswahl
eines geeigneten Solarmoduls, der Bau des Gerüstes, die Integration der Sensoren inklusive
Testphase sowie die Kommunikation über einen Server hat mehr Zeit in Anspruch genommen
als erwartet. Die Aufstellung der Wetterstationen in den Zuchtgärten erfolgte 2015 somit erst
ab Mitte Juni. In 2016 und 2017 erfolgte die Aufstellung der Wetterstationen bereits Mitte März,
und die Aufzeichnungen endeten kurz vor der Ernte.
Trotz der Distanz zwischen den Praxisstandorten (max. 70 km Luftlinie) konnten bezogen auf
die Lufttemperatur kaum Unterschiede zwischen den Wetterstationen festgestellt werden.
Auch die Wetterstation am Standort Braunschweig (anderes Modell, nicht aus dem Projekt
finanziert und vom JKI betreut), lieferte ähnliche Werte.
Abbildung 2. Lufttemperatur als Mittelwert in den Monaten März bis Juli der Versuchsjahre 2015, 2016 und 2017 über die Praxisstandorte zuzüglich dem Standort Braunschweig mit Angabe der Standardabweichung. Als Ersatzwerte wurden die Lufttemperaturen von nahegelegenen Wetter-stationen des Deutschen Wetterdienstes verwendet.
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Abbildung 2 zeigt die Lufttemperatur als Mittelwert in den Monaten März bis Juli der Versuchs-
jahre 2015, 2016 und 2017 über die Praxisstandorte zuzüglich des Standorts Braunschweig
mit Angabe der Standardabweichung. In 2015 lag die mittlere Lufttemperatur im Juni und Juli
über den Werten aus 2016 und 2017. Keine Unterschiede der mittleren Lufttemperatur wurde
hingegen zwischen den Jahren 2016 und 2017 in den Monaten April bis Juli festgestellt. Dem-
gegenüber war der März 2017 wärmer als der März 2016. Eine Auswirkung dieses eher unna-
türlichen Ereignisses auf den Weizen wurde jedoch nicht beobachtet.
Klimatische Unterschiede zwischen den Standorten wurden in der Niederschlagsmenge beo-
bachtet. Abbildung 3 zeigt die aufgezeichnete Niederschlagsmenge als Summe der Monate
März bis Juli der Versuchsjahre 2015, 2016 und 2017 an den Praxisstandorten zuzüglich des
Standortes Braunschweig (BRA-T abzüglich der durch die Rainout-Shelter abgehalte Nieder-
schlagsmenge, BRA-F einschließlich der Bewässerungsmenge).
Abbildung 3. Niederschlagsmenge (abzüglich der durch die Rainout-Shelter abgehaltene Nieder-schlagsmenge in BRA-T, einschließlich Bewässerung in BRA-F) als Summe der Monate März bis Juli in den Versuchsjahren 2015, 2016 und 2017 an den Praxisstandorten Söllingen (SÖL), Sies-tedt (SIE) und Warmse (WAR) sowie in Braunschweig im Rain-out Shelter (BRA-T) und bewäs-serter Kontrolle (BRA-F). Im Versuchsjahr 2015 wurden die mobilen Wetterstationen in Söllingen und Warmse erst Mitte Juni aufgestellt. Als Ersatzwerte wurden die Regenmengen von nahege-legenen Wetterstationen des Deutschen Wetterdienstes verwendet.
In 2015 fiel im Juni die Niederschlagsmenge sehr gering aus. Im Juli fielen hingegen an den
Standorten Söllingen und Siestedt bis zu 50 mm und an den Standorten Warmse und Braun-
schweig über 100 mm Niederschlag. In 2016 fielen an allen Standorten knapp 190 mm Nie-
derschlag. Ein Großteil davon wurde an den Standorten Söllingen, Warmse und Braunschweig
im Monat Juni gemessen. Am Standort Siestedt fielen bis zu 90 mm im Monat Mai. In 2017
gab es mit 280 bis 370 mm fast doppelt so viel Niederschlag wie in 2016. In Braunschweig
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wurden in den Monaten Mai bis Juli sogar bis zu 450 mm gemessen. Diese enormen Nieder-
schlagsmengen beeinträchtigten die Ernte an allen Standorten erheblich. Die geringeren Nie-
derschlagswerte bei BRA-T resultierten aus der Aktivierung des Rain-out Shelters bei einset-
zendem Niederschlag.
II.1.2 ThünoCopter, Kamerasysteme und automatische Bildanalyse
Ein Teil der Zuwendungen wurde vom TI in dem ThünoCopter-System angelegt. Es wurde
ausgebaut, weiterentwickelt und in unterschiedlichen Konfigurationen und unter verschiede-
nen Bedingungen getestet. Die Kamerasystemausstattung erfolgte mit dem Ziel,
Vegetationsindizes wie NDVI, SAVI, NDWI, NDII, NWI, SRWI und MSI berechnen zu können.
Spektrale Wellenlängen, die dafür notwendig sind, wurden nach ausgiebiger Literaturrecher-
che für 650 nm, 850 nm, 970 nm, 1.250 nm und 1.600 nm festgelegt. Ebenso sollten thermale
Aufnahmen Auskunft über die Bestandstemperatur geben. Um dies zu erreichen, wurde ein
Teil der Zuwendungen für den Erwerb von drei Kamerasystemen verwendet.
Kamerasystem 1 war ein Multispektralkamerasystem der Firma VRmagic. Bei diesem System
sind vier Kameras an einer Platine angeschlossen. Diese konnten gleichzeitig mit Hilfe eines
kleinen Bordcomputers, auf dem ein Linux-Betriebssystem lief, ausgelöst werden. Erweitert
wurde dieses System mit weitwinkligen Objektiven des Herstellers Kowa und Filtern, mit einer
Halbwertsbreite von 50 nm, der Firma Edmund Optics. Der in der Multispektralkamera inte-
grierte Chip des Typs Aptina MT9V024 ist aber nur im Bereich von 350-1.050 nm empfindlich,
daher wurde in das Kamerasystem 2 investiert. Das Kamerasystem 2 war eine SWIR-Kamera
des Typs Bobcat-640-GigE von der Firma Xenics und ist im Bereich von 900-1.700 nm emp-
findlich. Mit der Multispektralkamera konnten somit Aufnahmen in den Wellenlägen von
650 nm, 850 nm und 970 nm sowie zusätzlich eine Aufnahme im RGB-Bereich erstellt werden.
Aufnahmen im Bereich von 1.250 nm und 1.600 nm wurden mit der SWRI-Kamera erzeugt.
Dabei musste jedoch nach jedem Flug der Filter gewechselt werden, um Aufnahmen beider
Wellenlängen zu erstellen. Zur Erfassung der Bestandstemperatur fiel die Wahl des dritten
Kamerasystems auf die Thermal-Kamera Gobi-640-GigE der Firma Xenics. Diese weist eine
Temperaturempfindlichkeit von 50 mK auf und eine Messunsicherheit von ±2 K bzw. 2 %
wurde vom Hersteller garantiert. Zudem besitzen beide Kamerasysteme von der Firma Xenics
dieselbe SDK, was die Integration beider Kameras auf dem ThünoCopter sehr erleichtert hat.
Zwei Aspekte die am Erfolg des Projektes wesentlich beteiligt waren, waren die Installation
eines Gimbals und eines Lichtsensors. Mit Hilfe des Gimbals waren optimal orthogonale Auf-
nahmen möglich. Damit konnten Messflüge auch bei nicht optimalen Wetterbedingungen, wie
beispielsweise starkem Wind, durchgeführt werden. Der integrierte Lichtsensor war für die
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Messung der Sonneneinstrahlung der Umgebung zuständig, woraus die Belichtungszeit der
Kamera abgeleitet wurde. Damit konnten Messflüge auch bei wechselnden Lichtbedingungen
(Wolkenwechsel) durchgeführt werden. Mit beiden Erweiterungen ließen sich schwankende
Strahlungsintensitäten und Windgeschwindigkeiten berücksichtigen.
Alle thermischen bzw. spektralen Aufnahmen, die bei den Messflügen entstanden sind, wur-
den mit einer im Rahmen des Projekts am TI erstellten Bildanalyse-Software automatisch aus-
gewertet. Voraussetzung dafür war eine Mastertabelle, in der die Lage jeder Parzelle mit einer
Beet- und Fahrtnummer kodiert wurde. Im ersten Schritt suchte die Bildanalyse die stärkste
Kante und die stärkste Linie in jeder Aufnahme aus. Noch manuell erfolgte die Markierung der
weißen Referenzscheiben (Styroporscheiben). Die Bildanalyse suchte im nächsten Schritt pa-
rallel zur stärksten Kante die zwei Kanten des Beetes in der sich die markierte Referenz-
scheibe befand. Für die weitere geometrische Analyse des Bildes erfolgte mit Hilfe der Fourier-
Transformation die Ermittlung des Rasters der Fahrten. Zusammen mit der Mastertabelle der
Parzellen war nun eine genaue Bestimmung der Positionen aller Parzellen im Bild möglich und
es wurden nur ganze Parzellen markiert und auch nur dort, wo Versuchsparzellen waren und
keine Randparzellen (Abbildung 4). Da mehrere Aufnahmen je Zuchtgarten erstellt wurden
und es zu überlappenden Bildern kam, ermittelte die Bildanalyse nun die Parzellen, die sich
im Zentrum des Bildes befanden und gab den Grauwert der Kernparzelle aus (Abbildung 4).
Abschließend wurde jeder Parzelle ein Temperaturwert bzw. ein Reflexionswert der jeweiligen
Wellenlänge zugeordnet und zur weiteren Verrechnung in die Mastertabelle eingetragen.
Abbildung 4. Beispiel der Bildanalyse an einer Aufnahme bei 850 nm. Links die geometrische Analyse des Bildes und die Markierung der Parzellen. Rechts die Markierung der Kernparzellen, deren Grauwert ausgegeben wird.
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II.1.3 Praxisversuche auf Selektionsstandorten
Aufgabe der SR war es, die Standorte auszuwählen, das Saatgut zu beschaffen, die Aussaat
vorzubereiten und durchzuführen. Während der Vegetationsperiode kamen Pflegemaßnah-
men (Pflanzenschutz, Düngung, Ablängen der Parzellen) und die Bonituren hinzu. Es wurden
folgende Merkmale aufgenommen: Stand vor und nach Winter, Lückigkeit, Wüchsigkeit, Ju-
gendentwicklung, Blatthaltung und -stellung, Datum Ährenschieben, Wuchshöhe und Be-
standsdichte. Optional waren Blattvergilbungen und Krankheiten, wobei in den drei Versuchs-
jahren keine Krankheiten aufgetreten sind. Die Bonitur der Abreife konnte aus zeitlichen Grün-
den nicht durchgeführt werden. Es folgte die Ernte mit Parzellenmähdreschern, sowie die sta-
tistische Ertragsauswertung und die anschließende Aufbereitung für die Qualitätsuntersuchun-
gen (Tausendkornmasse, Hektolitergewicht, Protein- und Stärkegehalt, Fallzahl, Sedimentati-
onswert, Einstufung der Qualität). Anschließend wurden die Ergebnisse der einzelnen Ver-
suchsjahre den Projektpartnern in Form einer Mastertabelle zur Verfügung gestellt. Im Zusam-
menhang mit den Feldarbeiten wurde ein Großteil der Zuwendung für Personal-, Reise- und
Materialkosten verwendet. Insgesamt umfassten die Anlagen 2667 Parzellen mit einer Parzel-
lengröße von 5 m2 in Söllingen und 6,25 m2 in Warmse und Siestedt. Die Zuchtgärten setzen
sich aus fünf Versuchen zusammen. Dabei wurden verschiedene Zuchtstämme von SR (80er
Versuche, jährlich wechselnde Genotypen) sowie internationale Sorten und Stämme (V 161,
V 162) geprüft.
Kornertrag an den Selektionsstandorten
Neben den unterschiedlichen Niederschlagsmengen unterschieden sich die Standorte auch
hinsichtlich Bodentyp, Bodengüte und pflanzenverfügbarem Bodenwasser. Abbildung 5 zeigt
den Einfluss der unterschiedlichen Bodeneigenschaften auf den Kornertrag in den Versuchs-
jahren 2015, 2016 und 2017. Am Standort Warmse lag in den drei Jahren ein sandiger Boden
vor, der auch in allen drei Jahren den signifikant geringsten Kornertrag erbrachte. Am Standort
Siestedt lag ein sandiger bzw. schwerer Lehm, am Standort Söllingen ein Lösslehm vor. Le-
diglich im Versuchsjahr 2017 gab es zwischen den Standorten Söllingen und Siestedt einen
signifikant unterschiedlichen Kornertrag. Auf dem vermeintlich besseren Boden in Söllingen
lag der Kornertrag jedoch signifikant unter dem Kornertrag in Siestedt. Dies war vermutlich
den hohen Niederschlagsmengen und dem besseren Wasserhaltevermögen des Bodens, der
zu Staunässe geführt hat, geschuldet. Abbildung 5 verdeutlicht noch einmal die Heterogenität
des Kornertrages. Sowohl der Standort (Umwelt) als auch das Versuchsjahr, die Genotypen
und sämtliche Wechselwirkungen dieser drei Faktoren beeinflussten den Kornertrag signifi-
kant (Tabelle 3).
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Bestandstemperatur an den Selektionsstandorten
Ein Arbeitsziel war die Prüfung des Potenzials der Bestandstemperatur und der spektralen
Reflexion für die Selektion und die Ertragsvorhersage bei Weizen. Dabei stellte die Messung
der Bestandstemperatur ein großes Problem dar. Die für das Projekt beschaffte Thermoka-
mera, die erst im Versuchsjahr 2016 einsatzbereit war, konnte weder die Anforderungen des
Projektes, noch die angegebene Spezifikation erfüllen. Es fand während des Fluges eine ther-
male Kalibrierung statt, die dazu führte, dass die Bilder immer eine unterschiedliche Bildtem-
peratur aufwiesen. Eine Aussage über die absolute Parzellentemperatur der im gesamten
Zuchtgarten befindlichen Parzellen war damit nicht möglich.
Um dem Projektziel dennoch gerecht werden zu können, wurden durch TI andere Messme-
thoden angewendet. Im Jahr 2017 erfolgte die Messung der Bestandstemperatur mittels einer
Handkamera von InfraTec. Da die Messungen sehr aufwändig und zeitintensiv sind und an
mindestens zwei Standorten pro Tag angewendet werden sollten, wurde der Schwerpunkt der
Untersuchungen auf Versuch 161 gelegt. Abbildung 6 zeigt den Zusammenhang zwischen der
Canopy Air Temperature Difference (CATD) und dem Kornertrag und zwischen dem Crop Wa-
ter Stress Index (CWSI) und dem Kornertrag an den Standorten Söllingen, Siestedt und
Warmse als Mittel aus vier Messterminen zwischen dem Schossen und der Vollreife. Der
CWSI liegt definitionsgemäß im Bereich zwischen 0 (kein Stress) und 1 (maximaler Trocken-
stress). Demnach erbrachten Genotypen einen höheren Kornertrag, je geringer die CATD bzw.
der CWSI als Mittel vorlag. An allen drei Standorten war ein signifikanter Zusammenhang zwi-
schen dem Parameter und dem Kornertrag zu erkennen. Diese Zusammenhänge blieben mit
Abbildung 5. Kornertrag in den Versuchsjah-ren 2015, 2016 und 2017 an den Standorten Söllingen, Siestedt und Warmse. Unterschied-liche Buchstaben kennzeichnen signifikante Unterschiede p <0,05 zwischen den Standor-ten innerhalb der Versuchsjahre.
Tabelle 3. Ergebnis der ANOVA-Analyse über den Kornertrag mit den Faktoren Um-welt (Standort), Jahre und Genotyp.
FG F-Wert value Pr (>F) Sign.
Umwelt (U) 2 7421 <2e-16 ***
Jahr (J) 2 885 <2e-16 ***
Genotyp (G) 449 11,5 <2e-16 ***
U×J 4 501 <2e-16 ***
U×G 898 2,41 <2e-16 ***
J×G 307 3,85 <2e-16 ***
U×J×G 614 2,22 <2e-16 ***
***p <0,001.
- 18 -
maximal R² = 0,26 hinter den Erwartungen zurück. Die geringen Zusammenhänge waren ver-
mutlich zum einen auf die sehr hohen Niederschläge in dem Jahr und auf die bodenbedingt
geringe Durchwurzelungstiefe zurückzuführen. Ein Vergleich der Parameters CATD und Korn-
ertrag über die Standorte hinweg zeigt mit R² = 0,70 jedoch einen sehr engen Zusammenhang,
wobei die Zusammenhänge zur CATD deutlicher waren als zum CWSI.
Abbildung 6. Zusammenhang zwischen der Canopy Air Temperature Difference (CATD) und dem Kornertrag (links) und zwischen dem Crop Water Stress Index (CWSI) und dem Kornertrag (rechts) an den Standorten Söllingen, Siestedt und Warmse. *, ** und *** signifikant für p <0,05, p <0,01 und p <0,001; N = 4 Messungen.
Bestandsreflexion an den Selektionsstandorten
Zur Erfassung der Bestandsreflexion wurden -wie oben beschrieben- ein Multispektralkame-
rasystem von VRmagic und eine SWIR-Kamera von Xenics verwendet. Die Auswertungen der
Bilder ergaben, dass die Aufnahmen bei 975, 1.250 und bei 1.600 nm aufgrund von Kamera-
problemen nicht verwertbar waren. Deshalb konnten keine wassersensitiven Reflexionsindi-
zes berechnet werden. Mit Erfolg konnte in den Versuchsjahren 2016 und 2017 jedoch der
Vegetationsindex NDVI mit der Multispektralkamera aus der Bestandreflexion bei 650 und
850 nm berechnet werden. Für die Selektion und für die Ertragsvorhersage ergab die Auswer-
tung der Daten, dass das Mittel aus den im Juni stattgefundenen Messflügen sich am besten
eignet. Abbildung 7 zeigt den Zusammenhang zwischen NDVI_Juni und Kornertrag am Bei-
spiel von Versuch 162 an den Standorten Söllingen und Siestedt in 2016 (links) und an den
Standorten Söllingen, Siestedt und Warmse in 2017 (rechts). In beiden Versuchsjahren und
auch an allen Standorten lag ein signifikanter Zusammenhang zwischen den beiden Parame-
tern vor. Demnach wiesen Genotypen, die im Juni einen hohen NDVI aufwiesen auch einen
hohen Kornertrag auf.
Diese Aussage führt allerdings zu einer Selektion von Genotypen, die im Juni einen hohen
NDVI aufweisen. Am Standort Söllingen wurde jedoch festgestellt, dass planophile Genotypen
- 19 -
einen geringeren Kornertrag aufwiesen als erektophile Genotypen, wobei planophile Genoty-
pen auf Grund ihrer Blattstellung von sich aus einen höheren NDVI besitzen. Daher muss bei
der Berechnung der Ertragsvorhersage mittels NDVI auch die Blattstellung berücksichtigt wer-
den.
Abbildung 7. Zusammenhang zwischen NDVI_Juni und Kornertrag im Versuch 162 an den Stand-orten Söllingen und Siestedt in 2016 (links) und an den Standorten Söllingen, Siestedt und Warmse in 2017 (rechts). ** und *** signifikant für p <0,01 und p <0,001.
Die Blattstellung wurde durch SR bonitiert und verbesserte die Ertragsvorhersage leicht. Beide
Zusammenhänge, mit und ohne Berücksichtigung der Blattstellung, konnten in den Sorti-
mentsversuchen wesentlich besser beobachtet werden als in den Zuchtstammversuchen.
Dies lag im Wesentlichen daran, dass die Genotypen aus den Zuchtstammversuchen hinsicht-
lich ihrer Blattstellung schon so weit in der Züchtung vorrangeschritten waren, dass eine Dif-
ferenzierung der Genotypen auf dieser Ebene nur noch sehr schwer war. Die Zuchtstämme
erwiesen sich als überwiegend erektophil. Dennoch blieben die Zusammenhänge zwischen
NDVI_Juni und Kornertrag in Söllingen und Siestedt 2016 und in Söllingen 2017 unter den
Erwartungen. Lediglich Siestedt 2017 und Warmse 2017 lieferten brauchbare Ergebnisse.
II.1.4 Versuche am Kernsortiment
Der Korn-, Stroh- und Biomasseertrag war 2015 deutlich höher als in den folgenden Versuchs-
jahren (Tabelle 4). Im Jahresdurchschnitt wurden die niedrigsten und höchsten Kornerträge
von 7,4 t ha-1 in WAR und 10,6 t ha-1 in BRA-F erzielt. Die Kornertragsüberlegenheit von BRA-
F gegenüber BRA-T in Höhe von 41 % war auf eine um 29 % höhere Ährenzahl pro m2 und
eine um 8 % höhere Kornzahl pro Ähre zurückzuführen. Der LAImax war in SÖL doppelt so hoch
wie in BRA-T. Die Sorten ‘Hybery‘ und ‘Viktorya Odesskaya‘ repräsentierten die Extreme für
den Kornertrag. Die Hybriden hatten einen durchschnittlichen Kornertragsvorteil gegenüber
den deutschen Linien von 7,9 %. Der „Strohnutzungstyp" besaß nicht nur den höchsten Stroh-
ertrag, sondern auch den mit Abstand höchsten LAImax.
- 20 -
Tabelle 4. Mittelwerte für agronomische Merkmale der sechzehn Winterweizengenotypen des Kernsortiments an vier Standorten über drei Jahre.
Jahr/ Stand-ort/ Genotyp
Genotypen-gruppe‡
Korn- ertrag
Stroh- ertrag
Biomasse- ertrag
Ähren pro m2
Körner pro Ähre
TKM Ernte- index
Wuchs- höhe
LAImax&
(t ha-1) (t ha-1) (t ha-1) (Anz.) (Anz.) (g) (-) (cm) (m2 m-2)
2015 10,2a† 11,3a 21,5a 570a 39,1a 48,0a 0,471a 78,9a 5,55a 2016 7,6b 8,5b 16,1b 480c 39,2b 44,2b 0,475a 68,4b 4,36b 2017 7,6b 8,4b 16,0b 530b 41,4a 38,6c 0,475a 66,4c 4,04c Braunschweig feucht (BRA-F) 10,6a 10,3b 20,9a 583a 42,0a 43,7a 0,508a 72,5b 4,86b Braunschweig trocken (BRA-T) 7,5c 7,6d 15,0d 453d 38,9b 42,7b 0,497b 63,1c 3,03d Warmse (WAR) 7,4c 8,8c 16,2c 515c 36,8c 43,9a 0,458c 71,6b 4,56c Söllingen (SÖL) 8,4b 11,0a 19,4b 555b 41,9a 44,2a 0,431d 77,7a 6,15a ‘Hybery‘ H 10,0a† 9,9bc 20,0a 545de 41,3cd 45,8d 0,501a 74,5bcd 4,84b ‘Hyland‘ H 9,5b 9,6cde 19,1abc 520efg 47,5a 41,0g 0,500a 72,5cd 4,58cdef ‘Hystar‘ H 9,3bc 9,4cdef 18,6bcd 637a 36,3efg 43,5f 0,497a 67,6e 4,80bc ‘Rumor‘ DS 9,2bc 9,4cdef 18,6bcd 590bc 39,9d 41,1g 0,494a 71,9d 4,43gef ‘Memory‘ DS 9,2bc 9,2efg 18,4cd 569cd 42,8bc 39,8g 0,501a 64,7e 4,65bcde ‘Elixer‘ DS 9,5b 9,8cd 19,3ab 528ef 44,0b 43,7ef 0,491ab 72,4cd 4,85b ‘JB Asano‘ DS 8,7de 9,5cdef 18,2cd 504fgh 37,0ef 49,9ab 0,476bc 71,7d 4,74bcd ‘Gordian‘ DS 8,9cd 9,3def 18,2cd 504fgh 46,9a 40,1g 0,491a 66,8e 4,60cdef ‘KWS Milaneco‘ DS 8,1f 10,5ab 18,7bcd 486h 37,0ef 48,9ab 0,438g 81,1a 4,56def ‘Midas‘ ES 8,1f 9,7cde 17,8d 493gh 40,1d 45,3de 0,458def 77,0b 4,40fg ‘Apache‘ ES 8,3f 8,2h 16,5e 610ab 35,1fgh 40,5g 0,502a 61,2f 4,52def ‘Psenica‘ ES 7,9f 9,0fg 16,6e 474hi 40,4d 45,2de 0,468cd 75,0bc 4,71bcd ‘MV Lucilla‘ ES 7,4g 9,3def 16,7e 521efg 34,0h 46,2cd 0,449efg 76,8b 4,26g ‘Viktorya Odesskaya‘ ES 6,6h 8,1h 14,7f 480h 34,4gh 44,2ef 0,446gf 75,5b 4,22g „Strohnutzungstyp“ ZS 7,5g 11,0a 18,5bcd 449i 37,8e 47,6bc 0,401h 80,5a 5,69a „Extremzwerg“ ZS 7,4g 8,6gh 16,0e 519efg 44,0b 34,8h 0,461cde 51,0g 4,53def † Unterschiedliche Buchstaben kennzeichnen signifikante Unterschiede (p <0,05) zwischen Jahren, Umwelten oder Genotypen für ein bestimmtes Merkmal. ‡ H: Hybride; DS: Deutsche Sorte; ES: Europäische Sorte; ZS: Zuchtstamm. & LAImax: Maximaler Blattflächenindex.
- 21 -
Die große Bedeutung des Biomasseertrages für den Kornertrag war erkennbar an der engen
Korrelation von r = 0,60* bis r = 0,96*** zwischen diesen beiden Merkmalen (Tabelle 4). Dar-
über hinaus produzierten die drei Sorten mit dem höchsten Kornertrag (‘Hybery‘, ‘Hyland‘ und
‘Elixer‘) auch die größte Biomasse (Tabelle 4). Das zweitwichtigste Merkmal für den Kornertrag
war der Ernteindex. In einer Studie mit neun deutschen Winterweizensorten haben Rose et al.
(2017) ebenfalls eine enge Beziehung des Kornertrags mit dem Ernteindex (r2 = 0,77) und
Biomasseertrag (r2 = 0,61) festgestellt. Reynolds et al. (2017) schlugen strategische Kreuzun-
gen vor zwischen Eltern mit günstiger Ausprägung von Source- (z. B. Biomasseertrag und
Strahlungsnutzungseffizienz) und Sink-Merkmalen (z. B. Ernteindex, Anzahl Körner pro m2
und pro Ähre) unter Ausnutzung der vorhandenen großen genetischen Diversität z. B. in Form
von Landrassen.
Korrelationen mit dem Kornertrag
Die phänotypischen Korrelationskoeffizienten zwischen dem Kornertrag und anderen unter-
suchten Eigenschaften wurden nicht durch das Ertragsniveau beeinflusst (Tabelle 5).
Tabelle 5. Phänotypische Korrelationen zwischen dem Kornertrag und verschiedenen agrono-mischen Merkmalen in zwölf Prüfumwelten
Umwelt† Jahr Korn-ertrag
Korrelationen zwischen Kornertrag und
(t ha-1) Stroh-ertrag
Biom.- ertrag
Ähren pro m2
Körner pro Ähre
TKM Ernte- index
Wuchs-höhe
LAImax
BRA-T 2016 6,1 0,76** 0,92*** 0,49 0,42 0,43 0,18 0,33 0,56* WAR 2017 6,8 0,05 0,84*** 0,30 0,44 -0,09 0,85*** 0,13 -0,04 SÖL 2017 7,1 0,47 0,87*** 0,60* 0,03 0,52* 0,79** 0,07 0,20 BRA-T 2017 7,2 0,65* 0,62* -0,01 0,66* -0,25 -0,05 0,37 0,35 WAR 2015 7,6 0,19 0,73** 0,56* 0,36 -0,09 0,72** -0,25 0,14 WAR 2016 7,8 -0,37 0,60* 0,08 0,01 -0,01 0,86*** -0,25 -0,38 SÖL 2016 7,9 -0,10 0,61* 0,54* 0,37 0,19 0,81** -0,08 0,11 BRA-F 2016 8,6 0,63** 0,90*** 0,44 0,56* 0,09 0,41 0,44 0,64** BRA-T 2015 9,4 0,40 0,84*** 0,65** 0,61* -0,26 0,53* -0,08 0,46 BRA-F 2017 9,7 0,58* 0,96*** 0,24 0,69*** 0,16 0,88*** 0,23 0,26 SÖL 2015 10,2 0,25 0,89*** 0,34 0,06 0,23 0,91*** -0,07 0,49 BRA-F 2015 13,5 0,29 0,82*** 0,59* 0,23 -0,02 0,64** -0,24 0,52*
*p <0,05, **p <0,01, ***p <0,001. † BRA-T: Braunschweig trocken; BRA-F: Braunschweig feucht; WAR: Warmse; SÖL: Söllingen.
So war beispielsweise erwartet worden, dass die Ertragskomponente Ähren pro m2 in den
Hochertragsumwelten häufiger positiv mit dem Kornertrag korreliert als in den weniger ertrags-
starken Umwelten. Signifikante Zusammenhänge zwischen Korn- und Strohertrag gab es le-
diglich in Braunschweig, und zwar unabhängig vom Wasserregime. Dahingegen existierte eine
durchweg signifikante positive Beziehung des Kornertrags mit dem Biomasseertrag. Die TKM
- 22 -
als dritte Komponente korrelierte lediglich in einer Umwelt signifikant mit dem Kornertrag. Wäh-
rend die Pflanzenhöhe und der LAImax nicht oder nur in wenigen Umwelten signifikant mit dem
Kornertrag korrelierten, war die Beziehung von Ernteindex und Kornertrag in neun von zwölf
Fällen signifikant positiv.
Ertragsstabilität
Der mittlere Kornertrag sämtlicher Genotypen in jeder der zwölf Umwelten (= Umweltindex)
bewegte sich zwischen 6,1 und 13,5 t ha-1. Die vier Genotypen-Gruppen unterschieden sich
deutlich in ihrer Reaktion auf sich verbessernde Umweltbedingungen (Abbildung 8). Die Hyb-
riden hatten den höchsten mittleren Regressionskoeffizienten (b = 1,17), gefolgt von deut-
schen Sorten (b = 1,07), europäischen Sorten (b = 0,82) und Zuchtstämmen (b = 0,78). So-
wohl die Hybriden als auch die deutschen Sorten zeigten einen weitgehend parallelen Verlauf
der Regressionsgeraden. Nur die deutsche Sorte ‘JB Asano‘ (b = 1,23) kreuzte die Regressi-
onsgeraden anderer Genotypen aufgrund ihrer unterdurchschnittlichen Leistung in ertrags-
schwachen und überdurchschnittlichen Leistung in ertragsstarken Umwelten. Im Gegensatz
dazu zeigten die b-Werte der europäischen Sorten eine starke Variation für die Regressions-
koeffizienten, die von b = 0,61 für ‘Viktorya Odesskaya‘ bis b = 1,11 für ‘Apache‘ reichte. Die
vier Genotypen-Gruppen unterschieden sich auch in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Vor-
hersage ihres Kornertrags anhand der linearen Regression. Während die Hybriden und deut-
schen Sorten ähnliche und hohe r2-Werte von 0,92 bzw. 0,94 aufwiesen, lagen die entspre-
chenden Werte für die europäischen Sorten lediglich zwischen 0,55 und 0,94 bei einem mitt-
leren r2 von 0,78. Die beiden Zuchtstämme hatten ähnliche hohe b-Werte und identische r2-
Werte wie die europäischen Sorten.
In der vorliegenden Studie wurde die genotypspezifische Regression (��) auf den Umweltindex
(Finlay & Wilkinson 1963) zur Charakterisierung der Ertragsreaktion verwendet, während das
Bestimmtheitsmaß (���) als Ertragsstabilitätsparameter diente (Pinthus 1973). Die linke Seite
der Abszisse in Abbildung 8 umfasst weitgehend die Rain-out Shelter Versuche in Braun-
schweig (BRA-T) sowie den sandigen Boden mit niedrigerem Wasserspeichervermögen in
Warmse (WAR), während auf der rechten Seite der Abszisse die Umwelten mit guter Wasser-
versorgung (BRA-F) und einem großen Bodenwasserspeicher (SÖL) vertreten waren. Daher
spiegeln die berechneten ��-Werte hauptsächlich die genotypische Reaktion auf eine zuneh-
mend bessere Wasserverfügbarkeit wider. Die Steigung der Regression für Hybriden und in
geringerem Maße auch für die deutschen Linien war >1, was darauf hindeutet, dass diese
Sorten günstige Wachstumsbedingungen für die Produktion besonders hoher Kornerträge nut-
zen können.
- 23 -
Bemerkenswert ist, dass die Hybriden und die deutschen Sorten nicht nur in Umwelten mit
guter Wasserverfügbarkeit, sondern auch unter Bedingungen von Wasserknappheit höhere
Kornerträge erbrachten als die europäischen Sorten. Dies ist insofern überraschend, als die
europäischen Sorten in ihren Zielumwelten einem vergleichbaren oder stärkeren Trocken-
stress ausgesetzt sind als in den wasserlimitierten Umwelten der vorliegenden Studie. Mög-
licherweise wurde eine tatsächlich vorhandene Trockentoleranz durch mangelnde Adaptation
und/oder ein niedriges genetisches Ertragspotenzial maskiert. Die Hypothese einer schlechten
Adaptation wird gestützt durch abnehmende ��-Werte mit zunehmender Entfernung des Her-
kunftslandes von den Prüfumwelten in Deutschland. Während ‘Apache‘ (b = 1,11) und ‘Midas‘
(b = 0,86) aus den südwestlichen und südlichen Nachbarländern Deutschlands b-Werte ver-
gleichbar den deutschen Sorten aufwiesen, hatten ‘MV Lucilla‘ (b = 0,65) aus Ungarn und
‘Viktorya Odesskaya‘ (b = 0,55) aus der Ukraine deutlich niedrigere b-Werte.
Abbildung 8. Regression des Kornertrags der Genotypen aus den vier Genotypen-Gruppen auf den Umweltindex mit Mittelwerten und Standardabweichungen (SD; in Klammern) für Regressi-onskoeffizienten und Bestimmtheitsmaße. Die gestrichelten roten Linien repräsentieren einen hypothetischen Genotyp mit einer jeweils mittleren Ertragsreaktion (b = 1).
r = 0,78 (0,03)r = 0,78 (0,15)
r = 0,94 (0,04)r = 0,92 (0,01)
0 6 8 10 12 140
6
8
10
12
14Midas
Psenica Viktorya O.
MV Lucilla
Apache
Kor
nert
rag
(t h
a-1)
0
6
8
10
12
14
16
Hyland Hybery Hystar
Umweltindex Kornertrag (t ha-1)
JB Asano Rumor Memory
Gordian KWS Milaneco
Elixer
Hybriden Deutsche Sorten
Europäische Sorten
0 6 8 10 12 14 16
ExtremzwergStrohnutzungstyp
Zuchtstämme
2 2
b = 0,78 (0,05)
2
b = 1,17 (0,05) b = 1,07 (0,11)
b = 0,82 (0,20)
2
- 24 -
Sorten mit hoher Ertragsstabilität werden oft als solche mit hohem Durchschnittsertrag, mittle-
rem Response auf die Umweltindizes und geringer Abweichung von der Regression beschrie-
ben (Finlay & Wilkinson 1963). In der vorliegenden Studie war die Ertragsstabilität von Hybri-
den und deutschen Sorten nicht signifikant verschieden, aber signifikant höher als die der eu-
ropäischen Sorten. Eine Literaturstudie von Mühleisen et al. (2014) bei Weizen lieferte nicht
eindeutige Ergebnisse, die von höherer Ertragsstabilität von Liniensorten gegenüber Hybriden
bis zu keinen Unterschieden in der Ertragsstabilität der beiden Sortentypen reichten. Diese
Autoren stellen jedoch fest, dass einige Untersuchungen lediglich den Kornertrag der Liniens-
orten für die Berechnung des Umweltindex verwendeten. Falls die beiden Sortentypen eine
prinzipiell unterschiedliche Reaktion auf die Umweltmittelwerte aufweisen, wäre auf diese
Weise die Ertragsstabilität der Hybriden unterschätzt worden.
Korrelationen zwischen den Standorten
Die höchste positive Korrelation für den Kornertrag unter den sechs paarweisen Vergleichen
der vier experimentellen Prüfumwelten wurde zwischen BRA-F und SÖL gefunden
(� = 0,80**). Die gute Übereinstimmung der Ertragsleistung weist auf ähnliche Wachstumsbe-
dingungen an diesen Standorten hin. Trotz stark unterschiedlicher Bodentypen in BRA-F und
SÖL waren beide Standorte durch eine gute Wasserversorgung gekennzeichnet. Wasser ist
neben der Düngung (insbesondere mit Stickstoff) der wichtigste Wachstumsfaktor für Pflan-
zen. Die beiden Umwelten in Braunschweig hatten viele Gemeinsamkeiten wie z. B. klimati-
sche Faktoren (außer Niederschlag), Bodentyp und Nährstoffstatus, Vorfrüchte sowie Schäd-
lings- und Krankheitssituation. Über hohe paarweise phänotypische Korrelationskoeffizienten
für den Kornertrag von Winterroggen zwischen r = 0,57** und r = 0,73** berichteten Haffke et
al. (2015). Auch Ober et al. (2004) fanden eine enge Beziehung (r2 = 0,64) zwischen dem
Zuckerertrag von Zuckerrüben unter Trockenbedingungen und Bewässerung im Vereinigten
Königreich.
Eine Literaturstudie von Foulkes et al. (2011) ergab, dass die Züchtung auf Ertragspotenzial
auch unter moderatem abiotischem Stress möglich ist. Rizza et al. (2004) fanden unter typisch
mediterranen Bedingungen in Italien ebenfalls eine hochsignifikante Korrelation (r = 0,73***)
zwischen dem Kornertrag von Gerste mit und ohne Zusatzbewässerung. Diese Autoren spe-
kulieren, dass die Selektion unter günstigen Bedingungen (selbst in entfernten europäischen
Ländern) die Identifizierung von Genotypen ermöglichen würde, die gut an gemäßigte Tro-
ckenstressbedingungen im Mittelmeerraum angepasst sind. Vor diesem Hintergrund stellt sich
die Frage, ob eine Selektion unter Trockenstress überhaupt notwendig ist. Rizza et al. (2004)
weisen darauf hin, dass ohne Prüfungen unter Trockenstressbedingungen ein gewisses Risiko
- 25 -
besteht, dass solche Allele verloren gehen welche an der Ausprägung von Trockentoleranz-
Merkmalen beteiligt sind (z. B. niedriger Wuchs, reduzierte Blattfläche, verlangsamter Sto-
mataverschluß). Ceccarelli (1989) konnte bei Gerste zeigen, dass derartige spezielle Anpas-
sungen erst bei Kornerträgen von weniger als 2,0 t ha-1 wichtig werden, weil dann Genotypen
mit einem hohen Ertragspotenzial hinter den ertragsschwachen aber trockentoleranten Geno-
typen zurückbleiben.
Da die Heritabilität für den Kornertrag auf leichten Böden unter Trockenbedingungen häufig
sehr niedrig ist (Calhoun et al. 1994) wäre zu überlegen, ob nicht besser Rain-out Shelter auf
uniformen und tiefgründigen Lößboden für die Prüfung auf Trockentoleranz genutzt werden
sollten. Notwendig für den Einsatz in der Pflanzenzüchtung wären hierfür stationäre Rain-out
Shelter in Form hoher und großer Folientunnel, mit denen sich Trockenstress bei geringer
Veränderung des Mikroklimas simulieren lässt. Die Möglichkeit, dass die Wurzeln ungehindert
in große Tiefen wachsen können, ist eine wichtige Voraussetzung für die indirekte Selektion
Abbildung 9. Beziehung zwischen dem Kornertrag für alle paarweisen Vergleiche der vier Prü-fumwelten. Die phänotypischen Korrelationskoeffizienten wurden separate für die Jahre 2015 (r15), 2016 (r16) und 2017 (r17) berechnet. Die mittleren Korrelationskoeffizienten (��) wurden nach Olkin & Pratt (1958) korrigiert. *p <0,05, **p <0,01, ***p <0,001. BRA-T: Braunschweig trocken; BRA-F: Braunschweig feucht; WAR: Warmse; SÖL: Söllingen.
- 26 -
auf eine große Wurzeltiefe zur Erschließung von tiefem Bodenwasser mit Hilfe einfach mess-
barer Pflanzeneigenschaften wie beispielsweise Bestandstemperatur oder stomatäre Leitfä-
higkeit (Richards et al. 2010; Vgl. II.1.5 Wurzelanalysen).
Fernerkundliche Beobachtungen im Kernsortiment
Ebenso wie bei den Praxisversuchen wurde die Fernerkundung auch beim Kernsortiment ein-
gesetzt. Abbildung 10 zeigt den Zusammenhang zwischen dem NDVI zu Beginn der Abreife
und dem BBCH 89 (Reife) des Kernsortimentes unter bewässerten Bedingungen als auch
unter Trockenstressbedingungen. In den Versuchsjahren 2016 und 2017 war dieser Zusam-
menhang sehr deutlich. Genotypen, die früh in die Abreife gingen, zeigten auch früh einen
niedrigen NDVI. Die Bonitur des BBCH 89 war sehr aufwändig. Um den genauen Zeitpunkt
des BBCH 89 zu bestimmen, wurden die Genotypen mehrere Tage beobachtet und bonitiert.
Züchter haben zu diesem Zeitpunkt meistens selten die Zeit und das Personal für solche auf-
wändigen Arbeiten. Die fernerkundlichen Messungen zeigten, dass durch eine Überfliegung
des Zuchtgartens zu Beginn der Abreife eine sichere Aussage zum BBCH 89 möglich ist.
Abbildung 10. Zusammenhang zwischen BBCH 89 und NDVI zu Beginn der Abreife für Braun-schweig feucht (BRA-F; links) und Braunschweig trocken (BRA-T; rechts).
Bedeutung der Stängelreserven für den Kornertrag
An den Standorten Warmse und Söllingen wurden zwischen Blüte und Vollreife 3-5 Probenah-
men durchgeführt, um die WSC-Gehalte der Stängel zu bestimmen und daraus die WSC-
Mengen (in g m-2) zu berechnen (Abbildung 11). Es zeigte sich, dass die WSC-Mengen 1-3
Wochen nach der Blüte ihr Maximum erreichen und zum Zeitpunkt der Vollreife die geringsten
Werte vorliegen. Am Sand-Standort Warmse wurden im Gegensatz zum Löss-Standort Söllin-
gen deutlich mehr WSC aus den Stängeln in die Körner verlagert. Dies war auch so erwartet
worden, da die WSC-Verlagerung unter Stressbedingungen (wenn die Photosynthese durch
- 27 -
Trockenheit und/oder Hitze eingeschränkt ist) eine größere Bedeutung für die Ertragsbildung
hat (Yang et al. 2001).
Um die Standorte untereinander und auch zwischen den Jahren vergleichbar zu machen, wur-
den verschiedene WSC-Merkmale wie maximale WSC-Menge, minimale WSC-Menge, Anteil
verlagerter WSC, Verlagerungseffizienz sowie Anteil der WSC am Kornertrag berechnet (Ta-
belle 6). Bei den Standortmitteln zeigte sich, dass in Söllingen mehr WSC in den Stängeln
gespeichert wurden als in Warmse, allerdings auch mehr WSC in den Stängeln verblieben und
nicht für die Kornfüllung genutzt wurden. Deshalb war die Verlagerungseffizienz in Wamse mit
92 % signifikant höher als in Söllingen mit 84 %. Der höhere Beitrag der WSC zum Kornertrag
in Warmse ist mutmaßlich auf die dort vorherrschende stärkere Trockenheit zurückzuführen.
Neben den Standortunterschieden waren insbesondere die Unterschiede zwischen den unter-
suchten Genotypen deutlich ausgeprägt. Bei der minimalen WSC-Menge unterschieden sich
die Genotypen hochsignifikant (Abbildung 12 oben). Besonders auffällig war dabei der „Stroh-
nutzungstyp“, bei dem bei der Vollreife an beiden Standorten die größte WSC-Menge in den
Stängeln verblieb. Dagegen verblieben bei den Genotypen ‘Hystar‘, ‘Rumor‘ und ‘Apache‘ nur
sehr geringe WSC-Mengen in den Stängeln. Bei der Verlagerungseffizienz waren die Unter-
schiede zwischen den Genotypen ebenfalls hochsignifikant (Abbildung 12 unten). Der „Stroh-
nutzungstyp“ hatte die geringste Verlagerungseffizienz von 62 % in Warmse und 75 % in
Abbildung 11. Zeitliche Entwicklung der Mengen an wasserlöslichen Kohlenhydraten (WSC) in den Stängeln im Mittel über 16 Genotypen an den Standorten Warmse und Söllingen in den Jahren 2015, 2016 und 2017.
- 28 -
Söllingen. Dagegen wurden bei einigen Genotypen in Warmse über 95 % und in Söllingen
über 90 % der maximalen WSC-Menge in die Körner verlagert. Die Rangierung der Genotypen
bezüglich der WSC-Merkmale war an den beiden Standorten ähnlich, und demzufolge die Ge-
notyp × Standort-Interaktionen bei sämtlichen WSC-Merkmalen nicht oder nur niedrig signifi-
kant (nicht dargestellt). Die WSC-Verlagerung scheint demnach weitgehend genetisch fixiert
zu sein.
Tabelle 6. Standort- und Jahresmittelwerte der WSC-Merkmale WSCmax (maximale WSC-Menge), WSCmin (minimale WSC-Menge), MWSC (Verlagerter WSC-Gehalt), WRE (WSC-Verla-gerungseffizienz) und WCG (Anteil der WSC am Kornertrag).
Standort Jahr WSCmax
(g m-2) WSCmin
(g m-2) MWSC (g m-2)
WRE (%)
WCG (%)
Warmse 2015 237b† 26,5b 211a 89,3c 28,1a 2016 206c 14,7c 191bc 92,9ab 24,6b 2017 201c 12,4c 188c 94,0a 28,3a Mittel 215B† 17,9B 197A 92,1A 27,0A
Söllingen 2015 255a 48,4a 207ab 81,7d 21,3c 2016 237b 52,5a 185c 79,4e 24,1b 2017 190c 15,3c 175c 91,9b 25,4b Mittel 227A 38,8A 189A 84,3B 23,6B
† Unterschiedliche Klein- und Großbuchstaben in einer Spalte bedeuten signifikante Unterschiede innerhalb bzw. zwischen Umwelten für p <0,05.
Abbildung 12. Minimale WSC-Menge (oben) und Verlagerungseffizienz (unten) der 16 Genotypen des Kernsortimentes in Warmse und Söllingen im Mittel der Jahre 2015, 2016 und 2017 sowie Informationen zur geringsten signifikanten Differenz (p <0,05).
- 29 -
Bei der Berechnung des Anteils der WSC am Kornertrag wurde deutlich, welch große Bedeu-
tung die WSC-Verlagerung für den Kornertrag besitzt (Abbildung 13). In Söllingen stammten
1,1-2,4 t ha-1 des Kornertrages aus den verlagerten WSC, was einem Anteil von 16-34 % ent-
spricht. In Warmse lag dieser Anteil mit Werten zwischen 1,5 und 2,4 t ha-1 in einem ähnlichen
Bereich. Dies entspricht aber, da die Erträge in Warmse generell niedriger waren, einen pro-
zentualen Anteil von 21 bis zu 37 %.
Tabelle 7. Beziehung zwischen Kornertrag und WSC-Parametern an den Standorten Warmse und Söllingen in den Jahren 2015, 2016 und 2017 sowie dem Mittel aller Jahre.
Ort Jahr WSCmax WSCmin MWSC WRE
Warmse
2015 -0,06 -0,33 0,13 0,35 2016 0,16 -0,10 0,20 0,13 2017 0,22 -0,32 0,40 0,35 Mittel -0,34 -0,52* -0,09 0,51*
Söllingen
2015 -0,36 -0,59* 0,01 0,63** 2016 -0,36 -0,51* -0,06 0,57* 2017 0,14 -0,25 0,21 0,32 Mittel -0,34 -0,52* -0,04 0,55*
*p <0,05,**p <0,01.
Abbildung 13. Kornerträge der 16 Genotypen des Kernsortimentes in Söllingen und Warmse im Mittel der Jahre 2015, 2016 und 2017 sowie (schraffiert) Anteil der WSC am jeweiligen Korner-trag.
- 30 -
Beziehung zwischen WSC-Merkmalen und dem Kornertrag
Signifikante Korrelationen zwischen dem Kornertrag und WSC-Merkmalen lagen nur in Söllin-
gen 2015 und 2016 vor (Tabelle 7). Hier war der Kornertrag mit WSCmin negativ, mit WRE
(Verlagerungseffizienz) dagegen positiv korreliert. Am Standort Warmse standen WSC-Merk-
male in keinem der drei Versuchsjahre mit dem Kornertrag in Beziehung. Beim Mittel über alle
drei Jahre standen WSCmin und WRE an beiden Standorten mit dem Kornertrag in Beziehung.
Beim maximalen WSC-Gehalt sowie beim Anteil der verlagerten WSC wurden keine signifi-
kanten Korrelationen mit dem Kornertrag festgestellt.
Bei der Beziehung zwischen Kornertrag und minimaler WSC-Menge im Mittel der drei Ver-
suchsjahre zeigte sich an beiden Standorten, dass sich Genotypen mit relativ geringen WSC-
Mengen bei der Vollreife durch einen hohen Kornertrag auszeichnen (Abbildung 14). Dies ist
mutmaßlich durch die damit einhergehend hohe WSC-Menge bedingt, welche für die Kornfül-
lung genutzt wird. Bei diesen Korrelationen ragte der „Strohnutzungstyp“ deutlich heraus, bei
dem mit Abstand die meisten WSC in den Stängeln verblieben. Die Korrelationen waren je-
doch auch ohne den „Strohnutzungstyp“ signifikant (Daten nicht gezeigt). In Söllingen waren
es insbesondere die Sorten ‘Hybery‘, ‘Hystar‘, ‘Apache‘ und ‘Rumor‘ welche sich durch ein
geringes WSCmin und einen hohen Kornertrag auszeichneten. In Warmse waren die Effekte
nicht ganz so deutlich wie in Söllingen, da sich auch Genotypen mit geringeren Kornerträgen
durch geringen WSC-Mengen bei der Vollreife auszeichneten.
Abbildung 14. Beziehung zwischen Kornertrag und minimaler WSC-Menge für 16 Genotypen in Söllingen und Warmse im Mittel der Jahre 2015, 2016 und 2017.*p <0,05.
- 31 -
II.1.5 Wurzelanalysen
Standortbeschreibung
Wurzelanalysen wurden auf drei Feldern in Warmse und zwei Feldern in Söllingen mit unter-
schiedlichen Bodeneigenschaften durchgeführt (Tabelle 8).
Tabelle 8. Standorte der Wurzelanalysen mit Informationen zu Bodenart, Bodentyp und Be-sonderheiten der Standorte.
Standort/Jahr Bodenart Bodentyp Besonderheiten
Warmse 2015 Lehmiger Sand Gley aus Flusssanden Relativ tiefgründig für einen Sandstandort, kein Grundwasser
Warmse 2016 Sand Pseudogley Hoher Grundwasserstand, max. Wurzeltiefe 80 cm
Warmse 2017 Sand Podsol Hoher Grundwasserstand, max. Wurzeltiefe 70 cm
Söllingen 2016 Lösslehm Fahlerde-Tschernosem Tiefgründig, sehr hohe nutzbare Feldkapazität
Söllingen 2017 Lösslehm Podsolierter Tschernosem Tiefgründig, sehr hohe nutzbare Feldkapazität
Es zeigte sich erst im Nachhinein, dass nicht alle diese Felder gleichermaßen gut für die Wur-
zelanalysen geeignet waren. Während die Durchwurzelung in Warmse 2015 kaum einge-
schränkt war, limitierte ein hoher Grundwasserstand die Durchwurzelung dort in den beiden
Folgejahren sehr stark (Abbildung 15). Zur Ermittlung von maximalen Wurzeltiefen waren die
Versuchsfelder in Warmse in den Jahren 2016 und 2017 nicht geeignet. Die beiden Versuchs-
felder in Söllingen waren weder durch Grundwasser noch durch Bodenverdichtungen limitiert
und ermöglichten deshalb einen uneingeschränkten Wurzeltiefgang. Allerdings trat dort auf-
grund der sehr hohen nutzbaren Feldkapazität deutlich weniger Trockenstress auf (Abbil-
dung 15).
- 32 -
Kalibration der Bruchkernmethode mit Hilfe von Wurzelscans
An sämtlichen 500 Bohrkernen wurde die Wurzelzahl mit Hilfe der schnell durchzuführenden
Bruchkernmethode (Smit et al. 2000) ermittelt (ca. 30 Minuten pro Kern). Außerdem wurde in
den Jahren 2015 und 2016 an ca. 50 Kernen die Wurzellängendichte mittels Wurzelscans (ca.
1-2 Wochen pro Kern) gemessen. Sowohl in Warmse als auch in Söllingen war mit der Bruch-
kernmethode eine gute Vorhersage der Wurzellängendichte möglich (Abbildung 16). Aller-
dings muss dabei für jeden Standort eine eigene Kalibration durchgeführt werden. Die Bohr-
kerne weisen je nach Bodensubstrat ein unterschiedliches Bruchverhalten auf, welches unter-
schiedlich viele Wurzelenden an den Bruchkanten zurücklässt. Deshalb ergäbe die gleiche
Anzahl von Wurzeln cm-2 ohne Kalibration an unterschiedlichen Standorten unterschiedliche
Wurzellängendichten.
Abbildung 15. Verlauf der nutzbaren Feldkapazität (nFK) je Tiefe in den fünf Prüfumwelten. In Warmse 2016 und 2017 ist der durch anstehendes Grundwasser bzw. Bodenverdichtungen be-grenzte Wurzeltiefgang eingezeichnet. In den anderen Umwelten war die Durchwurzelung kaum eingeschränkt. Die Pfeile markieren den Zeitpunkt der Rammkernsondierung. Die nFK-Werte zwi-schen Warmse und Söllingen sind aufgrund unterschiedlicher Bodeneigenschaften nicht direkt vergleichbar.
- 33 -
Standortmittel der Wurzelparameter
Die Ergebnisse der Varianzanalyse zeigen deutlich den starken Einfluss von Standort und
Boden auf die untersuchten Wurzelmerkmale (Tabelle 9). Die Gesamtwurzellänge war in
Warmse generell höher als in Söllingen. Die Wurzellängendichte war in Warmse im Oberbo-
den ungewöhnlich hoch wohingegen unterhalb von 90 cm in 2015 und unterhalb von 60 cm in
2016 und 2017 kaum noch Wurzeln vorhanden waren. An diesem Standort war die Durchwur-
zelungstiefe in 2016 und 2017 durch das hoch anstehende Grundwasser deutlich einge-
schränkt (siehe Abbildung 15). In Söllingen war die Wurzellängendichte im Oberboden we-
sentlich geringer, im Unterboden dagegen deutlich höher als in Warmse. So waren in Söllingen
bis zu 50 % der Wurzeln unterhalb von 30 cm zu finden, während sich in Warmse 72-87 % der
Gesamtwurzelmasse in den oberen 30 cm konzentrierten.
Die Unterschiede zwischen den Genotypen hinsichtlich Gesamtwurzellänge, Wurzellängen-
dichte und prozentualem Anteil je Tiefenabschnitt waren ebenfalls signifikant, die Effekte wa-
ren jedoch deutlich geringer als die der Umwelten (Tabelle 9). Signifikante Unterschiede waren
hierbei vorwiegend bei der Gesamtwurzellänge sowie der Wurzellängendichte im Bereich 60-
90 cm zu verzeichnen.
Abbildung 16. Beziehung zwischen der Anzahl der Wurzeln pro cm2 (Bruchkernmethode) und der Wurzellängendichte (Wurzelscans) für Warmse (links) und Söllingen (rechts) in den Jahren 2015 und 2016.
- 34 -
Tabelle 9. Standortmittel für Kornertrag (GY, t ha-1), Gesamtwurzellänge (GWL, cm cm-2), Wurzellängendichte (cm cm-3) und prozentualen Anteil je Tiefenabschnitt (%) für zwölf Genotypen an fünf Standorten, sowie F-Werte der fixen Effekte aus der Varianzanalyse. Freiheitsgrade: Genotyp = 11, Standort = 4, Genotyp × Standort = 44.
Standort/Jahr GY GWL Wurzellängendichte Prozentualer Anteil je Tiefe (cm)
0-150 0-30 30-60 60-90 90-150 0-30 30-60 60-90 90-150
Warmse 2015 7,7a 455b† 9,2b 2,3ab 1,3b 0,1b 71,6c 17,2c 9,4c 1,0b Warmse 2016 7,9a 382c 9,0b 1,9c 0,1c - 82,8b 17,1c 0,2d - Warmse 2017 6,7c 667a 16,4a 2,2b 0,2c - 86,7a 11,7d 1,2d - Söllingen 2016 7,9a 352c 5,7c 2,3ab 1,2b 0,4a 57,6d 23,2b 11,6b 7,6a Söllingen 2017 7,2b 354c 5,0c 2,7a 1,7a 0,4a 50,0e 26,7a 16,3a 7,5a
Ergebnisse der Varianzanalyse Genotyp (G) 27,7*** 2,4** 2,3* 1,5 2,2* 0,6 1,5 1,1 2,6** 1,0 Standort (S) 22,7*** 124*** 282*** 4,5** 97*** 99*** 261*** 45,9*** 191*** 166***
G × S 4,0*** 1,7** 1,4 1,3 1,8** 1,6* 1,7** 1,2 1,7** 1,6**
*p <0,05, **p <0,01, ***p <0,001. † Werte mit unterschiedlichen Buchstaben in einer Zeile unterscheiden sich signifikant für p <0,05.
- 35 -
Beziehung zwischen Wurzelparametern und Kornertrag
Um Aussagen über mögliche Anpassungen der verschiedenen Genotypen an Trockenstress
zu ermöglichen, wurden Korrelationen zwischen Kornertrag und den untersuchten Wurzel-
merkmalen berechnet (Tabelle 10). Die engsten Korrelationen waren dabei in Warmse 2015
zu beobachten, wobei Wurzellängendichte sowie der prozentuale Anteil der Wurzeln in tieferen
Bodenschichten signifikant positiv mit dem Kornertrag in Beziehung standen. Der prozentuale
Anteil der Wurzeln im Oberboden war hingegen negativ mit dem Kornertrag korreliert. In
Warmse 2016 war es im Oberboden (0-30 cm) gegenüber dem Vorjahr genau umgekehrt:
Wurzellängendichte und prozentualer Anteil der Wurzeln im Oberboden waren hier signifikant
positiv mit dem Kornertrag korreliert. Da die Durchwurzelung an diesem Standort durch hoch
anstehendes Grundwasser eingeschränkt war, haben die Ergebnisse der Wurzelanalysen an
diesem Standort jedoch nur geringe Aussagekraft. In Söllingen 2016 stand nur die Wurzellän-
gendichte zwischen 60 und 90 cm mit dem Kornertrag in Beziehung. Im Jahr 2017 waren
weder in Warmse noch in Söllingen signifikante Korrelationen zu verzeichnen. Dies ist vermut-
lich auf die extrem hohen Niederschläge in diesem Jahr zurückzuführen. In Warmse 2017
waren mutmaßlich auch der hohe Grundwasserstand und der dadurch eingeschränkte Wur-
zeltiefgang mitverantwortlich.
Tabelle 10. Beziehung zwischen Kornertrag und Wurzellängendichte sowie prozentualem Anteil je Bodentiefenabschnitt (cm) an der Gesamtwurzellänge für 12 Genotypen in 5 Umwelten
Standort Wurzellängendichte Prozentualer Anteil je Tiefe
0-30 30-60 60-90 >90 0-30 30-60 60-90 >90
Warmse 2015 -0,23 0,19 0,78** 0,68* -0,78** 0,25 0,76** 0,69* Warmse 2016 0,67* -0,41 - - 0,64* -0,63* - - Warmse 2017 0,14 -0,26 - - 0,10 -0,24 - - Söllingen 2016 0,43 0,17 0,63* 0,31 -0,33 -0,02 0,49 0,01 Söllingen 2017 -0,06 -0,16 -0,22 -0,36 0,15 0,03 -0,20 -0,13
*p <0,05, **p <0,01.
Bei genauerer Betrachtung der Korrelationen am Standort Warmse 2015 lassen sich Unter-
schiede bzw. unterschiedliche Anpassungsstrategien zwischen den Genotypen erkennen (Ab-
bildung 17). In Warmse 2015 zeichneten sich die beiden Genotypen ‘Hyland‘ und ‘Elixer‘ mit
einem hohen Kornertrag durch einen relativ hohen Anteil an Wurzeln in tieferen Bodenschich-
ten aus, während der Anteil an Wurzeln im Oberboden gegenüber den anderen Genotypen
deutlich reduziert war. Ein genau gegensätzliches Verhalten zeigten ‘Viktoriya Odesskaya‘ und
„Extremzwerg“. Diese beiden ertraglich im unteren Bereich angesiedelten Genotypen hatten
einen verhältnismäßig geringen Anteil an Wurzeln im Unterboden, während fast 80 % der Wur-
- 36 -
zelmasse in den oberen 30 cm zu finden war. Bei der Korrelation zwischen der Wurzellängen-
dichte in 60-90 cm Bodentiefe und dem Kornertrag in Söllingen 2016 finden sich ‘Viktoriya
Odesskaya‘ und „Extremzwerg“ im unteren Bereich wieder, sowohl für den Kornertrag als auch
für die Wurzellängendichte im Unterboden (Abbildung 17). Die Sorten ‘Hyland‘ und ‘Elixer‘ la-
gen in Söllingen, im Gegensatz zum Standort Warmse 2015, im Mittelfeld. Der Genotyp mit
dem höchsten Ertrag war hier die Hybridsorte ‘Hybery‘, während bei der Liniensorte ‘Memory‘
die höchste Wurzellängendichte in 60-90 cm beobachtet wurde.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass für eine Anpassung an Trockenstress nicht die Ge-
samtwurzellänge, sondern der Anteil an Wurzeln in tieferen Bodenschichten entscheidend ist.
Eine Selektion auf ein dichtes Wurzelsystem in tieferen Bodenschichten ist somit zielführend
für eine Anpassung an Trockenstress. Ferner zeigte sich, dass ein Zusammenhang zwischen
Abbildung 17. Beziehung zwischen Kornertrag und dem prozentualen Anteil der Wurzeln in 0-30 cm (links) und 60-90 cm (rechts) am Standort Warmse 2015 (oben) sowie Beziehung zwischen Kornertrag und Wurzellängendicht in 60-90 cm am Standort Söllingen 2016. *p <0.05, **p <0,01.
r = -0,78** (n = 12)
Anteil Wurzeln in 0-30 cm (%)
60 65 70 75 80 85 90
Kor
nert
rag
(t h
a-1)
0
6
7
8
9
10
Hybery
Hyland
RumorMemory
Elixer
Asano
Milaneco
Gordian
StrohnutzungstypExtremzwerg
Apache
Viktoriya O.
r = 0,76** (n = 12)
Anteil Wurzeln in 60-90 cm (%)
0 5 10 15 20
Hybery
Hyland
RumorMemory
Elixer
Asano
Milaneco
Gordian
StrohnutzungstypExtremzwerg
Apache
Viktoriya O.
r = -0,63* (n = 12)
Wurzellängendichte in 60-90 cm (cm cm-3)
0,0 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8
Hybery
HylandRumor
MemoryElixer
Asano
Milaneco
Gordian
Strohnutzungstyp
Extremzwerg
Apache
Viktoriya O.
r = 0,44 (n = 12)
Wurzellängendichte in 0-30 cm (cm cm-3)
0 5 6 7
Kor
nert
rag
(t h
a-1)
0
6
7
8
9
10 Hybery
HylandRumor
MemoryElixer
Asano
Milaneco
Gordian
Strohnutzungstyp
Extremzwerg
Apache
Viktoriya O.
- 37 -
Kornertrag und Wurzelmerkmalen nur bei uneingeschränkter Durchwurzelbarkeit und dem
Vorhandensein von Trockenstress besteht. Eine Selektion auf ein an Trockenstress angepass-
tes Wurzelsystem ist somit nur an solchen Standorten möglich und empfehlenswert. Entspre-
chende Standorte sollten unbedingt vorab beprobt werden. Um jedoch die Selektion von Ge-
notypen zu verhindern, die auch bei guter Wasserversorgung einen (in diesem Falle unpro-
duktiv) hohen Anteil an Wurzeln in tieferen Bodenschichten aufweisen würden, könnten die
Genotypen auch gleichzeitig unter optimaler Wasserversorgung (und ebenfalls uneinge-
schränkter Durchwurzelung) geprüft werden.
Einfluss von Wurzelparametern auf die Bestandstemperatur
Eine zentrale Fragestellung war die Aufklärung des Einflusses von Wurzelparametern auf die
Bestandstemperatur. Hierfür wurden insgesamt 15 Bestandstemperatur-Messungen in die
Auswertung einbezogen. Dazu wurden der „Crop Water Stress Index“ (CWSI) und die Canopy
Air Temperature Difference (CATD) in Beziehung zur Gesamtwurzellänge, Wurzellängen-
dichte und dem prozentualen Anteil der Wurzeln in verschiedenen Bodentiefen gesetzt (Ta-
belle 11). In Söllingen korrelierten der CWSI und die CATD nur vereinzelt mit den Wurzelmerk-
malen und in Warmse konnte überhaupt kein Zusammenhang festgestellt werden.
Generell gilt, dass die Messung der Temperatur von Pflanzenbeständen in Mitteleuropa relativ
schwierig ist. Während die Bestandstemperatur als Proxy für Pflanzenmerkmale in ariden Ge-
bieten mit hohen Temperaturen, geringer Luftfeuchtigkeit und beständigen Wetterbedingun-
gen bereits etabliert ist (Tattaris et al. 2016), stellen die niedrigeren Lufttemperaturen, die hö-
here Luftfeuchtigkeit und die rasch wechselnde Bewölkung eine große Herausforderung dar
(Kottmann et al. 2013). Je rascher dabei die Messungen durchgeführt werden können, desto
geringer fallen die Wetteränderungen ins Gewicht. Aus diesem Grund sollten koptergestützte
Messungen die Methode der Wahl sein.
Einige Probleme und Einschränkungen haben mutmaßlich dazu beigetragen, dass Zusam-
menhänge zwischen Wurzelparametern und Bestandstemperatur-Indizes nicht häufiger ge-
funden werden konnten. So wurden in den drei Versuchsjahren jeweils unterschiedliche Me-
thoden für die Temperaturmessung genutzt. In 2015 wurde eine bodengestützte Messtechnik
(fahrbare Messplattform „Pegasus“) eingesetzt, im Jahr 2016 wurde wie geplant mittels Kopter
gemessen, wohingegen in 2017 wieder auf bodengestützte Messungen mittels einer Handka-
mera zurückgegriffen werden musste (vgl. II.1.3 Praxisversuche auf Selektionsstandorten).
Während die Koptermessungen schnell durchführbar sind, sind die bodengestützten Messun-
gen ungleich zeitintensiver, und die Wetterbedingungen können sich während der langen Mes-
sungen immer wieder ändern, was die Vergleichbarkeit von Genotypen deutlich erschwert.
- 38 -
Tabelle 11. Liste der Bestandestemperatur (CT)-Messtermine mit Informationen zur Messmethode und den berechneten CT-Parametern, sowie zu den Sig-nifikanzen der Korrelationen zwischen CT-Parametern und den erfassten Wurzelparametern für verschiedene Bodentiefenabschnitte (cm). Standort/ Jahr
Mess-me-thode
Messdatum
CT-Para-meter
Korrelationen zwischen CT-Parametern und Wurzelparametern
GWL† Wurzellängendichte Prozentualer Anteil je Tiefenabschnitt
0-150 0-30 30-60 60-90 90-150 0-30 30-60 60-90 90-150
Warmse 2015
Pegasus# 5. Juni CATD‡ ns ns ns ns ns ns ns ns ns CWSI$ ns ns ns ns ns ns ns ns ns
Warmse 2016
Kopter 10. Mai CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns 24. Juni CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns 6. Juli CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns
Warmse 2017
Handkamera
22. Mai CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns CWSI ns ns ns ns ns ns ns ns ns
29. Mai CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns CWSI ns ns ns ns ns ns ns ns ns
14. Juni CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns CWSI ns ns ns ns ns ns ns ns ns
Söllingen 2016
Kopter
10. Mai CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns 8. Juni CATD ns -0.65* ns ns ns ns ns ns ns 23. Juni CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns 7. Juli CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns
Söllingen 2017
Handkamera
15. Mai CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns CWSI ns ns ns ns ns ns ns ns ns
1. Juni CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns CWSI ns ns ns ns ns ns ns ns ns
15. Juni CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns CWSI ns ns ns -0,62* ns 0,58* ns -0,62* ns
6. Juli CATD ns ns ns ns ns ns ns ns ns CWSI ns ns ns ns ns ns ns ns ns
*p <0,05, ns: nicht signifikant für p <0,05. † Gesamtwurzellänge. ‡ Canopy Air Temperature Difference. # bodengestütztes Meßsystem (vgl. Abschnitt II.1.1). $ Crop Water Stress Index.
- 39 -
Die Ergebnisse der Versuche zeigen, dass die koptergestützten Messungen den bodenge-
stützten Messungen in Bezug auf die Aufklärung der Beziehung zwischen Wurzelmerkmalen
und Bestandstemperaturindizes nicht unbedingt überlegen waren. Die fehlenden Korrelatio-
nen in Warmse sind vermutlich auch auf die dort vorliegenden sehr heterogenen Böden zu-
rückzuführen. Sandböden zeichnen sich generell durch eine starke Heterogenität aus, was
auch bei den Bodenansprachen deutlich wurde.
Trotz der vielen Einschränkungen waren im Jahr 2016 in Söllingen die CATD (koptergestützte
Messung) und Wurzellängendichte im Oberboden signifikant negativ korreliert (Abbildung 18,
links). Genotypen mit einer hohen Wurzellängendichte im Oberboden (z. B. ‘Hyland‘ und ‘Hy-
bery‘) hatten dabei eine im Vergleich zur Lufttemperatur geringere Bestandstemperatur (= ne-
gative CATD). In Söllingen 2017 war der CWSI (Messung mittels Handkamera) mit der Wur-
zellängendichte bzw. dem prozentualen Anteil an Wurzeln im Unterboden negativ korreliert
(Abbildung 18, rechts). Die Genotypen mit einem relativ dichten Wurzelsystem in tieferen Bo-
denschichten (insbesondere ‘Memory‘) wiesen dabei einen geringen CWSI auf, was auf einen
geringen Trockenstress hindeutet. Das dichte Wurzelsystem in Unterboden kann dabei eine
hohe Wasseraufnahme und dadurch eine hohe Transpiration ermöglicht haben.
Auch wenn die Ergebnisse der Messungen nicht den Erwartungen entsprochen haben, zeigen
sie doch das große Potential der Bestandstemperatur-Messungen als Proxy für Wurzelmerk-
male im gemäßigten Klima Mitteleuropas auf. Für weitergehenden Messungen und Versuche
sollten die Standortgegebenheiten vorab untersucht werden, um störende Bodeneffekte mög-
lichst ausschließen zu können.
Abbildung 18. Links: Beziehung zwischen CATD (gemessen am 8. Juni) und Wurzellängendichte in 0-30 cm am Standort Söllingen 2016. Rechts: Beziehung zwischen CWSI (gemessen am 15. Juni) und Wurzellängendichte in 60-90 cm am Standort Söllingen 2017. *p <0,05.
Wurzellängendichte in 60 - 90 cm(cm cm-3)
0 1 2 3 4
Cro
p W
ater
Str
ess
Inde
x (1
5.06
.17)
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
HyberyHyland
Rumor
Memory
Elixer
Asano
Milaneco
Gordian
Strohnutzungstyp
Extremzwerg
Apache
Viktoriya O.
Wurzellängendichte in 0 - 30 cm(cm cm-3)
0,0 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0
Can
opy
Air
Tem
pera
ture
Diff
eren
ce (
°C)
(08.
06.1
6)
-1,0
-0,5
0,0
0,5
1,0
1,5
Hybery
HylandRumor
Memory
Elixer
Asano
Milaneco
Gordian
Strohnutzungstyp
Extremzwerg
ApacheViktoriya O.
r = -0.62*r = -0.65*
- 40 -
II.1.6 Hitzestressversuch
Im Hitzestressversuch wurden zwei Untersuchungsziele verfolgt. Zum einen sollten Merkmale
identifiziert werden, die auf eine Hitzestresstoleranz hindeuten (phänotypische und physiolo-
gische Merkmale, Antioxidantien), und zum anderen sollte der Einfluss der Reifezeit auf die
Hitzetoleranz untersucht werden. Im ersten Versuchsjahr gab es Probleme mit dem zeitge-
rechten Aufbau des Tunnels. Da SR noch keine Erfahrung im Aufbau des Tunnels besaß,
wurde ein Monteur der Firma Nitsch nach Söllingen zur Hilfe geschickt. Um den zeitlichen
Ablauf beider Firmen zu koordinieren, wurde der Tunnel bereits während des Ährenschiebens
vom 26.-28.5.2015 aufgebaut (Ziel nach Ende der Blüte). Bis zur Installation der Messsenso-
ren durch das TI (25.6.2015) war der Tunnel geöffnet (Giebel und Lüftungssegmente), um
einen Temperaturunterschied zwischen Stressbehandlung und Kontrolle zu vermeiden. Trotz-
dem war es unter dem Tunnel spürbar wärmer als in der Kontrolle. Die eigentliche Hitzestress-
phase fand vom 25.6.-3.7.2015 statt. Danach wurde der Tunnel wieder geöffnet und am
7.7.2015 abgebaut. In den Versuchsjahren 2016 und 2017 wurde der Tunnel zum Ende der
Blüte aufgebaut und sofort geschlossen. Nach einer Stressdauer von 14 Tagen wurde der
Tunnel wieder geöffnet und abgebaut. Die induzierte Stressphase fand 2016 und 2017 vom
9.-23.6. statt. Die Zeitpunkte der Stressphase in den beiden Versuchsjahren waren durch das
Ende der Blüte und nicht kalendarisch bestimmt.
Wetterbedingungen im Folientunnel
Abbildung 19 zeigt den Verlauf der stündlichen Mittelwerte der Lufttemperatur (a) und der
Temperaturdifferenz (b) zwischen der Lufttemperatur im Tunnel und im Feld während der
Dauer der Hitzestressbehandlung in Tagen nach Tunnelschließung. Am Tage lagen die Tem-
peraturen in allen drei Jahren knapp an der 40 °C-Marke. In 2016 wurde diese Marke an Tag 3
und in 2017 an Tag 10 deutlich überschritten. In der Nacht lagen die Temperaturen etwas über
10 °C. Die Temperaturdifferenzen zwischen Tunnel und Freiland lagen tagsüber bei bis zu
25 °C und in der Nacht bei bis zu 4 °C. Ein Luftpolster in der Doppelschlauchfolie sorgte in den
Jahren 2016 und 2017 dafür, dass die Temperatur in der Nacht nicht auf Außentemperatur
fiel. Außerdem sollte die Doppelschlauchfolie die Kondensation an der Folie mindern. Die re-
lative Luftfeuchte betrug in der Nacht 100 % und führte zu starker Kondensation an der Folie
und auch an den Pflanzen. Am Tag fiel die relative Luftfeuchte auf Grund der geöffneten Lüf-
tungen auf 70 bis 60 % ab (nicht dargestellt).
Im Jahr 2016 wurde die Wetterstation durch einen CO2-Sensor erweitert, der in Ährenhöhe
angebracht war. Grund dafür war die Vermutung, dass durch den Tunnel einen CO2-Defizit
entstanden sein könnt. Die CO2-Konzentration im Freiland betrug am Tag durchschnittlich
- 41 -
450 ppm. Im Tunnel wurden mit durchschnittlich 200 ppm geringere Konzentrationen gemes-
sen, welche sich jedoch nach dem Öffnen der Lüftungen wieder dem Freilandniveau anpasste.
In der Nacht stieg die CO2-Konzentration im Tunnel durch die Dissimilation der Pflanzen auf
fast 1400 ppm an. Ab Sonnenaufgang fiel die CO2-Konzentration dann wieder auf das Tages-
niveau ab (nicht dargestellt).
Abbildung 19. Stündliche Mittelwerte der Lufttemperatur (a) und der Temperaturdifferenz (b) zwi-schen der Lufttemperatur im Tunnel und der Außentemperatur während der Dauer der Hitzes-tressbehandlung in Tagen nach Tunnelschließung.
Durch den Tunnel wurden nicht nur Lufttemperatur, Luftfeuchte und CO2-Konzentration beein-
flusst, sondern auch die Globalstrahlung. Abbildung 20 zeigt die Transmission der Globalstrah-
lung. In allen drei Jahren lag die durchschnittliche Transmission trotz Lagerung und Ver-
schmutzung der Folie beim Tunnelabbau bei 70 %. Auch ein Abbau von UV-Stabilisatoren war
nicht zu erkennen. Jahresunabhängig waren an manchen Tagen Senken im Verlauf zu erken-
nen. Diese traten bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang auf und lassen sich durch den
geringen Sonnenstand bzw. den Lichteinfallswinkel zum Sensor erklären.
- 42 -
Abbildung 20. Stundenwerte der Transmission der Globalstrahlung in den drei Versuchsjahren über den Zeitraum der Hitzestressbehandlung für die Tage nach Tunnelschließung.
Einfluss des Tunnels auf den Ertrag
Die durch den Tunnel hervorgerufenen unterschiedlichen Temperaturen während der Kornfül-
lungsphase beeinflussten den Kornertrag mit einer signifikanten Ertragsminderung. Im Ver-
suchsjahr 2016 wurden Kornertragsverluste von über 70 % beobachtet. In den Versuchsjahren
2015 und 2017 lag der Kornertragsverlust bei 50 %. Dies spiegelt sich auch in einem reduzier-
ten Biomasseertrag und Ernteindex wieder (Abbildung 21).
Abbildung 21. Kornertrag (a), Biomasseertrag (b) und Ernteindex (d) unter Freiland- und Hitzes-tressbedingungen sowie Kornertragsverlust (c) für 2015, 2016 und 2017. Säulen mit unterschied-lichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant für p <0,05.
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Tabelle 12. Ertragsparameter von 32 Weizengenotypen unter Hitzestress und Freilandbedingungen sowie Kornertragsverluste für drei Versuchsjahre.
Genotyp Freiland Hitzestress
Kornertragsverlust (%) Kornertrag (t ha-1) Biomasseertrag (t ha-1) Ernteindex (%) Kornertrag (t ha-1) Biomasseertrag (t ha-1) Ernteindex (%)
2015 2016 2017 2015 2016 2017 2015 2016 2017 2015 2016 2017 2015 2016 2017 2015 2016 2017 2015 2016 2017 1 ‘Hybery‘ 13,4 15,4 10,7 32,0 19,4 0,48 0,58 7,63 3,94 5,38 26,7 12,7 0,15 0,43 43,2 74,5 49.8 2 ‘Hyland‘ 11,5 13,7 10,1 28,5 16,9 0,48 0,62 4,76 3,78 5,47 18,5 12,4 0,20 0,44 58,4 72,5 45.9 3 ‘Hystar‘ 12,1 14,3 9,78 26,1 15,4 0,55 0,62 4,39 5,05 5,37 20,8 14,6 0,24 0,37 63,7 64,7 45.1 4 ‘Rumor‘ 11,5 13,3 10,4 24,9 16,8 0,54 0,60 4,84 3,67 5,54 19,1 11,9 0,19 0,46 58,1 72,5 46.5 5 ‘Memory‘ 11,1 13,3 9,22 25,1 16,3 0,53 0,57 3,81 3,76 4,25 17,9 11,6 0,21 0,37 65,5 71,8 54,0 6 ‘Elixer‘ 11,2 12,6 10,8 28,7 18,2 0,44 0,56 4,43 4,41 5,22 25,2 14,1 0,18 0,38 60,4 65,1 51.5 7 ‘JB Asano‘ 11,3 12,8 9,28 23,5 17,7 0,54 0,52 4,19 3,76 4,95 14,7 11,7 0,26 0,42 62,9 70,6 46.7 8 ‘KWS Milaneco‘ 9,15 11,4 8,24 27,4 17,0 0,42 0,49 5,68 1,72 2,89 19,3 10,5 0,09 0,28 37,9 84,9 64.9 9 ‘Gordian‘ 10,3 11,8 8,97 28,1 16,6 0,42 0,57 5,39 3,96 4,97 20,4 15,6 0,20 0,32 47,6 66,6 44.6 10 „Strohnutzungstyp“ 7,05 9,81 6,09 32,8 15,2 0,30 0,42 5,03 2,43 2,76 25,7 9,81 0,09 0,28 28,6 75,3 54.6 11 „Extremzwerg“ 9,41 10,2 5,49 20,2 12,4 0,51 0,48 3,84 2,31 2,48 11,6 9,02 0,20 0,28 59,2 77,5 54.8 12 ‘Midas‘ 9,93 11,6 8,75 28,2 16,3 0,41 0,56 5,28 3,71 4,78 23,4 16,6 0,16 0,29 46,8 68,0 45.4 13 ‘Apache‘ 11,2 12,6 10,5 21,2 16,1 0,59 0,61 4,36 5,02 5,02 17,9 14,4 0,28 0,35 61,1 60,3 52.0 14 ‘Psenica‘ 8,53 11,2 8,96 28,5 15,8 0,39 0,57 5,36 3,72 5,26 22,4 12,1 0,17 0,44 37,1 66,7 41.3 15 ‘Viktoriya Odesskaya‘ 6,10 9,81 6,61 20,7 12,3 0,47 0,55 3,48 2,61 4,12 14,0 12,0 0,19 0,34 42,9 73,4 37.7 16 ‘MV Lucilla‘ 7,36 10,7 7,76 24,2 16,5 0,44 0,53 4,36 3,36 4,61 17,7 12,8 0,19 0,36 40,8 68,6 40.7 17 ‘Julius‘ 10,3 13,3 9,20 30,6 17,1 0,44 0,53 5,92 3,05 4,82 22,1 12,2 0,14 0,40 42,7 77,1 47.6 18 ‘Tobak‘ 10,9 12,9 9,36 24,5 16,6 0,53 0,60 4,75 4,64 5,11 22,6 13,6 0,21 0,38 56,3 64,0 45.5 19 ‘Moskovskaja56‘ 7,93 10,6 7,48 20,5 14,9 0,52 0,49 3,41 3,06 3,62 17,5 10,2 0,18 0,35 57,0 71,1 51.7 20 „PS-66/13“ 7,49 8,27 9,63 17,5 17,3 0,47 0,57 4,94 3,76 5,40 11,8 13,0 0,32 0,41 34,1 54,5 43.9 21 ‘Platin‘ 12,1 14,0 9,15 23,2 16,7 0,60 0,55 4,94 3,59 4,73 14,7 12,7 0,24 0,38 59,0 74,3 48.3 22 ‘Mariboss‘ 10,5 13,6 8,79 29,4 15,1 0,46 0,60 4,81 1,91 5,27 24,7 12,2 0,08 0,43 54,1 85,9 40.1 23 ‘Finans‘ 10,4 11,7 9,19 25,8 14,5 0,45 0,64 4,18 2,02 5,49 15,2 12,3 0,14 0,45 60,0 82,7 40.3 24 ‘Bohemia‘ 9,57 10,8 8,06 22,5 12,9 0,48 0,62 3,61 3,02 4,40 14,6 10,4 0,21 0,42 62,3 71,9 45.4 25 ‘Bernstein‘ 8,98 12,2 8,03 26,0 17,4 0,47 0,51 3,67 3,88 4,57 21,0 11,6 0,18 0,39 59,1 68,2 43.1 26 ‘Solehio‘ 11,3 12,2 8,17 27,3 15,1 0,45 0,58 4,75 5,08 4,94 20,8 12,2 0,25 0,40 57,8 58,4 39.5 27 ‘Premio‘ 10,7 11,1 10,4 23,2 16,0 0,48 0,61 3,67 4,04 5,28 16,8 12,3 0,24 0,43 65,6 63,6 49.5 28 ‘JB Diego‘ 11,9 13,3 9,82 25,2 17,9 0,53 0,62 6,34 3,70 5,25 17,2 13,4 0,22 0,40 46,7 72,1 46.5 29 ‘Pegassos‘ 10,9 12,5 8,98 26,8 17,8 0,47 0,53 4,49 3,15 4,11 15,8 11,6 0,20 0,36 58,7 74,7 54.3 30 ‘Magister‘ 10,6 12,1 8,95 26,2 19,9 0,47 0,47 4,67 2,62 3,22 19,6 9,66 0,13 0,33 56,1 78,4 64.0 31 ‘JB Asano‘ 10,7 13,0 9,65 31,5 0,41 5,22 1,95 4,07 21,2 11,1 0,09 0,37 51,3 85,0 57.8 32 ‘Lennox‘ 12,1 12,9 9,28 25,1 17,2 0,51 0,58 5,08 4,85 5,39 16,4 12,5 0,30 0,44 58,0 62,3 41.9 Mittelwert 10.2 12,2 8,93 25,8 16,3 0,48 0,56 4,73 3,48 4,65 19,0 12,3 0,19 0,38 52,9 71,1 48,0 SD 1.68 1,51 1,26 3,62 1,74 0,06 0,05 0,89 0,94 0,85 3,95 1,66 0,06 0,05 9,95 7,64 6,67 LSD 2.68 3,57 3,13 11,1 -- 0,13 -- 4,58 2,31 2,17 9,37 6,39 0,13 0,20 20,1 19,5 33,0 CV (%) 5.91 6,62 7,89 9,70 -- 6,08 -- 21,8 14,9 10,5 11,1 11,7 14,8 12,1 47,3 6,19 15,6 Signifikanz *** *** *** *** *** ns *** *** *** ** *** ** ns *** ns
**p <0,01, ***p <0,001. ns: nicht signifikant für p <0,05.
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Im Versuchsjahr 2015 konnte aus technischen Gründen kein Strohertrag erfasst werden und
deshalb auch kein Biomasseertrag und Ernteindex berechnet werden. In 2016 lag der Ertrags-
verlust der Stressvariante (3,5 t ha-1) gegenüber der Kontrolle (12,2 t ha-1) bei 71 %. 2017 lag
hingegen der Ertragsverlust zwischen Kontrolle (9,15 t ha-1) und Stressvariante (4,65 t ha-1)
bei 49 % (Tabelle 12). Im Vergleich zum Vorjahr ist der Ertrag in 2017 in der Stressvariante
um 1,1 t ha-1 gestiegen, während der Ertrag der Kontrolle um 3 t ha-1 gefallen ist, was den
geringeren prozentualen Ertragsverlust erklärt. In Tabelle 12 sind die Kornerträge, Biomas-
seerträge, Ernteindizes und die Kornertragsverluste der einzelnen Genotypen in den Ver-
suchsjahren 2015 bis 2017 unter Hitzestress dem aus dem Freiland gegenübergestellt.
Aufgrund der unterschiedlichen Kornerträge unter Kontrolle und Hitzestress zwischen den Jah-
ren unterscheidet sich zudem das Verhalten der einzelnen Genotypen unter Hitzestress. Züch-
terisch interessant in Bezug auf Hitzetoleranz sind Genotypen mit einem hohen Ertrag in der
Kontrolle und einem geringen Verlust unter Stress. Die Sorten ‘Solehio‘, ‘Apache‘, ‘Lennox‘
und ‘Hystar‘ wiesen über beide Versuchsjahre (2016 und 2017) einen geringen Ertragsverlust
gegenüber der Kontrolle auf, was auf Hitzetoleranz hinweisen könnte.
Einfluss des Tunnels auf Prolin, Osmolalität und lösliche Zucker
Abbildung 22 zeigt die gemessenen Gehalte der drei Parameter Prolin, Osmolalität und lösli-
cher Zucker in den Versuchsjahren 2015, 2016 und 2017 als Mittel aller Genotypen. In 2015
und 2017 lag im Freiland ein signifikant höherer Prolingehalt vor, als nach der Hitzestressbe-
handlung. In 2016 wurde hingegen unter Hitzestress ein signifikant höherer Prolingehalt ge-
messen als im Freiland. Die Osmolalität unterschied sich lediglich im Jahr 2016 signifikant. Die
Untersuchungen ergaben nach der Hitzestressbehandlung eine signifikant höhere Osmolalität,
als im Freiland. Einen signifikanten Unterschied im Gehalt an löslichen Zucker lag nur in 2016
und 2017 vor. Ein Zusammenhang zwischen den der Hitzestressbehandlung und den Inhalts-
stoffen Prolin, Osmolalität und lösliche Zucker konnte demnach nicht festgestellt werden.
In der Literatur gibt es Hinweise darauf, dass Prolin, lösliche Zucker und Osmolalität als Indi-
kator für Trockentoleranz verwendet werden können. Demnach zeigen trockentolerante Ge-
notypen unter Trockenstress signifikant höhere Anteile an Prolin, lösliche Zucker und Osmola-
lität als sensitive Genotypen auf. Prolin stabilisiert zelluläre Strukturen durch hydrophile Wech-
selwirkungen und Wasserstoffbrückenbindungen, wenn der zelluläre Wassergehalt abnimmt
(Wituszyńska & Karpiński 2013). Beobachtet wurde dies unter anderem an Bohnen (Harsh et
al. 2016) und Gerste (Wehner et al. 2015).
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Abbildung 22. Prolingehalt (a), Osmolalität (b) und Gesamtgehalt löslicher Zucker (c) unter Frei-land- und Hitzestressbedingungen in den Versuchsjahren 2015, 2016 und 2017. Säulen mit un-terschiedlichen Buchstaben innerhalb der Jahre unterscheiden sich signifikant für p <0,05.
Abbildung 23. Zusammenhang zwischen Prolingehalt (a), Osmolalität (b) Gesamtgehalt löslicher Zucker (c) und Kornertrag unter Hitzestressbedingungen in den Versuchsjahren 2015, 2016 und 2017.
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Innerhalb der Hitzestressbedingungen konnte kein Zusammenhang zwischen Prolingehalt,
Osmolalität und Gesamtgehalt löslicher Zucker mit dem Kornertrag festgestellt werden (Abbil-
dung 23). Eine Ausnahme macht das Jahr 2015 mit einem signifikanten Zusammenhang zwi-
schen Prolingehalt und Kornertrag. Dieser Zusammenhang ist jedoch nur durch den Genotyp
‘Hybery‘ bedingt, der einen sehr hohen Kornertrag und Prolingehalt in diesem Jahr aufwies.
Zusammenfassend konnten in dieser Untersuchung die Parameter Prolingehalt, Osmolalität
und Gesamtgehalt löslicher Zucker weder als Indikator für Hitzestress noch als Indikator für
hitzestresstolerante Genotypen verwendet werden.
Visuelle Merkmale, die auf eine Hitzestresstoleranz hindeuten
In 2015 war nicht klar, wie die Pflanzen auf die Wetterbedingungen reagieren würden, daher
wurden die Pflanzen lediglich beobachtet und die Pflanzentemperatur wurde durch SR und TI
erfasst. Im Versuchsjahr 2016 und 2017 wurde die Dokumentation der Reaktionen intensiviert.
Während der Hitzestressbehandlung wurden von TI an mehreren Tagen die visuellen Reakti-
onen im Bild festgehalten und eine Fotodokumentation für sämtliche untersuchten Genotypen
erstellt. Im Versuchsjahr 2017 wurde zudem vom JKI an drei repräsentativen Pflanzen jeder
Parzelle die Anzahl grüner Blätter erfasst und der Chlorophyllgehalt mittels SPAD gemessen.
In 2017 fiel die stark unterschiedliche Reaktion auf Hitzestress zwischen dem Genotyp ‘JB
Asano‘ und dem „Strohnutzungstyp“ auf (Abbildung 24). ‘JB Asano‘ reagierte an Tag 11 nach
Tunnelschließung mit leichten Aufhellungen der Blattspitzen und an Tag 12 begannen sich die
Blätter einzurollen. Am Tag 17, also drei Tage nach Tunnelöffnung bzw. -abbau, waren die
Fahnenblätter stark chlorotisch und die Ähren zeigten leichte Aufhellungen, bis der Genotyp
an Tag 27 seine Vollreife erlangt hat. Dem gegenüber reagierte der „Strohnutzungstyp“ erst
am Tag 17 mit leichten Aufhellungen der Blattspitzen. Die Hitzestressbehandlung war an die-
sem Tag schon abgeschlossen. Erst am Tag 27 waren leichte Aufhellungen der Ähren zu be-
obachten.
Anhand der in Abbildung 24 präsentierten Bilder erstellte TI ein 5-stufiges Boniturschema zur
Bewertung des Chlorophyllabbaus. Die Boniturnoten 1, 3, 5, 7, und 9 bewerten den Abbau des
Chlorophylls (von symptomfrei bis stark chlorotisch). Abbildung 25 zeigt den Verlauf des Chlo-
rophyllabbaus aller 32 Genotypen als Median während und nach der Hitzestressbehandlung
im Vergleich zu der stressfreien Freilandkontrolle in den Tagen nach Tunnelschließung in den
Versuchsjahren 2016 und 2017. Unter Hitzestress im Versuchsjahr 2016 reagierten die Geno-
typen schon wenige Tage nach Tunnelschließung mit leichten Aufhellungen (Boniturnote 3)
der Blätter (beginnend an der Blattspitze).
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Abbildung 24. Unterschiedliche Reaktion von ‘JB Asano‘ (links) und „Strohnutzungstyp“ (rechts) 4, 11, 12, 13, 17 und 27 Tage nach Tunnelschließung im Versuchsjahr 2017.
- 48 -
Ab Tag 10 intensivierten sich diese Reaktionen kontinuierlich bis zum Tag 28, an dem alle
Parzellen starke Reaktionen (Boniturnote 7) aufwiesen. Unter Hitzestress im Versuchsjahr
2017 reagierten die Genotypen etwas später auf den Stress als im Versuchsjahr 2016. Erst ab
Tag 10 nach Tunnelschließung waren leichte Reaktionen (Boniturnote 3) zu erkennen. Bei
einem Vergleich mit der maximalen Lufttemperatur wurde ein möglicher Zusammenhang deut-
lich. Im Versuchsjahr 2016 wurde die 40 °C-Grenze an Tag 3 und im Versuchsjahr 2017 an
Tag 10 überschritten. Anschließend folgte ein nachweislich deutlicherer Chlorophyllabbau. Im
Vergleich dazu ist in der Abbildung 25 auch die Reaktion der Pflanzen aus dem Freiland dar-
gestellt. Reaktionen dieser Pflanzen traten erst zum Ende hin auf und sind mit der natürlichen
Seneszenz zu erklären. Auffällig war, dass nach wenigen Tagen die Pflanzen aus dem Frei-
land den Grad des Chlorophyllabbaus der gestressten Pflanzen eingeholt hatten. Durch den
Hitzestress wurde offensichtlich eine vorzeitige Seneszenz der Pflanzen induziert.
Abbildung 25. Verlauf des Chlorophyllabbaus (als Median) während der Hitzestressbehandlung und danach im Vergleich zu der Freilandkontrolle in den Tagen nach Tunnelschließung in den Versuchsjahren 2016 und 2017 aller 32 Genotypen.
Es stellt sich die Frage, ob die durch den Hitzestress vorzeitig eingeleitete Seneszenz einen
Einfluss auf den Kornertrag hatte. Lediglich an Tag 27 nach Tunnelschließung im Versuchsjahr
2017 lag ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Boniturwerten für den Chlorophyllab-
baus und dem Kornertrag vor (Abbildung 26). Im Versuchsjahr 2016 und an Tag 12 nach Tun-
nelschließung im Versuchsjahr 2017 lag kein signifikanter Zusammenhang vor. Es konnte da-
her nicht mit Sicherheit geklärt werden, ob ein unterschiedlicher Chlorophyllabbau mit dem
Kornertrag in Beziehung steht und mithin der Chlorophyllabbau ein Kriterium für Hitzetoleranz
darstellt.
Die vom JKI erfassten Merkmale Anzahl grüner Blätter und Chlorophyllgehalt waren zwar mit
der Bonitur des Chlorophyllabbaus eng korreliert (nicht dargestellt), zeigten aber ebenfalls
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keinen Bezug zu den Kornerträgen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Interpre-
tation der Untersuchungsergebnisse durch das Vorhandensein von funktionalen und nicht-
funktionalen „Stay-green“ Genotypen beeinflusst wurde. Funktionale „Stay-green“ Genotypen
zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr lange einen hohen Grünanteil aufweisen und sehr
lange photosynthetisch aktiv sind. Anders verhalten sich nicht-funktionale „Stay-green“ Geno-
typen. Diese Genotypen weisen zwar sehr lange einen hohen Grünanteil auf, sind jedoch nicht
mehr photosynthetisch aktiv und es kommt damit auch zu keiner Einlagerung von Reservestof-
fen (Christopher et al. 2016).
Abbildung 26. Zusammenhang zwischen der Bonitur des Chlorophyllabbaus und dem Korner-trag an Tag 12 und 27 nach Tunnelschließung im Versuchsjahr 2016 (links) und im Versuchsjahr 2017 (rechts). *p <0,05.
Abbildung 27. Zusammenhang der Tage zwischen Blühende und Tunnelschließung zum Korner-trag (links) und der Tage zwischen Ährenschieben und Tunnelschließung zum Kornertrag (rechts). ***p <0,001.
Einfluss der Reifezeit auf die Hitzestresstoleranz
Als zweites Ziel der Untersuchung sollte der Einfluss der Reifezeit auf die Hitzetoleranz unter-
sucht werden. Dafür wurden die Tage gezählt, die zwischen dem von SR bonitierten Blühende
und der Tunnelschließung, sowie zwischen dem bonitierten Ährenschieben und der Tun-
nelschließung lagen und mit dem Kornertrag verglichen. Mit Ausnahme von 2017 konnte kein
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Zusammenhang zwischen dem bonitierten Blühende bzw. zwischen dem bonitiertem Ähren-
schieben und dem Kornertrag festgestellt werden (Abbildung 27). Dass ein Genotyp hitze-
stresstolerant ist, wenn dieser eher blüht oder seine Ähren eher schiebt und somit mehr Zeit
für die Kornfüllung hat, bevor der Hitzestress einsetzt, so wie es Tewolde et al. (2006) be-
schreibt, konnte nicht eindeutig geklärt werden.
II.1.7 Referenzen
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- 53 -
II.2 Wichtigste Positionen des zahlenmäßigen Nachweises
Aus den Fördermitteln wurde im Thünen-Institut die Projektstelle für Frau Dr. Langkamp-
Wedde im Umfang von 75 % (ab 1. November 2016: 85 %) der vollen Arbeitszeit finanziert.
Daneben wurden aus den Fördermitteln der Ausbau und die Ertüchtigung der ThünoCopter-
Plattform, die Kamerasysteme VRMagic D3, Xenics Gobi 640 GigE und Xenics Bobcat 640
GigE sowie Wettermesstechnik für den Bau von drei Funkwetterstationen und der Folientun-
nelmessstation beschafft.
Beim Verbundpartner Julius Kühn-Institut entfiel mit 89 % der mit Abstand größte Teil der
Ausgaben auf die Personalkosten für den wissenschaftlichen und den technischen Projektmit-
arbeiter (Dr. Lorenz Kottmann bzw. Fredrik Mühlberger). An zweiter Stelle folgten die Sach-
kosten mit einem Anteil von 9 %, die im Wesentlichen durch die Anschaffung von Installations-
rohren für die Diviner 2000 Bodenfeuchtesonde, Tropfschläuche für die künstliche Bewässe-
rung in Braunschweig sowie für chemische Analysen entstanden. Die Kosten für Investitionen
und Dienstreisen spielten mit Anteilen von jeweils 1 % eine untergeordnete Rolle.
Wichtigste Position des zahlenmäßigen Nachweises bei Strube Research waren die Material-
und Personalkosten. Die Kosten setzen sich aus der Planung, der Vorbereitung, Aussaat und
Pflegemaßnahmen der drei Versuchsstandorte innerhalb der drei Versuchsjahre zusammen.
Ebenfalls enthalten ist die Erfassung der unterschiedlichen phänologischen Merkmale, welche
teils nur mit hohem personellem Aufwand (Erfassung der Bestandsdichte über 2.667 Parzel-
len) realisierbar waren. Auch für den Auf- und Abbau des Folientunnels für den Hitzestress-
versuch war der personelle Aufwand hoch.
II.3 Notwendigkeit und Angemessenheit der geleisteten Arbeit
II.3.1 Fernerkundung und Selektionsversuche
Im Thünen-Institut bestand die erste Projektphase in der Auswahl und Beschaffung geeigneter
Kamerasysteme. Erst nach einer umfangreichen Literatur- und Marktrecherche konnten die
geeigneten Kameras, Objektive und Filter für die entsprechenden Wellenlängen ausgewählt
werden. Viele angebotene Kameras schieden aus, da sie softwaremäßig nicht in den
ThünoCopter mit seinem Linux-Onboard-Computer integriert werden konnten. Die für die Aus-
wahl und Beschaffung erbrachte Arbeit war notwendig und angemessen, damit später Bildauf-
nahmen mit den gewünschten Informationen und Merkmalen automatisch durchgeführt wer-
den konnten. Die technische Integration und Programmierung aller Maßsysteme sowie die
Erstellung der Bildauswertungssoftware erfolgten durch eigenes technisches und wissen-
schaftliches Personal im Institut. In der Hauptphase des Projekts waren ca. 90 Messflüge und
- 54 -
eine große Zahl begleitender Probenahmen (z. B. bodenphysikalische Untersuchungen) und
Messungen (z. B. Thermografie- und Farbbildaufnahmen) durchzuführen, die alle ausgewertet
wurden und in die veröffentlichten und in die oben dargestellten Ergebnisse eingeflossen sind.
Der Umfang der erhobenen Messdaten war für die Projektergebnisse entscheidend. Dank des
ausreichend bemessenen Förderzeitraums konnten die Ergebnisse nach dem dritten Ver-
suchsjahr noch umfassend und gründlich ausgewertet und diskutiert werden, und es wurde
mit dem Verfassen mehrerer wissenschaftlicher Veröffentlichungen begonnen.
II.3.2 Kernsortiment und Wurzeln
Um verlässliche Aussagen über die Trockentoleranz bzw. die Trockentoleranzmechanismen
der untersuchten Genotypen treffen zu können, war es notwendig, die Prüfglieder unter einer
Vielzahl von (Klima-)Bedingungen zu testen. Dies schloss auch die Rain-out Shelter Versuche
mit ein, mit denen es möglich war unabhängig von der aktuellen Niederschlagssituation Tro-
ckenheit zuverlässig zu simulieren. Um zu prüfen, welche Merkmale für die Trockentoleranz
von Bedeutung sind, war ein umfangreiches Messprogramm notwendig. Neben Bonituren und
Messungen im Feld wurden dabei auch in größerem Stil Laboranalysen durchgeführt. Darüber
hinaus waren Wurzelanalysen erforderlich, um deren Rolle für die Trockentoleranz näher zu
beleuchten. Da bisher kein Ansatz für eine Hochdurchsatz-Phänotypisierung von Wurzeln
existiert, mussten zeit- und arbeitsintensiven Wurzelanalysen im Feld bzw. im Labor durchge-
führt werden. Erst durch diese umfangreichen Analysen und Messungen konnten Aussagen
über Toleranzmechanismen getroffen werden, welche für die Entwicklung von an Trockenheit
angepassten Genotypen genutzt werden können.
II.3.3 Hitzestress
Um belastbare Daten für den Umgang unterschiedlicher Genotypen (n = 32) zu erfassen,
mussten umfangreiche Messungen durchgeführt werden, welche bereits im Kapitel I.3.4 Hit-
zestressversuch beschrieben sind. Im Versuchsjahr 2015 wurden vor allem Erfahrungen mit
dem Aufbau des Tunnels und der Installation der Messtechnik gesammelt. Der frühe Tun-
nelaufbau (zum Ährenschieben) war bedingt durch die Vorgabe des Monteurs der Firma Nitsch
(Hersteller des Folientunnels). Probleme bei der Installation der Messsensoren und der Über-
tragung ließen das erste Versuchsjahr zum Erfahrungsjahr werden. Für die Übergangsphase
vom Tunnelaufbau zur Tunnelschließung (27 Tage) wurden keine Daten erfasst. Daten wäh-
rend der Stressphase liegen vor und sind in die Auswertung mit eingeflossen. In den Versuchs-
jahren 2016 und 2017 wurde die Übergangsphase auf ein Minimum reduziert (ein Tag), so
dass belastbare Daten vorliegen. Im Rahmen der Auswertung der Versuchsergebnisse wurde
- 55 -
eine Literaturrecherche durchgeführt welche zeigt, dass Feldversuche zu Hitzestress im mit-
teleuropäischen Raum kaum vorhanden sind. Die Auswertung des Hitzestressversuchs hat
gezeigt, dass es weiterer Forschung bedarf, um die Toleranzmechanismen und Reaktionen in
der Pflanze unter Hitzestressbedingungen zu verstehen. Mit Hilfe des Hitzestressversuchs
konnten erste Erkenntnisse des Umgangs der unterschiedlichen Genotypen unter Stressbe-
dingungen erfasst werden.
II.4 Voraussichtlicher Nutzen, insbesondere Verwertbarkeit des Ergebnisses im
Sinne des fortgeschriebenen Verwertungsplans
Während der Projektlaufzeit ist das Interesse für einen Drohneneinsatz in der Landwirtschaft
stark angestiegen. Aufgrund der massentauglichen verfügbaren Technik können bereits auch
private Drohnen zum Einsatz kommen. Im Bereich der Züchtung besitzt die Fernerkundung
gestützt durch Multikopter ein großes Potential. Sie ermöglicht eine schnelle und objektive
Erfassung von phänologischen Merkmalen des Bestanden. Die Flugdauer kann bei einer
100 × 100 m großen Fläche ca. sieben Minuten betragen, was zu einer schnellen effektiven
Aufnahme des Bestandes aus der Vogelperspektive führt. Ziel des Projekts war es, Trocken-
stress mit Hilfe der Bestandstemperatur und verschiedener Vegetationsindizes zu detektieren
und zu bewerten. Die Entwicklung der automatischen Bildauswertung vom TI macht den Ein-
satz der Fernerkundung für die Züchtung sehr attraktiv. Jedoch erlauben die erzielten Projekt-
ergebnisse in der Fernerkundung noch keine direkte Überführung in die Praxis. Hier ist eine
Fortführung der Untersuchungen in einem Folgeprojekt beabsichtigt. Ebenfalls hat der Hitze-
stressversuch gezeigt, dass erheblich differenziertere Versuchsansätze und Analysen notwen-
dig sind, um zu züchterischen Ansätzen für hitzetolerante Sorten zu kommen. Die Verwertung
der Ergebnisse erfolgt in erster Linie durch wissenschaftliche Veröffentlichung in internationa-
len Fachzeitschriften.
II.5 Während der Durchführung des Vorhabens dem ZE bekannt gewordenen Fort-
schritts auf dem Gebiet des Vorhabens bei anderen Stellen
Während des Projektverlaufs ist bekannt geworden, dass das CIMMYT (Centro Internacional
de Mejoramiento de Maíz y Trigo) in Mexiko Drohnenbefliegungen mit einer Thermalkamera
in der Weizenzüchtung durchführt. Zur Auswertung und Verwendung der Thermalaufnahmen
liegen aber keine Informationen oder Veröffentlichungen vor.
Ebenfalls hat sich der Markt für Drohnen und für drohnengeeignete Sensoren weiterentwickelt.
Heute sind drohnengeeignete Multispektralkameras mit geringem Gewicht, geringer Leis-
tungsaufnahme und abgesetztem Belichtungssensor am Markt erhältlich, z. B. die Systeme
- 56 -
MicaSense RegEdge M und Parrot Sequoia. Auch das Interesse der Züchter und Landwirte
zum Einsatz von Drohnen zur Fernerkundung ist stark gestiegen und wird bereits teilweise mit
private Drohnen durchgeführt.
In Bezug auf Wurzelanalytik, WSC und Ertragsphysiologie sind während der Projektlaufzeit
keine neuen Erkenntnisse hinzugekommen, welche den bisher vorhandenen Ergebnissen wi-
dersprechen bzw. weitergehende Aussagen zulassen.
II.6 Erfolgte und geplante Veröffentlichungen des Ergebnisses
Der aus dem Phaenokopter-Projekt erfolgte Wissenstransfer in Form von Veröffentlichungen,
Vorträgen und Postern ist nachfolgend dargestellt.
Vorträge
- 22. Workshop „Computerbildanalyse in der Landwirtschaft“ (21. April 2016)
- BLE Innovationstage (25.-26. Oktober 2016, Bonn)
- 59. Jahrestagung der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften e. V. (27.-29. Septem-ber 2016, Gießen)
- Fachtagung „Bewässerung in der Landwirtschaft“ (11.-12. September 2017, Suderburg)
- 60. Jahrestagung der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften e. V. (26.-28. Septem-ber 2017, Witzenhausen)
- 24. Workshop „Computerbildanalyse in der Landwirtschaft“ (25. April 2018)
Poster oder Informationsstände
- 58. Jahrestagung der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften e. V. (22.-24. Septem-ber 2015, Braunschweig)
- Agritechnica (8.-14. November 2015, Hannover)
- 59. Jahrestagung der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften e. V. (27.-29. Septem-ber 2016, Gießen)
- 23. Workshop „Computerbildanalyse in der Landwirtschaft“ (21. April 2017, Potsdam-Mar-quard)
- Weizenfeldtag von Strube Research und Saaten-Union (3. Juli 2017, Söllingen)
Veröffentlichungen
Kraft M, Schittenhelm S, Kottmann L, Schroetter S, Langkamp T, Neeland H, & Matschiner K (2016) Fernerkundliche Beurteilung der Trocken- und Hitzetoleranz von Weizengenotypen auf Selektions-standorten mit begleitenden Untersuchungen zu Durchwurzelungstiefe, Wurzelmorphologie und Wasserhaushalt (Phaenokopter). In: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Hrsg.). Inno-vationstage 2016: Die Zukunft ins Jetzt holen; 25. bis 26. Oktober in Bonn, 301-305.
Kottmann L, Schittenhelm S, Langkamp T, Kraft M, Neeland H, Jacobi A, Dietze T, & Matschiner K (2015) Das Phaenokopterprojekt: UAV-gestützte Beurteilung der Trocken- und Hitzetoleranz von Weizengenotypen mit begleitender Untersuchung von Wurzelmorphologie und Wasserhaushalt. Mit-teilungen der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften 27, 199-200.
- 57 -
Kottmann L, Langkamp T, Schittenhelm S, Kraft M, Neeland H, & Matschiner K (2016) UAV-gestützte Bestandstemperaturmessungen von Winterweizengenotypen für die Selektion auf Trockenstressto-leranz. Mitteilungen der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften 28, 188-189.
Kottmann L, Schittenhelm S, Schroetter S, Langkamp T, Kraft M, & Matschiner K (2016) Vergleich des Wurzelsystems verschiedener Winterweizen-Genotypen unter Trockenstress. Mitteilungen der Ge-sellschaft für Pflanzenbauwissenschaften 28, 186-187.
Kottmann L, Langkamp T, Matschiner K, Schittenhelm S, Kraft M, & Jacobi A (2017) Einfluss von Hit-zestress auf den Ertrag von Winterweizen. Mitteilungen der Gesellschaft für Pflanzenbauwissen-schaften 29, 46-47.
Langkamp T, Kraft M, Neeland H, Matschiner K, Kottmann L, Schroetter S, & Schittenhelm S (2017) UAV-gestützte Reflexionsmessungen zur Abschätzung züchterisch relevanter Bestandsparameter mit Hilfe des NDVI am Beispiel eines Trockenstressversuches. Bornimer Agrartechnische Berichte, Heft 93, 373-381.
Langkamp-Wedde T, Kraft M, Neeland H, Matschiner K, Kottmann L, & Schittenhelm S (2018). Droh-nenbasierte Fernerkundung in der Weizenzüchtung. Bornimer Agrartechnische Berichte 99: 29-43.
Neeland H, Langkamp T, & Kraft M (2017). ThünoCopter - ein Mehr-Kamera-System für landwirtschaft-liche Fragestellungen. Bornimer Agrartechnische Berichte 93: 146-158.
Schittenhelm S, Kottmann L, & Schoo B (2017) Wasser als ertragsbegrenzender Faktor. Journal für Kulturpflanzen 69, 80-86.
Schittenhelm S, & Kottmann L (2018) Notwendigkeit der Bewässerung aus Sicht des Pflanzenbaus. In: Schimmelpfennig S, Anter J, Heidecke C, Lange S, Röttcher K, Bittner F (Hrsg.): Bewässerung in der Landwirtschaft - Tagungsband zur Fachtagung am 11./12. September in Suderburg. Thünen Working Paper 85, 11-22.
Geplante Veröffentlichungen
Kottmann L et al. Root traits of Central European winter wheat cultivars grown on contrasting sites and their significance for drought tolerance improvement. Field Crops Research.
Langkamp-Wedde T et al. Influence of heat stress during grain filling phase in wheat. Journal of Agron-omy and Crop Science.
Schittenhelm S, Kottmann L, Kraft M, Matschiner K & Langkamp-Wedde T (2018) Agronomic perfor-mance of winter wheat grown under highly divergent soil moisture conditions in rainfed and water-managed environments. J Agro Crop Sci. 00:1–12. https://doi.org/10.1111/jac.12322
Die drei vorgenannten Veröffentlichungen wurden bzw. werden in internationalen Peer Review
Journalen eingereicht. Zwei weitere Manuskripte zur multikoptergestützten fernerkundlichen
Phänotypisierungstechnik und zur Bedeutung der wasserlöslichen Kohlenhydrate für die Tro-
ckentoleranz befinden sind in der Planung.
- 58 -
Kurzfassung
Im Projekt Phaenokopter befassten sich die Partner Johann Heinrich von Thünen-Institut (TI),
Julius Kühn-Institut (JKI) und Strube Research GmbH & Co KG (SR) mit mehreren Fragestel-
lungen zur Weizenzüchtung.
Es wurde die Möglichkeit des Einsatzes drohnengestützter Spezialkameras für die fernerkund-
liche Phänotypisierung für die züchterische Selektion untersucht. Alle Aufnahmen, die in ca.
90 Messflügen entstanden sind, wurden mit einer im Rahmen des Projekts am TI erstellten
Bildanalyse-Software automatisch ausgewertet. Der zu mehreren Terminen gemessene Ve-
getationsindex NDVI zeigte eine signifikante Korrelation mit dem Korn- und dem Biomasseer-
trag, wobei die Bestimmtheitsmaße von R² = 0,11 bis R² = 0,60 reichten. Der relative Abreife-
zeitpunkt (das Entwicklungsstadium BBCH 89 ist in der Praxis nur mit hohem Aufwand zu
bonitieren) konnte mit R² = 0,64 bis R² = 0,88 vorhergesagt werden.
In einem Kernsortiment von 16 Sorten erfolgten an zwei Standorten umfangreiche Untersu-
chungen der Wurzelentwicklung und der Verlagerung wasserlöslicher Kohlenhydrate (WSC)
vom Stängel in das Korn. Zusätzlich wurde dieses Sortiment auch unter kontrolliertem Tro-
ckenstress untersucht, wofür zwei Rain-out Shelter nebst bewässerten Kontrollen auf dem
Versuchsfeld des JKI zur Verfügung standen. Bemerkenswert ist, dass die Hybriden und die
deutschen Sorten nicht nur in Umwelten mit guter Wasserverfügbarkeit, sondern auch unter
Bedingungen von Wasserknappheit höhere Kornerträge erbrachten als die europäischen Sor-
ten. Bei der Beziehung zwischen Kornertrag und minimaler WSC-Menge im Mittel der drei
Versuchsjahre zeigte sich an beiden Standorten, dass sich Genotypen mit relativ geringen
WSC-Mengen bei der Vollreife durch einen hohen Kornertrag auszeichnen. Dies ist mutmaß-
lich durch die damit einhergehend hohe WSC-Menge bedingt, welche für die Kornfüllung ge-
nutzt wird. Die Rangierung der Genotypen bezüglich der WSC-Merkmale war an den beiden
Praxisstandorten relativ ähnlich. Die WSC-Verlagerung scheint demnach weitgehend gene-
tisch fixiert zu sein.
Zum Zeitpunkt der Blüte wurden bei 12 Sorten an zwei Standorten insgesamt 500 Bohrkerne
mittels Rammkernsondierung entnommen und die Durchwurzelung nach der schnell durchzu-
führenden Bruchkernmethode charakterisiert. Außerdem wurden an 50 Bohrkernen die Wur-
zeln mittels einer Wurzelwaschanlage vom umgebenden Boden getrennt und gescannt. An
beiden Standorten war mit der Bruchkernmethode eine gute Vorhersage der Wurzellängen-
dichte möglich. Die Ergebnisse der Wurzeluntersuchungen deuten darauf hin, dass für eine
Anpassung an Trockenstress nicht die Gesamtwurzellänge, sondern der Anteil an Wurzeln in
- 59 -
tieferen Bodenschichten entscheidend ist. Eine Selektion auf ein dichtes Wurzelsystem in tie-
feren Bodenschichten erscheint daher als zweckmäßig im Hinblick auf die Anpassung an Tro-
ckenstress. Entgegen den Erwartungen korrelierte die Bestandstemperatur nur vereinzelt mit
den Wurzelmerkmalen. Die geringen Zusammenhänge waren vermutlich zum einen auf hohe
Niederschläge (Sommer 2017) und zum anderen auf bodenbedingt geringe Durchwurzelungs-
tiefen (Warmse) zurückzuführen.
In einem Hitzestressversuch wurde in der Kornfüllungsphase direkt im Anschluss an die Blüte
ein gezielter Hitzestress induziert. Für zwei Wochen wurde ein Folientunnel über die Parzellen
gebaut und die Lufttemperatur tagsüber durch Lüftungselemente bei ca. 35 °C gehalten. Der
Hitzestress führte zu erheblichen Mindererträgen. Im Versuchsjahr 2016 wurden Kornertrags-
verluste von über 70 % beobachtet. In den Versuchsjahren 2015 und 2017 lag der Korner-
tragsverlust bei 50 %. Durch den Hitzestress wurde offensichtlich eine vorzeitige Seneszenz
der Pflanzen induziert. Es konnte jedoch nicht mit Sicherheit geklärt werden, ob der unter-
schiedlich schnelle Chlorophyllabbau mit dem Kornertrag in Beziehung steht und mithin der
Chlorophyllabbau ein Kriterium für Hitzetoleranz darstellt.