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Abstracts zu der Tagung „Die Kodifizierung der Sprache. Strukturen, Funktionen, Konsequenzen“ Würzburg Do 26.02. bis Fr 27.02.2015 (Am Hubland, Philosophisches Institut, ÜR 9, 11, 12 und 13)

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Inhalt (alphabetisch nach Familiennamen)

Ignorieren – Markieren – Hierarchisieren Präskriptive Vorgehensweisen im neuhochdeutschen Sprachkodex Dominik Banhold (Würzburg) 4

Die Rolle der Kodizes bei der Verbreitung subsistenter Normen Patrick Beuge (Kiel) 5

Sprachberatungsangebote im Internet Eva Breindl (Erlangen-Nürnberg) 6

Die Fremdwortschreibung im Spiegel der Kodifizierung Franziska Buchmann & Nanna Fuhrhop (Oldenburg) 7

Kongruenzkodifizierung als bedingender Faktor im Kongruenzwandel? Antje Dammel (Mainz) 8

Kodifizierung von grammatischen Varianten im Deutschen und Russischen in der zweiten Hälfte des 20. – Anfang des 21. Jahrhunderts Elena Dieser (Universität Würzburg) 9

Kodifizierung als Sprachmanagementprozess Zu einigen Beobachtungen aus der lexikographischen Praxis Vít Dovalil & Martin Šemelík (Prag) 10

Kodifizierung der deutschen Standardaussprache Empirische Untersuchungen zur Aussprache fremder Namen im Deutschen Alexandra Ebel  & Friderike Lange (Halle (Saale)) 11

Modalisierte Assertionen in Kodizes Zu Formulierungsstrategien im Duden-Band 9 „Richtiges und gutes Deutsch“ Franziska Eber & Paul Rössler (Regensburg) 12

Kodex Duden Peter Eisenberg (Berlin) 13

Kodifizierung als Überlebensstrategie? Orthographische Kodifizierungsversuche in Pennsylvania Deitsch Barbara Hans-Bianchi (Università degli Studi dell’Aquila) 14

„Leider blieb die wesentliche Frage bisher unbeantwortet. Heißt es nun immer gewinkt, oder ist die starke Beugung gewunken ebenfalls statthaft?“ Kodifizierungserwartungen der Nutzer von Grammatikfragen.de Mathilde Hennig & Dennis Koch (Gießen) 15

Die Kodifizierung von Komma bzw. Virgel und deren Gebrauch in Dramentexten des 17. und 18. Jahrhunderts Reinhard Krapp (Regensburg) 16

Lehrbücher und Lerner-Grammatiken für den DaF-Unterricht als Kodex-Texte des Neuhochdeutschen Eine Analyse in Hinblick auf Interpunktionsregeln Eva-Maria Meier (Regensburg) 17

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Emissionsverben zum Ausdruck der Fortbewegung Empirie und lexikographische Kodifizierung Meike Meliss (Universidad de Santiago de Compostela (Spanien)) 18

Normiertes Schulbuchwissen Implizite und explizite Kodices in der Schulbucharbeit und Zulassungspraxis Christine Ott (Würzburg) 19

Zwischen Beschreibung und Normierung Zur Geschichte der deutschen Interpunktionslehre Karsten Rinas (Olomouc) 20

Der Sprachnormierungsdiskurs des 17. Jahrhunderts Sebastian Rosenberger (Göttingen) 21

„Richtige“ Aussprache als Folge oder Ursache „richtiger“ Schreibung? Zur phonetischen Kodifizierung des Neuhochdeutschen Marie Schilk (Würzburg) 22

Syntax der gesprochenen Sprache und Kodifizierung Jan Georg Schneider (Landau) 23

Das Wałęsa-Syndrom II Einige Überlegungen zur Realisation polnischer Eigennamen mit <ą>, <ę> und <ł> in der deutschen Standardaussprache und zu deren Kodifizierung Robert Skoczek (Lublin/Halle) 24

Bosnisch – Kroatisch – Montenegrinisch – Serbisch (BKMS) Kodifizierung zwecks Differenzierung Vedad Smailagid (Sarajevo) 25

„This is not (yet) regarded as correct“ Zur Thematisierung sprachlicher Varianz in DaZ‐/DaF‐Grammatiken Sebastian Stark (Würzburg) 26

Niederländisch – Beschreibung des Aussprachewörterbuches und Verwendung des Begriffes „Standardaussprache“ Sabine Strauß (Halle-Wittenberg) 27

Kodifizierung der Eigennamen in zweisprachigen Wörterbüchern Anikó Szilágyi-Kósa (Veszprém) 28

Der Umgang mit Varianz in der Kodifikation am Beispiel der orthographischen Varianten Mirjam Weder (Basel) 29

Übersicht über die Vortragstermine 30

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Ignorieren – Markieren – Hierarchisieren Präskriptive Vorgehensweisen im neuhochdeutschen Sprachkodex Dominik Banhold (Würzburg) Auswahl, Fixierung und ggf. Kommentierung von sprachlichen Formen in Sprachkodextexten

sind nicht bloß zentrale Faktoren in der Herausbildung, Etablierung und Stabilisierung einer

Standardvarietät (vgl. die einschlägigen Modelle von Haugen und Ammon). Die Empfehlung

bestimmter sprachlicher Erscheinungen und die Hierarchisierung sprachlicher Varianten befrie-

digen zudem ein natürliches Bedürfnis der Sprachgemeinschaft nach Sprachoptimierung und

Orientierung (vgl. Battistella 2005: 9).

Der Vortrag knüpft an diese Annahme an und fragt, wie in verschiedenen Texten des neu-

hochdeutschen Sprachkodex dem Bedürfnis nach präskriptiver Grammatik nachgekommen wird.

An einer Auswahl von Kodextexten wird gezeigt, wie sich Präskriptivität vor dem Hintergrund

der jeweiligen Textfunktion in den Kodextexten niederschlägt. Im ersten Vortragsteil wird dabei

ein Versuch zur Systematisierung präskriptiver Vorgehensweisen und des präskriptiven meta-

sprachlichen Vokabulars unternommen. So hat sich beispielsweise in verschiedenen Studien

(etwa Davies/Langer 2006, Banhold i. E.) gezeigt, dass die Hierarchisierung von Varianten nicht

auf normative Variantenmarkierungen begrenzt ist, die Varianten vor dem Hintergrund eines

(schriftstandard)sprachlichen Systems als richtig oder falsch einordnen, sondern sich eine viel-

seitige präskriptive Metasprache mit verschiedenen Skalen ausdifferenziert hat. Zudem liegt

neben der Variantenmarkierung mit der Option der Variantenexklusion aus dem Kodex eine

weitere, potentiell wirkungsvolle präskriptive Vorgehensweise vor, deren Gebrauch sich bei der

Analyse konkreter sprachlicher Varianten offenbart. Unter Berücksichtigung verschiedener Ko-

dextexte (schulbezogene Grammatiktexte, wissenschaftliche Grammatiken, Sprachratgeber)

werden im zweiten Vortragsteil Unterschiede und Gemeinsamkeiten sowie Entwicklungen und

Stabilitäten angesprochen, um ein besseres Verständnis von Präskriptivität im neuhochdeutschen

Sprachkodex zu gewinnen.

Literatur

Banhold, Dominik (i. E.): Sprachnorm, Sprachbewertung, Sprachlehre. Zum Umgang mit flexionsmorphologischer

Varianz in deutschen Schulgrammatiken (1801–1932).

Battistella, Edwin (2005): Bad Language. Are Some Words Better than Others? Oxford.

Davies, Winifred V./Nils Langer (2006): The Making of Bad Language. Lay Linguistics Stigmatisations in German:

Past and Present (= Vario Lingua 28). Frankfurt M.

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Die Rolle der Kodizes bei der Verbreitung subsistenter Normen Patrick Beuge (Kiel) Um Klarheit bei einem sprachlichen Zweifelsfall zu erlangen, wird der Sprachbenutzer in den

meisten Fällen wohl den Griff ins Bücherregal zum Rechtschreibduden wagen. Zwar bean-

sprucht der Duden für sich – außerhalb seiner gesetzlich legitimierten Verwendungs- kon-

texte, in denen er präskriptiv wirkt – einen deskriptiven Status, jedoch hat sich längst die

normative Wirkung solcher Wörterbücher eingestellt.1

So kann es durch die Nutzung dieser

Wörterbücher zur Ausbildung eines internen Normenbewusstseins auf Seiten des Sprachbe-

nutzers kommen, infolgedessen die darin verzeichneten Sprachregeln und Empfehlungen nicht

als solche interpretiert werden, sondern diese als allgemein gültig angesehen werden. Ohne

dass somit ein normativer Anspruch expliziert wird, interpretiert der Benutzer die „Können-

Forderung“ als „Sollen-Forderung“ (Ripfel 1989, 204). Dieser Umstand resultiert aus ei-

nem Bündel unterschiedlicher Faktoren, wie beispielsweise dem Prestige, welches dem

Duden anhaftet, sodass er nach wie vor als „Autorität in Sprachfragen“ (ebd.) gelten kann.

Geschriebene Sprache besitzt in den meisten Kultursprachen eine relativ genau kodifizier-

te Norm, die in entsprechenden Kodizes fixiert ist, diese weisen eine geringe Variabilität

und einen hohen Verbindlichkeitsanspruch auf. Aus dieser Dauerhaftigkeit des Geschriebe-

nen leiten sich auch ein hohes Maß an Verbindlichkeit ab und es entwickelt sich gerade für

die in diesen Kodizes statuierten Normen als Produkte des institutionellen Diskurses ein

starkes Normbewusstsein. Es hat sich gezeigt, dass hierbei vor allem diejenigen Varianten als

normkonform angesehen werden, die sich aus linguistischer Sicht als „standardsprachlich“

beschreiben lassen, und so werden diese standardsprachlichen Varianten oft sogar mit „der“

Norm schlechthin gleichgesetzt.2

Im Vortrag soll es vor allem um die Frage gehen, wie sich Kodizes in ihrer Funktion

als normsetzende Instanzen aus Sicht „gewöhnlicher“ Sprecherinnen und Sprecher beschrei-

ben lassen, welcher Status Kodizes im Allgemeinen beigemessen wird und wie die darin

formulierten Normgehalte mit den sich hieraus ergebenden Konsequenzen ihre Wirkung entfal-

ten. Hierzu sollen exemplarisch Ausschnitte aus qualitativen leitfadengestützten Interviews

herangezogen und deren Inhalt auf die Normvorstellungen linguistischer Laien rückbezo-

gen werden.

LÖFFLER, Heinrich (2005): Wie viel Variation verträgt die deutsche Standardsprache? Begriffsklärung: Standard

und Gegenbegriffe. In: Eichinger, Ludwig M. / Kallmeyer, Werner (Hrsg.): Standardvariation. Wie viel Varia-

tion verträgt die deutsche Sprache? Berlin / New York: de Gruyter. S. 7-27.

MAITZ, Péter (2010): Sprachvariation zwischen Alltagswahrnehmung und linguistischer Bewertung. Sprachthe-

oretische und wissenschaftsmethodologische Überlegungen zur Erforschung sprachlicher Variation. In:

Gilles, Peter / Scharloth, Joachim / Ziegler, Evelyn (Hrsg.): Variatio delectat. Empirische Evidenzen und the-

oretische Passungen sprachlicher Variation. Frankfurt am Main: Peter Lang. S. 59-81.

RIPFEL, Martha (1989): Die normative Wirkung deskriptiver Wörterbücher. In: Hausmann, Franz J. / Reich-

mann, Oskar / Wiegand, Herbert E. / Zgusta, Ladislav (Hrsg.): Wörterbücher. Ein internationales Hand-

buch zur Lexikographie. Erster Teilband. Berlin / New York: de Gruyter. S. 189-207.

SCHMIDT, Jürgen E. (2005): Die deutsche Standardsprache: eine Varietät - drei Oralisierungsnormen. In:

Eichinger, Ludwig M. / Kallmeyer, Werner (Hrsg.): Standardvariation. Wie viel Variation verträgt die

deutsche Sprache? Berlin / New York: de Gruyter. S. 278-305.

1 Allein die Markierung der im Wörterbuch aufgenommenen Nonstandardformen mit „ugs.“ oder „derb“ kann als

umstritten und teilweise normativ-wertend gelten.

2 So ist der Status „der“ Standardvarietät nach wie vor nur unzureichend geklärt und diese muss weiterhin als prob-

lematisches Konstrukt angesehen werden. Vgl. hierzu die Diskussionen in: Schmidt (2005); Löffler (2005) so-

wie Maitz (2010).

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Sprachberatungsangebote im Internet Eva Breindl (Erlangen-Nürnberg)

Zwischen Sprachberatung und Sprachkodifizierung besteht ein enger Zusammenhang.

Einerseits stützt sich Sprachberatung in ihren Aussagen auf Sprachkodizes, andererseits hat

sie vor allem mit Zweifelsfällen, Varianten und aktuellen Sprachwandeltendenzen zu tun und

kann damit auch Rückwirkungen auf eine künftige Kodifizierung haben. Solche Wech-

selwirkungen sind etwa für den Zweifelsfälle-DUDEN (Duden Bd. 9) charakteristisch.

Sprachberatung erscheint im Zeitalter des Web aber auch in anderer Gestalt. Sprecher

versuchen Antworten auf ihre sprachbezogenen Fragen heute eher zu „ergoogeln“, als dass

sie zu einem gedruckten Sprachkodex greifen oder telefonisch bei einer professionellen

Sprachberatungsinstitution anfragen. Dafür steht ihnen inzwischen eine stattliche Anzahl von

mehr oder weniger professionellen Sprachratgebern, Sprachforen und Sprachblogs zur

Verfügung wie etwa http://www.korrekturen.de/, http://www.gutefrage.net/tag/deutsch/,

http://canoo.net/blog/ usw.

Diese Informationsquellen sollen vorgestellt und vor der Folie einer langen und gut

untersuchten Tradition von Sprachberatung und Sprachratgebern in gedruckter Form

analysiert werden. Dabei stellen sich folgende Fragen:

Welches Verständnis von Norm und Standard transportieren diese Quellen? Wie

positionieren sie sich zwischen Deskriptivität und Präskriptivität?

Auf welche Quellen stützen sich Aussagen zur Akzeptabilität/Inakzeptabilität bzw.

Grammatizität/Agrammatizität sprachlicher Formen?

Welche sprachlichen Phänomene werden bevorzugt aufgegriffen?

Welche Akteure sind bei der Formulierung sprachlicher Normen beteiligt?

Wirkt sich die Interaktivität des Mediums auf die Formulierung von Normen aus?

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Die Fremdwortschreibung im Spiegel der Kodifizierung Franziska Buchmann & Nanna Fuhrhop (Oldenburg) Für die Schreibung von Wörtern im heutigen Deutschen gibt es im Allgemeinen genau eine

Möglichkeit – so wird ein Wort wie Freude nur so geschrieben und nicht zum Beispiel alter-

nativ auch Froide, Froyde, Fräude o.ä. Noch deutlicher wird der Unterschied beim <h>, das

nicht systematisch gesetzt wird, also fühlen vs. *fülen, holen vs. hohlen. Die Rechtschreibung

lässt hier jeweils nur eine Schreibung zu.

Grundsätzlich anders ist dies bei Fremdwörtern. Sie kommen aus einer anderen Sprache

und haben hier vermutlich auch nur eine Schreibung. Sie kommen dann ins Deutsche. Theore-

tisch wäre folgendes Konstrukt zu denken: Wörter sind in einer Sprache kodifiziert; bei Über-

nahme in eine andere Sprache befinden sie sich zwischen zwei möglichen Kodizes um dann –

nach dem Durchlaufen verschiedener Varianten im Deutschen wieder eindeutig kodifiziert zu

werden, frz. carrousel zu Caroussel (1814, 1830), Karussel (1855), Karoussel (1890), Karus-

sel (1896), Karussell (1896). Die Entwicklung verläuft hierbei nicht geradlinig wie das Bei-

spiel Zirkus zeigt: Ab 1764 findet sich die Schreibung Circus im Deutschen, ab 1793 dann

auch die Schreibung Zirkus. Beide Varianten lassen sich bis 1900 parallel nachverfolgen.

Zwischen 1830 und 1899 erscheint aber auch die Variante Cirkus. Diese kann aber in dieser

zeitlichen Abfolge nicht einfach als Übergangsvariante interpretiert werden.

In diesem Sinn möchten wir erste Ergebnisse einer Untersuchung zur Fremdwortschrei-

bung von 1750-1900 (mit Hilfe des DTA-Korpus) vorstellen, die – vor der offiziellen Nor-

mierung der Rechtschreibung – verschiedene Tendenzen erkennen lässt. Offenbar gibt es mit-

unter auch Gründe, ein Fremdwort weiterhin ‚fremd„ erscheinen zu lassen.

Die Fremdwortschreibung ist auch heute nicht in dem Maße kodifiziert, wie es die Schrei-

bung nativer Wörter ist. Es ist aber auch offenbar nicht so, dass zu früheren Zeiten direkter

integriert wurde, auch wenn es heute so aussieht. Die Integration kann als Prozess zwischen

den beiden Kodizes gesehen werden.

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Kongruenzkodifizierung als bedingender Faktor im Kongruenzwandel? Antje Dammel (Mainz)

Der Vortrag untersucht diachron die Kodifizierungsbemühungen in Grammatiken und Sprach-

ratgebern für ausgewählte Kongruenzprobleme und fragt nach deren Einfluss auf den Wandel

im Bereich Kongruenz.

Als Fallbeispiel dient die Kongruenz bei koordinierten Nominalphrasen, zum einen am

Verb, zum anderen im Verhalten von Determinantien und Modifikatoren und deren Zugäng-

lichkeit für Ellipsen. Das fnhd. Beispiel in (1) aus dem Faustbuch (1587) illustriert beide Phä-

nomene:

(1) vnnd schlueg also [[der stram] vnnd [Ø Welle-­­n]] vff Doctor Faustum zue

Das vorangestellte Verb kann trotz des komplexen Subjekts aus zwei koordinierten NPn im

Singular stehen und innerhalb der komplexen NP kann der Artikel bei starker Überlappung auf

semantisch-­‐pragmatischer Ebene auch bei unterschiedlicher Genusspezifikation elidiert wer-

den.

Hier findet zum Nhd. hin ein Wandel zu konsequenter morphosyntaktisch gesteuerter Kon-

gruenz statt. Inwieweit die Kodifizierung dafür (mit)verantwortlich ist, soll im Vortrag unter-

sucht und diskutiert werden.

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Kodifizierung von grammatischen Varianten im Deutschen und Russischen in der zweiten Hälfte des 20. – Anfang des 21. Jahrhunderts Elena Dieser (Universität Würzburg)

Grammatische Varianten haben unterschiedliche Schicksale. Während ein Teil von vorüber-

gehender Natur ist, stellt ein anderer den Vorboten des Sprachwechsels dar. In der vorliegen-

den Studie werden Ähnlichkeiten und Unterschiede bei der Kodifizierung von grammatischen

Varianten (aus dem Bereich der Nominal- und Verbalmorphologie) in der zweiten Hälfte des

20. – Anfang des 21. Jahrhunderts in der deutschen und in der russischen Tradition unter-

sucht. Anhand der Analyse von experimentellen und korpuslinguistischen Daten soll u.a. ge-

klärt werden, welche Rolle dabei solche Größen wie die Frequenz und die Akzeptanz durch

Muttersprachler spielt.

Bermel, Neil , and Ludek Knittl. 2012. Corpus frequency and acceptability judgments: A study of morphosyntac-

tic variants in Czech. Corpus Linguistics and linguistic Theory 8–2: 241–275.

Hundt, Markus. 2005. Grammatikalität - Akzeptabilität - Sprachnorm. Zum Verhältnis von Korpuslinguistik und

Grammatikalitätsurteilen. In: Lenz, Friedrich und Stefan Schierholz (Hrsg.). Corpuslinguistik in Lexik

und Grammatik. Tübingen: Stauffenberg. 15 - 40.

Kempen, Gerard, and Karin Harbusch.2008.Comparing linguistic judgments and corpus frequencies as windows

on grammatical competence: A study of argument linearization in German clauses. In A. Steube (Ed.), The

discourse potential of underspecified structures . Berlin: Walter de Gruyter. 179-192.

Klein, Wolf Peter. 2014. Gibt es einen Kodex für die Grammatik des Neuhochdeutschen und, wenn ja, wie vie-

le? Oder: Ein Plädoyer für Sprachkodexforschung. In: (Hg.) Plewnia, A. / Witt, A.: Sprachverfall? Dynamik -

Wandel - Variation (= Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache 2013). Berlin / Boston. 219-242.

Glovinskaja, M. Ja. 1996. Aktivnye processy v grammatike (na materiale innovacij i massovych jazykovych

ošibok). V: Zemskaja, E. A. Russkij jazyk konca XX stoletija. Moskva.

Graudina, L. K. et al. 2001. Grammatičeskaja pravil'nost' russkoj reči. Stilističeskij slovar' variantov. Moskva.

Norman, B.Ju. 2007. Jazykovye pravila: vybor varianta jazykovoj edinicy. Russkij jazyk i literatura. № 2, Minsk,

43-48.

Poljakova, S. V. 2009. Slovoizmenenie količestvennyh čislitel'nyh v sovremennoj russkoj reči : eksperimen-

tal'noe issledovanie. Tomsk.

Russkaja grammatika. Bd. 1, 2. 1980. Hrsg. von N.Ju. Švedova. Moskva.

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Kodifizierung als Sprachmanagementprozess Zu einigen Beobachtungen aus der lexikographischen Praxis Vít Dovalil & Martin Ńemelík (Prag) In der Linguistik gilt die Rolle der Kodifizierung für Standardisierung von Sprachen seit der

Neuzeit als zentral. Beispielsweise im Standardisierungsmodell von Haugen (1983) stellt die

Kodifizierung als seine zweite Phase einen unumgänglichen Bestandteil des Standardisie-

rungsprozesses dar. Für ähnlich wichtig wird ein Kodex von breiter Öffentlichkeit deklariert,

wenn Probleme der Richtigkeit aufgeworfen und Zweifelsfälle diskutiert werden. Ziel dieser

Präsentation ist es deshalb, die Prozesse der Entstehung von Kodizes zu beleuchten, die zur

Untersuchung der Entscheidungen beitragen sollten, welche Varianten und warum in die Ko-

dizes aufgenommen werden und wie die Varianten markiert und kommentiert werden. Daraus

ist ersichtlich, dass die Kodifizierung primär prozessual und eben nicht nur als fertiges Ergeb-

nis (d.h. statisch) interpretiert wird.

Die Kodifizierung repräsentiert eines der überhaupt typischsten Beispiele metasprachlicher

Diskurse, mit denen offensichtlich in den Sprachgebrauch eingegriffen wird (Sprachmanage-

ment, vgl. Dovalil 2013 und forthcoming) und die die klassische Sprachplanung (hier in Form

der Korpusplanung) weiter differenzieren helfen (Untersuchung der Beziehungen zwischen

der Mikro- und Makroebene). Dabei ist der intuitiv verständliche und auf den ersten Blick

relativ klare Kodex-Begriff bei einer kritischen Überprüfung doch ziemlich unklar (Ammon

1986: 43-49). Zwei zu trennende Aspekte werden vom Standpunkt der Sprachmanage-

menttheorie aus untersucht:

Einleitend wird der Hauptbegriff Kodex diskutiert. Er wird nicht als ein unabhängig von

Sprachbenutzern „objektiv“ existierendes Regelwerk, sondern als diskursives Konstrukt auf-

gefasst, das durch Sprachmanagementakte der Sprachbenutzer in Interaktionen konstituiert

wird. So kann beispielsweise situationsbedingt ein Lehrbuch oder ein linguistischer Aufsatz

zum Kodex werden, wenn diese Textsorten beim Lösen von Zweifelsfällen neben den sonst

erwartbaren Wörterbüchern/Grammatiken oder sogar anstelle dieser Wörterbü-

cher/Grammatiken verwendet werden. Was als Kodex fungiert, stellt sich also (erst) im Dis-

kurs heraus. (Der Umgang mit solchen Werken entscheidet übrigens auch über den Unter-

schied zwischen einem deskriptiven und präskriptiven Kodex). Dadurch wird der in Betracht

zu ziehende indexikalische Charakter von Kodex berücksichtigt.

Im Anschluss an diese Diskussion werden Daten präsentiert und ausgewertet, die einen

Einblick in die Werkstatt eines zweisprachigen Wörterbuchs ermöglichen und die die Ent-

scheidungsprozesse bei einer solchen Kodifizierung reflektieren. Als Datenquelle konnten

teilnehmende Beobachtungen dienen, die durch einige kurze Follow-up-Interviews mit den

Entscheidungsträgern ergänzt werden.

Ammon, Ulrich (1986): Explikation der Begriffe ´Standardvarietät´ und ´Standardsprache´ auf normtheoretischer

Grundlage. In: Holtus, Günther/Radtke, Edgar (Hrsg.): Sprachlicher Substandard, Bd. I. Tübingen: Niemeyer, 1-

63.

Dovalil, Vít (2013): Zur Auffassung der Standardvarietät als Prozess und Produkt von Sprachmanagement. In:

Hagemann, Jörg/ Wolf Peter Klein und Sven Staffeldt (Hrsg.): Pragmatischer Standard (= Reihe Linguistik, Band

73). Tübingen: Stauffenburg, 163-176.

Dovalil, Vít (forthcoming): The German Standard Variety at Some Universities in the Czech Republic in the

Light of

Decision-making Processes of Language Management. In: Davies, Winifred/Ziegler Evelyn (eds.): Language

Planning and Microlinguistics. Basingstoke: Palgrave Macmillan.

Haugen, Einar (1983): The Implementation of Corpus Planning: Theory and Practice. In: Cobarrubias,

Juan/Fishman,

Joshua (eds.): Progress in Language Planning. Berlin/New York/Amsterdam: Mouton Publishers, 269-289.

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Kodifizierung der deutschen Standardaussprache Empirische Untersuchungen zur Aussprache fremder Namen im Deutschen Alexandra Ebel  & Friderike Lange (Halle (Saale))

Die Kodifizierung der deutschen Standardaussprache ist Anliegen und Ziel der traditionsrei-

chen halleschen Orthoepieforschung. Aktueller Forschungsgegenstand ist unter anderem die

Aussprache fremder Namen und Wörter im Deutschen. Dabei wird untersucht, auf welche

Art und Weise fremde Laute an- geglichen oder ersetzt werden sollten und welche fremd-

sprachlichen Merkmale beibehalten werden können. Übergeordnet steht die Frage, inwie-

fern diese Angleichungen, Ersetzungen und Beibehaltungen systematisiert und daraus

Ausspracheempfehlungen für die deutsche Standardaussprache abgeleitet werden können.

Deutsche Standardaussprache findet Anwendung überall dort, wo formbewusst gesprochen

wird: in den Medien, auf der Bühne, in Schule und Universität, im Gebiet der Sprach- und

Sprechtherapie sowie im Bereich Deutsch als Fremdsprache (vgl. Krech et al. 2009, 6f). Sie

wird in offiziellen Situationen verlangt und erwartet. Dabei nehmen Kodizes wie das Deut-

sche Aussprachewörterbuch (2009) die Rolle eines empfehlenden Referenzwerkes ein.

Voraussetzung für eine allgemein anerkannte Kodifizierung von Standardaussprache ist

deren kontinuierliche und systematische Beobachtung und Überprüfung, um auf regelhafte

Veränderungen mit modifizierten Kodifikationen reagieren zu können (vgl. Hollmach 2007,

141). Aktuelle Untersuchungen zur Aussprache fremder Namen gleichen daher die in ge-

genwärtig vorliegenden Aussprachewörterbüchern vorgeschlagenen Kodifizierungen zum

einen mit den in der Sprechrealität tatsächlich vorhandenen und zum anderen mit hörersei-

tig präferierten Formen ab.

Dazu wurden folgende empirische Untersuchungen durchgeführt: In einem ersten Schritt

wurden Rund- funkmitschnitte daraufhin analysiert, wie Berufssprecher einzelne Laute in

fremden Namen realisieren. Weiterhin wurden fremdsprachige Laute auf ihre perzeptiv-

kognitive Auffälligkeit hin untersucht. Abschließend fanden Befragungen statt, um die Präfe-

renz verschiedener Aussprachevarianten zu erheben.

Im Vortrag werden die Analyseergebnisse zur Präferenz von Ausspracheformen engli-

scher und russischer Namen präsentiert und verschiedene empirische Methoden der Aus-

sprachekodifizierung zur Diskussion gestellt.

Hollmach, U. (2007): Untersuchungen zur Kodifizierung der Standardaussprache im Deutschen. (HSSP, 21)

Frankfurt am Main: Peter Lang.

Krech, E.-M. / Stock, E. / Hirschfeld, U. / Anders, L. C. (2009): Deutsches Aussprachewörterbuch.

Berlin / New York: de Gruyter.

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Modalisierte Assertionen in Kodizes Zu Formulierungsstrategien im Duden-Band 9 „Richtiges und gutes Deutsch“ Franziska Eber & Paul Rössler (Regensburg)

„anvertrauen: Der Verbzusatz an- wird in den finiten Formen meist vom Verb getrennt und nachge-

stellt: Ich vertraue dir dieses Geheimnis an. Die Unterlassung dieser ↑ Tmesis ist seltener: Ich anvertraue

dir dieses Geheimnis.“ (Duden 9 2011, S. 87)

Welche Handlungsanweisung ist mit Aussagen wie dieser für welchen Leser/Anwender ver-

bunden? In gegenwärtigen Kodizes werden Normen meist in Form von Assertiven formuliert,

obwohl sie – qua Norm – Handlungsanweisungen sind. Was beabsichtigen Autoren von Ko-

dizes, wenn sie (bewusst?) Handlungsanweisungen an Rezipienten als sprachliche Tatsachen-

feststellungen formulieren? Welche Vor- und welche Nachteile sind mit diesen indirekten

Sprechakten für die Leser verbunden? Die für die Tagung formulierten Fragen, welche Norm-

gehalte mit welchen Intentionen und Konsequenzen in einem Sprachkodex auf welche Art

und Weise formuliert werden, stehen im Vortrag im Zentrum.

Anhand der Lemmaspuren der Buchstaben A und B im Duden-Band 9 „Richtiges und gu-

tes Deutsch“ untersuchen wir, wie das Spannungsverhältnis zwischen Assertion und Vagheit

in Angaben zu sprachlichen Zweifelsfällen umgesetzt wird. Im Fokus stehen dabei v.a. Vor-

gangspassivkonstruktionen und Impersonalkonstruktionen. Durch zusätzliche Vagheitsmerk-

male bei den Begriffserläuterungen wie Temporaladverbien, Quantitätsangaben oder Modal-

verbverwendungen erfahren die assertiv formulierten Erklärungen eine Modalisierung, deren

(sprach)handlungstheoretische Konsequenzen im Vortrag diskutiert werden.

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Abstracts zu der Tagung „Die Kodifizierung der Sprache. Strukturen, Funktionen, Konsequenzen“ Würzburg Do 26.02. bis Fr 27.02.2015 (Am Hubland, Philosophisches Institut, ÜR 9, 11, 12 und 13)

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Kodex Duden Peter Eisenberg (Berlin)

Wer nach einem Kodex für die deutsche Gegenwartssprache gefragt wird, nennt in der Regel

zuerst den Duden. Die Antwort kann unbestimmt sein, sie kann die Rechtschreibung meinen,

darüber hinaus auch andere Duden-Bände wie die Grammatik, die Zweifelsfälle, die Ausspra-

che, die Synonyme usw. Wir fassen im Folgenden die drei zuerst genannten ins Auge.

Etablierung und Wandel. Mit der Rechtschreibung fing alles an. Sie hat eine wechselvolle

Geschichte in ihrem normsetzenden Anspruch hinter sich. Vergleichbares gilt mit etwas ande-

rem Zungenschlag für die Grammatik. Es ist instruktiv, sich die Hauptlinien und -anlässe die-

ses Wandels vor Augen zu führen. Die Zweifelsfälle kamen zuletzt, und ein Zugriff über

sprachliche Alternativen hat von vornherein eine größere Offenheit der Norm gegenüber zur

Folge, als wenn ein Wille zur Eindeutigkeit dominiert. Die drei Bücher stellen inhaltlich und

formal Kodifizierungen sehr unterschiedlicher Art dar.

Normautorität. Am einfachsten liegen die Dinge wieder bei der Rechtschreibung. Öffentli-

ches Interesse, staatliche Regelung für Schulen und Behörden sowie das lange geltende Du-

denprivileg kommen zusammen. Inzwischen enthält das Buch nicht einmal mehr das amtliche

Regelwerk. Grammatiken wird im öffentlichen Bewusstsein häufig noch immer die Aufgabe

zugeschrieben, das sprachlich Richtige vom Falschen zu trennen. Darauf beruht wesentlich

die Autorität auch der Duden-Grammatik. Die Autorität der Zweifelsfälle ist in einer größeren

Öffentlichkeit gering, schon weil Eindeutigkeit als hoher oder einziger Wert gilt.

Wirksamkeit. Die Rechtschreibung gehört zu den meistverkauften und -verwendeten Bü-

chern deutscher Sprache überhaupt. Ihre Wirksamkeit steht außer Zweifel. Ganz anders bei

der Grammatik, die nach vorliegenden Untersuchungen ihren Adressatenkreis nur bedingt

erreicht, soweit es um Wirksamkeit für das Sprachverhalten geht. Die Zweifelsfälle leben

vergleichsweise verborgen, finden sich aber auf zahlreichen Redaktions- und Lektorats-

schreibtischen, wo sie auch tatsächlich verwendet werden. Ihre Wirksamkeit wird eher unter-

schätzt. Und mit dem Blick nach außen: Es gibt wenige Sprachen auf der Erde, die über sol-

che Bücher verfügen.

Bei der Arbeit mit und an den drei Büchern (Stichwörter: Umsetzung der Neuregelung,

Koautorschaft und Konzeptionelles bei der Grammatik, Autorschaft bei den Zweifelsfällen)

ging es zentral immer wieder um die Frage, wie und wie weit das vorhandene oder angestreb-

te Sprachwissen eines ‚normalen‟ Sprechers mit den Aussagen der Kodizes in Einklang zu

bringen sei. Trotz eines prinzipiell einheitlichen Normbegriffs ergeben sich auch in dieser

Hinsicht interessante Unterschiede zwischen den Bänden, auf die schwerpunktmäßig einge-

gangen wird.

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Kodifizierung als Überlebensstrategie? Orthographische Kodifizierungsversuche in Pennsylvania Deitsch Barbara Hans-Bianchi (Università degli Studi dell’Aquila)

In dem Beitrag sollen Sprachkodifizierungsversuche unter den besonderen Bedingungen einer

Sprachinselsituation beleuchtet werden.

Pennsylvaniadeutsch (PD) hat sich als Ausgleichsdialekt unter den deutschen Auswande-

rern in Pennsylvanien während des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts herausgebildet.

Gleichzeitig hat es sich aus der anfänglich noch wirksamen Überdachung durch die deutsche

Hoch- und Schriftsprache in den Geltungsbereich der Dachsprache (Amerikanisches) Eng-

lisch eingegliedert. Versuche, im PD einen schriftsprachlichen Kommunikationsbereich aus-

zubauen, sahen und sehen sich nicht nur der Übermacht des Englischen gegenüber, sondern

stoßen auch auf bedeutende Hindernisse wie die inzwischen räumlich weit verstreute

Sprechergemeinschaft und deren Aufspaltung in zwei unterschiedliche sozio-kulturelle Groß-

gruppen. Vereinfachend gesagt schwankt die derzeitige Sprachsituation zwischen einer stabi-

len Diglossie mit zunehmender Konvergenz zum Englischen hin (unter den sog. Sektierern)

und einer starken Folklorisierung als Reliktsprache (unter den sog. Nicht-Sektierern).

Die öffentliche Sprachdiskussion ist unweigerlich von den besonderen Sprachgebrauchs-

bedingungen des PD geprägt. In jeder öffentlichen Spracharbeit, sei es eine grammatische

Beschreibung, ein Wörterbuch, eine Übersetzung oder eine Zeitschrift, steht immer auch der

Status der Sprache mit zur Debatte, und somit die Identität der sprachlich-kulturellen Gemein-

schaft(en), die sie trägt (bzw. tragen). Die Selbstdefinition der Gruppe(n) und ihre Projektion

in die Zukunft wird besonders eklatant anhand von Normierungsvorschlägen im Bereich der

(Recht-) Schreibung greifbar.

An anderer Stelle habe ich mich bereits mit der Ausprägung der beiden derzeit vorherr-

schenden und in vielerlei Hinsicht entgegengesetzten Verschriftungsmodellen und den damit

einhergehenden Eigenpositionierungen der PD-Sprecher beschäftigt (s. Literaturhinweis). Im

Rahmen dieser Tagung möchte ich auf einer erweiterten empirischen Grundlage die orthogra-

phischen Normierungsvorschläge in den größeren geschichtlichen Zusammenhang der

Sprachkodifizierungsbestrebungen insgesamt einordnen. Dabei soll insbesondere folgenden

Fragen nach- gegangen werden:

Wer (welche Einzelpersonen / welche sozialen und kulturellen Gruppen) hat in den

vergangenen knapp 150 Jahren an der pennsylvaniadeutschen Sprachbeschreibung

und -normierung aktiv teilgenommen? Aus welchen Gründen und mit welchen Zie-

len?

Mit welchen Intentionen und Konsequenzen wird insbesondere die (Recht-)

Schreibung normiert? Welche Faktoren spielen eine Rolle bei der Übernahme und

der Verbreitung eines bestimmten Rechtschreibmodells?

Welches Gewicht kommt der Rechtschreibung innerhalb der Sprachkodifizierungs-

versuche des PD insgesamt zu? Welche Rolle spielt die Sprachinselsituation und

der damit verbundene „Überlebenskampf“ des PD bei den Kodifizierungsbestre-

bungen?

Hans-Bianchi, Barbara (2014): “Pennsylvaniadeutsch: Wege der Verschriftung einer Minderheitensprache”, in:

Bollettino dell´Associazione Italiana di Germanistica (Baig VII), 113-131; abrufbar unter:

http://www.associazioneitalianagermanistica.it/ images/bollettini/9_Hans-Bianchi_113-131_DEF.pdf

Dort finden sich auch weitere Literaturangaben zum Thema.

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„Leider blieb die wesentliche Frage bisher unbeantwortet. Heißt es nun immer gewinkt, oder ist die starke Beugung ge-wunken ebenfalls statthaft?“ Kodifizierungserwartungen der Nutzer von Grammatikfragen.de Mathilde Hennig & Dennis Koch (Gießen) Mit „In unseren Antworten auf Grammatikfragen.de wollen wir niemandem einen bestimmten

Sprachgebrauch vorschreiben, sondern wir möchten dem Fragesteller bei der Entscheidung

für eine der möglichen Varianten behilflich sein, indem wir Daten und Fakten […] zusam-

mentragen“ umreißt Melanie Löber in Reaktion auf einen unzufriedenen Kommentar eines

Nutzers zu gewinkt/gewunken das Selbstverständnis dieses linguistischen Angebots zur Klä-

rung grammatischer Zweifelsfälle. Insofern ist das auf Grammatikfragen spezialisierte

Sprachberatungsangebot nicht als Sprachkodex im Sinne von Klein (2014) intendiert. Aller-

dings – und das wissen wir spätestens seit Wolf Peter Kleins präzisierender Darstellung zum

Begriffspaar ‚Deskription-Präskription„ (2004) – ist das Deskriptionsbekenntnis eines linguis-

tischen Autors einer grammatischen Beschreibung noch keine ausreichende Grundlage für die

Einordnung einer Beschreibung als deskriptiv oder präskriptiv: Neben der Text- und Da-

tendimension muss vor allem auch die Rezipientendimension berücksichtigt werden. Auch in

seiner Sprachkodexdefinition weist Klein ja darauf hin, dass entscheidend ist, was als Nor-

minstanz wahrgenommen wird.

Im Gegensatz zu Grammatiken, die als abgeschlossene Nachschlagewerke keine Interakti-

on mit den Rezipienten ermöglichen, bietet eine interaktive Plattform wie Grammatikfra-

gen.de uns die Möglichkeit, mehr über das erwartbare Präskriptionsbedürfnis der Rezipienten

zu erfahren. Die Nutzer der Seite werden ausdrücklich darum gebeten, ihre Fragen zu begrün-

den. Außerdem nutzen sie teilweise auch die Möglichkeit einer Reaktion auf eine gegebene

Antwort. Da die Nutzer in diesen Beiträgen nicht selten persönliche Einschätzungen geben

oder auch klar Stellung zu der von ihnen präferierten Variante beziehen, bietet es sich an, die

persönlichen Anmerkungen neben den eigentlichen Fragen auf Hinweise zu den implizierten

oder konkret formulierten Kodifizierungserwartungen zu untersuchen.

Mit dem geplanten Vortrag verfolgen wir das Ziel einer Bestandsaufnahme der in den bis-

lang ca. 1300 Redebeiträgen zu ca. 600 Grammatikfragen geäußerten Kodifizierungserwar-

tungen. Wir erwarten davon genauere Kenntnisse über die Diskrepanz zwischen unserem De-

skriptionsanspruch und den Kodifizierungserwartungen der Nutzer und hoffen, damit einen

Beitrag zur Sprachkodexforschung leisten zu können.

Klein, Wolf Peter 2004: Deskriptive statt präskriptiver Sprachwissenschaft? Über ein sprachtheoretisches Be-

kenntnis und seine analytische Präzisierung. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 32, 376-405.

Klein, Wolf Peter 2014: Gibt es einen Sprachkodex des Neuhochdeutschen und wenn ja, wie viele? Oder Ein

Plädoyer für Sprachkodexforschung. In: Plewnia, Albrecht / Witt, Andreas (Hrsg.): Sprachverfall? Dynamik –

Wandel – Variation. Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache 2013, 219-242.

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Die Kodifizierung von Komma bzw. Virgel und deren Gebrauch in Dramentexten des 17. und 18. Jahrhunderts Reinhard Krapp (Regensburg)

Für Dramentexte ist die Untergliederung der Redeteile im Satz äußerst relevant: Als gespro-

chene Texte sollen diese gute vortragbar und als gelesene Texte leicht verständlich sein.

Eines der wichtigsten Zeichen im Bereich der Schriftscheidung, das diese beiden Funktio-

nen ermöglicht, ist die Virgel bzw. das Komma. Dieses Zeichen wird benutzt,

[…] so oft die Rede noch unvollkommen ist / die Wörter aber darin gleichwol eine

schiedliche sönderung erfoderen / zu besserem Verstande dem Leser / und zu schikli-

cher Teihlung der Wör=ter / […]. (SCHOTTEL, Teutsche Sprachkunst, S. 844)1

Für die Schreibpraxis der Dramatiker wären eine genaue Kenntnis der grammatischen Norm

und eine differenzierte Setzung des Kommas/der Virgel also sehr hilfreich.

Problematisch ist dabei, dass die Normgehalte² zu diesem Interpunktionszeichen im 17.

und 18. Jahrhundert in den Kernkodices (Grammatiken und Interpunktionslehren) erstens un-

fest und zweitens im Wandel sind.

Mit der formseitigen Ausdifferenzierung der Interpunktionszeichen </> und <,> geht eine

Änderung des Gebrauchs der beiden Satzzeichen einher.³

Die Formulierung der Regeln (extensionale oder intensionale Funktionsbestimmung) ist

gebunden an die grammatische Tradition (rhetorisch-intonatorisch gg. syntaktisch)45 und

abhängig von der Adressierung (Lehr-/Lernwerke [schulische Rezipientensituation], Ge-

brauchslehren [an Schreiber- und Druckerberufe angepasste Rezipientensituation], „System-

grammatiken“ [Rezipientensituation des gelehrten Disputs]).

Da die Dramatiker meist nicht zu den unmittelbaren Adressaten der Kodifizierer gehören,

soll im folgenden Beitrag untersucht werden, inwiefern sich im Bereich in der Schriftschei-

dung durch Virgel-/Kommasetzung in Dramentexten des 17. und 18. Jahrhunderts subsistente

und parakodifizierte Normen herausgebildet haben und welche diese sind.

1 SCHOTTELIUS, Justus Georg: J.G.S.ii J.V.D. Teutsche Sprachkunst (…) Zum anderen mahle heraus gegeben im

Jahr 1651. Braunschweig 1651.

2 KLEIN, Wolf Peter: Gibt es einen Kodex für die Grammatik des Neuhochdeutschen und, wenn ja, wie viele?

Oder: Ein Plädoyer für Sprachkodexforschung. In: Albrecht Plewnia und Andreas Witt [Hg.]: Sprachverfall?

Dynamik – Wandel – Variation. Berlin/Boston 2014.

3 HÖCHLI, Stefan: Zur Geschichte der Interpunktion im Deutschen. Berlin/New York 1981.

4 RINAS, Karsten: Zur Geschichte der deutschen Interpunktionslehre vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. In:

Sprachwissenschaft 37/1, 2012, S. 17-64.

5 RINAS, Karsten: Von der Rhetorik zur Syntax: Die deutsche Interpunktionslehre im Zeitalter der Aufklärung.

In: Sprachwissenschaft 39/2, 2014, S. 115-181.

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Lehrbücher und Lerner-Grammatiken für den DaF-Unterricht als Kodex-Texte des Neuhochdeutschen Eine Analyse in Hinblick auf Interpunktionsregeln Eva-Maria Meier (Regensburg)

Im Vortrag soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob Lehrbücher und Grammati-

ken für DaF-Lerner zum Kodex des Neuhochdeutschen gehören. Dovalil konnte zeigen, dass

DaF-Lerner und (-Lehrer) in sprachlichen Zweifelsfällen in erster Linie auf Lehrbücher und

Lerner-Grammatiken zurückgreifen und diese häufig als präskriptive Regelwerke der

Standardvarietät ansehen. Demnach handelt es sich bei Lehrbüchern und Lerner-

Grammatiken um metasprachliche Schriften, die als Normautoritäten wahrgenommen werden.

Dies spricht – nach Kleins Definition von Sprachkodex – für deren Zugehörigkeit zum Kodex

des Neuhochdeutschen. Anders als der Rechtschreib-Duden oder die Amtliche Regelung

der deutschen Orthographie, die zum Kernkorpus des Neuhochdeutschen gehören, sind

Lehrbücher und Lerner-Grammatiken für DaF-Lerner allerdings weder stark innerhalb der

deutschen Sprachgemeinschaft verbreitet noch staatlich legitimiert – beides spricht gegen ihre

Zugehörigkeit zum (Kern-)Kodex. Die genannten Aspekte sowie weitere Dimensionen der

Sprachkodexforschung werden im Vortrag diskutiert.

Im Anschluss soll eruiert werden, ob und inwiefern sich Merksätze und Regeln in

Lehrbüchern und Lerner-Grammatiken für DaF-Lerner von den Paragraphen in der Amtlichen

Regelung unterscheiden. Dazu werden fünf in der Praxis häufig verwendete Lehrbücher und

drei Lerner-Grammatiken hinsichtlich ihrer Regeln und Merksätze zu den syntaktischen

Interpunktionszeichen Punkt, Komma, Semikolon und Doppelpunkt untersucht und diese mit

den korrespondierenden Paragraphen in der Amtlichen Regelung verglichen. Die Analyse

verspricht aufschlussreiche Ergebnisse, da sich die Autoren der Lehrbücher und Lerner-

Grammatiken – geht man davon aus, dass diese Schriften dem Kodex angehören – in einer

interessanten Doppelrolle befinden:

Sie sind einerseits Kodifizierer im sozialen Kräftefeld der Standardvarietät (wenn auch

mit einer beschränkten Reichweite) und sind andererseits zur Didaktisierung der Sprach-

normen angehalten.

BREDEL, URSULA (2008): Die Interpunktion des Deutschen. Ein kompositionelles System zur Online-

Steuerung des Lesens. Tübingen.

DOVALIL, VÍT (2011): Sprachnormen im Schulunterricht: Eine Untersuchung aus soziolinguistischer Per-

spektive. In: Lejsková, A./ Valdrová, J. (Hgg.): Die Grammatik, Semantik und Pragmatik des Wortes. Ihre

Erforschung und Vermittlung. Augsburg. S. 65-88.

KLEIN, WOLF PETER (2014): Gibt es einen Kodex für die Grammatik des Neuhochdeutschen und, wenn ja,

wie viele? Oder: Ein Plädoyer für Sprachkodexforschung. In: Plewnia, A./ Witt, A. (Hgg.): Sprachverfall?

Dynamik – Wandel – Variation (=Jahrbuch des Instituts für Deutsche Sprache 2013). Berlin/ Boston. S.

219-242.

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Emissionsverben zum Ausdruck der Fortbewegung Empirie und lexikographische Kodifizierung Meike Meliss (Universidad de Santiago de Compostela (Spanien)) Der Beitrag geht von der Beobachtung aus, dass der Gebrauch von Emissionsverben als Fort-

bewegungsverben (Levin 1993) in lexikographischen Werken wenig bis gar nicht kodifiziert

wird und diese potenzielle Ausdrucksmöglichkeit somit speziell in fremdsprachigen Produkti-

onssituationen dem ratsuchenden Benutzer nicht zur Verfügung steht (Meliss 2012). In der

theoretischen Diskussion um diese Fälle geht es um Fragen in Verbindung mit Valenz- und

Konstruktionsbindung (Welke: 2009a, 2009b), prototypischer Valenzbindung (Jacobs: 2008,

2009), möglicher valenztheoretischer Integrierbarkeit von Konstruktionen (Agel 2014) und

letztendlich um die Frage, ob Fälle, wie sie die Beispiele 1-4 illustrieren, lexikographisch er-

fasst und kodiert werden sollten, um u.a. für den DaF-Bereich wertvolle Information bereit zu

stellen (Engelberg 2010, Welke 2014). (1) 25.000 Fahrzeuge täglich donnern und stinken durch die Innenstadt. (Neue Kronen-Ztg., 21.05.1996)

(2) 8000 Motorräder knattern durch Celles Altstadt. (HAZ, 06.07.2009)

(3) Stumm leidend quietschten wir über die Seebrücke und fragten uns: (Zürcher Tagesanzeiger, 28.05.1996)

(4) Colawagen schepperten über das Marktplatzpflaster (Breinlinger: Spielzeit, 1971)

Eine korpusbasierte Pilotstudie, in dessen Mittelpunkt eine Argumentstrukturmuster- und Ar-

gumentrealisierungsmusteranalyse (Engelberg 2014) steht, soll daher quantitative und qualita-

tive Information zu unterschiedlichen Aspekten einiger ausgewählter Emissionsverben (u.a.

Geruchsverben, Geräuschverben) liefern, um Rückschlüsse bezüglich des Lexikalisierungs-

grades der entsprechenden direktiven Muster anstellen zu können (Engelberg 2009, Goscher

2011, Meliss 2012).

Die Ergebnisse der empirisch angelegten Studie werden mit dem Informationsangebot

gängiger lexikographischer Werke der deutschen Standardsprache verglichen und untersucht,

ob genügend Evidenz für eine entsprechende lexikographische Kodierung vorliegt.

Agel, Vilmos (erscheint 2014): Brisante Gegenstände. Zur valenztheoretischen Integrierbarkeit von Konstruktio-

nen. In: St. Engelberg, M. Meliss, K. Proost & E. Winkler (Hgg.): Argumentstruktur – Valenz – Konstruktio-

nen. Tübingen: Narr.

Engelberg, Stefan (2009): Blätter knistern über den Beton. Zwischenbericht aus einer korpuslinguistischen Stu-

die zur Bewegungsinterpretation bei Geräuschverben. In: E. Winkler (Hg.): Konstruktionelle Varianz bei

Verben. OPAL, 4/2009. Mannheim: Institut für Deutsche Sprache, 75-97.

Engelberg, Stefan (2010): Die lexikographische Behandlung von Argumentstrukturvarianten in Valenz- und

Lernerwörterbüchern. In: St. J. Schierholz, K. Fischer & E. Fobbe (Hgg.): Valenz und Deutsch als Fremd-

sprache. Frankfurt/M.: Lang, 113-141.

Engelberg: Stefan (erscheint 2014): Gespaltene Stimulus-Argumente bei Psych-Verben. Quantitative Vertei-

lungsdaten als Indikator für die Dynamik sprachlichen Wissens über Argumentstrukturen. In: St. Engelberg,

M. Meliss, K. Proost & E. Winkler (Hgg.): Argumentstruktur – Valenz – Konstruktionen. Tübingen: Narr.

Goscher, Juliana (2011): Geräuschverben mit direktionaler Erweiterung im Deutschen, In: Lasch, A. & A. Ziem

(Hgg.): Konstruktionsgrammatik III. Aktuelle Fragen und Lösungsansätze. Tübingen, Stauffenburg, 27-41.

Jacobs, Joachim (2008): Wozu Konstruktionen? In: Linguistische Berichte 213, 3–44.

Jacobs, Joachim (2009): Valenzbindung oder Konstruktionsbindung? In: ZGL 37.3.2009, 490-513.

Levin, Beth (1993): English verb classes and alternations. A Preliminary Investigation. Chicago.

Meliss, Meike (2012): Der Wagen scheppert um die Ecke. Geräuschverben als Direktiva? In: Sprachwissenschaft

3/2012, 309-332.

Welke, Klaus (2009a): Valenztheorie und Konstruktionsgrammatik. In: ZGL 37.1.2009, 81-124.

Welke, Klaus (2009b): Konstruktionsvererbung, Valenzvererbung und die Reichweite von Konstruktionen, in:

ZGL 37.3.2009, 514-543.

Welke, Klaus (erscheint 2014): Wechselseitigkeit von Valenz und Konstruktion: Valenz als Grundvalenz. In: St.

Engelberg, M. Meliss, K. Proost & E. Winkler (Hgg.): Argumentstruktur – Valenz – Konstruktionen. Tübin-

gen: Narr.

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Normiertes Schulbuchwissen Implizite und explizite Kodices in der Schulbucharbeit und Zulassungspraxis Christine Ott (Würzburg)

In zahlreichen deutschen Bundesländern unterliegen schulische Bildungsmedien, im Besonde-

ren Schulbücher für die Kernfächer, einem staatlichen Genehmigungs- und Prüfverfahren.

Jene Schulbücher, die eine Zulassung erhalten, scheinen die vielfältigen Normierungsbestre-

bungen, die auf ein Schulbuch gerichtet sind, zu erfüllen. Der Vortrag stellt vor, welche Prüf-

kriterien das sind, wo diese Kodices formuliert sind und inwiefern sie explizit oder lediglich

implizit benannt werden. Der Fokus liegt dabei auf Kodifizierungen in Bezug auf Gender:

Welchen Stellenwert nimmt die Genderthematik in der Prüfpraxis ein, nach welchen

(Sprach)Kodices wird das verfassungsmäßig festgeschriebene Gleichberechtigungsprinzip

sowohl vonseiten der Bildungspolitik als auch der SchulbuchproduzentInnen, die sich in ihrer

Arbeit an der Bildungspolitik auszurichten haben, im Schulbuch umzusetzen versucht?

SchulbuchautorInnen, -herausgeberInnen, -redakteurInnen, Kultusministerien oder ver-

wandte bildungspolitische Einrichtungen sowie SchulbuchgutachterInnen wurden als relevan-

te unmittelbare Instanzen identifiziert, die auf die inhaltliche und sprachliche Gestaltung von

Schulbüchern Einfluss nehmen. In leitfadengestützten Interviews wurden ExpertInnen aus

diesen Akteurskreisen zur Relevanz von Genderfragen in der Konzeption und Zulassung von

Schulbüchern befragt. Die Ergebnisse werden vorgestellt; sie sind nicht repräsentativ, bieten

aber Einblicke in eine Kodifizierungspraxis, die der Forschung in dieser Form noch nicht zu-

gänglich war. Ergänzt werden die Interviews durch die systematische Aufarbeitung von Steu-

erungselementen im schulbuchbezogenen Genderdiskurs, u. a. von Schulgesetzen, bildungs-

politischen Richtlinien und Verordnungen, länderspezifischen Leitfäden und Kriterienkatalo-

gen zur Schulbuchbewertung; des Weiteren wurden, sofern zugänglich, Gutachten zu Schul-

büchern ausgewertet.

Die vorgestellte Untersuchung will eine Antwort darauf geben, was im Schulbuch sagbar

sein soll, inwiefern die Kodices die Ebene der sprachlichen Umsetzung berücksichtigen und

welches Genderkonzept jeweils Pate für die Ausarbeitung solcher Kodices stand.

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Zwischen Beschreibung und Normierung Zur Geschichte der deutschen Interpunktionslehre Karsten Rinas (Olomouc)

Die moderne deutsche Interpunktionslehre ist grammatisch-syntaktisch fundiert, was die

individuell-stilistischen Anwendungsmöglichkeiten relativ stark einschränkt. Es ist bekannt,

dass dieses „strengere‟ syntaktische Interpunktionssystem sich aus einem „freieren‟ rhetori-

schen System entwickelt hat. Der genaue Verlauf dieses Kodifizierungsprozesses wurde

jedoch erst in den letzten Jahren detaillierter untersucht. In RINAS (2012/2014) wird ge-

zeigt, dass die frühen deutschen Interpunktionslehren auf der rhetorischen Periodenlehre

(d.h. auf der Gliederung in die rhythmisch-semantischen Einheiten Periode, Kolon und

Komma) basierten und sukzessive „syntaktisiert‟ wurden, wobei es im ausgehenden 17.

Jahrhundert zu entscheidenden Weichenstellungen kam.

Im vorliegenden Beitrag soll auf der Grundlage dieser Studien anhand ausgewählter

Beispiele demonstriert werden, dass die erfolgreichen älteren Interpunktionslehren sich

stets sowohl am aktuellen Theoriestand als auch an der Interpunktionspraxis orientierten

und somit keineswegs rein willkürlich gesetzte Regelsysteme darstellten. Insofern bewegten

sich diese Lehren stets im Spannungsfeld von Deskription und Präskription. Abschließend

soll anhand einer neueren Darstellung (BREDEL (2011)) illustriert werden, dass sich auch die

gegenwärtige Interpunktionstheorie – notwendigerweise – in diesem Spannungsfeld bewegt,

dass folglich die Grenze zwischen deskriptiver Graphematik und präskriptiver Orthographie

keineswegs so scharf ist, wie dies mitunter postuliert wird.

BREDEL, Ursula (2011) Interpunktion. Heidelberg: Winter.

HÖCHLI, Stefan (1981) Zur Geschichte der Interpunktion im Deutschen. Berlin/New York: de Gruyter. RINAS,

Karsten (2012) “Zur Geschichte der deutschen Interpunktionslehre vom 15. bis zum 17.

Jahrhundert”. In: Sprachwissenschaft 37/1, 2012, S. 17-64.

RINAS, Karsten (2014) “Von der Rhetorik zur Syntax: Die deutsche Interpunktionslehre im Zeitalter der Auf-

klärung”. In: Sprachwissenschaft 39/2, 2014, S. 115-181.

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Der Sprachnormierungsdiskurs des 17. Jahrhunderts Sebastian Rosenberger (Göttingen) Der Sprachnormierungsdiskurs des 17. Jahrhunderts ist ein Scharnier zwischen dem das

Frühneuhochdeutsche charakterisierenden horizontalen Varietätenspektrum mit großer

sprachstruktureller und textsortenspezifischer Variation und dem das Neuhochdeutsche prä-

genden vertikalen Varietätenspektrum mit der Ausrichtung auf eine einheitliche Hoch- und

Schriftsprache. Damit stellt er eine wichtige Etappe auf dem Weg zur neuhochdeutschen

Sprachnorm dar. In diesem Diskurs werden wichtige Normierungsfragen auf den Ebenen

Graphematik, Morphologie, Lexik und Stilistik diskutiert, mögliche Alternativen vorgeschla-

gen, erwogen, angenommen und verworfen, wodurch zahlreiche Weichen in Richtung auf die

neuhochdeutsche Sprachnorm gestellt, aber auch – aus Sicht der heutigen Schriftnorm – Irr-

wege eingeschlagen werden. Im Bereich der Grammatikographie werden Fragen der adäqua-

ten Darstellung der deutschen Sprache in Grammatiken und Lehrwerken erörtert. Schließlich

werden Pläne für ein umfassendes Wörterbuch entworfen mit dem Ziel, den lexikalischen

Reichtum der deutschen Sprache zu demonstrieren und zugleich den deutschen Wortschatz zu

dokumentieren und zu kodifizieren.

Im Vortrag sollen die Konfliktlinien des Diskurses dargestellt sowie anhand des Wörter-

buchprojektes die (sprach-)ideologischen Konzepte, welche die Kodifizierungs- bestrebungen

motivierten und förderten, herausgearbeitet werden.

Gardt, Andreas (1994): Sprachreflexion in Barock und Frühaufklärung. Entwürfe von Böhme bis Leibniz.

Berlin, New York. (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen

Völker 232).

Gardt, Andreas (1999): Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland. Vom Mittelalter bis ins 20 Jahr-

hundert. Berlin, New York, bes. S. 94–135.

Hundt, Markus (2000): "Spracharbeit" im 17. Jahrhundert. Studien zu Georg Philipp Harsdörffer, Justus

Georg Schottelius und Christian Gueintz. Berlin. (Studia linguistica Germanica 57).

Neuhaus, Gisela M. (1991): Justus Georg Schottelius. Die Stammwörter der teutschen Sprache: samt derer-

selben Erklärung und andere die Stammwörter betreffende Anmerkungen: eine Untersuchung der

frühneuhochdeutschen Lexikologie. Göppingen. (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 562).

Reichmann, Oskar (2012): Historische Lexikographie. Ideen, Verwirklichungen, Reflexionen an Beispielen

des Deuschen, Niederländischen und Englischen. Berlin, New York (Studia linguistica Germanica 111).

Schneider, Rolf (1995): Der Einfluss von Justus Georg Schottelius auf die deutschsprachige Lexikographie

des 17./18. Jahrhunderts. Frankfurt am Main, New York. (Theorie und Vermittlung der Sprache, Bd. 21).

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„Richtige“ Aussprache als Folge oder Ursache „richtiger“ Schreibung? Zur phonetischen Kodifizierung des Neuhochdeutschen Marie Schilk (Würzburg)

Spätestens seit den umfangreichen Normierungstendenzen Ende des 19. Jahrhunderts unterlag

die deutsche Aussprache bekanntlich einer Reihe von Kodifizierungsversuchen. Orthoepie ist

dabei aufgrund von Angleichungsprozessen eng mit den zugehörigen orthographischen Ver-

einheitlichungsbestrebungen verbunden (vgl. Hollmach 2003:57). Eben diese unumgängliche

Abhängigkeit der Aussprache von der Darstellung gesprochener Sprache durch Schriftzeichen

generiert in vielen Fällen neues Schwankungspotential, das zu phonetischen Zweifelsfällen

(vgl. Definition nach Klein 2003) führen kann. Zu dieser Ursache für die Entstehung von

Ausspracheunsicherheiten kommt eine Vielzahl weiterer Faktoren hinzu, so etwa die Poly-

zentrik der deutschen Sprache(n) und die ostmitteldeutsche Grundlage für die deutsche Hoch-

sprache (vgl. Besch 2003:18, Takahashi 1996:15 ff.), der ständige Varietäten-Clash in der

Sprechsprachlichkeit sowie darüber hinaus Fremdworteinflüsse und diachrone Faktoren.

Vor diesem Hintergrund soll in dem Vortrag ein Raster für die Ermittlung, Systematisie-

rung und Analyse derjenigen phonetischen Zweifelsfälle vorgestellt werden, die im Prozess

der Herausbildung der deutschen Standardsprache von besonderem Interesse waren. Begin-

nend mit der Untersuchung deutscher Standardgrammatiken aus dem frühen 19. Jahrhundert

bis zum 1. Weltkrieg, wird nach Beschreibungen und Auflösungsversuchen solcher sprech-

sprachlicher Schwankungen gesucht. Eine besondere Herausforderung stellt hierbei dar, dass

diese Grammatiken in den meisten Fällen die Aussprache nicht explizit behandeln und andere

Sprachebenen, zumeist die Orthographie, die Kodifizierung der Aussprache mittragen.

Besch, Werner (2003): Aussprache-Standardisierung am grünen Tisch? Der ‚Siebs„ nach 100 Jahren. In: Androu-

tsopoulos, Jannis K. / Ziegler, Evelyn (Hrsg.): „Standardfragen“. Soziolinguistische Perspektiven auf

Sprachgeschichte, Sprachkontakt und Sprachvariation. Frankfurt am Main: Peter Lang.

Hollmach, Uwe (2007): Untersuchungen zur Kodifizierung der Standardaussprache in Deutschland. In: Ander,

Lutz Christian / Hirschfeld, Ursula / Krech, Eva-Maria / Stock, Eberhard (Hrsg.): Hallesche Schriften zur

Sprechwissenschaft und Phonetik. Frankfurt am Main: Peter Lang.

Klein, Wolf Peter (2003): Sprachliche Zweifelsfälle als linguistischer Gegenstand. Zur Einführung in ein verges-

senes Thema der Sprachwissenschaft. In: Linguistik online 16. Online unter: http://www.linguistik-

online.org/16_03/klein.html

Takahashi, Hideaki (1996): Die richtige Aussprache des Deutschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz

nach Maßgabe der kodifizierten Normen. In: Ammon, Ulrich / Dirven René / Pütz Martin (Hrsg.): Duisburger

Arbeiten zur Sprach- und Kulturwissenschaft. Frankfurt am Main: Peter Lang.

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Syntax der gesprochenen Sprache und Kodifizierung Jan Georg Schneider (Landau)

Auch in formelleren Kontexten unterscheidet sich die Syntax des gesprochenen Deutsch von

der des geschriebenen: Referenz-Aussage-Strukturen und Apokoinu-Konstruktionen z.B. sind

weder regional eingrenzbar noch per se ‚umgangssprachlich„ oder informell, sondern der In-

teraktionalität und Medialität der Mündlichkeit geschuldet. Diese Tatsache sollte sich – so das

Plädoyer des Vortrags – auch in der Kodifizierung niederschlagen. Formulierungen wie „In

der gesprochenen Sprache kommt das Phänomen xy vor, im geschriebenen Standard dagegen

gilt es als nicht korrekt“ beruhen auf einer Kategorienvermischung: Hier wird eine allgemeine

mediale Ausformung von Sprache (gesprochenes Deutsch) mit einer bestimmten Varietät (ge-

schriebenes Standarddeutsch) verglichen. Um diese Kategorienvermischung zu vermeiden

und gleichzeitig dem realen Sprachgebrauch und seiner schriftlichen wie mündlichen Ausdif-

ferenzierung gerecht zu werden, sollte auch in Grammatiken und Wörterbüchern des „Kern-

kodex“ (Klein 2013: 224) konsequent zwischen geschriebenem und gesprochenem Standard-

deutsch unterschieden werden. Der hier zugrunde liegende Standard- und Kodexbegriff teilt

Sprache nicht in richtig und falsch, gut und schlecht, schön und hässlich usw. ein, sondern

orientiert sich an Gebrauchsnormen. Eisenberg (2007) hat klargemacht, wie sich solche Ge-

brauchsnormen in Bezug auf den geschriebenen Standard ermitteln lassen und welchen Status

sie haben. Im Vortrag soll verdeutlicht werden, dass sich beim gesprochenen Standard in ana-

loger Weise verfahren lässt. Die Kriterien ‚überregional gebräuchlich„ und ‚auch in formelle-

ren Kontexten unmarkiert„ sind nicht nur auf die Grammatik des geschriebenen, sondern auch

auf die des gesprochenen Gebrauchsstandards anwendbar (vgl. Schneider & Albert 2013,

Schneider 2013). Darüber hinaus möchte ich zeigen, inwiefern eine entsprechende Kodifizie-

rung auch für Sprachdidaktik und Schulunterricht von Nutzen ist (vgl. auch Rödel & Klug

2013).

Eisenberg, Peter (2007): Sprachliches Wissen im Wörterbuch der Zweifelsfälle. Über die Rekonstruktion einer

Gebrauchsnorm. In: Aptum. Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur 3, 2007, 209-228.

Klein, Wolf Peter (2013): Gibt es einen Kodex für die Grammatik des Neuhochdeutschen und, wenn ja, wie

viele? Oder: Ein Plädoyer für die Sprachkodexforschung. In: Albrecht Plewnia & Andreas Witt (Hg.):

Sprachverfall? Dynamik – Wandel – Variation. Berlin, Boston, 219-242.

Rödel, Michael & Christian Klug (2013): Zur Anwendungsrelevanz eines gesprochenen Standards: Die Perspek-

tive des Schulunterrichts. In: Jörg Hagemann, Wolf Peter Klein & Sven Staffeldt (Hg.): Pragmatischer Stan-

dard. Tübingen, 331-343.

Schneider, Jan Georg (2013): „die war letztes mal (-) war die länger“ – Überlegungen zur linguistischen Katego-

rie ‚gesprochenes Standarddeutsch„ und zu ihrer Relevanz für die DaF-Didaktik. In: Sandro M. Moraldo &

Federica Missaglia (Hg.): Gesprochene Sprache im DaF-Unterricht. Grundlagen – Ansätze – Praxis. Heidel-

berg, 83-111.

Schneider, Jan Georg & Georg Albert (2013): Medialität und Standardsprache – oder: Warum die Rede von ei-

nem gesprochenen Gebrauchsstandard sinnvoll ist. In: Jörg Hagemann, Wolf Peter Klein & Sven Staffeldt

(Hg.): Pragmatischer Standard. Tübingen, 49-60.

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Das Wałęsa-Syndrom II Einige Überlegungen zur Realisation polnischer Eigennamen mit <ą>, <ę> und <ł> in der deutschen Standardaussprache und zu deren Kodifizierung Robert Skoczek (Lublin/Halle) Czesław Miłosz, Mieczysław Święcicki, Książ Wielkopolski, Stęszew oder Łętnica - solche

Eigennamen gehören heute zum Alltag der deutschen Medienwelt. In aktuellen Berichten

über wichtige politische, wirtschaftliche und kulturelle Ereignisse werden ständig polnische

Eigennamen verwendet. Die mit der lautlichen Realisation verbundenen Schwierigkeiten ma-

chen den orthophonischen Bereich zum wichtigen Forschungsaspekt im Rahmen der laufen-

den Kodifizierungsarbeiten an der Universität Halle.

Auch 25 Jahre nach der Publikation des Beitrags "Das Walesa-Syndrom: Die Aussprache

fremdsprachlicher Namen in Rundfunk und Fernsehen" von Elmar Ternes hat sich in der Be-

rufspraxis vieler professioneller deutscher Sprecher keine einheitliche Aussprachenorm etab-

liert. Die Vorschläge von Ternes zum Sprachusus entsprachen dem damaligen Zeitgeist und

die von ihm postulierte Orientierung an einer möglichst originalen Aussprache geben immer

noch viel Anlass zur Verwirrung. Die Medienwelt schafft sich dagegen eigene mehr oder we-

niger feste Regeln für die Aussprache der Xenographen <ą>, <ę> und <ł>. Darüber hinaus

gibt es in den gängigen Aussprachekodizes dissonante Ausspracheempfehlungen, wie Berufs-

sprecher mit <ą>, <ę> und <ł> -haltigen Endonymen polnischer Herkunft umgehen sollen.

Beispielsweise wird der Name <Wałęsa>, der sich nach Ternes (1989: 174) "in der durchaus

akzeptierten Form []" etabliert habe, in den Medien weitgehend anders realisiert.

Durch die stark ausgeprägte Nasalität des Vokals wird dagegen zum einen keine Originalnähe

erreicht, denn synchrone Nasalvokale sind dem polnischen Lautsystem fremd. Selbst polni-

sche Sprachwissenschaftler wie Sawicka und Dudkiewicz (1995) stellen die Existenz der Na-

salvokale im Polnischen in Frage, indem sie das grafische Bild als irreführend erklären. Dar-

über hinaus kritisieren sie die Ausspracheangaben im Wörterbuch "Słownik wymowy polskiej

PWN" von Karaś und Madejowa (1977), auf die sich nicht nur Ternes (1989) in seinem Arti-

kel bezieht, sondern nach denen auch Mangold (1964) seine Ausspracheregeln polnischer

Eigennamen konstituiert. Zum anderen verlangt diese quasi-originalnahe Aussprache von <ę>

und <ł> einen enormen Artikulationsaufwand.

Wie werden also die Grapheme <ą>, <ę> und <ł> in der polnischen Gegenwartssprache re-

alisiert? Welche phonetischen Merkmale weisen sie auf? Gibt es Aussprachevarianten? Wie

geht man mit diesen Lauten/Lautkombinationen im Polnischen um? Antworten auf diese Fra-

gen können im Rahmen der Eindeutschungsforschung wegweisend wirken und zur Grundlage

weiterer sprechwissenschaftlicher Diskussion werden. Eine Analyse polnischer Eigennamen,

die in den letzten Jahren im deutschen Rundfunk präsent waren, soll des Weiteren einerseits

klären, welche Eindeutschungstendenzen von <ą>, <ę> und <ł> sich in der deutschen Gegen-

wartssprache feststellen lassen und wie man die gegenwärtigen Aussprachenormen im Polni-

schen in orthoepischen Zweifelsfällen komplementär zu Rate ziehen könnte.

Ternes, Elmar (1989): Das Walesa-Syndrom: Die Aussprache fremdsprachlicher Namen in Rundfunk und Fern-

sehen; In: Slembek, Edith (Hg.): Von Lauten und Leuten. Festschrift für Peter Martenes zum 70. Geburtstag.

Frankfurt/M, 173 - 186

Dudkiewicz, Leokadia (1995): Fonologia. In: Henryk Wróbel (Hg.) Gramatyka współczesnego języka polskiego.

Fonetyka i Fonologia. Wydawnictwo Instytutu Języka Polskiego PAN, Kraków, S. 1 -103

Sawicka, Irena (1995): Fonetyka. In: Henryk Wróbel (Hg.) Gramatyka współczesnego języka polskiego.

Fonetyka i Fonologia. Wydawnictwo Instytutu Języka Polskiego PAN, Kraków, S. 105 - 196

Karaś, Mieczysław / Madejowa, Maria (1977): Słownik wymowy polskiej PWN. In: PWN, Kraków, S. 564

Mangold, Max (1964): Aussprachelehre der bekannteren Fremdsprachen. In: Duden-Beiträge zu Fragen der

Rechtsschreibung, Grammatik und des Stils, Heft 13; Dudenverlag, S. 88.

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Bosnisch – Kroatisch – Montenegrinisch – Serbisch (BKMS) Kodifizierung zwecks Differenzierung Vedad Smailagić (Sarajevo)

Mit diesem Beitrag wird die Problematik der Neukodifizierung der Sprache(n) in Ex-

Jugoslawien präsentiert und an ausgewählten Beispielen erklärt. Am Anfang wird kurz die

Geschichte der Kodifizierung der BKMS-Sprache erläutert und zwar vom Wiener Abkommen

aus dem Jahr 1850, als sich die serbische und kroatischen Vertreter über die Standardisierung

einer gemeinsamen Sprache der Südslawen einigen bis hin zur heutigen Zeit.

Nach dem Abkommen aus 1850 beginnt eine längere Phase der Arbeit an der Ausgleichs-

sprache der Südslawen, in der Grammatiken, Wörterbücher, sprachliche Berater und ähnliche

Publikationen entstehen und in der Tito-Zeit von der Politik besonders gefordert werden. Es

werden sprachliche Beispiele (phonetische, grammatische und lexikalische) und Publikatio-

nen gezeigt, die in dieser Phase von Bedeutung waren.

Mit den politischen Unruhen und Nationalismen der 90-er Jahre kommt es zu politisch und

nationalistisch motivierten Publikationen, die zum Ziel haben, die Varietäten der gemeinsa-

men Sprache als selbstständige Sprache zu definieren - vor allem bei den Kroaten und Bosni-

aken, und später in Montenegro. Z.B. die kroatische (Sprach)Politik zeichnet sich durch die

Einführung angeblich urkroatischer Wörter aus, bosnische durch den stärkeren Gebrauch des

Lauts [h], dann die Lexik orientalischer Herkunft und den Versuch den natürlichen

Wortakzent durch „vorgeschriebenen“ zu ersetzen und montenegrinische z.B. durch

Erklärung zweier Allophone [ś, ź] zu Phonemen, was dann notwendig zu Erweiterung des

Alphabets um zwei weitere Buchstaben führte.

Auch hier werden die Grundzüge der Neukodifizierung der Sprache der Bosniaken, Kroa-

ten, Montenegriner und Serben mit ausgewählten sprachlichen Belegen veranschaulicht.

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„This is not (yet) regarded as correct“ Zur Thematisierung sprachlicher Varianz in DaZ‐/DaF‐Grammatiken Sebastian Stark (Würzburg)

Beim Versuch, die Begriffe ‚Kodex„ und ‚Standard„ konzeptuell fassbar zu machen, verwei-

sen eine Vielzahl von Autoren auf die tragende Rolle, die schulische Vermittlung in den zu-

gehörigen Kontexten spielt. So verknüpft beispielsweise Ammon (1995: 74) sein Modell der

Standardvarietät definitorisch mit den beiden Größen Kodifizierung und Sprachunterricht,

indem er die beiden letzteren zu Merkmalen des ersten macht, und auch in Bußmanns Lexi-

kon der Sprachwissenschaft (2008: 680) wird ähnlich vorgegangen, wenn dort institutionelle

Kontrolle und Vermittlung als Kriterien für die Bewertung einer Sprachform als ‚Standard„

ausgewiesen werden. Für den Deutschunterricht in der Schule ergibt sich demnach nicht zu-

letzt die Funktion einer Etablierung von Standard/Nicht‐Standard‐Urteilen. Ein verstärktes

Interesse der DaF‐/DaZ‐Forschung an der Fragestellung „Welches Deutsch soll man lehren?“

(Spiekermann 2007) zeugt davon, dass die Problematik solcher Urteile sich nicht auf den Be-

reich muttersprachlicher Grammatikvermittlung beschränken lässt und auch im Hinblick auf

L2‐Lehrgänge eine tiefere Auseinandersetzung mit der Thematik nicht versäumt werden darf.

Vor diesem Hintergrund soll mein Dissertationsprojekt vorgestellt werden, das sich mit der

Thematisierung von Varianz in DaZ‐/DaF‐Lehrwerken beschäftigt. In Anlehnung an Untersu-

chungsdesigns wie das von Davies und Langer (2006) sollen Lehrgrammatiken für englische

und spanische Muttersprachler nach impliziten und expliziten Bewertungen sprachlicher Phä-

nomene als ‚Standard„ oder ‚Nicht‐Standard„ durchsucht werden, um in einem zweiten Schritt

danach zu fragen, ob sich die einzelnen Urteile in größere Entwicklungslinien eingliedern

lassen. Hierbei scheint besonders interessant, welche Sprachstrukturen wann in den Gramma-

tiken erscheinen oder wieder aus den Darstellungen verschwinden, kann der Verzicht auf eine

bestimmte Form im L2‐Zusammenhang doch mit großer Wahrscheinlichkeit deren Nicht‐Erlernen bedeuten. Auf diese Art und Weise erhoffe ich mir Aufschluss darüber, welches Bild

von ‚Standard‐Deutsch„ in die nicht‐ muttersprachliche Lernsituation eingeht und inwiefern

sich dieses in der Beurteilung sprachlicher Phänomene von einschlägigen, an Muttersprachler

gerichteten Referenzwerken unterscheidet.

Ammon, Ulrich (1995): Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Problem der

nationalen Varietäten. Berlin / New York: De Gruyter.

Bußmann, Hadumod (42008): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kröner.

Davies, Winifred / Nils Langer (2006): The Making of Bad Language. Lay Linguistic Stigmatisations in Ger-

man: Past and Present. Frankfurt: Peter Lang.

Spiekermann, Helmut (2007): Standardsprache im DaF‐Unterricht: Normstandard – nationale Standardvarietäten

– regionale Standardvarietäten. Linguistik online 32.

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Niederländisch – Beschreibung des Aussprachewörterbuches und Verwendung des Begriffes „Standardaussprache“ Sabine Strauß (Halle-Wittenberg) Für eine Dissertation über die Aussprache niederländischer Namen im Deutschen wird auch

ein niederländisches Aussprachewörterbuch herangezogen.

Im Vortrag soll auf diese aktuellste Kodifikation der niederländischen Aussprache einge-

gangen werden, es handelt sich dabei um das Uitspraakwoordenboek von Heemskerk und

Zonneveld (2000). Dieses soll beschrieben werden, wobei es neben Inhalt, Umfang und Ziel-

gruppe zum Beispiel um die regionale Reichweite (Belgien/Niederlande) und die Methodik

beim Zusammenstellen geht.

Aus dem Vergleich mit deutschen Kodifikationen, zum Beispiel dem Deutschen Ausspra-

chewörterbuch (2010) oder dem Duden Aussprachewörterbuch (2005), ergeben sich Auffäl-

ligkeiten. Auch darauf soll im Vortrag eingegangen werden, zum Beispiel auf Unterschiede in

der Methodik und auf die Tatsache, dass der Begriff “Standardaussprache” im niederländi-

schen Aussprachewörterbuch nicht vorkommt. Außerhalb des Aussprachewörterbuches wird

dieser Begriff in der Literatur dagegen wohl benutzt. Beispiele sind Van de Velde 1996,

Smakman 2006, Jacobi 2009 und Van der Wal 2010, für die er teilweise unterschiedliche Be-

deutungen hat. Diese sollen angerissen werden.

Heemskerk, J. / Zonneveld, W. (2000): Uitspraakwoordenboek. Spectrum Utrecht.

Jacobi, Irene (2009): On variation and change in diphthongs and long vowels of spoken Dutch. Amster-

dam. http:/dare.uva.nl/record/293297.

Smakman, Dick (2006): Standard Dutch in the Netherlands: a Sociolinguistic and Phonetic Description. LOT

Utrecht.

Van de Velde, Hans (1996): Variatie en verandering in het gesproken Standaard-Nederlands (1935- 1993). Dis-

sertation Katholieke Universiteit Nijmegen.

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Kodifizierung der Eigennamen in zweisprachigen Wörterbüchern Anikó Szilágyi-Kósa (Veszprém) Der geplante Vortrag setzt sich zum Ziel, die Darstellung der Eigennamen in der zwei-

sprachigen Lexikographie unter die Lupe zu nehmen, und zwar im Namenpaar Deutsch-

Ungarisch. Eigennamen (Nomina propria) fungieren bekanntlich als besondere sprachliche

Zeichen: Einerseits haben sie keine Bedeutung im klassischen Sinne des Wortes (was eine

lexikographische Darstellung in Frage stellt), andererseits weisen sie oft zahlreiche interlin-

guale Entsprechungen auf (Praha – Prag – Prága usw.), die auch in Wörterbüchern als

Norm kodifiziert werden.

Anhand von ausgewählten zweisprachigen Wörterbüchern der beiden Sprachen soll der

Frage nachgegangen werden, welche Eigennamentypen des Deutschen bzw. des Ungari-

schen in Wörterbüchern erscheinen, von welchen (etwa sprachenpolitischen) Faktoren die

Auswahl der anderssprachigen Entsprechungen abhängt sowie welche Übersetzungsschwie-

rigkeiten die (Nicht)Kodifizierung der Eigennamen in sich birgt. Dieser Fragenkomplex

hängt eng mit der (Un)Übersetzbarkeit der Eigennamen zusammen.

Die Tatsache, dass die vielsprachige Verwendung von Eigennamen (etwa geographi-

sche, sowie Namen von Institutionen) im aktuellen internationalen Kontext ein vorher nie

gesehenes Ausmaß erreicht, verleiht der Frage der Eigennamenkodifizierung eine besondere

Aktualität.

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Der Umgang mit Varianz in der Kodifikation am Beispiel der orthographischen Varianten Mirjam Weder (Basel) Orthographie gilt durch die explizite Normierung in der Kodifikation als sozial hochgradig

verbindlich geregeltes System, dessen Einheitlichkeit hoch gewertet wird und das aus diesen

Gründen eine geringe Variabilität aufweist (Nerius 1989: 276). Gleichwohl ist Varianz im gra-

phischen System angelegt und Schreibungen werden erst im Zuge der orthographischen Nor-

mierung und Kodifizierung festgelegt (Neef 2005: 10), wobei von Stadien der Kodifizierung

auszugehen ist (Kohrt 1987: 439/440). Auch kann die Norm Varianten vorsehen. So sind bei-

spielsweise seit der Rechtschreibreform die Varianten aufwendig / aufwändig, potentiell / po-

tenziell regelkonform, vor der Rechtschreibreform waren schon Varianten wie beispielsweise

aufgrund / auf Grund oder Telephon / Telefon zulässig und schon in Grimms Wörterbuch fin-

den wir Varianten wie Gemse / Gämse. Dass orthographische Normen Varianten explizit zu-

lassen können, wird jedoch in der Sprachgemeinschaft aufgrund der eingangs erwähnten

Hochwertung der Einheitlichkeit nicht gleichermaßen positiv bewertet (Weder im Druck). Im

Beitrag sollen drei Aspekte fokussiert werden. Erstens soll danach gefragt werden, in welchem

Verhältnis Usus, Norm und Kodifikation in Bezug auf die orthographische Varianz stehen.

Zweitens soll der Frage nachgegangen werden, wie Kodifikationen mit orthographischer Vari-

anz umgehen. Drittens soll auf dieser Grundlage gezeigt werden, wie das Problem der ortho-

graphischen Varianten die Weiterentwicklung der Kodifikation angestoßen und angetrieben hat.

Die Herangehensweise ist dabei in einem ersten Schritt diachron, wobei der Bogen von der

Lexikographie im 19. und 20. Jahrhundert (Grimm, Adelung, Duden) über das erste offizielle

Regelwerk im Nachgang der II. Orthographischen Konferenz (1901/1902) bis hin zu den offi-

ziellen Regelwerken der Rechtschreibreform (1996/2006) gespannt wird. In einem zweiten

Schritt soll vor allem die Zeit nach der Reform in den Blick genommen werden. Seit der

Rechtschreibreform von 1996 und vor allem seit der Revision der Reform von 2006 hat sich

der Variantenbestand in der offiziellen Kodifikation gegenüber der alten Rechtschreibung etwas

erhöht – im Regelwerk 1996 erscheinen sie noch als gewichtete Varianten, im Regelwerk

2006 schließlich als gleichberechtigte Varianten. Dieser Handlungsspielraum, den das offizielle

Regelwerk damit den Schreibenden überläßt, hat neben dem Rechtschreibrat weitere, domä-

nenspezifische Instanzen der Kodifizierung hervorgerufen, die im Dienste der Vereinheitli-

chung wieder Variantenfestlegungen vornehmen. Dazu gehören vorwiegend Medienverlage

und öffentliche Institutionen. Auch die Wörterbuchverlage kommen dem Bedürfnis nach Ein-

heitlichkeit wieder verstärkt entgegen, indem Variantenführungen vorgenommen werden, z.B.

(Duden 2006) oder (Wahrig 2006). Die Prinzipien dieser Variantenführungen und -

festlegungen variieren jedoch erheblich. In diesem Teil des Beitrags soll daher das Spannungs-

verhältnis zwischen offizieller Kodifikation durch den Rechtschreibrat, der Interpretation und

Umsetzung dieser offiziellen Kodifikation in den Wörterbüchern sowie der inoffiziellen Kodi-

fikationen in Medien und Institutionen aufgezeigt werden, dabei werden auch länderspezifische

Unterschiede im Umgang mit den Varianten in Lexikographie und Institutionen thematisiert.

Duden (2006): Die deutsche Rechtschreibung. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich: Dudenverlag.

Kohrt, Manfred (1987): Theoretische Aspekte der deutschen Orthographie. 70. Tübingen: Niemeyer. (= Reihe Germanisti-

sche Linguistik

Neef, Martin (2005): Graphematik des Deutschen. Tübingen: Niemeyer. (= Linguistische Arbeiten 500)

Nerius, Dieter (1989): Normiertheit und Veränderung in der deutschen Orthographie. In: Eisenberg, Peter und Hartmut Gün-

ther (Hrsg.): Schriftsystem und Orthographie. Tübingen: Niemeyer, S. 267-281.

Wahrig (2006): Ein Wort – eine Schreibung. Die Wahrig-Hausorthografie von A bis Z. Orthografischer Wegweiser für eine

einheitliche und stringente Rechtschreibung. Gütersloh/München: Bertelsmann.

Weder, Mirjam (im Druck): Orthographische Varianten in der literalen Praxis. Empirische Untersuchungen des Usus, der

individuellen Repräsentation und der Wirkung auf den Schreibprozess. 95. Tübingen/Basel: A. Francke Verlag. (= Basler

Studien zur deutschen Sprache und Literatur

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Übersicht über die Vortragstermine

Donnerstag Freitag

Begrüßung 09:00-09:15 Klein/Staffeldt

09:15-10:15 Schneider

09:15-10:15 Eisenberg

Sektion A Sektion B Sektion C Sektion D

10:20-10:50 Meliss

10:20-10:50 Hans-Bianchi

10:20-10:50 Weder

10:20-10:50 Dammel

Kaffepause 10:50-11.10

Kaffepause 10:50-11.10

11:10-11:40 Eber/Rössler

11:10-11:40 Dieser

11:10-11:40 Rinas

11:10-11:40 Rosenberger

11:45-12:15 Breindl

11:45-12:15 Strauß

11:45-12:15 Krapp

11:45-12:15 Schilk

Mittagspause 12:15-13:30

Mittagspause 12:15-13:30

13:30-14:00

Hennig/Koch

13:30-14:00

Buchmann/Fuhrhop

14:05-14:35 Banhold

14:05-14:35 Smailagic

Plenar und Abschluss

14:00-14:30 Klein

14:40-15:10 Dovalil/Šemelík

14:40-15:10 Stark

Kaffeepause 15:10-15:40

15:40-16:10 Ott

15:40-16:10 Skoczek

16:15-16.45 Ebel/Lange

16:15-16.45 Meier

16:50-17:20 Beuge

16:50-17:20 Szilagyi-Kosa