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Abweichungen und Kompensations- möglichkeiten im Sonderbau Prof. Dr. Michael Rost Lehrstuhl Baulicher Brandschutz Hochschule Magdeburg-Stendal FB Wasser-Umwelt-Bau-Sicherheit Sachverständiger Brandschutz und Gesellschafter, Ingenieurbüro Brandschutz FIROSEC GmbH, Barleben Prüfingenieur Brandschutz, BSPRost GmbH Biederitz

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Abweichungen und Kompensations- möglichkeiten im Sonderbau Prof. Dr. Michael Rost

Lehrstuhl Baulicher Brandschutz

Hochschule Magdeburg-Stendal

FB Wasser-Umwelt-Bau-Sicherheit

Sachverständiger Brandschutz und Gesellschafter, Ingenieurbüro Brandschutz FIROSEC GmbH, Barleben

Prüfingenieur Brandschutz,

BSPRost GmbH Biederitz

Inhalt

1. Abweichungen, zusätzliche Anforderungen, Erleichterungen…

2. Geregelte und ungeregelte Sonderbauten

3. Sonderbauregelungen (-richtlinien und –verordnungen)

4. Kompensationen

5. Beispiele

6. Ausblick

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Abweichungen, Erleichterungen

Ist eine Abweichung oder eine Erleichterung wirklich so etwas problematisches??

Wenn man die Diskussionen in manchen unteren Bauaufsichtsbehörden hört, kann man das Gefühl bekommen!

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Kompensationen

Begründung für eine Abweichung

Muss das konkrete Schutzziel nachweisen

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Beispiele für Kompensationen

Überschreitung Rettungsweglänge

Holztreppen in TR der GK4 od. 5

Überschreitung der BA-Größe

Verzicht auf notwendige Flure

Überschreitung Stichflurlänge (SB)

Atrien (Verzicht auf Geschossdecken)

Zu geringer Feuerwiderstand

Zu geringer Feuerwiderstand

Keine unabhängigen vertikalen RW

Zeitweilige Überschreitung angen. Personenzahlen

Automatische Brandmeldeanlage

Feuerhemmende Wohnungstüren

BMA od. FLA

BMA

Luftspülanlage im Flur

RWA , zusätzl. Abtrennungen…

FLA od. BMA

Brandlastreduzierung (betr. BS)

Luftspülanlage im Treppenraum

Brandwache etc.

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Kompensation

Keine Kompensation

Argumentative oder ingenieurmäßige Begründung

(z.B. Simulation der Rauchableitung, Rettungswege,

Naturbrandmodelle…)

Kompensation

Anlagentechnischer Brandschutz, abwehrender Brandschutz

Betrieblicher Brandschutz

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Was sind Sonderbauten?

§65 der M-Bauordnung:

„Bauwerke besonderer Art und Nutzung“, für die zusätzliche Anforderungen oder Erleichterungen gegenüber den Anforderungen der BauO möglich sind“

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Sonderbauten - Merkmale

Große Personenzahlen

Personen ohne/mit Ortskenntnis

Personen auf fremde Hilfe angewiesen

Beherbergungen oder nur Tagesnutzung

Abweichungen in der Brandlast nach oben und unten

Erfordernis großflächiger Nutzungen (große Nutzungseinheiten, große Brandabschnitte)

Besondere Gebäudehöhe

FÜR WEITERE INFOS...

Bauwerke besonderer Art und Nutzung- Kriterien (Sonderbauten)

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Kriterien für Sonderbauten (Teil 2)

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Sonderbauten Kriterien Teil 3

Geregelte Sonderbauten

Hochhäuser

Beherbergungsstätten

Wohngruppen

Schulen

Versammlungsstätten

Großflächige Verkaufsstätten

Industriebauten

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Ungeregelte Sonderbauten (keine

einschlägigen Rechtsvorschriften)

Große Büro- und Verwaltungsbauten

Verkehrsbauten

Wohnheime

Pflegeheime

Museen

Kindergärten

Archive

Gefängnisse

Großflächige Landwirtschaftliche Bauten

Mischnutzungen

Krankenhäuser

Usw.

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Ungeregelte Sonderbauten- Beispiel

Keine Bemessung nach Bauordnung (!), da die Paragraphen der Bauordnung nicht das „Soll“ darstellen, sondern das „SOLL“ sich aus zusätzlichen Anforderungen oder Erleichterungen ergibt.

Beispiel1: 3-geschossige Verkaufsstätte, je Geschoss 25m*25 m (gesamt: kleiner 2000 qm Verkaufsfläche)

Bauteilanforderungen nach BauO wäre R30. Brandlast ist jedoch ca. 1,5…2-fach der Wohnungsbrandlast. Berechnet man die äquivalente Branddauer, käme man auf erforderliche Feuerwiderstände zwischen 90 und 120 Minuten. Folglich kann die M-Bauordnung keine Grundlage sein.

Zusätzliche Anforderungen!

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Ungeregelte Sonderbauten Beispiel 2

Kindertagesstätten Zunehmend kommt von Bauordnungsbehörden die Anforderung, notwendige Flure auszubilden.

Notwendige Flure sind jedoch bei NE >200 qm, bei Büros >400 qm und bei Pflegegruppen z.T. >500 qm anzuordnen.

Aus Nutzung ist die Anordnung von notwendigen (brandlastarmen) Fluren unsinnig.

Konsequenz: Erleichterungen und zusätzliche Anforderungen

• 2 bauliche Rettungswege

• Bei NE größer 200qm zwei bauliche Rettungswege in unterschiedlichen Fluchtrichtungen

• Ggf. automatische BMA mit Hausalarm

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Nachweismethoden für nichtgeregelte Sonderbauten

Ingenieurmethoden (Simulation etc.) Ges. ca. 5%

Analogieschlussverfahren (z.B. Berechnungsmethode nach DIN 18230)

Anwendung der Bauordnung (und

Einzelbegründungen)

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Beispiel 3 Kompensationsmaßnahmen

4 geschossiges Bürogebäude mit Atrien und übergroßem Anteil an energieeffizienter Bauweise.

Unklar, ob Sonderbau

Keine BMA oder FLA aus dem Baurecht gefordert

Trotzdem u.U. sinnvoll mit Kompensationsmaßnahmen

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Beispiel 3:Erdgeschoss

(2 Besprechungsräume, Archive, Atrien

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im

Sonderbau

Beispiel 3: 1.-3. Obergeschoss mit Atrium

(Büros, Archiv, Teeküche etc., Außenwand Photovoltaik-

normal entflammbar)

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Beispiel 3

Grundsätzliche Einordnung/Besonderheiten

Ca. 38 m*25 m /ca. 850 qm/Geschoss

Ca. 130 Personen/

Normalarbeitszeit

Einzelne Vernisagen, Steh-Meetings im Foyer EG, ca. 180 Personen

2 Besprechungsräume EG je ca. 80 Personen

2 Archive im EG

KG mit umfangreicher Haustechnik

2 durchgehende Atrien

Gebäudeklasse 5

Ges. Haus=Photovoltaik

Null-Energie-Haus

Umfangreiche Haustechnik (Lüftung)

Alle Rafinessen der Energiespartechnik und Wärmedämmung kommen zum Einsatz

Offene Teeküchen in jedem Geschoss

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Beispiel 3 Abweichungen und Kompensationen

Abweichungen

- Atrien, Deckenöffnungen

- Außenwandverkl. B2

- Photovoltaik (B2 u.Ä.)

- Brandlasten in notwendigen Fluren

- Treppenausgang über versch. Atrien

- Türen nur rd statt EI30

- Flurwände nicht EI30

- Haustechnik nicht feuerbeständig

Kompensationen

automatische FLA (LH-Risiko in Büros, OH in Archiven und Technik im KG)

2 Rauchabschnitte

Rauchableitungen in Atrien

2 Treppenräume

Teilschutz BMA, Hausalarm in Fluren etc.

Keine notwendigen Flure

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Beispiel 3: Überlegungen zur Einordnung

Bei Einstufung in GK5:

Insgesamt ca. 20 Abweichungen, die möglich wurden durch den Einsatz von FLA und BMA

Ganzheitlichkeit von baulichem, abwehrendem und anlagentechn., betr. Brandschutz muss erstritten werden.

Bei Einstufung als „ungeregelter Sonderbau“ (GK5):

5 zusätzliche Anforderungen (BMA, FLA, RA…)

Ca. 20 Erleichterungen

Grundsätzliche Verfahrensweise analog VerkStättVO möglich

(geringere Brandlast, Ortskundigkeit d. Personen) Ganzheitlichkeit von baulichem, abwehrendem und anlagentechn., betr. Brandschutz ist Planungsbestandteil

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Checklisten für Brandschutznachweise ?!?

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Checklisten für

Brandschutznachweise ?!?

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Checklisten?

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Checklisten?

Die Benutzung von Checklisten zeigt auch ein psychologisches Problem:

Unterschätzung der Brandschutzthematik (ich möchte mich nicht mit dem Brandschutz beschäftigen- „lästiges Übel“= andere Form der Unterschätzung des Brandschutzes;

Unverständnis der Brandschutzbesonderheiten, deshalb „formales sicheres Ufer“ = Einhaltung der Rechtsvorschriften

Die meisten nicht genehmigungsfähigen Brandschutznachweise sind solche auf der Basis von Checklisten!

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Aufbau von Brandschutznachweisen (Vorschlag) keine Pargraphen-sondern Brandschutzproblemfelder

0. Grundlagen Gefährdungsbewertung, dimensionierungsbest. Brandszenarien, Schutzzielkonkretisierung

Baurechtliche Einordnung (Gebäudeklasse, Sonderbau- zusätzl. Anf./Erleichterungen- Ingenieur-Nachweismethode)

1. Brandschutztrennung (Schutzziel 2) 1. Abstandsflächen

2. Brandabschnitte

2. Bauteil-/Baustoffanforderungen (v.a. Schutzziel 2) 1. Tragende und aussteifende Bauteile

2. Geschossdecken

3. Trennwände

4. Außenwände

5. Bedachung/Dachtragwerk

6. Haustechnik und sonstige Bauteile, Türen etc.

3. Rettungswege (Schutzziel 3 und 4) 1. Erste und zweite Rettungswege, Rettungswegbreite und –länge

2. Weg aus dem Aufenthaltsraum

3. Notwendige Flure/Hauptgänge etc.

4. Treppen und Treppenräume

5. Ausgänge

6. Weg auf dem Grundstück

7. Rettungswegkennzeichnung

4. Rauchableitung (Schutzziel 2-b und 4)

5. Brandmeldung/-alarmierung (Schutzziel 3 und 4)

6. Feuerlöschanlagen (Schutzziel 2 und 4, indirekt 3)

7. Löschwasserversorgung, äuß./inn.; Löschwasserrückhaltung (Schutzziel 4)

8. Flächen der Feuerwehr/Außenplanung -Zugänge und Zufahrten (Schutzziel 4)

9. Sonstige Schutzmaßnahmen (wie Notstromversorgung, Blitzschutz (Schutzziel 1-4)

10. Organisatorischer Brandschutz (Schutzziel 1-4) M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Notwendige Interaction im Brandschutz

(ganzheitliche Brandschutzlösungen)

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Abwehrender Brandschutz Rettungswege als Angriffswege Löschwasserversorgung Zugänglichkeit zum Bauwerk Leistungsfähigkeit des abwehrenden BS

Baulicher Brandschutz Abstandsflächen, Brandabschnitte Brandverhalten der Baustoffe Feuerwiderstände der tragenden Bauteile Feuerwiderstände der raumabschl. Bauteile Zuverlässigkeit der Rettungswege (Redundanz) Leistungsfähigkeit der Rettungswege (Bestandteile, Länge, Breite)

Betrieblicher und organisatorischer Brandschutz Brandschutzbeauftragte, Evakuierungshelfer Brandschutzordnung (z.B.Verantwortungsabgrenzung) Vermeidung/Begrenzung von Brandlasten und Zündquellen

Anlagentechnischer Brandschutz Rauch- und Wärmeableitung Brandfrüherkennung und Alarmierung Feuerlöschanlagen

Im Brandschutznachweis nachzuweisen. Im Rahmen der Stellungnahme Brandschutzdienststelle nachzuweisen. Im Genehmigungsverfahren nicht nachweisbar

Kompensationen

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Abwehrender Brandschutz Rettungswege als Angriffswege Löschwasserversorgung Zugänglichkeit zum Bauwerk Leistungsfähigkeit des abwehrenden BS

Baulicher Brandschutz Abstandsflächen, Brandabschnitte Brandverhalten der Baustoffe Feuerwiderstände der tragenden Bauteile Feuerwiderstände der raumabschl. Bauteile Zuverlässigkeit der Rettungswege (Redundanz) Leistungsfähigkeit der Rettungswege (Bestandteile, Länge, Breite)

Betrieblicher und organisatorischer Brandschutz Brandschutzbeauftragte, Evakuierungshelfer Brandschutzordnung (z.B.Verantwortungsabgrenzung) Vermeidung/Begrenzung von Brandlasten und Zündquellen

Anlagentechnischer Brandschutz Rauch- und Wärmeableitung Brandfrüherkennung und Alarmierung Feuerlöschanlagen

Im Brandschutznachweis nachzuweisen. Im Rahmen der Stellungnahme Brandschutzdienststelle nachzuweisen. Im Genehmigungsverfahren nicht nachweisbar

Kompensation

Beispiel 4 :

Zunehmend Probleme mit dem 2. Rettungsweg in

Großstädten (in den letzten Jahren intensive Diskussion

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Beispiel 4: Ganzheitliche Betrachtungsweise

des „Sicherheitstreppenraumes light“

Ausgangspunkt: zwei bauliche Rettungswege sind die Regel, können aber nicht eingehalten werden, deswegen Kompensation durch Rettungsgerät der Feuerwehr (Hubrettungsfahrzeug), ist ins Baurecht übergegangen

Ursprungslösung ist durch veränderte Mobilität/Stadtgestaltung/demograf. Wandel

nicht mehr gewährleistet.

Notwendige alternative Schutzzielnachweisführung (Einhaltung der max. 10 Brandtoten/(1 Mill. Einw.*Jahr):

- baulich (ausreichend): Außentreppe

- baulich (nicht ausreichend): Flur vor Treppenraum (Berliner Lösung)

- abwehrend: Parkverbote, regelmäß. Baumbeschnitt, einsatzbereite FW

- anlagentechn. ausreichend: SÜLA (Hamburger Lösung)

- anlagentechn. nicht ausreichend: Wassernebel im TR (Hamb. Ersatzvar.)

- anlagentechn. ausreichend: Luftspülanlage im TR (ggf. in Komb. Mit abw. BS)

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Beispiel 4: Sicherheitstreppenraum „light“

Alternativer Vorschlag (der zu keiner Absenkung des Sicherheitsniveaus führt):

Ein zweiter Rettungsweg ist nicht erforderlich, wenn die Rettung über einen Sicherheitstreppenraum möglich ist, der im Brandfall zur Personenrettung und Brandbekämpfung immer benutzbar ist.

Bauplanungsdienst Hamburg BPD 4/16

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Brandschutzniveau – Veränderungen der

Gegenwart

Verhinderung der Brandentstehung

Verhinderung der Ausbreitung von Feuer und Rauch

Rettung von Menschen und Tieren

Gewährleistung der Brandbekämpfung

Schutzzielniveau

Gesetzliche Anforderungen-alt Bauordnungsrecht etc.

Einzelanforderungen, bezogen auf die Schutzziele

Diff.=Sicherheitsreserve, (Abweichungen etc.) Wird geringer!

Gesetzl. Anford.- neu Bauordn.recht

Schutzzielniveau neu (Demograf. Wandel, Verdichtung, Energieeff., Kunststoffanteil…)

Wohnformenrichtlinie Wohnungs-Rauchmelder

Selbstschließer in Treppenraumtüren

Erreichungsgrade im ländl. Bereich

GK4, HolzbauR 400qm-NE

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Brandschutzniveau – zukünftige

Entwicklungen, Optimierungen des

Brandschutzes

Verhinderung der Brandentstehung

Verhinderung der Ausbreitung von Feuer und Rauch

Rettung von Menschen und Tieren

Gewährleistung der Brandbekämpfung

Schutzzielniveau

Gesetzliche Anforderungen-alt Bauordnungsrecht etc.

Einzelanforderungen, bezogen auf die Schutzziele

Diff.=Sicherheitsreserve, (Abweichungen mit Ingenieurmethoden)

Gesetzl. Anford.- neu Bauordn.recht

Schutzzielniveau neu (Demograf. Wandel, Verdichtung, Energieeff., Kunststoffanteil…)

Quantitative Methoden ( Personenstromanalysen, ASET/RSET…)

Semi-quantitative Bemessungsmethoden, Index-Modelle (Gretener-SIA-Modelle, Bayes‘sche Netze, Risikobewertungen nach F-N-Modellen, TRVB 100 …)

Rauchausbreitungsmodelle, Naturbrandmodelle etc.

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Abweichungen und Erleichterungen

Häufig bei Bestandsbauten, Umnutzungen.

In der Regel Anlagentechnik für Bauliche Anforderungen

In der Regel Reduzierungen der Anforderungen des baulichen Brandschutzes und Kompensation mit anlagentechn, abwehr. od. betr. Brandschutz

Keine Reduzierung des abwehrenden Brandschutzes

(wäre dies möglich?)

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Erleichterungen werden oft ohne ausreichende Begründung oder Kompensation angewendet.

Zusätzliche Anforderungen werden oft nicht in Erwägung gezogen

Leistungsfähigkeit der Feuerwehr

Die Leistungsfähigkeit der Feuerwehren ist eine Gesetzesaufgabe, die nicht in Frage gestellt wird (auch wenn die Praxis manchmal eine andere ist).

Kann man oder muss man bei nicht ausreichender Leistungsfähigkeit der Feuerwehren dies mit anderen Maßnahmen kompensieren?

-höherer Feuerwiderstand (R60) beim Tragwerk der GK3 wie Österreich

-Kleinere Nutzungseinheiten

-Automatische Brandschutzanlagen, z.B.: VdS 2896 (Wohnungssprinkler)

….

Ziel: Druck auf Kommunen für Professionalisierung ausüben, die keine ausreichend leistungsfähige Feuerwehr haben

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Blick in die (Brandschutz-)Zukunft

Entwicklungen der kommenden Jahrzehnte:

Größerer Kunststoffanteil

Immer bessere Gebäudeisolation

Veränderte Brandbedingungen/-abläufe (schnellerer Eintritt des Flash-overs)

Veränderte Wohnformen

Demografischer Wandel

Verändertes Sicherheitsempfinden

Unser Brandschutzrecht ist antiquiert (nicht unser Engagement, FFW etc.)!

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Achtung: Gefahr der Reduzierung der Brandschutzanforderungen aus Kostendruck- nicht aus sachlichen Gründen

Ansätze zur Überwindung des

bauordnungsbasierten Brandschutzes

auch DIN 18009 (Ingenieurmethoden Brandschutz)

Quantitative Nachweisverfahren als Nachweis von Einzelanforderungen als Abweichung bestimmter baurechtlicher Anforderungen

Z.B. NZL max 1,2….4,5 kW/m2 Wärmestrahlung, Max. Oberflächentemperaturen brennbarer Materialien 90 grd C, Gebäudeabstände bei 30 kW/m2 Strahlungswärme, Einhaltung CO-Dosiswerte für Rettungswege

Entrauchungssimulationen

Naturbrandmodelle

Personenrettungssimulation

Argumentative Nachweisführung FSE

Ausweitung von semi-quantitativen Berechnungsmethoden, Index-Modellen und quantitativen Risikomodellen

Modelle analog der deutschen Industriebau-Richtlinie/DIN 18230

Modell analog der SIA 81 (Schweiz, zurückgezogen)

TRVB100 (Austria)

Bayes’sche Netz-Modelle

Risikobewertungen nach PML-Diagrammen und -Berechnungen

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Ermöglichung paralleler Nachweismethoden ab GK3, nur schutzzielbezogen, statt Abweichungen, Erleichterungen …

Sind die Brandschutzanforderungen seit

1996 höher oder geringer geworden?

Höher (Auswahl):

Selbstschließer in Wohnungstüren von Treppenräumen

Rauchmelder in Wohnungen

Sprinkleranlagen in Hochhäusern

Geringer (Auswahl):

Gebäudeklasse 4 (hochfeuerhemmend)

Gebäudeklasse 1 – ohne Anforderungen

Verzicht auf notwendige Flure bei Nutzungseinheiten bis 400 qm

Keine Vorräume bei innenliegenden Treppenräumen

Wohngruppenlösung bei Heimen der 4. Generation (Wohnformen-Richtlinie)

Geringerer Rauchabzug bei Industriebauten

Ladenstraßen als Brandschutztrennungen in Verkaufsstätten

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Wieviel Brandschutz brauchen wir?

Das Brandschutzniveau ist in den letzten 20 Jahren erheblich gestiegen, weil seit dem Flughafenbrand Düsseldorf 1996 die Brandschutzprobleme ernster genommen wurden, (im

Gegensatz zur Zeit bis 1996: „Brandschutz macht der Architekt nebenbei- bei Problemen fragen wir die Feuerwehr“)

Bauingenieur- und Architektenstudium meist ohne Brandschutzausbildung

Neue Herausforderungen seit ca. 15 Jahren:

Einsatzstärken, Einsatzfristen und Erreichungsgrade der freiwilligen Feuerwehren gehen infolge Mitglieder- schwundes zurück, insbes. Tageseinsatzbereitschaft

Größere Wertkonzentrationen, mehr Kunststoffe, auch WDVS

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Flughafenbrand Düsseldorf

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Beispiel 5: Wohnformen-Richtlinie

Statistische Auswertung des Brandgeschehens in Seniorenunterkünften. Nach denen ist das Risiko in einer deutschen Senioreneinrichtung

zu Tode zu kommen 5…6 Mal höher ist als in normalen Wohnhäusern. Das Risiko liegt damit höher als in normalen Wohngebäuden also ca. 28 Brandtote/(1 Mio P*a) bereits bei analogen Heimen, die im wesentlichen analog der Krankenhausbau VO gebaut wurden

Mit der Wohngruppenrichtlinie wird dieses Risiko weiter erhöht, infolge der Größe der Wohngruppen mit dem Verzicht auf die Flure. Es ist anzunehmen, dass dies in den kommenden Jahren statistisch nachgewiesen wird.

Durch den demografischen Wandel ist in den kommenden Jahren mit geringeren Erreichungsgraden der FFW perspektivisch zu rechnen, sodass die Probleme indirekt noch verschärft werden.

Rost, M.: „Veränderungen des Brandsicherheitsniveaus unter dem Einfluss veränderter Prioritätensetzungen“

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Beispiel 5:

Pflegeeinrichtungen

• Zunehmend Wohngebäude statt Alten- und Pflegeheime

• Wenn Wohnungscharakter nachgewiesen wird, entstehen Altenwohnungen mit angeschlossener Tagespflege im EG, die faktisch die gleichen Abläufe hat, wie ein Pflegeheim (u.U. einschl. Nachtversorgung)

• So werden aus Sonderbauten mit sehr hohem Risiko Wohnungen, wo der 2. Rettungsweg über Rettungsgerät der Feuerwehr führt.

Das zeigt:

• Unser Brandschutz- und Baurecht mit Gebäudeklassen und Sonderbauregelungen gerät an seine Grenzen

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Beispiel 5: Sonderbau oder nicht

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau

Zusammenfassung

Abweichungen, Erleichterungen und zusätzliche Anforderungen sollten als „normal“ betrachtet werden

Eine schutzzielbezogene Brandschutznachweiserstellung beinhaltet immer die „ganzheitliche Planung“ des Brandschutzes

Baurechtsartige , paragraphenorientierte Nachweismethoden (insbesondere Checklisten) sind nicht hilfreich und führen häufig zu Fehlern oder auch zu unökonomischen Lösungen

Ingenieurmäßige Nachweismethoden sollten insbesondere bei Sonderbauten zukünftig stärker angewendet werden und auch von Prüfenden eher akzeptiert werden (insbes. Sog. Index-methoden)

M. Rost: Abweichungen und Kompensationsmöglichkeiten im Sonderbau