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1 „Eine Frage hätte ich da noch…“ Das richtige Verhalten als Zeuge und Beschuldigter im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

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„Eine Frage hätte ich da noch…“

Das richtige Verhalten als Zeuge und Beschuldigter

im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

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INHALTSVERZEICHNIS

1. Beginn des Strafverfahrens bzw. des strafrechtlichen Ermittlungs-

verfahrens ................................................................................................................. 3

1.1. Anfangsverdacht .............................................................................................. 3

1.2. Begriff der Ermittlung ....................................................................................... 3

2. Die Verfahrensbeteiligten des Ermittlungsverfahrens ................................... 5

2.1. Angezeigter ...................................................................................................... 5

2.2. Verdächtiger .................................................................................................... 5

2.3. Beschuldigter ................................................................................................... 7

3. Rechte und Pflichten des Beschuldigten ........................................................ 8

3.1. Rechte im Überblick ......................................................................................... 8

3.1.1. Rechtsbelehrung .......................................................................................... 8

3.1.2. Akteneinsicht ................................................................................................ 9

3.1.3. Beweisantrag.............................................................................................. 11

3.2. Vernehmung .................................................................................................. 12

3.3. Vorbereitende Beschuldigtenverantwortung .................................................. 13

4. Rechte und Pflichten des Zeugen .................................................................. 14

4.1. Definition des Zeugen .................................................................................... 14

4.2. Umfang der Aussage, Aussageverbot, Aussagebefreiungs- und

Aussageverweigerungsrechte .................................................................................. 14

4.3. Ablauf der Einvernahme ................................................................................ 18

5. Stichwort „Suggestivfragen“ und „Fangfragen“ .......................................... 20

6. Ende des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ........................................ 21

7. CHECKLIST – Das richtige Verhalten bei der Kriminalpolizei ..................... 22

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1. Beginn des Strafverfahrens bzw. des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens

Das Strafverfahren beginnt einerseits, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft

zur Aufklärung eines Anfangsverdachts nach den Bestimmungen der §§ 91 ff.

StPO ermitteln. Andererseits beginnen viele Verfahren auch damit, dass eine

Anzeige gegen einen (un)bekannten Täter erstattet wird, aufgrund welcher von der

Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei Ermittlungen durchgeführt werden.1

1.1. Anfangsverdacht

Ein Anfangsverdacht liegt vor, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte

angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist.2 Damit ein

solcher „Verdacht einer Straftat“ angenommen werden kann, müssen hinreichende

Verdachtsgründe einer strafbaren Handlung vorliegen; bloße Gerüchte oder vage

Vermutungen sind nicht ausreichend. Vielmehr müssen konkrete Tatsachen

bestehen, die es nach den kriminalistischen Erfahrungen als möglich erscheinen

lassen, dass tatsächlich eine verfolgbare Straftat vorliegt.3

1.2. Begriff der Ermittlung

Unter den Begriff der Ermittlung fällt jedes Tätigwerden der Kriminalpolizei, der

Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, das der Gewinnung, Sicherstellung,

Auswertung oder Verarbeitung einer Information zur Aufklärung des Verdachts einer

Straftat dient.4

Das Gesetz unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen einer Erkundigung

und einer Beweisaufnahme.

1 Vgl. § 1 Abs. 2 StPO.

2 Vgl. § 1 Abs. 3 StPO.

3 Vgl. Nimmervoll, Das Strafverfahren

2, Kap. I, VII, Rz. 205.

4 Vgl. § 91 Abs. 2 StPO.

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Erkundigung: Ist zweifelhaft, ob überhaupt ein Anfangsverdacht vorliegend ist,

können auch Erkundigungen eingeholt werden, ohne dass dadurch ein

Strafverfahren eingeleitet wird. Gemäß § 151 Z. 1 StPO handelt es sich dabei um

das Verlangen von Auskunft und das Entgegennehmen einer Mitteilung von

einer Person.

Sofern die Kriminalpolizei nicht verdeckt ermittelt, hat sie bei Erkundigungen auf ihre

amtliche Stellung hinzuweisen, wenn diese nicht aus den Umständen heraus

ersichtlich ist.5

Die Auskunftsteilung selbst ist freiwillig und darf nicht erzwungen werden; letzteres

gilt nicht im Fall einer gesetzlichen Verpflichtung zur Auskunftserteilung.6

Beweisaufnahme: Die Abgrenzung zwischen Erkundigung und Beweisaufnahme

liegt in der Möglichkeit der Verwertung als Beweis in der Hauptverhandlung.

Unabdingbare Voraussetzung hiefür ist, dass die Kontroll- und Mitwirkungsrechte des

Beschuldigten im Rahmen der Sicherung des Beweismittels bzw. der Auswertung

desselben gewahrt wurden. Derlei ist bei Erkundigungen nicht der Fall, womit eine

Verwertung derselben in der Hauptverhandlung ausscheidet.7

5 Vgl. § 152 Abs. 2 StPO.

6 Vgl. § 152 Abs. 2 StPO.

7 Koller in Schmölzer/Mühlbacher (Hrsg), StPO Strafprozessordnung Praktikerkommentar (2015) zu §

91 StPO Rz. 6.

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2. Die Verfahrensbeteiligten des Ermittlungsverfahrens

2.1. Angezeigter

Solange die Staatsanwaltschaft das Vorliegen eines Anfangsverdachts oder auch

eines konkreten Verdachts gegen eine bestimmte Person nicht abschließend geprüft

hat bzw. gegen diese Person noch nicht iSd StPO ermittelt wurde, hat gegen diese

Person noch kein Strafverfahren begonnen.

Eine solcherart von einer Anzeige betroffene Person wird daher als „angezeigte

Person“ oder „Angezeigter“ tituliert.8

Grad des Tatverdachts:

Anzeige, aus der sich kein (hinreichender) Tatverdacht ergibt

Zulässige Erkundigungen/Ermittlungen:

Erkundigungen iSv § 151 Z. 1 und § 152 StPO zur Abklärung, ob ein

Anfangsverdacht vorliegt.

2.2. Verdächtiger

Gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 StPO ist Verdächtiger jede Person, gegen die aufgrund

eines Anfangsverdachts ermittelt wird.

Gesetzlich sichergestellt ist weiters, dass auf den Verdächtigen dieselben

prozessualen Rechte anzuwenden sind wie auf einen Beschuldigten.9

Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass auch gegen den Verdächtigen

Ermittlungsmaßnahmen nach dem 8. und 9. Hauptstück der StPO zulässig sind.

8 Vgl. Nimmervoll, Das Strafverfahren

2, Kap. II, VI, Rz. 131.

9 Vgl. § 48 Abs. 2 StPO.

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Ausnahmen bestehen dann, wenn die Ermittlungsmaßnahme eine Eingriffsintensität

aufweist, die bezogen auf den Verdächtigen im Vergleich zum Beschuldigten als

nicht mehr verhältnismäßig angesehen werden kann. Das bedeutet, dass die auf

Seiten des Verdächtigen bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung in einem

angemessenen Verhältnis zum Grad des Verdachts stehen muss.10

Grad des Tatverdachts:

Anfangsverdacht iSv § 1 Abs. 3 StPO

Zulässige Erkundigungen/Ermittlungen:

Ermittlungsmaßnahmen nach dem 8. und 9. Hauptstück der StPO, sofern nicht

Verhältnismäßigkeitserwägungen entgegenstehen.

jedenfalls zulässig:

- förmliche Vernehmung gem. § 164, 165 StPO

jedenfalls unzulässig:

- qualifizierte Observation (§ 130 Abs. 3 StPO)

- systematische verdeckte Ermittlung (§ 131 Abs. 2 StPO)

- Beschlagnahme von Briefen (§ 135 Abs. 1 StPO)

- Auskunft über die Daten einer Nachrichtenübermittlung (§ 135 Abs. 2 Z. 1, Z.

4 StPO)

- Überwachung von Nachrichten (§ 135 Abs. 3 Z. 1, Z. 3 lit. a, Z. 3 lit. b, Z. 4

StPO)

- Optische und akustische Überwachung von Personen (§ 136 Abs. 1 Z. 1 Z. 3

lit. a, Z. 3 lit. b StPO)

- Ausschreibung zur Festnahme (§ 168 Abs. 2 StPO)

- Festnahme (§ 170 StPO)

- Untersuchungshaft (§ 173 StPO)

10

Vgl. § 5 Abs. 1 StPO.

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2.3. Beschuldigter

Gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 StPO ist Beschuldigter jeder Verdächtige, sobald er

aufgrund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung

begangen zu haben und zur Aufklärung dieses konkreten Verdachts Beweise

aufgenommen oder Ermittlungsmaßnahmen angeordnet oder durchgeführt werden.

Irrelevant ist, ob die Ermittlungen von der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft

oder dem Gericht durchgeführt werden.

Während die Stellung nach der Rechtslage vor dem 01.01.2008 noch von einem

Formalakt (z.B. Einleitung der Voruntersuchung) abhing, ergibt sich diese nunmehr

automatisch ex lege, sobald die notwendigen Voraussetzungen vorliegen.

Damit ist sichergestellt, dass dem Beschuldigten auch ab diesem Zeitpunkt jedenfalls

sämtliche Beschuldigtenrechte zustehen.

Grad des Tatverdachts:

konkreter Tatverdacht aufgrund bestimmter Tatsachen

Zulässige Erkundigungen/Ermittlungen:

Sämtliche Ermittlungsmaßnahmen des 8. und 9. Hauptstückes der StPO

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3. Rechte und Pflichten des Beschuldigten

3.1. Rechte im Überblick

Rechte des Beschuldigten:11

- Information über den Gegenstand des gegen ihn bestehenden Verdachts

sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren

- Möglichkeit der Wahl eines Verteidigers oder der Beistellung eines

Verfahrenshilfeverteidigers

- Akteneinsicht

- Freiheit, sich zum Vorwurf zu äußern oder nicht auszusagen sowie die

Möglichkeit, mit einem Verteidiger Kontakt aufzunehmen und sich mit ihm zu

besprechen

- Gemäß § 164 Abs. 2 StPO einen Verteidiger zur Vernehmung beizuziehen

- Beantragung der Aufnahme von Beweisen

- Erhebung eines Einspruchs wegen Verletzung eines subjektiven Rechts

- Erhebung einer Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung von

Zwangsmitteln

- Stellung eines Antrags auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens

- Teilnahme an der Hauptverhandlung, an einer kontradiktorischen Vernehmung

von Zeugen und Mitbeschuldigten und an einer Tatrekonstruktion

- Erhebung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen

- Übersetzungshilfe

3.1.1. Rechtsbelehrung12

Jeder Beschuldigte ist durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft sobald

wie möglich über das gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren und den gegen ihn

11

Vgl. § 49 ff. StPO. 12

Vgl. § 50 StPO.

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bestehenden Tatverdacht sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren zu

informieren.

Sobald die im Ermittlungsverfahren zu Grunde liegenden Tatsachen an sich oder in

Verbindung mit neu hervorgetretenen Umständen den Verdacht der Begehung einer

anderen oder einer weiteren strafbaren Handlung begründen, ist der Beschuldigte

auch über diese geänderten Gesichtspunkte des gegen ihn bestehenden

Verdachts zu informieren.

Dies darf nur so lange unterbleiben als besondere Umstände befürchten lassen,

dass ansonsten der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre, insbesondere weil

Ermittlungen oder Beweisaufnahmen durchzuführen sind, deren Erfolg voraussetzt,

dass der Beschuldigte keine Kenntnis von den gegen ihn geführten Ermittlungen hat.

Die Rechtsbelehrung ist in einer Sprache, die der Beschuldigte versteht, und in einer

verständlichen Art und Weise zu erteilen, wobei besondere persönliche Bedürfnisse

zu berücksichtigen sind.

In der Praxis erfolgt die Belehrung durch Ausfolgung eines (in

verschiedensten Sprachen existenten) Formblattes an den Beschuldigten.

3.1.2. Akteneinsicht13

Der Beschuldigte ist berechtigt, in die der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und

dem Gericht vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungs- und des Hauptverfahrens

Einsicht zu nehmen.

Die Akteneinsicht darf nur vor Beendigung des Ermittlungsverfahrens und nur

insoweit beschränkt werden, als besondere Umstände befürchten lassen, dass durch

13

Vgl. §§ 51ff. StPO.

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eine sofortige Kenntnisnahme von bestimmten Aktenstücken der Zweck der

Ermittlungen gefährdet wäre.

Befindet sich der Beschuldigte in Haft, so ist eine Beschränkung der Akteneinsicht

hinsichtlich solcher Aktenstücke, die für die Beurteilung des Tatverdachts oder der

Haftgründe von Bedeutung sein können, ab Verhängung der Untersuchungshaft

unzulässig.

Soweit dem Beschuldigten Akteneinsicht zusteht, sind ihm auf Antrag und gegen

Gebühr Kopien auszufolgen oder ist ihm nach Maßgabe der technischen

Möglichkeiten zu gestatten, Kopien selbst herzustellen, sofern dieses Recht nicht

durch einen Verteidiger ausgeübt wird.

In folgenden Fällen hat der Beschuldigte keine Gebühren zu entrichten:

1) wenn und solange ihm Verfahrenshilfe bewilligt wurde

2) wenn er sich in Haft befindet, bis zur ersten Haftverhandlung oder zu der

stattfindenden Hauptverhandlung hinsichtlich aller Aktenstücke, die für die

Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein

können

3) für Befunde und Gutachten von Sachverständigen, Behörden,

Dienststellen und Anstalten.

Die Einsicht in den jeweiligen Akt kann im Ermittlungsverfahren bei der

Staatsanwaltschaft und bis zur Erstattung des Abschlussberichts auch bei der

Kriminalpolizei begehrt werden, im Hauptverfahren bei Gericht. Soweit Akteneinsicht

zusteht, ist sie grundsätzlich während der Amtsstunden in den jeweiligen

Amtsräumen zu ermöglichen.

Aktuelle Kosten bei Gericht: 66 Cent pro Seite

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3.1.3. Beweisantrag14

Der Beschuldigte ist berechtigt, die Aufnahme von Beweisen zu beantragen.

Im Antrag sind Beweisthema, Beweismittel und jene Informationen, die für die

Durchführung der Beweisaufnahme erforderlich sind, zu bezeichnen. Soweit dies

nicht offensichtlich ist, ist zu begründen, weswegen das Beweismittel geeignet sein

kann, dass Beweisthema zu klären.

Unzulässige, unverwertbare und unmögliche Beweise sind nicht aufzunehmen. Im

übrigen darf eine Beweisaufnahme auf Antrag des Beschuldigten nur unterbleiben,

wenn

1) dass Beweisthema offenkundig oder für die Beurteilung des Tatverdachts

ohne Bedeutung ist,

2) das beantragte Beweismittel nicht geeignet ist, eine erhebliche Tatsache zu

beweisen, oder

3) das Beweisthema als erwiesen gelten kann.

Im Ermittlungsverfahren kann die Aufnahme eines Beweises der Hauptverhandlung

vorbehalten werden. Dies ist unzulässig, wenn das Ergebnis der Beweisaufnahme

geeignet sein kann, den Tatverdacht unmittelbar zu beseitigen, oder die Gefahr des

Verlustes des Beweises einer erheblichen Tatsache besteht.

Die Kriminalpolizei hat im Ermittlungsverfahren den beantragten Beweis

aufzunehmen oder den Antrag mit Anlassbericht der Staatsanwaltschaft

vorzulegen. Die Staatsanwaltschaft hat ihrerseits die Beweisaufnahme zu

veranlassen oder den Beschuldigten zu verständigen, aus welchen Gründen sie

unterbleibt.

14

Vgl. § 55 StPO.

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12

3.2. Vernehmung

Vor dem Beginn der Vernehmung ist zur überprüfen, ob eine Übersetzungshilfe

erforderlich ist.

Anschließend ist dem Beschuldigten mitzuteilen, welcher Tat er verdächtig ist und ist

er darüber zu informieren, dass er berechtigt ist,

- sich zur Sache zu äußern oder

- nicht auszusagen

und sich zuvor mit einem Verteidiger zu beraten.

Ebenso ist der Beschuldigte darauf aufmerksam zu machen, dass eine Aussage

seiner Verteidigung dienen, aber auch als Beweis gegen ihn Verwendung finden

kann.15

Der Beschuldigte ist zunächst über seine persönlichen Verhältnisse zu befragen.

Dann ist ihm Gelegenheit zu geben, sich in einer zusammenhängenden

Darstellung zu dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf zu äußern.

Es dürfen weder Versprechungen oder Vorspiegelungen noch Drohungen oder

Zwangsmittel angewendet werden, um den Beschuldigten zu einem Geständnis oder

zu anderen Angaben zu bewegen. Die Freiheit seiner Willensentschließung und

seiner Willensbetätigung sowie sein Erinnerungsvermögen und seine

Einsichtsfähigkeit dürfen durch keinerlei Maßnahmen oder gar Eingriffe in seine

körperliche Integrität beeinträchtigt werden.

Dem Beschuldigten gestellte Fragen müssen deutlich und klar verständlich und

dürfen nicht unbestimmt, mehrdeutig oder verfänglich sein.

Fragen, die eine vom Beschuldigten nicht zugestandene Tatsache als bereits

gestanden behandeln, sind nicht zulässig.16

15

Vgl. § 164 Abs. 1 StPO. 16

Vgl. § 164 Abs. 3 und 4 StPO.

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Der Beschuldigte hat das Recht, seiner Vernehmung einen Verteidiger

beizuziehen. Dieser darf sich an der Vernehmung auf keine Art und Weise

beteiligen, aber ist berechtigt, nach deren Abschluss ergänzende Fragen an den

Beschuldigten zu richten. Während der Vernehmung darf sich der Beschuldigte nicht

mit dem Verteidiger über die Beantwortung einzelner Fragen beraten.17

3.3. Vorbereitende Beschuldigtenverantwortung

„Zu schwierigen Fragen, die besondere Sachkunde voraussetzen oder eine

Beurteilung durch einen Sachverständigen erfordern, ist ihm (Anm.: dem

Beschuldigten) zu gestatten, sich binnen angemessener Frist ergänzend schriftlich

zu äußern.“ - § 164 Abs. 3 StPO

Zulässig ist es, dass der Beschuldigte die Aussage verweigert und eine

schriftliche Darstellung vorlegt oder ankündigt. Auch wenn es sich dabei nicht

um „schwierige Fragen“ handelt, kann ihn die Kriminalpolizei nicht daran hindern.

Eine schriftliche Stellungnahme des Beschuldigten stellt jedenfalls ein verwertbares

Beweismittel dar.18

Gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität erklärt sich die Kriminalpolizei jedoch

regelmäßig mit der Einbringung einer vorbereitenden Beschuldigtenverantwortung

durch den anwaltlich vertretenen Beschuldigten einverstanden.

17

Vgl. § 164 Abs. 2 StPO. 18 Bertel in Bertel/Venier (Hrsg), StPO: Kommentar (2012) zu § 164 Rz. 6.

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4. Rechte und Pflichten des Zeugen

4.1. Definition des Zeugen

Ein Zeuge ist eine vom Beschuldigten verschiedene Person, die zur Aufklärung

der Straftat wesentliche oder sonst den Gegenstand des Verfahrens betreffende

Tatsachen mittelbar oder unmittelbar wahrgenommen haben könnte und darüber im

Verfahren aussagen soll.19

Das bedeutet, dass alle in einem Ermittlungsverfahren zu vernehmenden Personen,

die nicht als Beschuldigte infrage kommen, als Zeugen einzuvernehmen sind.

4.2. Umfang der Aussage, Aussageverbot, Aussagebefreiungs- und Aussageverweigerungsrechte

Zeugen sind verpflichtet, richtig und vollständig auszusagen.20

Dies gilt nur dann nicht, wenn dem Zeugen ein Aussageverweigerungs- bzw.

Aussagebefreiungsrecht zukommt.

In allen anderen Fällen wird durch einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur

vollständigen und wahrheitsgemäßen Aussage der Tatbestand der falschen

Zeugenaussage nach § 288 Abs. 1 StGB verwirklicht. Dieses Delikt ist mit einer

Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht.

Die Verpflichtung zur Zeugenaussage kann auch durch den Einsatz von

Beugemitteln (Geldstrafe bis € 10.000, Beugehaft bis 6 Wochen) durchgesetzt

werden.21

19

Vgl. § 154 Abs. 1 StPO. 20

Vgl. § 154 Abs. 2 StPO. 21

Vgl. § 93 StPO.

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Hinzuweisen ist darauf, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, gegen einen

ungehorsamen Zeugen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Bei unberechtigter

Zeugnisverweigerung kann es sich auch mit der Verlesung der bisherigen

Zeugenvernehmungsprotokolle begnügen. Im gesamten Strafverfahren, d.h. auch im

Ermittlungsverfahren, liegt es im alleinigen Ermessen des Gerichts, ob eine

Beugestrafe verhängt wird. Der Staatsanwaltschaft kommt stets lediglich ein

Antragsrecht zu.22

Verbot der Vernehmung als Zeuge - § 155 StPO

(1) Als Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht vernommen werden:

1. Geistliche über das, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem

Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde,

2. Beamte (§ 74 Abs. 1 Z 4 bis 4c StGB) über Umstände, die der

Amtsverschwiegenheit unterliegen, soweit sie nicht von der Verschwiegenheitspflicht

entbunden wurden,

3. Personen, denen Zugang zu klassifizierten Informationen des

Nationalrates oder des Bundesrates gewährt wurde, soweit sie gemäß § 18 Abs. 1

des Bundesgesetzes über die Informationsordnung des Nationalrates und des

Bundesrates, BGBl. I Nr. 101/2014, zur Verschwiegenheit verpflichtet sind,

4. Personen, die wegen einer psychischen Krankheit, wegen einer

geistigen Behinderung oder aus einem anderen Grund unfähig sind, die Wahrheit

anzugeben.

(2) Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit nach Abs. 1 Z 2 besteht jedenfalls nicht,

soweit der Zeuge im Dienste der Strafrechtspflege Wahrnehmungen zum

Gegenstand des Verfahrens gemacht hat oder Anzeigepflicht (§ 78) besteht.

22

Koller in Schmölzer/Mühlbacher (Hrsg), StPO Strafprozessordnung Praktikerkommentar (2013) zu § 154 StPO Rz. 11.

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Aussagebefreiung - § 156 StPO

(1) Von der Pflicht zur Aussage sind befreit:

1. Personen, die im Verfahren gegen einen Angehörigen (§ 72 StGB)

aussagen sollen;

2. Besonders schutzbedürftige Opfer (§ 66a), wenn die Parteien

Gelegenheit hatten, sich an einer vorausgegangenen kontradiktorischen

Vernehmung zu beteiligen (§§ 165, 247).

(2) Nach Abs. 1 Z 1 ist eine erwachsene Person, die als Privatbeteiligte am

Verfahren mitwirkt (§ 67), von der Aussage nicht befreit.

(3) Besteht die Befreiung von der Aussage im Verfahren gegen mehrere

Beschuldigte nur gegenüber einem von ihnen, so ist der Zeuge hinsichtlich der

anderen nur dann befreit, wenn eine Trennung der Aussagen nicht möglich ist.

Gleiches gilt, wenn sich der Befreiungsgrund nur auf einen von mehreren

Sachverhalten bezieht

Aussageverweigerung - § 157f StPO

§ 157 StPO - (1) Zur Verweigerung der Aussage sind berechtigt:

1. Personen, soweit sie ansonsten sich oder einen Angehörigen

(§ 156 Abs. 1 Z 1) der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder im

Zusammenhang mit einem gegen sie geführten Strafverfahren der Gefahr

aussetzen würden, sich über ihre bisherige Aussage hinaus selbst zu belasten,

2. Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Verfahrensanwälte in

Untersuchungsausschüssen des Nationalrats, Notare und Wirtschaftstreuhänder

über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist,

3. Fachärzte für Psychiatrie, Psychotherapeuten, Psychologen,

Bewährungshelfer, eingetragene Mediatoren nach dem Zivilrechts-Mediations-

Gesetz, BGBl. I Nr. 29/2003, und Mitarbeiter anerkannter Einrichtungen zur

psychosozialen Beratung und Betreuung über das, was ihnen in dieser Eigenschaft

bekannt geworden ist,

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4. Medieninhaber (Herausgeber), Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer

eines Medienunternehmens oder Mediendienstes über Fragen, welche die Person

des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen

betreffen oder die sich auf Mitteilungen beziehen, die ihnen im Hinblick auf ihre

Tätigkeit gemacht wurden,

5. Wahlberechtigte darüber, wie sie ein gesetzlich für geheim erklärtes

Wahl- oder Stimmrecht ausgeübt haben.

(2) Das Recht der in Abs. 1 Z 2 bis 5 angeführten Personen, die Aussage zu

verweigern, darf bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden, insbesondere

nicht durch Sicherstellung und Beschlagnahme von Unterlagen oder auf

Datenträgern gespeicherten Informationen oder durch Vernehmung der Hilfskräfte

oder der Personen, die zur Ausbildung an der berufsmäßigen Tätigkeit nach Abs. 1

Z 2 bis 4 teilnehmen. Dies gilt ebenso für Unterlagen und Informationen, die sich in

der Verfügungsmacht des Beschuldigten oder eines Mitbeschuldigten befinden und

zum Zwecke der Beratung oder Verteidigung des Beschuldigten durch eine in Abs. 1

Z 2 genannte Person von dieser oder vom Beschuldigten erstellt wurden.

§ 158 StPO - Die Beantwortung einzelner Fragen können verweigern:

1. Personen, soweit sie ansonsten sich oder einen Angehörigen

(§ 156 Abs. 1 Z 1) der Schande oder der Gefahr eines unmittelbaren und

bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils aussetzen würden,

2. Personen, die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in

ihrer Geschlechtssphäre verletzt wurden oder verletzt worden sein könnten, soweit

sie Einzelheiten der Tat zu offenbaren hätten, deren Schilderung sie für unzumutbar

halten,

3. Personen, soweit sie Umstände aus ihrem höchstpersönlichen

Lebensbereich oder dem höchstpersönlichen Lebensbereich einer anderen Person

zu offenbaren hätten.

(2) Die in Abs. 1 angeführten Personen können jedoch trotz Weigerung zur Aussage

verpflichtet werden, wenn dies wegen der besonderen Bedeutung ihrer Aussage für

den Gegenstand des Verfahrens unerlässlich ist.

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4.3. Ablauf der Einvernahme

Vor Beginn ihrer Vernehmung sind Zeugen über ihre Befreiung von der

Aussagepflicht oder ihr Recht auf Verweigerung der gesamten oder eines Teiles der

Aussage zu informieren. Werden diesbezügliche Anhaltspunkte erst während der

Vernehmung bekannt, so ist die Information zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen.23

Generell ist jeder Zeuge einzeln und in Abwesenheit der Verfahrensbeteiligten und

anderen Zeugen zu vernehmen.24

Auf Verlangen des Zeugen ist einer Person seines Vertrauens die Anwesenheit bei

der Vernehmung zu gestatten. Als Vertrauensperson kann ausgeschlossen werden,

- wer der Mitwirkung an der Straftat verdächtig ist,

- wer als Zeuge vernommen wurde oder werden soll und

- wer sonst am Verfahren beteiligt ist oder

- besorgen lässt, dass seine Anwesenheit den Zeugen an einer freien und

vollständigen Aussage beeinflussen könnte.25

Vor Beginn seiner Vernehmung ist der Zeuge zu ermahnen, richtig und vollständig

auszusagen.

Sodann ist er über

- Vor- und Familienname,

- Geburtsort und -datum,

- Beruf und

- Wohnort oder eine sonstige zur Ladung geeignete Anschrift sowie

- über sein Verhältnis zum Beschuldigten

zu befragen.

23

Vgl. § 159 Abs. 1 StPO. 24

Vgl. § 160 Abs. 1 StPO. 25

Vgl. § 160 Abs. 2 StPO.

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Danach ist der Zeuge um eine zusammenhängende Darstellung seiner

Wahrnehmungen zu ersuchen. Allfällige Unklarheiten oder Widersprüche sind

aufzuklären.

Fragen nach allfälligen strafgerichtlichen Verfahren gegen den Zeugen und nach

deren Ausgang sowie Fragen nach Umständen aus dem höchstpersönlichen

Lebensbereich des Zeugen dürfen nicht gestellt werden, es sei denn, dass dies nach

besonderen Umständen des Falles unerlässlich ist.26

26

Vgl. § 161 StPO.

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5. Stichwort „Suggestivfragen“ und „Fangfragen“

„Suggestivfragen sind unzulässig.27 Was darunter zu verstehen ist, wird idR nicht

erläutert (Fabrizy § 161 Rz 4, Kirchbacher WK § 161 Rz 9). Suggestivfragen sind

Fragen, die dem Beschuldigten/Zeugen einen Umstand vorhalten, der durch seine

Antwort geklärt werden soll. Das ist immer der Fall, wenn die Frage so gefasst ist,

dass der Beschuldigte/Zeuge darauf nur »ja« oder »nein« zu sagen braucht..

»Hat der Täter eine blaue Jacke getragen?« ist eine Suggestivfrage. Sie legt dem

Beschuldigten/Zeugen das »ja« oder »nein« nicht in den Mund, aber sie hält ihm den

Täter in der blauen Jacke vor, eben die Umstände, die durch seine Aussage geklärt

werden sollen. Korrekt müsste man fragen »Was hat der Täter angehabt?«, »Welche

Farbe hatte seine Kleidung?«

Suggestivfragen sind bequem, aber für die Wahrheitsfindung gefährlich und

darum nur zulässig, wenn man sonst nicht verständlich fragen könnte.

Suggestivfragen müssen wörtlich protokolliert werden (§ 161 Abs 3 StPO). Dass

es für Richter fast unmöglich sei, ohne Suggestivfragen auszukommen (Kirchbacher

WK § 164 Rz 41, 11 Os 110/08y), ist nicht richtig, mit etwas Mühe und Phantasie

kann man sie fast immer vermeiden. Von Verteidigern verlangen Richter das auch.“28

Ebensowenig dürfen Fragen, die eine vom Beschuldigten nicht zugestandene

Tatsache als bereits zugestanden behandeln („Fangfrage“) gestellt werden.29

Zum Beispiel: Ein Beschuldigter, der des Diebstahls verdächtig ist, aber diesen

bestreitet, wird anlässlich der Einvernahme folgende Frage gestellt: „Wo haben Sie

die Beute versteckt?“.

27

Vgl. § 164 Abs. 4 StPO betreffend den Beschuldigten und § 161 Abs. 3 StPO betreffend den Zeugen. 28

Bertel/Venier, StPO: Kommentar § 161 Rz. 3. 29

Vgl. § 164 Abs. 4 letzter Satz StPO.

Page 21: „Eine Frage hätte ich da noch…“...Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können 3) für Befunde und Gutachten von Sachverständigen, Behörden,

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6. Ende des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren endet durch

- Einstellung

o Die dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tat ist nicht mit

gerichtlicher Strafe bedroht oder die weitere Verfolgung des

Beschuldigten ist aus rechtlichen Gründen unzulässig (§ 190 Z. 1

StPO)

o Es besteht kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des

Beschuldigten (§ 190 Z. 2 StPO).

o wegen Geringfügigkeit (§ 191 StPO)

- Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft

o Diversion (§ 198ff StPO)

o Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der

Staatsanwaltschaft (§ 209a StPO)

- Anklageerhebung, wenn aufgrund eines ausreichend geklärten Sachverhalts

eine Verurteilung nahe liegt und kein Grund für die Einstellung des Verfahrens

oder den Rücktritt von der Verfolgung vorliegt (§ 210 Abs. 1 StPO).

Page 22: „Eine Frage hätte ich da noch…“...Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können 3) für Befunde und Gutachten von Sachverständigen, Behörden,

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7. CHECKLIST – Das richtige Verhalten bei der Kriminalpolizei

Situation: Die Kriminalpolizei nimmt telefonisch Kontakt auf und ersucht

um kurzfristiges Erscheinen in der Polizeistation zur Durchführung einer

Einvernahme.

Nachfrage, ob eine Erkundigung oder eine Beweisaufnahme vorliegt (selten

praxisrelevant)

Nachfrage, ob eine Einvernahme als Zeuge oder als Beschuldigter intendiert ist

Abhängig von der erteilten Auskunft, ist folgende Vorgehensweise empfehlenswert:

Beschuldigter:

- Erhebung des gegen den Beschuldigten bestehenden Verdachts (noch

anlässlich des Telefonats)

- Vereinbarung eines Einvernahmetermins in der Form, dass zuvor noch

folgende Schritte gesetzt werden können:

o allenfalls Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger

o Akteneinsicht (bei der Kriminalpolizei oder beim Strafgericht)

o Überlegung, ob man zum bestehenden Verdacht

aussagen möchte oder nicht

sich in Form einer schriftlichen vorbereitenden

Beschuldigtenverantwortung äußern möchte oder

erst in der Hauptverhandlung aussagen möchte

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Zeuge:

- Erhebung des Einvernahmethemas um abzuklären, ob möglicherweise

Aussagebefreiungs- oder Aussageverweigerungsrechte greifen oder ein

Aussageverbot besteht

- Vereinbarung eines Einvernahmetermins

Situation: Sie erscheinen zum vereinbarten Einvernahmetermin bei der

Kriminalpolizei.

Beschuldigter:

- Aufnahme der Generalien

- Information über den Tatverdacht

- Rechtsbelehrung (Formblatt)

- Einvernahme

o Aussage

o Verweigerung der Aussage

o Vorlage einer vorbereitenden Beschuldigtenverantwortung

- nach Abschluss der Einvernahme genaue Korrektur des

Einvernahmeprotokolls

- Unterfertigung des Einvernahmeprotokolls

- Ersuchen um Anfertigung einer Protokollsabschrift zur Mitnahme

Anmerkung: Das Einvernahmeprotokoll des Beschuldigten bildet unter Umständen

die oder eine Grundlage für die Anklageerhebung. In der Hauptverhandlung ist der

Beschuldigte nochmals vom Richter einzuvernehmen. Weicht seine dortige Aussage

oder Verantwortung von der vor der Kriminalpolizei ab, beeinträchtigt dies unter

Umständen seine Glaubwürdigkeit.

Page 24: „Eine Frage hätte ich da noch…“...Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können 3) für Befunde und Gutachten von Sachverständigen, Behörden,

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Zeuge:

- Aufnahme der Generalien

- Rechtsbelehrung (Formblatt)

- Einvernahme

- nach Abschluss der Einvernahme genaue Korrektur des

Einvernahmeprotokolls

- Unterfertigung des Einvernahmeprotokolls

- Ersuchen um Anfertigung einer Protokollsabschrift zur Mitnahme

Anmerkung: Das Einvernahmeprotokoll ist Basis für eine allfällige neuerliche

Einvernahme durch den Richter in der Hauptverhandlung. Eine solche Einvernahme

beginnt erfahrungsgemäß mit der Frage durch den Richter, ob die vor der Polizei

gemachten Angaben korrekt sind. Anmerkungen, dass die Aussage nicht vollständig

oder nicht korrekt protokolliert worden ist, wird regelmäßig mit einem Verweis auf den

Umstand, dass der Zeuge durch seine Unterschrift den Inhalt des Protokolls bestätigt

hat und der Frage, ob nicht möglicherweise eine falsche Beweisaussage nach § 288

StGB vorliege, begegnet.