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DAS MAGAZIN FÜR PILOTEN aerokurier 12/2020 Deutschland € 6,50 / Österreich € 7,40 / Schweiz sfr 10,80 / BeNeLux € 7,70 www.aerokurier.de / 64. Jahrgang Jubiläum 100 Jahre Marktübersicht: 600-Kilo-ULs Praxisreportage Night-VFR Idaflieg-Messungen in Stendal-Borstel Rotax Mit dem UL in IMC 1000 Kilometer im Habicht Museums-Tipps

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DAS MAGAZIN FÜR PILOTENaero

kuri

er12/2020 Deutschland € 6,50 / Österreich € 7,40 / Schweiz sfr 10,80 / BeNeLux € 7,70 www.aerokurier.de / 64. Jahrgang

Jubiläum

100 Jahre Marktübersicht:600-Kilo-ULs

Praxisreportage Night-VFR

Idaflieg-Messungen in Stendal-Borstel

Rotax

Mit dem UL in IMC 1000 Kilometer im Habicht Museums-Tipps

Was wäre die leichte Luftfahrt ohne Rotax? Kein anderer Motorenhersteller ist so eng mit der Leichtflugzeug- szene verwoben wie der Weltmarktführer aus dem österreichischen Gunskirchen. Vor 100 Jahren schlug die Rotax-Geburtsstunde in Dresden. Anlass für einen Rück- und Ausblick.

Von der Fahrradnabe zum Flugmotor

Text Claus Meyerhoff Fotos BRP-Rotax

Motorflug 100 Jahre Rotax

Nichts ist so beständig wie der Wandel. Auf BRP-Rotax

passt das geflügelte Wort wie maßgeschneidert. Es war

ein langer Weg bis zur Marktführerschaft nicht allein im

Geschäftsfeld der Flugmotoren für Leichtflugzeuge.

BRP-Rotax, BRP steht für Bombardier Recreational Pro-

ducts, fertigt heute Motoren für viele mobile Freizeitbereiche wie

Snowscooter, Karts, Boote und mehr.

Den Namen Rotax gäbe es nicht ohne den Dresdner Unternehmer

Friedrich Gottschalk. Der nach der Jahrhundertwende erfolgreiche

Fahrradteile- und -zubehörfabrikant meldet 1906 die erste deutsche

Fahrrad-Freilaufnabe zum Patent an. Ihre Bezeichnung: Rotax. Doch

erst 1920 wird aus dem Markennamen das Unternehmen Rotax-Werke

AG. Gottschalk hat zwar inzwischen Millionen seiner Fahrradnaben ver-

kauft, doch die Gründung der neuen Aktiengesellschaft ist eine Folge der

wirtschaftlichen Turbulenzen nach dem Ersten Weltkrieg.

Zehn Jahre später übernimmt der Schweinfurter Hauptkonkurrent Fichtel

& Sachs die Rotax-Werke AG. Die Rotax-Ära in Dresden geht zu Ende. Fichtel

& Sachs konzentriert sich bald jedoch vor allem auf die rüstungsrelevante Kugel-

lager- und Motorenproduktion, die Freilaufnaben verlieren an Bedeutung. Mit zu-

nehmenden Luftangriffen auf die Werke in Schweinfurt entscheidet der Konzern

1943, die Motorenproduktion unter dem eher unverfänglichen Namen des einstigen

Fahrradnabenherstellers Rotax ins österreichische Wels zu verlegen. Nach Kriegs-

Der Rotax 642 markiert Anfang der

70er Jahre den Einstieg in die Flugmotoren­

produktion. Der 40­PS­Zweitakter ist ein

modifizierter Schneemobil-Motor.

Die Rotax-Geschichte beginnt mit

einer Fahrrad-Freilaufnabe. Nach der Übername

der Dresdner Rotax­Werke wird sie von

Fichtel & Sachs produziert.

Aktuelles Flaggschiff der Motorenfamilie

ist der Rotax 915 iS. Mit dem 141 PS starken, turbo-

aufgeladenen Aggregat mit intelligenter Motorsteuerung

erschließt Rotax neue Märkte.

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ende stellen die Rotax-Werke schnell auf zivile Produkte um. Bereits

im Juni 1945 verlassen rund 1500 Motoren für landwirtschaftliche und

andere gewerbliche Zwecke das Werk. Zwei Jahre später kommt das

Werk unter treuhänderische Verwaltung der Republik Österreich.

1970: Bombardier tritt auf den PlanBald darauf, Rotax ist inzwischen nach Gunskirchen umgezogen, kau-

fen die Wiener Lohner-Werke das Unternehmen. Der Motorroller-

Hersteller war schon länger einer der wichtigsten Rotax-Kunden. Ein

neues Kapitel der Firmengeschichte schlägt dann der Kanadier Joseph-

Armand Bombardier auf, der Erfinder des Ski-Doo. Wieder wird mit

Bombardier ein Rotax-Kunde zum Eigentümer des Motorenwerks, als

der kanadische Konzern 1970 die Firma übernimmt. Im Jahr 2003 wird

die Motorenfertigung mit der Gründung von BRP-Rotax aus der alten

Konzernstruktur, die auf den Bau von Schienenfahrzeugen und Flug-

zeugen ausgerichtet ist, herausgelöst. Seither firmiert sie als BRP-

Rotax GmbH & Co KG.

Zu diesem Zeitpunkt hat in Gunskirchen die Ära der Flugmotoren-

fertigung längst begonnen, hat sich Rotax die Marktführerschaft im

Segment UL-Antriebe erobert. Schon in den 70er Jahren beginnen die

Gunskirchener zunächst zögerlich den Einstieg in die Königsklasse

hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Komplexität ihrer Motoren. Die

frühe, praktisch unreglementierte UL-Szene in den USA, von einer

Branche kann man seinerzeit nicht reden, setzt damals unter anderem

auf zweckentfremdete Rotax-Schneeschlittenmotoren als Antrieb. Es

mögen sicher Produkthaftungsfragen gewesen sein, die Rotax auf

diese Szene aufmerksam werden ließ. Dass sich daraus einmal ein

wichtiges Geschäftsfeld für den Hersteller ergeben würde, ahnt zu

dieser Zeit wohl noch kaum einer der Verantwortlichen.

Zuverlässigkeit, ein Komplettpaket aus Motor, Getriebe, Ansaug- und Auspuff -

anlage. Zudem muss der Support für Flugzeughersteller und Endkunden gewähr-

leistet werden. „Flugmotoren sollen viel Leistung bei wenig Gewicht erbringen

und doppelte Sicherheit aufweisen, was die Elektrik und Hydraulik betrifft“,

zitiert die Firmenchronik Johann Rapberger, den ehemaligen Leiter der

Konstruktionsabteilung. „Das war natürlich ein gewisser Unterschied

zu den Schneeschlittenmotoren.“ Die Zweitaktantriebe der Schnee-

mobile boten eine gute Basis, um die Entwicklungsphilosophie

zu verwirklichen.

Erste Schritte im FlugmotorenmarktDen Beginn der Flugmotorenfertigung markiert 1973 der

Rotax 642. Aus zwei Zylindern holt der von einem Axial-

gebläse gekühlte Zweitakter mit Riemengetriebe 40 PS.

Die Stückzahl des Urvaters der Rotax-Flugmotoren

bleibt bescheiden. Von 1973 bis 1982 werden lediglich

85 Exemplare gefertigt.

Mit dem Rotax 503 gelingt den Gunskirchenern

hingegen der Durchbruch. Den kompakten und leich-

ten 34-PS-Zweizylinder, ebenfalls gebläsegekühlt,

passt Rotax auf Initiative der finnischen Eiri Avion,

Hersteller des Segelflugzeugs PIK-20, an die Ver-

wendung als Flugmotor an. „1976 ist Eiri Avion an

uns herangetreten mit der Bitte, für den neuen Klapp-

triebwerk-Motorsegler PIK-20E einen geeigneten

Antrieb zu entwickeln. Daraufhin haben wir den Typ

503 entsprechend modifiziert“, erinnert sich der dama-

lige Projektplaner Dietrich Weiß. Der Rotax 503, in seiner

Endausbaustufe mit 52 PS, und der auf seiner Basis wei-

terentwickelte Rotax 582, der bereits flüssigkeitsgekühlt ist

und 65 PS bietet, treiben vor allem bis weit in die 90er Jah-

Der Rotax 503 bringt den

Gunskirchenern Mitte der 70er Jahre den

Durchbruch im UL-Motoren-Markt. Der luftgekühlte

-Zweitakte-Zweizylinder erreicht hohe Stückzahlen.

In den 60er Jahren wirken die Werksanlagen in Gunskirchen noch überschaubar. Dennoch liefert Rotax schon

damals tausende Motoren pro Jahr aus. Bombardier wird mit Ski-Doo-Motoren zum wichtigsten Exportkunden.

Die damalige Mobilitätswelle beschert Rotax ein schnelles Wachstum. Mit ihr werden auch weitere neue Geschäftsbereiche für Freizeit-

anwendungen erschlossen. Der Gedanke an den Einsatz von Rotax-Motoren in ultraleichten Flugzeugen liegt jedoch noch fern.

In der 50er und 60er Jahren liegt der Schwerpunkt auf der Produktion

von Motoren für Landmaschinen und Zweiräder.

Dass Rotax damals den Einstieg in den Flugmotorenbereich wagt,

ist sicher Karl Bablich zu verdanken. Der damalige Leiter der

Motorenreparatur, selbst begeisterter Pilot, ist eine trei-

bende Kraft, als es darum geht, Rotax-Motoren an

die Betriebsbedingungen in Flugzeugen anzu-

passen. Die Kriterien sind bereits klar: hohe

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re etliche ULs an. Den Typ 582 fertigt Rotax noch bis heute. Über

30 000 Exemplare wurden bereits ausgeliefert.

Ab den 90er Jahren werden die Ultraleichtflugzeuge immer kom-

plexer. Die „fliegenden Gartenstühle“ der Anfangszeit treten mehr

und mehr in den Hintergrund. Die ersten ultraleichten Kabinenflug-

zeuge kommen auf den Markt. Schneller, weiter, schwerer wird zu-

nehmend zur Devise. Die Regeln für Ultraleichtflugzeuge, zumindest

in Europa, werden mit den leistungsfähigeren und aerodynamisch

immer hochwertigeren Flugzeugen stringenter. Mit den Flugzeugen

wachsen auch die Ansprüche an deren Antriebe. Der Markt verlangt

Die aktuelle Rotax­ Motorenfamilie

Rotax 915 iS (Turbolader)Startleistung: 141 PS/104 kW bei 5800 U/minmax. Dauerleistung: 135 PS/99 kW bei 5500 U/minHubraum: 1352 cm3 max. Drehmoment: 174 NmTBO: 1200 Std. Zulassung: ASTM-konform, JAR-22

Rotax 912 iS SportStartleistung: 100 PS/73,5 kW bei 5800 U/minmax. Dauerleistung: 98 PS/72 kW bei 5500 U/min Hubraum: 1352 cm3 max. Drehmoment: 132 NmTBO: 2000 Std. Zulassung: ASTM-konform

Rotax 912 ULSStartleistung: 100 PS/73,5 kW bei 5800 U/minmax. Dauerleistung: 95 PS/69 kW bei 5500 U/minHubraum: 1352 cm3, max. Drehmoment: 128 Nm TBO: 2000 Std. Zulassung: ASTM-konform, FAR 33

Rotax 582Start- und max. Dauerleistung: 65 PS/48 kW bei 6500 U/min Hubraum: 580 cm3 max. Drehmoment: 75 Nm TBO: 300 Std.Zulassung: ASTM-konform

Rotax 912 ULStartleistung: 80 PS/59,6 kW bei 5800 U/minmax. Dauerleistung: 79 PS/58 kW bei 5500 U/minHubraum: 1211 cm3 max. Drehmoment: 103 NmTBO: 2000 Std. Zulassung: ASTM-konform, JAR-22, FAR 33

Rotax 914 (Turbolader)Startleistung: 115 PS/84,5 kW bei 5800 U/min max. Dauerleistung: 100 PS/73,5 kW bei 5500 U/min Hubraum: 1211 cm3 max. Drehmoment: 144 Nm TBO: 2000 Std.Zulassung: ASTM-konform, FAR 33, JAR-E

anstelle der einfachen Zweitakter nach zuverlässigeren Viertakt-

motoren. Rotax antwortet mit dem 912er. Seit 1984 schon haben

die Gunskirchener Ingenieure an dem neuen Vierzylinder gearbeitet,

der für Rotax der Nukleus einer neuen Motorenära werden soll. Mit

unten liegenden Nockenwellen, Trockensumpfschmierung, flüssig-

keitsgekühlten Zylinderköpfen auf luftgekühlten Zylindern, auto-

matischem Ventilspielausgleich und kontaktloser Magnet-Doppel-

zündung spielt der neue Boxermotor in einer ganz anderen Liga als

die bisherigen Flugmotoren des Herstellers. Im Jahr 1991 erhalten

die ersten Kunden den 80 PS starken Rotax 912. Von Anfang an ist

der 912 ein Bestseller, entwickelt sich

praktisch zum Standardantrieb im

Bereich der leichten Luftfahrt.

Die aktuelle Viertaktmotoren-

Familie umfasst heute fünf Grund-

muster mit Leistungen von 80 bis 141

PS, die in verschiedenen Zulassungs-

varianten zu haben sind (siehe Kas-

ten). Den Ur-912er rüstete Rotax

zunächst mit einem Turbolader auf

und machte ihn so zum 115 PS star-

ken Typ 914. Etwas mehr Hubraum

ließ den 912 zum 912 S mit 100 PS

erstarken. Einen großen Sprung in

Sachen Kraftstoffeffizienz macht der

912 iS Sport, der mit seinem hoch-

entwickelten vollelektronischen Zünd-

und Einspritzsystem gut 20 Prozent

Heute zählt Rotax in Gunskirchen 1500 Mit-

arbeiter, weitere 1000 in einem Werk in Mexiko.

Höhenleistungen unter ISA-Bedingungen

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weniger Treibstoff als ein 912 S verbraucht. Unbestrittenes Flaggschiff

ist seit 2015 der Rotax 915 iS als jüngstes Mitglied der Motoren -

familie. Mit seinem Turbolader, Intercooler und dem fortschrittlichen

Motormanagement markiert er gegenwärtig die Spitze in der Rotax-

Motorenentwicklung. Er bietet das beste Verhältnis von Leistung zu

Gewicht aller Flugmotoren und bringt seine volle Leistung von 141 PS ae

bis zu 15 000 Fuß Höhe. Nicht ohne Grund sind der 912 iS und der

915 iS laut Rotax die meistverkauften Flugmotoren für High-Performance-

Zweisitzer, Gyrocopter, Amphibienflugzeuge, Viersitzer und Zweimots.

Etwas geheimnisumwittert ist bis heute der Rotax 936 aus dem

Jahr 2000. Der 305 PS starke Sechszylinder bleibt wohl ein Prototyp.

Warum er nicht weiterverfolgt wurde, bleibt offen. Die Technik dürfte

man im Griff gehabt haben. Waren marktpolitische Gründe ausschlag-

gebend dafür, nicht weiter in Richtung eines Antriebes für High-

Performance-Flugzeuge vorzudringen?

180 000 Flugmotoren seit 1973Seit den 80er Jahren sind die österreichischen Motorenbauer unan-

gefochtener Weltmarktführer bei Ultraleicht-, Leichtflugzeug- und

Motor seglerantrieben. Insgesamt haben seit 1973 über 180 000 Flug -

motoren das Werk in Gunskirchen verlassen. Gegenüber den mehr

als neun Millionen von Rotax gebauten Motoren erscheint der Bereich

Luftfahrt zwar eher klein. Peter Ölsinger, General Manager und Vice

President von BRP-Rotax, betont jedoch gegenüber dem aerokurier:

„Der Bereich Rotax Aircraft ist von wesentlicher Bedeutung für unser

Unternehmen, denn Technologieführerschaft zu erringen und auszu-

bauen liegt in unserer DNA. Mit innovativen Konzepten wie dem Rotax

915 iS sehen wir voller Zuversicht in die Zukunft. Darüber hinaus

wirken sich die hohen Qualitätsanforderungen in der Flugmotoren-

produktion positiv auf unseren gesamten Produktionsbereich aus.“

Welche Pläne verfolgt Rotax denn für die Zukunft? Hierzu bleibt

Ölsinger vage: „Aufbauend auf unserer bestehenden Produktpalette,

zeigen wir eine sinnvolle Entwicklungslinie und erweitern so step-

by-step unser Portfolio. Jedoch geben wir keine Auskünfte über ge -

plante Entwicklungsprojekte.“ Das muss man akzeptieren. Immerhin

verspricht das eine weiterhin spannende Zukunft. Nach 100 Jahren

ist für Rotax noch lange nicht Schluss.

Das Werk von BRP-Rotax heute. Die hier

gebaute Flugmotorenflotte war bislang über

7,5 Millionen Stunden in der Luft.

Peter Ölsinger, General Manager und Vice President

„Technologieführerschaft zu erringen und auszubauen liegt in unserer DNA“

Der Sechszylinder Rotax 936 ist bis

heute geheimnisumwittert. Der 300­PS­

Bolide bleibt wohl ein Prototyp.

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