„Filippo, singen Sie mit mir!“...singt und nur andere Singen hört, vibrieren die Stimmbänder...

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8 kulturspiegel Frau Wiedstruck, Frau Weidenstrauch, welchen Namen hören Sie lieber? International bekannt bin ich unter meinem ursprünglichen Namen Wied- struck, was manchen zweifeln ließ, ob ich überhaupt eine Deutsche sei. Wiedstruck ist norddeutsches Platt und heißt übersetzt Weidenstrauch. Ich denke, dass dieser Name eher zu meinem Projekt Deutsches Lied-e- ater „Lindenbaum“ passt. Frau Weidenstrauch, Sie sind eine be- kannte und gefeierte Opernsängerin, die auf allen namhaſten Bühnen der Welt ge- sungen hat. Wie wohl fühlen Sie sich im Mühlenbecker Land? Je öſter und je weiter ich von Zuhause weg bin, umso stärker spüre ich den Drang zurück nach Hause, zu meinen Wurzeln. Das ist wie ein Gummiband. Je stärker man es dehnt, umso mehr zieht es einen zurück. Ich bin ja eine „Brandenburger Pflanze“. Hier ist meine Heimat, nur hier komme ich wirklich zur Ruhe. Und das Mühlenbecker Land? Das ist für mich eine ideale Verbin- dung zwischen Wald, Wiesen und Wasser und der Nähe zur Hauptstadt. Außerdem treffe ich hier Menschen, die nicht nur un- glaublich tatkräſtig und kreativ sind, son- dern auch von Herzen freundlich, hilfsbe- reit und engagiert. So eine Kombination ist schon etwas Besonderes. Sie haben im Mühlenbecker Land den Kammerchor „Lindenbaum“ gegründet. Erfüllt das Projekt Ihre Erwartungen? Da hat sich für mich ein Traum verwirk- licht. Opern sind ja nur sehr arbeitsteilig zu realisieren, da bin ich als Sängerin ein Teil von vielen anderen. Einen Chor wie den „Lindenbaum“ zu verwirklichen, das ist schon so eine Art Gesamtkunstwerk. Hier kann ich mich um alles selbst kümmern, von der Gestaltung der Homepage über die Proben bis hin zur Konzertplanung. Das empfinde ich als sehr beglückend. Außerdem fällt mein Angebot auf fruchtbaren Boden. Die Menschen hier sind begeistert vom ge- meinsamen Singen und ich fühle mit ihnen. Nachwuchsprobleme hat der „Lindenbaum“ jedenfalls nicht. Sie haben an der Hochschule für Mu- sik „Hanns Eisler“ Gesang studiert und 1988 Ihre Karriere als Opernsängerin be- gonnen. Gab es für Sie eine Alternative, einen konventionellen Beruf? Ich bin ja gelernte Zootechnikerin/Mecha- nisatorin; ich wollte sogar Landwirtschaſt studieren. Aber ich denke, die Liebe zu ei- nem Beruf braucht einen inneren Drang und diese Leidenschaſt empfand ich eher für den Gesang. Meine Eltern haben das verstanden und mich unterstützt. Dafür bin ich Ihnen dankbar. Was bedeutet für Sie eigentlich Ihre Stimme? Ist sie ein Geschenk der Natur, eine Bestimmung, ein hartes Stück Arbeit ...? Ihre Frage ist zugleich meine Antwort. Meine Stimme ist für mich vor allem eine Begabung und ein Auſtrag, diese zu vervoll- kommnen. Hinzu kommt das beglückende Gefühl der Nähe zu den Zuhörern, die Über- einstimmung mit ihnen im Kunsterleben. Das überstrahlt alles. Gibt es noch andere Leidenschaſten für Sie - neben dem Gesang? Neben der Musik? Eigentlich nicht. Ich ar- beite gern handwerklich, gehe mit der Spra- che um, ich schreibe zum Beispiel meine Ge- danken auf. Die bleiben aber privat. Welche Art von Musik hören Sie neben der Klassik? „Filippo, singen Sie mit mir!“ Yvonne Wiedstruck stand auf dem Olymp der Kunst, sang an der Mailänder Scala und in Bayreuth. Jetzt lebt sie in Summt. Wie wohl fühlt sich ein Weltstar im Mühlenbecker Land? kulturspiegel

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Page 1: „Filippo, singen Sie mit mir!“...singt und nur andere Singen hört, vibrieren die Stimmbänder unwillkürlich im Körper mit und verursachen diese positive Wirkung. Wie lautet

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Frau Wiedstruck, Frau Weidenstrauch, welchen Namen hören Sie lieber?

International bekannt bin ich unter meinem ursprünglichen Namen Wied-struck, was manchen zweifeln ließ, ob ich überhaupt eine Deutsche sei. Wiedstruck ist norddeutsches Platt und heißt übersetzt Weidenstrauch. Ich denke, dass dieser Name eher zu meinem Projekt Deutsches Lied-The-ater „Lindenbaum“ passt.

Frau Weidenstrauch, Sie sind eine be-kannte und gefeierte Opernsängerin, die auf allen namhaften Bühnen der Welt ge-sungen hat. Wie wohl fühlen Sie sich im Mühlenbecker Land?

Je öfter und je weiter ich von Zuhause weg bin, umso stärker spüre ich den Drang zurück nach Hause, zu meinen Wurzeln. Das ist wie ein Gummiband. Je stärker man es dehnt, umso mehr zieht es einen zurück. Ich bin ja eine „Brandenburger Pflanze“. Hier ist meine Heimat, nur hier komme ich wirklich zur Ruhe. Und das Mühlenbecker Land? Das ist für mich eine ideale Verbin-dung zwischen Wald, Wiesen und Wasser und der Nähe zur Hauptstadt. Außerdem treffe ich hier Menschen, die nicht nur un-

glaublich tatkräftig und kreativ sind, son-dern auch von Herzen freundlich, hilfsbe-reit und engagiert. So eine Kombination ist schon etwas Besonderes.

Sie haben im Mühlenbecker Land den Kammerchor „Lindenbaum“ gegründet. Erfüllt das Projekt Ihre Erwartungen?

Da hat sich für mich ein Traum verwirk-licht. Opern sind ja nur sehr arbeitsteilig zu realisieren, da bin ich als Sängerin ein Teil von vielen anderen. Einen Chor wie den „Lindenbaum“ zu verwirklichen, das ist schon so eine Art Gesamtkunstwerk. Hier kann ich mich um alles selbst kümmern, von der Gestaltung der Homepage über die Proben bis hin zur Konzertplanung. Das empfinde ich als sehr beglückend. Außerdem fällt mein Angebot auf fruchtbaren Boden. Die Menschen hier sind begeistert vom ge-meinsamen Singen und ich fühle mit ihnen. Nachwuchsprobleme hat der „Lindenbaum“ jedenfalls nicht.

Sie haben an der Hochschule für Mu-sik „Hanns Eisler“ Gesang studiert und 1988 Ihre Karriere als Opernsängerin be-gonnen. Gab es für Sie eine Alternative, einen konventionellen Beruf?

Ich bin ja gelernte Zootechnikerin/Mecha-nisatorin; ich wollte sogar Landwirtschaft studieren. Aber ich denke, die Liebe zu ei-nem Beruf braucht einen inneren Drang und diese Leidenschaft empfand ich eher für den Gesang. Meine Eltern haben das verstanden und mich unterstützt. Dafür bin ich Ihnen dankbar.

Was bedeutet für Sie eigentlich Ihre Stimme? Ist sie ein Geschenk der Natur, eine Bestimmung, ein hartes Stück Arbeit ...?

Ihre Frage ist zugleich meine Antwort. Meine Stimme ist für mich vor allem eine Begabung und ein Auftrag, diese zu vervoll-kommnen. Hinzu kommt das beglückende Gefühl der Nähe zu den Zuhörern, die Über-einstimmung mit ihnen im Kunsterleben. Das überstrahlt alles.

Gibt es noch andere Leidenschaften für Sie - neben dem Gesang?Neben der Musik? Eigentlich nicht. Ich ar-beite gern handwerklich, gehe mit der Spra-che um, ich schreibe zum Beispiel meine Ge-danken auf. Die bleiben aber privat.

Welche Art von Musik hören Sie neben der Klassik?

„Filippo, singen Sie mit mir!“Yvonne Wiedstruck stand auf dem Olymp der Kunst, sang an der Mailänder Scala und in

Bayreuth. Jetzt lebt sie in Summt. Wie wohl fühlt sich ein Weltstar im Mühlenbecker Land?

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Vor allem genieße ich auch einmal die Ruhe. Ansonsten höre ich durchaus Shirley Bassey, Frank Sinatra, sogar Tim Bendzko... Ent-scheidend ist für mich die Authentizität der Musiker, wie sie sich durch ihre Musik und ihren Gesang ausdrücken.

Was halten Sie von Lady Gaga?Lady Gaga ist eine kommerzielle Kunstfigur, die sich fortwährend hinter ihren Masken versteckt. Das interessiert mich nicht.

Wer ist eigentlich Ihr Lieblingskom-ponist und welche ist Ihre Lieblingsoper?

Das kann ich gar nicht sagen. Es ist ein-fach eine Frage der Stimmung, in der ich mich gerade befinde. Ich höre immer die Musik, die ich dann brauche. Das geht mir auch mit meinen eigenen Aufnahmen so.

Die Hirnforschung hat bewiesen: Sin-gen macht glücklich. Sollten die Deut-schen mehr singen?

Das stimmt. Singen erzeugt Glücksge-fühle. Die Stimmbänder nutzen den Körper als Resonanzraum und bringen ihn zum Schwingen. Selbst wenn man selbst gar nicht singt und nur andere Singen hört, vibrieren die Stimmbänder unwillkürlich im Körper mit und verursachen diese positive Wirkung.

Wie lautet ihr Lebensmotto? Nach welcher Philosophie sollte man leben?

Da fallen mir die Begriffe Liebe, Leiden-schaft, Herzblut und Verstand ein. Man lebt nur, wenn man neugierig bleibt. „Genieße den Tag“ wäre vielleicht mein Motto.

Wie viele Freunde haben Sie auf Face-book?

Ich bevorzuge mit meinen Freunden die direkte persönliche Begegnung. Auf Face-book bin ich nicht zu finden, wirklich nicht.

Sie sind Sängerin. Womit befasst sich eigentlich Ihre Tochter?

Meine Tochter geht ihren eigenen Weg, genauso wie ich das selbst getan habe. Sie hat Theater- und Veranstaltungstechnik stu-diert und war im Sommer beruflich mit dem „Guggenheim Lab“ in Berlin befasst. Sie singt auch gern, aber bisher nicht öffentlich.

Gibt es etwas, das Sie den Lesern im Mühlenbecker Land sagen möchten? Oder den politisch Verantwortlichen?

Politik ist nicht mein Metier, so wie der Gesang sicher nicht das Metier der meisten Politiker ist. Meinen Mitbürgern und Mit-bürgerinnen hier im Mühlenbecker Land möchte ich nur sagen, dass ich glücklich bin, hier mit ihnen zu leben. Dem Bürgermeister möchte ich sagen: „Filippo, singen Sie mit mir. Singen verbindet!“

www. yvonnewiedenstruck.de

www.deutsches-lied-theater.de

Interview: Claus Schmidt-EckertzFoto (S. 6): Petra Witte

Stationen eines Künstlerlebens1983Studium an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin1988Erste Gesangspartien am Landestheater Altenburg1989Komische Oper Berlin Don Giovanni, Cardillac1990Engagement an der Komischen Oper durch Harry Kupfer1991Stipendium der Bayreuther Festspiele1992Schwetzinger Festspiele mit Götz FriedrichDeutsche Oper Berlin Der Rosenkavalier1994Bayerische Staatsoper München Der RosenkavalierTeatro Massimo di Palermo Der Rosenkavalier1995Royal Opera Covent Garden Der Rosenkavalier1995Gesangskurse bei Christa LudwigDeutsche Oper Berlin unter Götz Friedrich (Fest-Engagement)Teatro Alla Scala di Milano unter Riccardo Muto Das Rhein-goldSalzburger Festspiele unter Lorin Maazel Elektra1997Aaltotheater Essen Fidelio1998Bayerische Staatsoper MünchenSemperoper Dresden Der Rosenkavalier1999Opera du Rhin Strasbourg Ariadne auf Naxos2000Nationaltheater Praha Der Rosenkavalier2001Deutsche Oper Berlin Intolleranza2002Bayreuther Festspiele Götterdämmerung Die Walküre2003Glyndebourne Festival Tristan und IsoldeBayreuther Festspiele Götterdämmerung Die Walküre2004Bayreuther Festspiele Götterdämmerung Die Walküre2006Deutsche Oper Berlin Le nozze di Figaro Die ZauberflöteTéatre du Capitole Toulouse Die Meistersinger von NürnbergBayerische Staatsoper München Der fliegende Holländer2007Deutsche Oper Berlin Die Walküre Die ZauberflöteGründung Deutsches Lied-Theater „Lindenbaum“2008Bayerische Staatsoper München ElektraMoskauer Chorakademie Gastprofessur „Deutsche Oratorien und Kantaten“2009Konservatorium N. A. Rimski-Korsakow St. Petersburg Gast-professur „Deutsches Lied“

Seit 2008 im Mühlenbecker Land regelmäßige Konzerte mit dem Deutschen Lied-Theater „Lindenbaum“, u. a. im Summ-ter Hofladen.

MagdalenaDie Meistersinger

KomponistAriadne auf Naxos

MarcellinaLe nozze di Figaro

MicaelaCarmen

Donna ElviraDon Giovanni

Liederabend/Konzert