AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ · PDF fileterten Tiere, wie eine Schwächung des Immunsystems und...

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AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ Februar 2016 | Heft 2 Pflanzenbau Fusarien auf Mais: Evaluation der Empfindlichkeit von in der Schweiz angebauten Sorten Seite 64 Pflanzenbau Die Kunst, den Stickstoffdünger für einen optimalen Ertrag und Proteingehalt von Weizen aufzuteilen Seite 80 Lebensmittel Kartoffelverluste in der Schweiz vom Feld bis zum Teller Seite 104 Agroscope | BLW | HAFL | AGRIDEA | ETH Zürich | FiBL

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AGRARFORSCHUNG SCHWEIZ

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Pflanzenbau Fusarien auf Mais: Evaluation der Empfindlichkeit von in der Schweiz

angebauten Sorten Seite 64

Pflanzenbau Die Kunst, den Stickstoffdünger für einen optimalen Ertrag und Proteingehalt

von Weizen aufzuteilen Seite 80

Lebensmittel Kartoffelverluste in der Schweiz vom Feld bis zum Teller Seite 104

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ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös sische Ämter und weitere Fachinteressierte.

HerausgeberinAgroscope

Partnerb Agroscope (Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB;

Institut für Nutztierwissen schaften INT; Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM; Institut für Nachhaltigkeits wissenschaften INH), www.agroscope.ch

b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.chb Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Zollikofen, www.hafl.chb Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,

Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.chb Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, www.fibl.org

Redaktion Leitung und deutsche RedaktionAndrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse,Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 58 466 72 21, Fax +41 58 466 73 00

Französische RedaktionSibylle Willi, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse,Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 57

StellvertretungJudith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse,Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 82

E-Mail: [email protected]

Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Leiter Corporate Communication Agroscope), Evelyne Fasnacht, Erika Meili und Sibylle Willi (Agroscope), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Esther Weiss (AGRIDEA), Brigitte Dorn (ETH Zürich), Thomas Alföldi (FiBL).

AbonnementPreiseZeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online/App: CHF 61.–* * reduzierter Tarif, siehe: www.agrarforschungschweiz.ch

AdresseNicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux E-Mail: [email protected], Fax +41 58 466 73 00

AdressänderungenE-Mail: [email protected], Fax +41 31 325 50 58

Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch

ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz

© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.

Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

Ein Befall mit Fusarien reduziert Quantität und Qualität der Ernte von Körnermais. Zudem stellen die von diesen pathogenen Pilzen produzierten Mykotoxine eine Gefahr für die Gesundheit der ge-fütterten Tiere dar. Agroscope hat eine Methode erarbeitet, mit welcher die Maisproduzenten bei der Sortenwahl das Risiko von Fusarieninfektionen und Mykotoxin-Kontaminationen beschrän-ken können. (Foto: Carole Parodi, Agroscope)

InhaltFebruar 2016 | Heft 2

63 Editorial

Pflanzenbau

64 Fusarien auf Mais: Evaluation der Empfindlichkeit von in der Schweiz angebauten Sorten Stéphanie Schürch

Pflanzenbau

72 Neue Sorten von Westerwoldischem Raigras und Perserklee empfohlen Daniel Suter, Rainer Frick, Hansueli Hirschi und

Philippe Aebi

Pflanzenbau

80 Die Kunst, den Stickstoffdünger für einen optimalen Ertrag und Proteingehalt von Weizen aufzuteilen Lilia Levy Häner und Cécile Brabant

Pflanzenbau

88 Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Aufteilung auf die Backqualität von Weizen Cécile Brabant und Lilia Levy Häner

Pflanzenbau

98 Anwendung der Bekämpfungsschwellen und Warndienste in der Schweiz

Hans Ramseier, Magali Lebrun und Thomas Steinger

Lebensmittel

104 Kartoffelverluste in der Schweiz vom Feld bis zum Teller Christian Willersinn, Gabriele Mack,

Patrik Mouron und Michael Siegrist

112 Interview

114 Aktuell

115 Veranstaltungen

Sortenlisten

Beilagen Liste der empfohlenen Sojasorten für die Ernte 2016 Liste der empfohlenen Maissorten 2016 Liste der empfohlenen Sonnenblumen­sorten 2016

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Editorial

63Agrarforschung Schweiz 7 (2): 63, 2016

Doris Herrmann, Leiterin Ressort Forschung, Dienstleistungen, Weiterbildung, BFH-HAFL

Die Forschung ist zu einem tragenden Pfeiler der BFH­HAFL geworden

Liebe Leserin, lieber Leser

Seit mehr als 15 Jahren gehört die Forschung zum Leistungsauftrag der Berner

Fachhochschule – Hochschule für Agrar­, Forst­ und Lebensmittelwissenschaften

BFH­HAFL. Sie bildet inzwischen, neben dem Grundpfeiler der Lehre, einen zwei­

ten tragenden Pfeiler. Innert weniger Jahre wurden die Stellenprozente in der

Forschung verdoppelt. Zurzeit schreiben zehn Doktorierende ihre Dissertation an

der BFH­HAFL. Und: Immer mehr Masterabsolvierende unserer Fachhochschule

arbeiten in den Forschungsprojekten mit.

Die BFH­HAFL hat die Forschung jedoch nicht nur kontinuierlich ausgebaut,

sondern auch thematisch breiter abgestützt. So wurde etwa 2015 das BFH­Zent­

rum Nahrungsmittelsysteme lanciert und damit die Forschung über die ganze

Wertschöpfungskette abgedeckt und weiter akzentuiert. In Zusammenarbeit mit

einem zweiten Departement der BFH wurde zudem der Bereich Ernährung in das

BFH­Zentrum integriert. Auch transversale Themen, wie die ländliche Soziologie,

sind Bestandteil dieser Forschungsplattform und werden bewusst gefördert und

ausgebaut.

Ein weiteres Novum: In knapp vier Jahren etablierte sich eine BFH­HAFL­For­

schungsgruppe in Energietechnik. Sie ist unter anderem Teil des SCCER BIOSWEET,

eines von acht Swiss Competence Centers for Energy Research, und leitet eines

der Kooperationsprojekte im Nationalen Forschungsprogramm «Energiewende»

(NFP70).

Oder der Bereich Konsumentenverhalten, in dem die BFH­HAFL seit einigen

Jahren aktiv forscht: Hier untersucht eine Doktorandin beispielsweise im Rahmen

des NFP69 «Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion»

zusammen mit der Universität Bern, wie die Umgebungsgestaltung ein gesünde­

res Essverhalten fördern kann.

Diese Forschungsgruppen zeigen exemplarisch zwei Aspekte auf, welche die

Forschung an der BFH­HAFL charakterisieren: Einerseits ist dies der Bogen, der die

anwendungsorientierte Grundlagenforschung mit der Praxis verbindet. Dabei ist

es Herausforderung und Ziel zugleich, dass die Resultate der Wissenschaft tat­

sächlich und konkret Eingang in die Praxis finden. Andererseits sind es die zahl­

reichen Partner aus den verschiedenen Netzwerken. Dank den erweiterten

Kooperationen mit universitären Hochschulen kann die BFH­HAFL hierbei oft

eine Brückenfunktion einnehmen.

Das zentrale Element und die Stärke sind und bleiben aber die Vernetzung

mit der Praxis – von der Privatwirtschaft, nationalen und internationalen Verbän­

den sowie Non­Profit­Organisationen bis hin zur öffentlichen Verwaltung.

Die Herausforderungen der Land­ und Lebensmittelwirtschaft nehmen zu.

Neben ihrer Rolle als tertiäre Ausbildungsstätte ist die BFH­HAFL in den vergan­

genen Jahren zu einer wichtigen Forschungsinstitution gereift, die hier zu Lösun­

gen beiträgt. Obwohl oder vielleicht gerade weil sie eine noch eher junge Akteu­

rin in der Agrar­, Lebensmittel­ und Waldforschung ist.

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64 Agrarforschung Schweiz 7 (2): 64–71, 2016

Fusarien auf Mais: Evaluation der Empfindlichkeit von in der Schweiz angebauten SortenStéphanie Schürch, Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 1260 Nyon, Schweiz

Auskünfte: Stéphanie Schürch, E-Mail: [email protected]

P f l a n z e n b a u

Mit Fusarium graminearum befallene Maiskolben: Bonitur der Symp-tome im Rahmen der Studie zur Empfindlichkeit der Maissorten. (Foto: Carole Parodi)

Die Befallsintensität und das Ausmass der Mykotoxin­

kontamination werden von verschiedenen Faktoren

beeinflusst, die mit Hilfe eines Krankheitsdreiecks darge­

stellt werden können (Abb. 1). Die klimatischen Bedin­

gungen von der Blüte bis zur Ernte spielen eine entschei­

dende Rolle. Der bedeutende Einfluss des Klimas wird

bestätigt durch die jährlichen Schwankungen der Myko­

toxinkontaminationen, wie sie bei den oben genannten

Untersuchungen von swissgranum und Agroscope fest­

gestellt werden. Gemäss einer umfassenden Studie des

pflanzenbaulichen Instituts Arvalis erhöht eine späte

Ernte das Risiko von Kontaminationen (Druesne 2006).

Ein Befall mit dem Maiszünsler begünstigt durch die Ver­

letzung von Pflanzengewebe Pilzinfektionen.

Die Kolbenfäule wird nicht durch eine einzige Pilzart

verursacht, sondern durch eine breite Vielfalt von Arten

(Dorn et al. 2009). Ein in der Schweiz während vier Jah­

ren aufgenommenes Inventar ergab die Beteiligung

von mindestens 16 Fusarium­Arten an Infektionen von

Körnermais. Fusarium graminearum und F. verticillioides

sind dabei am häufigsten anzutreffen. Die verschiede­

nen Fusarien­Arten produzieren ein unterschiedliches

Spektrum an Toxinen. So stellt F. graminearum haupt­

sächlich Deoxynivalenol (DON) und Zearalenon (ZEA)

her, während F. verticillioides Fumonisine (FUM) synthe­

tisiert. Der Befallsdruck wird auch durch die Menge von

Infektionsquellen auf der Parzelle selbst oder in deren

Umgebung bestimmt. Die Erreger überleben auf Mais­

stroh, das je nach Zerkleinerungsgrad, Bodenbearbei­

tung und Häufigkeit von Mais und Weizen in der Frucht­

folge langsamer oder schneller zersetzt wird. Die

Stämme von F. graminearum können Weizen oder Mais

gleichermassen infizieren.

Der dritte Akteur des Dreiecks ist die Wirtspflanze. Ihre

genetischen Voraussetzungen beeinflussen die Resistenz

gegenüber Angriffen der Erreger. Die Resistenz gegen­

über F. graminearum und F. verticillioides wird quantita­

tiv vererbt (z.B. Martin et al. 2012) und die verschiedenen

zu diesem Thema durchgeführten Arbeiten zeigen, dass

diese Resistenz ein interessanter Ansatzpunkt bei der

Krankheitsbekämpfung ist (Mesterhazy et al. 2012). Die

Züchter achten sorgfältig auf diese Merkmale und testen

ihre Linien und Hybriden entweder in Umgebungen,

E i n l e i t u n g

Bei Mais verursachen mehrere Pilzarten der Gattung

Fusarium die Kolbenfäule. Diese Krankheit führt zu

quantitativen und qualitativen Einbussen bei der Ernte

von Körnermais. Wenn die infizierten Körner klein und

leicht sind, gehen sie beim Dreschen verloren, was Ernte­

einbussen zur Folge hat. Wenn infizierte Körner genü­

gend gross für die Ernte sind, kontaminieren die von

Fusarium sp. produzierten Toxine die Ernte und verursa­

chen einen Qualitätsverlust. Diese Toxine haben schwer­

wiegende gesundheitliche Auswirkungen auf die gefüt­

terten Tiere, wie eine Schwächung des Immunsystems

und eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit. Wie stark

diese Wirkungen ausfallen, hängt von der aufgenomme­

nen Toxindosis und der Art des Verdauungssystems ab.

Im Rahmen der von swissgranum und Agroscope durch­

geführten Analysen werden immer wieder Stichproben

aufgedeckt, die einen so hohen Gehalt an Mykotoxinen

aufweisen, dass eine Verfütterung an Schweine (die

empfindlichste Tierart) nicht ohne Risiken möglich ist.

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Fusarien auf Mais: Evaluation der Empfindlichkeit von in der Schweiz angebauten Sorten | Pflanzenbau

65Agrarforschung Schweiz 7 (2): 64–71, 2016

Ein Befall mit Fusarien reduziert Quantität und

Qualität der Ernte von Körnermais. Die von

diesen pathogenen Pilzen produzierten Mykoto-

xine stellen eine Gefahr für die Gesundheit der

gefütterten Tiere dar. Die Resistenz der ange-

bauten Sorte gegenüber Fusarien ist ein wichti-

ger Faktor im Hinblick auf die Befallsstärke und

den Gehalt an Toxinen und damit auch für eine

mögliche Bekämpfungsstrategie. Im Rahmen der

hier vorgestellten Arbeiten sollte eine Methode

etabliert werden, mit der diese Resistenz

evaluiert und die anschliessend zum Prüfen der

in der Schweiz angebauten Hybridsorten von

Körnermais verwendet werden kann. Durch

künstliche Inokulation der Kolben zum Zeitpunkt

der Blüte während mindestens drei Versuchsjah-

ren konnten die Sorten nach hoher, mittlerer

und geringer Empfindlichkeit eingeteilt werden.

Mit dieser Einteilung steht den Maisproduzenten

durch die Sortenwahl ein Werkzeug zur Verfü-

gung, mit dem sich das Risiko von Fusarieninfek-

tionen und Mykotoxin-Kontaminationen

beschränken lässt.

Abb. 1 | Zahlreiche Faktoren können den Befall mit der Kolbenfäule sowie den Mykotoxingehalt von Mais beeinflussen.

welche Infektionen begünstigen, oder durch künstliche

Inokulationen. Die Hybride können bezüglich ihrer Emp­

findlichkeit beträchtliche Unterschiede aufweisen und es

wäre empfehlenswert, die resistentesten Hybriden für

die kommerzielle Produktion zu verwenden, um das

Risiko eines Fusarienbefalls und von Mykotoxinkontami­

nationen zu beschränken.

In der Schweiz werden die vom Branchenverband für

die Produktion von Körnermais empfohlenen Sorten

eingehend hinsichtlich verschiedener Kriterien geprüft,

darunter Ertrag, Frühreife, Qualität und Resistenz

gegenüber bestimmten Krankheiten (Hiltbrunner et al.

2015). Bisher war die Kolbenfäule jedoch nicht Gegen­

stand dieser Prüfung. Das Ziel der vorliegenden Arbeit

war es, eine Methode für die künstliche Inokulation zu

etablieren, mit der die Resistenz der in der Schweiz ver­

triebenen Sorten gegenüber der Kolbenfäule reprodu­

zierbar und zuverlässig getestet werden kann.

Natürliche Infektionen sind meistens zu schwach und

zu heterogen (besonders hinsichtlich der beteiligten

Fusarien­Arten), um die Sortenempfindlichkeit effizient

zu prüfen. Es gibt verschiedene Methoden, mit denen

ein Erreger mit seinem Wirt in Kontakt gebracht werden

kann. In dieser Studie wurden zu Beginn zwei verschie­

dene Inokulationsmethoden eingesetzt. Bei der ersten

Methode wird eine Sporensuspension in den Seidenka­

nal der blühenden Kolben injiziert. Sie imitiert die natür­

liche Infektion über die Seiden. Bei der zweiten Methode

werden einige Körner im Zentrum des Kolbens mit einer

zuvor in eine Sporensuspension getauchten metallischen

Spitze verletzt. Sie imitiert auf diese Weise die Verlet­

zung der Körner durch bohrende Insekten wie beispiels­

weise den Maiszünsler. In einem ersten Schritt wurden

die Reproduzierbarkeit der Methode (jährliche Schwan­

kungen) und die Beziehung zwischen sichtbaren Symp­

tomen und dem Mykotoxingehalt untersucht. Im nächs­

ten Schritt wurden die Sorten geprüft, die sich auf der

Liste der empfohlenen Sorten befinden oder in diese

aufgenommen werden sollen.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Erregerstämme und Zubereitung der Inokulum-Sus-

pension

Für die Inokulationen wurden zwölf Einzelsporen­

Stämme von F. graminearum und sechs Stämme von F.

verticillioides ausgewählt, die aus Schweizer Mais isoliert

wurden (Tab. 1). Die Stämme wurden anhand ihrer

Organe zur Sporenbildung identifiziert. Die Zugehörig­

keit zur Art graminearum wurde durch die morphologi­

sche Untersuchung der Makrokonidien bestätigt, die

von Sporodochien stammen, welche auf SNA­Medium

Zusa

mm

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Inoculum(Ernterückstände)

Frucht-wechsel

Erreger

Wirt

Sorte Mais-zünsler

Ernte-zeitpunkt

Umwelt

klimatischeBedingungen

FusarioseMykotoxine

Bodenbearbeitung

Fusarium-Art

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Pflanzenbau | Fusarien auf Mais: Evaluation der Empfindlichkeit von in der Schweiz angebauten Sorten

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(Spezieller Nährstoffarmer Agar) mit Filterpapier gebil­

det wurden, sowie durch Sequenzierung eines Frag­

ments des Gens EF­1α (O'Donnell et al. 1998). Die Viru­

lenz jedes Stamms wurde geprüft durch Inokulation in

den Seidenkanal oder in die Körner von im Treibhaus

kultivierten Pflanzen der Sorten Aurélia, Birko, Gol­

denso, LG22.22 und Meribel. Die Stämme wurden bei 4

°C in PDB­Medium (25%ige Potato Dextrose Broth) gela­

gert. Die für die Inokulation erforderlichen Makrokoni­

dien wurden durch Kultivierung der Stämme in flüssi­

gem CMC­Medium (Carboxymethylcellulose) gemäss der

Methode nach Cappellini und Peterson (1965) produ­

ziert. Die Kulturen wurden während rund sieben Tagen

bei 24 °C mit 16 h Licht und 8 h Dunkelheit bei 60–80%

Luftfeuchtigkeit unter Rühren inkubiert. Nach Filtrie­

rung durch zwei Tüll­Schichten und Bestimmung der

Konzentration mit Wegwerf­Zählkammern, wurde eine

Suspension (Mischung der Stämme in identischer Kon­

zentration) in sterilem, destilliertem Wasser mit einer

Endkonzentration von 5 x 105 Sporen/ml zubereitet und

bis zur Verwendung bei 4 °C aufbewahrt.

Wirt

Die ersten Tests wurden bei einer Zusammenstellung

verschiedener häufig angebauter Maissorten durchge­

führt. Auf der Grundlage der festgestellten Empfind­

lichkeiten wurden Kontrollsorten ausgewählt. In die

Tests wurden bereits in die Sortenliste eingetragene

Sorten eingeschlossen, ebenso wie für die Liste vorge­

sehene Sorten, die das erste Testjahr erfolgreich bewäl­

tigt haben. Jede Sorte wurde in zwei Reihen zu 6,7 m

mit vier Wiederholungen angepflanzt und es wurde

derselbe Anbauplan wie bei den Sortenversuchen

angewendet.

Inokulationsverfahren

Für die Seidenkanal­Inokulation (Abb. 2A) wurden 1,5

ml der Sporensuspension fünf bis sieben Tage nach dem

Erscheinen der Seide (Stadium der weiblichen Blüte) mit

Hilfe einer automatischen Spritze oberhalb der Kolben­

spitze in den Seidenkanal injiziert. Die Körner­Inokula­

tion (Abb. 2B) erfolgte zwischen dem wässrigen und

dem Beginn des milchigen Stadiums 10 bis 15 Tage nach

Erscheinen der Seide. Die inokulierten Pflanzen wurden

mit einem roten Plastikband gekennzeichnet. Genau in

diesen bestimmten Entwicklungsstadien sind die Unter­

schiede der Empfindlichkeit zwischen den Hybriden am

deutlichsten ausgeprägt. Bei der Reife wurden die

Lieschblätter von den Kolben entfernt und das Ausmass

der Symptome wurde auf einer von Reid et al. (1996)

entwickelten Skala von 1 (keine Symptome) bis 7 (76–

100% der Kolbenoberfläche betroffen) beurteilt.

Tab. 1 | Für die künstlichen Inokulationen verwendete Stämme von Fusarium sp.

Nr. Art Mykothek-Nr.1 Isolat-Nr. Wirt Jahr Herkunft

1 F. graminearum 1145 127.4 Weizen 1992 Ependes VD

2 F. graminearum 1146 127.5 Weizen 1992 Ependes VD

3 F. graminearum 1147 128.1 Weizen 1992 Ependes VD

4 F. graminearum 1148 128.2 Weizen 1992 Ependes VD

5 F. graminearum 1149 129.4 Weizen 1992 Ependes VD

6 F. graminearum 1150 129.5 Weizen 1992 Ependes VD

7 F. graminearum 1151 71b3 Mais 2005 Baden AG

8 F. graminearum 1152 71b4 Mais 2005 Baden AG

9 F. graminearum 1153 82b2 Mais 2005 Baden AG

10 F. graminearum 1154 82b5 Mais 2005 Baden AG

11 F. graminearum 1155 10a2b3 Mais 2005 Baden AG

12 F. graminearum 1156 10a2b4 Mais 2005 Baden AG

13 F. verticillioides 1159 Fv07I1 Mais 2007 Goumoëns VD

14 F. verticillioides 1160 Fv07J3 Mais 2007 Goumoëns VD

15 F. verticillioides 1157 Fv07G3 Mais 2007 Goumoëns VD

16 F. verticillioides 1158 Fv07E1 Mais 2007 Goumoëns VD

17 F. verticillioides verti3 Mais 2006 Goumoëns VD

18 F. verticillioides 1135 verti4 Mais 2006 Goumoëns VD

1Nummer, die dem Stamm in der Datenbank Mycoscope (http://mycoscope.bcis.ch) zugeordnet ist.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 64–71, 2016

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Fusarien auf Mais: Evaluation der Empfindlichkeit von in der Schweiz angebauten Sorten | Pflanzenbau

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Auswertung

Die Unterschiede der Empfindlichkeit nach Sorte wurden

durch Varianzanalysen (ANOVA) untersucht, die mit Hilfe

von XLSTAT 2014 durchgeführt wurden. Die Sorten wur­

den zwischen 2008 und 2014 über mindestens drei Jahre

geprüft. Um die jährlichen Schwankungen auszugleichen,

wurde der durchschnittliche Notenwert jeder Sorte durch

den durchschnittlichen Notenwert der beiden Kont­

rollsorten (Birko und Severo) geteilt. Dieser Indexwert

wurde anschliessend mit der Durchschnittsnote der bei­

den Kontrollen über sieben Jahre multipliziert, woraus

sich wieder eine Note auf einer Skala von 1 bis 7 ergab.

Analysen der Mykotoxine

2006, 2008 und 2009 wurden die Kolben gedroschen und

die Körner mithilfe einer Labormühle (Cyclotec 1093,

Foss, Dänemark) mit einem Sieb von 0,8 mm Maschen­

weite zu Mehl verarbeitet. Der Gehalt an DON und FUM

(nur 2009) des Mehls wurde mit einem Enzymimmunoes­

say (RIDASCREEN® FAST, R­Biopharm, Deutschland)

gemäss den Angaben des Herstellers festgestellt. Der

DON­ beziehungsweise ZEA­Gehalt wurde für rund 80

Stichproben des Versuchs 2006 nach Extraktion der

Toxine mit einer Lösungsmittelmischung (Acetonitril /

H2O, 84/16 v/v) durch HPLC (Gynkotek UVD 340S, Dionex,

Schweiz) gemessen.

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Befallsstärke der Kolbenfäule

Nach der Seidenkanal­Inokulation mit F. graminearum

war die Befallsstärke der Kolbenfäule signifikant unter­

schiedlich zwischen den 15 Sorten, die während den Jah­

ren 2008 bis 2010 getestet wurden (F14, 2093 = 56,1; p <

0,0001; Abb. 3). Bei der Körner­Inokulation mit demsel­

ben Erreger war die Befallsstärke höher (Abb. 4) und

auch hier spielte die Sorte eine signifikante Rolle (F14, 1673

= 46,7; p < 0,0001). Mit derselben Inokulationsmethode

ergaben sich dagegen bei der Verwendung des Erregers

F. verticillioides insgesamt weniger stark ausgeprägte

Symptome (Abb. 5). Die Unterschiede zwischen den Sor­

ten waren geringer aber immer noch signifikant (F14, 1597

= 19,4; p < 0,0001). F. verticillioides gilt allgemein als

weniger aggressiver Erreger verglichen mit F. graminea-

rum (z.B. Reid et al. 2002). Insgesamt zeigen diese Ergeb­

nisse, dass sich die in der Schweiz angebauten Sorten

hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit gegenüber der Kol­

benfäule deutlich unterscheiden. Der Faktor «Sorte»

erklärt einen grossen Teil der beobachteten Variabilität,

aber auch die Unterschiede von Jahr zu Jahr waren signi­

fikant. Dies deutet darauf hin, dass trotz der hinsichtlich

Datum, Menge und Fusarium­Art genau festgelegten

Inokulationen die klimatischen Bedingungen eine

Abb. 2 | Inokulation der Maiskolben durch Injektion einer Sporensuspension in den Seidenkanal (A) oder durch Einstechen der Körner mit zuvor in die Sporensuspension getauchten metallischen Spitzen (B). (Foto: Fabio Mascher, Agroscope)

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 64–71, 2016

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2008 2009 2010

2008 2009 2010

2008 2009 2010

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Sorte

2008 2009 2010

2008 2009 2010

2008 2009 2010

Abb. 3 | Befallsstärke der Kolbenfäule bei 15 Sorten von Körnermais nach Seidenkanal-Inokulation mit F. graminearum in den Jahren 2008, 2009 und 2010 (Durchschnitt und Standardfehler; zwischen den unter derselben horizontalen Linie stehenden Durchschnitten bestehen keine signifikanten Unterschiede).

Abb. 4 | Befallsstärke der Kolbenfäule bei 15 Sorten von Körnermais nach Körner-Inokulation mit F. graminearum in den Jahren 2008, 2009 und 2010 (Durchschnitt und Standardfehler; zwischen den un-ter derselben horizontalen Linie stehenden Durchschnitten bestehen keine signifikanten Unterschiede).

Abb. 5 | Befallsstärke der Kolbenfäule bei 15 Sorten von Körnermais nach Körner-Inokulation mit F. verticillioides in den Jahren 2008, 2009 und 2010 (Durchschnitt und Standardfehler; zwischen den unter derselben horizontalen Linie stehenden Durchschnitten bestehen keine signifikanten Unterschiede).

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 64–71, 2016

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Fusarien auf Mais: Evaluation der Empfindlichkeit von in der Schweiz angebauten Sorten | Pflanzenbau

69

bedeutende Rolle für die Entwicklung des Erregers und

für die Sortenresistenz spielen. Aus diesem Grund muss

für eine reproduzierbare Evaluation der Empfindlichkeit

einer Sorte eine Prüfung während mindestens drei Jah­

ren erfolgen.

Mykotoxine

Der nach den Inokulationen gemessene Gehalt an

Mykotoxinen war im Vergleich zu den Mykotoxinkon­

zentrationen nach natürlichen Infektionen sehr hoch.

Die DON­Konzentrationen korrelierten eng mit dem

Fusarienbefall (Körner­Inokulation: 2006: R² = 0,54;

2008: R² = 0,85; 2009: R² = 0,77; Seidenkanal­Inokula­

tion: 2006: R² = 0,81; 2008: R² = 0,78; 2009: R² = 0,70;

Abb. 6). Bei den mit F. verticillioides infizierten Kolben

korrelierte der FUM­Gehalt weniger gut mit der Befalls­

stärke (2009: R² = 0,3), wahrscheinlich auch, weil die

Bandbreite der Symptome enger war als bei den ande­

ren Verfahren. Bei den Inokulationen mit F. graminea-

rum ergab sich eine signifikante Korrelation zwischen

dem DON­ und dem ZEA­Gehalt (Abb. 7). Die festge­

stellten engen Korrelationen haben gezeigt, dass die

Evaluation der Sortenempfindlichkeit auf der Grund­

lage der an den Kolben sichtbaren Symptome erfolgen

kann und keine systematischen Analysen der Mykoto­

xine erforderlich sind.

Inokulationsmethoden und Evaluationsstrategie

Einige Sorten haben bei der Inokulation mit F. graminearum

je nach verwendeter Methode stark unterschiedlich

reagiert, was auf verschiedene Resistenztypen hindeuten

könnte. Bei einer Methode werden die Sporen nur mit den

Narbenfäden in Kontakt gebracht (Seidenkanal­Inokula­

tion). Diese Methode ermöglicht es, die Resistenz zu Beginn

einer Infektion zu untersuchen. Bei der anderen Methode

(Körner­Methode) wird das Gewebe vorgängig verletzt,

was eher Rückschlüsse auf die Ausbreitung einer Infektion

zulässt. Aufgrund dieser Beobachtungen und da nördlich

der Alpen Fusarien­Infektionen der Kolben nach Maiszüns­

ler­Befall dank der biologischen Schädlingsbekämpfung

mit Schlupfwespen relativ selten sind, wurde entschieden,

für diese Regionen vorgesehene Sorten nur mit Hilfe von

Seidenkanal­Inokulationen zu prüfen. Für den Anbau süd­

lich der Alpen angepasste Sorten wurden zusätzlich durch

Körner­Inokulation mit F. verticillioides getestet, da diese

Erreger in dieser Region ebenso wie ein Maiszünsler­Befall

häufiger sind. Bei den nach 2010 erhaltenen Ergebnissen

liessen sich bei diesen Sorten keine Unterschiede der Emp­

findlichkeit gegenüber F. verticillioides feststellen. Deshalb

wurde auf diese Tests vorläufig verzichtet.

Abb. 6 | Korrelation zwischen der Ausprägung der Symptome der Kolbenfäule (Note) und dem DON-Gehalt der Maiskolben bei 17 Sorten von Körnermais nach Seidenkanal-Inokulation (A) und Körner-Inokulation (B) im Jahr 2008.

Abb. 7 | Korrelation zwischen dem ZEA-Gehalt und dem DON-Gehalt von 80 Mehlstichproben aus in 2006 künstlich mit Fusarium graminearum inokulierten Maiskolben.

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1 2 3 4 5 6

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Fusarienbefall

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ppm

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0 50 100 150 200 250 300

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Geh

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ppm

)

DON-Gehalt (ppm)

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 64–71, 2016

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Pflanzenbau | Fusarien auf Mais: Evaluation der Empfindlichkeit von in der Schweiz angebauten Sorten

70

in die Testphase. Schlussendlich stehen für 36 Sorten die

Daten über drei Jahre zur Verfügung. Die Prüfung der

anderen Sorten wurde abgebrochen, entweder weil sie

nicht in die Sortenliste aufgenommen oder weil sie in

der Zwischenzeit vom Markt zurückgezogen wurden.

Mit der vorliegenden Studie konnte nun aber eine

zuverlässige Methode zur Prüfung der Empfindlichkeit

gegenüber einem Fusarien­Befall bereitgestellt und

gezeigt werden, dass diese sortenspezifische Empfind­

lichkeit innerhalb der in der Schweiz angebauten Sorten

variiert. Die Wahl der Sorte ist deshalb für die Maispro­

duzenten ein möglicher Ansatzpunkt, um das Risiko von

Fusarieninfektionen und Mykotoxin­Kontaminationen

zu beschränken. Da auch einer möglichst frühen Ernte

eine wichtige Bedeutung zukommt, sollte die gewählte

Sorte zu einer ans Anbaugebiet angepassten Reife­

gruppe gehören. n

Für die Seidenkanal­Inokulation mit F. graminearum wur­

den die Sorten Severo und Birko als sehr empfindliche

beziehungsweise wenig empfindliche Kontrolle verwen­

det. Bis 2014 wurde die Empfindlichkeit von 36 Sorten

geprüft (Abb. 8). Es lassen sich drei Gruppen unterschei­

den: eine Gruppe sehr empfindlicher Sorten mit einer

durchschnittlichen Bewertung um 4 (10–25% der Ober­

fläche des Kolbens betroffen), eine mittlere Gruppe und

eine Gruppe wenig empfindlicher Sorten mit einer Bewer­

tung um 2 (1–3% der Oberfläche betroffen). Mit einer

leichten Tendenz sind frühe Sorten empfindlicher.

Um den Zusammenhang zwischen der beobachte­

ten Empfindlichkeit nach den Inokulationen und der

Empfindlichkeit im Feld gegenüber natürlichen Infekti­

onen zu untersuchen, wurden im Rahmen der Sorten­

versuche zwischen 2008 und 2014 zahlreiche Bonituren

vorgenommen. Da Häufigkeit und Befallsstärke der

natürlichen Infektionen zu niedrig waren und zu stark

schwankten, konnten die beiden Datensets jedoch

nicht verglichen werden.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Im Vergleich zu Strohgetreide gibt es bei Mais zahlreiche

Sorten, die manchmal nur eine kurze Lebensdauer

haben. Da die Prüfung der Empfindlichkeit von Maissor­

ten gegenüber Fusarien­Befall aufwändig ist und min­

destens drei Jahre in Anspruch nimmt, ist der schnelle

Sortenwechsel eine grosse Herausforderung. So gelang­

ten zwischen 2005 und 2014 nicht weniger als 90 Sorten

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Frühreife:

sehr früh bis früh FAO 170-210 Silage

Alpensüdseite FAO 270-550 mittelspät FAO 230-270

mittelfrüh FAO 210-230

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Sorte

Kontrollen

1

2

3

4

5

sehr empfindlich wenig empfindlich

Abb. 8 | Über 3 Jahre gemittelter Befallsstärke im Vergleich zur den Kontrollen (+/- Standardfehler) von Körnermais-Sorten nach Seidenkanal-Inokulation mit F. graminearum zwischen 2008 und 2014 (Kolben der Achse aus Reid et al. (1996)).

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 64–71, 2016

DankDie Autorin dankt den zahlreichen Personen, die an diesem Projek t mitgewirkt haben. Sie haben mit ihrer vielfältigen Unterstützung entscheidend zum Gelin-gen dieser Forschungsarbeit beigetragen.

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Fusarien auf Mais: Evaluation der Empfindlichkeit von in der Schweiz angebauten Sorten | Pflanzenbau

71

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Literatur ▪ Cappellini R. A. & Peterson J. L., 1965. Macroconidium formation in submer-ged cultures by a non-sporulating strain of Gibberella zeae. Mycologia 57, 962–966.

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▪ Druesne C., 2006. Dossier mycotoxines – Les actions de prévention: limiter le cumul des facteurs de risque au champ. Perspectives agricoles 324, 28–35.

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▪ Reid L. M., Woldemariam T., Zhu X., Stewart D. W. & Schaafsma A. W., 2002. Effect of inoculation time and point of entry on disease severity in Fusarium graminearum, Fusarium verticillioides, or Fusarium subglutinans inoculated maize ears. Canadian Journal of Plant Pathology 24, 162–167.

Fusariosi del mais: valutazione della

sensibilità delle varietà coltivate in

Svizzera

La fusariosi del mais fa diminuire la

quantità e la qualità del raccolto di semi.

Le micotossine prodotte dai patogeni

fungini coinvolti minacciano la salute degli

animali foraggiati. Uno dei fattori che

influenzano la gravità della malattia e il

tenore di tossine, e di conseguenza un

potenziale strumento di lotta, è il livello di

resistenza della varietà coltivata. I lavori

qui presentati mirano a sviluppare una

metodologia che permetta di valutare

questa resistenza e di sfruttarla in seguito

per testare gli ibridi di mais da granella

coltivati in Svizzera. Un metodo, messo in

atto tramite inoculazione artificiale delle

spighe al momento della fioritura per

almeno tre anni di sperimentazione, ha

permesso di identificare delle varietà

molto sensibili, poco sensibili e interme-

die. Tale classificazione si rivela uno

strumento utile per i coltivatori di mais al

momento di scegliere la varietà per tenere

sotto controllo il rischio di fusariosi e di

contaminazione da micotossine.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 64–71, 2016

Fusarium infection in maize: evaluating

the susceptibility of varieties cultivated in

Switzerland

Gibberella and fusarium ear rot of maize

reduce grain yield qualitatively and

quantitatively. Mycotoxins produced by

the fungal pathogens that are responsible

of these two diseases are a health threat

for the animals fed with contaminated

maize. One factor affecting disease

severity and mycotoxin content, and

therefore a potential management tool, is

the susceptibility of the cultivated variety.

This study aimed at establishing a meth-

odology to evaluate this resistance level

and then use is to test grain maize hybrids

grown in Switzerland. A method using

artificial inoculation of the ears at female

flowering during at least three experimen-

tal years allowed to identify very suscepti-

ble, less susceptible and intermediate

varieties. This ranking is a tool that maize

growers may use while choosing a variety

to manage the risk of Gibberella ear rot

and of mycotoxin contamination.

Key words: Fusarium, Zea mays, ear rot,

resistance, mycotoxins.

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72 Agrarforschung Schweiz 7 (2): 72–79, 2016

Neue Sorten von Westerwoldischem Raigras und Perserklee empfohlenDaniel Suter1, Rainer Frick², Hansueli Hirschi¹ und Philippe Aebi²

¹Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz

²Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, 1260 Nyon 1, Schweiz

Auskünfte: Daniel Suter, E-Mail: [email protected]

P f l a n z e n b a u

Abb. 1 | Westerwoldisches Raigras und Perserklee. (Zeichnungen: Manuel Jorquera, Zürich. Alle Rechte vorbehalten. Copyright: AGFF, Zürich. Mit freundlicher Genehmigung der AGFF)

dritten Schnitt einen stattlichen Ertrag. Bei einer Saat im

Frühling überdauern die meisten Pflanzen den folgen­

den Winter nicht. Hingegen verschwinden Bestände aus

Sommersaaten erst im Verlaufe des zweiten Jahres.

Dabei spielen auch die Bedingungen während des Win­

ters eine wichtige Rolle. Sowohl scharfer Frost als auch

Schneefäulepilze bei einer lang anhaltenden Schneede­

cke können die Ausdauer weiter verkürzen.

Das rasche Wachstum und die geringe Ausdauer

machen das Westerwoldische Raigras zum idealen Gras

für einjährige Anlagen und für die Zwischenfutternut­

zung. Von Vorteil ist dabei der Anbau im Gemenge mit

Alexandriner­ und Perserklee.

So findet es Verwendung in den Standardmischun­

gen (SM) für Zwischenfutter SM 102, SM 151 und SM 155

(Suter et al. 2012). Ebenso spielt es eine wichtige Rolle in

E i n l e i t u n g

Raschwüchsiges Gras

Das Westerwoldische Raigras (Lolium multiflorum Lam.

var. westerwoldicum Mansh.) ist eine besondere Form

des Italienischen Raigrases. Von diesem unterscheidet es

sich hauptsächlich in seinem Wuchsverhalten. Es entwi­

ckelt sich nach der Saat rascher und schosst bereits im

ersten Aufwuchs. Dieser Pflanzentyp entstand vermut­

lich durch unbewusste Selektion beim stetigen Nachbau

von Italienischem Raigras und stammt aus Westerwolde,

einem Gebiet im Osten der Provinz Groningen in den

Niederlanden.

Das Westerwoldische Raigras verliert seine Lebens­

kraft rascher als das Italienische Raigras. Im äussersten

Falle kann das Ertragsvermögen bereits nach ein bis zwei

Schnitten stark leiden. Viele Sorten liefern aber noch im

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Neue Sorten von Westerwoldischem Raigras und Perserklee empfohlen | Pflanzenbau

73Agrarforschung Schweiz 7 (2): 72–79, 2016

Von 2013 bis 2015 prüfte Agroscope 33 Sorten

des Westerwoldischen Raigrases (Lolium

multiflorum Lam. var. westerwoldicum Mansh.)

und fünf Sorten des Perserklees (Trifolium

resupinatum L.) auf ihre Anbauwürdigkeit.

Bewertet wurden Ertrag, Güte des Bestandes,

Ausdauer, Resistenz gegen Blattkrankheiten,

Trockensubstanzgehalt und Konkurrenzkraft.

Beim Westerwoldischen Raigras kam der Gehalt

an verdaulicher organischer Substanz hinzu.

Folgende Westerwoldische Raigräser erreichten

neu eine Empfehlung: ILVO 135825 glänzte mit

sehr guten Leistungen in Gesamtertrag sowie

Krankheitsresistenz, Bendix wies solide Erträge

und die beste Verdaulichkeit der Versuchsserie

auf, und Prodag überzeugte mit sehr guten

Beständen sowie hohen Erträgen. Die diploide

Sorte Pulse erwies sich als ertragreich bei jedoch

etwas geringerer Verdaulichkeit. Die Neuzüch-

tung Logics, welche die Sorte Bravis 1 ersetzt,

hatte die beste Konkurrenzkraft des Versuches

und sehr gute Bestände. Acht Neuzüchtungen

mit sehr guten Leistungen mussten wegen der

Begrenzung der Anzahl empfohlener Sorten bei

den Ersatzsorten eingeteilt werden. Die bisher

empfohlenen Sorten Imperio, Peleton, Primora

und Melmondo wurden wegen ungenügender

Leistungen aus der Liste gestrichen.

Zwei Sorten des Perserklees werden künftig neu

empfohlen: Gorby, mit den ersten Rängen in

Güte, Jungendentwicklung, Konkurrenzkraft,

Ausdauer und Resistenz gegen Kleeschwärze ,

sowie Rusty, welche die beste Ertragsleistung

vorweisen konnte.

den einjährigen Mischungen SM 106 und SM 108 und in

der zweijährigen Mischung SM 210, in welcher es die

Aufgabe eines raschen Starters erfüllt.

Die Neigung, in jedem Aufwuchs zu schossen, hat

einen Einfluss auf die Futterqualität, weil Verholzungs­

vorgänge im Halm die Verdaulichkeit vermindern. Dieser

Einfluss unterscheidet sich jedoch von Sorte zu Sorte.

Neben der eigentlichen Futterqualität hat zudem der

Trockensubstanzgehalt des Futters eine wesentliche

Bedeutung. Vor allem im Herbstfutter von Sommersaa­

ten ist mit eher geringeren Trockensubstanzgehalten zu

rechnen. Dieser Umstand erschwert beispielsweise das

Anwelken bei der Silagebereitung oder zum Teil auch

die Zusammenstellung der Futterration. Deshalb kommt

dem Trockensubstanzgehalt als Sorteneigenschaft eine

nicht zu unterschätzende Bedeutung zu.

Das Westerwoldische Raigras verlangt eine gute Ver­

sorgung mit Wasser und Nährstoffen, namentlich mit

Stickstoff. Ideal sind gut durchlässige, mittelschwere

Böden. Da Anlagen mit dem Westerwoldischen Raigras

in der Regel von kurzer Dauer sind, können Bestände

mit dieser Grasart auch noch in Lagen von über 700

Metern über Meer gelingen, obwohl milde Lagen in den

Niederungen für Höchsterträge unabdingbar sind.

Perserklee: Gehaltreiches Futter

Der Perserklee stammt aus dem Gebiet zwischen dem

östlichen Mittelmeer und Afghanistan. Obwohl gewisse

Lokalformen als winterhart gelten, zum Beispiel solche

der Hochlagen Afghanistans, überdauert er unter

schweizerischen Anbaubedingungen den Winter in der

Regel nicht. Da der Perserklee anfällig für den Kleekrebs

(Sclerotinia trifoliorum) ist, gilt er als nicht selbstverträg­

lich. Der Kleeschwärze (Cymadothea trifolii) kommt eine

grosse Bedeutung zu. Dieser Pilz bildet für Tiere giftige

Stoffe, weshalb die Resistenz gegen diesen Schaderreger

eine wichtige Sorteneigenschaft ist.

Das Futter des Perserklees ist energie­ und protein­

reich. Der Perserklee weist aber, verglichen mit anderen

raschwüchsigen Kleearten, einen niedrigen Trockensub­

stanzgehalt auf. Deshalb eignet er sich nicht für die Heu­

bereitung, sondern wird als Silage konserviert. Bei Ern­

ten im Herbst wird dieser Umstand noch verstärkt, was

das Konservieren weiter erschwert. Da es jedoch auch

beim Perserklee im Trockensubstanzgehalt Sortenunter­

schiede gibt, finden diese in der Sortenprüfung beson­

dere Beachtung.

Der Perserklee ist wegen seiner raschen Entwicklung

nach der Saat ein idealer Partner in Gemengen für die

einjährige Nutzung, zum Beispiel in der SM 108 oder für

die Verwendung als Zwischenfutter in der SM 106 (Suter

et al. 2012).

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Der Perserklee gedeiht auf vielen Böden, bevorzugt

jedoch nährstoffreiche Bedingungen (Kalium und Phos­

phor) bei neutraler bis basischer Reaktion der Bodenlö­

sung. Als Leguminose ist er fähig, Stickstoff aus der Luft

zu binden, der auch den anderen Pflanzenarten im

Bestand zugute kommt.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Feldversuche an sechs Orten

In den Jahren 2013 bis 2015 prüfte Agroscope 33 Sorten

des Westerwoldischen Raigrases an sechs Orten auf ihre

Anbaueignung unter schweizerischen Bedingungen.

Davon waren zwölf bereits empfohlene Sorten, die der

Versuchsserie als Standard dienten und zugleich erneut

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Pflanzenbau | Neue Sorten von Westerwoldischem Raigras und Perserklee empfohlen

74

auf ihre Anbaueignung überprüft wurden. Beim Perser­

klee bestand die an denselben Orten angelegte Ver­

suchsserie aus lediglich fünf Sorten, davon zwei Stan­

dardsorten zur Wiederprüfung. In Kleinparzellen zu

neun Quadratmetern wurden Reinbestände der zu prü­

fenden Sorten drei­ bis vierfach wiederholt angesät. Die

Versuche wurden sowohl als Frühjahrsanlagen als auch

als Stoppelsaaten im Sommer angelegt. Neben Bestän­

den in Reinsaaten, an welchen die meisten Beobachtun­

gen vorgenommen werden konnten, wurden die

Prüfsorten des Westerwoldischen Raigrases in genau

definierten Gemengen mit Alexandriner­ und Perserklee

und diejenigen des Perserklees mit Westerwoldischem

und Italienischem Raigras angebaut. An diesen Mischbe­

ständen konnte die Konkurrenzkraft der Prüfsorten

abgeschätzt werden.

Während in der Versuchsserie mit Perserklee auf jegli­

che Stickstoffdüngung verzichtet wurde, erhielten die

Reinbestände des Westerwoldischen Raigrases zu jedem

Aufwuchs 50 bis 60 Kilogramm Stickstoff je Hektare in

Form von Ammonsalpeter. In den Mischbeständen wurde

die Stickstoffdüngung jeweils auf die Hälfte reduziert.

Weitere Angaben zu den Versuchsstandorten und zur

Saat können Tabelle 1 entnommen werden.

Eigenschaften im Indexwert zusammengefasst

Alle Messungen sowie die meisten Beobachtungen wur­

den im Saatjahr gemacht. Bei den Stoppelsaaten kamen

noch Bonituren im ersten Aufwuchs des Folgejahres

hinzu. Sämtliche Beobachtungen wurden nach einer

Skala von 1 (Bestnote) bis 9 (schlechteste Note) vorge­

nommen. Das heisst, je geringer die Note ausfällt, desto

besser schneidet die Sorte in der entsprechenden Eigen­

schaft ab. Um eine Sorte zu bewerten, wurde aus den

erhobenen Eigenschaften ein Indexwert berechnet. Fol­

gende an den Reinbeständen gemachten Beobachtun­

gen zählten bei Errechnung des Indexwertes doppelt:

der Ertrag des ersten Schnittes, der Gesamtertrag, die

Güte des Bestandes (Dichte, Üppigkeit und Ebenmässig­

keit) sowie die Ausdauer (Güte am Ende der Prüfperi­

ode). Doppeltes Gewicht erhielt zudem die Resistenz des

Perserklees gegenüber Blattkrankheiten, namentlich der

Kleeschwärze. Die Beobachtungen zur Jugendentwick­

lung, zum Trockensubstanz(TS)­Gehalt und, beim Wes­

terwoldischen Raigras, zur Resistenz gegen Blattkrank­

heiten (hauptsächlich Rostpilze) wurden einfach

gewichtet. Bei diesem kam noch der Gehalt an verdauli­

cher organischer Substanz (VOS) hinzu, der mittels

Nahinfrarot­Spektroskopie (Norris et al. 1976) ermittelt

worden war. Damit die Werte der Erträge sowie des TS­

Gehaltes und der VOS für den Indexwert verwendet wer­

den konnten, mussten diese vor der Verrechnung mit

einem statistischen Verfahren in Noten umgewandelt

werden (Suter et al. 2013).

Bei beiden geprüfte Arten wurde zudem die Konkur­

renzkraft mit einfachem Gewicht im Indexwert berück­

sichtigt. Die Note für die Konkurrenzkraft einer Prüfsorte

wurde aus ihrem Anteil am TS­Ertrag des Gemenges mit

folgender Formel berechnet:

Note = 9 – 0,08 × Ertragsanteil (%)

Lolium multiflorum Lam. var. westerwoldicum Mansh. Trifolium resupinatum L.

Ort, Kanton Höhe (m. ü. M.) Saatdatum Anzahl Wiederholungen Ertragserhebungen Anzahl Wiederholungen Ertragserhebungen

Reinsaat1 Mischungen2 2013 2014 Reinsaat3 Mischungen4 2013 2014

Changins, VD 430 14/08/2013 3 3 1 – 3 3 1 –

21/08/2014 3 3 – 1 3 3 – 1

Reckenholz, ZH 440 04/04/2014 4 3 – 5 4 3 – 5

Rümlang, ZH 450 13/08/2013 4 3 1 – 4 3 1 –

18/08/2014 4 3 – 1 4 3 – 1

Watt, ZH 450 07/04/2014 4 3 – 6 4 4 – 5

Ellighausen, TG 520 14/08/2013 4 3 1 – 4 3 1 –

22/05/2014 – – – – 4 – – 4

20/08/2014 4 3 – 1 4 3 – 1

Goumoëns, VD 630 21/08/2013 3 3 – – 3 3 – –

25/08/2014 3 3 – 1 3 3 – 1

¹Reinsaaten: 250 g / 100 m2 Lolium multiflorum var. westerwoldicum (Sorte Jivet als Standard für die Saatmenge)2Mischungen: 200 g / 100 m² Lolium multiflorum var. westerwoldicum (Sorte Jivet als Standard für die Saatmenge) + 100 g / 100 m² Trifolium alexandrinum, Sorte Tigri + 100 g / 100 m² Trifolium resupinatum, Sorte Lightning³Reinsaaten: 200 g / 100 m² Trifolium resupinatum (Sorte Lightning als Standard für die Saatmenge)4Mischungen: 200 g / 100 m² Trifolium resupinatum (Sorte Lightning als Standard für die Saatmenge) + 100 g / 100 m² Lolium multiflorum var. italicum, Sorte Alces + 100 g / 100 m² Lolium multiflorum var. westerwoldicum, Sorte Primora

Tab. 1 | Orte und Daten der Sortenversuche 2013–2015 mit Lolium multiflorum var. westerwoldicum und Trifolium resupinatum

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 72–79, 2016

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Neue Sorten von Westerwoldischem Raigras und Perserklee empfohlen | Pflanzenbau

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Bereits empfohlene Sorten bilden den Standard

Damit eine neue Sorte in die Liste der empfohlenen Sor­

ten von Futterpflanzen (Suter et al. 2014) aufgenommen

werden kann, muss ihr Indexwert um mindestens 0,20

Punkte unter dem Mittelwert der Indexwerte der bereits

empfohlenen Sorten (Standard) liegen (niedriger Wert =

besser). Eine bis anhin empfohlene Sorte kann ihre Emp­

fehlung verlieren, wenn ihr Indexwert bei ihrer Wieder­

prüfung mehr als 0,20 Punkte über dem Standard liegt

(höherer Wert = schlechter).

Eine Sorte kann zudem nicht empfohlen werden,

wenn sie in einer wichtigen, das heisst doppelt gewich­

teten Eigenschaft den Standard um 1,5 Punkte und mehr

überschreitet (Extinktionswert), ungeachtet dessen, wie

gut ihr Indexwert ausfällt.

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Westerwoldisches Raigras: Neue Sorten überzeugten

Eine grosse Zahl Neuzüchtungen bewies ihr hohes Leis­

tungsniveau (Tab. 2). Allen voran ILVO 135825, die mit

3,68 im Indexwert den Standard um fast eine ganze

Note schlagen konnte. Dazu führte erstens die äusserst

gute Note von 2,5 im Gesamtertrag, die um drei Noten

besser war als der Standard. Besonders erfreulich ist

die zweitbeste Note von ILVO 135825 für die Verdau­

lichkeit (VOS). Mit einer dem Standard entsprechenden

Note für den TS­Gehalt des Futters von 5,6 kann man

von dieser Sorte hohe Erträge von hervorragender

Qualität erwarten. Weiter ist zu erwähnen, dass ILVO

135825 auch in der Resistenz gegen Blattkrankheiten

mit 2,2 um eineinhalb Noten besser abgeschnitten

hatte als der Standard, was den zweiten Rang in dieser

Eigenschaft bedeutete. Die Neuzüchtung Bendix

erzielte mit 3,77 das zweitbeste Gesamtergebnis aller

geprüften Sorten. Ihre Qualitäten konnte sie mit der

viertbesten Ertragsnote (3,5) der besten Konkurrenz­

kraft (Note 3,8), der höchsten Verdaulichkeit (Note 4,0)

und der drittbesten Resistenz gegen Blattkrankheiten

(Note 2,3) beweisen. Weiter fiel sie durch eine rasche

Jugendentwicklung und schöne Bestände auf. Die Neu­

züchtung Prodag überzeugte mit der besten Güte

(Note 2,4) aller geprüften Sorten. Ebenso zeigte sie im

Gesamtertrag mit 3,5 eine um zwei Noten bessere Leis­

tung als der Standard. Hinzu kommen der hohe Ertrag

im ersten Schnitt (Note 3,8), der um 1,5 Punkte besser

ist als der Standard, sowie die gute Note 4,0 für die

Konkurrenzkraft (Standard: Note 4,5). Abgerundet

wird ihr Ergebnis durch Werte in der Jugendentwick­

lung, Ausdauer, Krankheitsresistenz und Verdaulich­

keit, die alle den Standard ausstechen. Die Sorte Pulse,

die einzige diploide Neuzüchtung, welche die für eine

Empfehlung erforderlichen Ergebnisse erzielte, wies

die drittbeste Leistung sowohl im ersten Ertrag (Note

3,6) als auch im Gesamtertrag (Note 3,0) auf. Erwäh­

nenswert ist im weiteren ihre gute Resistenz gegen

Blattkrankheiten mit einer Note von 2,7. Von allen Sor­

ten, welche die agronomischen Anforderungen für

eine Empfehlung erfüllen, wies Pulse die höchsten TS­

Gehalte auf, vermutlich eine Folge des höheren Zell­

wandanteils, der für diploide Pflanzen typisch ist. Die­

ser zeigte sich auch in einer eher unterdurchschnittlichen

Verdaulichkeit (Note 6,0). Die Neuzüchtung Logics

erreichte mit einer Note von 2,2 die zweitbeste Güte

des gesamten Versuches. Ihr hoher Gesamtertrag (Note

3,0) und die beste Konkurrenzkraft mit einer Note von

3,8 (Standard: Note 4,5) sowie die äusserst gute Aus­

dauer (Note 3,9) trugen neben einer guten Resistenz

Abb. 3 | Sortenprüfung mit Perserklee: Lücken und Verunkrautung weisen auf Unterschiede in der Jugendentwicklung hin.(Foto: Daniel Suter, Agroscope)

Abb. 2 | Versuch mit Westerwoldischem Raigras 51 Tage nach der Saat: Nicht alle Sorten entwickelten sich gleich rasch.(Foto: Daniel Suter, Agroscope)

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Pflanzenbau | Neue Sorten von Westerwoldischem Raigras und Perserklee empfohlen

76

gegen Blattkrankheiten wesentlich zum guten Index­

wert von 3,89 bei.

Weitere acht Neuzüchtungen haben Leistungen

erzielt, die allesamt eine Empfehlung ermöglichen wür­

den (Tab. 3). Da die Anzahl Sorten auf der «Liste der

empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» jedoch

begrenzt ist, wurden diese Sorten zu den Ersatzsorten

eingeteilt. Diese rücken automatisch in die Liste nach,

wenn eine bereits empfohlene Sorte nicht mehr erhält­

lich ist. Ebenso kann bei zu geringer Verfügbarkeit von

Saatgut empfohlener Sorten auf Saatgut von Ersatzsor­

ten zurückgegriffen werden.

Die bereits empfohlenen Sorten Imperio, Peleton,

Primora und Melmondo werden aus der Liste gestrichen,

Sortenname Ertrag1. Schnitt1*

Gesamt­ertrag1* Güte* Jugendent­

wicklungKonkurrenz­

kraft Ausdauer*Resistenz

gegen Blatt­krankheiten

Trocken­substanz­

GehaltVOS2 Index­

wert

1 Jivet 4,4 4,0 2,6 3,0 4,2 4,7 3,0 6,0 5,3 4,08

2 Ceronte 3,1 5,0 3,2 3,2 4,3 5,8 2,3 5,9 4,0 4,15

3 Speedyl 4,9 4,5 2,7 2,9 3,9 4,2 3,4 6,4 5,0 4,17

4 Adrenalin 3,8 5,0 3,2 3,3 4,3 4,7 3,6 6,4 5,0 4,29

5 Bartigra 5,1 4,5 3,0 3,8 4,2 4,1 3,6 5,6 5,3 4,30

6 Cannibale 4,9 5,0 2,9 3,4 4,3 4,1 4,8 6,3 4,0 4,36

7 Bravis 1 5,1 5,5 3,4 4,2 4,4 4,9 4,9 5,9 5,0 4,78

8 Jumper 6,6 6,0 3,5 4,3 4,4 4,2 3,3 5,3 4,3 4,79

9 Imperio 5,3 6,0 4,0 4,5 4,7 5,5 3,8 3,4 6,0 4,92

10 Peleton 6,2 6,0 3,9 4,6 5,0 4,0 3,2 5,8 6,7 5,05

11 Primora 5,6 7,0 3,3 4,2 4,7 4,6 4,2 6,1 6,0 5,10

12 Melmondo 8,0 7,5 5,1 6,7 5,9 4,2 4,0 4,3 6,0 5,89

Mittel (Standard) 5,3 5,5 3,4 4,0 4,5 4,6 3,7 5,6 5,2 4,66

13 ILVO 135825 4,7 2,5 3,0 3,2 4,1 4,1 2,2 5,6 4,3 3,68

14 Bendix 4,6 3,5 2,8 3,0 3,8 4,2 2,3 6,1 4,0 3,77

15 Prodag 3,8 3,5 2,4 3,0 4,0 4,0 3,0 7,2 5,0 3,82

16 Pulse 3,6 3,0 3,9 4,5 4,2 4,7 2,7 2,8 6,0 3,88

17 Logics 4,2 3,0 2,6 3,3 3,8 3,9 2,9 7,6 5,3 3,89

18 Volubyl 5,9 3,0 3,3 4,3 4,5 3,7 2,8 3,8 5,3 4,03

19 Alberto 3,4 5,5 3,4 3,5 4,4 5,6 2,4 4,4 4,3 4,22

20 Asterix 3,7 5,0 3,3 3,5 4,2 5,3 3,0 5,5 4,7 4,27

21 Texan 7,3 2,0 4,2 5,5 4,9 3,6 3,3 2,6 5,7 4,31

22 Proxim 5,0 5,0 3,0 3,1 4,0 4,3 3,8 6,2 4,7 4,34

23 Bartimum 4,8 5,0 3,0 3,4 4,1 4,5 3,7 5,8 5,0 4,34

24 Prowest 4,8 5,0 3,2 3,4 4,1 4,3 3,5 6,1 5,0 4,35

25 Barspectra II 4,0 6,0 2,8 2,9 4,0 4,7 4,7 6,1 4,7 4,42

26 Hellen 4,2 5,5 2,8 2,9 4,2 4,9 5,3 5,9 4,7 4,45

27 Loskutak 4,9 5,0 2,8 3,7 4,3 4,2 4,0 7,4 5,7 4,52

28 Tigouan 7,6 4,0 4,0 5,1 4,8 3,8 3,5 2,4 6,0 4,65

29 Gepetto 4,2 6,5 3,9 4,0 4,6 6,0 3,8 1,8 5,3 4,68

30 Jolly 4,6 6,0 4,0 4,1 4,5 6,4 2,7 2,7 5,0 4,70

31 Choisi 6,3 5,0 4,0 4,6 4,7 4,6 4,2 3,0 5,7 4,78

32 Likoloss 4,6 7,0 4,5 4,8 5,2 6,0 3,4 2,1 4,3 4,93

33 Rapido 6,0 9,0 5,4 5,5 5,6 7,3 1,9 2,4 4,7 5,81

Tab. 2 | Lolium multiflorum var. westerwoldicum: Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2013–2015

Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten Notenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht *Hauptmerkmal mit doppelter Gewichtung 1Ertragsnoten von drei Versuchsstandorten mit je einer Erhebung 2013 und von sechs Standorten mit einer bis sechs Erhebungen 2014 ²VOS = Verdauliche organische Substanz: Mittel von drei Terminen im Jahre 2014, Standort Reckenholz

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da sie den für eine Empfehlung erforderlichen Index­

wert nicht mehr erreichten. Sie dürfen noch bis Ende

2017 als empfohlene Sorten verkauft werden. Der Züch­

ter der bereits empfohlenen Sorte Bravis 1, welche die

Anforderungen für eine Empfehlung erneut erfüllt

hatte, verzichtete auf ihre weitere Aufführung in der

Liste zugunsten seiner Neuzüchtung Logics. Diese Neu­

züchtung, die deutlich bessere Ergebnisse als Bravis 1

vorweisen konnte, hätte sonst aufgrund der Beschrän­

kung der Anzahl Sorten in der Sortenliste in Kategorie 2

(Ersatzssorte) eingeteilt werden müssen.

Perserklee: Zwei Neuempfehlungen

Die Perserkleesorte Gorby konnte mit einem Indexwert

von 3,83, also einem um über eine Note besseren Ergeb­

nis als der Standard überzeugen (Tab. 4). Diese bereits

einmal empfohlene Sorte, die wegen Verpassens der

Wiederprüfung zwischenzeitlich aus der Liste der

Sortenname Ploidie Antragsteller Kategorie1

1 Jivet 4n DLF Životice, CZ 1

2 Ceronte 4n Mediterranea, IT 1

3 Speedyl 4n R2n, FR 1

4 Adrenalin 4n R2n, FR 1

5 Bartigra 4n Barenbrug, NL 1

6 Cannibale 4n Carneau, FR 1

7 Bravis 1 4n DLF-Trifolium, DK –

8 Jumper 4n DLF-Trifolium, DK 1

9 Imperio 2n DSV, DE 2/3

10 Peleton 4n DLF-Trifolium, DK 2/3

11 Primora 4n DLF-Trifolium, DK 2/3

12 Melmondo 4n Freudenberger, DE 2/3

13 ILVO 135825 4n Jouffray-Drillaud, FR 1*

14 Bendix 4n Rudloff, DE 1

15 Prodag 4n OSEVA UNI, CZ 1

16 Pulse 2n R2n, FR 1

17 Logics 4n DLF-Trifolium, DK 1

18 Volubyl 2n R2n, FR 2

19 Alberto 4n DSV, DE 2

20 Asterix 4n D'EUGENIO di Fabio, IT 2

21 Texan 2n GIE, Grass, FR 3*

22 Proxim 4n OSEVA UNI, CZ 2

23 Bartimum 4n Barenbrug, NL 2*

24 Prowest 4n OSEVA UNI, CZ 2

25 Barspectra II 4n Barenbrug, NL 2

26 Hellen 4n Continental, IT 2

27 Loskutak 4n DLF Životice, CZ 3

28 Tigouan 2n GIE, Grass, FR 3

29 Gepetto 2n DSV, DE 3

30 Jolly 2n D'EUGENIO di Fabio, IT 3

31 Choisi 2n Caussade, FR 3

32 Likoloss 2n DSV, DE 3

33 Rapido 2n Continental, IT 3

Tab. 3 | Lolium multiflorum var. westerwoldicum: geprüfte Sorten, Ploidie, Antragsteller und Kategorieeinteilung

Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten 1Kategorieeinteilung der Sorten aufgrund der Ergebnisse aus den Versuchen:

Kategorie 1: In der Schweiz in der Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen geführt Kategorie 1*: Kann erst nach Erfüllen der für die Handelbarkeit in der Schweiz gesetzlich festgelegten Kriterien empfohlen werden (siehe Saat- und Pflanzgut-Verordnung des WBF, SR 916.151.1) Kategorie 2: Ersatzssorte. Diese Sorte erreicht zwar den notwendigen Index für eine Empfehlung, kann jedoch wegen der Beschränkung der Anzahl empfohlener Sorten nicht empfohlen werden. Bei Wegfall einer empfohlenen Sorte rückt die beste Sorte der Kategorie 2 automatisch in die Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen nach. Ersatzsorten können vom Handel auf Antrag in Standardmischungen und anderen Mischungen mit dem AGFF-Gütezeichen verwendet werden, wenn zwischenzeitlich ein Mangel an Saatgut bereits empfohlener Sorten auftritt. Sorten der Kategorie 2 können vom Züchter auf Antrag hin gegen eine bereits empfohlene Sorte des entsprechenden Züchters ausgetauscht werden, sofern bestehende Verträge dadurch nicht berührt sind. Kategorie 2*: Wird nach Erfüllen der für die Handelbarkeit in der Schweiz gesetzlich festgelegten Kriterien in Kategorie 2 eingeteilt Kategorie 2/3: Sorte vom 1. Januar 2018 an nicht mehr empfohlen Kategorie 3: Nicht empfohlen. Zeichnet sich weder durch gute noch durch schlechte Eigenschaften aus Kategorie 3*: Nicht empfohlen. Wegen schlechter Leistung in einer wichtigen Eigenschaft ausgeschlossen (Überschreiten des Extinktionswertes).

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 72–79, 2016

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Pflanzenbau | Neue Sorten von Westerwoldischem Raigras und Perserklee empfohlen

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empfohlenen Sorten von Futterpflanzen gestrichen

werden musste, konnte nun erneut geprüft werden und

wird künftig wieder in der Liste aufgeführt (Tab. 5).

Gorby bewies ihre Qualitäten, indem sie in der Güte, der

Jugendentwicklung, der Konkurrenzkraft, der Ausdauer

und der Resistenz gegen Kleeschwärze über eine Note

besser als der Standard abschnitt und so zum Teil deut­

lich vor allen anderen Sorten lag. Lediglich in den bei­

den Ertragsnoten musste sie sich von der neu empfohle­

nen Sorte Rusty geschlagen geben. Letztere zeigte

einen sehr hohen Ertrag im ersten Schnitt (Note 2,6 bei

einem Standard von 5,3), der dadurch viel zur guten

Note von 3,8 im Gesamtertrag beigetragen hatte (Stan­

dard: 5,2). Bei der Ausdauer hingegen erzielte Rusty nur

die Note 7,3 (Standard: 6,5) und landete – zusammen

mit der bereits empfohlenen Sorte Lightning – auf dem

letzten Platz. Trotzdem ist Rusty nicht als einschnittige

Sorte einzustufen, da sie im zweiten und zum Teil im

dritten Schnitt noch Erträge lieferte (Daten nicht

gezeigt). Im Übrigen erzielte sie in der Güte, der Jugend­

entwicklung und der Konkurrenzkraft deutliche bessere

Werte als der Standard.

Die Neuzüchtung Laser II stellte sich für unsere Anbau­

bedingungen als nicht geeignet heraus. In fünf von acht

Eigenschaften lag sie um mehr als einen Punkt über dem

Standard. An der durchzogenen Gesamtleistung konnten

die guten Noten in der Ausdauer, dem TS Gehalt und der

Resistenz gegen die Kleeschwärze nichts ändern. Die

bereits empfohlene Sorte Lightning schnitt im Vergleich

zu den letzten Prüfungen schlechter ab. Sie lag weit hin­

ter der bereits empfohlenen Sorte Pasat und verpasste

den Indexwert für eine weitere Empfehlung. Dennoch

wird sie auf der Liste belassen, damit die ohnehin geringe

Sortenauswahl nicht zu eng wird.

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Die grossen Fortschritte beim Westerwoldischen Raigras,

die sich in einer Vielzahl guter Neuzüchtungen zeigten,

bedingten bei den Empfehlungen eine starke zahlenmäs­

sige Beschränkung auf die besten der Neuzüchtungen.

Der Kontrast zum Perserklee könnte diesbezüglich nicht

grösser sein: Seine wenigen verfügbaren Sorten weisen

deutlich auf die Notwendigkeit grösserer Züchtungsan­

strengungen hin. n

Sortenname Ertrag1. Schnitt1*

Gesamt­ertrag1* Güte* Jugendent­

wicklungKonkurrenz­

kraft Ausdauer*Resistenz

gegen Klee­schwärze*

Trocken­ substanz­

GehaltIndexwert

1 Pasat 5,6 4,6 3,0 2,7 5,3 5,7 4,3 4,9 4,55

2 Lightning 5,0 5,8 4,3 4,4 6,1 7,3 3,8 4,9 5,22

Mittel (Standard) 5,3 5,2 3,7 3,6 5,7 6,5 4,0 4,9 4,88

3 Gorby 4,5 4,1 2,3 2,4 4,6 5,2 2,5 5,7 3,83

4 Rusty 2,6 3,8 2,9 2,4 4,8 7,3 4,2 5,3 4,17

5 Laser II 7,6 6,8 5,0 5,7 6,6 5,3 2,9 3,9 5,48

Tab. 4 | Trifolium resupinatum: Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2013–2015

Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene SortenNotenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht*Hauptmerkmal mit doppelter Gewichtung¹Ertragsnoten von drei Versuchsstandorten mit je einer Erhebung 2013 und sieben Standorten mit einer bis fünf Erhebungen 2014

Sortenname Antragsteller Kategorie1

1 Pasat OSEVA UNI, CZ 1

2 Lightning* SEEDMARK, AU 1

3 Gorby D'EUGENIO di Fabio, IT 1

4 Rusty Continental, IT 1

5 Laser II Barenbrug, NL 4

Tab. 5 | Trifolium resupinatum: geprüfte Sorten, Antragsteller und Kategorieeinteilung

Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten¹Kategorieeinteilung der Sorten aufgrund der Ergebnisse aus den Versuchen:Kategorie 1: In der Schweiz in der Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen geführtKategorie 4: Nicht empfohlen. Eignet sich nicht für den Anbau in der Schweiz*Lightning wird wegen der geringen Zahl empfohlener Sorten weiterhin auf der Sortenliste belassen

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Literatur ▪ Norris K.H., Barnes R.F., Moore J.E. & Shenk J.S., 1976. Predicting forage quality by infrared reflectance spectroscopy. Journal of Animal Science 43, 889–897.

▪ Suter D., Rosenberg E., Mosimann E. & Frick R., 2012. Standardmischungen für den Futterbau: Revision 2013–2016. Agrarforschung Schweiz 3 (10), Beilage, 1–12.

▪ Suter D., Hirschi H.U., Frick R. & Aebi P., 2013. Knaulgras: Prüfergebnisse von 31 Sorten. Agrarforschung Schweiz 4 (7–8), 324–329.

▪ Suter D., Hirschi H., Frick R. & Bertossa M., 2014. Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen 2015–2016. Agrarforschung Schweiz 5 (10), Beilage, 1–8.

Ria

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nto

Sum

mar

y

New varieties of Westerwolds ryegrass and

persian clover recommended

From 2013 to 2015, Agroscope tested 33

varieties of Westerwolds ryegrass (Lolium

multiflorum Lam. var. westerwoldicum Mansh.)

and five varieties of Persian clover (Trifolium

resupinatum L.) as to their suitability for

cultivation. Yield, vigour, persistence, resi-

stance to leaf diseases, dry-matter content and

competitive ability were evaluated. In the case

of Westerwolds ryegrass, digestible organic-

matter content was also evaluated.

The following Westerwolds ryegrasses are

newly recommended: ILVO 135825 stood out

with very good performances in total yield and

disease resistance, Bendix exhibited solid

yields and the best digestibility of the test

series, and Prodag impressed with very good

vigour and high yields. The diploid variety

Pulse proved to be high-yielding whilst having

slightly lower digestibility. The new variety

Logics, which replaces Bravis 1, had the best

competitive ability of the trial as well as very

good vigour. Eight new varieties with very

good performances had to be classified as

replacement varieties, due to limitation of the

number of recommended varieties. The

previously recommended varieties Imperio,

Peleton, Primora and Melmondo were deleted

from the List owing to unsatisfactory perfor-

mances.

Two varieties of Persian clover are newly

recommended: Gorby, with top rankings in

vigour, juvenile development, competitive

ability, persistence and resistance to sooty

blotch, as well as Rusty, which exhibited the

best yield performance.

Key words: Lolium multiflorum Lam. var.

westerwoldicum Mansh., Westerwold ryegrass,

annual ryegrass, Trifolium resupinatum L.,

Persian clover, variety testing, yield, disease

resistance.

Raccomandate nuove varietà di loglio wester-

voldico e trifoglio persiano

Dal 2013 al 2015 Agroscope ha testato l'ido-

neità alla coltivazione di 33 varietà di loglio

westervoldico (Lolium multiflorum Lam. var.

westerwoldicum Mansh.) e di cinque varietà di

trifoglio persiano (Trifolium resupinatum L.). La

valutazione ha riguardato resa, aspetto

generale, persistenza, resistenza alle malattie

fogliari, contenuto di sostanza secca e forza di

concorrenza. Per il loglio westervoldico è stata

presa in considerazione anche la sostanza

organica digeribile.

Di recente sono state raccomandate le seguenti

varietà di loglio westervoldico: ILVO 135825 ha

spiccato per le ottime prestazioni quanto a resa

totale e resistenza alle malattie, Bendix ha

fatto registrare notevoli rese e la migliore

digeribilità della serie testata, mentre Prodag

ha convinto per l'ottimo aspetto generale e le

rese elevate. La varietà diploide Pulse ha

dimostrato di rendere molto, pur a fronte di

una minore digeribilità. La nuova coltura

Logics, che sostituisce la varietà Bravis 1, aveva

la migliore forza di concorrenza riscontrata

durante i test, oltre a un ottimo aspetto

generale. A causa della limitazione del numero

delle varietà raccomandate, è stato necessario

ripartire otto nuove colture dalle ottime

prestazioni tra le varietà alternative. Le varietà

finora raccomandate Imperio, Peleton, Primora

e Melmondo sono state eliminate dalla lista a

causa di prestazioni insufficienti.

D'ora in poi saranno raccomandate due nuove

varietà di trifoglio persiano: Gorby, ai primi

posti per qualità, velocità di insediamento,

forza di concorrenza, persistenza e resistenza

alla Cymadothea trifolii, e Rusty, che è riuscita a

offrire le migliori prestazioni in termini di resa.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 72–79, 2016

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80 Agrarforschung Schweiz 7 (2): 80–87, 2016

Die Kunst, den Stickstoffdünger für einen optimalen Ertrag und Proteingehalt von Weizen aufzuteilenLilia Levy Häner und Cécile Brabant

Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 1260 Nyon, Schweiz

Auskünfte: Lilia Levy, E-Mail: [email protected]

P f l a n z e n b a u

Abb. 1 | Auswirkung der Stickstoffdüngung auf verschiedene Weizensorten. Die Parzellen im Vordergrund erhielten keinen Stickstoffdünger.

E i n l e i t u n g

Seit 2015 bezahlen die Mühlen den Sammelstellen den

Weizen der Klasse Top aufgrund des Proteingehalts

(Beschluss von swiss granum, Sonderegger und Scheuner

2014). Jede Sammelstelle kann diese Massnahme je nach

ihrer Strategie an die Produzenten weitergeben.

Agroscope hat verschiedene Möglichkeiten getestet,

um den Proteingehalt (und entsprechend den Feuchtkle­

bergehalt) in den Weizenkörnern zu erhöhen und den

Einfluss dieser Kriterien auf die Backqualität zu bestim­

men. Der Kornertrag ist ein grundlegender Faktor für

die Produktion. Daher zielten die Versuche ebenfalls

darauf ab, Düngungsmethoden oder Anbautechniken

zu bestimmen, die zu einem Optimum zwischen Ertrag

und Qualität führen. Dieser Artikel behandelt landwirt­

schaftliche Aspekte, während im zweiten Artikel (Bra­

bant und Levy 2016) der Schwerpunkt auf der Qualität

der Ernte liegt.

Experimentelle Anordnung, Beobachtungen und Analysen

Sechs Sorten unterschiedlicher Qualitätsklassen – Runal

und CH Claro (Top), Suretta und CH Combin (Klasse I), Levis

(Klasse II) sowie Premio (französische Kontrolle, entspricht

Klasse II) – wurden an zwei Standorten (Changins, VD und

Goumoëns, VD) während drei Jahren (Ernten 2011 bis

2013) getestet. Acht Stickstoffdüngungsverfahren wurden

verglichen: drei verschiedene Düngemengen 0, 140 und

200 kg N/ha, kombiniert mit verschiedenen Aufteilungen.

Die Stickstoffmenge 140 kg N/ha wurde nach fünf

Düngungsverfahren eingesetzt, die sich hinsichtlich

Aufteilung und Entwicklungsstadium des Weizens zu

den Düngungszeitpunkten unterschieden (Tab. 1). Der

Stickstoff wurde in Form von Ammoniumnitrat 27,5%

ausgebracht.

Die Wirksamkeit der Stickstoffdüngung konnte in

Changins mit einer Bewässerung nach der Düngergabe

gewährleistet werden, nicht aber in Goumoëns. Es wur­

den weder Fungizide noch Wachstumsregulatoren einge­

setzt. Die Versuche waren als Split­Plot mit drei Wieder­

holungen angelegt, mit dem N­Dünger als Hauptfaktor

und der Sorte als untergeordneter Faktor.

Die folgenden Parameter wurden beobachtet und

gemessen: Frühreife, Pflanzenlänge, Anzahl Ähren pro

m², Kornertrag, Hektolitergewicht (HLG), Tausendkorn­

gewicht (TKG) und Proteingehalt. Auf dieser Grundlage

wurden zwei ergänzende Parameter berechnet: Protein­

ertrag (Kornertrag * Proteingehalt) und die scheinbare

N­Ausnutzung (Apparent Nitrogen Recovery, ANR) in den

Körnern (siehe Gleichung 1, die an die Formel nach Collin

2012 angepasst ist). Die ANR misst die Verwertung des

eingetragenen Stickstoffs durch die Körner und wurde

für jede mit Stickstoff gedüngte Parzelle berechnet. Die­

ser Parameter setzt die zusätzliche Stickstoffmenge in

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Die Kunst, den Stickstoffdünger für einen optimalen Ertrag und Proteingehalt von Weizen aufzuteilen | Pflanzenbau

81Agrarforschung Schweiz 7 (2): 80–87, 2016

Die Branchenorganisation Getreide hat ein

System zur Bezahlung der Ernte von Weizen der

Klasse Top nach ihrem Proteingehalt eingerich-

tet. Agroscope hat Versuche durchgeführt, um

die Auswirkungen einer Aufteilung der Stick-

stoffdüngung auf den Ertrag und die Qualität

von Weizen zu untersuchen. Bei unseren

Klima- und Bodenbedingungen ergab eine

Aufteilung von 20-40-80 kg N/ha (3. Gabe im

Stadium CD 37: Erscheinen des Fahnenblattes)

hervorragende Resultate, sowohl in Bezug auf

den Kornertrag als auch auf den Proteingehalt.

Die Produzenten, die auf die Produktion von

Körnern mit möglichst hohem Proteingehalt

bedacht sind, könnten versucht sein, einfach die

eiweissreichste Sorte zu wählen und einen sehr

intensiven Anbau mit einer dritten Düngergabe

zum Zeitpunkt der Blüte zu betreiben. Diese

Strategie birgt jedoch ein hohes Risiko, dass der

Stickstoff von den Pflanzen nicht assimiliert

werden kann und es zu Ertragsverlusten kommt.

Aus wirtschaftlicher Sicht sind die ertragreichs-

ten Sorten am rentabelsten, selbst wenn sie zu

einer tieferen Qualitätsklasse gehören. Die

Studie hat auch gezeigt, dass in Situationen mit

eingeschränkter Stickstoffverfügbarkeit eine

grosse Pflanzenlänge und eine grosse Zahl

Ähren pro m² vorteilhaft sind. Dagegen wird die

Pflanzenlänge zum Nachteil für die Kornbildung

bei intensiv bewirtschafteten Systemen.

den untersuchten Körnern bei Stickstoffdüngung im Ver­

gleich zur Stickstoffmenge in den Körnern ohne Stick­

stoffdüngung in Beziehung mit der durch Düngung

zugeführten Stickstoffmenge.

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Tab. 1 | Gesamtmenge des pro Jahr ausgebrachten Stickstoffs und Aufteilung dieser Menge bei den acht untersuch-ten Düngungsverfahren. V2 stellt die vereinfachte Praxis dar, V3 entspricht der klassischen Aufteilung in drei Dün-gergaben, V4, V5 und V6 mit einer dritten höheren und/oder verzögerten Gabe im Hinblick auf die Unterstützung der Proteinsynthese, V7 und V8 sind Verfahren mit einer intensiveren Düngung mit Schwerpunkt auf dem Kornertrag (V7) bzw. auf dem Proteingehalt (V8).

Düng.­verf.

N total[kg N/ha]

1. Gabe[kg N/ha]

Stadium2. Gabe

[kg N/ha]Stadium

3. Gabe[kg N/ha]

Stadium

V1 0 – – – – – –

V2 140 60 DC 21 80 DC 30 – –

V3 140 40 DC 21 60 DC 30 40 DC 37

V4 140 40 DC 21 60 DC 30 40 DC 59-61

V5 140 20 DC 21 40 DC 30 80 DC 37

V6 140 20 DC 21 40 DC 30 80 DC 59-61

V7 200 60 DC 21 80 DC 30 60 DC 37

V8 200 20 DC 21 40 DC 30 140 DC 59-61

DC 21: Beginn der Bestockung, bei Vegetationsbeginn; DC 30: Schossen (Ähren 1 cm);DC 37: Erscheinen des Fahnenblatts; DC 59-61: Ende Ährenschieben - Beginn Blüte

Gleichung 1 | Scheinbare N-Ausnutzung (ANR) in den Körnern

ANR = [(QND – QN0)/D]

QND: [Kornertrag pro ha beim Düngungsverfahren D bei 0% Feuchtigkeit * Proteingehalt / 5.7]QN0: [durchschnittlicher Kornertrag pro ha beim Verfahren V1 bei 0% Feuchtigkeit * Proteingehalt / 5.7]D: beim entsprechenden Düngungsverfahren eingetragene Stickstoffmenge

Die Qualitätsanalysen wie Feuchtkleber­Bestimmung,

Zeleny­Wert, rheologische Analysen und die verschiede­

nen Versuche zur Brotherstellung werden im Artikel von

Brabant und Levy (2016) vorgestellt und diskutiert.

Es wurde eine grobe wirtschaftliche Prüfung durch­

geführt (nach Bruttomargen), unter Berücksichtigung

der Getreide­Richtpreise 2015 (Top: 52.– CHF/dt, Klasse

I: 50.– CHF/dt, Klasse II: 49.– CHF/dt), eines Durch­

schnittspreises für Ammoniumnitrat von 1,80 CHF/kg N,

durchschnittlicher Kosten für das Ausbringen des Dün­

gers von 89 CHF pro ha und Durchgang (Düngerstreuer,

Traktor und Chauffeur, Tarif FAT), der Zuschlags­ und

Abzugsskalen für das Hektolitergewicht von swiss gra­

num sowie der neuen Regelung zur Bezahlung nach

Proteingehalt für Sorten der Klasse Top (Sonderegger

und Scheuner 2014).

Die Varianzanalysen (ANOVA) und die Homogeni­

tätstests wurden mit dem Programm Statistica 12 durch­

geführt, die Auswertung der Korrelationskoeffizienten

erfolgte mit XLSTAT 2014.

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R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Vergleich des Einflusses von Umweltbedingungen, Sorte

und Stickstoffdüngung

Die Sorte und die Umweltbedingungen (Kombination

Standort x Jahr) spielen eine wichtige Rolle für die meis­

ten untersuchten Faktoren (Tab. 2). Die Stickstoffdün­

gung beeinflusst ebenfalls alle geprüften Kriterien

signifikant, mit Ausnahme des Hektolitergewichts. Ver­

schiedene Wechselwirkungen stellten sich zwar als hoch

signifikant heraus, ihr Einfluss ist allerdings gering.

Für die Schwankungen des Kornertrags und des Pro­

teingehalts sind zu etwa gleichen Teilen Boden­ und Kli­

mafaktoren (Umweltbedingungen), die Stickstoffdün­

gung und die Sorte verantwortlich (Abb. 2). Die

Sortenwahl ist damit der Faktor, mit dem sich der Prote­

ingehalt am einfachsten beeinflussen lässt. Von den

untersuchten Parametern wird der Proteinertrag am

stärksten von der Stickstoffdüngung beeinflusst (44%).

Beim ANR erklären die Umweltbedingungen mehr als

drei Viertel der beobachteten Schwankungen.

Die Schwankungen der Dichte der fertilen Halme

(Ähren/m²) werden zu 88% durch die Umweltbedingun­

gen bestimmt (Einfluss der Bestockung), während die

Sortenwahl und die Stickstoffdüngung einen moderate­

ren Einfluss ausüben (5%). Die Pflanzenlänge kann

beträchtlich variieren. Nach den Umweltbedingungen

(61%) lassen sich die Unterschiede hauptsächlich durch

die Sortenwahl (24%) und die Stickstoffdüngung (12%)

erklären. Die Boden­ und Klimafaktoren wie fehlende

Niederschläge zum Zeitpunkt der Ernte sind entschei­

dend für ein gutes Hektolitergewicht (69%). Dieses

Merkmal ist auch stark sortenabhängig (20%). Im Gegen­

satz zu den Ergebnissen früherer Versuche (Levy et al.

2007) trug die Stickstoffdüngung nicht zu einem besse­

ren HLG bei, wie dies auch von Charles et al. (2012)

beobachtet worden war. Für die Korngrösse waren im

Wesentlichen die Bedingungen des jeweiligen Jahres am

Ende des Zyklus verantwortlich (Umweltbedingungen),

welche zu Schwankungen des TKG führten (94%).

Wirkungen der Stickstoffdüngung

Betrachtet man den Kornertrag, unterscheidet sich das

Verfahren V1 (keine Stickstoffdüngung) sehr klar von

den übrigen Düngungsverfahren (Tab. 3; Abb. 3A). Die

Ertragsunterschiede innerhalb der verschiedenen Ver­

fahren mit Stickstoffdüngung sind geringer. Diese Ver­

suche zeigen, dass der Düngeraufteilung eine ebenso

grosse Bedeutung zufällt, wie der Düngermenge, da

mit einer Aufteilung des Düngereintrags bei einer

unterschiedlichen Gesamtmenge des Stickstoffs ein ver­

gleichbarer Ertrag erreicht wird. Die Reduktion der bei­

den ersten Stickstoffgaben um jeweils 20 kg N/ha

zugunsten der dritten Gabe (V3 ­> V5, V4 –> V6) hatte

keinen signifikanten Einfluss auf den Kornertrag. Dage­

gen spielte der Zeitpunkt der dritten Gabe eine wichtige

Kornertrag

Ähren/m2

24% 33%

6% 0%

32% 44%

46%7%

78%

8%4% 3%4%4% 2%

29%35%

32%

6% 3%

1%

88% 61% 69% 94%

1%2% 3%

0%

12% 1%

20%

5% 5%

24%

2% 1%1%

Umweltbed.

5%5%

Pflanzenlänge Hektolitergewicht Tausendkorngewicht

Proteingehalt Proteinertrag (Körner) Scheinbare N-Ausnutzung

Düngungsverfahren Sorte Wechselwirkungen Restfehler

Abb. 2 | Einfluss der Umweltbedingungen, der Stickstoffdüngung und der Sorte auf verschiedene landwirtschaftliche Merkmale von Winter-weizen: mittlere Quadrate aus der Varianzanalyse, dargestellt als prozentuale Anteile.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 80–87, 2016

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Die Kunst, den Stickstoffdünger für einen optimalen Ertrag und Proteingehalt von Weizen aufzuteilen | Pflanzenbau

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Rolle. Eine spätere Ausbringung zum Zeitpunkt der

Blüte hatte eine Reduktion des Ertrags zur Folge (­1,3

dt/ha zwischen V3 und V4 und ­4,4 dt/ha zwischen V5

und V6), wobei diese Verminderung statistisch nicht sig­

nifikant war.

Wie beim Kornertrag beeinflusste der Verzicht auf

eine Stickstoffdüngung auch den Proteingehalt stark

(Tab. 3; Abb. 3B). Die auf eine Verbesserung des Protein­

gehalts ausgelegte Versuchsanordnung vermochte die

Erwartungen zu erfüllen: Der Proteingehalt steigt stetig

vom Verfahren V1 bis zum Verfahren V8. Der Proteiner­

trag, der die beiden Faktoren Kornertrag und Proteinge­

halt kombiniert, wird stärker durch den Kornertrag als

durch den Proteingehalt beeinflusst (Tab. 3).

Durch den Verzicht auf eine Stickstoffdüngung

betrug die Zahl fertiler Halme nur 79% im Vergleich zur

dichtesten Variante, die mit 60 kg N/ha bei der ersten

Gabe (V2) erreicht wurde.

Die Werte für den durchschnittlichen Proteingehalt

(Abb. 3B) erwecken den irreführenden Eindruck, dass

eine Intensivierung der Stickstoffdüngung eine syste­

matische Zunahme des Proteingehalts bewirkte. Die

Düngung bei der Blüte war 2013 in Goumoëns aufgrund

der Trockenheit unwirksam. Es ist bekannt, dass ein

Wassermangel, die Stickstoffaufnahme durch die

Pflanze reduziert (Sadras et al. 2004). Deshalb wurde in

diesem Jahr in Goumoëns mit dem Verfahren V5 der

höchste Proteingehalt erreicht (13,2%), während die

Verfahren V6 und V8 mit insgesamt jeweils nur 60 kg N/

ha vor der Blüte nur einen Proteingehalt von 10,5%

bzw. 10,6% ergaben. Selbst wenn der Proteingehalt

also mit einer zunehmenden Stickstoffdüngung ten­

denziell steigt, stellt die verzögerte Ausbringung ein

nicht vernachlässigbares Risiko dar.

Es wurde eine grobe wirtschaftliche Auswertung

(nach Bruttomargen) unter Berücksichtigung der Anzahl

Ausbringungen, der Menge des eingesetzten Stickstoff­

düngers, des Ertrags der Parzelle, des Preises für die

betreffende Qualitätsklasse, des Hektolitergewichts

sowie des Proteingehalts vorgenommen. Die Ergebnisse

Tab. 2 | Einfluss der Umweltbedingungen, der Stickstoffdüngung und der Sorte auf verschiedene landwirtschaftliche Merkmale von Winter-weizen: F-Werte der Varianzanalyse und Signifikanzniveau (n.s.: nicht signifikant, *: P<0,05, **: P<0,01, ***: P<0,001) der analysierten Faktoren.

Ertrag Proteine Prot.Ertrag ANR Ähren/m2 Länge HLG TKG

Umweltbedingungen 18,2 *** 135,9 *** 32,6 *** 59,0 *** 121,9 *** 106,0 *** 22,5 *** 5053,6 ***

Düngungsverfahren (DV) 31,5 *** 146,3 *** 56,5 *** 6,6 *** 20,2 *** 18,6 *** 0,6 n.s. 17,9 ***

Sorte 172,5 *** 402,4 *** 33,1 *** 43,8 *** 51,1 *** 287,8 *** 51,9 *** 52,3 ***

Umweltbed.*DV 2,5 *** 17,9 *** 2,9 *** 1,6 n.s. 0,8 n.s. 2,3 ** 1,9 ** 9,6 ***

Umweltbed.*Sorte 23,2 *** 18,2 *** 14,4 *** 12,8 *** 3,8 *** 4,1 *** 5,3 *** 59,1 ***

DV*Sorte 1,8 ** 2,1 *** 2,0 ** 1,0 n.s. 1,4 n.s. 1,6 * 1,4 n.s. 2,7 ***

Umweltbed.*DV*Sorte 1,2 n.s. 1,3 * 1,2 n.s. 0,9 n.s. 0,9 n.s. 1,2 n.s. 1,3 * 2,2 ***

DV: Düngungsverfahren; Proteine: Proteingehalt; Prot.Ertrag: Proteinertrag; ANR: Scheinbare N-Ausnutzung; HLG: Hektolitergewicht; TKG: Tausendkorngewicht

Tab. 3 | Einfluss der Stickstoffdüngung auf die verschiedenen landwirtschaftlichen Merkmale von Winterweizen: Durchschnitt aus zwei Standorten, drei Jahren, sechs Sorten und drei Wiederholungen (n=108). Die Buchstaben zeigen signifikante Unterschiede zwischen den Durchschnitten bei einem Signifikanzniveau von P<0,05.

Düngungsverfahren[kg N/ha]

Ertrag[dt/ha]

Proteine[%]

Prot. Ertrag[kg/ha]

ANRÄhren

/m2

Länge[cm]

HLG[kg/hl]

TKG[g/1000 Körner]

Wirtsch.[CHF]

V1: 0 44,6 d 11,0 e 415 c 497 c 70,8 d 77,2 a 46,5 b 2228 d

V2: 60-80 66,9 abc 12,8 d 723 b 0,39 a 631 a 84,0 ab 77,2 a 46,0 c 2928 a

V3: 40-60-40 (FB) 67,1 ab 12,9 d 730 b 0,40 a 616 a 84,0 ab 77,9 a 47,4 a 2853 ab

V4: 40-60-40 (FLO) 65,8 abc 13,1 c 731 b 0,40 a 603 ab 82,8 abc 77,4 a 47,4 a 2789 ab

V5: 20-40-80 (FB) 67,8 ab 13,3 bc 759 ab 0,43 a 603 ab 83,5 ab 77,8 a 47,7 a 2891 ab

V6: 20-40-80 (FLO) 63,4 bc 13,3 b 721 b 0,39 a 579 b 81,7 bc 77,9 a 47,5 a 2674 bc

V7: 60-80-60 (FB) 68,6 a 13,7 a 792 a 0,33 b 623 a 85,2 a 77,2 a 47,8 a 2824 ab

V8: 20-40-140 (FLO) 62,7 c 13,9 a 740 b 0,29 b 584 b 80,1 c 77,9 a 47,6 a 2531 c

Proteine: Proteingehalt; Prot.Ertrag: Proteinertrag; ANR: Scheinbare N-Ausnutzung; HLG: Hektolitergewicht; TKG: Tausendkorngewicht; Wirtsch.:Wirtschaftlichkeit

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zeigen, dass das Verfahren V2 mit nur zwei Düngeraus­

bringungen sowie das Verfahren V5 am interessantesten

sind (Tab. 3). Die Variante ohne Stickstoffdüngung (V1)

sowie die Verfahren mit einer dritten Ausbringung zum

Zeitpunkt der Blüte (V4, V6 und V8) sind dagegen weni­

ger rentabel.

Einfluss der Sorte

Obwohl die Sorten Runal und Suretta den höchsten Pro­

teingehalt erreichten, ergaben Premio und CH Combin

den höchsten Ertrag an Protein (Tab. 4). CH Combin und

Suretta sind in Bezug auf die Ausnutzung des eingetra­

genen Stickstoffs (ANR) am effizientesten und Runal ist

am wenigsten effizient: Die N­Ausnutzung von CH Com­

bin liegt um 40% über jener von Runal. Für den hohen

Ertrag von Premio ist die sehr hohe Zahl von Ähren/m²

verantwortlich, während die Leistungsfähigkeit der

Sorte CH Combin auf ihrem hohen Korngewicht (TKG)

beruht. Runal zeichnet sich durch die grössten Pflanzen­

längen und HLG der Serie aus. Bei den aktuell geltenden

80

70

60

50

40

30

20

10

0

8

9

10

11

12

13

14

15

Runal

Korn

ertr

ag [d

t/ha]

A

B

Prot

eing

ehal

t [%

]

CH Claro Suretta CH Combin Levis Premio

V1: 0V2: 60-80V3: 40-60-40 FBV4: 40-60-40 BLÜV5: 20-40-80 FBV6: 20-40-80 BLÜV7: 60–80-60 FBV8: 20-40-140 BLÜ

V1: 0V2: 60-80V3: 40-60-40 FBV4: 40-60-40 BLÜV5: 20-40-80 FBV6: 20-40-80 BLÜV7: 60–80-60 FBV8: 20-40-140 BLÜ

Runal CH Claro Suretta CH Combin Levis Premio

Abb. 3 | Durchschnitte (mit Standardabweichung) A) des Kornertrags und B) des Proteingehalts nach Sorte und Düngungsverfahren(n= 18 bei jeder Säule des Diagramms).

Tab. 4 | Einfluss der Sorte auf die verschiedenen landwirtschaftlichen Merkmale von Winterweizen: Durchschnitt aus zwei Standorten, drei Jahren, acht Düngungsverfahren und drei Wiederholungen (n = 144). Die Buchstaben zeigen signifikante Unterschiede zwischen den Durchschnitten an bei einem Signifikanzniveau von P<0,05.

SorteErtrag[dt/ha]

Proteine[%]

Prot. Ertrag[kg/ha]

ANR Ähren/m2 Länge[cm]

HLG[kg/hl]

TKG[g/1000 Körner]

Wirtsch.[CHF]

Runal 54,5 d 14,1 a 656 d 0,29 d 589 c 89,8 a 79,1 a 47,2 b 2397 e

CH Claro 61,7 c 13,1 c 691 c 0,36 c 626 a 87,3 b 78,1 b 47,3 b 2737 c

Suretta 61,6 c 13,6 b 715 b 0,40 b 562 d 79,4 c 77,5 c 47,8 a 2608 d

CH Combin 68,0 b 12,5 e 732 a 0,42 a 609 b 75,6 e 77,2 c 48,0 a 2924 b

Levis 62,4 c 12,7 d 683 c 0,38 c 537 e 79,8 c 78,5 b 47,1 b 2593 d

Premio 71,9 a 11,9 f 735 a 0,38 c 628 a 77,2 d 75,1 d 46,1 c 3031 a

Proteine: Proteingehalt; Prot.Ertrag: Proteinertrag; ANR: Scheinbare N-Ausnutzung; HLG: Hektolitergewicht; TKG: Tausendkorngewicht; Wirtsch.:Wirtschaftlichkeit

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Beim Sortenvergleich (Abb. 4B) zeigt sich, dass Runal

den Stickstoffdünger sehr schlecht verwertet. Die meis­

ten Parzellen der Sorte CH Combin erreichten dagegen

eine hohe N­Ausnutzung, was die Spitzenleistung dieser

Sorte erklärt. Auch die grosse Bandbreite der ANR­Werte

von CH Claro ist bemerkenswert. Etwa 30% der Parzel­

len dieser Sorte weisen sehr tiefe ANR­Werte auf, wohin­

gegen einige Parzellen sehr hohe Werte erreichen. Diese

Beobachtung liefert eine Erklärung dafür, weshalb diese

Sorte oft so kontrovers bewertet wird: Während ein Teil

der Landwirte extrem zufrieden ist, sind andere ent­

täuscht von der Leistung dieser Sorte.

Einflussfaktoren des Kornertrags

Der Kornertrag wird von zahlreichen Faktoren beein­

flusst. Je nach Düngermenge und Aufteilung haben

unterschiedliche Parameter einen Einfluss auf den

Kornertrag. Ein Faktor, der bei einem Düngungsver­

fahren einen positiven Effekt hat, kann bei einem

anderen Verfahren negative Auswirkungen haben.

Ohne Stickstoffdüngung (V1) besteht eine enge posi­

tive Korrelation zwischen dem Kornertrag und der

Anzahl Ähren pro m² (r=0,777***) sowie der Pflanzen­

länge (r=0,701***). Bei allen Verfahren mit Düngung

korreliert der Kornertrag signifikant mit der Anzahl

Ähren pro m², aber dieser Faktor verliert an Einfluss

Übernahmebedingungen für die Ernte sind die ertrags­

stärksten Sorten auch die profitabelsten.

Bei der Analyse aller Kombinationen Sorte x Dün­

gungsverfahren (Abb. 3A) fällt ein tendenziell gegen­

sätzliches Verhalten der Sorte Suretta auf: Während sie

die hohen frühzeitigen N­Gaben (60 kg N/ha) besonders

gut nutzen konnte, wirkte sich bei ihr eine Erhöhung der

2. und 3. Einträge auf Kosten der ersten Gabe (V4, V6

und V8) sehr ungünstig aus.

Scheinbare N-Ausnutzung (ANR)

Die scheinbare Stickstoffausnutzung (Apparent Nitro­

gen Recovery, ANR) in den Körnern ist ein Mass für die

Effizienz, mit welcher der Stickstoffdünger verwertet

wird. Während das Verfahren V5 die Spitze einnimmt,

schneiden die Verfahren V7 und V8 am schlechtesten ab

(Abb. 4A). Selbst wenn der Kornertrag bei Verfahren V7

am höchsten ist, rechtfertigt der erreichte Zuwachs die

gegenüber V2 bis V6 eingesetzten zusätzlichen 60 kg N/

ha nicht. Sadras und Rodriguez (2010) bestätigen, dass

die N­Ausnutzung mit zunehmendem Düngereinsatz

sinkt. Andere Studien (Arvalis 2014) haben gezeigt, dass

die Kapazität zur Stickstoffverwertung vom Entwick­

lungsstadium der Kultur abhängig ist. Am Ende des Sta­

diums Schossen wird der Stickstoff beispielsweise dop­

pelt so gut verwertet wie zum Zeitpunkt der Bestockung.

Abb. 4 | Scheinbare N-Ausnutzung (ANR) in den Körnern A) nach Düngungsverfahren (n=108 Parzellen pro Verfahren) und B) nach Sorte (n=126 Parzellen pro Sorte). Innerhalb eines Verfahrens sind die Parzellen in aufsteigender Reihenfolge ihres ANR-Werts geordnet.

-0,220 40 60 80 100 120

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

V2: 60-80V3: 40-60-40 FBV4: 40-60-40 BLÜV5: 20-40-80 FBV6: 20-40-80 BLÜV7: 60–80-60 FBV8: 20-40-140 BLÜ

Sche

inba

re N

-Aus

nutz

ung

(AN

R)

A

20 40 60 80 100 120 140

CH ClaroCH CombinLevisPremioRunalSuretta

Sche

inba

re N

-Aus

nutz

ung

(AN

R)

-0,2

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

B

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bei den Verfahren, welche die höchsten Erträge erga­

ben. Während die Pflanzenlänge ohne Stickstoffdün­

gung (V1) zu einem hohen Kornertrag beitrug, wirkte

sich eine grosse Höhe nachteilig auf den Ertrag von

gut mit Stickstoff versorgten Pflanzen aus (negativer

Korrelationskoeffizient). Es lässt sich in diesen Fällen

vermuten, dass die Vorteile eines gut ausgebildeten

Blattapparates durch die Konkurrenz zwischen Blät­

tern und Körnern um verfügbare Nährstoffe aufgeho­

ben wurden. Die Dichte der Körner (HLG) korreliert

positiv mit dem Kornertrag bei den meisten Dün­

gungsverfahren. Ein hohes Tausendkorngewicht trug

nur bei zwei Düngungsverfahren (V3 und V7) zu einem

guten Ertrag bei.

Der Verdünnungseffekt der Proteine in den Körnern

mit zunehmendem Ertrag wurde bereits eingehend

untersucht (Waldon1933; Grant und McCalla 1949; Stu­

ber et al. 1962). Unsere Versuche zeigen, dass diese

negative Korrelation nicht statistisch signifikant ist,

solange der Kornertrag gering ist. Wenn bei den bei uns

herrschenden Boden­ und Klimabedingungen jedoch

der Ertrag über etwa 65 dt/ha liegt, wird diese negative

Korrelation signifikant und enger (r zwischen ­0,281**

und ­0,438***)

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

• Um einen interessanten Kornertrag und Proteingehalt

zu erzielen, ist eine minimale Stickstoffdüngung erfor­

derlich.

• Für 33% der Variabilität des Proteingehalts ist die

Sorte verantwortlich. Die Produzenten können den

Proteingehalt des Weizens am einfachsten durch die

Sortenwahl beeinflussen.

• Durch die Aufteilung des Stickstoffdüngers auf drei

Gaben (statt zwei) lässt sich der Proteingehalt bei den

meisten Sorten signifikant erhöhen. Bei günstigen

Bedingungen ergibt eine Aufteilung von 20­40­80 kg

N/ha mit der dritten Düngergabe beim Erscheinen des

Fahnenblattes (V5) einen zufriedenstellenden Protein­

gehalt ohne den Ertrag signifikant zu beeinflussen.

Wenn die letzte Gabe später erfolgt (Blüte), wird bei

(pedologischen und klimatischen) Bedingungen, die

für die Stickstoffaufnahme der Pflanze günstig sind,

der Proteingehalt erhöht, der Kornertrag allerdings

vermindert.

• Die untersuchten Sorten unterscheiden sich stark

bezüglich ihrer Verwertung des eingetragenen Stick­

stoffdüngers. CH Combin nutzt den Stickstoff viel bes­

ser als Runal (ANR um 40% höher). Auch die Aufteilung

der Stickstoffdüngung beeinflusst die N­Ausnutzung. In

unseren Versuchen war das Düngungsverfahren V5 am

effizientesten, bei dem etwa die Hälfte des eingetrage­

nen Stickstoffs von den Körnern verwertet werden

konnte. Die zusätzlich eingetragenen 60 kg N/ha in den

beiden intensivsten Düngungsverfahren (V7 und V8)

konnten relativ schlecht verwertet werden (tiefere

ANR­Werte).

• Die Faktoren, die den Kornertrag beeinflussen, unter­

scheiden sich je nach Intensität der Stickstoffdüngung.

Wäre dies verständlicher? Bei knapper Stickstoffver­

sorgung erzielen längere Pflanzen und jene mit höhe­

rer Ährendichte einen bedeutenderen Ertrag. Bei

günstigeren Bedingungen tritt die Biomasse der Blät­

ter dagegen in Konkurrenz mit der Bildung von Kör­

nern. Ausserdem wird die negative Korrelation zwi­

schen Kornertrag und Proteingehalt mit zunehmendem

Ertrag immer ausgeprägter.

• Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Variante V2 mit nur zwei

Stickstoff­Gaben am interessantesten, dicht gefolgt vom

Verfahren V5. Von einer Dünger­Gabe zum Zeitpunkt der

Blüte wird unabhängig von der Menge abgeraten. n

Ähren/m2

Länge

Proteingehalt

Hektolitergewicht

TausendkorngewichtV1

-0,6

-0,4

-0,2

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

V8 V6 V4 V2 V3 V5 V7

Düngungsverfahren

Korr

elat

ions

koef

fizie

nt (r

)

Abb. 5 | Korrelationskoeffizient (r) zwischen Kornertrag und den verschiedenen untersuchten Parametern nach den verschiedenen Düngungs-verfahren (n= 108). Die Düngungsverfahren sind in aufsteigender Reihenfolge nach dem Kornertrag geordnet. Es sind nur Punkte mit einem si-gnifikanten (P<0,05) Korrelationskoeffizienten r dargestellt.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 80–87, 2016

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Die Kunst, den Stickstoffdünger für einen optimalen Ertrag und Proteingehalt von Weizen aufzuteilen | Pflanzenbau

87

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

The art of splitting nitrogen applications to

optimise wheat yield and protein content

The cereals trade association has set up a

harvest payment system based on the

protein content of ‘TOP’ class wheats.

Agroscope has implemented tests to study

the impact of splitting the application of

nitrogen fertiliser on wheat yield and

quality. In Swiss soil and weather conditions,

a 20-40-80 kg N/ha split – the third input

being made at the CD-37 stage (flag-leaf

sprouting) – yielded excellent results, both in

terms of grain yield and protein content.

Producers keen to produce grains with a high

protein content may be tempted to choose

the varieties highest in protein, and to

manage them very intensively, with a

significant third input at flowering; however,

this strategy carries a very high risk of

non-assimilation of the nitrogen by the

plant, and of loss of grain yield. From an

economic perspective, the most productive

varieties are also the most profitable, even if

they belong to lower quality categories. The

study also highlighted the fact that in

situations of low nitrogen availability, a

high-straw variety developing a large

number of spikes per m² has the edge. By

contrast, the size of the plant militates

against grain formation in the more inten-

sive systems.

Key words: nitrogen fertilization, winter

wheat, grain yield, varieties, protein content,

apparent coefficient of nitrogen use.

L'arte di frazionare l'azoto per ottimizzare la

resa e il tenore proteico del grano

L'interprofessione nel settore dei cereali ha

instaurato un sistema di pagamento dei

raccolti basato sul tenore proteico del grano

della classe TOP. Agroscope ha effettuato degli

esperimenti per studiare l'impatto del frazio-

namento della concimazione azotata sulla resa

e sulla qualità del grano. Nelle nostre condi-

zioni pedoclimatiche una ripartizione di

20-40-80 kg N/ha – con il 3o apporto allo

stadio CD 37 (comparsa dell'ultima foglia) - ha

portato a risultati eccellenti, per quanto

riguarda sia la resa in semi sia il tenore

proteico. I produttori desiderosi di ottenere

semi dall'elevato tenore proteico sono

probabilmente tentati di scegliere le varietà

più ricche di proteine e di coltivarle in maniera

molto intensiva con un 3o apporto importante

al momento della fioritura. Tuttavia, questa

strategia presenta un altissimo rischio di non

assimilazione dell'azoto da parte della pianta

nonché di perdita di resa in semi. Da un punto

di vista economico, le varietà più produttive

sono al contempo le più redditizie, anche se

appartengono a classi qualitative inferiori. Lo

studio ha altresì messo in evidenza che, nelle

situazioni di scarsa disponibilità di azoto,

risulta avvantaggiata una varietà a paglia alta

e in grado di produrre un grande numero di

spighe per m². Al contrario, la statura della

pianta diventa un elemento negativo per la

formazione dei semi nei sistemi più intensivi.

Literatur ▪ Arvalis 2014. Optimiser l’alimentation de la plante en fractionnant l’azote. Zugang: http://www.cetiom.fr/fileadmin/cetiom/kiosque/arvalis-info/2014janvier/ACI_janvier2014_interventions_printemps_cereales.pdf [23.11.2015].

▪ Brabant C. et Levy L., 2016. Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Auftei-lung auf die Backqualität von Weizen. Agrarforschung Schweiz 7 (2), 88–97.

▪ Charles R., Collaud J.-F., Levy L. & Sinaj S., 2012. Sorten, Saatdichte und Stickstoffdüngung bei Wintergerste. Agrarforschung Schweiz 3 (2), 88–95.

▪ Collin F., 2012. Modélisation du coefficient apparent d'utilisation de l'azote issu d'un engrais minéral apporté sur blé tendre d'hiver. Agricultural scien-ces. 2012. <dumas-00741001> Zugang: http://dumas.ccsd.cnrs.fr/du-mas-00741001/document [23.11.2015].

▪ Grant M. N. & McCalla A. G., 1949. Yield and protein content of wheat and barley. I. Interrelations of yields and protein content of random selections from single crosses. Canad. J. Res. 27c (5), 230-240.

▪ Levy L., Schwaerzel R. & Kleijer G., 2007. Stickstoffdüngung und Brotgetreide qualität. Agrarforschung 14 (10), 484–489.

▪ Sadras V.O., Baldock J., Cox J., Bellotti B., 2004. Crop rotation effect on wheat grain yield as mediated by changes in the degree of water and nitro-gen co-limitation. Aust. J. Agric. Res. 55, 599-607.

▪ Sadras V. O. et Rodriguez D., 2010. Modelling the nitrogen-driven trade-off between nitrogen utilization efficiency and water use efficiency of wheat in eastern Australia. Field Crops Res. 118, 297-305.

▪ Sonderegger O. et Scheuner S., 2014. Bekenntnis zur Qualitätsstrategie – Ge-treidebranche einigt sich auf Proteinbezahlung. Zugang: http://www.swiss-granum.ch/files/2014-05-28_mm_loesung_proteingehalt_d.pdf [23.11.2015].

▪ Stuber C. W., Johnson V. A. & Schmidt J. W., 1962. Grain protein content and its relationship to other plant and seed characters in the parents and progeny of a cross of Triticum aestivum. Crop Sci. 2, 502-508.

▪ Waldon L. R., 1933. Yield and protein content of hard red spring wheat under conditions of high temperature and low moisture. J. agric. Res. 47, 129-149.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 80–87, 2016

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88 Agrarforschung Schweiz 7 (2): 88–97, 2016

Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Aufteilung auf die Backqualität von Weizen

Cécile Brabant und Lilia Levy Häner

Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 1260 Nyon, Schweiz

Auskünfte: Cécile Brabant, E-Mail: [email protected]

P f l a n z e n b a u

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts war die Backqualität immer eines der wichtigsten Kriterien bei der Weizenzüchtung von Agroscope.

E in le i tung

Die schweizerischen Sorten weisen einen hohen Protein­

gehalt und eine gute Backqualität auf. Sie gehören

mehrheitlich zu den Klassen Top und I, die höchsten

Qualitätsklassen des Systems von swiss granum. Dies

überrascht nicht, da die Backqualität seit Beginn des 20.

Jahrhunderts stets ein vorrangiges Ziel des Weizen­

Züchtungsprogramms von Agroscope war. In Frankreich

werden die Schweizer Sorten meist als Aufmisch­ und

Qualitätsweizen eingestuft (Qualität BAF: «blé amélio­

rant ou de force»).

In gewissen Jahren wurden in der Schweiz allerdings

instabile Proteinwerte beobachtet, die teilweise ziem­

lich tief fielen (Abb. 1). Für dieses Verhalten können in

erster Linie die besonderen klimatischen Bedingungen

bestimmter Jahre verantwortlich gemacht werden (Was­

serüberschuss oder Trockenheit), welche die Stickstoff­

aufnahme störten (vorzeitige Auswaschung der Nitrate

aus dem Oberboden, Beeinträchtigung der Mineralisie­

rung des Bodens, Störung der Wurzelfunktion). Die Aus­

wirkungen klimatischer Faktoren auf den Proteingehalt

der Körner wurden von Arvalis (2013) auf +/­ 0,5 bis 2

Prozentpunkte geschätzt.

Eine Instabilität des Proteingehalts wurde auch in

anderen Ländern Europas festgestellt (Arvalis 2014),

namentlich in Frankreich und Deutschland (Abb. 1).

Seit 2001 schwankt der Proteingehalt in der Schweiz

stärker als in Frankreich oder Deutschland. Eine Erklä­

rung dafür könnten die in der Schweiz geltenden tiefe­

ren N­Düngungsnormen sein (140 kg N/ha bis 160 kg N/

ha je nach Zielertrag; Richner et al. 2010). Die Schweizer

Landwirtschaftsbetriebe verfügen also über weniger

Mittel, um einer Verminderung des Proteingehalts ent­

gegenzuwirken.

Der in ungünstigen Jahren resultierende geringe

Proteingehalt kann für Abnehmer ein Problem darstel­

len, die proteinreichen Weizen für bestimmte Brother­

stellungen benötigen, wie zum Beispiel für Brote aus

Kältetechnologie, tiefgefrorene Brote beziehungsweise

Croissants oder intensivere Brotherstellungsmethoden.

Seit 2009 haben die Abnehmer ihre Anforderungen an

den Feuchtglutengehalt erhöht, der auch ein bestim­

mendes Kriterium für die Qualitätsklasse der Sorten ist,

die in der Liste der empfohlenen Sorten aufgeführt sind

(Kleijer et al. 2011).

Um den Proteingehalt der Ernten zu verbessern,

bezahlen die Mühlen seit der Ernte 2015 die Weizen der

Klasse Top nach ihrem Proteingehalt. Dieses Bonus­Malus­

System der Getreidebranchenorganisation gilt für Weizen

mit einem Proteingehalt ausserhalb der Bandbreite von

12,5%–14,0% (Sonderegger und Scheuner 2014).

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Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Aufteilung auf die Backqualität von Weizen | Pflanzenbau

89Agrarforschung Schweiz 7 (2): 88–97, 2016

Bestimmte Arten der Brotherstellung erfordern

einen hohen Proteingehalt und genau defi-

nierte rheologische Eigenschaften. Der Protein-

anteil von Schweizer Weizensorten ist hoch,

schwankt jedoch beträchtlich und ist in

gewissen Jahren für die Brotherstellung

unzureichend. Von 2011 bis 2013 wurde eine

Studie mit vier Weizensorten und sieben

verschiedenen Stickstoffdüngungsverfahren

durchgeführt. Dabei sollte einerseits der

Einfluss der Stickstoffdüngung (Dosis und

Aufteilung) auf den Proteingehalt der Körner

und andererseits die Beziehung zwischen

Proteinanteil und rheologischen Eigenschaften

beziehungsweise Merkmalen der Backqualität

bei verschiedenen Sorten untersucht werden.

Die Aufteilung der Düngung in drei Gaben

(statt zwei) erhöht nicht nur deutlich den

Gehalt an Feuchtgluten, sondern verbessert

auch dessen qualitative Merkmale. Eine

Aufteilung nach dem Düngungsverfahren

20-40-80 kg N/ha mit der letzten Gabe zum

Zeitpunkt des Erscheinens des Fahnenblattes

ist optimal für eine Erhöhung des Feuchtglu-

tengehalts ohne Beeinträchtigung der rheolo-

gischen Merkmale und des Ertrags. Diese

Aufteilung kann für den Anbau der Klasse Top

empfohlen werden. Die Ergebnisse zeigen auch,

dass eine Erhöhung des Proteingehalts die

Qualität des Glutens nicht zwingend verbessert,

da mit einer intensiveren Düngung mehrere

Parameter wie der Zeleny-Index, der Dehnwi-

derstand des Teiges, der Gluten-Index oder das

Volumen von Brot aus Kältetechnologie

stagnieren oder sich sogar verschlechtern.

Diese Beobachtung lässt sich mit dem gleich-

bleibenden Anteil der Glutenine sowie mit

einer Verminderung der Gliadine zugunsten der

Albumine und Globuline erklären.

Unabhängig vom angewendeten Düngungsver-

fahren ist der Proteingehalt bei der Sorte Runal

immer am höchsten. Obwohl der Proteingehalt

der Sorte CH Claro tiefer als bei der Sorte Runal

liegt, erreicht diese Sorte in den Tests zum

rheologischen Verhalten und zur Backqualität

gleichwertige Ergebnisse.

Abb. 1 | Entwicklung des durchschnittlichen Proteingehalts (%) der Ernten in der Schweiz, in Frankreich und in Deutschland über den Zei-traum der letzten 15 Jahre. Die Daten für die Schweiz beruhen auf der Qualitätserhebung der Ernten bei 21 Sammelstellen.

Diese Studie wurde im Zeitraum 2011 bis 2013 durch­

geführt, um die Landwirtschaftsbetriebe und Bäckereien

im Hinblick auf eine Verbesserung des Proteingehalts zu

unterstützen. Ein erster Artikel, der ebenfalls in dieser

Ausgabe erschienen ist, zeigt den Einfluss der Stickstoff­

düngung (Dosis und Aufteilung) auf den Proteingehalt

und den Kornertrag unter Schweizer Anbaubedingun­

gen (Levy und Brabant 2016). Dieser zweite Artikel

beschreibt den Einfluss der Stickstoffdüngung (insbeson­

dere nach Entwicklungsstadium und nach Dosis der drit­

ten Gabe) auf die rheologischen Eigenschaften und die

Backqualität von Weizen.

Mater ia l und Methoden

Die Versuche wurden unter Extenso­Bedingungen

(das heisst ohne Wachstumsregulatoren oder Fungi­

zide) durchgeführt, in Changins mit Bewässerung

nach der Düngergabe und in Goumoëns ohne Bewäs­

serung. Die Versuchsanordnung ist detailliert im ers­

ten Artikel beschrieben (Levy und Brabant 2016). Sie

umfasste sechs Sorten mit unterschiedlicher Backqua­

lität, wovon vier Sorten in diesem Artikel berück­

sichtigt wurden: Runal und CH Claro (Klasse Top), CH

Combin (Klasse 1) und Premio (Klasse 2). Insgesamt

wurden acht Düngungsverfahren getestet, sieben

davon werden hier betrachtet:

•• V1: 0, ohne Stickstoffdüngung

•• V2: 60­80 kg N/ha, vereinfachtes Verfahren ohne 3.

Düngergabe

•• V3: 40­60­40 kg N/ha FB, mit 3. Gabe beim Erschei­

nen des Fahnenblattes

•• V4: 40­60­40 kg N/ha BLÜ, mit späterer 3. Gabe zum

Zeitpunkt der Blüte

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

Frankreich Deutschland Schweiz

Quelle: swiss granum, FranceAgriMer und Besondere Ernteermittlung (BEE)

102000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016

1211

13

141516

Prot

eing

ehal

t (%

)

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Pflanzenbau | Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Aufteilung auf die Backqualität von Weizen

90

•• V5: 20­40­80 kg N/ha FB, mit höherer 3. Gabe beim

Erscheinen des Fahnenblattes

•• V6: 20­40­80 kg N/ha BLÜ, mit höherer 3. Gabe zum

Zeitpunkt der Blüte

•• V8: 20­40­140 kg N/ha BLÜ, intensive Düngung mit 200

kg N/ha, mit hoher 3. Gabe zum Zeitpunkt der Blüte.

Bei den Verfahren V2, V3, V4, V5 und V6 werden 140

kg N/ha ausgebracht. Die Wahl der verschiedenen Dün­

gungsverfahren erfolgte auf der Grundlage der gängigen

Praxis in der Schweiz und von Ergebnissen französischer

Versuche (A.D.A. 2011; Triboï und Triboï­Blondel 2002) zur

Wirkung von Düngergaben auf den Proteingehalt.

Zehn Parameter zur Qualität wurden im Agroscope­

Labor gemessen (Kleijer 2002):

•• Proteingehalt durch Nahinfrarotspektroskopie (NIRS

Büchi)

•• Feuchtglutengehalt (ICC­Standard 137) und Gluten­

Index (ICC­Standard 155) mit dem Glutomatic­Gerät

•• Zeleny­Index (ICC­Standard 116/1)

•• Wasseraufnahme, Knetwiderstand und Widerstands­

verlust mit dem Farinographen (ICC­Standard 115/1)

•• Dehnwiderstand, Dehnbarkeit und Zähigkeit des

Teigs mit dem Extensographen (ICC­Standard 114/1).

Es wurden drei verschiedene Tests zur Backqualität

durchgeführt (Abb. 2): Kastenbrote durch das Agroscope­

Labor, 1­kg­Grossbrote durch die Bäckereifachschule

Richemont und Brote aus Kältetechnologie durch ein

Labor in Deutschland. Bei diesen drei Brotarten wurde

das Volumen gemessen und bei den Grossbroten von der

Berufsschule Richemont eine Bewertung nach zehn Krite­

rien vorgenommen (Abb. 3).

Abb. 2 | Drei Backversuche: Kastenbrot (A), Grossbrot (B) und Brot aus Kältetechnologie (C).

A

Abb. 3 | Bei der Bewertung der Brote von der Bäckereifachschule Richemont berücksichtigte Parameter. Jeder Parameter wird mit einer Note zwischen 1 und 10 bewertet (Endnote maximal 100 Punkte). Hier sind die Noten für die Sorte Runal nach Anwendung des Düngungs-verfahrens V3 im Jahr 2013 dargestellt.

0123456789

10Krustenfarbe

Geruch

Geschmack Form und Aussehen

Ausbund

Volumen

Krustenstruktur

Krumenfarbe

Porung

Krumen-struktur

B

C

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 88–97, 2016

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Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Aufteilung auf die Backqualität von Weizen | Pflanzenbau

91

Als Ergänzung zu diesen Tests wurden durch das

Agroscope­Labor SE­HPLC­Analysen (Morel et al. 2000)

zur Quantifizierung der verschiedenen Weizenprote­

ine durchgeführt.

Die Analysen des Proteingehalts erfolgten pro Par­

zelle. Die rheologischen Tests, die Tests zur Herstellung

von Kastenbrot und Broten aus Kältetechnologie sowie

die SE­HPLC­Analysen wurden jeweils bei einer Mischung

aus den drei Feldwiederholungen durchgeführt. Die

Grossbackversuche fanden jeweils bei einer Mischung

aus den drei Feldwiederholungen und den beiden Stand­

orten statt.

Die Varianzanalysen und die Newman­Keuls­Ver­

gleichstests wurden mit der Software SigmaStat durch­

geführt.

Resu l t ate und D i skuss ion

Proteingehalt

Bei fünf von sechs Umweltbedingungen (Standort x

Jahr) reagierte der Proteingehalt in vergleichbarer Weise

auf die verschiedenen Düngungsverfahren. Der bei Ver­

fahren V1 (ohne Stickstoffdüngung) gemessene Protein­

gehalt lag um mehr als zwei Prozentpunkte unter dem

Proteingehalt, der bei allen anderen Plänen festgestellt

wurde. Wenn dieselbe Stickstoffdosis von 140 kg N/ha

(V2 bis V6) angewendet wurde, konnte durch eine späte

dritte Gabe zum Zeitpunkt der Blüte der Proteingehalt

im Vergleich zu einer früheren dritten Gabe gesteigert

werden (Abb. 4A). Wir stellten eine signifikante

Zunahme des Proteingehalts um 0,43 Prozentpunkte bei

V4 im Vergleich zu V3 fest und um 0,62 Prozentpunkte

bei V6 im Vergleich zu V4. Bei klimatischen Bedingun­

gen, die eine gute Verwertung des spät eingetragenen

Stickstoffs begünstigen, kann damit durch eine Auftei­

lung der 140 kg N/ha mit einer späten Gabe von 80 kg/ha

bei der Blüte (V6) der Proteingehalt um rund 0,5 Pro­

zentpunkte gesteigert werden. Das Verfahren V8 (200

kg N/ha/Jahr, mit 140 kg N/ha bei der Blüte) führte aus­

nahmslos zum höchsten Proteingehalt.

Unabhängig vom gewählten Düngungsverfahren

wies die Sorte Runal immer den höchsten Proteingehalt

auf, gefolgt in absteigender Reihenfolge von CH Claro,

CH Combin und Premio.

Bei einer von sechs Umweltbedingungen (Goumoëns

2013) nahm der Proteingehalt bei V4 gegenüber V3 und

bei V6 gegenüber V5 unerwartet ab (­0,8 bzw. ­2,6 Pro­

zentpunkte). In dieser Situation wurde der Stickstoff bei

der Blüte auf einen trockenen und durchlässigen Boden

ausgebracht und es folgte kein Regen auf die Düngung.

Es lässt sich vermuten, dass der Stickstoff der letzten

Gabe nicht von den Pflanzen aufgenommen oder zumin­

dest nicht für die Körner verwertet werden konnte.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Pro­

teingehalt durch eine dritte späte Düngergabe bei der

Blüte zwar erhöht werden kann, dass dies jedoch wegen

des zu hohen ökologischen und finanziellen Risikos für

die Praxis nicht empfohlen wird.

Rheologische Tests

Die Ergebnisse für den Gehalt an Feuchtgluten

(Abb. 4B) sind den Resultaten zum Proteingehalt recht

ähnlich. Das Verfahren V1 unterscheidet sich durch

einen deutlich tieferen Gehalt. Durch die späte Stick­

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 88–97, 2016

Abb. 4 | Einfluss des Düngungsverfahrens und der Sorte auf den Proteingehalt (A) und den Feuchtglutengehalt (B), jeweils errechnet aus dem Durchschnitt von fünf Kombinationen Standort x Jahr (Changins 2011–2013 und Goumoens 2011–2012). Die Ergebnisse der Kombination Gou-moens 2013 wurden nicht berücksichtigt, da sie sich stark von den übrigen fünf Kombinationen unterscheiden (Erklärungen im Text). Die Werte bei den Düngungsverfahrens mit insgesamt 140 kg N/ha sind rot umrahmt. Die Grossbuchstaben deuten auf signifikante Unterschiede (P < 0,05) zwischen den Durchschnitten der jeweiligen Düngungsverfahrens.

8 9

10 11 12 13 14 15 16

CH CLARO CH COMBIN

PREMIO RUNAL

CH CLARO CH COMBIN

PREMIO RUNAL

0 5

10 15 20 25 30 35 40 45

Prot

eing

ehal

t (%

)

Feuc

htgl

uten

geha

lt (%

)

V1:0

N

E D D C D B AA B

F E D CC B A

V2:6

0-80

V3:4

0-60

-40

FB

V4:4

0-60

-40

BLÜ

V5:2

0-40

-80

FB

V6:2

0-40

-80

BLÜ

V8:2

0-40

-140

BLÜ

V1:0

N

V2:6

0-80

V3:4

0-60

-40

LB

V4:4

0-60

-40

BLÜ

V5:2

0-40

-80

LB

V6:2

0-40

-80

BLÜ

V8:2

0-40

-140

BLÜ

+0.43% +0.62%

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Pflanzenbau | Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Aufteilung auf die Backqualität von Weizen

92

stoffgabe wird der Feuchtglutengehalt erhöht. Mit

dem Verfahren V6 (140 kg N/ha mit einer späten drit­

ten Gabe von 80 kg N/ha bei der Blüte) können im Ver­

gleich zum Verfahren V3 3,5 Prozentpunkte gewon­

nen werden. Im Gegensatz zum Proteingehalt nahm

der Feuchtglutengehalt von Verfahren V2 gegenüber

V3 signifikant zu (+1,2 Prozentpunkte). Die Aufteilung

in drei Düngergaben (statt zwei Gaben) erhöht den

Feuchtglutengehalt also signifikant. Ausserdem ist der

Gehalt bei Verfahren V5 signifikant höher als bei Ver­

fahren V3. Durch eine höhere Gabe zum Zeitpunkt des

Erscheinens des Fahnenblattes (80 kg N/ha statt 40 kg

N/ha) kann der Feuchtglutengehalt ebenfalls signifi­

kant gesteigert werden (+1,9 Prozentpunkte). Dieser

Unterschied ist sehr wichtig, da mit dem Verfahren V5

der Feuchtglutengehalt erhöht werden kann, ohne

das Risiko einzugehen, dass der in die Kultur ausge­

brachte Stickstoff nicht verwertet werden kann.

Die mit dem Farinographen gemessenen Parame­

ter Wasseraufnahme (Abb. 5A) und Knetwiderstand

(Abb. 5B) liegen bei Verfahren V1 tiefer als bei allen

anderen Verfahren. Die Unterschiede zwischen den

Verfahren V2 bis V6 sind gering, das Verfahren V8

erreicht aber die signifikant höchsten Werte. Es ist

bekannt, dass der Proteingehalt einen grossen Einfluss

auf diese beiden Parameter hat.

Im Gegensatz zu den Parametern, die mit dem Pro­

teingehalt zusammenhängen, nimmt der Gluten-Index

(Abb. 6A) und damit die Gluten­Qualität im Falle einer

hohen Stickstoffgabe bei der Blüte (V8) signifikant ab

(Abb. 6). Der Zeleny-Index (Abb. 6B) steigt signifikant

zwischen den Verfahren V1 und V2, zwischen V2 und V3

sowie zwischen V3 und V4. Durch die Aufteilung der

Düngung in drei statt zwei Stickstoffgaben sowie eine

späte dritte Gabe lässt sich also die Qualität der Prote­

ine verbessern. Die Verfahren V5 bis V8, mit einer höhe­

ren letzten Gabe, führen jedoch nicht zu einer Erhö­

hung des Zeleny­Indexes. Diese Stagnation lässt sich

auch beim Dehnwiderstand des Teiges (Abb. 6C) und

bei der Dehnbarkeit feststellen (Abb. 6D). Durch die

zusätzliche Proteinmenge, die durch eine intensivere

Stickstoffdüngung gewonnen wird, lässt sich also die

Qualität des Glutens nicht verbessern.

Beim Gluten­Index, Zeleny­Index und der Dehnbar­

keit des Teiges reagieren die Sorten auf dieselbe Weise

auf die verschiedenen Verfahren. Beim Dehnwiderstand

des Teiges lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem

Düngungsverfahren und der Sorte feststellen. Das inten­

sivste Verfahren V8 verbesserte den Dehnwiderstand des

Teiges bei den Sorten CH Combin und Premio, die damit

auf die beiden anderen Sorten aufschliessen konnten.

Bei zahlreichen rheologischen Tests (Zeleny­Index, Glu­

ten­Index, Dehnbarkeit des Teigs) erreichten CH Claro

und CH Combin trotz tieferem Proteingehalt ähnliche

Ergebnisse wie Runal und dies unabhängig vom ange­

wendeten Düngungsverfahren.

Backversuche

Das Volumen des Kastenbrots steigt schrittweise mit der

Intensivierung der Stickstoffdüngung (Abb. 7A).

Abb. 5 | Einfluss des Düngungsverfahrens und der Sorte auf die Wasseraufnahme (A) und den Knetwiderstand (B), jeweils errechnet aus dem Durchschnitt von sechs Kombinationen Standort x Jahr (Changins 2011–2013 und Goumoens 2011–2013, die in den Varianzanalysen als Wiede-rholungen angesehen werden). Die Werte bei den Düngungsverfahrens mit insgesamt 140 kg N/ha sind rot umrahmt. Die Grossbuchstaben deu-ten auf signifikante Unterschiede (P < 0,05) zwischen den Durchschnitten der jeweiligen Düngungsverfahrens.

0 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72

1

2

3

4

5

6

7

8

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A BC B B BB B A

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Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Aufteilung auf die Backqualität von Weizen | Pflanzenbau

93

Das Volumen der Brote aus Kältetechnologie (Abb. 7B)

nahm mit der Aufteilung auf drei statt zwei Stickstoff­Ein­

träge zwischen V1 und V2 sowie zwischen V2 und V3 signi­

fikant zu. Dieses Volumen veränderte sich zwischen den

Verfahren V3 bis V8 nicht mehr signifikant. Bei dieser Art

Brotherstellung wird die These der Bäcker nicht bestätigt,

dass der Proteingehalt für das Volumen eine wichtige

Rolle spielt.

Das Volumen der Grossbrote (Abb. 7C) wird stärker

von den verschiedenen Düngungsverfahren beeinflusst.

Das Volumen steigt signifikant, wenn die Düngung in

drei Gaben aufgeteilt wird und wenn die letzte Gabe

zum Zeitpunkt der Blüte erfolgt. Die erhaltenen Kurven

sehen den Kurven für den Feuchtglutengehalt sehr ähn­

lich. Das lässt vermuten, dass das Volumen der Gross­

brote eng mit dem Feuchtglutengehalt zusammenhängt.

Die anderen bei den Grossbroten untersuchten Parame­

ter werden ebenfalls vom Düngungsverfahren beein­

flusst, entweder positiv (Form und Geruch), oder negativ

(Porung der Krume). Im Gegensatz dazu wird die

abschliessende Bewertung (zehn Kriterien, Abb. 7D) der

Grossbrote durch die Intensivierung der Stickstoffdün­

gung nicht verbessert.

Runal und CH Claro erreichen das beste Brotvolumen

in den verschiedenen Tests zur Brotherstellung und ihre

Werte liegen im Allgemeinen unabhängig vom Dün­

gungsverfahren sehr nahe beieinander. Die Sorte Premio

entwickelt das unvorteilhafteste Brotvolumen und das

Volumen wird durch eine Intensivierung der Stickstoff­

düngung nicht verbessert.

Anteile der verschiedenen Proteine

Die Anteile der Glutenine mit hohem Molekulargewicht

(HMG) und niedrigem Molekulargewicht (NMG) variie­

ren mit den verschiedenen Düngungsverfahren nur sehr

wenig (Abb. 8). Im Gegensatz dazu lässt sich eine signi­

fikante Zunahme des Anteils der Albumine und Globu­

line sowie eine Verringerung des Anteils der Gliadine

beobachten. Während bei steigendem Proteingehalt

die prozentualen Anteile der hochmolekularen und

Abb. 6 | Einfluss des Düngungsverfahrens und der Sorte auf den Glutenindex (A), den Zeleny-Index (B), den Dehnwiderstand des Teigs (C) und die Dehnbarkeit (D), jeweils errechnet aus dem Durchschnitt von sechs Kombinationen Standort x Jahr (Changins 2011–2013 und Goumoens 2011–2013, die in den Varianzanalysen als Wiederholungen angesehen werden). Die Werte bei den Düngungsverfahrens mit insgesamt 140 kg N/ha sind rot umrahmt. Die Grossbuchstaben deuten auf signifikante Unterschiede (P < 0,05) zwischen den Durchschnitten der jeweiligen Düngungsverfahrens.

C BC BC BC B A A D C B A A A A

C B AB AB AB AB AB A A A A A A

A B

C D

50 55 60 65 70 75 80 85 90 95

100

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N

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0-80

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0-60

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BLÜ

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-80

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0-40

-80

BLÜ

V8:2

0-40

-140

BLÜ

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

V1:0

N

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0-80

V3:4

0-60

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BLÜ

0 20406080

100120140

V1:0

N

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0-80

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FB

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0-60

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BLÜ

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FB

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0-40

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BLÜ

V8:2

0-40

-140

BLÜ

-4010 60

110160210260

V1:0

N

V2:6

0-80

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FB

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0-60

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BLÜ

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BLÜ

V8:2

0-40

-140

BLÜ

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mm

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l)

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(%)

Dehn

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Pflanzenbau | Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Aufteilung auf die Backqualität von Weizen

94

niedermolekularen Glutenine stabil bleiben (Abb. 9A

und 9B), steigt der prozentuale Anteil der Albumine

und Globuline (Abb. 9C) und der prozentuale Anteil der

Gliadine nimmt ab (Abb. 9D). Diese Ergebnisse decken

sich mit den Resultaten von Dandan et al. (2013), wider­

sprechen aber den Ergebnissen von Daniel et al. (2000)

und Lebrun et al. (2001), die zeigten, dass der Anteil der

Gliadine mit zunehmender Stickstoff­Gesamtdosis und

steigendem Proteingehalt wächst. Diese Autoren beob­

achteten wie wir, dass der Gluteningehalt nicht von der

Stickstoffdüngung, aber wesentlich durch die Sorte

beeinflusst wird. Die verschiedenen Studien lassen sich

aber nur mit Vorbehalten vergleichen, da sich die ange­

wendeten Düngungsverfahren stark unterscheiden.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei gleichbleibender

Stickstoffdosis von 140 kg N/ha die Aufteilung des Stick­

stoffs die Anteile der verschiedenen Proteine beein­

flusst. In zahlreichen Studien (Gupta et al. 1992; Meta­

kovsky et al. 1997; Branlard et al. 2001; Eagles et al.

2002) wurde nachgewiesen, dass die Glutenine den

günstigsten Einfluss auf die Backqualität ausüben. Die

Gliadine haben eine zwar geringere, aber ebenfalls vor­

teilhafte Wirkung auf die Backqualität. Die zu den Glu­

tenproteinen gehörenden Glutenine und Gliadine

spielen eine wichtige Rolle für die rheologischen Eigen­

schaften des Teiges (Dehnwiderstand des Teiges, Dehn­

barkeit, Zähigkeit) und für das Endvolumen des Brotes.

Die Gliadine beeinflussen eher die Dehnbarkeit, die

Glutenine eher die Zähigkeit und die Elastizität des Tei­

ges. Albumine und Globuline sind kleine Proteine, die

Abb. 7 | Einfluss des Düngungsverfahrens und der Sorte auf das Volumen von Kastenbrot (A), von Brot aus Kältetechnologie (B) und von Gross-brot (C) sowie Bewertung der Grossbackversuche (D), jeweils errechnet aus dem Durchschnitt der drei Jahre (2011–2013, die in den Varianzana-lysen als Wiederholungen angesehen werden; die Proben der beiden Standorte wurden vor den Backversuchen gemischt). Die Werte bei den Düngungsverfahrens mit insgesamt 140 kg N/ha sind rot umrahmt. Die Grossbuchstaben deuten auf signifikante Unterschiede (P < 0,05) zwischen den Durchschnitten der jeweiligen Düngungsverfahrens.

A B

C D

300

F DE BC CD BC A A

D C BC BC AB AB A

B A A A A A A

C B A A A A A

350

400

450

500

550

600

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N

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Volu

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Käl

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l)

350

400

450

500

550

600

650

700

750

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0-80

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BLÜ

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FB

V6:2

0-40

-80

BLÜ

V8:2

0-40

-140

BLÜ

2500 2700 2900 3100 3300 3500 3700 3900 4100 4300

V1:0

N

V2:6

0-80

V3:4

0-60

-40

FB

V4:4

0-60

-40

BLÜ

V5:2

0-40

-80

FB

V6:2

0-40

-80

BLÜ

V8:2

0-40

-140

BLÜ

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

V1:0

N

V2:6

0-80

V3:4

0-60

-40

FB

V4:4

0-60

-40

BLÜ

V5:2

0-40

-80

FB

V6:2

0-40

-80

BLÜ

V8:2

0-40

-140

BLÜ

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Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Aufteilung auf die Backqualität von Weizen | Pflanzenbau

95

Abb. 8 | Einfluss des Düngungsverfahrens auf den Anteil der verschiedenen Weizenproteine, errechnet aus dem Durchschnitt von vier Sorten und sechs Kombinationen Standort x Jahr. Die Grossbuchstaben deuten auf signifikante Unterschiede (P < 0,05) zwischen den Durchschnitten der jeweiligen Düngungsverfahren. HMG = hohes Molekulargewicht; NMG = niedriges Molekulargewicht.

Glutenine HMG

V1:=ON V2:60-80 V3:40-60-40 FB V4:40-60-40 BLÜ

Glutenine NMG Gladine Albumine + Globuline

V5:20-40-80 FB V6:20-40-80 BLÜ V8:20-40-140 BLÜ

0

5

10

15

20

25

30

35

40

%

A A A A A A A

A A A A A A A

A B B B B D D D BC B B B A A

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 88–97, 2016

Abb. 9 | Beziehung zwischen dem Proteingehalt und dem Anteil der verschiedenen Weizenproteine: Glutenine HMG (A), Glutenine NMG (B), Albumine und Globuline (C) sowie Gliadine (D). n = 28, 7 Düngungsverfahren x 4 Sorten.

0

Prot

eing

ehal

t (%

)Pr

otei

ngeh

alt (

%)

Prot

eing

ehal

t (%

)Pr

otei

ngeh

alt (

%)

A B

Anteil Glutenine HMG (%) Anteil Glutenine NMG (%)

C D

Anteil Albumine und Globuline (%) Anteil Gliadine (%)

02468

10121416

02468

10121416

02468

10121416

02468

10121416

5 10 15 20 25 30 35 40

0 2 4 6 8 10 12 14 18,5 19 19,5 20 20,5 21 21,5 22

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

y = -0,488x + 29,635R2 = 0,683

y = -0,410x – 1,118R2 = 0,677

y = -0,999x – 24,085R2 = 0,158

y = -0,232x + 17,510R2 = 0,021

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Pflanzenbau | Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Aufteilung auf die Backqualität von Weizen

96

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Agrarforschung Schweiz 7 (2): 88–97, 2016

hauptsächlich in der Aleuronschicht der Körner zu fin­

den sind und wenig Einfluss auf die Backqualität haben

(Singh et al. 1991). Diesen Proteinen fällt im Wesentli­

chen eine enzymatische Funktion zu (Alpha­Amylase,

Beta­Amylase, Protease).

Diese Ergebnisse zu den Anteilen der verschiedenen

Proteine erklären, weshalb die rheologischen Eigen­

schaften des Glutens auch bei hohem Proteingehalt

nicht verbessert werden.

Sch luss fo lgerungen

Bei derselben Stickstoffdünger­Menge (140 kg N/ha)

kann der Proteingehalt um durchschnittlich 0,5 Prozent­

punkte erhöht werden, wenn die Düngergabe aufge­

teilt und bei der letzten Gabe 80 kg N/ha ausgebracht

wird. Eine hohe letzte Gabe erhöht den Proteingehalt

jedoch nur, wenn die Boden­ und Klimabedingungen die

Aufnahme des Stickstoffs zulassen.

Durch die Aufteilung der Düngung auf drei statt

zwei Gaben steigt der Feuchtgluten­gehalt und die Qua­

lität der Proteine signifikant (Zeleny­Index, Brotvolumen

bei drei Backversuchen). Für die Produktion von Weizen

der Qualität Top ist die Düngungsmethode mit einer

Aufteilung in drei Gaben (20­40­80 kg N/ha, mit der letz­

ten Gabe beim Erscheinen des Fahnenblattes) sehr emp­

fehlenswert.

Die Zunahme des Proteingehalts bei bestimmten

intensiven Düngungsverfahren (V4, V6 und V8) ist nicht

mit einer Verbesserung der Qualität des Glutens verbun­

den: die Werte für den Zeleny­Index, den Dehnwider­

stand des Teiges, den Gluten­Index und das Volumen von

Brot aus Kältetechnologie stagnieren oder vermindern

sich sogar mit der Intensivierung der Stickstoffdüngung.

Dieses Ergebnis lässt sich mit der Stagnation des Anteils

der Glutenine und mit der deutlichen Abnahme der Glia­

dine zugunsten der Albumine und Globuline erklären.

Der Proteingehalt des Weizens lässt sich am einfachs­

ten durch die Sortenwahl beeinflussen. Von den geteste­

ten Sorten erreicht Runal bei diesem Merkmal die besten

Ergebnisse. Obwohl die Sorte CH Claro einen etwas tie­

feren Proteingehalt aufweist, erweist sie sich bei den

Tests zum rheologischen Verhalten und zur Backqualität

der Sorte Runal als ebenbürtig. n

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Einfluss der Stickstoffdüngung und ihrer Aufteilung auf die Backqualität von Weizen | Pflanzenbau

97

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Influence of splitting the application of

nitrogenous fertilisers on the baking quality

of wheat

Certain types of bread products require a

high protein content and well-defined

rheological qualities. Although Swiss

wheat varieties have a high protein

content, said content fluctuates a great

deal, and in some years is too low for

breadmaking. From 2011 to 2013, a study

was carried out on four varieties of wheat

and seven nitrogen fertiliser application

methods. The aim was on the one hand to

analyse the influence of the nitrogen

fertiliser (dose and splitting of application)

on protein levels, and on the other to

examine the relationship between the

protein levels of the varieties and their

rheological and baking qualities.

The splitting of nitrogenous fertiliser

applications into three rather than two

doses not only significantly increases wet

gluten content, but also substantially

improves qualitative properties. A 20-40-80

kg N/ha split with a final dose when the

flag-leaf appears is ideal for increasing wet

gluten content without affecting either

rheological quality or yield. This split can

be recommended when cultivating ‘Top’

class varieties. The results also show that

an increase in protein content does not

necessarily improve gluten quality, since

several parameters stagnate or decrease

when nitrogen fertilisation is intensified.

This observation can be explained by the

stagnation in the proportion of glutenins,

as well as by a decrease in gliadins in

favour of albumins and globulins.

No matter what nitrogenous fertilisation

method is used, the variety ‘Runal’ always

achieves the best protein levels. Despite its

lower protein content, the variety ‘CH

Claro’ obtains equivalent results to Runal

in the rheological and baking tests.

Key words: nitrogen fertilization, winter

wheat, varieties, protein, baking quality,

dough properties.

Influenza della concimazione azotata e del

suo frazionamento sulla qualità del grano

destinato alla panificazione

Alcuni tipi di panificazione necessitano di

tenori proteici elevati e di qualità reologiche

ben definite. Sebbene il tasso proteico delle

varietà svizzere di grano sia elevato, è

soggetto a forti variazioni e in certi anni si

rivela insufficiente per la panificazione. Dal

2011 al 2013 è stato condotto uno studio su

quattro varietà di grano e su sette proce-

dure di concimazione azotata. Da una parte,

è stata analizzata l’influenza della concima-

zione azotata (dose e frazionamento) sul

tasso proteico e, dall’altra, è stata esaminata

la relazione tra il tasso proteico e i criteri

reologici e di panificazione delle varietà.

Il frazionamento in tre apporti azotati (al

posto di due) aumenta in modo significativo

il tenore di glutine umido, ma anche le sue

proprietà qualitative. Un frazionamento di

20-40-80 kg N/ha, con un ultimo apporto

quando compare l’ultima foglia, è ideale per

aumentare il tenore di glutine umido senza

intaccare né la qualità reologica né la resa.

Questo frazionamento può essere raccoman-

dato per la coltivazione delle varietà della

classe TOP. I risultati mostrano che un

aumento del tenore proteico non porta

necessariamente a una migliore qualità del

glutine, in quanto diversi parametri restano

invariati o diminuiscono con l’intensifica-

zione della concimazione azotata. Questo

dato di fatto può essere spiegato sia con

l’invariabilità della proporzione delle

glutenine sia con la diminuzione delle

gliadine a vantaggio delle albumine e

globuline.

Qualunque sia la procedura di concimazione

azotata usata, la varietà Runal ottiene

sempre i migliori tassi proteici. Nonostante

presenti dei tenori proteici più scarsi, la

varietà CH Claro ottiene risultati equivalenti

a quelli della Runal nei test reologici e di

panificazione.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 88–97, 2016

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98 Agrarforschung Schweiz 7 (2): 98–103, 2016

Anwendung der Bekämpfungsschwellen und Warndienste in der Schweiz

Hans Ramseier¹, Magali Lebrun¹ und Thomas Steinger²

¹Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, 3052 Zollikofen, Schweiz

²Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 1260 Nyon, Schweiz

Auskünfte: Hans Ramseier, E-Mail: [email protected]

P f l a n z e n b a u

Abb. 1 | Gemäss Direktzahlungsverordnung sind die Landwirte ver-pflichtet, bei direkten Pflanzenschutzmassnahmen die Bekämpfungs-schwellen zu berücksichtigen und Warndienste und Prognosesysteme anzuwenden.

E i n l e i t u n g

Gemäss Direktzahlungsverordnung (DZV) Art. 18 sind die

Landwirte in der Schweiz verpflichtet, bei direkten Pflan­

zenschutzmassnahmen Schadschwellen sowie Empfeh­

lungen von Prognose­ und Warndiensten zu berücksichti­

gen (BLW 2015; Abb.1). In der offiziellen Liste der

Bekämpfungsschwellen (BKS) im Feldbau sind über 70

Schwellen aufgeführt (Agridea 2015), welche gemäss DZV

zur Anwendung kommen sollten. Aus Rückmeldungen

von den Kantonalen Pflanzenschutzdiensten und Mitglie­

dern der schweizerischen Arbeitsgruppe Bekämpfungs­

schwellen im Feldbau muss davon ausgegangen werden,

dass BKS in der Praxis stark an Bedeutung verloren haben

und kaum mehr angewendet werden. Zu diesem vermu­

teten Rückgang dürften mehrere Gründe beigetragen

haben wie etwa veraltete Schwellenwerte, sich ändernde

Rahmenbedingungen (Preise, Kosten, Qualitätsansprü­

che) und vermehrtes Auftreten von «Begleitschaderre­

gern» (z.B. Fusarienbefall nach Maiszünslerbefall). Aber

auch komplizierte und zeitaufwändige Erhebung der

Schwellenwerte, allgemein fehlende Zeit für die Erhe­

bung der Schwellen und immer mehr Spritzarbeiten

durch Lohnunternehmer könnten Gründe für die Nicht­

anwendung der Schwellen sein. Im Rahmen eines laufen­

den Forschungsprojektes «Bekämpfungsschwellen im

Feldbau»1, in dem die BKS in drei Wichtigkeitskategorien

eingeteilt werden und die wichtigsten Schwellen wissen­

schaftlich überprüft werden, wurde auch eine Umfrage

bei Landwirten und Lohnunternehmern durchgeführt,

um herauszufinden in welchem Ausmass die Bekämp­

fungsschwellen heute in der Praxis angewendet werden.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e n

Mittels eines standardisierten Fragebogens wurde im

Winter 2013/14 eine anonyme Umfrage bei Landwirten

und Lohnunternehmern durchgeführt. Neben allgemei­

nen Fragen zum Betrieb (Landwirt und/oder Lohnunter­

nehmer, Grösse des Betriebes und Standortkanton)

wurde in erster Linie erfragt, welche BKS wie häufig

angewendet werden. Ebenfalls erfasst wurde die

Bekanntheit und Anwendung von Prognosesystemen

und Warndiensten.

Der Fragebogen wurde in den Ackerbaukantonen

der Schweiz über die kantonalen Pflanzenschutz­

dienste an die Landwirte verteilt, respektive verschickt.

Zudem konnte der Fragebogen beim Fachverband

«Lohnunternehmer Schweiz» einem Vereinsversand

beigelegt werden.

Total wurden 477 Fragebogen zurück geschickt. Aus

den Kantonen Schaffhausen (105 Fragebogen), Bern

(99), Waadt (79), Freiburg (70) und Jura (69) stammten

die meisten Fragebogen. In der eigentlichen Auswer­

tung konnten 456 Fragebogen verwendet werden. Die

meisten (76,7%) entfielen auf die Kategorie Landwirte,

18,1% auf Landwirte, welche Spritzarbeiten im Lohn

ausführen und nur 1,3% auf reine Lohnunternehmer.

1Die Studie wird vom Bundesamt für Landwirtschaft BLW finanziert, von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften, Agroscope Changins und den kantonalen Pflan-zenschutzdiensten durchgeführt.

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Anwendung der Bekämpfungsschwellen und Warndienste in der Schweiz | Pflanzenbau

99Agrarforschung Schweiz 7 (2): 98–103, 2016

Gemäss Direktzahlungsverordnung sind die

Schweizer Landwirte verpflichtet, bei direkten

Pflanzenschutzmassnahmen Schadschwellen

sowie Empfehlungen von Prognose- und

Warndiensten zu berücksichtigen. Um abschät-

zen zu können, wie gut diese Vorgabe im

Feldbau noch befolgt wird, wurde 2013-2014

eine anonyme Umfrage bei Landwirten und

Lohnunternehmern durchgeführt. Insgesamt

wurden 477 Fragebogen zurückgeschickt, 456

konnten für die Auswertung berücksichtigt

werden. Die Resultate zeigen, dass die Bekämp-

fungsschwellen bei Unkräutern und Ungräsern

nur noch sehr bedingt angewendet werden. Als

Gründe wurden die fehlende Zeit und eine

bekannte Verunkrautung angegeben. Insgesamt

deutlich besser sieht die Situation bei den

Krankheiten aus. Am häufigsten wird die

Bekämpfungsschwelle bei den Blattflecken in

Zuckerrüben angewendet. 81% der Landwirte

gaben an, die Bekämpfungsschwelle immer

oder häufig anzuwenden. Am wenigsten

Beachtung findet die Bekämpfungsschwelle von

Rhizoctonia bei Kartoffeln. 47% der Befragten

wenden die Schwelle nie oder selten an. Bei den

Schädlingen wird die Bekämpfungsschwelle am

häufigsten angewendet, insbesondere bei

Schädlingen, welche ein hohes Schadenspoten-

zial haben und die Bekämpfungsschwelle

einfach und präzis mit wenig Zeitaufwand

erhoben werden kann. Dies ist zum Bespiel

beim Rapsglanzkäfer der Fall. 92,6% der

Antwortenden gaben an, die Schwelle immer

oder häufig anzuwenden. Die vorhandenen

Prognosesysteme Phytopre und Fusaprog sind

vielen Landwirten nicht bekannt und werden

wenig genutzt. Warndienste werden dagegen

von sehr vielen Landwirten genutzt. 87% gaben

an, dass sie die Warndienste in der Fachpresse

immer oder häufig nutzen. Auch die kantonalen

Beratungsdienste werden als Informations-

quelle geschätzt. Die Studie zeigt auf, in

welchen Bereichen zusätzliches Potenzial zur

Verminderung von Risiken beim Einsatz von

Pflanzenschutzmitteln besteht.

Einige Fragebogen konnten keiner Kategorie zugeord­

net werden. Eine Rücklaufquote konnte nicht bestimmt

werden, da keine Kontrolle darüber bestand, wie viele

Fragebogen effektiv verteilt wurden.

Ausgewertet wurden die Daten mittels Excel, der Sta­

tistik­ und Analysesoftware Statistical Package for the

Social Sciences 21 (SPSS 2012) und der freien Software R,

Version 3.1.3. Für die Identifikation von signifikanten

Unterschieden wurden ein Chi­Quadrat­Test (Hope 1968;

Patefield 1981; Agresti 2007) und ein Chi­Quadrat Post­

Hoc­Test aus dem R­Package fifer (Fife 2015) verwendet.

Der Post­Hoc­Test ermöglicht multiple paarweise Ver­

gleiche auf der Basis des Fisher Exact Tests (Fisher 1966).

R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n

Herbizid-Einsatz in Getreide (Unkräuter und Ungräser)

Auf eine detaillierte Befragung zur Anwendung von

Schwellenwerten bei der Bekämpfung einzelner Unkräu­

ter und Ungräser wurde verzichtet. Wichtig war, heraus­

zufinden, ob Landwirte überhaupt noch in die Felder

gehen und Unkraut­Auszählungen machen. 63% der

befragten Landwirte gaben an, nie oder selten die

Bekämpfungsschwelle anzuwenden, 25,8% wenden sie

häufig und 11,2% immer an. Im Kanton Bern wenden

die Landwirte die Bekämpfungsschwelle signifikant häu­

figer an, als in den Kantonen Freiburg und Jura. Als

Begründung, warum die Bekämpfungsschwelle nicht

angewendet wird, wurde recht häufig die fehlende Zeit

angegeben. Ebenfalls recht häufig wurde argumentiert,

man kenne ja die Verunkrautung auf den einzelnen Par­

zellen und wisse, ob eine Behandlung nötig sei.

Anwendung der Bekämpfungsschwellen bei Krankheiten

Die Auswertung der Fragebogen beinhaltet im Folgen­

den nur Produzenten, welche nach ÖLN produzieren.

Extenso­Produzenten von Raps und Getreide wurden

ausgeschlossen. Bei den meisten Krankheiten werden die

Bekämpfungsschwellen häufiger beachtet als bei den

Unkräutern (Abb. 2).

Am häufigsten wird die Bekämpfungsschwelle bei

den Blattflecken in den Zuckerrüben beachtet. Die Kate­

gorie «immer» (52%) und «oft» (29%) wurde in 81% der

Antworten angekreuzt. Nur 19% wenden die Bekämp­

fungsschwelle selten oder nie an. Dieses erfreuliche

Resultat ist möglicherweise auf die intensive Beratung

und Sensibilisierung in der Fachpresse zurückzuführen.

Am wenigsten Beachtung findet die Bekämpfungs­

schwelle von Rhizoctonia bei Kartoffeln. 47% der

Befragten wenden die Schwelle nie oder selten an.

Die Anwendung der Bekämpfungsschwelle im

Getreide ist bei den verschiedenen Krankheiten recht

Zusa

mm

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ng

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Pflanzenbau | Anwendung der Bekämpfungsschwellen und Warndienste in der Schweiz

100

ähnlich. Ungefähr ein Viertel (bei Netzflecken, Septoria,

DTR (Drechslera tritici­repentis), Braunrost, Gelbrost) bis

ein Drittel (bei Halmbruch, Mehltau) aller Befragten gab

an, die Bekämpfungsschwelle immer anzuwenden.

Anwendung der Bekämpfungsschwellen bei den Schäd-

lingen

Schädlinge spielen eine sehr unterschiedliche Rolle im

Ackerbau. Einige können zu einem grossem Ertragsaus­

fall führen wie zum Beispiel der Rapsglanzkäfer, bei

anderen wie zum Beispiel Rapserdfloh oder Erbsenwick­

ler gibt es Anzeichen, dass die Bedeutung und die Schä­

den in den letzten Jahren eher zugenommen haben. Die

Resultate zeigen, dass bei den Schädlingen (Abb. 3) die

Bekämpfungsschwellen deutlich häufiger angewendet

werden als bei den Unkräutern/Ungräsern und bei den

Krankheiten (Ausnahme Blattflecken in Zuckerrüben).

Beim Rapsglanzkäfer haben 69.1% der Befragten ange­

geben, dass sie die Bekämpfungsschwelle immer erhe­

ben. Ebenfalls hohe bis sehr hohe Werte erreichen Blatt­

läuse in den Erbsen (64,0%), Erbsenblattrandkäfer

(58,7%), Getreidehähnchen (57,3%), Getreideblattläuse

(56,7%) und der Erbsenwickler (52,2%). Das sind alles

Schädlinge, bei welchen das Erreichen der Bekämpfungs­

schwelle mit relativ wenig Zeitaufwand und einfach

bestimmt werden kann. Dies dürfte vermutlich der

Hauptgrund dafür sein, dass die Landwirte diese Schwel­

len im Feld erheben, neben regelmässigen Hinweisen in

der Fachpresse. Am wenigsten beachtet wird die Bekämp­

fungsschwelle beim Maiszünsler, wo 42,6% der Antwor­

tenden die BKS nie bestimmen. Ebenfalls wenig beachtet

wird die BKS bei Rapsblattwespen (37,3% mit der Ant­

wort nie), Rapsblattläusen (36,8%) und Eulenraupen

(32,5%). Wenn man die beiden Klassen «nie» und «sel­

ten» zusammenfasst, ergibt sich die Reihenfolge Raps­

blattläuse (62,4%), Rapsblattwespen (60,8%) Maiszünsler

(59,9%), Eulenraupen (51,2%). Mit Ausnahme des Mais­

zünslers handelt es sich dabei um eher unbedeutende

Schädlinge, welche nur sporadisch auftreten und selten

wirtschaftlich grössere Schäden anrichten. Dies könnte

eine Erklärung für die Resultate sein. Erstaunlich ist

jedoch das Resultat beim Maiszünsler. Obwohl ein gut

bekannter Maisschädling, erheben nur 40% der Befrag­

ten die Bekämpfunsschwelle immer oder häufig. Aus den

Kommentaren kann gefolgert werden, dass ein Teil der

Landwirte sowieso Trichogrammen bestellt und deshalb

gar nicht erst ins Feld geht, um die Bekämpfungsschwelle

zu erheben. Ein weiterer Grund könnte sein, dass die

Schwelle bereits im Vorjahr vor der Ernte des Maises

erhoben werden muss.

Der Fragebogen hat es erlaubt, eine Aufschlüsselung

der Daten nach Betriebsgrösse zu machen. Es wurden

drei Klassen gebildet:

• Kleine Betriebe: <20ha

• Mittelgrosse Betriebe: 20­40ha

• Grosse Betriebe: >40ha

Die Analyse hat gezeigt, dass es in Bezug auf die

Anwendung von Bekämpfungsschwellen nur geringe

Unterschiede gibt zwischen den Betriebsgrössen. Einzig

bei den Getreideblattläusen, den Getreidehähnchen

und beim Rapserdfloh gab es statistisch gesicherte

Unterschiede: kleine Betriebe wenden die Bekämp­

fungsschwelle weniger häufig an gegenüber grossen

Betrieben.

Anwendung von Prognosesytemen

Gemäss Direktzahlungsverordnung müssen die Land­

wirte nicht nur die Schadschwellen anwenden, sondern

sie müssen auch die Empfehlungen von Prognose­ und

Warndiensten berücksichtigen. Deshalb wurden zu die­

100 10080 8060 6040 4020 200

nie

selten

oft

immer

Rhizoctonia Kartoffeln n=103

Blattflecken ZR n=265

Netz-, Blattflecken, Gerste n=121

Septoria, DTR Getreide n=148

Braunrost Getreide n=139

Gelbrost Getreide n=129

Mehltau Getreide n=136

Halmbruch Getreide n=111

Abb.2 | Anwendung der Bekämpfungsschwellen bei Krankheiten in Getreide (ohne Extenso), Zuckerrüben (ZR) und Kartoffeln in Prozent der Antworten, eingeteilt in die Kategorien die Bekämpfungsschwelle wird nie, selten, oft, immer angewendet.

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Anwendung der Bekämpfungsschwellen und Warndienste in der Schweiz | Pflanzenbau

101

sem Thema in der Umfrage entsprechende Fragen

gestellt (Abb .4). Gefragt wurde, ob die beiden Infor­

mations­ und Prognosesysteme Phytopre (Warn­ und

Prognosesystem zur Bekämpfung der Kraut­ und Knol­

lenfäule in den Kartoffeln) und Fusaprog (Informati­

onssystem zur Risikobeurteilung von Fusarienbefall

und Mykotoxinbelastung im Getreide) einerseits

bekannt sind und andererseits angewendet werden. In

der Auswertung wurden nur diejenigen Landwirte auf­

geführt, welche bei Phytopre auch Kartoffeln respek­

tive bei Fusaprog auch Getreide (in Nicht­Extenso)

anbauen.

Das Resultat ist erstaunlich. Fast ein Drittel der Kar­

toffelproduzenten kennen das Informations­ und Prog­

nosesystem Phytopre nicht. Von denjenigen, welche das

Angebot kennen, wenden es nicht einmal die Hälfte

immer oder oft an. Noch deutlich schlechter sieht die

Situation beim Prognosesystem Fusaprog aus. 60% der

Getreideproduzenten kennen das Programm nicht. Bei

den Landwirten, die das Programm kennen, fehlt häufig

eine Begründung, warum sie es nicht anwenden. Als

Begründung wird etwa angegeben, dass die Warn­

dienste in der Presse berücksichtigt werden (wo die

Empfehlungen von Fusaprog auch einfliessen), eine

Abb.3 | Anwendung der Bekämpfungsschwellen bei Schädlingen in Prozent der Antworten, eingeteilt in die Kategorien die Bekämpfungs-schwelle wird nie, selten, häufig, immer angewendet (ZR=Zuckerrüben). Bei Getreide und Raps beziehen sich die abgebildeten Werte auf Nicht-Extenso-Anbau.

Abb.4 | Anwendung von Informations- und Prognosesystemen in Prozent der Antworten.

Erbsenwickler n=67

Erbsenblattläuse n=86

Erbsenblattrandkäfer n=75

Rapsblattläuse n=96

Schotenrüssler n=147

Rapsglanzkäfer n=224

Rapsstängelrüssler n=216

Rapsblattwespen n=85

Rapserdflöhe n=115

Maiszünsler n=202

Kartoffelblattläuse n=100

Kartoffelkäfer n=137

ZR Eulenraupen n=123

ZR Schwarze Blattläuse n=136

ZR-Erdflöhe n=136

Getreideblattläuse n=97

Getreidehähnchen n=110

100 10080 8060 6040 4020 200

nie

selten

oft

immer

80

Fusaprog n=130

Phytopre n=122

Prozent der Antworten

8060 6040 4020 200

nie

selten

oftimmer

kenneich nicht

80 80100 100

Prozent der Antworten

60 6040 4020 200

nie/seltenoft/immer

kenneich nicht

Chemische Industrien=403a

Fenaco-Beratungn=342b

Offizialberatung Kant.n=401c

Fachpressen=439d

Abb.5 | Berücksichtigung von Warndiensten. Angaben in Prozent der Antworten. Chi-Quadrat Post hoc Test, unterschiedliche Hochbuchsta-ben kennzeichnen signifikante Unterschiede (P<0,05).

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Pflanzenbau | Anwendung der Bekämpfungsschwellen und Warndienste in der Schweiz

102

Zusammenarbeit mit dem Pflanzenschutzberater besteht

oder kein Internet­Anschluss vorhanden ist. Es ist sehr

erstaunlich, dass erprobte und gute Instrumente wie

Phytopre und Fusaprog nicht besser bekannt sind res­

pektive so schlecht genutzt werden.

Berücksichtigung von Warndiensten

Es interessierte auch, wo die Landwirte die Informatio­

nen und Entscheidungshilfen holen. Eine hohe Anzahl

der Befragten hat auf diese Frage geantwortet. Dies

deutet darauf hin, dass den Warndiensten eine hohe Pri­

orität eingeräumt wird (Abb. 5). Viele Befragte benüt­

zen mehrere Warndienste zur Information. Für die

statistische Auswertung wurden die Klassen «nie» und

«selten» sowie «oft» und «immer» zusammengefasst.

Am intensivsten genutzt wird die Fachpresse. 87% der

Antwortenden gaben an, dass sie die Warndienste in der

Fachpresse immer oder häufig nutzten, was doch als sehr

hoher Wert bezeichnet werden kann. Aber auch die kan­

tonalen Beratungsdienste werden als Informations­

quelle sehr geschätzt. 70% der Antwortenden geben an,

diese Quelle immer oder häufig zu nutzen. Etwas weni­

ger oft werden Informationsquellen der chemischen

Industrie und des Fenaco­Beratungsdienstes genutzt.

Insgesamt sind diese Resultate als sehr erfreulich zu

werten. In den Kommentaren wird mehrfach erwähnt,

dass die Fachpresse und die kantonalen Beratungs­

dienste geschätzt werden, weil sie fachlich gut beraten,

neutral sind und eine wertvolle Entscheidungshilfe dar­

stellen. Einige Landwirte erwähnen auch, dass die Warn­

dienste dazu veranlassen, eine Feldkontrolle durchzu­

führen, welche dann über eine Behandlung entscheidet.

Als Mangel wird angegeben, dass die Informationen und

Empfehlungen für gewisse Regionen zu spät kommen.

Als besonders wertvoll werden SMS­Dienste von einigen

Beratungsdiensten erwähnt. Die Antworten der

Umfrage zeigen auf, dass über die Fachpresse und die

kantonalen Beratungsdienste doch ein grosses Potenzial

vorhanden ist, um die Landwirte gezielt zu informieren

und in ihren Entscheidungen zu unterstützen.

Sch luss fo lgerungen

Mit insgesamt 477 zurückgeschickten Fragebogen

kann die Umfrage als Erfolg gewertet werden. Der

Aufbau des Fragebogens und die gestellten Fragen

können im Rückblick als gut eingestuft werden. Der

grösste Teil der Fragen wurde von den Antwortenden

offensichtlich verstanden und beantwortet. Insgesamt

dürften die Antworten betreffend der Anwendungs­

häufigkeit der BKS etwas zu positiv ausgefallen sein.

So kontrastiert etwa die hohe Anwendungshäufigkeit

der BKS beim Rapsglanzkäfer (93% der Antwortenden

erheben die BKS immer oder häufig) mit dem Befund,

dass im Raps im Mittel mehr als zwei Insektizidbehand­

lungen durchgeführt werden (de Baan et al. 2015).

Trotz gewisser Vorbehalte dürften die Antworten aber

aussagekräftig sein. Die Einschätzung bezüglich Schad­

potenzial und der Anwendung der Bekämpfungs­

schwellen dürften stimmen.

Die Umfrage zeigt, dass der Erhebung der BKS bei

den Unkräutern nur noch eine geringe Bedeutung zuge­

messen wird und die Landwirte kaum mehr ins Feld

gehen, um die Bekämpfungsschwelle zu erheben. Man­

gelnde Zeit und eine offenbar bekannte Verunkrautung

sind die Hauptgründe. Schon etwas wichtiger werden

die Krankheiten eingeschätzt, insbesondere bei den

Blattflecken der Zuckerrüben wird die BKS häufig erho­

ben. Am Wichtigsten werden die Bekämpfungsschwel­

len bei den Schädlingen wahrgenommen. Besonders

häufig werden die BKS erhoben, wenn folgende Voraus­

setzungen erfüllt sind:

• hohes Schadenspotenzial des Schädlings.

• die BKS einfach und präzis erhoben werden kann.

• für die Erhebung wenig Zeit investiert werden muss.

• regelmässige Aufrufe der Warndienste erscheinen, die

Situation im Feld zu beurteilen.

Interessante Resultate hat die Umfrage auch gelie­

fert bezüglich Anwendung von Prognosesystemen und

Gebrauch von Warndiensten. Es ist erstaunlich, wie

wenige Landwirte die Prognosesysteme Phytopre und

Fusaprog kennen respektive anwenden. Sehr viele Land­

wirte berücksichtigen aber die Warndiensthinweise in

der Presse. Am meisten Beachtung finden die Warn­

dienste in der Fachpresse gefolgt von den Informationen

der Offizialberatung.

Die Umfrage liefert aber auch wichtige Hinweise,

bei welchen weiteren Schaderregern eine Überprüfung,

eventuell auch Vereinfachung der BKS gemacht wer­

den sollte. Daneben sollten aber in Zukunft einfache

Modelle zur Risikoabschätzung von Schaderregern

erarbeitet werden, um einen gezielteren Pflanzen­

schutzmittel­Einsatz anzustreben. Das Potenzial von

Warndiensten über die Fachpresse und die Offizialbera­

tung soll weiterhin konsequent genützt werden. Damit

können die Landwirte davon abgehalten werden,

unnötige Behandlungen durchzuführen. Noch grosses

Potenzial besteht bei den Informations­ und Prognose­

systemen. Diese wertvollen Werkzeuge für einen ange­

passten und gezielten Einsatz von Pflanzenschutzmit­

teln müssen unbedingt besser bekannt gemacht und

der Nutzen aufgezeigt werden. n

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 98–103, 2016

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Anwendung der Bekämpfungsschwellen und Warndienste in der Schweiz | Pflanzenbau

103

Literatur ▪ Agresti A., 2007. An Introduction to Categorical Data Analysis, 2nd ed., New York: John Wiley & Sons. Page 38.

▪ Agridea, 2015. Bekämpfungsschwellen für Massnahmen gegen Schadorga-nismen im Feldbau (ÖLN). Zugang: http://www.agridea.ch/fileadmin/thema-tic/Grandes_cultures-Listes_varietales/Bekaempfungsschwellen_2014.pdf [10.2015].

▪ BLW, 2015. Verordnung über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft. Bundesamt für Landwirtschaft, Bern. 9-10.

▪ De Baan L., Spycher S. & Daniel O., 2015. Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz von 2009 bis 2012. Agrarforschung Schweiz 6, 48–55.

▪ Fife D., 2015. fifer: A collection of miscellaneous functions. R package version 1.0.

▪ Fisher, R. A. (1966). The Design of Experiments (8. Aufl.). Edinburgh: Oliver and Boyd

▪ Hope A. C. A., 1968. A simplified Monte Carlo significance test procedure. J. Roy. Statist. Soc. B 30, 582–598.

▪ Patefield W. M., 1981. Algorithm AS159. An efficient method of generating r x c tables with given row and column totals. Applied Statistics 30, 91–97.

▪ SPSS (2012) IBM SPSS Statistics for Windows, Version 21.0. Armonk, NY: IBM Corp.

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Use of economic damage thresholds, forecasting

systems and warning services in Switzerland

According to Direct Payment regulations, Swiss

farmers are obliged to take into account economic

damage thresholds and the recommendations of

forecasting and warning services before taking

phytosanitary measures. In order to assess how well

these requirements were being fulfilled in arable

farming, farmers and agricultural contractors were

anonymously surveyed in 2013-2014. Out of 477

returned questionnaires, 456 were evaluated. The

results showed that control thresholds for weeds and

grasses were only considered to a limited extent. Lack

of time and a known weed infestation were given as

reasons for this. Control thresholds were better

respected in the treatment of disease. Most commonly,

the control threshold was applied in treating leaf spot

in sugar beets. Eighty-one per cent of farmers stated

that they always or often used the control threshold

for leaf spot. Least attention was paid to the control

threshold in the treatment of Rhizoctonia in potatoes:

47% of respondents never or rarely used the thresh-

old. The control thresholds were most often used

when treating pests, especially pests with a high

potential for causing damage, and for which the

control threshold could be monitored easily and

precisely, with little time expenditure. This was the

case with pollen beetle: 92.6% of respondents stated

that they always or often applied the threshold. The

existing forecasting systems such as Phytopre and

Fusaprog were unknown to many farmers and

therefore not used. The warning services, on the other

hand, were used by many farmers: 87% said that they

always or often used the warning services in the trade

press. The cantonal advisory services were also valued

as a source of information. The study shows the areas

in which there is still additional potential for reducing

risks caused by the use of pesticides.

Key words: plant protection, economic damage

thresholds, forecasting systems, pest alert.

L'utilizzo di soglie di tolleranza e servizi di previ-

sione e d’allarme in Svizzera

Secondo l'ordinanza sui pagamenti diretti, gli

agricoltori svizzeri sono obbligati, quando impie-

gano pesticidi, a prendere in considerazione le soglie

di tolleranza (o d’intervento), oppure le raccomanda-

zioni dei servizi di previsione e d’allarme. Per

valutare se e in che misura questo requisito è sempre

rispettato nelle colture erbacee, gli autori hanno

condotto un sondaggio anonimo presso agricoltori e

imprenditori nel 2013 e 2014. Dei 477 questionari

restituiti 456 hanno potuto essere analizzati ed

entrare nel progetto. Per quanto riguarda la lotta

contro le erbe infestanti (graminacee a foglia larga), i

risultati mostrano che le soglie di tolleranza vengono

applicate solo in modo molto limitato. Tra le ragioni

indicate si trovano la mancanza di tempo o l’infesta-

zione con una malerba nota. Per le malattie la

situazione è molto migliore. Il livello d'azione più

spesso utilizzato è il foglio illustrativo sulla malattia

foliare nelle barbabietole da zucchero: l'81% degli

agricoltori ha affermato di impiegare "sempre" o

"spesso" la soglia di tolleranza. Al contrario, per

Rhizoctonia questo approccio è nettamente meno

seguito: il 47% degli intervistati ha dichiarato di non

tenerne conto "mai" o solo "raramente". Soglie di

tolleranza considerate frequentemente sono quelle

contro gli insetti nocivi, in particolare quando si

tratta di insetti altamente dannosi e quando gli indici

possono esse identificati facilmente e con precisione

in poco tempo. I meligeti della colza ne sono un

esempio: il 92,6% degli intervistati ha indicato di

applicare "sempre" o "spesso" la soglia. Molti

agricoltori non conoscono i sistemi di previsione già

esistenti, PhytoPRE e FusaProg, che vengono

raramente utilizzati. Tuttavia, sono in molti a

ricorrere ai servizi di avviso. L'87% afferma di fare

"sempre" o "spesso" riferimento all'avviso stampa

dei servizi specializzati. I servizi di divulgazione

agricola cantonali sono anch’essi molto apprezzati

come fonte di informazione. Tramite questo studio è

stato possibile identificare le aree dove vi è un

ulteriore potenziale per ridurre i rischi legati all'uso

di prodotti fitosanitari.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 98–103, 2016

Page 44: AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ · PDF fileterten Tiere, wie eine Schwächung des Immunsystems und eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit. Wie stark diese Wirkungen ausfallen, ... Die Resistenz

104 Agrarforschung Schweiz 7 (2): 104–111, 2016

Kartoffelverluste in der Schweiz vom Feld bis zum Teller

¹Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8356 Ettenhausen, Schweiz

²ETH Zürich, Institut für Umweltentscheidungen, 8092 Zürich, Schweiz

Auskünfte: Christian Willersinn, E-Mail: [email protected]

L e b e n s m i t t e l

Abb. 1 | 15% der Schweizer Speisekartoffeln landen im Abfall. (Foto: Katja Heudorfer)

bisher zu wenige empirische Daten vorhanden waren,

um die Verluste vom Feld bis zum Teller zuverlässig zu

berechnen.

Diese vom Schweizerischen Nationalfonds (Nationa­

les Forschungsprogramm «Gesunde Ernährung und

nachhaltige Lebensmittelproduktion» [NFP 69], www.

nfp69.ch) finanzierte Studie erarbeitete eine Datenbasis,

mit der Kartoffelverluste für Speise­ und Verarbeitungs­

ware vom Feld bis zum Teller in der Schweiz berechnet

werden. Wir beziffern die Unterschiede zwischen Kar­

toffeln, die biologisch und gemäss den Richtlinien des

ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) bzw. von IP­

Suisse produziert werden. Darüber hinaus wurden die

Gründe für die Verluste untersucht. Aufseiten der Kon­

sumenten wird geschaut, inwiefern deren Ansprüche an

Frische und Qualität oder gesetzliche Auflagen die Ver­

luste verursachen (Canali et al. 2014). Darüber wird

E i n l e i t u n g

Das öffentliche Interesse an einer Reduzierung der

Lebensmittelverluste ist aus ökologischen, ökonomi­

schen, sozialen und ethischen Gründen in Europa sehr

gross. Das zeigt sich an einer Vielzahl von Studien, die

sich mit diesem Thema befassen (Beretta et al. 2012;

Katajajuuri et al. 2014; Kranert et al. 2012; Quested und

Johnson 2009). Vergleichsweise hohe Verluste von

40–60% treten laut früheren Schätzungen bei Kartof­

feln und Frischgemüse auf (Gustavsson et al. 2011;

Quested und Johnson 2009), wobei viele Autoren ver­

muten, dass die Konsumentenansprüche an Frische und

Qualität dafür verantwortlich sind. Detaillierte Anga­

ben über den Umfang der qualitätsbedingten Lebens­

mittelverluste, deren Gründe sowie über den Einfluss

der Konsumentenansprüche gibt es jedoch kaum, weil

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Kartoffelverluste in der Schweiz vom Feld bis zum Teller | Lebensmittel

105Agrarforschung Schweiz 7 (2): 104–111, 2016

Diese Studie erhebt aufgrund von Befragungen

die Kartoffelverluste entlang der Wertschöp-

fungskette vom Feld bis zum Teller in der

Schweiz. Die Resultate zeigen, dass 41–46%

aller produzierten Verarbeitungskartoffeln und

53–56% aller Speisekartoffeln nicht vom

Konsumenten verzehrt werden. Diese Verluste

sind aber nicht einfach verloren. Drei Viertel

der Verluste bei Speisekartoffeln und 90% der

Verluste bei Verarbeitungskartoffeln werden

als Tierfutter verwendet. 3–8% der Kartoffel-

verluste werden zur Energieherstellung in

Biogasanlagen genutzt. Von den Verarbei-

tungskartoffelverlusten landen insgesamt nur

etwa 5%, von den Speisekartoffelverlusten

28% im Abfall.

Nebst den Ernteüberschüssen beeinflussen die

Qualitätsstandards die Verlustmenge in gewis-

sen Jahren stark. Über 50% aller Verluste entste-

hen, weil Kartoffeln Qualitätsmängel aufweisen.

Rund ein Drittel aller Knollen mit Qualitätsmän-

geln werden ausgemustert, weil sie gesund-

heitsschädigend sind. Zwei Drittel der Knollen

werden aussortiert, weil sie die Anforderungen

der Handelspartner und Konsumenten an

Frische und Qualität nicht erfüllen.

erhoben, in welchem Ausmass die in den Schweizeri­

schen Handelsusanzen festgelegten Qualitätsstandards

für die Verluste verantwortlich sind.

M e t h o d e

Definition der Lebensmittelverluste

Zu den Verlusten zählen wir alle speziell für den mensch­

lichen Konsum angebauten, prinzipiell essbaren

Bestandteile einer Kartoffel, die nicht vom Menschen

verzehrt werden. Um die Vergleichbarkeit mit anderen

europäischen Studien zu gewährleisten, folgen wir

dabei einer Definition von Östergren et al. (2014), die

Grundlage des Projekts FUSIONS (Food Use for Social

Innovation by Optimising Waste Prevention Strategies)

der Europäischen Union ist. Zum einen gelten demnach

diejenigen Lebensmittel als Verluste, die durch «unsach­

gemässe Erntetechnologien, mangelhafte Lagerung,

Schädlingsbefall, Verarbeitungs­ oder Planungsfehler

verderben und aus dem Produktionsprozess herausge­

nommen werden müssen». Zum anderen zählen solche

Lebensmittel dazu, die «für den Verzehr geeignet sind,

aber infolge mangelnder Nachfrage (Überproduktion),

abgelaufener Mindesthaltbarkeitsdaten oder zu grosser

Portionen entsorgt werden». Gemäss dieser Definition

handelt es sich auch um einen Verlust, wenn ursprüng­

lich für die menschliche Ernährung hergestellte Lebens­

mittel als Viehfutter oder als Substrat für Biogasanlagen

(z. B. aussortierte Kartoffeln auf dem Feld) genutzt wer­

den. Da heute in der Schweiz so gut wie keine Kartoffeln

mehr für Futterzwecke angebaut werden, zählen wir

alle an Tiere verfütterte Kartoffeln zu den Verlusten.

Auch Kartoffelschalen zählen nach dieser Definition zu

den Verlusten, da diese grundsätzlich essbar sind.

Wir berechnen die Verluste bei Speisekartoffeln

vom Feld bis zum Teller für eine hierzulande sehr ver­

breitete Lieferkette, die vom Landwirt über den Gross­

und Detailhandel verläuft und die privaten Haushalte

als Endverbraucher einschliesst. Die Verluste bei der

Verarbeitungsware berechnen wir beispielhaft für eine

Chips­ sowie eine Pommes­frites­Lieferkette, die vom

Feld über den Grosshandel und die Verarbeitungsindus­

trie sowie den Detailhandel in die privaten Haushalte

verläuft. Diese drei Lieferketten machen etwa 80% der

gesamten Schweizer Kartoffelproduktion aus. Da es bei

Kartoffeln nur einen geringfügigen Aussenhandel gibt,

erfassen wir nur die Verluste, die in der Schweiz anfal­

len. Für den Schweizer Kartoffelhandel gelten die

Bestimmungen der «Schweizerischen Handelsusanzen

für Kartoffeln». Darin sind auch die Qualitätsanforde­

rungen an Speise­ und Verarbeitungsware sowie deren

Kontrolle festgelegt.

Zusa

mm

enfa

ssu

ng

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Lebensmittel | Kartoffelverluste in der Schweiz vom Feld bis zum Teller

106

Datengrundlagen

Für die Studie wählten wir ein mehrstufiges Datenerhe­

bungsverfahren. Wir nutzten zuerst alle öffentlich

zugänglichen Datenquellen. Diese kombinierten wir mit

Daten, die uns private Institutionen auf Anfrage zur Ver­

fügung stellten. Alle übrigen Kennzahlen, die danach

noch fehlten, wurden eigens für diese Studie erhoben.

Andreas Keiser von der Hochschule für Agrar­, Forst­

und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) stellte uns seine

in den Jahren 2001 bis 2003 erhobenen Feldversuchsda­

ten zur Abschätzung der qualitätsbedingten Kartoffel­

verluste und deren Ursachen in der Schweiz zur Verfü­

gung. Diese Versuchsdatenbank umfasst Anbau­,

Qualitäts­ und Verlustkennzahlen für mehrere Tausend

Kartoffelknollen, die aus einem über die gesamte

Schweiz verbreiteten, dreijährigen Feldversuch mit ins­

gesamt 821 Parzellen stammen. Für diese Studie wurden

diejenigen Parzellen mit Anbauverfahren und Sorten

ausgewählt, die heute noch in der Schweizer Landwirt­

schaft relevant sind (44 936 Knollen aus biologischem

Anbau; 176 309 Knollen aus integriertem Anbau; für

Speisekartoffeln die Sorten Charlotte und Bintje, für

Verarbeitungskartoffeln die Sorten Agria und Eba).

Der Kartoffelanbau ist in der Schweiz sehr starken wit­

terungsbedingten Schwankungen unterworfen, dies

erklärt die regelmässigen Überschüsse in der Produktion.

Da die hohe Preisdifferenz zwischen der inländischen Pro­

duktion und der Kartoffelproduktion im Ausland einen

Export der Überschüsse praktisch verhindert, müssen

diese Mengen denaturiert, das heisst der tierischen Ver­

wertung zugeführt werden. Auf Anfrage stellte uns Qua­

liservice Schweiz einen Datensatz mit den in den Jahren

2011 bis 2013 in der Schweiz denaturierten Kartoffelmen­

gen (detailliert für den biologischen­ und ÖLN­Anbau

sowie für Speise­ und Verarbeitungsware) zur Verfügung.

Auf den Stufen Grosshandel, Verarbeitung, Detail­

handel waren keine Daten über Verluste und deren

Ursachen verfügbar, weshalb Experteninterviews

durchgeführt wurden. Wir befragten die für den Kar­

toffeleinkauf zuständigen Personen von 14 Schweizer

Unternehmen auf der Grundlage eines standardisierten

Fragebogens (Tab. 1). Der Fragebogen beinhaltete Fra­

gen zur Unternehmensstruktur, zur Kartoffelverarbei­

tungsmenge sowie zu den Verlusten und deren Ursa­

chen. Die befragten Unternehmen decken auf der

jeweiligen Stufe der Lieferkette den Schweizer Kartof­

felmarkt zu 53–94% ab (Tab. 1).

Auf der Stufe Endverbraucher wurde ein Fragebogen

an 2000 zufällig aus dem Telefonbuch ausgewählte Haus­

halte in der deutschsprachigen Schweiz verschickt. Um

realistische Angaben über die Verluste zu erhalten, wurde

die massgeblich für die Essenszubereitung im Haushalt

Anzahl der befragten Unternehmen Marktabdeckung in der Schweiz

Grosshandel (Speisekartoffeln) 3 53%

Grosshandel (Verarbeitungskartoffeln) 2 81%

Verarbeitungsindustrie 4 91%

Detailhandel 5 94%

Tab. 1 | Befragte Unternehmen je Stufe der Kartoffelwertschöpfungskette in der Schweiz.

Tab. 2 | Vergleich der Personen, die lediglich den schriftlichen Fragebogen beantworteten, und den Teilnehmenden, die sowohl den Fragebogen als auch das Konsumententagebuch ausfüllten. M = arithmetisches Mittel, s = Standardabweichung

Teilnehmende, die nur den schriftlichen Fragebogen ausfüllten

Teilnehmende, die den schriftlichen Frage­bogen und das Tagebuch ausfüllten

M s M s

Teilnehmende (Anzahl) 617 87

Geburtsjahr (Jahr) 1956 15,02 1958 13,49

Frauen (Anteil) 73,2 – 79,3 –

Personen im Haushalt 2,6 1,27 2,6 1,22

Personen unter 18 Jahren im Haushalt (Anzahl) 0,5 0,90 0,8 1,04

Personen je Mahlzeit (Anzahl) 2,4 1,17 2,6 1,09

Warme Mahlzeiten je Woche (Anzahl) 6,9 2,25 7,8 1,93

Bildungsniveau (Skala von 0–8) 3,58 2,25 4,22 2,24

Einkommen (Skala von 1–8) 3,67 1,83 3,70 1,56

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 104–111, 2016

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Kartoffelverluste in der Schweiz vom Feld bis zum Teller | Lebensmittel

107

verantwortliche Person nach deren Einkaufs­, Verzehrs­,

Lagerungs­ und Entsorgungsgewohnheiten befragt. Die

Befragten konnten ihre Abfälle (Überschüsse, Rüstabfälle

sowie Speisereste) in einer Skala von 0–40% und grösser

als 40% in jeweils 10­%­Schritten angeben. 704 Personen

sandten einen vollständig ausgefüllten Fragebogen

zurück, wovon 215 bereit waren, ein vierwöchiges Tage­

buch zu führen und den Kartoffelverzehr sowie die dabei

anfallenden Abfälle im Detail zu protokollieren. Davon

wiederum schickten 87 Teilnehmende ein vollständig aus­

gefülltes Tagebuch zurück. Die sozio­ökonomischen

Kennzahlen der teilnehmenden Haushalte zeigt Tabelle 2.

R e s u l t a t e

Verluste bei Speise­ und Verarbeitungskartoffeln fallen

auf nahezu jeder Stufe der Lieferkette an. Die befrag­

ten Experten gaben an, dass vor allem qualitative Män­

gel für die Höhe der Verluste ausschlaggebend sind.

Aus ökonomischen Gründen seien alle Handelspartner

daran interessiert, die Verluste so gering wie möglich zu

halten. Nachfolgend werden die Ergebnisse zur Höhe

der Kartoffelverluste sowie deren Ursachen und deren

Verwendung stufenweise und für die komplette Kette

dargestellt.

Qualitätsbedingte Kartoffelverluste

Die Auswertung der Feldversuchsdaten von Keiser et al.

(2007) ergab, dass im Dreijahresmittel 21% aller nach

ÖLN­ bzw. IP­Suisse­Richtlinien sowie 29% aller nach Bio­

Richtlinien angebauten Speisekartoffeln nicht die Quali­

tätsstandards der Schweizerischen Handelsusanzen erfül­

len. Die Mehrzahl der qualitativen Mängel stellt jedoch

kein Risiko für die Gesundheit der Konsumenten dar.

Lediglich 5–7% der Speisekartoffeln müssen aus Gesund­

heitsgründen (faulige, grüne und angefressene Knollen)

aussortiert werden. Die übrigen Knollen werden aussor­

tiert, da sie die Anforderungen an Frische, Qualität und

Lagerfähigkeit nicht erfüllen.

Die Verarbeitungskartoffeln weisen im Dreijahres­

mittel einen höheren Anteil an mangelhaften Knollen

als Speisekartoffeln auf. 28% (ÖLN und IP­Suisse) bezie­

hungsweise 33% (Bio) aller Knollen sind hier mit Män­

geln entsprechend den Schweizerischen Handelsusan­

zen behaftet. Als Gründe für die höheren qualitativen

Verluste im Vergleich zur Speiseware können Sortenun­

terschiede sowie eine durchschnittlich längere Kultur­

zeit bei Verarbeitungskartoffeln angeführt werden.

Auch hier weisen lediglich 6–7% der Knollen gesund­

heitsgefährdende Mängel auf. Konsumentenpräferen­

zen sowie die Lager­ und Verarbeitungseignung sind

ausschlaggebend für die übrigen Beanstandungen.

ProduktlinieQualitätsbeding­

te VerlusteÜberproduk­

tionGesamt­verlust

Speisekartoffeln (ÖLN, IP-Suisse)

15% 9% 24%

Speisekartoffeln (Bio) 14% 1% 15%

Verarbeitungskartof-feln (ÖLN, IP-Suisse)

17% 8% 25%

Verarbeitungskartof-feln (Bio)

13% 0% 13%

Tab. 3 | Qualitätsbedingte Verluste, Verluste durch Überproduktion und Gesamtverluste auf Stufe Landwirtschaft in der Schweiz. 100% = Gesamtbestand an Kartoffeln zum Erntezeitpunkt im Feld.

Gründe Speisekartoffeln Verarbeitungskartoffeln

ÖLN, IP- Suisse

Bio ÖLN, IP-Suisse Bio

Stufe Grosshandel

QualitätsbedingteVerluste

10% 21% 3% 8%

Lagerungs- undTransportverluste

2% 3% 2% 3%

GrosshändlerTotal

12% 24% 5% 11%

Stufe Verarbeitung

QualitätsbedingteVerluste

2% 2%

Schälverluste 10% 11%

Lagerungs- undTransportverluste

2% 2%

Verarbeitung (Total)

14% 15%

Stufe Detailhandel

Fehlkalkulation 1% 3%

Detailhandel(Total)

1% 3%

Tab. 4 | Verluste und ihre Ursachen auf den Stufen Grosshandel, Verarbei-tung und Detailhandel. Werte stellen gewichtete Mittelwerte aus den Ex-perteninterviews dar. 100% = gesamte Bruttoproduktion im Feld.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 104–111, 2016

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Lebensmittel | Kartoffelverluste in der Schweiz vom Feld bis zum Teller

108

Verluste in der landwirtschaftlichen Produktion

In der Schweiz werden mangelhafte Qualitäten nicht nur

auf Stufe Landwirtschaft, sondern auch auf Stufe Gross­

händler und Verarbeitungsindustrie aussortiert. Die auf

Stufe Landwirtschaft insgesamt anfallenden Verluste

zeigt Tabelle 3: Neben den qualitätsbedingten Verlusten

treten im mehrjährigen Durchschnitt auch Verluste durch

Überproduktion auf. Mechanisch beschädigte Knollen

sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht berücksichtigt, da

sie erst durch die maschinelle Ernte verursacht werden,

während beim Feldversuch von Keiser et al. (2007) jedoch

manuell geerntet und bonitiert wurde. Auf den nachfol­

genden Stufen wurden diese Schäden berücksichtigt.

Verluste bei Gross- und Detailhandel sowie Verarbei-

tungsindustrie

Auf den zwei Stufen (Speisekartoffeln) respektive drei

Stufen (Verarbeitungskartoffeln) zwischen landwirt­

schaftlicher Produktion und privaten Haushalten sind

die Unterschiede zwischen Speise­ und Verarbeitungs­

ware aufgrund unterschiedlicher Prozessschritte sehr

gross. Tab. 4 zeigt die prozentualen Verluste bezogen

auf die Referenzmenge (Bruttoproduktion ab Feld) der

jeweiligen Produktlinie. Die Werte berechnen sich als

gewichteter Mittelwert aus den Experteninterviews

und beziehen sich auf die Dreijahresmittelwerte der

einzelnen Unternehmen. Speziell bei Verarbeitungs­

kartoffeln schwanken die Angaben zwischen den

Unternehmen sehr stark, je nachdem welche Produkte

aus den Kartoffeln hergestellt werden. Im Detailhan­

del fallen lediglich bei Speisekartoffeln geringe Ver­

luste aufgrund von Fehlkalkulationen an. Verarbei­

tungsprodukte zeichnen sich hier durch ihre lange

Haltbarkeit aus.

Verluste in privaten Haushalten

Auch im privaten Konsum unterscheiden sich die Ver­

luste von Speisekartoffeln und von verarbeiteten Kartof­

felprodukten stark (Tab. 5). Unterschiede zwischen den

Haushaltsverlusten von Speisekartoffeln aus unter­

schiedlichen Produktionsweisen konnten statistisch nicht

bestätigt werden (Unterschiede Bio vs. Nicht­Bio bei

Beutelverluste: p = 0,527; Rüstabfälle: p = 0,561; Speise­

reste: p = 0,248). Bei den verarbeiteten Kartoffelproduk­

ten wurde nicht zwischen Bio­ und Nicht­Bio unterschie­

den, da ohnehin keinerlei Gründe vorlagen, weshalb es

zu unterschiedlichen Verlusten kommen könnte. Rech­

net man die Gesamtverluste auf dieser Stufe auf die

ursprünglich produzierte Menge der jeweiligen Pro­

duktlinie im Feld um, so ergibt sich ein Gesamtverlust

von 15% aller produzierten Speisekartoffeln respektive

von 2% aller produzierten Verarbeitungskartoffeln.

Verluste über die gesamte Wertschöpfungskette

Abbildung 2 stellt die Verluste über die komplette Wert­

schöpfungskette für die vier Produktlinien graphisch dar.

41–46% aller ursprünglich produzierten Verarbeitungs­

kartoffeln beziehungsweise 53–56% der Speisekartof­

feln gehen auf ihrem Weg vom Feld zum Teller verloren.

Die Knollenqualität ist der wichtigste Grund für die Ent­

stehung von Verlusten. Etwa die Hälfte aller Verluste ist

qualitätsbedingt, wobei nur etwa ein Viertel bis ein Drit­

tel dieser qualitätsbedingten Verluste der Nahrungsmit­

telsicherheit und der Rest den Konsumentenpräferen­

zen für ästhetisch ansprechende Produkte bzw. der

Lager­ und Verarbeitungsfähigkeit der Knollen geschul­

det ist (Abb. 3). Die Gründe für die Verluste über die

gesamte Verarbeitungskette zeigt Tabelle 6.

Des Weiteren untersuchten wir, was mit den Verlus­

ten nach deren Ausscheiden passiert. Abbildung 4 zeigt,

welcher Anteil der Gesamtverluste je Produktlinie wel­

cher Nutzung zugeführt wird. Demnach werden mindes­

tens zwei Drittel der Verluste als Tierfutter zumindest

indirekt wieder der menschlichen Ernährung zugeführt.

Besonders Verluste auf den ersten Stufen der Wert­

schöpfungskette werden also noch als Tierfutter oder

zumindest in einer Biogasanlage genutzt. Je später in

der Kette Verluste auftreten, umso höher ist der Anteil,

der im Abfall landet.

SpeisekartoffelnVerarbeitete

Kartoffelprodukte

N M (%) s (%) N M (%) s (%)

Beutelverluste 682 8 9 n/a n/a n/a

Rüstabfälle 87 13 6 n/a n/a n/a

Speisereste 557 3 4 618 3 n/a

Gesamtverluste 25% 3%

Tab. 5 | Beutelverluste, Rüstabfälle und Speisereste in Schweizer Privat-haushalten für Speisekartoffeln und Kartoffelprodukte. 100% = jeweilige Gesamtmenge, die von den Privathaushalten gekauft wird; N = Anzahl Teilnehmende; M = arithmetisches Mittel; s = Standardabweichung; n/a = nicht angegeben

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 104–111, 2016

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Kartoffelverluste in der Schweiz vom Feld bis zum Teller | Lebensmittel

109

Verarbeitungskartoffeln (Bio)

Verarbeitungskartoffeln (ÖLN, IP-Suisse)

Speisekartoffeln (Bio)

Speisekartoffeln (ÖLN, IP-Suisse)

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

Landwirtschaft Grosshändler Verarbeitung Detailhändler Konsument

24%

25%

13% 11% 15% 2%

5% 13% 2%

12% 1%

2%24%15%

15%

15%

Verarbeitungskartoffeln (Bio)

Verarbeitungskartoffeln (ÖLN, IP-Suisse)

Speisekartoffeln (Bio)

Speisekartoffeln (ÖLN, IP-Suisse)

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

Nahrungsmittelsicherheit

5%

7%

6%

6%

20%

28%

16%

17%

Konsumentenpräferenzen bzw. Lager- und Verarbeitungsfähigkeit

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

Tierfutter Biogas Abfall

90%

100%

Speisekartoffeln (ÖLN, IP-Suisse)

Verarbeitungskartoffeln(ÖLN, IP-Suisse)

Verarbeitungskartoffeln (Bio)Speisekartoffeln (Bio)

68%

3%

29% 28%

5%

6%

4% 5%

8%

67% 90% 87%

Abb. 2 | Gesamtverluste von Speise- und Verarbeitungskartoffeln in der Schweiz. Angaben in Prozent der ursprün-glich produzierten Menge im Feld zum Zeitpunkt der Ernte der jeweiligen Produktlinie.

Abb. 3 | Qualitätsbedingte Verluste von Speise- und Verarbeitungskartoffeln in der Schweiz. Angaben in Prozent der ursprünglich produzierten Menge im Feld zum Zeitpunkt der Ernte der jeweiligen Produktlinie.

Abb. 4 | Verlustverwendung in Prozent der Gesamtverluste der vier untersuchten Produktlinien.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 104–111, 2016

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Lebensmittel | Kartoffelverluste in der Schweiz vom Feld bis zum Teller

110

S c h l u s s f o l g e r u n g e n

Diese empirische Studie belegt, dass die Verluste entlang

der Wertschöpfungskette bei der Kartoffel hoch sind.

Etwa die Hälfte aller in der Schweiz für den menschlichen

Verzehr angebauten Kartoffeln gehen insgesamt

irgendwo auf ihrem Weg vom Feld zum Teller verloren.

Die Studie zeigt gleichzeitig auch, dass zwei Drittel (bei

Speisekartoffeln) respektive 90% (bei Verarbeitungskar­

toffeln) dieser Verluste als Tierfutter verwertet werden.

Zur Energieherstellung in der Biogasanlage werden

heute 3–8% der Kartoffelverluste genutzt. Von den Ver­

arbeitungskartoffelverlusten landen demnach nur etwa

5% im Abfall, von den Speisekartoffelverlusten hingegen

28%. Diese Abfälle fallen vorwiegend im Haushalt an.

Die Gründe für die Verluste sind vielfältig. Nebst den

Ernteüberschüssen beeinflussen die Qualitätsmängel laut

Handelsusanzen die Verlustmenge stark. Über 50% aller

Verluste entstehen aufgrund mangelhafter Knollenquali­

tät, jedoch nur 25–35% sind auf Vorschriften zur Lebens­

mittelsicherheit und zum Konsumentenschutz zurückzu­

führen. Theoretisch könnte man also mit einer Lockerung

der Qualitätsvorschriften, die nicht die Lebensmittelsi­

cherheit betreffen, die Verluste entlang der gesamten

Lieferkette senken. Dies ist aber nicht einfach zu bewerk­

stelligen, da verschiedene Zusammenhänge innerhalb

der Wertschöpfungskette bestehen. Beispielsweise

könnte mehr Toleranz gegenüber äusseren Schäden auf

dem Feld zu höheren Verluste durch Fäulnis am Lager

führen oder höhere Rüstabfällen während der Verarbei­

tung oder der Zubereitung im Haushalt verursachen.

Ausserdem wissen wir nicht, wie weit und unter welchen

Umständen die Verbraucher niedrigere Kartoffelqualitä­

ten akzeptieren würden.

Eine Verbesserung der Knollenqualität durch gezielte

Massnahmen (Anbau, Züchtung) könnte entlang der

gesamten Wertschöpfungskette für geringere Verluste

sorgen. Jedoch bestehen hier häufig Zielkonflikte zwi­

schen Umweltschutz und Verlustminimierung (z.B. che­

mische Drahtwurmbekämpfung). Erst eine umfassende

Nachhaltigkeitsbewertung hilft, die Hebel zu finden,

um die Kartoffelverluste vom Feld bis zum Teller zu ver­

kleinern. n

SpeisekartoffelnVerarbeitete

Kartoffelprodukte

Gründe für Verluste ÖLN, IP-Suisse Bio ÖLN, IP- Suisse Bio

Qualitätsmängel 48% 63% 48% 56%

Überschüsse in der Landwirtschaft

17% 2% 17% 1%

Lager- und Transportverluste

4% 5% 8% 11%

Verarbeitungsbedingte Schälverluste

0% 0% 22% 26%

Fehlkalkulation im Detailhandel

2% 5% 0% 0%

Überschüsse im Haushalt

10% 9% 0% 0%

Schälverluste im Haushalt

15% 14% 0% 0%

Speisereste 4% 3% 4% 5%

Tab. 6 | Gründe für Verluste von Speise- und Verarbeitungskartoffeln über die gesamte Lieferkette. 100% = Gesamtverlust der jeweiligen Pro-duktlinie.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 104–111, 2016

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Kartoffelverluste in der Schweiz vom Feld bis zum Teller | Lebensmittel

111

Literatur ▪ Beretta C., Stoessel F., Baier U. & Hellweg S., 2012. Quantifying food losses and

the potential for reduction in Switzerland. Waste Management 33, 764–773. ▪ Canali M., Östergren K., Amani P., Aramyan L., Sijtsema S., Korhonen O., Sil-vennoinen K., Moates G., Waldron K., Clementine & O’Connor C., 2014. Dri-vers of current food waste generation, threats of future increase and oppor-tunities for reduction. The European Commission, Bologna.

▪ Gustavsson J., Cederberg C., Sonesson U., v. Otterdijk R. & Meybeck A., 2011. Global food losses and food waste. Extent, causes and prevention. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rome.

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▪ Östergren K., Gustavsson J., Bos-Brouwers H., Timmermans T., Hansen O.-J., Møller H., Anderson G., O’Connor C., Soethoudt H., Quested T., Easteal S., Politano A., Bellettato C., Canali M., Falasconi L., Gaiani S., Vittuari M., Schneider F., Moates G., Waldron K. & Redlingshöfer B., 2014. FUSIONS Defi-nitional Framework for Food Waste. Projekt FUSIONS (Food Use for Social In-novation by Optimising Waste Prevention Strategies), Europäische Union.

▪ Quested T. & Johnson H., 2009. Household Food and Drink Waste in the UK. WRAP, Banbury.

Ria

ssu

nto

Sum

mar

y

Potato losses in Switzerland from field to

fork

This study ascertains potato losses in

Switzerland along the value chain from

field to fork on the basis of question-

naires. The results show that 41–46% of

all processing potatoes and 53–56% of

all table potatoes are not eaten by

consumers. These losses do not repre-

sent a complete waste, however. Three-

quarters of table-potato losses and 90%

of processing-potato losses are used as

animal feed. Another 3–8% of potato

losses is used to generate energy in

biogas plants. Only about 5% of process-

ing potato losses and 28% of table

potato losses in total wind up as waste.

In addition to harvest surpluses, quality

standards exert a strong influence on

quantities lost. Over 50% of all losses are

due to quality defects in the potatoes.

Around one-third of all potatoes with

quality defects are rejected owing to their

potential harmfulness to human health,

whilst two-thirds of these potatoes are

rejected because they fail to meet the

freshness and quality criteria of trading

partners and consumers.

Key words: food loss, potato supply chain,

quality standards, loss treatment, con-

sumer preferences.

Perdite di patate in Svizzera dal campo

alla tavola

Sulla base di sondaggi, il presente studio

rileva le perdite di patate lungo la catena

di creazione del valore in Svizzera, dal

campo fino alla tavola. I risultati mostrano

che il 41–46 per cento di tutte le patate di

trasformazione prodotte e il 53–56 per

cento di tutte le patate da tavola non

vengono consumate dalla popolazione a

scopi alimentari. Tuttavia, tali quantità

non vanno semplicemente perse. Tre

quarti delle perdite delle patate da tavola

e il 90 per cento di quelle delle patate di

trasformazione sono usati come alimenti

per animali, mentre il 3–8 per cento delle

perdite di patate è sfruttato per produrre

energia negli impianti di biogas. Nei rifiuti

finisce complessivamente solo circa il 5 per

cento delle perdite delle patate di trasfor-

mazione e il 28 per cento delle perdite

delle patate da tavola. Oltre alle ecce-

denze di raccolto, sono gli standard

qualitativi a influenzare fortemente la

quantità delle perdite. Oltre il 50 per cento

di tutte le perdite è causato dal fatto che

le patate presentano difetti qualitativi.

Circa un terzo di tutti i tuberi con difetti

qualitativi viene scartato in quanto

dannoso per la salute. Due terzi dei tuberi

vengono invece scartati perché non

soddisfano le aspettative dei partner

commerciali e dei consumatori.

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 104–111, 2016

Page 52: AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ · PDF fileterten Tiere, wie eine Schwächung des Immunsystems und eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit. Wie stark diese Wirkungen ausfallen, ... Die Resistenz

112 Agrarforschung Schweiz 7 (2): 112–113, 2016

Hervé Vanderschuren: Pflanzenzüchtung als Instrument für die internationale Kooperation

I n t e r v i e w

Hervé Vanderschuren forscht seit 2003 an der ETH Zürich

in der Professur für Biotechnologie. Seine Forschung

befasst sich mit der biotechnologischen Verbesserung

von Maniokpflanzen. Maniok ist in den tropischen und

subtropischen Regionen in Südamerika, Afrika und

Asien eine der wichtigsten Grundnahrungsmittel für Mil-

lionen von ärmeren Menschen. Seit 2014 ist Hervé Van-

derschuren Professor für Pflanzengenetik an der Univer-

sität Liège in Belgien, sein Forschungsengagement an

der ETH Zürich bleibt bestehen.

Herr Vanderschuren, Sie arbeiten im Bereich Biotechno-

logie mit Maniok. Womit beschäftigen Sie sich in Ihrem

Forschungsbereich?

Das von mir geleitete Forschungsteam beschäftigt sich

mit unterschiedlichen Aspekten des Maniok­Anbaus in

den drei Kontinenten Südamerika, Afrika und Asien. Wir

engagieren uns insbesondere für lokale Probleme im

Maniok­Anbau. Beispielsweise untersuchen wir gemein­

sam mit Kollegen aus Afrika Virus­Resistenzen, da

Viruserkrankungen in Afrika das grösste Problem im

Anbau darstellt. Mit Forschenden aus Brasilien untersu­

chen wir, welches die molekulare Antwort des Wurzel­

systems von Maniok auf Trockenstress ist; denn in Nord­

ost­Brasilien ist Wasserknappheit der bedeutendste

abiotische Stress für Maniok.

Was fasziniert Sie an diesem Forschungsgebiet?

Dieses Forschungsgebiet ist faszinierend, weil man Men­

schen mit verschiedenen Horizonten trifft und Partner­

schaften entwickelt, um gemeinsam wichtige Themen der

Landwirtschaft anzugehen. Unsere Forschung ist in Netz­

werken verschiedener Nord­Süd­Kooperationen eingebet­

tet. Hier gibt es ein grosses Potenzial, kreativ zu sein, da die

Art und Weise, wie diese Nord­Süd­Kooperationen derzeit

ausgeführt werden, überdacht werden muss. Zudem bein­

haltet das Forschungsgebiet auch eine starke philosophi­

sche und ethische Komponente, da wir den potenziellen

Nutzen der Pflanzenbiotechnologie in einem Umfeld

erklären müssen, welches der Anwendung solcher Techno­

logien in der Landwirtschaft eher kritisch gegenübersteht.

Welche biotechnologischen Techniken wenden Sie an?

Mein Team hat mehrere Technologie­Plattformen etab­

liert um Maniok genetisch zu transformieren, Wir nut­

zen diese Technologie­Plattformen, um transgene

Maniok­Pflanzen mit verbesserten Eigenschaften wie

beispielsweise Pathogen­Resistenz, Trockenheitstoleranz

und Haltbarkeit der Maniokwurzel zu erzeugen. Wir

beschäftigen uns nicht nur mit biotechnologischen

Methoden, sondern wir arbeiten auch mit internationa­

len Partnern zusammen, um die genetische Diversität

von Maniok bezüglich der oben genannten Eigenschaf­

ten zu erforschen und um Sorten mit unterschiedlicher

Stress­Resistenz zu identifizieren. Wir verwenden dazu

modernste Technologien, um zu verstehen, welche

genetischen Eigenschaften Maniok resistent oder anfäl­

lig für diese Stressoren macht.

Welche agronomischen Probleme gibt es im Maniok-Anbau?

Maniok ist anfällig auf virale und bakterielle Krankheits­

erreger. Diese können schwere Epidemien auslösen und

Ertragsausfälle verursachen, was häufig zu einer Nah­

rungsmittelknappheit führt. Trotz der relativ guter

Ertragsstabilität von Maniok bei kurzzeitigem Wasser­

mangel bleibt langanhaltender Trockenheitsstress einer

der limitierenden Faktoren im Maniokanbau. Zudem

bleibt Trockenheitsstress eine der Haupt­Einschränkun­

gen des Maniok­Anbaus, obwohl die Produktivität von

Maniok unter wasserlimitierenden Bedingungen in den

letzten Jahren verbessert wurde. Der Klimawandel wird

diesen Trend in mehreren Maniok­Anbaugebieten noch

verschärfen. Ein allgemeines Problem aller Anbauge­

biete ist die geringe Haltbarkeit der Maniokwurzel.

Kaum geerntet, beginnt sie schon zu verderben. Die

Bauern und die Verarbeitungsindustrie benötigen effizi­

ente und bezahlbare Lösungen, um die Haltbarkeit der

Maniokwurzel zu erhöhen.

Page 53: AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ · PDF fileterten Tiere, wie eine Schwächung des Immunsystems und eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit. Wie stark diese Wirkungen ausfallen, ... Die Resistenz

113

Hervé Vanderschuren, Wissenschaftler in der Professur für Biotechnologie an der ETH Zürich | Interview

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 112–113, 2016

Wie geschieht der Wissens- und Technologietransfer von

der Grundlagenforschung an der ETH zu den Forschern

und Landwirten in den Ländern, in welchen Maniok

angebaut wird?

Wir bilden viele Wissenschaftler aus den Maniok­Anbauge­

bieten aus. Als ich begonnen habe, das Forschungs­Team

zu leiten, habe ich die Rekrutierung von Wissenschaftlern

und Studierenden aus Maniok­anbauenden Regionen pri­

orisiert. Einige der Studierenden kehrten danach an ihre

Heimuniversität zurück und etablierten dort die Techniken,

die sie an der ETH Zürich gelernt haben. Im Verlauf der

letzten Jahre habe ich ausserdem den Transfer der Maniok­

Transformationstechnologie zu Forschern in mehreren Län­

dern gefördert, indem ich Workshops und Trainings für

lokale Wissenschaftler organisiert habe. Dadurch gibt es

nun Forschungszentren in mehreren Entwicklungs­ und

Schwellenländern, in welchen mittels Pflanzenbiotechno­

logie verbesserter Maniok gezüchtet werden kann.

Dadurch kann der Nutzen der Pflanzenbiotechnologie

direkt zu den Menschen gebracht werden. Die Forscher vor

Ort können somit die lokalen landwirtschaftlichen Schwie­

rigkeiten selbständig angehen und Lösungen für eine

nachhaltigere Landwirtschaft entwickeln.

Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Herausforde-

rungen Ihrer Forschung und welche Möglichkeiten gibt

es, um diese Herausforderungen anzugehen?

Eine der Herausforderungen besteht darin, den Land­

wirten und Konsumenten die Komplementarität der

biotechnologischen und der traditionellen Methoden

aufzuzeigen, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu

gestalten. Der wachsende Wettkampf um Finanzierung

und Ressourcen in der Wissenschaft stellt eine weitere

wichtige Herausforderung dar, da dieser Trend tendenzi­

ell zu niedrigeren ethischen Standards führt sowohl in

den entwickelten wie auch in den Entwicklungsländern.

Die Natur unserer Tätigkeit und die stark vom Training

der lokalen Wissenschaftler abhängigen Auswirkungen

verpflichten uns zu grösster Wachsamkeit.

Im europäischen Raum herrscht eher Skepsis gegenüber

dem Anbau und der Verwendung von biotechnologisch

veränderten Pflanzen. Wie ist die Situation in den

Anbaugebieten von Maniok?

Mehrere afrikanische und asiatische Regierungen haben

das Potenzial der Biotechnologie zur Verbesserung ver­

schiedener landwirtschaftlicher Schwierigkeiten erkannt.

Obwohl noch keine transgenen Maniokpflanzen kommer­

ziell erhältlich sind, erlauben zum Beispiel Kenia, Uganda

und Nigeria Feldversuche mit transgenem Maniok. Aller­

dings ist es schwierig vorherzusagen, wann der Anbau von

transgenem Maniok in den afrikanischen Ländern in

Zukunft erlaubt sein wird.

Welches sind gemäss Ihrer Sicht die Chancen und Risi-

ken beim Anbau biotechnologisch veränderter Maniok-

pflanzen?

Die Chancen und Risiken unterscheiden sich nicht von

denen anderer Kulturpflanzen. Beispielsweise kann durch

den Anbau von Bt­Baumwolle in Indien und Burkina Faso

der Einsatz von Pestiziden verringert werden. Dagegen

wurde aber auch ein erhöhter Gebrauch von Herbiziden

in anderen Kulturen festgestellt. Man muss gegenüber

vorgeschlagenen Lösungen immer kritisch bleiben und

beurteilen, ob sie tatsächlich zu einer nachhaltigeren

Landwirtschaft beitragen. Wichtig ist, dass die Entwick­

lung, Genehmigung und Verbreitung der Biotechnologie

in Maniok von lokalen Wissenschaftlern, Politikern und

Konsumenten durchgeführt werden. Diesbezüglich ist

das pro­ als auch der anti­Biotechnologie Lobbying in

Ländern nicht akzeptabel, in welchen das politische Sys­

tem und der Verwaltungsapparat leicht durch externe

Kräfte beeinflusst werden können.

Wie werden die Landwirte über Chancen und Risiken von

biotechnologisch veränderten Maniokpflanzen infor-

miert und instruiert?

Das liegt in der Verantwortung der lokalen Universitäten

und Institutionen, die in der landwirtschaftlichen Bera­

tung tätig sind. Daher ist es wichtig, dass lokale Wissen­

schaftler in verschiedenen Disziplinen im Bereich der Bio­

technologie ausgebildet werden. Nicht nur um die

Technologie den Landwirten und Konsumenten zu erklä­

ren, sondern auch um lokale Beamte, die im Bereich

Landwirtschaft tätig sind, zu beraten. Dies daher, weil die

Beteiligung von westlichen Akteuren in diesem Prozess

schnell als Interventionismus interpretiert werden kann.

Sie arbeiten mit einer tropischen Pflanze. Können Erfah-

rungen aus Ihrer Forschung auch in der Schweizer Land-

wirtschaft genutzt werden? Wie?

Wir arbeiten an Problemen, die in vielen agrarwissen­

schaftliche Systemen vorkommen und auf andere Kul­

turpflanzen übertragen werden können. Bakterielle und

virale Krankheitserreger befallen auch verschiedene Kul­

turpflanzen, die in der Schweiz angebaut werden. Da

Maniok eine vegetativ vermehrte Kulturpflanze ist, wie

beispielsweise die Kartoffel, könnte unsere Arbeit auch

diesbezüglich zu Innovationen in der Schweizer Land­

wirtschaft führen. Darüber hinaus lässt sich unsere For­

schung über Nachernteverluste auf andere Kulturpflan­

zen in der Schweiz anwenden. Zudem arbeiten wir aktiv

mit Teams von Agroscope zusammen, um die Erkennt­

nisse auf andere Anwendungen insbesondere auf Kar­

toffeln anzuwenden. n

Brigitte Dorn, ETH Zürich

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Die betriebsspezifische Betrachtung der Grössenverhält­

nisse des Melkpersonals und der Herde sind somit aus­

schlaggebend für eine ergonomisch optimierte Gestal­

tung des Melkstandes. Mit den Ergebnissen dieser

Untersuchung wurde für Autotandem­, Fischgräten­30°­,

Fischgräten­ 50°­, Side­by­Side­ und Karussell­Melkstände

ein individueller Koeffizient für den jeweiligen Melk­

standtyp ermittelt. Anhand der durchschnittlichen Mel­

kergrösse und der Euterbodenhöhe kann mit diesem

Koeffizienten die optimale Höhe der Standfläche für jede

Melkerin und jeden Melker bestimmt werden.

Marianne Cockburn, Pascal Savary et Matthias Schick, Agroscope

Agroscope Transfer Nr. 102 / 2015

Die Melkarbeit ist im Melkstand ergonomisch günstiger

als im Anbindestall. Trotzdem sind bei vielen Tierhalterin­

nen und Tierhaltern, die ihre Tiere im Laufstall halten,

häufig Erkrankungen des Muskel­Skelett­Systems erkenn­

bar. Beschwerden entstehen insbesondere in den oberen

Extremitäten des Körpers sowie im Bereich des Nackens

und der Schultern. Diese Bereiche werden beim Anhän­

gen des Melkzeuges stark beansprucht.

Ziel dieser Studie war daher eine objektive Analyse und

Bewertung der physischen Arbeitsbelastung in verschie­

denen Melkstandtypen anhand der Körperhaltungen bei

der jeweiligen Melkroutine. Die Ergebnisse zeigen, dass

nicht vorrangig der Melkstandtyp über das Ausmass der

Arbeitsbelastung bestimmt, sondern die Interaktion des

Melkstandtyps mit dem Verhältnis von Melkergrösse und

Euterbodenhöhe.

www.agroscope.admin.ch/publikationen

N e u e P u b l i k a t i o n e n

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 114, 2016

Autoren

Marianne CockburnPascal SavaryMatthias Schick

Dezember 2015

Die Melkarbeit ist im Melkstand ergono-misch günstiger als im Anbindestall. Trotz-dem sind bei vielen Tierhalterinnen und Tierhaltern, die ihre Tiere im Laufstall hal-ten, häufig Erkrankungen des Muskel-Ske-lett-Systems erkennbar. Beschwerden ent-stehen insbesondere in den oberen Extre-mitäten des Körpers sowie im Bereich des Nackens und der Schultern. Diese Bereiche werden beim Anhängen des Melkzeuges stark beansprucht.Ziel dieser Studie war daher eine objektive Analyse und Bewertung der physischen Arbeitsbelastung in verschiedenen Melk-standtypen anhand der Körperhaltungen bei der jeweiligen Melkroutine. Die Ergebnisse zeigen, dass nicht vorran-gig der Melkstandtyp über das Ausmass

der Arbeitsbelastung bestimmt, sondern die Interaktion des Melkstandtyps mit dem Verhältnis von Melkergrösse und Euterbo-denhöhe. Die betriebsspezifische Betrach-tung der Grössenverhältnisse des Melkper-sonals und der Herde sind somit ausschlag-gebend für eine ergonomisch optimierte Gestaltung des Melkstandes. Mit den Ergebnissen dieser Untersuchung wurde für Autotandem-, Fischgräten-30°-, Fisch-gräten-50°-, Side-by-Side- und Karussell-Melkstände ein individueller Koeffizient für den jeweiligen Melkstandtyp ermittelt. Anhand der durchschnittlichen Melker-grösse und der Euterbodenhöhe kann mit diesem Koeffizienten die optimale Höhe der Standfläche für jede Melkerin und jeden Melker bestimmt werden.

TechnikAgroscope Transfer | Nr. 102 / 2015

Optimierung der Arbeitshaltung beim Anhängendes Melkzeuges Empfehlungen zur idealen Arbeitshöhe der Standfläche verschiedener Melkstandtypen

Analyse der Arbeitsbelastung im Melkstand mit dem CUELA-System (Fotos: Agroscope).

Inhaltsverzeichnis

Problemstellung 2

Methoden 2

Ergebnisse und Diskussion 3

Schlussfolgerung 7

Literaturnachweis 8

A k t u e l l

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Aktuell

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V e r a n s t a l t u n g e n

Februar 2016

15.02.2016Tagung ErnährungssicherheitBLW und AgrideaHAFL, ZollikofenInformationen: www.hafl.bfh.ch

April 2016

07.04.2016

11. Netzwerktagung Pferdeforschung SchweizSchweizer Nationalgestüt SNGAvenches

26.– 27.01.201613. Tagung Landtechnik im AlpenraumAgroscope und BLT Wieselburg (A)AT­6803 Feldkirch

Mai 2016

11.05.2016

Frühjahrstagung 2016ETH Zürich, Vetsuisse Zürich und Bern, Agroscope INTETH­Zentrum, Zürich

August 2016

29.08.– 01.09.2016

20th Eucarpia General CongressEUCARPIA, Agroscope und ETH ZurichETH Zürich

September 2016

28.09.2016

Nutztiertagung Agroscope 2016Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INTLandwirtschaftliches Institut Grangeneuve in Posieux

I n t e r n e t l i n k s

2016 – Internationales Jahr der Hülsen-früchte

https://www.unesco.de/infothek/gedenkanlaesse-der-un/internationale-jahre.html

Die UNO hat 2016 zum Internationalen Jahr der Hülsen­

früchte erklärt. Unter der Leitung der Ernährungs­ und

Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen

(FAO) soll das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit

für die ernährungsphysiologischen Vorzüge von Hülsen­

früchten gestärkt werden. Im Rahmen einer nachhalti­

gen Nahrungsmittelproduktion zur Nahrungsmittelsi­

cherheit und Ernährung spielen Hülsenfrüchte eine sehr

wichtige Rolle.

März 2016 / Heft 3

Honigbienen spielen aufgrund ih-rer Fähigkeit Pflanzen zu bestäu-ben und Honig zu erzeugen eine sehr wichtige ökologische und ökonomische Rolle. Seit etwa zwanzig Jahren zeigen Bienenvöl-ker beunruhigende Sterblichkei-ten. Forschende von Agroscope und weiteren Institutionen haben den Einfluss der in der Landwirt-schaft heute üblichen Zwischen-kulturen auf die Bienengesund-heit untersucht.

V o r s c h a u

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 7 (2): 115, 2016

•• Einfluss von Herbst­Zwischenkulturen auf die Entwicklung und Überwinterung von Honigbienen­völkern, Jean­Daniel Charrière, Agroscope et al.

•• Serie LACTOBEEF: Wirtschaftlicher Ansatz unter Praxisbedingungen auf zwei Sömmerungbetrieben, Béatrice Manceau und Jean­Luc Martrou, Agridea

•• Zerstörungsfreie Methode zur Schätzung der Biomasse von Zwischenkulturen, Lucie Büchi et al., Agroscope

•• Methodische Herausforderungen bei der Umwelt­produktdeklaration von Landwirtschaftsprodukten, Jens Lansche et al., Agroscope und Koch Consulting

•• Die finanziellen Auswirkungen von Investitionen im Vorfeld abschätzen, Markus Lips und Christian Gazzarin, Agroscope

•• Die Bodenbiologie vereint Landwirte und Wissen­schaftler, Marie Fesselet et al., Agroscope et al.

•• Marktgerichtete Innovationsförderung des Bundes­amtes für Landwirtschaft, Priska Dittrich, BLW

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Emma auf Hoftour – live @ SäulistallAuf verschiedenen Bauernhöfen und auf dem Campus der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften der Berner Fach-hochschule warten spannende Informationen, Spiel und Spass auf Junge und Junggebliebene.

Vorbeischauen lohnt sich!Tierisch gut

Infos: emmashoftour.ch

23./24. April 2016

Neu – Bestellungen ab sofort möglich!

Grundlagen für die Düngung landwirtschaftlicher Kulturen in der Schweiz GRUD 2016

Die neueste Auflage der Düngungsgrundlagen von Agroscope wird im Frühjahr 2016 erscheinen; Vorbestellungen sind ab sofort möglich!

Die «GRUD 2016» lösen die bisherigen sepa raten Düngungsgrundlagenwerke ab und vereinen neu in einem einzigen Dokument alle landwirt schaft­lichen Kulturen der Schweiz: Ackerbau, Futter ­ bau, Weinbau, Obstbau, Gemüsebau, Beeren, Medizinal­ und Aroma pflanzen sowie Zierpflanzen und Gehölze.

Die «GRUD 2016» erscheinen als Sonderbeilage der «Agrarforschung Schweiz», erhältlich ohne Aufpreis für die Abonnenten der Zeitschrift. Weitere Interessierte können das Dokument zum voraussichtlichen Preis von CHF 16.– für die gedruckte und von CHF 6.– für die elektronische Version auf der folgenden Webseite erwerben:

www.agroscope.ch/grud

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