aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium...

44

Transcript of aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium...

Page 1: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum
Page 2: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

ISBN 3-88795-294-4© 2005 Hanns-Seidel-Stiftung e.V., MünchenAkademie für Politik und ZeitgeschehenVerantwortlich: Dr. Reinhard C. Meier-Walser (Chefredakteur)

Redaktion:Barbara Fürbeth M.A. (Redaktionsleiterin)Christa Frankenhauser (Redaktionsassistentin)

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form(durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung der Redaktion reproduziertoder unter Verwendung elektronischer Systemeverarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Page 3: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung......................................................................................................................5

2. Zur historischen Rekonstruktion des Arbeitsbegriffs ...................................................52.1 Arbeit und Muße – das Arbeitsverständnis der Antike.................................................62.1.1 Das Ideal des freien Bürgers.........................................................................................72.1.2 Moralische Qualitäten unterschiedlicher Verrichtungen ..............................................82.1.3 Arbeit verdirbt den Charakter .....................................................................................102.1.4 Zusammenfassung ......................................................................................................11

2.2 Arbeit zur höheren Ehre Gottes – das Arbeitsverständnis des Mittelalters ................122.2.1 Verflucht sei die Erde um deinetwillen ......................................................................132.2.2 Arbeit und ständische Ordnung ..................................................................................142.2.3 Der gerechte Lohn und das kanonische Zinsverbot....................................................152.2.4 Die kommerzielle Revolution.....................................................................................172.2.5 Zusammenfassung ......................................................................................................18

2.3 Arbeit als Schlüssel zu Wohlstand – Das Arbeitsverständnis der Neuzeit.................192.3.1 Das neue Selbstbewusststein des Bürgertums ............................................................202.3.2 Arbeit als Tugend – die Moral der bürgerlichen Gesellschaft....................................212.3.3 Ökonomie als Wissenschaft – Selbstbetrachtung der Commercial Society ...............222.3.4 Zusammenfassung ......................................................................................................24

3. Arbeit als Kulturbegriff ..............................................................................................243.1 Arbeit und Nicht-Arbeit..............................................................................................253.2 Gesellschaftliche Legitimation von Arbeit .................................................................273.3 Die soziale Bedeutung der Arbeit ...............................................................................28

4. "Historische Probleme" im modernen Umgang mit Arbeit ........................................304.1 Die Frage der Arbeitsmotivation ................................................................................314.2 Sinnstiftung durch Arbeit............................................................................................324.3 Möglichkeiten zur Gestaltung "neuer" Arbeitsverhältnisse........................................33

5. Schluss ........................................................................................................................36

Literatur................................................................................................................................37

Page 4: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

4

Page 5: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

5

1. Einleitung

Kaum ein anderer Lebensbereich bestimmtdie soziale Selbstwahrnehmung des mo-dernen abendländischen Menschen mehrals seine berufliche Arbeit. Neben der Er-möglichung materieller und sozialer Chan-cen bietet die Berufsarbeit für den Einzel-nen neben der Familie den wohl wichtigs-ten Bereich sozialer Identifikation. In derallgemeinen gesellschaftlichen Wahrneh-mung scheint nichts mehr über die Tüch-tigkeit eines Menschen auszusagen als seinberuflicher Werdegang, nichts mehr ge-neigt zu sein, einem Menschen Vertrauenzu schenken, als seine verantwortlicheStellung in einem Beruf, nichts mehr seinepersönlichen Verdienste zu beweisen alssein beruflicher Erfolg. Umgekehrt giltArbeitslosigkeit als persönliches Versagen;nicht etwa, weil sie den Einzelnen in einematerielle Notlage bringen und ihn so derGesellschaft zur Last legen würde, sondernweil sie in der gesellschaftlichen Wahr-nehmung per se einen Makel darstellt, denes zu verbergen und wenn möglich raschzu beseitigen gilt.

Der Zwang zur Arbeit scheint dem moder-nen Menschen inhärent. Nicht materielleNot oder der Wunsch nach Unabhängigkeitscheinen ihn zur Arbeit zu zwingen, son-dern er selbst ist es, der sich die "rastloseBerufsarbeit" als Zwang auferlegt. Diese"moderne" Auffassung von Arbeit ist dabeinicht das Ergebnis einer wie auch immergearteten technischen und ökonomischenEntwicklung, sondern umgekehrt schuf erstein geändertes soziales und kulturellesVerständnis von Arbeit Raum für neueTechniken und Arbeitsformen und erlaubteso die Ausbildung der neuzeitlichen Öko-nomie. Für das gegenwärtige Verständnisvon Arbeit ist es mithin von entscheiden-der Bedeutung, Arbeit nicht ausschließlichanhand ihrer rein ökonomischen Funktionbetrieblicher Leistungserstellung oder pro-duktiven Tätigseins zu beurteilen, sondernArbeit als Teil einer bestimmten Kultur(Makroebene) oder der individuellen Le-bensgestaltung (Mikroebene) zu begreifen.

Um diesen herausragenden Stellenwert,den die menschliche (Berufs)Arbeit imSozialgefüge der modernen abendländi-schen Gesellschaft einnimmt, zu verstehen,ist es notwendig, sich die historische undsozial-philosophische Entwicklung diesesmodernen Arbeitsverständnisses vor Au-gen zu führen. Die gegenwärtig insbeson-dere innerhalb der ökonomischen Diskus-sion einseitige Betonung des Warencha-rakters der Arbeit, ihrer Rolle als Produkti-onsfaktor, aber auch die Annahme ihrerSubstituierbarkeit stellt lediglich einenmarginalen Ausschnitt dessen dar, wasArbeit als wesentliches Element für dieGestaltung der sozialen Wirklichkeit be-deutet. Um dies zu verdeutlichen gilt es,die Differenzen zwischen einem rein öko-nomischen Arbeitsbegriff und einem "kul-turellen" Arbeitsbegriff aufzuzeigen unddie hieraus resultierenden "Missverständ-nisse" der Ökonomie zu analysieren.

2. Zur historischen Rekonstruk-tion des Arbeitsbegriffs

Im Zentrum der Untersuchung steht dieFrage nach den philosophischen, ökonomi-schen und sozialen Bedingungen, die zurEntwicklung unserer heutigen Arbeitsvor-stellung beigetragen haben. Es ist hier we-nig hilfreich, sich den Vorstellungen ande-rer Epochen mit dem vorgefertigten Rastereines modernen Arbeitsverständnisses zunähern. "Produktivität", "Effizienz", "tech-nischer Fortschritt" und "Arbeitsteilung"sind keine geeigneten Begriffe, mit derenHilfe sich die soziale Funktion von Arbeitinnerhalb früherer Epochen beschreibenlässt. Um zu einer adäquaten Vorstellungder sozialen Funktion von Arbeit zu gelan-gen, bedarf es vielmehr einer hermeneuti-schen Vorgehensweise. Ziel ist die histori-sche Rekonstruktion der gesellschaftlichenWertvorstellungen in Bezug auf Arbeit inden gesellschaftlichen Anschauungen un-terschiedlicher Epochen. Es ist das Ziel,den je unterschiedlichen gesellschaftlichenStellenwert von Arbeit in den einzelnenEpochen herauszuarbeiten und jene Ein-

Page 6: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

6

flussfaktoren, die zu einer Veränderung derjeweiligen Vorstellungen geführt haben,darzustellen. Der Schwerpunkt der Analyseliegt somit zum einen auf den dem Ar-beitsbegriff der jeweiligen Epochen zuGrunde liegenden Wertvorstellungen, dieden gesellschaftlichen Stellenwert vonArbeit maßgeblich bestimmen. Zum ande-ren wird die Frage nach den Randbedin-gungen gestellt, die maßgeblich zur Ver-änderung dieser Vorstellungen im histori-schen Zeitablauf beigetragen haben.

2.1 Arbeit und Muße – das Arbeits-verständnis der Antike

Für die Denker der Antike spielt der "Ar-beitsbegriff" eine eher untergeordneteRolle. Selbst bei den wenigen antiken Au-toren "ökonomischer" Werke, wie etwa beiHesiod, Xenophon, Cato oder Vergil, wirdArbeit allenfalls im Zusammenhang mitder Führung des privaten Hausstandes undder Landwirtschaft thematisiert. Entspre-chend uneinheitlich gestaltet sich in derAntike auch die Bezeichnung jener Tätig-keiten, die in unserem heutigen Sinne zumBegriff 'Arbeit' zusammengefasst werden(Dummer 2001: 71 f.): So stehen sich etwaim Griechischen die Begriffe "έργον", dereine eigenverantwortliche Tätigkeit imweitesten Sinne bezeichnet, und "πóνος",der Sklavenarbeit und schwere körperlicheArbeit bezeichnet, gegenüber. Das Er-werbsgeschäft wird sowohl im Griechi-schen wie im Lateinischen dabei als"Nicht-Muße" – "α-σχολία", "neg-otium" –definiert, also als jene Zeit, die nicht zurVervollkommnung der individuellen Tu-genden, dem Engagement für die Polisoder die Res Publica etc. zur Verfügungsteht. Geschäftstätigkeit wird als notwen-diges Übel betrachtet, das ausschließlichzur Sicherung des Lebensunterhaltes dientund so die Muße ermöglicht: So schreibtAristoteles: "Nun ist aber auch das ganzeLeben geteilt in Arbeit und Muße und inKrieg und Frieden (...). Man wählt mithin

den Krieg um des Friedens willen, die Ar-beit der Muße wegen ..." (Aristoteles1995b: 269 [1333a 30-36]). Und in seinerNikomachischen Ethik definiert er: "Und,die Glückseligkeit scheint in der Muße zubestehen. Wir opfern unsere Muße, umMuße zu haben …" (Aristoteles 1995a:249 [1177b 4-6]).

Alle Tätigkeiten, die ausschließlich demLebensunterhalt dienten, galten dem anti-ken Menschen als Negierung der Muße.Die Vorstellung einer sozialen Anerken-nung von Arbeit, z.B. im Sinne eines not-wendigen Beitrages zum Erhalt der Ge-meinschaft, existierte in der antiken Ge-sellschaft nicht. Die im Zusammenhangmit Arbeit gebrauchten Begriffe drücktenstets eine Minderachtung der Arbeit aus(Finley 1993: 91, Finley 1981: 81). Dabeiist die ökonomische Vorstellung der Anti-ke eng verknüpft mit einer agrarischenLebensweise und dem Ideal der Sub-sistenzwirtschaft. Trotz zahlreicher politi-scher, gesellschaftlicher und ökonomischerVeränderungen bleibt das Ideal eines un-abhängig von handwerklicher Arbeit ohneNot von seinem landwirtschaftlichen Ein-kommen leben könnenden aristokratischenBürgers bis in die römische Kaiserzeit hin-ein bestimmend. Der soziale Aufstieg so-wohl in der Polis als auch im ImperiumRomanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum und nicht mit erfolgreicher Er-werbsarbeit verknüpft (Dummer 2001:72f.). Entsprechend gering war die gesamteAntike hindurch das Interesse der Ober-schicht an derartiger Beschäftigung. Trotzunterschiedlichster politischer Verfassun-gen, unterschiedlicher sozialer Rahmenbe-dingungen und teilweise erheblicher Un-terschiede im Wirtschaftsgefüge bestandweit gehende Einigkeit hinsichtlich derEinstellungen zum Thema Arbeit. Min-destens die Bürgereliten in Griechenlandund im Imperium Romanum waren sichüber Jahrhunderte hinweg einig hinsicht-lich ihrer Einstellung zu diesem Thema.

Page 7: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

7

Vor allem drei Aspekte bestimmten diesoziale und moralische Einstellung desantiken Menschen gegenüber Arbeit:

− Prinzipiell galt, dass (körperliche) Ar-beit, mit Ausnahme landwirtschaftli-cher Betätigung, eines freien Mannesunwürdig sei.

− Wer dennoch arbeiten musste, hatteeine klare hierarchische Vorstellungmoralisch besserer und schlechtererBerufe, die er aus Erwerbsgründen er-greifen konnte.

− Überhaupt ging man davon aus, dassArbeit den Charakter verderbe; wer ge-zwungen war, eine moralisch minder-wertige Tätigkeit auszuüben, dem un-terstellte man, dass dies ihn auf Dauerauch zu einem moralisch minderwerti-gen Menschen werden ließe.

2.1.1 Das Ideal des freien Bürgers

Entsprechend der antiken Vorstellungsollte es einem freien Mann möglich sein,in Anstand und Würde von seinen "Ein-künften" leben zu können, ohne dabei di-rekt auf Arbeit angewiesen zu sein. Ideal-bild war der unabhängige und auch vonmateriellen Sorgen freie Bürger, der überhinreichend Muße verfügte, sich um dieBelange der Polis oder des Staates küm-mern zu können, und der verantwortungs-voll in Rechtsprechung und Politik an derGestaltung der Gemeinschaft mitwirkte(Bender 1893: 340f.; Finley 1991: 21;Mommsen 1993: Bd. 2, 357). Dabei galtdie finanzielle Unabhängigkeit als Grad-messer der Freiheit: Wer sich – ohne stän-dig mit der Frage nach der Sicherung deseigenen Lebensunterhalts beschäftigt zusein – für die Gemeinschaft einsetzte,konnte dies mindestens theoretisch ohnematerielles Eigeninteresse tun und sichselbstlos seiner Aufgabe widmen.

Abhängige Beschäftigung, sei es alsHandwerker, Knecht oder gar als Tagelöh-ner, war mit dem Ideal der Unabhängigkeitnicht vereinbar. Derjenige, der sich aus

Erwerbsgründen dem Befehl eines anderenMannes unterordnen musste, konnte per senicht frei sein. Genau aus diesem Grundekritisiert Aristoteles das Handwerk, "…denn es ist Kennzeichen eines unabhängi-gen Mannes, nicht in Abhängigkeit vonanderen zu leben" (Aristoteles 1993: 50[1367 a 25 ff.]). Wenngleich Michael vonAlbrecht zu Recht einwendet, dass Aristo-teles nicht so sehr die Handwerkskunst alsvielmehr das damit verbundene Erwerbs-streben verurteilt (Albrecht 1979: 492, 7-18), so bleibt doch die Unterordnung unterdie Weisungsrechte anderer gerade auchfür Aristoteles mit dem Ideal des freienBürgers unvereinbar.

Gerade seine finanzielle Unabhängigkeiterlaubte es dem antiken Menschen, jenenBeschäftigungen nachzugehen, die als edelund eines freien Mannes würdig erachtetwurden, wenngleich sie nicht unbedingtmit einem spezifischen Berufsbild in Ver-bindung standen (Finley 1993: 57 ff.).Hierzu zählte die Tätigkeit als Politiker, alsOffizier, als Redner oder als Rechtsberater.Ob für diese Tätigkeiten Geld genommenwerden durfte, war dabei stets umstritten.So etwa war es in Rom durch das "Clinci-sche Gesetz" aus dem Jahre 204 v. Chr.untersagt, für die Tätigkeit als Rechtsbei-stand Gebühren zu nehmen (Bender 1893:343, Finley 1993: 59). Zur Begründunghieß es: "... 'wer die Beredsamkeit ausübt,um Geld zu verdienen, stellt sich auf dieStufe der sklavischen Arbeiter'" (Bender1893: 343). Jedoch muss man sich vor Au-gen halten, dass den prominenten Rechts-beratern wie etwa Cicero selbstredend fürihre Unterstützung der politische Einflussund das Vermögen ihrer Klienten auchohne festgesetzte Gebühren zur Verfügungstanden. Cicero legte als Summe, die einfreier Mann benötigte, um standesgemäßund unabhängig leben zu können, zwi-schen 100.000 und 600.000 Sesterzen Jah-reseinkommen fest (Cicero 1994: 241f.[49], Finley 1993: 59). Er selbst "verdien-te" während seiner Stadthaltertätigkeit inKilikien 2.000.000 Sesterzen (Finley 1993:57).

Page 8: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

8

Erwerbsarbeit und "Arbeit" im Sinne einersinnvollen Beschäftigung scheinen für denantiken Menschen zwei verschiedene Din-ge zu sein. Dient Arbeit ausschließlich demErwerb, gilt sie per se als moralisch min-derwertig. Dient sie dagegen der Vervoll-kommnung der eigenen Fähigkeiten, derErtüchtigung oder der Allgemeinheit, wirdsie mitunter durchaus als nützlich erachtet.Entsprechend lehrt Aristoteles: "Es ist auchein großer Unterschied, aus welchemGrund man etwas tut oder lernt. Tut man esfür sich selbst oder für seine Freunde oderum der Tugend willen, so ist es eines freienMannes nicht unwürdig; tut man dasselbeaber um anderer willen, so wird man wohloft wie ein Mensch dastehen, der das Ge-schäft eines Tagelöhners oder eines Skla-ven versieht" (Aristoteles 1995b: 284[1337 b 17 – 21]). Es ist also nicht die Ar-beit an sich, die den Menschen entwürdigt:"Selbst ein König darf Bäume fällen oderhinter dem Pflug gehen, aber nur so weit eres aus freien Stücken und für sich selbsttut" (Pekáry 1979: 10).

Trotz des offensichtlichen Umstandes,nicht in allen Lebenslagen um die Aus-übung einer Tätigkeit zum Zweck derExistenzsicherung herumzukommen, undtrotz zahlreicher lebenspraktischer Ermah-nungen namhafter Philosophen an den Ein-zelnen, für seinen Lebensunterhalt zu ar-beiten, damit man den anderen nicht zurLast falle – so etwa Hesiod in seinen Er-mahnungen an Perses (Hesiod 1996: 33[399 – 403]), Xenophon im Gespräch desSokrates mit Aristarch (Xenophon 1956b:107 [II, 7]) oder Thukydides in seiner be-rühmten Grabrede des Perikles (Thukydi-des 1993: 144 f. [II, 40]) –, zählt Erwerbs-arbeit sicherlich nicht zu den Lebensidea-len des antiken Menschen.

2.1.2 Moralische Qualitäten unter-schiedlicher Verrichtungen

Sowohl bei Xenophon als auch bei Platound Aristoteles finden sich eindeutige Aus-

sagen, welche Tätigkeiten eines freienMannes als würdig erachtet wurden; dabeistehen vor allem landwirtschaftliche Betä-tigungen an erster Stelle (Mommsen 1993:Bd. 7, 355; Pekáry 1979: 17). So etwa legtXenophon dem persischen König Kyrosdie Worte in den Mund: "Ich schwöre dirbei Mithras, wenn ich gesund bin, esse ichnie, ehe ich mich nicht im Schweiße mei-nes Angesichtes in militärischer oder bäu-erlicher Arbeit geübt (...) habe" (Xenophon1956a: 253 [4, 24]). Diese positive Ein-stellung gegenüber der Landwirtschaft als"Mutter aller Dinge" hatte mehrere Grün-de: So erachtete man die landwirtschaftli-che Betätigung vor allem unter sub-sistenzwirtschaftlichen Gesichtspunktenals nahezu vollkommen, da sie dem Idealder Unabhängigkeit am nächsten kam. Xe-nophon nennt in seiner Schrift Oikonomi-kos insgesamt acht Gründe für diese her-ausragende Stellung der Landwirtschaftunter den übrigen Erwerbskünsten:

− Sie stärkt das Interesse an der Landes-verteidigung, da es gilt, auch den eige-nen Besitz zu verteidigen.

− Sie stählt den Körper und härtet ab, dader Landwirt durch seine Tätigkeit stetszur körperlichen Ertüchtigung gezwun-gen ist.

− Sie schafft die Voraussetzung für dieGastfreundschaft, da die ländliche Um-gebung stets für Behaglichkeit sorgt.

− Sie erlaubt es, den Göttern angemessenzu opfern, da sie alles Notwendigehierfür hervorbringt.

− Sie ist als Erwerbskunst allgemein be-liebt, da sie Nutzen stiftet und ange-nehm ist.

− Sie lehrt die Gerechtigkeit, denn sieerweist denen, die sorgfältig wirt-schaften, stets Gutes.

− Sie fördert die Gemeinschaft und denBeistand, da Landwirtschaft nur in Zu-sammenarbeit möglich ist.

− Sie ist die Mutter aller Künste, dennwenn sie blüht, gedeihen auch alle an-deren Gewerbe (Xenophon 1956a: 253ff. [5]).

Page 9: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

9

Eine vergleichbare Einschätzung findetsich auch in der römischen Antike: "In denAugen des Römers war neben dem Krieg,der Politik und in späterer Zeit etwa denwissenschaftlichen Studien die einzigewürdige Beschäftigung eines freien Man-nes der Ackerbau" (Bender 1893: 338). Inseinem "de officiis" kolportiert Cicero eineAnekdote Catos, die diese Haltung deutlichwiderspiegelt: "Als man ihn fragte, was ammeisten beim Vermögen vorteilhaft ist,antwortete er 'tüchtig Viehzucht zu trei-ben', was das zweitbeste sei, 'genügendtüchtig Viehzucht zu treiben', was dasdrittbeste, 'schlecht Viehzucht zu treiben',was das viertbeste, 'zu pflügen'. Und alsjener, der ihn fragte, sagte: 'Wie steht esmit dem Geldverleihen?', da erwiderteCato: 'Wie steht es mit Mord an einemMenschen?'" (Cicero 1995: 223 [II, 89]).

Cicero fasst die Auffassung seiner Zeitge-nossen hinsichtlich standesgemäßer undnicht standesgemäßer Arbeit zusammen:"Was ferner die handwerklichen Berufeund Erwerbszweige angeht, welche alseines Freien würdig, welche für schmutzigzu gelten haben, so haben wir etwa Fol-gendes mitgeteilt bekommen. Zunächstwerden die Erwerbszweige missbilligt, diesich der Ablehnung der Menschen ausset-zen wie die der Zöllner, der Geldverleiher.Eines Freien unwürdig und schmutzig sinddie Erwerbsformen aller Tagelöhner (…).Denn es ist bei ihnen gerade der Lohn einHandgeld für ihre Dienstleistung. Fürschmutzig muss man auch diejenigen hal-ten, die von den Großhändlern Waren er-handeln, um sie sogleich weiter zu verkau-fen. Denn sie dürften nichts voranbringen,ohne gründlich zu lügen. (...) Alle Hand-werker befassen sich mit einer schmutzi-gen Tätigkeit, denn eine Werkstätte kannnichts Edles an sich haben. Am wenigstenkann man die Fertigkeiten gutheißen, dieDienerinnen von Genüssen sind (…). Die-jenigen Fertigkeiten aber, bei denen ent-weder größere Klugheit beteiligt ist oderdurch die ein nicht mittelmäßiger Nutzengesucht wird wie bei der Medizin, bei derArchitektur und dem Unterricht in ehren-

vollen Gegenständen, sind für die, derenStand sie zukommen, ehrenvoll. (...) Vonallen den Erwerbszweigen aber, aus denenirgendein Gewinn gezogen wird, ist nichtsbesser als der Ackerbau, nichts einträgli-cher, nichts angenehmer, nichts eines Men-schen, nichts eines Freien würdiger"(Cicero 1995: 131 f. [I, 150 f.]).

Besonders der Handel gilt der Antike dabeials tadelnswert. Dies hat seine Ursache inder Vorstellung des "gerechten Preises",der für eine bestimmte Ware zu zahlen istund der sich im Wesentlichen durch dieMühe der Herstellung, die Kosten der Roh-stoffe und die Seltenheit der Materialienbestimmt. Wenn also der Händler die Warebeim Erzeuger einkauft, muss er, um selbsteinen Gewinn machen zu können, entwe-der diesen zu gering entlohnen oder abervom Käufer einen überhöhten Preis ver-langen. In beiden Fällen muss er betrügen,um vom Handel leben zu können.

Interessant an diesem System sozialer Ab-stufungen bestimmter Berufsfelder er-scheint zweierlei: Zum einen erfolgt dieBegründung der sozialen Minderwertigkeitbestimmter Arbeiten fast ausschließlichdurch moralische und anthropologischeArgumente. In diesem Sinne gelten be-stimmte Tätigkeiten als "unmoralisch",weil sie nicht menschengemäß sind, denMenschen durch die so erzwungene Le-bensweise verweichlichen, den Einzelnenvon seinen Bürgerpflichten abhalten oderden Menschen zu unehrlichem Verhaltenzwingen. Zum anderen bestimmt die sozi-ale Stellung des Einzelnen, welche Tätig-keiten seinem Stand angemessen sind, undnicht umgekehrt, die Berufswahl den sozi-alen Stand. Besonders klar wurde dies vonCicero herausgestellt. Hier wird deutlich,dass in der antiken Arbeitsauffassung diesoziale Stellung das mögliche Berufsfeldbestimmt und nicht die soziale Stellungdem ausgeübten Beruf folgt. RedlicherGelderwerb kann mithin nur in einem dersozialen Stellung angemessenen Betäti-gungsfeld erlangt werden. Wer sich außer-halb dieses seinem Stande angemessenen

Page 10: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

10

Berufsfeldes betätigt, gerät in den Ver-dacht, sich auf unlautere Art und Weisebereichern zu wollen und nicht im Diensteder Gemeinschaft oder für die Familie zuarbeiten, sondern nach persönlichemReichtum zu gieren. Reichtum aber, "…der aus schimpflichem Gewerbe erwächst,besitzt einen umso offenkundigeren Makel.Wenn Geldgier nicht im Genughaben ihreGrenze findet, ist sie viel schlimmer alsäußerste Armut. Denn größere Begierdenerwecken größere Bedürfnisse. SchlimmerGewinn bringt Verlust an der Ehre. Hoff-nung auf schlimmen Gewinn ist der An-fang des Verlustes" (Demokrit 1972: 189[218-221]).

2.1.3 Arbeit verdirbt den Charakter

Die Verpflichtung zu standesgemäßer Tä-tigkeit beruht dabei nicht zuletzt auf derAuffassung, dass minderwertige Tätigkei-ten den menschlichen Charakter verderben.Entsprechend antwortet Aristoteles auf dieFrage nach der richtigen Erziehung derJugend: "... dass sie nur mit solchen nützli-chen Beschäftigungen befasst werden darf,die sie nicht zu Banausen, zu gemeinenHandwerkern herabwürdigen. Für banau-sisch hat aber jede Verrichtung, Kunst undKenntnis zu gelten, die den Leib oder dieSeele oder den Geist freier Menschen zurAusübung und Betätigung der Tugend un-tüchtig machen. Darum nennen wir sowohlalle solche Künste und Handwerke banau-sisch, die einen körperlich in eine schlechteVerfassung bringen, als auch jede Lohnbringende Arbeit, da sie den Geist der Mu-ße beraubt und ihn erniedrigt" (Aristoteles1995b: 283 f. [1337 b5-14]). Der "Ehren-mann", der sich einer nicht ehrenvollen,banausischen Tätigkeit hingibt, wird damitselbst automatisch unehrenhaft. So urteiltXenophon über die Moral der Handwerker:"Denn die so genannten handwerklichenBeschäftigungen sind verschrien und wer-den aus Staatsinteresse mit Recht sehr ver-achtet. Sie schwächen nämlich den Körperdes Arbeiters, da sie ihn zu einer sitzendenLebensweise und zum Stubenhocken

zwingen, oder sogar dazu, den Tag amFeuer zuzubringen. Wenn aber der Körperverweichlicht wird, leidet auch die Seele.Auch halten diese so genannten spießbür-gerlichen Beschäftigungen am meistendavon ab, sich um die Freunde und um denStaat zu kümmern. Daher sind solcheLeute ungeeignet für den Verkehr mitFreunden und die Verteidigung des Vater-landes. Deshalb ist es in einigen Städten(...) keinem Bürger erlaubt, sich einerhandwerklichen Beschäftigung zu wid-men" (Xenophon (1956a: 249 [4, 2]).

Die Furcht vor charakterlicher Minderwer-tigkeit infolge minderwertiger Tätigkeitfindet dabei nicht nur in moralphilosophi-schen Betrachtungen, sondern auch in ge-setzlichen Regelungen ihren Niederschlag.So gesteht beispielsweise Solon den Ta-gelöhnern und Handwerkern zwar das ak-tive Wahlrecht in der Ekklesia zu, nichtaber das passive Wahlrecht (Volkmann1979: Bd. 5, 765, 13-19). Auch in Spartamusste der Vollbürger Landbesitzer sein;gemäß einem Lykurg zugeschriebenenGesetz durfte er weder Handel noch Ge-werbe betreiben (Pekáry 1979: 18). Ebensowaren in Theben Händler und Gewerbe-treibende von der Bekleidung öffentlicherÄmter ausgeschlossen (Pekáry 1979: 25).Ähnlich auch die Einstellung der römi-schen Bürger: Per Gesetz – das bezeich-nenderweise noch auf Romulus zurückge-führt wurde – wurden Handwerker undGewerbetreibende um die Bewerbung umein höheres Amt und vom Kriegsdienstausgeschlossen (Bender 1893: 341ff.;Mommsen 1993: Bd. 1, 206). Zwar war eserstaunlicher Weise in Athen per Gesetzverboten, einem Gewerbe treibenden Bür-ger gegenüber seine Missachtung zumAusdruck zu bringen. Aber dies unter-streicht wohl eher die herablassendeSichtweise in der Alltagspraxis, da an-sonsten ein derartiges Gesetz unnötig ge-wesen wäre (Pekáry 1979: 25). Zwar wa-ren vor allem Ärzte oder Sänger "… hochgeschätzt, wenn sie ihre Kunst verstanden;aber zur herrschenden Gesellschaftsschichtzählten sie nicht; jeder noch so kleine

Page 11: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

11

Grundbesitzer hielt sich für berechtigt, aufsie vornehm herabzusehen" (Wägner 1902:162).

Das moralische Urteil der Gesellschaftorientierte sich an der Lebensweise, zu derder Einzelne durch seinen Beruf gezwun-gen war. Je stärker der jeweilige Beruf imVerdacht stand, ausschließlich dem Geld-erwerb und nicht nur dem Unterhalt desEinzelnen zu dienen, desto niedriger der"soziale Status", der sich mit diesem Berufverband. Im Zweifel stand dabei "der ehrli-che Dieb" in höherem Ansehen als derKrämer oder Geldverleiher. So heißt es beiCato: "Unsere Vorfahren haben es sogehalten und so in den Gesetzen niederge-legt: den Dieb mit dem Doppelten bestra-fen, den Geldverleiher mit dem Vierfa-chen. Hieraus kann man ersehen, für einenwie viel schlechteren Bürger sie einen Wu-cherer gehalten haben als einen Dieb"(Cato 1963: 31).

Die Eigenmotivation des Polis-Bürgersebenso wie des cives Romanum ist aufpolitische Ämter gerichtet, nicht auf Erfolgim Beruf. Für den antiken Menschen zähltzuerst die moralische Integrität, die sichaus der jeweiligen Beschäftigung ergibt,nicht deren ökonomische Erfolgsaussichten– gleichgültig welch niedrigen Charakter ersonst im öffentlichen Leben und den politi-schen Machtkämpfen offenbarte. Je aus-schließlicher sich die Betätigung am öko-nomischen Nutzen orientierte, desto frag-würdiger erschienen Moral und persönli-che Integrität desjenigen, der sie ausübte.Wichtig ist es festzuhalten, dass es sozialeNormen sind, die das Berufsfeld der "mo-ralisch zumutbaren" Betätigungen festle-gen. Dem widerspricht es jedoch nicht,wenn sich reiche Großgrundbesitzer gele-gentlich auch anderen Geschäften zu-wandten. "Das Engagement in Gelegen-heitsunternehmen oder die regelmäßigeAusführung von Geschäften durch Abhän-gige waren mit den Normen standesgemä-ßer Lebensführung vereinbar, weil solcheAktivitäten die Person sozial nicht defi-nierten und der Grundbesitz die Bewah-

rung des sozialen Status garantierte" (Nip-pel (1999: 59). Der soziale Status bleibtgebunden an die soziale Herkunft und diedamit zusammenhängenden Tugend-pflichten. Arbeit im Sinne von Erwerbsar-beit wird zuallererst nicht wegen der damitverbundenen Risiken oder Mühen abge-lehnt, sondern wegen der Gefahr, den gu-ten Ruf zu verlieren und als untugendhaftzu gelten.

2.1.4 Zusammenfassung

Insgesamt bleibt der antike Mensch derArbeit gegenüber skeptisch. Sie gilt alsMühe und Last und ist allenfalls der Not-wendigkeit geschuldet, für den eigenenLebensunterhalt zu sorgen. Wird hand-werkliche Betätigung lediglich zum Zwe-cke des Gelderwerbs betrieben, gilt dies inder Antike als "entartet". Zweck der Aus-übung einer Handwerkskunst ist die Ver-vollkommnung des Produkts, Aufgabe desSchusters ist es mithin, gute Schuhe zufertigen. Betreibt er sein Geschäft nur umdes Erwerbs willen, "verrät" er seineKunst. Für Aristoteles gehört derartigeGeschäftemacherei in den Bereich derChrematistik, der widernatürlichen Er-werbskunst: "Kann man aber den Über-fluss nicht durch Erwerbskunst erzielen, soversucht man es auf anderen Wegen undmacht in diesem Bestreben von allenmenschlichen Vermögen und Vorzügeneinen widernatürlichen Gebrauch. Denndie Mannhaftigkeit z.B. soll nicht Schätzehäufen, sondern Mut verleihen, und ebenso wenig soll das die Feldherrnkunst unddie Heilkunst, sondern die eine soll denSieg, die andere die Gesundheit bringen.Jene Menschen aber machen aus allen die-sen Dingen einen Gelderwerb, als wäre dasdas Ziel, worauf alles bezogen werdenmüsste" (Aristoteles 1995b: 21 [1258 a 7 –14]).

Arbeit und Arbeitsleistung als sozialesIdentifikationsmuster ist für den antikenMenschen nicht vorstellbar. Der "Self-mademan", der sich aus dem Nichts durch

Page 12: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

12

Arbeit und Mühen zu materiellemWohlstand emporarbeitet, gilt der antikenWelt nichts. Er wird zum Gespött, über densich ein Petronius in seinem Satiricon be-lustigt (Petronius 1997), ein Parvenu, dersich verzweifelt darum bemüht, jene sozi-ale Anerkennung zu gewinnen, die er sei-nem Reichtum angemessen glaubt. Sozia-ler Aufstieg durch erfolgreiche Arbeit wi-derspricht innerhalb der Antike jedwederVorstellung von Ehrbarkeit und Moral.

2.2 Arbeit zur höheren Ehre Gottes –das Arbeitsverständnis des Mittel-alters

Die mittelalterlichen Vorstellungen vonSinn und Zweck menschlicher Arbeit sindeng verknüpft mit der jüdisch-christlichenTradition und ihrer Überlieferung. Arbeitwird als Grundtatbestand des Menschseinsüberhaupt verstanden. Sie ist göttlicheStrafe für den Sündenfall des Menschenund Folge seiner Vertreibung aus dem Pa-radies. Zwar war das Arbeitsleid in dermittelalterlichen Ständegesellschaft durch-aus nicht gleich verteilt. Dennoch warennun – mindestens theoretisch – alle Men-schen davon prinzipiell in gleicher Weisebetroffen. Diese neue Sichtweise bildet denersten Schritt auf dem langen Weg zur Ent-stigmatisierung der Arbeit. Arbeit wird fürden mittelalterlichen Menschen zur gat-tungsmäßigen Sühneleistung des gesamtenMenschengeschlechts. Damit wird sie imEinzelfalle zwar nicht erträglicher, aber sieist jetzt befreit von dem Makel moralischerMinderwertigkeit. Alle sind durch die Erb-sünde und den göttlichen Fluch der Arbeitgleichermaßen betroffen.

Trotz dieser neuen Sicht gelingt es durchdie christliche Reinterpretation des Ar-beitsbegriffs jedoch nicht, das antike Ar-beitsverständnis zur Gänze aufzuheben.Zum einen lebt dieses in der theologisch-philosophischen Interpretation der antikenAutoren in Patristik und Scholastik fort.

Zum anderen findet das antike "Arbeits-ideal" eine gewisse Entsprechung in derfeudalen-ständischen Ordnung, die erstallmählich im Laufe der "kommerziellenRevolution" (Le Goff 1993: 12ff.) insWanken gerät und bis in das späte Mittel-alter hinein das soziale Bewusstsein prägt.

In der Vorstellungswelt des Mittelalterstreffen daher sowohl jüdisch-christlicheSichtweisen wie auch Inhalte der römisch-griechischen Philosophie aufeinander.Hieraus und aus den durch Völkerwande-rung, Neuordnung des Reiches und "kom-merzieller Revolution" resultierenden sozi-alen Veränderungen entsteht im Laufe desMittelalters schließlich eine Vorstellungvon Arbeit, die die strenge moralische Dis-kreditierung der Antike überwindet und soletztlich die Voraussetzungen für die neu-zeitliche Interpretation von Arbeit schafft.

Trotz der allmählichen Veränderung dermittelalterlichen Einstellung zum ThemaArbeit und Reichtum an der Schwelle zurNeuzeit bleiben doch drei wesentlicheElemente für das mittelalterliche Arbeits-verständnis weitgehend konstitutiv. Es sinddies

− die Vorstellung von Arbeit als göttli-chem Fluch in Folge des Sündenfallsder Menschheit,

− die Idee einer ständischen Ordnung, diedie Rolle des Einzelnen, seine Aufga-ben, aber auch seine sozialen Chancenund Möglichkeiten qua Geburtsrechtbestimmt und

− die Vorstellung eines gerechten Preisesund eines gerechten Lohns. Erst imLaufe der kommerziellen Revolution –mit wachsender Bedeutung der Kauf-leute und Handwerker, zunehmenderEntwicklung der Städte und ihren neu-en Organisationsformen sowie der all-mählichen Erosion der feudalenStrukturen – verlieren diese Elementeallmählich an Bedeutung.

Page 13: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

13

2.2.1 Verflucht sei die Erdeum deinetwillen

Das mittelalterliche Arbeitsverständnis istgeprägt durch die Schriften des Alten unddes Neuen Testaments. Dabei ist Arbeitinnerhalb der Menschheitsgeschichte zu-nächst positiv konnotiert. Der Mensch er-hält von Gott den Auftrag, den GartenEden zu bebauen und zu pflegen (Gen. 2,15). Arbeit – d.h. im Mittelalter vorwie-gend landwirtschaftliche Arbeit – ist vonGott geschaffen. Selbst im Paradies ist derMensch zur Arbeit bestimmt, doch erstdurch den Sündenfall wird sie dem Men-schen zur Qual (Oexle 1999: 69; Wannen-wetsch 2001: 79). Als Strafe Gottes ist derMensch nun zur Mühsal verdammt: "...verflucht sei der Erdboden um deinetwil-len. Unter Mühsal sollst du dich von ihmernähren alle Tage deines Lebens. Dornenund Disteln soll er dir wachsen lassen. DasKraut des Feldes musst du essen. ImSchweiße deines Angesichtes sollst du deinBrot essen, bis du zum Erdboden zurück-kehrst, von dem du genommen bist" (Gen.3, 17ff.). Damit wird der Fluch schwererkörperlicher Arbeit zum Schicksal allerMenschen; sie ist die göttliche Strafe desMenschengeschlechts für den Sündenfall.Gott selbst erlässt das "Arbeitsgebot":"Sechs Tage sollst du arbeiten und all deinWerk tun" (Ex. 20, 9).

Diese Interpretation von 'Arbeit' alsGrundtatbestand menschlicher Existenzfindet ihre Fortführung im neuen Testa-ment. Zu betonen ist, dass Arbeit hier eineim Vergleich zur Antike durchaus positiveBewertung erfährt. Die Welt der Evange-lien ist die Welt der kleinen Handwerkerund der einfachen Leute. Entsprechendbildet die handwerkliche Arbeit häufig jeneFolie, vor deren Hintergrund das Wesender "christlichen Moral" innerhalb derEvangelien exemplifiziert wird. Selbst dieVerkündigung des Evangeliums selbstwird metaphorisch als Arbeit dargestellt:Die Jünger Jesu sind Arbeiter für die Ernte(Mt. 9, 37 u. Lk. 10, 2), Arbeiter im Wein-berg (Mt. 20, 1ff. u. Mt. 21, 28ff.) und

sollen für ihre Arbeit "entlohnt" werden(Lk. 10, 7). "In dieser Hochschätzung kör-perlicher Arbeit wird ein fundamentalesKriterium sozialer Differenzierung in dergriechisch-römischen Welt niedergerissen"(Oexle 1999: 69).

Ihre normativ-praktische Wendung erfährtdiese positive Metaphorik des Neuen Tes-taments in den Apostelbriefen. Arbeit wirdhier im Sinne einer sozialen Notwendigkeitgesehen. Nicht das Verharren in einer chi-liastischen Heilserwartung, sondern dastätige Leben in der und für die Gemein-schaft erhält die christlichen Gemeindenlebensfähig. So warnt Paulus in seinemzweiten Thessalonicherbrief (2. Thess. 3,10-12): "Wir haben euch ja, als wir beieuch waren, diesen Grundsatz eingeschärft:Wer nicht arbeiten will, soll auch nichtessen. Wir haben nämlich gehört, dass ei-nige unter euch einen faulen Lebenswandelführen, nichts arbeiten, sondern sich un-nütz machen. Denen, die es angeht, gebie-ten und befehlen wir im Herrn JesusChristus, dass sie in Ruhe ihre Arbeit tunund ihr eigen Brot essen." Nicht Müßig-gang und das Leben auf Kosten der ande-ren steht damit im Mittelpunkt der christli-chen Arbeitsmoral, sondern Fleiß und dieSorge um den eigenen Lebensunterhalt.Mit diesem Grundsatz, "... begann die Ab-lehnung der antiken Einstellung zur Arbeitund man fing an, Arbeit als normalenmenschlichen Zustand zu betrachten. DerMüßiggang hingegen wurde zu denschlimmsten Sünden gezählt. Die christli-che Lehre bewertete die irdischen Ein-richtungen vom Standpunkt ihrer Taug-lichkeit als Mittel für die Annäherung anGott, und in diesem Sinne wurde auch dasVerhältnis zur Arbeit bestimmt" (Gurje-witsch 2000: 43).

Aber auch durch den Einfluss der klösterli-chen Gemeinschaften beginnt im Laufe desMittelalters das negative Arbeitsverständ-nis der Antike allmählich aufzubrechen."Das ora et labora, das sich durch dieMönchsregeln von den Benediktinern biszu den Franziskanern hindurch zieht,

Page 14: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

14

nimmt dem heidnisch-antiken Lastcharak-ter der Arbeit seinen Boden und gibt derArbeit eine durchaus andere, auch christli-che Version ..." (Borst 1983: 340). Dieklösterliche Arbeit wird zum Vorbild fürdie übrigen Stände und beginnt deren Ein-stellung zum Thema Arbeit allmählich imSinne von Arbeitsfleiß und Disziplin um-zugestalten. Ziel der Arbeit war es, dieirdische Existenz des Menschen zu sichern;zugleich diente Arbeit als Mittel der Erzie-hung und der Selbstbezähmung (Le Goff1987: 67). So unterscheidet Thomas vonAquin einen vierfachen Zweck der Arbeit(Hundsbichler 1996: 189): Erstens hilft siedem Menschen, das Lebensnotwendige zubeschaffen; zweitens dient sie dazu, denMüßiggang als Ursache zahlreicher Lasterzu vertreiben; drittens hilft sie, durch Kas-teiung des Leibes die Fleischeslust zu zü-geln; viertens schließlich ermöglicht sie es,Almosen zu spenden.

Arbeit wird hier im Gegensatz zur Antikenicht mehr durchwegs negativ bewertet.Sie soll dem Menschen ein Auskommengarantieren und ein Leben in Würde und ingewisser Behaglichkeit ermöglichen. Ent-scheidend für die Gottgefälligkeit der Ar-beit bleibt dabei der Dienst an der Gemein-schaft. Dies gilt sowohl für das klösterlicheArbeitsverständnis als auch für die weltli-che Sicht der Arbeit. Jeder Stand solle – sodie theologische Auffassung – hierzu sei-nen gerechten Beitrag leisten.

2.2.2 Arbeit und ständische Ordnung

Ab dem 9. Jahrhundert formuliert die ka-tholische Kirche die Lehre von den "dreiStänden" (Fumagalli 1999: 81; Le Goff1997: 18). Die irdische Ordnung, so dieMeinung der Theologen, sei Abbild derhimmlischen Ordnung und ebenso wiediese nach dem Abbild der Dreifaltigkeitgegliedert. Entsprechend teilt sich die irdi-sche Gesellschaft in drei Stände (ordines):die Ritter oder "bellatores", die Betendenoder "oratotres" und die Bauern oder "la-boratores" bzw. "aratores" (Gurjewitsch

2000: 217). Entsprechend der "WienerGenesis" aus dem 11. Jahrhundert werdendiese drei Stände auf das Alte Testamentzurückgeführt: "Ritter, Freie und Unfreiestammen von drei Brüdern, den SöhnenNoahs, ab: der Ritter von Japheth, derFreie von Sem, der Abhängige von Ham.Nach der Wiener Genesis (...) ist dieQuelle der bäuerlichen Unfreiheit die Ver-fluchung Hams durch Noah ..." (Gurje-witsch 2000: 36).

Jedem Stand kommt dabei seine besondereAufgabe zu. So heißt es etwa bei Thomasvon Aquin: "Der Arzt sorgt, dass das Le-ben des Menschen gesund bleibe, der Wirt-schafter, dass aller Lebensbedarf ausrei-chend gedeckt wird, der Gelehrte, dass erdie Wahrheit erkennt, der sittliche Führerdes Volkes aber, dass es nach den richtigenGrundsätzen lebt" (Aquin 1990: 53 [I, 14]).Nur wenn jeder der Stände seine Aufgabenpflichtgetreu erfüllt – so die Vorstellung –,kann die soziale Ordnung zum Wohle allerMenschen aufrecht erhalten werden. "...das Wohlergehen des Ganzen hängt vonder Beständigkeit und Unteilbarkeit seinerKomponenten ab. Was den einfachenMenschen, die Bauernschaft anbetrifft, so(...) ist ihre Arbeit genauso wesentlich undnotwendig für die Kategorien der 'Beten-den' und 'Krieger' wie die Dienste derGeistlichkeit und des Rittertums lebens-wichtig für die 'Ackerbauern' sind. DieHarmonie der Klassen und die Vorstellung,dass es keine Mobilität zwischen den sozi-alen Gruppen geben kann, ist das Denkide-al dieser Epoche" (Gurjewitsch 2000: 36).

Die Funktion der einzelnen Stände undihre Aufgaben bilden daher Gegenstandzahlreicher Predigten und Exempla. Soheißt es etwa bei Berthold von Regens-burg: "Wenn auch mancher gerne ein Grafsein möchte, so muss er ein Schuster sein;so du auch gerne ein Ritter sein wolltest, somusst du ein Bauer sein und du musstKorn und Wein für uns anbauen. Wersollte uns den Acker bestellen, wenn ihralle Herren wäret? Oder wer wollte uns dieSchuhe machen, wenn du sein könntest,

Page 15: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

15

was du wolltest. Du musst so sein wie Gottes will" (Berthold 1862-1880: Bd. 1, 14, 4-9). Und er ermahnt ausdrücklich jeden, inseinem "Amte" zu verweilen, ohne zu mur-ren und zu klagen: "... auch wenn du einniederes Amt hast, sollst du weder in dei-nem Herzen murmeln noch in deinemMunde: 'Oh weh, Herr Gott, warum hastdu mir ein so arbeitsames Leben gegeben,wo du doch manch anderem so große Eh-ren und Güter gegeben hast?' Das sollst dunicht tun. Du sollst sprechen: 'Herr, seigelobt für all deine Gnaden, die du mirerwiesen hast ..." (Berthold 1862-1880:Bd. 1, 144, 15-20).

Diese offizielle Einstellung der Kirchegegenüber der ständischen Gesellschafthält sich letztlich bis zu Beginn der Neu-zeit. Der Gedanke an eine soziale Gleich-stellung aller wird im Mittelalter als un-möglich verworfen. Jeder hat die Aufgabezu erfüllen, für die Gott ihn vorgesehenhat. Karl Unkel bringt diese Einstellungauf den Punkt, wenn er schreibt: "Jeder sollmit seinem Stand oder Beruf, welchen ihmnicht der Zufall gegeben, sondern Gott mitWeisheit bestimmt hat, zufrieden sein,wenn es auch ein niederer ist, denn es istbesser, mit einem niederen Amte in denHimmel, als mit einem hohen in die Höllezu kommen ..." (Unkel 1882: 69). DerMensch ist aufgerufen zum Wohle Gotteszu wirtschaften, egal an welche Stelle Gottihn gestellt hat.

Handwerker und Kaufleute spielen in die-ser theologischen Selbstreflexion der Stän-deordnung keine Rolle. Die Tätigkeit desEinzelnen stellt sich als Dienst dar: Sie istGottesdienst, Herrendienst, Frondienstoder Frauendienst (Borst 1983: 338). "DerMensch wählt seinen Dienst nicht nachseinem eigenen Willen und darf nicht übereinen Wechsel des Berufs oder einem sozi-alen Rang in einen anderen nachdenken,denn jeder 'Dienst' verpflichtet ihn dazu,die Vorsehung Gottes zu erfüllen" (Gurje-witsch 2000: 223).

2.2.3 Der gerechte Lohn unddas kanonische Zinsverbot

Erst in dem System wechselseitigen Aus-tausches, das ab dem 10. Jahrhundert zu-nehmend in den Städten entsteht und ohnedas kein Städter eigentlich leben kann,entsteht eine Vielzahl neuer Berufe. Zu-nehmend steht nun nicht mehr der Dienstim Vordergrund, sondern die Produktionfür das Gemeinwohl (in der theologischenSichtweise) oder für den Markt (in derkaufmännischen Sichtweise). Wirtschaftenwird in dieser als Abbild der göttlichenOrdnung wahrgenommenen Welt als Not-wendigkeit gesehen, die menschlichenGrundbedürfnisse zu befriedigen. Insbe-sondere die soziale Dimension der aufein-ander angewiesenen Menschen wird in der"ökonomischen Theorie" des Mittelaltersals wesentliche Legitimation für wirt-schaftliche Aktivitäten gesehen. Entspre-chend bleiben wirtschaftliche Betätigungenin ihrem Ausmaß stets durch die göttlichenund allgemeinen sittlichen Gebote be-grenzt. "Dem Wirtschaften obliegt grund-sätzlich nicht die Aufgabe, Reichtümer undGewinn zu vermehren, sondern dafür zusorgen, dass alle das zum Leben Notwen-dige und Angemessene erhalten. Anders istdas gemeinsame Wohl (bonum commune)nicht erreichbar. Diesem obersten Ziel derWirtschaft müssen sich die Produktions-zweige und die Produktionstechniken ein-ordnen, auch das Erwerbs- und Ge-winnstreben" (Beutter 1989: 66). Übermä-ßiger Reichtum erscheint hingegen su-spekt, da in aller Regel unterstellt wird,dass dieser nicht auf redlichem Wege er-worben wurde.

Diese Interpretation von Arbeit erlaubt esdem Einzelnen, seinen Lebensunterhaltdurch Arbeit zu verdienen und – aus heuti-ger Sicht – nach bescheidenem Wohlstandzu streben. Arbeit als Mittel, Reichtümeranzuhäufen, bleibt aber weiterhin mora-lisch verwerflich. Die Vorstellungen des-

Page 16: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

16

sen, was dabei als gerechtes Arbeitsentgeltzu gelten habe, ist hier, ähnlich wie schonin der Antike, eng verknüpft mit der Vor-stellung eines gerechten Preises.

Was jedoch genau im Mittelalter als ge-rechter Preis angesehen wurde, scheintkeineswegs eindeutig zu sein. So etwaschreibt Aurelius Augustinus: "Es gibt aberauch eine andere Art der Wertung, nämlichje nach dem Nutzen, den irgendein Dingstiftet. (...) Denn wer möchte in seinemHause nicht lieber Brot haben als Mäuse,nicht lieber Geld als Flöhe? Das brauchtuns nicht zu wundern, da sogar, wennsich's um Einschätzung von Menschenhandelt, deren Wesen von so hoher Würdeist, ein Pferd oft höher bewertet wird alsein Sklave, eine Perle höher als eine Magd.So ist denn, wenn frei geurteilt wird, einerheblicher Unterschied zwischen derSchätzung prüfender Vernunft und derSchätzung, die durch den Zwang des Be-dürfnisses oder die Lust des Begehrensbestimmt wird. Denn die Vernunft fragtimmer danach, welcher Platz jedem Dingan sich in der Stufenreihe der Wesen zu-kommt, das Bedürfnis dagegen nach derTauglichkeit eines Dings als Mittel zumZweck" (Augustinus 1991, Bd. 2, 27 f. [XI,16]).

Demgegenüber schreibt Thomas vonAquin mit Berufung auf die "Goldene Re-gel" (Mt. 7, 12): "Nun will aber keiner,dass ihm ein Ding teurer verkauft wird, alses Wert hat. Also darf keiner dem anderenein Ding teurer verkaufen, als es wert ist"(Aquin 1985: Bd. 3, 343 [2 II, 77, 1, 3])Zwar "... kann etwas erlaubter Weise zumehr verkauft werden, als es an sich wertist, allerdings nicht zu mehr, als es Werthat für den, der es besitzt. (...) Denn dieNützlichkeit, die dem anderen zuwächst,entstammt nicht dem Verkäufer, sondernder Lage des Käufers. Keiner aber darfdem anderen verkaufen, was nicht sein ist,mag er ihm auch den Schaden verkaufenkönnen, den er leidet" (Aquin 1985: Bd. 3,344 f. [2 II, 77, 1]). Unbillig scheint daherübertriebener Wucher, die Ausnutzung

einer Notlage oder unlautere Vorteilsnah-me zu sein. Der gerechte Preis ergibt sichals Mitte aus den eigenen Mühen, die zurProdukterzeugung aufgewendet wurden,und dem Nutzen, den die Ware dem Ver-käufer selbst zu stiften in der Lage gewe-sen wäre.

Wurde in der sozialen Vorstellung desMittelalters bereits übermäßiger Gewinnmit Wucher gleichgesetzt und Gewinnstre-ben als Habsucht (avaritia) und somitsündhaftes Verhalten verdammt, so galtdiese soziale Ächtung in noch höheremMaße für reine Geldgeschäfte. Es erschiendem mittelalterlichen Menschen als un-gerecht, Zins zu nehmen, denn wer Zinsnimmt, handelt mit der Zeit. Die Zeit abergehört Gott. Zudem – so die weit verbrei-tete Ansicht – ruht derjenige, der Zinsennimmt und Wucher treibt, niemals vonseinen Sünden aus. Mörder töten nichtimmer, Diebe können nicht andauerndstehlen, aber wer Zinsen nimmt, sündigtstetig: Selbst dann, wenn er schläft, arbei-tet sein Kapital und lässt ihm unrechtmäßi-gen Gewinn zufließen.

Mit dem kanonischen Zinsverbot von 1179stellte die katholische Kirche den Wucherund die Zinsname unter kirchliche Strafe(Gurjewitsch 1997: 273). Hieraus zuge-flossener Gewinn wurde als "res aliena" –als fremde Sache – betrachtet, ein recht-mäßiger Erwerb war de jure mithin ausge-schlossen (Ubl/Vinx 2000: 325 f.). ZurBegründung des Zinsverbotes verweist dieKirche dabei auf die Schriften des Altenund Neuen Testaments.

Allerdings erwies sich das Zinsverbot imAlltag praktisch als nicht durchsetzbar.Dies zum einen deshalb, da Darlehensge-schäfte insbesondere unter den Kaufleutenverbreitete Praxis waren. Zum anderendeshalb, da nahezu alle Bevölkerungs-schichten auf Kredite angewiesen waren,sei es um den feudalen Status aufrecht zuerhalten (Adel) oder sei es, um eine akuteNotlage zu überbrücken (Bauern). Letzt-lich sah sich die Kirche gezwungen, das

Page 17: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

17

Zinsverbot auf dem 5. Lateranenkonzil(1512-1517) wieder aufzuheben.

2.2.4 Die kommerzielle Revolution

Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert vollzie-hen sich innerhalb Europas jene wesentli-chen Veränderungen innerhalb der ökono-mischen und sozialen Struktur, die ge-meinhin unter dem Namen "kommerzielleRevolution" zusammengefasst werden(Gurjewitsch 1993: 12 f.; Beutter 1989: 62f.). Auslöser hierfür sind die Sicherung derHandels- und Verkehrswege, die verbes-serte Ernährungslage und der damit ein-hergehende Anstieg des Bevölkerungs-wachstums und die zunehmende Urbani-sierung. Damit entsteht insbesondere inden Städten eine neue Gesellschaftsstruk-tur, die vor allem von Handwerkern undKaufleuten geprägt wird.

Dabei befand sich vor allem der mit derkommerziellen Revolution neu entstandeneTypus des Kaufmanns, dessen einzigesBerufsziel der Gelderwerb war, in stetigerGewissensangst: "Auf dem mittelalterli-chen Kaufmann lastet bis dahin ständig einberufsspezifischer Gewissenskonflikt: Fürihn ist materieller Gewinn das eigentlicheBerufsziel und Vermögensbildung jenerLeistungsnachweis, der soziales Prestigebegründet. In der Praxis erscheint abereben dieses Gewinnstreben unvereinbarmit seinem christlichen Gewissen"(Hundsbichler 1996: 190). Nach kirchli-cher Lehrmeinung gilt: Homo mercatornunquam aut vix potest Deo placere (LeGoff 1993: 68 f.).

Um sich von ihren Sünden rein zu wa-schen, werden von den reichen Handels-herren zahlreiche wohltätige Stiftungengetätigt (Hundsbichler 1996: 190; Le Goff1993: 49 ff.). Zudem gingen aus den Rei-hen bußfertiger Kaufleute zahlreichechristliche Gemeinschaften und religiöseOrden hervor, so unter anderem Walden-ser, Franziskaner und Jesuiten (Gurje-witsch 1994: 236 f.). Obwohl es der ein-

zelne Kaufmann an Reichtum und Prestigemit manchem Fürstenhaus aufnehmenkonnte, blieb doch der Mangel an ihmhaften, seinen Reichtum nicht rechtenserworben zu haben, da er gegen die Ge-setzmäßigkeiten der sozialen Ordnung ver-stoßen habe.

Gegen Ende des Mittelalters hat sich trotzder offiziellen Verdammnis von Wucherund Spekulation die soziale Realität weit-gehend verändert. Voll Bewunderungschildert Marco Polo den Reichtum derHandwerker und Kaufleute von Quinsai,die so reich sind, dass sie selbst nicht mehrarbeiten müssen und eine "Lebensart wiedie Könige" pflegen (Polo 1983: 246 ff.).Und deutlich bringt er die Einschätzungder Sachlage durch seine Generation aufden Punkt: "Nehmen wir an: Ein Mannbetreibt wegen seiner Armut ein Hand-werk, denn nur so vermag er seinen Le-bensunterhalt zu bestreiten. Mit der Zeitkommt er zu Wohlstand und könnte jetztohne handwerkliche Tätigkeit ein ehren-haftes Leben führen. Warum sollte er dazur Arbeit gezwungen werden? Denn of-fensichtlich sind die Götter dem tüchtigenManne wohlgesinnt. Alles, was aber derMensch gegen den göttlichen Willen ver-fügt, ist unstatthaft und ungerecht" (Polo1983: 247).

Eine zentrale Rolle für diesen gesellschaft-lichen Umbau und die ökonomische Ent-wicklung Europas spielt dabei die ab dem11. Jahrhundert immer schneller voran-schreitende Stadtentwicklung. Ab dem 14.Jahrhundert gelangen die Städte zuneh-mend zu einem eigenen Selbstbewusstsein:Sie sind Gerichtsplatz, sie bieten Schutz,sie sind Handels- und Handwerkszentrumund – sie sind reich. Mit dem sich verän-dernden Selbstbewusstsein der Stadtbe-wohner ändert sich auch das moralischeEmpfinden einer ganzen Epoche. Reichtumwird nicht mehr als Sünde betrachtet, dieFurcht, durch Reichtum sein Seelenheil zuverlieren, bestimmt immer weniger dasLebensgefühl des spätmittelalterlichenMenschen.

Page 18: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

18

Die Kirche kommt diesem neuen Lebens-gefühl entgegen. Mit der "Erfindung" desFegefeuers schafft sie jene Institution, diees dem Einzelnen erlaubt, trotz irdischerVerfehlungen doch noch in den Himmel zugelangen. Durch Buße, gute Werke, dasLesen von Messen und durch Ablassbriefeließ sich die Verweildauer im Fegefeuererheblich verkürzen (Gurjewitsch 2000:306; 344; Münch 1998: 411). Der Kauf-mann des 14. Jahrhunderts hatte wenigerAngst vor dem Jenseits als seine Vorgän-ger im 12. Jahrhundert: Testamentarischwar die Anzahl der Messen verfügt, die fürsein Seelenheil zu lesen waren (je nachSündenregister bis in die Zehntausende)(Kühnel 1996: 92 f.), die Ablassbriefe la-gen im Kontor verwahrt und die Buchfüh-rung hielt auf so genannten "Gotteskonten"(Le Goff 1993: 86) peinlichst genau alleSpenden für die Kirche oder wohltätigeZwecke fest. "Mit Gott verkehrte man wiemit einem Mitglied der Handelsgenossen-schaft, und seine Anteile hingen von derGröße des Gewinns ab, den die Genossen-schaft erzielte. Auf diese Weise mussteGott selbst daran interessiert sein, dass derUnternehmer einen möglichst großen Pro-fit erzielte!" (Gurjewitsch 1997: 298).

Der Stadtbürger des ausgehenden Mittel-alters unterscheidet sich erheblich von denMenschen des Frühmittelalters. Er istHandwerker, Geselle, Kaufmann, Krämeroder Angestellter in einem der zahlreichenKontore. Selbst jede noch so geringe Tä-tigkeit hat in der Stadt ihr eigenes Berufs-bild und wenn immer möglich ihre eigeneZunft: Sei es als Schreiber, Bote oder"Ausrufer verlorener Sachen", nur wereiner regelmäßigen Beschäftigung nach-geht, kann seinen Aufenthalt in der Stadtlegitimieren.

Der Historiker Otto Borst fasst das Le-bensgefühl der Stadt im ausgehenden Mit-telalter zusammen: "Das Handwerk hatsich in einem langen Prozess von der agra-rischen Arbeitswelt emanzipiert, nicht al-lein, weil die 'Besseren' und Findigen indie Städte zogen und den großen Trend

zum Neuen mittragen halfen, sondernauch, weil eine neue arbeitsethische Bewe-gung in Gang gekommen war, die man amliebsten mit 'Städtergeist' umschriebenhätte. In den aufwachsenden Städten stehtdas 'Haben' durchaus an der Stelle einerLebensdevise. (...) Das Dasein wird in derStadt von einem bisher nicht gekanntenAktivismus aufgelockert, der sich alle Le-bensgebiete erobert, die Religion und dieprofane Berufsarbeit" (Borst 1983: 356).

2.2.5 Zusammenfassung

Damit ist es letztlich die mittelalterlicheStadtentwicklung, die die Voraussetzungeneiner bürgerlichen Gesellschaft bildet. Dergeänderte Stellenwert von Handel undHandwerk schafft jene Fakten, die denÜbergang von der Feudalgesellschaft zurbürgerlichen Gesellschaft vorbereiten.

War Arbeit zu Beginn des Mittelalters in-nerhalb der theologischen Interpretationvor allem menschliche Sühneleistung fürden Sündenfall und wurde sie vor allem alsLeid und körperliche Belastung gedeutet,werden Berufsarbeit und beruflicher Erfolggegen Ende des Mittelalters zunehmendzur gesellschaftlich anerkannten Möglich-keit, soziale Schranken zu überwinden.Dennoch gilt dies nur für eine Minderheitder Bevölkerung. Der Großteil der Arbeitfindet auch gegen Ende des Mittelaltersweiterhin im Rahmen der bäuerlichenSelbstversorgung statt. Die Landbevölke-rung bleibt skeptisch gegenüber den sichbietenden neuen Chancen. Volkspredigerund Laienautoren weisen in ihren Predig-ten und Stücken stets auf die Gefahren derneuen Ordnung hin und werden nicht mü-de, vor Übermut und nicht standesgemä-ßem Streben nach Reichtum und Erfolg zuwarnen.

Doch trotz dieser Skepsis gegenüber derallmählichen Auflösung der ständischenOrdnung kommt es auch hier spätestensmit den Bauernkriegen zu einem geänder-ten Bewusstsein der ländlichen Bevölke-

Page 19: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

19

rung. Die Bauern sind es, die alle ernährenund die Rohstoffe für Handwerk und Han-del bereitstellen. Hierfür fordern sie mehrFreiheit und politische Mitspracherechte.In seinem Lied vom "Burger, Bauer undEdelmonn" lässt Hans Sachs den Bauernhochleben. Er ist in nahezu allen Dingenden anderen Ständen überlegen: Er leitetseine Abstammung direkt von Adam ab,stammt somit vom ältesten Geschlecht ab;er zählt zum wichtigsten Stand, da er durchseine Arbeit alle ernährt; er regelt seineAngelegenheiten selbst, braucht keineSchöffen und keine Anwälte; er besitztkein Jagdrecht, aber er hat sein Fleisch zuHause im Stall; dank Fleiß und Arbeit istder Bauer wohl genährt und gegen dieWechselfälle des Lebens gesichert. Undschließlich ist er – dank seiner Arbeit – derGesündeste an Leib und Seele (Sachs1992: Bd. 1, 176 ff.). Letztlich wird Arbeitsomit auch von Seiten der ländlichen Be-völkerung zunehmend weniger ausschließ-lich als Arbeitsleid betrachtet, sondernwird auch hier letztlich als Chance begrif-fen, zu legitimen Wohlstand zu gelangen.

2.3 Arbeit als Schlüssel zu Wohl-stand – Das Arbeitsverständnisder Neuzeit

Wesentliches Kennzeichen des Wandelszur bürgerlichen Erwerbsgesellschaft amEnde des 17. Jahrhunderts ist der Verfallder feudalen Ordnung. Die bürgerlicheGesellschaft versteht sich als Gegenent-wurf zu einer Adelsgesellschaft, die sichvor allem durch Tradition und Herkommenbestimmt. Da sich der Bürger nicht aufvergleichbare Geburtsrechte und Privile-gien berufen kann, entwickelt die bürgerli-che Gesellschaft ihre eigenen Mechanis-men zur Vergabe der gesellschaftlichenChancen. Beruf und beruflicher Erfolgwerden nun zum wesentlichen Stratifikati-onsmerkmal der neuen Gesellschaftsord-nung.

Für den Einzelnen hat dies erheblicheKonsequenzen. Es setzt die Ausprägung

einer ökonomischen Rationalität, eine nachwirtschaftlichen Prinzipien organisierteLebensführung und eine bestimmte Ar-beitsmoral als wesentliche Erfolgsfaktorenbei der Umsetzung eines individuellen Le-bensentwurfs voraus. Entsprechend lassensich mindestens drei Charakteristika identi-fizieren, die diesen Weg zur bürgerlichenGesellschaft wesentlich mitbestimmten:

− Zum einen ist dies das zunehmendepolitische Selbstbewusstsein des Bür-gertums. Mit der Aufklärung wird Ge-sellschaft als vertraglicher, freiwilligerZusammenschluss gleichberechtigterBürger verstanden. Die Ideen des Indi-vidualismus und Liberalismus führenzur Definition individueller Bürger-rechte.

− Zum Zweiten führt die zunehmendeErosion der ständischen Ordnung zuweit reichenden gesellschaftlichenVeränderungen. Nicht mehr der Stand,sondern das individuelle Können unddas ökonomische Geschick des Einzel-nen bestimmen zunehmend seine Rolleinnerhalb der Gesellschaft. Ausbildung,Risikobereitschaft und die individuelleLebensführung werden zum Schlüsselfür das eigene gesellschaftliche Fort-kommen.

− Zum Dritten schließlich entsteht mitdieser neuen Sichtweise von Gesell-schaft auch eine neue Sichtweise derökonomischen Handlungssphäre."Ökonomie" tritt aus ihrer bisherigenRolle als Instrument von Politik undStaatsführung einzelner Landesherrenheraus und wird als Funktionsbereichvon Gesellschaft begriffen.

Diese gesellschaftlichen Veränderungenändern auch die Art und Weise der Selbst-reflexion einer ganzen Epoche. Neben ei-nem geänderten Wissenschaftsverständnis,das sich nun überwiegend an der experi-mentellen Vorgehensweise der Naturwis-senschaften orientiert, und einem neu ent-standenen historischen Bewusstsein wirdes zum Anliegen der bürgerlichen Epoche,Wissen zu systematisieren und in Form

Page 20: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

20

von "Bildung" zu tradieren. In ihren "Le-benserinnerungen" geben diejenigen, dieden Aufstieg geschafft haben, Ratschlägezur erfolgreichen Lebensführung. Zahlrei-che "Erbauungsschriften", so etwa der vonBenjamin Franklin herausgegebene "PoorRichard's Almanack" betonen die bürgerli-chen Tugenden wie Fleiß, Sparsamkeit,Pünktlichkeit und Mäßigung als Erfolgs-faktor des gelungenen Lebens und versu-chen so, die Moral der ärmeren Bevölke-rungsschichten zu heben und diese zu Ei-geninitiative und Arbeitseifer anzuregen.Darüber hinaus beteiligt sich der Bürger inzahlreichen Gelehrtenzirkeln und Wochen-schriften am wissenschaftlichen Diskursund nimmt Stellung zum aktuellen politi-schen Geschehen.

2.3.1 Das neue Selbstbewusstseindes Bürgertums

Das Denken des aufgeklärten Menschender Neuzeit unterscheidet sich wesentlichvom ständischen Ordnungsdenken desmittelalterlichen Menschen. Dies betrifftnicht nur seine "aufgeklärte" Haltung ge-genüber Religion, Politik und Wissen-schaft, sondern auch seine Sichtweise vonGesellschaft überhaupt. Mindestens theo-retisch wird Gesellschaft als Versammlungvon Natur aus freier und gleicher Men-schen begriffen, die sich selbst eine Ord-nung des Zusammenlebens geben (Hobbes1980: 118; Locke 1999: 73; Rousseau1998a: 17; Fichte 1979: 14). Der Staat istnicht mehr die natürliche Ordnungmenschlichen Lebens wie in der antikenVorstellung oder Spiegelbild göttlicherOrdnung wie im Mittelalter, sondern er istdem Gestaltungswillen des Menschenmindestens prinzipiell zugänglich. SeinZweck ist der Schutz der bürgerlichenRechte. Er wird zum Garanten von inne-rem Frieden, Rechtssicherheit und Eigen-tum. Nur dann, so insbesondere die Vor-stellungen John Lockes, wenn diese Si-cherheit besteht, wird der Einzelne in derLage sein, die Früchte seiner Arbeit zu

genießen. Erst die staatliche Garantie vonRechtssicherheit und Eigentum schafft dieVoraussetzungen unter denen bürgerlicherErwerbsfleiß sich entfalten kann. Entspre-chend dieser Sichtweise dient der Staat imEntwurf der bürgerlichen Gesellschaft vorallem dem Schutz dieser individuellenFreiheits- und Eigentumsrechte.

In der Vorstellungswelt der bürgerlichenGesellschaft ist der Mensch durch seineArbeit in der Lage, legitimes Eigentum zuerwerben und Reichtum zu schaffen. JohnLocke begründet dies als personales Rechtjedes Einzelnen: "Über seine Person hatniemand ein Recht, als nur er allein. DieArbeit seines Körpers und das Werk seinerHände (...) sind im eigentlichen Sinne sein.Was immer er also jenem Zustand ent-rückt, den die Natur vorgesehen und indem sie es belassen hat, hat er mit seinerArbeit gemischt und hat ihm etwas hinzu-gefügt, was sein eigen ist – es folglich zuseinem Eigentum gemacht" (Locke 1999:22). Und selbst Rousseau, der im Eigentumden Sündenfall der Menschheit sieht(Rousseau 1998b: 74), kommt nicht umhin,festzustellen: "Dieser Ursprung ist umsonatürlicher, als man sich unmöglich vor-stellen kann, dass der Begriff des Eigen-tums aus etwas anderem als aus der Ar-beitskraft hervorgegangen sein sollte; dennes ist nicht zu sehen, was der Mensch, willer sich Dinge aneignen, außer seiner Arbeitbeitragen könnte" (Rousseau 1998b: 86 f.).

Der Mensch wird zum animal laborans,wobei laborare nicht mehr als ein Abmü-hen, sondern weit mehr als ein Aneignenverstanden wird. Durch Arbeit ist derMensch nicht nur in der Lage, Natur zubeherrschen und sie in seinem Sinne zuformen, er schafft dadurch auch etwas, waser als Zivilisation erfährt. Diese ist diedurch Arbeit erbrachte Leistung der bür-gerlichen Gesellschaft. Von den Banausenund Barbaren unterscheiden ihn nicht mehrdie Sprache oder die Zugehörigkeit zurPolis, sondern die Kraft und der Fleiß derproduktiven Kräfte seines Landes.

Page 21: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

21

Als homo faber bringt der Mensch durchseine Arbeit an der Natur die Zivilisationhervor, und der "... Prototyp des neuenhomo faber war Robinson Crusoe, der al-lein durch seine Arbeit mit Unterstützungselbst geschaffener Technik eine 'neue'Zivilisation hervorbringt. Arbeit ist somitin der aufgeklärten Welt des 18. Jahrhun-derts nicht mehr nur ein Mittel zur Be-kämpfung der Armut und des Müßiggangs,sondern die zentrale ökonomische Kraft,die Glück und Reichtum schafft und damitder Gesellschaft die Möglichkeit gibt, übersich selbst hinauszukommen. Der Gegen-satz zur Arbeit ist nicht mehr die Armut,sondern die Arbeitslosigkeit, ein Zustand,der es dem Menschen verwehrt, ganzMensch zu sein und am Gemeinwohl mit-zuwirken" (Dülmen 1999: 82).

Robinson Crusoes Ausruf: "... erstens wardas ganze Land mein alleiniges Eigentum,sodass ich unzweifelhaft ein Recht auf dieHerrschaft darüber hatte; zweitens warenmeine Leute mir gänzlich ergeben, ich warabsoluter Herr und Gesetzgeber ..." (Defoe1981: 323), entsprang durchaus keinenkranken Allmachtsphantasien, sondernspiegelten den Geist der Zeit wider. Legi-time Aneignung und die Beherrschung unddie Umformung der Natur durch Arbeitsind wesentliche Elemente, die die Vor-stellung von Zivilisation im neuzeitlichenDenken entscheidend mitbestimmen. Fürdie frühen Ökonomen, allen voran AdamSmith, wird nun der Grad der gesellschaft-lichen Arbeitsteilung zum Gradmesser fürden Stand einer Gesellschaft auf der Zivili-sationsskala (Smith 1982: 14 ff. u. 459 f.;Smith 1990: 62 f. u. 576 f.).

2.3.2 Arbeit als Tugend – die Moralder bürgerlichen Gesellschaft

Im Gegensatz zur Feudalgesellschaft ist diebürgerliche Gesellschaft in weit höheremMaße darauf angewiesen, Vernunft undRatio in den Dienst ihrer Berufsarbeit zustellen. Das akademische Interesse an derVerbesserung der Produktionsmethoden,

die Erfindung neuer "Maschinen" und an-derer technischer Errungenschaften und diestetige Zunahme an naturwissenschaftli-chen Kenntnissen werden von der bürgerli-chen Gesellschaft von ihren praktischenVerwendungsmöglichkeiten her betrachtet.Damit ändert sich auch die Art der Bil-dung: Sie wird, wie Schiller in seiner Jena-er Antrittsvorlesung persifliert, zur "Brot-kunst" im eigentlichen Sinne: "Anders istder Studierplan, den sich der Brotgelehrte,anders derjenige, den der philosophischeKopf sich vorzeichnet. Jener, dem es beiseinem Fleiß einzig und allein darum zutun ist, die Bedingungen zu erfüllen, unterdenen er zu einem Amte fähig und derVorteile desselben teilhaftig werden kann,der nur darum die Kräfte seines Geistes inBewegung setzt, um dadurch seinen sinnli-chen Zustand zu verbessern und einekleinliche Ruhmsucht zu befriedigen, einsolcher wird beim Eintritt in seine akade-mische Laufbahn keine wichtigere Ange-legenheit haben, als die Wissenschaften,die er Brotstudien nennt, von allen übrigen,die den Geist nur als Geist vergnügen, aufdas sorgfältigste abzusondern" (Schillers.a.: Bd. 10, 235). Spätestens mit der bür-gerlichen Revolution kommt auch im Be-reich der Bildung und der Wissenschaftenjener "bürgerliche Pragmatismus" zumTragen, der die Ausbildung sukzessive inden Dienst der beruflichen Qualifikationstellt. Damit einher gehen die Reformationdes Ausbildungswesens und eine Verschär-fung der Zulassungsbedingungen bei derBewerbung um staatliche Positionen. "Diestaatliche Reformtätigkeit im Bereich deshöheren Bildungswesens war nach 1848vom innovativen Geist des Leistungsprin-zips getragen. Ein wachsendes und zuneh-mend differenzierteres Angebot von Aus-bildungsinstitutionen schuf die Vorausset-zung für die höhere Qualifikation zahlrei-cher Berufspositionen sowie für dieVerbreitung des Statussymbols 'Bildung'"(Bruckmüller/Stekl 1995: 168).

Zugleich werden auch Moral und Sitte inden Dienst der "Commercial Society" ge-stellt. Insbesondere die bürgerliche Mit-

Page 22: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

22

telstandsmoral beginnt all jene Sekundär-tugenden zu verklären, die dem Gelder-werb zuträglich scheinen: Ordnungssinn,Sparsamkeit, Fleiß, Mäßigung und Streb-samkeit gelten als Ausweis des ehrbaren(kleinen) Mannes (Kocka 1975: 57). Jederscheinbare Luxus, den sich der Bürgerleistet, wird stets auch aus ökonomischerPerspektive betrachtet: "Die Gemälde, diesich der Adelige leistete, wurden als ästhe-tische Objekte besessen; der Kunst sam-melnde Bürger hingegen denkt an ihrenökonomischen Wert" (Hansen 1995: 28).Der Bürger ist bestrebt, alles zu kontrollie-ren und rational zu planen, was dazu ge-eignet ist, nach außen Rückschlüsse überdie eigenen Fähigkeiten, die verfügbarenfinanziellen Mittel oder die Integrität undVertrauenswürdigkeit der eigenen Personzuzulassen. Die gesamte öffentlich sichtba-re Lebensführung wird den beruflichen undökonomischen Anforderungen untergeord-net. Erfolg ist in dieser Sichtweise nichtmehr das Ergebnis eines unergründlichenSchicksals, sondern das Ergebnis persönli-cher Tüchtigkeit. An die Stelle der "Glück-seligkeit" als Ergebnis der gelungenen Le-bensführung tritt der ökonomische Erfolg.The Pursuit of Happiness wird zum ver-brieften Recht der bürgerlichen Gesell-schaft.

Im Menschenbild der bürgerlichen Gesell-schaft wird der Mensch vor allem als öko-nomisches Subjekt definiert, das um derBefriedigung seiner Bedürfnisse willen zurArbeit gezwungen ist. Dabei werden demmenschlichen Naturell zwei elementareEigenschaften zugeschrieben, die die bür-gerliche Sicht des Menschen bis heute prä-gen: Faulheit und Raffgier. So beschreibtJohn Stuart Mill den Menschen als ein We-sen, das stets nach größtmöglichemReichtum bei geringstem Arbeitsaufwandstrebt (Mill 1976: 171 f.).

Soziale Probleme werden innerhalb derbürgerlichen Gesellschaft als prinzipielllösbar betrachtet. Allerdings wird der Ar-me dabei nicht mehr als Empfänger vonAlmosen gesehen. Vielmehr ist es das Ziel

der bürgerlichen Gesellschaft, ihn in einemrigiden System von Arbeitshäusern unddurch eine vernünftige "Armengesetzge-bung" zum wertvollen, d.h. arbeitendenMitglied der Gesellschaft umzuerziehen.So ist es für den englischen Aufklärer JohnLocke Aufgabe staatlicher Politik, Metho-den zu entwickeln, "... for setting on workand employing the Poor of this kingdom,and making them useful to the public, andthereby easing others of that burden ..."(Locke 1997: 101). Entsprechend gilt es,Kinder bereits von früh an zu Arbeit undzu Fleiß zu erziehen. Dabei dienen die Ar-beitsschulen zum einen der Erziehung zuAnstand und Moral, andererseits aber ha-ben sie zum Zweck, den Jugendlichenhandwerkliche Fähigkeiten beizubringenund ihnen so eine Zukunftsperspektive zueröffnen (Peters 1997: 231 ff.). Arbeit wirdzur ersten Bürgerpflicht; Armut ist Zeichenmangelnden Arbeitswillens und einVerbrechen an der Gemeinschaft: "Obreich oder arm, stark oder schwach – jedermüßig gehende Bürger ist ein Betrüger"(Rousseau 1998c: 411).

2.3.3 Ökonomie als Wissenschaft –Selbstbetrachtung der CommercialSociety

Wie sehr dieser Begriff von Erwerbsarbeitbereits am Ende des 18. Jahrhunderts zumzentralen Element neuzeitlicher gesell-schaftlicher Selbstwahrnehmung gewordenwar, belegt die außerordentliche Stellung,die dem Arbeitsbegriff in nahezu allenökonomischen Untersuchungen des 18.und 19. Jahrhunderts zukommt. Währendfür Rousseau Arbeitsteilung und zuneh-mende Mechanisierung noch den Charak-ter des Bedrohlichen hatten (Rousseau1995: 253), stellt für Adam Smith Ar-beitsteilung den Schlüssel zu gesellschaft-lichem Wohlstand dar.

Arbeit, Arbeitsleistung und Produktivitätwerden so von Beginn an zu zentralenThemen der ökonomischen Wissenschaft.Und mindestens für die frühen englischen

Page 23: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

23

Nationalökonomen besteht hierbei Einig-keit in der Frage, auf welche WeiseReichtum entstehe. Von John Locke bisAdam Smith lautet die Antwort: durchArbeit und Handel (Euchner 1996: 131).

Vor allem die Frage nach dem Wert derArbeit zieht sich als teils stärker sichtbarer,teils schwächer sichtbarer roter Fadendurch die gesamte Geschichte der Natio-nalökonomie. Am Beginn der arbeitswert-theoretischen Betrachtungen stand hier dieFrage, welche Form der Arbeit am bestengeeignet sei, den Volkswohlstand zu meh-ren. Während in dieser Frage die Merkan-tilisten eher der Manufakturarbeit und demHandel zuneigen, sehen die Physiokratendie eigentliche Produktivkraft im Bereichder Primärproduktion (Brandt 1992: Bd. 1,88). Demgegenüber betont insbesondereAdam Smith den Wert produktivermenschlicher Arbeit als Quelle des natio-nalen Wohlstandes. Alle anderen, die Löh-ne aus nichtproduktiver Arbeit beziehen,leben im Prinzip auf Kosten der produktivtätigen Bevölkerung (Smith 1990: 281 f.).Entsprechend gelten ihm der Handwerker,der Arbeiter in der Manufaktur oder derLandwirt als produktiv, weil sie Ware um-formen und so deren Verkaufswert erhö-hen; Dienstboten, Freiberufler, Beamte,Priester, Künstler und Lehrer hingegensind unproduktiv, da sie keine dauerhaftenWerte hervorbringen (Smith 1990: 272 f.).Letztlich findet hier die bürgerliche Mit-telstandsmoral direkten Eingang in dieökonomische Theoriebildung.

Allerdings bleibt diese Definition im Laufeder Zeit nicht unbestritten. Um sich dieserProblematik der Definition "produktiverKräfte" zu entziehen, beginnt die ökonomi-sche Theorie fortan Arbeit als Wertgrößezu behandeln. Der Wert einer Ware, so dieAnnahme, richte sich alleine nach der ku-mulierten Arbeitsleistung, die zu ihrer Er-zeugung benötigt wurde, wobei von derArt der geleisteten Arbeit vollständig ab-strahiert wird (Ricardo 1994: 5). DieseSichtweise von menschlicher Arbeit als deralleinigen Bestimmungsgröße des Waren-

wertes hält sich letztlich bis zu Karl Marx:"Sieht man nun vom Gebrauchswert derWarenkörper ab, so bleibt ihnen nur nocheine Eigenschaft, die von Arbeitsprodukten(Marx 1974: Bd. 1, 52).

Mit diesem Perspektivenwechsel von der"Produktivkraft" einzelner Arbeiten zurWertschöpfung durch Arbeit tritt die Fragenach den Möglichkeiten zur Verbesserungeben dieser Wertschöpfung in den Vorder-grund ökonomischer Betrachtungen. Wenneinzig und alleine menschliche Arbeit inder Lage ist, Wohlstand zu schaffen, giltes, die Effizienz menschlicher Arbeit zusteigern und damit die Menge der durchArbeit geschaffenen Waren zu erhöhen.Das geeignete Mittel hierfür glauben diefrühen Ökonomen in der arbeitsteiligenProduktionsweise gefunden zu haben(Smith 1990: 9-15; Fichte 1979: 37 f.). AlsUrsache für diesen Produktivitätszuwachsdurch Arbeitsteilung nennt Smith die durchSpezialisierung mögliche größere Ge-schicklichkeit des Arbeiters, Zeitersparnisdurch den Wegfall langer Wege und dieVerbesserung der Produktionsverfahrendurch Spezialwerkzeuge und Maschinen(Smith 1990: 12 f.). Die so ermöglichteWohlstandsmehrung, so glaubt Smith,komme dabei allen Bevölkerungsteilenzugute: "Bei einem unzivilisierten Volke,wo keine Arbeitsteilung existiert, stehtalles zur Verfügung, was die natürlichenBedürfnisse der Menschheit erfordern;sobald ein Volk kultiviert ist und Arbeits-teilung besteht, wird ihnen eine reichliche-re Versorgung zuteil, und aus diesemGrund hat ein Tagelöhner in Großbritan-nien mehr Wohlstand in seiner Lebenswei-se als ein indianischer Häuptling" (Smith1996: 180).

Allerdings zeigt die fortschreitende Indus-trialisierung entgegen der allzu optimisti-schen Annahme Adam Smiths, dass alleinedie industrielle Fertigung, Freihandel unddie Freizügigkeit der Berufswahl durchausnicht Wohlstand für alle generieren. Daindividueller Wohlstand aber entsprechendder bürgerlichen Doktrin aufs Engste mit

Page 24: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

24

Arbeit verbunden ist, wird dieses Problemnun nicht mehr vor dem wohlfahrtstheore-tischen Hintergrund einer gerechten Ein-kommensverteilung diskutiert, sondernanhand arbeitsmarkttheoretischer Faktorenerörtert. In weit stärkerem Maße als fürSmith stellt sich daher für Thomas Malt-hus, David Ricardo und John Stuart Milldie Frage, welchen Mechanismen derAuslastungsgrad der Arbeit folgt und wel-che Ursachen für Beschäftigungsschwan-kungen verantwortlich sind.

Zwar finden sich auch innerhalb dieserneuen Debatte durchaus moralische Argu-mente, die eine Verpflichtung der Gesell-schaft zur Versorgung ihrer ärmsten Mit-glieder begründen. Doch stets bildet nunArbeit das Thema und nicht Almosen undgerechte Vermögensverteilung. So heißt esbei John Stuart Mill: "Allgemeine Gefühlesehen es als eine Pflicht der Reichen oderdes Staates an, für alle Armen Arbeit zufinden. Wenn der moralische Einfluss deröffentlichen Meinung die Reichen nichtveranlassen kann, von ihrem Verbrauch soviel zu sparen, um allen Armen zu einemgerechten Lohn Arbeit zu verschaffen, giltes als Pflicht des Staates, entweder durchlokale Abgaben oder durch Bewilligungöffentlicher Geldsummen Steuern zu die-sem Zweck zu erheben" (Mill 1924: 535).Nicht mehr die Versorgung des Notleiden-den bildet den Gegenstand dieser ökono-mischen Interpretation, sondern die ausrei-chende Bereitstellung von Arbeitsplätzenfür alle Bevölkerungsschichten.

2.3.4 Zusammenfassung

Die Vorstellungen der bürgerlichen Gesell-schaft prägen unser Arbeitsverständnis bisheute. Das neue Credo dieser Gesellschaftlautet, dass jedem prinzipiell die Chancegegeben ist, durch Arbeit und Fleiß zu ge-sellschaftlichem Aufstieg zu gelangen.Jeder ist seines eigenen Glückes Schmiedund damit für seinen Lebensweg selbstverantwortlich. Klaus P. Hansen bringtdies auf den Punkt, wenn er schreibt: "Der

Sohn des mittelalterlichen Schornsteinfe-gers wurde Schornsteinfeger und dachtedie Gedanken der Schornsteinfegermenta-lität; der Sohn des Schornsteinfegers im18. Jahrhundert konnte alles werden undalles denken. In einer offenen Gesellschaftmuss sich das Individuum aktiv bewähren,und daher bekommen berufliche Arbeitund berufliche Leistung einen hohen Stel-lenwert. Mit dem Verfall des Ständestaateswird somit das Leistungsprinzip geboren,und seit dieser Zeit predigen Eltern ihrenKindern Fleiß und Können, woran sich bisheute nichts geändert hat" (Hansen 1995:45).

Allerdings besitzt dieses Leistungsverspre-chen der bürgerlichen Gesellschaft aucheine Kehrseite. Materielle Not wird zumselbstverschuldeten Unglück derjenigen,die nicht in der Lage oder willens sind, fürihre eigene Versorgung zu arbeiten. Mitzum teil drakonischen Maßnahmen beginntdie bürgerliche Gesellschaft den Menschenzum animal laborans zu erziehen. In nurknapp zwei Jahrhunderten gelingt es ihr,erfolgreiche Berufsarbeit zum zentralenElement des sozialen Fortschritts werdenzu lassen. Was bis in die beginnende Neu-zeit hinein als verwerflich, mindestens aberals unschicklich galt, das unverblümteStreben nach materiellem Erfolg, wird nungesellschaftlich anerkannt. Der Bürger hataufgehört den Adel zu imitieren und seineeigenen Tugenden entwickelt: Ökonomi-scher Erfolg steht für Umsicht, Wagemut,Sparsamkeit, Fleiß und Redlichkeit. "Undso wird denn auch die Arbeit insgesamtumgewertet. Das bürgerliche Selbstbe-wusstsein macht sie zur Zierde, zum Inbe-griff einer neuen Bürgertugend, welche dieIdeale des der Arbeit überhobenen Polis-Bürgers bzw. Aristokraten ablöst: 'Arbeitadelt'" (Arndt 2001: 99).

3. Arbeit als Kulturbegriff

Die historische Rekonstruktion des Ar-beitsbegriffes zeigt, dass die jeweilige ge-sellschaftliche Funktion von Arbeit inner-

Page 25: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

25

halb der einzelnen Epochen eng mit densozialen und moralischen Werthaltungender jeweiligen Zeit verknüpft ist. Esscheint daher gerechtfertigt, "Arbeit" alsKulturphänomen zu betrachten. DieseSichtweise von Arbeit als Kulturbegriffbedeutet zugleich auch in gewisser Weiseden Verzicht auf eine klare Definition vonArbeit. Ähnlich wie andere Kulturphäno-mene, z.B. Familie, Macht oder Moral, istdabei auch der Begriff Arbeit einem steti-gen kulturellen Wandel unterworfen.Scheint es auf den ersten Blick, als ob Ar-beit und die Art und Weise ihrer Verrich-tung den technischen und ökonomischenGegebenheiten der jeweiligen Epoche fol-gen, klärt eine tiefer gehende Analyse, dasses umgekehrt die kulturellen und sozialenVorstellungen einer Epoche sind, die einenje spezifischen Arbeitsbegriff bestimmenund die schließlich jenen Raum aufspan-nen, innerhalb dessen die ökonomischeund technische Entwicklung von stattengeht (Arendt 1994: 281 f.). Dies mag dieTatsache erhellen, dass trotz bedeutendertechnischer Möglichkeiten und einem ver-gleichsweise hohen mathematisch und na-turwissenschaftlichen Kenntnisstand dieantike Wirtschaft weder einen hohen Me-chanisierungsgrad erreichte noch die gro-ßen Philosophen ein entsprechendes "öko-nomisches Denken" mit den KategorienEffizienz und Rentabilität kultiviert hätten(Finley 1993: 127-137 u. 165 ff.; Weber1988b: 144 f.). Ökonomische Rationalitätin unserem heutigen Sinne spielte weder inder antiken noch in der mittelalterlichenWirtschaft eine nennenswerte Rolle. Erstdie "kopernikanische Wende" der Aufklä-rung und die Idee von Gesellschaft alsfreiwilligem Zusammenschluss freier undgleicher Individuen eröffneten den Blickauf die verschiedenen Funktionszusam-menhänge innerhalb der Gesellschaft unddamit auch auf die ökonomische Hand-lungssphäre. Erst mit der Frage nach denindividuellen Motiven für wirtschaftlichesHandeln, wie sie unter anderem von AdamSmith oder John Stuart Mill gestellt wer-den, gewinnen die Kategorien Rationalitätund Effizienz an Bedeutung und nehmen

schließlich im Laufe der Zeit normativenCharakter an.

Innerhalb der historischen Entwicklunglassen sich im Wesentlichen zwei unter-schiedliche Idealtypen von Arbeit be-schreiben: der "aristokratische Arbeitsbe-griff", wie er vor allem die Vorstellungs-welt der Antike und – trotz gewisser Un-terschiede – auch des Mittelalters domi-nierte, und der "bürgerliche Arbeitsbegriff"der Neuzeit, wie er vor allem für die mo-derne Industriegesellschaft kennzeichnendist. Fragt man nach den wesentlichen Ver-änderungen, denen der Arbeitsbegriff imLaufe seines kulturellen Wandels unter-worfen wurde und anhand derer sich diegenannten "Idealtypen" unterscheiden las-sen, lässt sich in Bezug auf mindestens dreiElemente ein bedeutsamer Wandel konsta-tieren. Es sind dies:

− die Verschiebung der Grenzen vonArbeit und Nicht-Arbeit,

− die veränderte Legitimation der Arbeitund

− die Veränderung der sozialen Bedeu-tung von Arbeit.

3.1 Arbeit und Nicht-Arbeit

Bezüglich der Trennung von Arbeit undNicht-Arbeit existierten innerhalb der ver-schiedenen untersuchten Epochen je unter-schiedliche Vorstellungen. In der Antikeverläuft die Scheidelinie von Arbeit undNicht-Arbeit entlang der Trennlinie vonMuße (otium) und Geschäft (negotium).Dabei bezeichnet Geschäft den Tätigkeits-bereich, wie er einem freien und unabhän-gigen Manne angemessen scheint. Körper-liche Arbeit – mit Ausnahme landwirt-schaftlicher Betätigung – steht dabei zwarin gewissem Sinne außerhalb dieser Ein-teilung, gilt aber zweifelsfrei als Arbeit.Muße hingegen bezeichnet jene Sphäremenschlichen Handelns, die der Vervoll-kommnung der eigenen Persönlichkeit undder "Außendarstellung" der Person dient.Hierzu zählen Literatur, Philosophie,

Page 26: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

26

Kunst und Politik. Ämter und der insbe-sondere für die Lebensführung der römi-schen Oberschicht maßgebliche CursusHonorum werden bezeichnenderweisenicht der Arbeitssphäre zugerechnet. Ähn-liches gilt für das politische und philoso-phische Gespräch der griechischen Agora(Arendt 1994: 30). In diesem Sinne span-nen Politik und Gerichtsbarkeit für denantiken Menschen einen öffentlichen Le-bensraum auf, der der Darstellung indivi-dueller Tugenden und Fähigkeiten dient.Politisches Engagement und die Übernah-me von Staatsämtern und militärischenKommandos sind für den antiken Men-schen nicht in den Dimensionen Arbeit undNicht-Arbeit zu messende "Berufe", siesind vielmehr Ausdruck der Selbstver-wirklichung aristokratischer Persönlich-keiten.

Demgegenüber rückt die mittelalterlicheSichtweise Arbeit stärker in den Zusam-menhang von Mühe und Leid. Der inner-halb der jüdisch-christlichen Schöpfungs-mythologie auch aufscheinende Aspektvon Arbeit als schöpferischer Kraft – auchGott musste arbeiten, um die Welt zu er-schaffen und ruhte bekanntlich am siebtenTage – tritt angesichts der Vertreibung ausdem Paradies und dem damit zusammen-hängenden Arbeitsleid des ganzen Men-schengeschlechts in den Hintergrund. Ge-mäß der Drei-Stände-Lehre wird Arbeit alsDienst zum höheren Ruhme Gottes inter-pretiert. Körperliche Arbeit, als ihren Bei-trag zum Dienst an der Gemeinschaft,leistet vor allem der Bauernstand. Für denKlerus stehen zwei andere Beschrei-bungsmodi des tätigen Lebens im Vorder-grund: vita contemplativa und vita activa.Beide Bereiche sollen zueinander in einemangemessen Verhältnis stehen: Ora et labo-ra wird zum Leitmotiv klösterlicher Arbeit.Demgegenüber tritt körperliche Arbeit imVerständnis der Ritter weitgehend in denHintergrund. Ihr Dienst versteht sich alsmilitärischer Schutz und Garantie vonRecht und Ordnung. Nicht-Arbeitszeit wirdvor allem für den Bauernstand bestimmtdurch religiöse Feste und die Sonntagsru-

he. Kirchliche Feste und der Lauf der Jah-reszeiten strukturieren für ihn im Wesentli-chen den Wechsel von Arbeit und Nicht-Arbeit. Mindestens bezogen auf Sonn- undFeiertage lässt sich dieser Wechsel cumgrano salis auch auf den Stand der bellato-res übertragen, wenngleich eine Trennungzwischen Arbeitszeit und Nicht-Arbeitszeithier nicht so deutlich in den Vordergrundtritt.

Erst mit Entstehung der bürgerlichen Ge-sellschaft entwickeln sich allmählich zweieinander entgegengesetzte Bereiche vonöffentlicher und privater Sphäre (Arendt1994: 31 ff.; Mutz 2001: 111). Der privateRaum wird nun zum Rückzugsgebiet desBürgers, der ihn von den Zwängen desöffentlichen Lebens, i.e. berufliche Arbeitund öffentliches Amt, das nun zunehmendin die Nähe der beruflichen Arbeit rückt,entlastet. Von zunehmender Bedeutung fürdie Unterscheidung zwischen Arbeitszeitund Nicht-Arbeitszeit wird das für Arbeitbezahlte Honorar. Unentgeltliche Tätig-keiten werden zwar noch als solche wahr-genommen – ehrenamtliche Tätigkeit –,aber nicht mit Arbeit gleichgesetzt. Wäh-rend der Heimarbeiter oder Bauer häuslich-privaten und gewerblichen-öffentlichenLebensraum (noch) miteinander an einemOrt verbindet, vollzieht sich im Rahmender Fabrik- und Büroarbeit diese Trennungauch räumlich. Immer weniger bestimmenStand und Herkommen das Set möglicherLebensentwürfe, sondern das Ziel erfolg-reicher Berufsarbeit. Berufsausbildung undMobilität werden zu entscheidenden Fakto-ren der individuellen Lebensplanung. Indiesem Sinne beginnt (Erwerbs)Arbeitauch die Sphäre des Privaten zunehmendzu dominieren.

Damit lassen sich zwei Modi der Trennungvon Arbeit und Nicht-Arbeit herausarbei-ten: Im Sinne eines aristokratischen Mo-dells verläuft die Trennlinie von Arbeitund Nicht-Arbeit entlang der Trennungvon "öffentlich" und "privat". Zur Arbeitzählen alle Tätigkeiten, die dem Zwangzum Erhalt des eigenen Hauses geschuldet

Page 27: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

27

sind. Jede Form von Tätigkeit hingegen,die der Vervollkommnung der eigenenTugenden und Fähigkeiten, der Zurschau-stellung dieser Tugenden und Fähigkeitenoder dem Engagement für die öffentlicheSache dient, wird nicht als Arbeit wahrge-nommen. Dabei lässt sich zwischen Antikeund Mittelalter keine allzu deutlicheTrennlinie ziehen. Antike und Mittelalterunterscheiden sich nicht so sehr in der Fra-ge, was als Arbeit und was als Nicht-Arbeit einzustufen sei, sondern wofür die"Nicht-Arbeit" zu leisten sei. Hier stehenin der Antike die res publica und der Erhaltder Polis im Vordergrund, während immittelalterlichen Denken das Seelenheilder Gemeinschaft der Gläubigen in denVordergrund rückt. In gewisser Weise trittdie ecclesia an die Stelle der res publica.Demgegenüber zählt im bürgerlichen Mo-dell zur Arbeit vor allem das, was öffent-lich, i.e. von den anderen, als Arbeit wahr-genommen wird, d.h. in der Regel bezahlteArbeit. Ehrenamtliches Engagement wirdhier ebenfalls nicht zur Arbeit gezählt, diesaber nicht, weil ein derartiges freiwilligesEngagement zur Selbstbestimmung bür-gerlicher Existenz gehören würde – hier-von träumen allenfalls noch die Kommu-nitaristen –, sondern weil Ehrenamt um derEhre willen, nicht aber um des Verdiensteswillen geschieht. Verdienst aber ist daseigentliche Indiz für erfolgreich geleisteteArbeit innerhalb des bürgerlichen Modells.

3.2 Gesellschaftliche Legitimationvon Arbeit

Die gesellschaftliche Legitimation vonArbeit ist natürlicherweise eng mit derTrennung von Arbeit und Nicht-Arbeitverbunden. So stellt für den antiken Men-schen insbesondere der Erwerb lebensnot-wendiger Güter Sinn und Legitimation vonArbeit dar. Ziel der Arbeit ist die Muße(Aristoteles 1995b: 269 [1333a 35 f.];1995a: 249 [1177 b 4-6]). Je ausschließli-cher eine Beschäftigung dem reinen Geld-erwerb dient, desto weniger ist sie mit demIdeal des freien Bürgers vereinbar, dessen

Hauptanliegen das Engagement für Staatund Gemeinschaft bildet (Arendt 1994:84). Gelderwerb bildet für die Antike kei-nen primären Zweck beruflicher Betäti-gung.

Für den mittelalterlichen Menschen stelltschwere körperliche Arbeit das Ergebnisgöttlicher Strafe dar. Damit tritt zur antikenSichtweise, Arbeit diene der individuellenDaseinsvorsorge, ein weiterer Aspekt hin-zu: die alle Menschen betreffende göttlicheStrafe. Qua göttlichem Richtspruch wirdArbeit zur allgemeinen conditio humana,der Mensch zum animal laborans. Entspre-chend verbietet sich in der mittelalterlichenSicht eine hierarchische Einteilung in bes-sere und schlechtere Betätigungen. Wasbleibt, ist der gemeinsame Dienst allerMenschen am Schöpfungswerk Gottes.Was der mittelalterlichen Sicht von Arbeitjedoch völlig fehlt, ist der Aspekt derSelbstverwirklichung durch Arbeit. Arbeitbleibt "Katharsis", die von Sünden reinigtund so den Weg zu Gott weist. Sie eröffnetweder soziale Chancen noch dient sie alsKunstform der persönlichen Vervoll-kommnung.

Innerhalb der bürgerlichen Gesellschaftändert sich die soziale Legitimation vonArbeit radikal. Arbeit dient nicht mehr demErhalt einer Gemeinschaft, sondern wirdzur wesentlichen Voraussetzung bürgerli-cher Selbstbestimmung. Was Arbeit fortanlegitimiert, ist weniger ihre Notwendigkeitzur individuellen Daseinsvorsorge oderzum Erhalt der Gemeinschaft, sondernvielmehr die durch sie ermöglichten sozi-alen Aufstiegschancen. Zwar tritt auch hierArbeit als notwendige Mühe zur Existenz-sicherung nicht gänzlich in den Hinter-grund, wie die Geschichte der Arbeits- undZuchthäuser zeigt, in denen all jene zurArbeit erzogen und damit zur eigenständi-gen Existenzsicherung befähigt werdensollten, die bisher den ehrlichen und arbeit-samen Bürgern auf der Tasche lagen.Deutlicher als in allen anderen bisherigenGesellschaften tritt aber nun der negativeAspekt des Nicht-Arbeitens in den Vorder-

Page 28: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

28

grund. In der bürgerlichen Gesellschaftwird Nicht-Arbeit per se zur Sünde. Aus-schließlicher als je zuvor wird Arbeit zurVoraussetzung gesellschaftlichen Fort-kommens. Mithin steht derjenige, der seineArbeitsleistung verweigert, nicht etwa au-ßerhalb der religiösen Gemeinschaft derErwählten, wie dies etwa von Max Weber(Weber 1988a) postuliert wurde, er stehtvielmehr außerhalb der bürgerlichen Ge-sellschaft, und diese ist es, die sich vordem müßig gehenden "Gegenentwurf" desguten Bürgers schützen muss.

Damit kommt es zu einer radikalen Verän-derung der sozialen Legitimation von Ar-beit. Stand – in je unterschiedlicher Lesart– für die antike und für die mittelalterlicheGesellschaft vor allem die Existenzsiche-rung durch Arbeit als legitimierender Fak-tor im Vordergrund, gilt Arbeit nun alsAusweis sozialer Zugehörigkeit zur bür-gerlichen Gesellschaft. Waren für die grie-chische und römische "Bürgerschaft" ins-besondere Geburt bzw. die Verleihung desBürgerrechts auf Grund besonderer Ver-dienste entscheidend und ergab sich dieZugehörigkeit zur Gemeinschaft der Gläu-bigen durch die Taufe, erscheint nun er-folgreiche Berufsarbeit als zentralesMerkmal von Zugehörigkeit. Nicht mehrsoziales Herkommen oder Stand bedingendie Notwendigkeit oder Nicht-Notwendig-keit zur Arbeit, sondern Arbeit und Berufwerden zur Grundlage der sozialenSchichtung. Die Zugehörigkeit zur bürger-lichen Klasse ist an Erwerb gebunden, derseinerseits wiederum durch Arbeit legiti-miert wird.

Entsprechend stehen sich auch hier aristo-kratisches Modell und bürgerliches Modellgegenüber. Während ersteres Arbeit vorallem als notwendiges Übel zur Existenzsi-cherung und als Voraussetzung für dieFreistellung zu wesentlicheren Beschäfti-gungen sieht – Politik und Kontemplation–, geht letzteres von einer zentralen Be-deutung der Arbeit aus: labor vincit omnes.Das bonum comunae wird nicht mehrdurch die aktive Betätigung der Gesell-

schaftsmitglieder für die Gemeinschafterreicht, sondern ergibt sich in diesem Mo-dell qua invisible hand (Smith 1990: 371;Smith 1985: 316 f.), der es irgendwie ge-lingen soll, die widerstreitenden individu-ellen Eigeninteressen zum Wohle der Ge-meinschaft wirksam werden zu lassen.

3.3 Die soziale Bedeutung der Arbeit

Für die Antike begründet die Teilnahmeam Arbeitsprozess keinerlei soziale Rech-te. Im Gegenteil: Zahlreiche Gesetze undmoralphilosophische Erörterungen weisendarauf hin, dass Arbeit vielmehr den Aus-schluss aus der Gemeinschaft der bürgerli-chen Gesellschaft zur Folge haben konnte(Bender 1893: 341 ff.; Mommsen 1993:Bd. 1, 206). Ein klar umrissener Katalogehrenwerter und nicht ehrenwerter Tätig-keiten legte unmissverständlich fest, wel-che Berufe gesellschaftlich akzeptabel er-schienen und welche nicht. Generell warjedoch der persönliche Verdienst vor alleman den Einsatz für die Gemeinschaft ge-koppelt. Die aristotelische Trennung zwi-schen justitia distributiva und justitiakommutativa macht dies unmissverständ-lich deutlich (Aristoteles: 1995a: 106[1130 b 31-1131 a 9]): Während im öf-fentlichen Bereich Gerechtigkeit der geo-metrischen Proportionalität folgen muss,also öffentliche Ehrungen und öffentlicheVerdienste in ein gleiches Verhältnis ge-bracht werden müssen, folgt die vita nego-tiosa dem Prinzip der arithmetischenGleichheit, i.e. dem wertmäßigen Aus-gleich zwischen Gegebenem und Erhalte-nem.

Blieben für die Antike politische und sozi-ale Rechte auf der einen und Arbeit auf deranderen Seite – mit Ausnahme der Sklaven– zwei stets voneinander getrennte Berei-che, wird Arbeit im Mittelalter zum Kenn-zeichen des Bauernstandes. Dieser defi-niert sich geradezu ausschließlich durchdie von ihm zum Wohle der Gemeinschafterbrachte körperliche Arbeit. Allerdingsergeben sich hieraus noch keinerlei sozia-

Page 29: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

29

len Rechte; körperliche Arbeit und Ar-beitsleid sind das Schicksal und die Pflicht,die dem Stand der laboratores qua göttli-cher Ordnung zukommen. Dennoch sind esgegen Ende des Mittelalters erstmals dieBauern, die mit Verweis auf die von ihnengeleistete Arbeit politische Mitsprache-rechte einfordern. Das in den Bauernkrie-gen erwachende bäuerliche Selbstbewusst-sein schöpft seine Kraft aus dem Wissenum den gesellschaftlichen Nutzen der ge-leisteten eigenen Arbeit (Borst 1997: 286f.).

Erst der Individualismus neuzeitlicher Prä-gung schafft jedoch die Voraussetzung desbürgerlichen Arbeitsbegriffes. Zwei Ent-wicklungen verlaufen hier parallel undverschmelzen schließlich zu einer dezidiertneuen Sichtweise von Arbeit. Dies ist zumeinen die Suche der politischen Philoso-phie nach jenem konstitutiven Element,das den Zusammenschluss von Individuenzu einer Gemeinschaft bedingt. Wenn Ge-meinschaften dem Schutz individuellerRechte – und hier vor allem privater Ei-gentumsrechte – dienen, dann bedarf eseines legitimierenden Faktors, der diesenRechtsanspruch begründet. John Lockesieht diesen legitimierenden Faktor in dermenschlichen Arbeit, die alleine den An-spruch auf rechtmäßiges Eigentum zu be-gründen in der Lage ist (Locke 1999: 22).Die neuzeitliche Idee der Gesellschaft fußtdaher wesentlich auf der Idee des durchArbeit legitimierten Erwerbs.

Zum anderen ist es die Konzeption desIndividuums als autonomes Subjekt, wiesie insbesondere für die Rechts- und Mo-ralphilosophie der Aufklärung bezeichnendist. Erfolg oder Misserfolg sind das Ergeb-nis individueller Entscheidungen freierIndividuen. Dieses Denken wird zum zent-ralen Angelpunkt insbesondere des klassi-schen englischen ökonomischen Denkens,das hieraus die Gewährung größtmöglicherFreiheitsrechte als normatives Postulatherleitet. Damit werden auch Arbeit undArbeitsleistung in den Rang individuellerRechte erhoben, die auf einer Stufe mit

dem Recht auf freie Religionsausübungstehen (Smith 1990: 451). Arbeit wird mit-hin zur Grundlage der Gemeinschaft. Nurwer (erfolgreich) arbeitet, ist vollwertigesMitglied der bürgerlichen Gesellschaft.Zugleich aber wird Arbeit Mittel für indi-viduelles Glücksstreben. Die individuelleLeistungsbereitschaft und der persönlicheEinsatz entscheiden über Erfolg oder Miss-erfolg. Im Umkehrschluss bedeutet dies,dass wer nicht erfolgreich ist und sich seinGlück nicht selbst erarbeitet hat, daranauch selbst Schuld trägt – eine sozialeWerthaltung, die bis heute den gesell-schaftlichen Umgang mit Arbeitslosigkeitin nicht geringem Maße beeinflusst.

Bleibt "Arbeit" innerhalb des aristokrati-schen Modells weitgehend "funktionslos",wird sie innerhalb des bürgerlichen Mo-dells zum legitimierenden Faktor für dieZugehörigkeit zur bürgerlichen Gesell-schaft überhaupt. Stand, Herkommen undöffentliche Verdienste bilden innerhalb desaristokratischen Modells die zentralen Be-stimmungsgrößen für die soziale Zugehö-rigkeit des Einzelnen. Innerhalb des bür-gerlichen Modells wird erfolgreiche Arbeitzum zentralen Merkmal des sozialen Er-folges. Der Beitrag des Bürgers zur Kon-stitution des Gemeinwesens ist seine Ar-beit. Dies ist der eigentliche Grund, warumwir mit Hannah Arendt tatsächlich voneiner "Arbeitsgesellschaft" sprechen kön-nen (Arendt 1994: 11). In einer Arbeitsge-sellschaft – wie sie das bürgerliche Modelletabliert – wird der Traum von Schlaraffiazum Albtraum, denn Nicht-Arbeit bedeutetfaktisch den Ausschluss von der durchArbeit konstituierten Gesellschaft.

Zusammenfassend lassen sich somit dreifundamentale Unterschiede zwischen dem"aristokratischen" und dem "bürgerlichen"Arbeitsmodell konstatieren. Während dasaristokratische Modell Arbeit der Privat-sphäre zuordnet, die für die öffentlichenBelange ohne Bedeutung ist, Arbeit nur alsMittel zum Zweck der individuellen Da-seinsvorsorge betrachtet und mit Arbeitkeinerlei sozialen Funktionen verknüpft,

Page 30: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

30

ordnet letzteres Arbeit der öffentlichenSphäre zu und leitet aus der geleistetenArbeit Anerkennung und Prestige ab. Ar-beit legitimiert sich fortan durch das Stre-ben des Einzelnen nach materieller Ver-besserung; Arbeit und Strebsamkeit wer-den zum konstitutiven Element der bürger-lichen Existenz. Während der "verarmteAdelige" weiterhin Adeliger bleibt, hörtder "mittellose Bourgeoise" auf Bourgeoi-se zu sein.

4. "Historische Probleme" immodernen Umgang mit Arbeit

Innerhalb der modernen ökonomischenTheorie steht der Warencharakter der Ar-beit im Vordergrund; Arbeit wird als Wareauf Märkten gehandelt, sie ist beliebigfragmentierbar und substituierbar. Sie ist"… die abstrakte Arbeit, die Arbeit an sich,messbar, quantifizierbar und von der sie'ausführenden' Persönlichkeit trennbar, sielässt sich auf dem 'Arbeitsmarkt' kaufenund verkaufen, wie jede andere Ware auch.Es ist die Arbeit, die Ende des 18. Jahr-hunderts vom Manufakturkapitalismuserfunden und mit großer Mühe und Gewaltden Arbeitenden aufgezwungen wurde"(Gorz 2000: 79). Gestützt auf die herr-schende Rechtsauffassung entsteht dieFiktion, dass sich Anbieter und Nachfragerals gleichberechtigte Partner bei der Unter-zeichnung freiwillig eingegangener Ar-beitsverträge gegenüberstehen. Es entstehtder Eindruck, als könne der Arbeiter freiüber sich und seine Arbeitsleistung verfü-gen (Marx 1974: Bd. 1, 181 ff.).

Diese Sichtweise von Arbeit als auf freienMärkten handelbare Ware tritt innerhalbder ökonomischen Theorie sowohl in dermakroökonomischen wie auch in der mik-roökonomischen Betrachtungsweise inErscheinung. So stehen im Bereich dermakroökonomischen Betrachtung insbe-sondere der Arbeitsmarkt und die Lohn-quote, sprich der Preis der Arbeit, als zent-rale Steuerungsgröße im Vordergrund. ImBereich der mikroökonomischen Theorie-

bildung wird der Warencharakter vor allemim Bereich der Produktionstheorie deut-lich: Arbeit gilt hier als beliebig teilbar undsubstituierbar, ihr Ergebnis ist bewertbar;Ziel im Umgang mit dem Produktionsfak-tor Arbeit ist seine möglichst optimaleVerwertung (Luczak 1998: 11 f.).

Innerhalb der makroökonomischen Theorieder Wirtschaft stehen sich einerseits dieTraditionslinie von Klassik und Neoklassikund andererseits der Keynesianismus alsprominenteste Schulen gegenüber. So sehrsich beide Theoriestränge dabei in ihrerInterpretation der unterschiedlichen Ein-flussfaktoren auf den Arbeitsmarkt und dieBeschäftigungssituation eines Landes un-terscheiden, so sehr besteht zwischen ihnendoch Einigkeit hinsichtlich des Warencha-rakters der Arbeit. Entsprechend ihrer Fo-kussierung auf aggregierte Märkte steht fürbeide Theorien das Marktgleichgewicht,i.e. die Übereinstimmung von Arbeitsan-gebot und Arbeitsnachfrage, im Vorder-grund der Untersuchung. Arbeit tritt dabeivor allem als abhängige Erwerbsarbeit inErscheinung. Entsprechend dieser starkeingeschränkten Sichtweise besteht derwesentliche Kern makroökonomischerDiskussion in der Frage nach den Bedin-gungen für die Herstellung von Vollbe-schäftigung. Im Zentrum der Theoriebil-dung steht mithin nicht die Frage nach Ar-beit, sondern vielmehr die Frage nach demAbbau von Arbeitslosigkeit. Arbeitslosig-keit wird dabei entsprechend der Waren-fiktion von Arbeit als ein "Marktversagen"gedeutet, bei dem ein Überangebot an Ar-beit einer dauerhaft mangelnden Nachfragegegenübersteht. Aufgabe der makroöko-nomischen Theorie ist es, dieses Ungleich-gewicht – das zumindest innerhalb derklassischen Sichtweise überhaupt nichtexistieren dürfte (Baur 2001: 52 f.) – zuerklären und ordnungspolitische Maßnah-men für eine verbesserte Funktionsweisedes Arbeitsmarktes vorzuschlagen.

Ebenso offenbart sich der Warencharakterder Arbeit innerhalb der mikroökonomi-schen Theoriebildung. Hier erscheint Ar-

Page 31: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

31

beit einerseits in Form exogen vorgegebe-ner Faktorpreise, die sich entsprechend dergeschilderten makroökonomischen Zu-sammenhänge ergeben. Andererseits wirdArbeit im betrieblichen Zusammenhang alsbeliebig fragmentierbare, kombinierbareund gegebenenfalls substituierbare Wareinterpretiert. Ziel der Unternehmen ist es,mit Hilfe einer möglichst effizienten Kom-bination aus Arbeit, Maschinen, Werkzeu-gen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen etc.ein maximales Produktionsergebnis zuerzielen. Je effektiver es den Unternehmengelingt, die Ware Arbeitskraft bei gegebe-nen Faktorpreisen zu nutzen, desto effi-zienter die Produktion. Im Vordergrundder betrieblichen Betrachtung steht somitdie effiziente Arbeitsgestaltung.

Eine systematische Bearbeitung erfährtdiese Frage nach den Bedingungen effekti-ven Arbeitseinsatzes innerhalb betriebli-cher Organisationen erstmals im Rahmender von Frederick Winslow Taylor einge-führten wissenschaftlichen Betriebsfüh-rung (Taylor 1995). Konzentrierte sich dieindustrielle Produktion des 19. und begin-nenden 20. Jahrhunderts vor allem auf denEinsatz neuer Techniken und nimmt den"Faktor menschliche Arbeit" als gegebenenProduktionsfaktor hin, stellt Taylor heraus,dass auch der Produktionsfaktor Menscheiner rationellen Durchgestaltung und da-mit einer "Leistungsverbesserung" zu-gänglich ist (Raehlmann 1996: 83). Ent-sprechend deutlich tritt der Warencharakterder Arbeit somit in der technisch orien-tierten Bestimmung betrieblicher Arbeitinnerhalb der klassischen Betriebswirt-schaftslehre zu Tage. So definiert ErichGutenberg: "Die Betriebswissenschaft istalso eine technische Disziplin und damitim Wesentlichen Sache der Ingenieure.Das gilt grundsätzlich auch für die Ar-beitswissenschaft. Sie rechnet zum Bereichder Betriebswissenschaft, da sie mit Me-thoden arbeitet, die ihren Ausgangspunktin der Arbeits- und Zeitstudientechnik ha-ben. Vor allem interessieren sie die Fragender Bestgestaltung menschlicher Arbeits-leistungen im Betrieb, möglichst zweck-

mäßiger Gestaltung und Verwendung derbetriebstechnischen Apparatur und mög-lichst optimaler Gestaltung des Fertigungs-flusses" (Gutenberg 1990: 13).

Diese ökonomische Interpretation verkenntdabei jedoch sowohl aus mikro- wie ausmakroökonomischer Perspektive wesentli-che historisch gewachsene und kulturbe-dingte Eigenheiten des Arbeitsverständnis-ses. Hieraus ergeben sich mindestens dreigrundlegende Irrtümer im modernen Um-gang mit Arbeit und zwar

− hinsichtlich der Frage nach der Moti-vation zur Arbeit,

− der Frage nach der Sinnstiftung durchArbeit und

− der Möglichkeit der Gestaltung von"neuen" Arbeitsverhältnissen.

4.1 Die Frage der Arbeitsmotivation

Im Sinne der ökonomischen Sichtweisevon Arbeit stellen insbesondere monetäreAnreize die Hauptmotivation für dieErbringung von Arbeitsleistung dar. DieseSichtweise verkennt jedoch, dass Arbeit imLaufe der Entwicklung der bürgerlichenGesellschaft zum Wert an sich avancierte.Arbeit bildet in der Interpretation der bür-gerlichen Gesellschaft nicht nur die Vor-aussetzungen für materiellen Wohlstand,sondern wird selbst zum Ausweis des tu-gendhaften Lebens und bildet die Grundla-ge der vollwertigen Bürgerexistenz.

Entsprechend gilt es zwischen zwei Moti-ven für Arbeit zu unterscheiden, die klassi-scher Weise als intrinsische und extrinsi-sche Motivation bezeichnet werden: Dabeibeinhaltet die intrinsische Motivation vorallem jene Aspekte, die sich auf die psy-chische Dimension der Arbeit beziehenwie Selbstbestätigung, Bedürfnis nachGemeinschaft oder der Wunsch nach sinn-voller Beschäftigung. Diese intrinsischeMotivation zur Arbeit lässt sich als histori-sches Erbe der bürgerlichen Gesellschaftbegreifen. Selbstbestätigung, Erfolgsaus-

Page 32: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

32

weis und Selbstverwirklichung als sozialesMotiv für Arbeit ist das Ergebnis einergesellschaftlichen "Prägung" im klassi-schen ethologischen Sinne. Zentrale psy-chologische Bedürfnisse wurden im Laufeder Entwicklung der bürgerlichen Gesell-schaft derart stringent mit Arbeit als Aus-drucksform ihrer Verwirklichung ver-knüpft, dass sich Arbeit selbst zum zentra-len Wert entwickeln konnte.

Demgegenüber steht die extrinisische Mo-tivation zur Arbeit, die André Gorz als"inzitativ" gesteuerte Motivation bezeich-net (Gorz 1998: 57 ff.). Es handelte sichdabei um jene Form der Motivation, dieinnerhalb ökonomischer Modelle als zent-ral erachtet wird: Arbeit und Arbeitsleis-tung lassen sich in diesem Sinne durchmonetäre und andere geldwerte Leistungensteuern. Arbeit wird als marktfähige Warebegriffen, deren Angebot und deren Nach-frage im Wesentlichen durch Marktpreisebestimmt sind.

Will man dem Begriff der Arbeit jedoch inseiner vollen Dimension gerecht werden,gilt es beide Motive zu berücksichtigen.Dies hat weit reichende Konsequenzen fürden künftigen Umgang mit "Arbeit": In derRegel gilt, dass in jeder Form von Arbeitbeide Motivationsaspekte zur Geltungkommen. Zu vermuten ist dabei, dass jehöher der Grad an intrinsischer Motivationist, desto geringer das Maß an inzitativenAnreizen sein muss, das benötigt wird, umzur Arbeit zu motivieren und umgekehrt.Dies mag erklären, warum bestimmte Tä-tigkeiten "in Eigenarbeit" oder "ehrenamt-lich" geleistet werden (Mutz 2002: 24 ff.;Heinze/Strünck 2000: 186 f.; Klages 2000:157-167). Entsprechend gilt für Erwerbs-arbeit, dass der Grad an Entlohnung vonzwei Faktoren abhängt: Zum einen vondem, was für eine bestimmte Tätigkeit als"gerechte Entlohnung", im Sinne derHerzbergschen Hygiene-Faktoren, emp-funden wird (Rosenstiel 2003: 78-88).Zum anderen von der jeweiligen, als Kom-pensationszahlung für das "Arbeitsleid"billigerweise erwarteten Entlohnung. In

diesem Sinne sind Modellversuche zurSchaffung neuer Niedriglohnbereiche mitunlukrativen Tätigkeitsprofilen per se zumScheitern verurteilt, da sie weder in derLage sind, hinreichend intrinsisch zu moti-vieren, noch ausreichende Kompensations-zahlungen vorsehen. Sollen sich also der-artige Konzepte als tragfähig erweisen,bedarf es somit entweder einer Arbeitsaus-gestaltung, die hinreichenden Raum für dieUmsetzung persönlicher Bedürfnisse bie-tet, oder entsprechender Kompensations-leistungen, gleichgültig ob von Unterneh-mensseite oder in Form staatlicher Trans-ferleistungen. Bis in die Mitte des 20.Jahrhunderts schien hierüber noch ein ge-wisser Konsens bestanden zu haben, wieentsprechende "Beschäftigungsmodelle"belegen. So bestand ein wesentlicher Teilder "Kompensationsleistungen", die demSchrankenwärter für seine Arbeit gewährtwurden, eben nicht in monetären Leistun-gen, sondern in einer mietfreien Wohnungmit Garten zur Selbstversorgung. Gleichesgilt für die klassische Concierge oder denHausmeister. Trotz geringer Entlohnungbefriedigten diese Tätigkeiten durch einHöchstmaß an individuellem Freiraum,weitgehend freier Zeiteinteilung undkommunikativer Möglichkeiten. Erst Endedes vorigen Jahrhunderts wurden dieseTätigkeiten im Zuge von "Rationalisie-rungsmaßnahmen" sukzessive zurückge-drängt.

4.2 Sinnstiftung durch Arbeit

Die intrinsische Motivation zur Arbeit bil-det einen wesentlichen Eckpfeiler des bür-gerlichen Arbeitsverständnisses. Das bür-gerliche Konzept der Erwerbsarbeit siehtArbeit als sinnvolles Tätigsein. So erwiessich die klassische Industriearbeit histo-risch gesehen nur in der Frühphase derIndustrialisierung (Kocka 1990a: 151) undin der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg alskonsensfähige Arbeitsform (Raehlmann2004: 60). Im ersten Fall war Industriear-beit zumeist ein temporäres Ereignis(Kocka 1990b: 458 f. u. 484). Fabrikarbeit

Page 33: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

33

wurde in Ermangelung anderer Beschäfti-gungsmöglichkeiten angenommen undsolange ausgeübt, bis sich neue Berufs-chancen ergaben. Sie diente dem Einzelnenin jungen Jahren dazu, sich eine materielleExistenzgrundlage zu schaffen; für Frauenbot sie die Möglichkeit, eine Aussteuer zuverdienen. Die einzelnen Erwerbsbiogra-fien waren zumeist Mischbiografien; Fab-rikarbeit, Heimarbeit, landwirtschaftlicheTätigkeiten etc. wurden parallel oder nach-einander ausgeübt. Im zweiten Fall galt derKonsens des Wiederaufbaus. Mit Fabrikar-beit war das Versprechen individuellerWohlstandsmehrung verknüpft. Arbeitsleidwurde um der Verbesserung der eigenenmateriellen Chancen willen und um derzukünftigen sozialen Besserstellung dereigenen Kinder willen in Kauf genommen

Werden diese mit Erwerbsarbeit verbunde-nen Erwartungen jedoch enttäuscht, wirddieser Form der Arbeit ihre wesentlichemotivationale Grundlage entzogen. Wasbleibt ist ausschließlich der extrinsische,über inzitative Anreizstrukturen steuerbareAspekt von Arbeit. Entsprechend lässt sichjener vielfach gedeutete Wertewandel inBezug auf Arbeit (Stengel 1992: 700-704;Gorz 2000: 90) auch als Entzug eben die-ser motivationalen Grundlage zur Er-werbsarbeit interpretieren. Da "Arbeit" imeigentlichen Sinne nicht notwendig alsErwerbsarbeit stattfinden muss, kommt eszu einer Verschiebung der als "sinnstif-tend" empfundenen Tätigkeiten in den"privaten Bereich". Ihren Ausdruck findetdiese geänderte Einstellung in einer zu-nehmenden Freizeitorientierung ebensowie in einer zunehmenden Abkehr vonAutorität und Leistungsorientierung alszentralen Werten. Dabei kommt es in ge-wisser Weise zu einem Auseinanderfallender in Bezug auf Arbeit geforderten Wert-haltungen. Während seitens der Arbeitge-ber weiterhin intrinsisch motivierte Tugen-den wie Leistungsbereitschaft, Einsatz-freude, Anpassungsfähigkeit etc. gefordertwerden, steht demgegenüber arbeitnehmer-seitig eine zunehmend geringer werdende

Bereitschaft, private Interessen den beruf-lichen Anforderungen unterzuordnen.

In diesem Sinne ist auch aus Sicht der his-torischen Analyse all jenen Recht zu ge-ben, die das Ende der Erwerbsarbeit postu-lieren. Vorsicht scheint jedoch geboten,will man die Zukunft der Arbeit neubestimmen. Die Entwicklung dessen, waskünftig als "Arbeit" gelten wird, wird wei-terhin eng an das bürgerliche Verständnisvon Arbeit als Leistungsausweis gebundenbleiben, unabhängig davon, in welchemRahmen – sei es als Eigenarbeit,selbstständige Arbeit oder Fabrikarbeit –sie erbracht wird. Die scheinbar gelungeneRückführung sinnvollen Tätigseins in denRaum des Politischen im Rahmen der"Bürgerarbeit" verkennt ebenso wie dierein ökonomische Interpretation der Arbeitdas wesentliche Faktum, dass Arbeit histo-risch gesehen nicht beliebiges entgeltlichesTätigsein ist, sondern dass das bürgerlicheArbeitsmodell vor allem auf dem durchArbeit zu erzielenden Erfolgsausweis auf-baut. Entsprechend werden sich Maßnah-men zur zukünftigen Gestaltung der Arbeitnur dann als erfolgreich erweisen, wenn siediesen Aspekt hinreichend berücksichti-gen.

4.3 Möglichkeiten zur Gestaltung"neuer" Arbeitsverhältnisse

Die Überlagerung verschiedener, mit un-terschiedlichsten Aspekten der Arbeit ver-knüpfter Vorstellungen führt dazu, dassinnerhalb der öffentlichen Diskussion umeine "Vollerwerbsgesellschaft" unter-schiedliche Argumentationslinien aufein-ander treffen (Priddat 1999: 133 f.). Diedamit einhergehende undifferenzierte Be-stimmung von Arbeit erleichtert es, dass jenach Diskussionszusammenhang von deneinzelnen Protagonisten unterschiedlicheAspekte in den Vordergrund gehoben wer-den, ohne dabei die Inkonsistenzen dereigenen Argumentationsmuster zu erken-nen. Einerseits wird so entsprechend der

Page 34: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

34

Traditionslinie der frühen Neuzeit bei alljenen, die aus dem klassischen Modell derErwerbsarbeit herausfallen, die "Pflicht"zur Arbeit eingefordert. Dies erscheintjedoch angesichts eines stetig rückläufigenArbeitsangebots als Anachronismus. Ande-rerseits erweist sich auch die Forderungnach flexibleren Beschäftigungsverhältnis-sen in gewissem Sinne als doppelbödig: Sowerden von Arbeitgeberseite nach wie vordie klassischen Erwerbstugenden wie Loy-alität, Leistungsbereitschaft, Einsatzfreudeund Identifikation mit dem Arbeitgeber beiihren Mitarbeitern vorausgesetzt. Anderer-seits aber, so scheint es, werden diese An-forderungen nicht mehr in gleicher Münze,i.e. Arbeitsplatzsicherheit, Fürsorge unddem Angebot von Karrierechancen, begli-chen. Letzten Endes scheinen alle Versu-che, wahlweise an einer Vollerwerbsge-sellschaft festhalten zu wollen oder neueSzenarien einer künftigen Erwerbsgesell-schaft entwickeln zu wollen, jeweils nureine Seite der Medaille zu sehen.

Betrachtet man hingegen die soziale Funk-tion der Arbeit in ihrer historischen Ent-wicklung, zeigt sich, dass Arbeit neben derErmöglichung der eigenen Daseinsvorsor-ge eine weit wichtigere Bedeutung zu-kommt: Arbeit ist das Versprechen derbürgerlichen Gesellschaft auf Eigenstän-digkeit und Unabhängigkeit durch Arbeit.Dabei ist das bürgerliche Ideal der Arbeitnicht zwangsläufig an die Idee lebenslan-ger abhängiger Beschäftigung gebunden.Es ist durchaus möglich, wenn nicht garwahrscheinlich, dass neue Arrangementsan die Stelle der bisherigen Konzepte derVollerwerbsarbeit treten werden. Entschei-dend für den Erfolg der Neuorganisationvon Arbeit ist jedoch, dass Arbeit wedereinseitig als disponibler Produktionsfaktornoch ausschließlich als notwendiges Übelfür die Generierung künftiger Konsum-möglichkeiten gesehen wird, sondern alskonstitutives Element der bürgerlichenGesellschaft beachtet wird.

Analysiert man die Konzeption des bür-gerlichen Arbeitsbegriffs vor dem Hinter-

grund seiner historischen Entwicklung,lassen sich thesenartig folgende normativePostulate für die Gestaltung künftiger Ar-beitsverhältnisse formulieren:

Arbeit will belohnt sein

Im Konzept der bürgerlichen Erwerbsge-sellschaft gilt Arbeit als Schlüssel zu indi-viduellem und gesamtgesellschaftlichemWohlstand. Nur durch eigene Arbeit er-worbener Reichtum gilt als gesellschaftlichlegitimiert. Arbeit eröffnet die Möglich-keit, Wohlstand zu mehren und das eigenematerielle Fortkommen zu sichern. Arbeitund "Belohnung" sind hier aufs Engstemiteinander verknüpft. Der Versuch, Ar-beit und Entlohnung trennen zu wollen,wie dies die Konzepte einer negativen Ein-kommensteuer oder des Bürgergeldes vor-sehen, widerspricht der eigentlichen gesell-schaftlichen Bedeutung von Arbeit.

Jede Neugestaltung post-industrieller Ar-beitsverhältnisse wird dieser Eigenart derbürgerlichen Arbeitsvorstellung Rechnungtragen müssen, soll sie letztendlich erfolg-reich sein. Entsprechend steht dem Kon-zept der arbeitsfreien Einkommen dasKonzept einer gerechten Arbeitsverteilunggegenüber. Inwieweit diese letztlich durchneue Formen der Arbeit, durch die Schaf-fung neuer Stellen im sozialen und kultu-rellen Bereich oder durch entsprechendeFlexibilisierung von Arbeitszeiten erreichtwerden wird, hängt von der Bereitschaftder Verantwortlichen in Politik und Wirt-schaft und der Erwerbstätigen ab, gemein-sam neue Wege einzuschlagen.

Arbeit ist eigenmotiviert

Zugleich gilt, dass Arbeit mehr ist, alsentlohnte Tätigkeit; sie dient stets auch derindividuellen Selbstbestätigung und sievermittelt Kompetenz. Dieser Aspekt derbürgerlichen Arbeitsvorstellung tritt insbe-sondere in der Vorstellung zu Tage, dassder Mensch durch seine Arbeit in der Lage

Page 35: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

35

sei, Kultur zu schaffen. Damit entwirft diebürgerliche Gesellschaft ein Bild von Ar-beit, dass Arbeit mit dem Menschseinschlechthin in Verbindung bringt. Entspre-chend verliert innerhalb der bürgerlichenGesellschaft Arbeit den Anschein, aus-schließlich zum Zwecke der individuellenDaseinsvorsorge verrichtet werden zumüssen. Jeder Versuch, Arbeit rein inForm von Erwerbsarbeit ausgestalten zuwollen, zerstört jene Werte, auf denen diebürgerliche Erwerbsgesellschaft ruht.

Wird Arbeit somit nur noch als Faktor derbetrieblichen Leistungserstellung gesehen,verliert sie den Aspekt, Ausdrucksformmenschlicher Fähigkeiten zu sein. Es gilt,Freiräume zu schaffen, die es erlauben,Arbeit als selbst bestimmtes und schöpferi-sches Tätigsein zu erfahren. Hierbei sindprinzipiell zwei Wege gangbar. Zum einenbesteht die Möglichkeit, mangelnde Frei-räume der einen Arbeit durch größere Frei-räume einer anderen Tätigkeit zu kompen-sieren, sei dies zeitlich versetzt oder paral-lel. Zum anderen besteht die Möglichkeit,die Arbeitsorganisation industrieller Ferti-gung selbst zu überdenken. Insbesondereflexible Arbeitszeitmodelle, Teilzeitarbeitoder die Schaffung von alternierenden Bü-ro- und Heimarbeitsplätzen schaffen hierneue gestalterische Möglichkeiten.

Arbeit ist die Chance zum gesellschaftli-chen Aufstieg

Die hohe Wertschätzung der Arbeit inner-halb der bürgerlichen Gesellschaft ist engverknüpft mit der Möglichkeit des sozialenAufstiegs. Der "Amerikanische Traum"hilft, jene "kapitalistischen Tugenden" wieFleiß, Sparsamkeit und Pünktlichkeit zuetablieren, die alleine Aussicht auf wirt-schaftlichen Erfolg bieten. In diesem Sinnewar Arbeit das Versprechen der bürgerli-chen Gesellschaft, sich durch eigene An-strengung "emporarbeiten" zu können.Dies schließt die Möglichkeit des Schei-ternkönnens nicht aus. Allerdings ist diesesScheitern stets zugleich mit der Möglich-

keit verbunden, jederzeit wieder unter an-deren Bedingungen neu beginnen zu kön-nen.

Problematisch wird dieses Versprechen,wenn Teile der Bevölkerung ex ante be-reits jeder Chance beraubt werden, sichdurch eigene Arbeit zu beweisen. Der Aus-stieg der Unternehmen aus der Verant-wortung für die Schaffung geeigneter Ar-beitsplätze weist hier in eine gefährlicheRichtung. Das einfache Konstatieren deszukünftigen Auseinanderfallens von Kern-und Randbelegschaften als Folge der glo-balen Wettbewerbsbedingungen scheinthier bestenfalls als fatalistisch schlechtes-tenfalls als zynisch bezeichnet werden zumüssen. Aus dem historischen Kontextheraus besteht für Unternehmen diePflicht, Ausbildungs- und Berufschancenauch für jene zu eröffnen, die für den Pro-zess der betrieblichen Leistungserstellungnur mittelbar von Bedeutung sind.

Arbeit ist Berufsarbeit

Das bürgerliche Arbeitsverständnis ist engmit der Vorstellung von Beruf und Berufs-arbeit verbunden. Trotz der historischenTatsache gemischter Erwerbsbiografienmit zeitlich versetzten oder parallelen un-terschiedlichen Beschäftigungen entwi-ckelte sich der Beruf zum wesentlichensozialen Identifikationsmuster der bürger-lichen Gesellschaft. Diese starke Identifi-kation von Arbeit mit Beruf bedeutet je-doch nicht die lückenlose lebenslangeIdentifikation mit ausschließlich einemUnternehmen. Die Vorstellung Lehrzeit -Arbeitszeit/Freizeit - Ruhestand als we-sentliche Gliederung des "Berufslebens" istangesichts der zunehmenden Entwick-lungsdynamik insbesondere des techni-schen Wissens so nicht mehr haltbar.

Die Identifikation mit einem bestimmtenGewerbe, wie dies der Berufsbegriff impli-ziert, steht einer Fortbildung innerhalb desGewerbes jedoch prinzipiell nicht entge-gen. Im Gegenteil: Zahlreiche Berufe, etwa

Page 36: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

36

im Bereich der Medizin, der Rechtswissen-schaften oder der Informationstechnologiesetzen die regelmäßige Aktualisierung deseigenen Wissens geradezu voraus. Hiersind Unternehmen dazu aufgefordert, Qua-lifizierungsprogramme für ihre Mitarbeiterzu entwickeln, die im Zweifel nicht nurdem eigenen Unternehmen zugute kom-men, sondern auch die Chancen der Mitar-beiter erhöhen, im Falle einer Entlassungerneut ein Beschäftigungsverhältnis zufinden. Wenn das Risiko der Mitarbeiterzunimmt, im Falle von Rationalisierungs-massnahmen entlassen zu werden, fordertes das Prinzip der Gerechtigkeit, diesesRisiko gleichmäßig zu verteilen.

Arbeit ist vertraglich geregelte Arbeit

Historisch gesehen, verschiebt sich dasBild von Arbeit als autonom zum Erhaltdes eigenen oikos oder innerhalb der klös-terlichen Gemeinschaft zu erbringendeLeistung im Laufe der Entwicklung derbürgerlichen Gesellschaft hin zu einer ar-beitsteilig organisierten, zentralisiertenForm der Arbeit, deren Ideal die Produkti-vitätssteigerung durch Spezialisierung undArbeitsteilung darstellt. Arbeit wird damitzur Berufsarbeit und zur abhängigen Be-schäftigung. Diese Form der Arbeit basiertzentral auf vertraglicher Vereinbarung. Dieexpliziten wie impliziten Regelungen vonArbeitsverträgen bilden dabei den wesent-lichen Kern dauerhaft ausgestalteter Ar-beitsbeziehungen. Erst die Erwartung hin-reichend stabiler Arbeitsverhältnisse lässtberufliche Aus- und Weiterbildung als per-sönliche Vorleistung der Arbeitnehmersinnvoll erscheinen.

Bis Ende des 20. Jahrhunderts bestand einweitgehender Konsens darüber, dass dieGarantie langfristiger, stabiler Vertrags-verhältnisse auf der einen Seite durch Un-ternehmenstreue und Loyalität auf der an-deren Seite honoriert wird. Diese wechsel-seitige Verpflichtung ist in neuerer Zeit inAuflösung begriffen. Immer häufiger wer-den von den Unternehmen zwar einerseits

Loyalität und ein hohes Maß an Identifika-tion seitens der Mitarbeiter gefordert, sta-bile Beschäftigungsverhältnisse im Gegen-zug jedoch zunehmend seltener garantiert.An Stelle stabiler Arbeitsverhältnisse tre-ten prekäre Beschäftigungsverhältnisse unddie Forderung nach einem Höchstmaß anFlexibilität und Mobilität. Eine derart ge-forderte "flexible Loyalität" erweist sichjedoch nicht nur aus semantischer Per-spektive als contradictio in adjecto. Hiergilt es, sich über den zukünftigen Weg derErwerbsarbeit klar zu werden. Das Fest-halten an alten Denkmustern bei gleichzei-tiger Forderung nach Neuorientierung derjeweils anderen Vertragspartei kommt ei-ner einseitigen Kündigung vertraglicherVereinbarungen gleich, selbst dann, wenndiese nur implizit vorausgesetzt wurden.

5. Schluss

Arbeit innerhalb der bürgerlichen Gesell-schaft ist das Versprechen auf Teilhabe anGesellschaft und auf die Chance, die eige-ne Lage durch Einsatz und Leistung zuverbessern. Im Laufe ihrer Entwicklunghat die bürgerliche Gesellschaft Armutdurch Arbeitslosigkeit ersetzt. Armut istdamit nicht mehr länger unabwendbaresSchicksal des Einzelnen, sondern wird zumpersönlichen Versagen. Damit steht diebürgerliche Gesellschaft vor dem prinzi-piellen Problem, das Recht des Armen aufdie Almosen des Reichen durch das Rechtdes Arbeitslosen auf Arbeit ersetzen zumüssen. Kann eine moderne Marktwirt-schaft dieses theoretische Versprechen derneuzeitlichen bürgerlichen Gesellschaftnicht einlösen, sind ihre eigenen normati-ven Grundlagen gefährdet.

Drei bedeutsame Annahmen kennzeichnendie Arbeitsvorstellung der bürgerlichenGesellschaft:

− Arbeit ist definiert durch gesellschaftli-che Anerkennung, sei es Lohn oderPrestige.

Page 37: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

37

− Arbeit und Arbeitseinkommen dienendem Einzelnen zur Verbesserung seinersozialen Lage; im Umkehrschluss wirddamit jeder für seine soziale Situationselbst verantwortlich.

− Erwerbsarbeit wird zur Voraussetzungfür die Zugehörigkeit zur bürgerlichenGesellschaft; die mit Arbeit verbunde-nen Sekundärtugenden – Fleiß, Pünkt-lichkeit, Mäßigung etc. – werden zumIndikator des guten Bürgers.

In diesem Sinne wird Arbeit, und das sollteman bei allen Reformbestrebungen im Au-ge behalten, als Wert weiterhin Bestandhaben. Dennoch werden sich die Inhaltedessen, was künftig als Arbeit gelten wird,und die Form, in der sie erbracht werdenwird, verändern. Mit Sicherheit ist die seitMitte der Fünfzigerjahre etablierte Vor-stellung einer lebenslangen Betriebszuge-hörigkeit bei stetig wachsendem Ein-

kommen und einem Höchstmaß an sozialerSicherung angesichts der Anforderungenan eine globale Wirtschaft mit inter-nationaler Konkurrenz nicht mehr zeitge-mäß.

Neue Beschäftigungsverhältnisse müssenan die Stelle der bisherigen Lebensarbeits-verhältnisse treten. Dennoch scheint esfahrlässig, Arbeit ausschließlich nachMaßgabe der jeweils aktuellen ökonomi-schen Anforderungen umdefinieren zuwollen. Arbeit ist ein normativer, nichtzuletzt durch den historischen Kontext unddie jeweilige Erwerbskultur geprägter Be-griff. Er steht für die Versprechen der bür-gerlichen Gesellschaft und der (sozialen)Marktwirtschaft, dem Einzelnen seinGlück durch Arbeit zu ermöglichen. Neue"Arbeitsformen" werden sich daher nurdann etablieren lassen, wenn sie dieses"historische Erbe" berücksichtigen.

Literatur

Albrecht, Michael von (1979): Arbeit, in:Konrat Ziegler und Walter Sontheimer(Hrsg.), Der Kleine Pauly – Lexikonder Antike in 5 Bdn., München, Bd. 1,490 – 494.

Aquin, Thomas von (1985): Summe derTheologie in 3 Bdn., hrsg. von JosephBernhardt, Stuttgart.

Aquin, Thomas von (1990): Über die Herr-schaft der Fürsten, Stuttgart.

Arendt, Hannah (1994): Vita activa,München.

Aristoteles (1993): Rhetorik, hrsg. vonFranz G. Sievke, München.

Aristoteles (1995a): Nikomachische Ethik,in: Philosophische Schriften in 6 Bdn.,hrsg. von Eugen Rolfes, Hamburg, Bd.3.

Aristoteles (1995b): Politik, in: Philoso-phische Schriften in 6 Bdn., hrsg. vonEugen Rolfes, Hamburg, Bd. 4.

Arndt, Andreas (2001): Zum Philosophi-schen Arbeitsbegriff. Hegel, Marx &

Co, in: Klaus-Michael Kodalle (Hrsg.),Arbeit und Lebenssinn, Würzburg,S.99-108.

Augustinus, Aurelius (1991): De civitatedei – vom Gottesstaat in 2 Bdn., Mün-chen.

Baur, Nina (2001): Soziologische undökonomische Theorien der Erwerbsar-beit, Frankfurt am Main.

Bender, Hermann (1893): Rom und römi-sches Leben im Altertum, Tübingen.

Berthold von Regensburg (1862-1880):Vollständige Ausgabe seiner Predigtenin 2 Bdn., hrsg. von Franz Pfeiffer,Wien.

Beutter, Friedrich (1989): Thomas vonAquin, in: Joachim Starbatty (Hrsg.),Klassiker des ökonomischen Denkensin 2 Bdn., München, Bd. 1, S.56-75.

Borst, Arno (1997): Lebensformen imMittelalter, Berlin.

Borst, Otto (1983): Alltagsleben im Mittel-alter, Frankfurt am Main.

Page 38: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

38

Brandt, Karl (1992): Geschichte der deut-schen Volkswirtschaftslehre in 2 Bdn.,Freiburg im Breisgau.

Bruckmüller, Ernst und Stekl, Hannes(1995): Zur Geschichte des Bürger-tums in Österreich, in: Jürgen Kocka(Hrsg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert,Band 1: Einheit und Vielfalt Europas,Göttingen, S.166-198.

Cato, Marcus Porcius (1963): Belehrungüber die Landwirtschaft, hrsg. vonPaul Thielscher, Berlin.

Cicero, Marcus Tullius (1994): ParadoxaStoicorum – Stoische Paradoxien, in:Über die Gesetze, Stoische Parado-xien, hrsg. von Rainer Nickel, Zürich.

Cicero, Marcus Tullius (1995): De officiis– Vom pflichtgemäßen Handeln, hrsg.von Heinz Gunermann, Stuttgart.

Defoe, Daniel (1981): Das Leben und diehöchst merkwürdigen Abenteuer desRobinson Crusoe aus York, München.

Demokrit von Abdera (1972): Fragmente,in: Hermann Diels und Walther Kranz(Hrsg.), Die Fragmente der Vorsokra-tiker in 3 Bdn., Dublin, Bd. 2.

Dülmen, Richard van (1999): 'Arbeit' inder frühneuzeitlichen Gesellschaft, in:Jürgen Kocka und Klaus Offe (Hrsg.),Geschichte und Zukunft der Arbeit,Frankfurt am Main, S.80-87.

Dummer, Jürgen (2001): Arbeitsethos inder Antike, in: Klaus-Michael Kodalle(Hrsg.), Arbeit und Lebenssinn, Würz-burg, S.69-75.

Euchner, Walter (1996): John Locke,Hamburg.

Fichte, Johann Gottlieb (1979): Der ge-schlossne Handelsstaat, Hamburg.

Finley, Moses I. (1981): Die Sklaverei inder Antike, München.

Finley, Moses I. (1991): Das politischeLeben in der antiken Welt, München.

Finley, Moses I. (1993): Die antike Wirt-schaft, München.

Fumagalli, Vito (1999): Wenn der Himmelsich verdunkelt – Lebensgefühl imMittelalter, Berlin.

Gorz, André (1998): Kritik der ökonomi-schen Vernunft – Sinnfragen am Endeder Arbeitsgesellschaft, Hamburg.

Gorz, André (2000): Arbeit zwischenMisere und Utopie, Frankfurt amMain.

Gurjewitsch, Aaron J. (1993): Stimmen desMittelalters – Fragen von heute. Men-talitäten im Dialog, Frankfurt amMain.

Gurjewitsch, Aaron, J.(1994): Das Indivi-duum im europäischen Mittelalter,München.

Gurjewitsch, Aaron J. (1997): Der Kauf-mann, in: Jacques Le Goff (Hrsg.), DerMensch des Mittelalters, Frankfurt amMain, S.268-311.

Gurjewitsch, Aaron J. (2000): StummeZeugen des Mittelalters, Frankfurt amMain.

Gutenberg, Erich (1990): Einführung in dieBetriebswirtschaftslehre, Wiesbaden.

Hansen, Klaus P. (1995): Die Mentalitätdes Erwerbs, München.

Heinze, Rudolf G. und Strünck, Christoph(2000): Die Verzinsung des sozialenKapitals – Freiwilliges Engagement imStrukturwandel, in: Ulrich Beck(Hrsg.), Die Zukunft von Arbeit undDemokratie, Frankfurt am Main,S.171-216.

Hesiod (1996): Werke und Tage, hrsg. vonOtto Schönberger, Stuttgart.

Hobbes, Thomas (1980): Leviathan, Stutt-gart.

Hundsbichler, Helmut (1996): Arbeit, in:Harry Kühnel (Hrsg.), Alltag im Spät-mittelalter, Köln, S.189-195.

Klages, Helmut (2000): Engagement undEngagementpotenzial in Deutschland,in: Ulrich Beck (Hrsg.), Die Zukunftvon Arbeit und Demokratie, Frankfurtam Main, S.151-170.

Kocka, Jürgen (1975): Unternehmer in derdeutschen Industrialisierung, Göttin-gen.

Kocka, Jürgen (1990a): Weder Stand nochKlasse – Unterschichten um 1800,Bonn.

Kocka, Jürgen (1990b): Arbeitsverhältnis-se und Arbeiterexistenzen, Bonn.

Kühnel, Harry (1996): Frömmigkeit ohneGrenzen?, in: ders. (Hrsg.), Alltag imSpätmittelalter, Köln.

Page 39: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

39

Le Goff, Jacques (1987): Für ein anderesMittelalter, hrsg. von Dieter Groh,Weingarten.

Le Goff, Jacques (1993): Kaufleute undBankiers im Mittelalter, Frankfurt amMain.

Le Goff, Jacques (1997): Einleitung – DerMensch des Mittelalters, in: ders.(Hrsg.), Der Mensch des Mittelalters,Frankfurt am Main, S.7-45.

Locke, John (1997): A Report of the Boardof Trade to the Lords Justices, Re-specting the Relief and Employment ofthe Poor, in: Jörg Thomas Peters, DerArbeitsbegriff bei John Locke, Mün-ster, Anhang.

Locke, John (1999): Über die Regierung(The Second Treatise of Government),Stuttgart.

Luczak, Holger (1998): Arbeitswissen-schaft, Berlin.

Marx, Karl (1974): Das Kapital – Kritikder politischen Ökonomie in 3 Bdn.,Berlin.

Mill, John Stuart (1924): Grundsätze derpolitischen Ökonomie – mit einigen ih-rer Anwendungen auf die Sozialphilo-sophie, Bd. 1, in: Heinrich Waentig(Hrsg.), Sammlung sozialwissen-schaftlicher Meister, Bd. 17, Jena.

Mommsen, Theodor (1993): RömischeGeschichte in 8 Bdn., München.

Münch, Paul (1998): Lebensformen in derfrühen Neuzeit, Berlin.

Mutz, Gerd (2001): Paradigmenwechsel inder Arbeitsgesellschaft, in: Klaus-Michael Kodalle (Hrsg.), Arbeit undLebenssinn, Würzburg, S.109-125.

Mutz, Gerd (2002): Pluralisierung undEntgrenzung in der Erwerbsarbeit, in:Arbeit – Zeitschrift für Arbeitsfor-schung, Arbeitsgestaltung und Ar-beitspolitik, 11. Jg. 1/2002, S.21-32.

Nippel, Wilfried (1999): Erwerbsarbeit inder Antike, in: Jürgen Kocka undKlaus Offe (Hrsg.), Geschichte undZukunft der Arbeit, Frankfurt amMain, S. 54-66.

Oexle, Otto Gerhard (1999): Arbeit, Ar-mut, 'Stand' im Mittelalter, in: JürgenKocka und Klaus Offe (Hrsg.), Ge-

schichte und Zukunft der Arbeit,Frankfurt am Main, S.67-79.

Pekáry, Thomas (1979): Die Wirtschaft dergriechisch-römischen Antike, Wiesba-den.

Peters, Jörg Thomas (1997): Der Arbeits-begriff bei John Locke, Münster.

Petronius (1997): Satiricon, hrsg. von FritzTech, Berlin.

Polo, Marco (1983): Il Milione – DieWunder der Welt, Zürich.

Priddat, Birger P. (1999): Zukunft der Ar-beit – Eine theoretische Skizze, in:Universitas, Jg. 54, Februar 1999,S.133-141.

Raehlmann, Irene (1996): Entwicklung vonArbeitsorganisationen, Opladen.

Raehlmann, Irene (2004): Zeit und Arbeit– Eine Einführung, Wiesbaden.

Ricardo, David (1994): Grundsätze derPolitischen Ökonomie und der Besteu-erung, hrsg. von Heinz D. Kurz, Mar-burg.

Rosenstiel, Lutz von (2003): Grundlagender Organisationspsychologie, Stutt-gart.

Rousseau, Jean-Jacques (1995): PolitischeSchriften, hrsg. von Ludwig Schmidts,Paderborn.

Rousseau, Jean-Jacques (1998a): VomGesellschaftsvertrag oder Grundsätzedes Staatsrechts, Stuttgart.

Rousseau, Jean Jacques (1998b): Abhand-lung über den Ursprung und dieGrundlagen der Ungleichheit unter denMenschen, Stuttgart.

Rousseau, Jean Jacques (1998c): Emileoder über die Erziehung, Stuttgart.

Sachs, Hans (1992): Der Burger, Bauerund Edelmonn, in: Werke in 2 Bdn.,Berlin, Bd. 1, S.176-178.

Schiller, Friedrich (s.a.): Was heißt und zuwelchem Ende studiert man Univer-salgeschichte?, in: Sämtliche Werke in12 Bdn., Leipzig, Bd. 10, S.234-249.

Smith, Adam (1982): Lectures of Jurispru-dence. The Glasgow Edition of theWorks and Correspondence of AdamSmith, Bd. 5, hrsg. von Ronald L.Meek, David D. Raphael, Peter G.Stein, Nachdruck Indianapolis.

Page 40: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

40

Smith, Adam (1985): Theorie der ethi-schen Gefühle, Hamburg.

Smith, Adam (1990): Der Wohlstand derNationen, München.

Smith, Adam (1996): Vorlesungen überRechts- und Staatswissenschaften,hrsg. von Daniel Brühlmeier, St. Au-gustin.

Stengel, Martin (1993): Wertewandel, in:Lutz von Rosenstiel, Erika Regnet undMichael Domsch (Hrsg.), Führung vonMitarbeitern, Stuttgart, S.693-712.

Taylor, Frederick Winslow (1995): DieGrundsätze wissenschaftlicher Be-triebsführung, Weinheim.

Thukydides (1993): Der PeleponnesischeKrieg, Leipzig.

Ubl, Karl und Vinx, Lars (2000): Kirche,Arbeit und Eigentum bei JohannesQuidort von Paris, in: Christoph Eggerund Herwig Weigl (Hrsg.), Text –Schrift – Codex. Quellenkundliche Ar-beiten aus dem Institut für Österreichi-sche Geschichtsforschung, Bd. 35.,Wien, S.304-344.

Unkel, Karl (1882): Berthold von Regens-burg, Köln.

Volkmann, Hans (1979): Theten, in: Kon-rat Ziegler und Walter Sontheimer(Hrsg.), Der Kleine Pauly – Lexikon

der Antike in 5 Bdn., München, Bd. 5.,Sp.764f.

Wägner, Wilhelm (1902): Hellas – Landund Volk der alten Griechen, Leipzig.

Wannenwetsch, Bernd (2001): "ImSchweiße deines Angesichts sollst dudein Brot essen" – Der Aufstieg des'Animal Laborans' als Abstieg des Po-litischen Tiers, in: Klaus-Michael Ko-dalle (Hrsg.), Arbeit und Lebenssinn,Würzburg, S.77-89.

Weber, Max (1988a): Die protestantischeEthik und der Geist des Kapitalismus,in: ders., Gesammelte Aufsätze zurReligionssoziologie in 3 Bdn., hrsg.von Marianne Weber, Tübingen, Bd. 1,S.17-206.

Weber, Max (1988b): Agrarverhältnisse imAltertum, in: ders., Gesammelte Auf-sätze zur Sozial- und Wirtschaftsge-schichte, hrsg. von Marianne Weber,Tübingen, S.1-288.

Xenophon (1956a): Oikonomikos – DieHauswirtschaftslehre, in: ders., Diesokratischen Schriften, hrsg. von ErnstBux, Stuttgart.

Xenophon (1956b): Memorabilien – Erin-nerungen an Sokrates, in: ders., Diesokratischen Schriften, hrsg. von ErnstBux, Stuttgart.

Page 41: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

Verantwortlich:Dr. Reinhard C. Meier-WalserLeiter der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung

Autor:Prof. Dr. phil. Michael S. AßländerStiftungslehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensethik, Universität Kassel

Page 42: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

"aktuelle analysen"bisher erschienen:

Nr. 1 Problemstrukturen schwarz-grüner Zusammenarbeit (vergriffen)

Nr. 2 Wertewandel in Bayern und Deutschland – Klassische Ansätze –Aktuelle Diskussion – Perspektiven (vergriffen)

Nr. 3 Die Osterweiterung der NATO – Die Positionen der USA und Russlands(vergriffen)

Nr. 4 Umweltzertifikate – ein geeigneter Weg in der Umweltpolitik?(vergriffen)

Nr. 5 Das Verhältnis von SPD, PDS und Bündnis 90/Die Grünen nach denLandtagswahlen vom 24. März 1996 (vergriffen)

Nr. 6 Informationszeitalter – Informationsgesellschaft – Wissensgesellschaft(vergriffen)

Nr. 7 Ausländerpolitik in Deutschland (vergriffen)

Nr. 8 Kooperationsformen der Oppositionsparteien (vergriffen)

Nr. 9 Transnationale Organisierte Kriminalität (TOK) – Aspekte ihrer Ent-wicklung und Voraussetzungen erfolgreicher Bekämpfung (vergriffen)

Nr. 10 Beschäftigung und Sozialstaat (vergriffen)

Nr. 11 Neue Formen des Terrorismus (vergriffen)

Nr. 12 Die DVU – Gefahr von Rechtsaußen (vergriffen)

Nr. 13 Die PDS vor den Europawahlen (vergriffen)

Nr. 14 Der Kosovo-Konflikt: Aspekte und Hintergründe (vergriffen)

Nr. 15 Die PDS im Wahljahr 1999: "Politik von links, von unten und von Osten"(vergriffen)

Nr. 16 Staatsbürgerschaftsrecht und Einbürgerung in Kanada und Australien(vergriffen)

Nr. 17 Die heutige Spionage Russlands

Nr. 18 Krieg in Tschetschenien

Nr. 19 Populisten auf dem Vormarsch? Analyse der Wahlsieger in Österreichund der Schweiz (vergriffen)

Nr. 20 Neo-nazistische Propaganda aus dem Ausland nach Deutschland

Page 43: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

Nr. 21 Die Relevanz amerikanischer Macht: anglo-amerikanische Vergangen-heit und euro-atlantische Zukunft

Nr. 22 Global Warming, nationale Sicherheit und internationale politische Öko-nomie – Überlegungen zu den Konsequenzen der weltweiten Klima-veränderung für Deutschland und Europa (vergriffen)

Nr. 23 Die Tories und der "Dritte Weg" – Oppositionsstrategien der britischenKonservativen gegen Tony Blair und New Labour (vergriffen)

Nr. 24 Die Rolle der nationalen Parlamente bei der Rechtssetzung derEuropäischen Union – Zur Sicherung und zum Ausbau der Mitwirkungs-rechte des Deutschen Bundestages (vergriffen)

Nr. 25 Jenseits der "Neuen Mitte": Die Annäherung der PDS an die SPD seitder Bundestagswahl 1998

Nr. 26 Die islamische Herausforderung – eine kritische Bestandsaufnahmevon Konfliktpotenzialen (vergriffen)

Nr. 27 Nach der Berliner Wahl: Zustand und Perspektiven der PDS (vergriffen)

Nr. 28 Zwischen Konflikt und Koexistenz: Christentum und Islam im Libanon(vergriffen)

Nr. 29 Die Dynamik der Desintegration – Zum Zustand der Ausländerinte-gration in deutschen Großstädten (vergriffen)

Nr. 30 Terrorismus – Bedrohungsszenarien und Abwehrstrategien (vergriffen)

Nr. 31 Mehr Sicherheit oder Einschränkung von Bürgerrechten – Die Innen-politik westlicher Regierungen nach dem 11. September 2001(vergriffen)

Nr. 32 Nationale Identität und Außenpolitik in Mittel- und Osteuropa

Nr. 33 Die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU – eine "PrivilegiertePartnerschaft" (vergriffen)

Nr. 34 Die Transformation der NATO. Zukunftsrelevanz, Entwicklungsperspek-tiven und Reformstrategien (vergriffen)

Nr. 35 Die wissenschaftliche Untersuchung Internationaler Politik. StrukturellerNeorealismus, die "Münchner Schule" und das Verfahren der "Internati-onalen Konstellationsanalyse" (vergriffen)

Nr. 36 Zum Zustand des deutschen Parteiensystems – eine Bilanz des Jahres2004

Nr. 37 Reformzwänge bei den geheimen Nachrichtendiensten? Überlegungenangesichts neuer Bedrohungen

Page 44: aktuelle analysen Nr. 40 'Bedeutungswandel der Arbeit' · wohl in der Polis als auch im Imperium Romanum war vor allem eng mit politi-schen Ämtern, respektive dem cursus ho-norum

Nr. 38 "Eine andere Welt ist möglich": Identitäten und Strategien der globali-sierungskritischen Bewegung

Nr. 39 Krise und Ende des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes

Nr. 40 Bedeutungswandel der Arbeit – Versuch einer historischen Rekonstruk-tion

Ab der Ausgabe Nr. 9 stehen unsere Hefte unter www.hss.de auch zum Downloadzur Verfügung.