aktuelle studie .de S N · 2010. 2. 18. · Sven Lindenhahn (E-Mail:...

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aktuelle studie TEAMWORK: WARUM PROJEKTTEAMS ERFOLGREICHER SIND ALS PROJEKTGRUPPEN Gut funktionierende Teams haben Vor- teile im Projektalltag. Lässt sich aber ein zählbarer Zusammenhang zwischen der Teamqualität und dem Projekterfolg her- stellen? Im Folgenden stellen wir – nach einem Ausflug in die Theorie der Team- entwicklung – Ergebnisse einer Unter- suchung von Softwareentwicklungspro- jekten vor. Von der Gruppe zum Team Die oben genannten Merkmale eines Teams sowie die Fähigkeit der Selbstorganisation sind leider weder selbstverständlich, noch entstehen sie von heute auf morgen. Vielmehr entwickeln sie sich im Zuge eines Teamentwicklungsprozesses, den jede Gruppe zwangsläufig durchläuft. Um den Prozess zu veranschaulichen, wurden in der Vergangenheit verschiedene Modelle und Ansätze entwickelt, wie beispielsweise das Raummodell von Antons (vgl. [Ant04]), das die Dimensionen „Macht", „Vertrau- en” und „Intimität” definiert, innerhalb derer sich der gruppendynamische Prozess bewegt. Viele Modelle stammen ursprüng- lich aus der therapeutischen Gruppen- forschung und betrachten im Wesentlichen Formierungs-, Normenfindungs- und Rol- lenfindungsprozesse. Diese Prozesse sind – unabhängig von Rahmenbedingungen, wie beispielsweise der Gruppenform (Pro- In der heutigen Softwareentwicklung ist das Arbeiten in Projektgruppen und -teams Alltag. Menschen, die zusammen arbeiten, bilden zwar eine Gruppe, aber nicht zwangsläufig auch ein Team. Eine Untersuchung von 190 Softwareentwicklungsprojekten im Rahmen einer Online- Umfrage zeigt einen starken Zusammenhang zwischen der Teamqualität und dem Projekterfolg. Dieser Artikel fasst einen Teil der Ergebnisse zusammen. mehr zum thema: www.pentaeder.de 10 11 essenziell, aber reicht das wirklich schon aus, um ein erfolgreiches Team entstehen zu las- sen? Nicht jede Arbeits- oder Projektgruppe ist automatisch auch ein Team. Eine Gruppe besteht aus mindestens drei Personen, die eine gemeinsame Arbeitsaufgabe zu lösen haben und über einen längeren Zeitraum zusammenarbei- ten müssen. Ein Team zeichnet sich durch folgende Faktoren aus: eine gemeinsame Vision gegenseitige Unterstützung und Hilfe- stellung reger Know-how-Austausch gemeinsame Problemlösungen kooperatives Arbeiten Vertrauen Fähigkeit zur Selbstorganisation Ein echtes, selbstorganisierendes Team ist ohne explizite Anweisungen in der Lage, auch in Krisensituationen selbstständig Entscheidungen im Sinne des Projektziels zu treffen. Diese Merkmale unterscheiden ein Team von einer Gruppe und zeigen, dass die Begriffe „Team” und „Gruppe” in diesem Zusammenhang nicht synonym ver- wendet werden. Eine Gruppe ist hingegen in hohem Maße auf explizite Arbeits- anweisungen angewiesen. Die Begriffe Gruppe und Team Haben Sie in Ihrem letzten Projekt in einem „richtigen” Team gearbeitet? Bei der Suche nach einer Antwort werden Sie sich weitere Fragen stellen, wie beispielsweise: Was ist ein Team und was nicht? Treffen Merkmale wie Vertrauen, gegenseitige Unterstützung oder gemeinsames Problemlösen auf die Zusammenarbeit in meiner letzten Projektgruppe zu? Waren diese Merkmale von Anfang an da oder haben sie sich im Laufe der Projektarbeit entwickelt? Mittlerweile findet man auch in der Informatik-Community immer mehr Artikel rund um das Thema der so genannten „wei- chen Faktoren”, wie z. B. Kommunikation, Vertrauen, Motivation der Mitarbeiter und Teamentwicklung. Dem Projektteam wird (ohne dass der Begriff „Team” präzise gefasst wäre) eine besondere Bedeutung in Bezug auf den Erfolg von Softwareprojekten beigemes- sen. Ein funktionierendes Team ist – bildlich gesprochen – das Fundament, das es erst ermöglicht, ein Projekt durchzuführen und dieses erfolgreich zu beenden. Selbst- verständlich ist das fachliche Know-how unabdingbar und auch zu Beginn eines Projekts bei der Gruppenzusammenstellung Dr. Eberhard Huber (E-Mail: [email protected]) ist Projektmanager, Projektmanagement- und Teamentwicklungscoach, Dozent für Projekt- management und Teamentwicklung sowie Certified Scrum Master. Sven Lindenhahn (E-Mail: [email protected]) hat die Interessensschwerpunkte Anthro- pologisches Projektmanagement und Projektteams in Softwareentwicklungsprojekten. die autoren

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ak tue l l e s tud ie

TEAMWORK:

WARUM PROJEKTTEAMS

ERFOLGREICHER SIND ALS

PROJEKTGRUPPEN

Gut funktionierende Teams haben Vor -teile im Projektalltag. Lässt sich aber einzählbarer Zusammenhang zwischen derTeamqualität und dem Projekterfolg her-stellen? Im Folgenden stellen wir – nacheinem Ausflug in die Theorie der Team -entwicklung – Ergebnisse einer Unter -suchung von Softwareentwick lungs pro -jekten vor.

Von der Gruppe zum Team

Die oben genannten Merkmale eines Teamssowie die Fähigkeit der Selbstorganisationsind leider weder selbstverständlich, nochentstehen sie von heute auf morgen.Vielmehr entwickeln sie sich im Zuge einesTeamentwicklungsprozesses, den jedeGruppe zwangsläufig durchläuft. Um denProzess zu veranschaulichen, wurden in derVergangenheit verschiedene Modelle undAnsätze entwickelt, wie beispielsweise dasRaummodell von Antons (vgl. [Ant04]),das die Dimensionen „Macht", „Ver trau -en” und „Intimität” definiert, innerhalbderer sich der gruppendynamische Prozessbewegt. Viele Modelle stammen ursprüng-lich aus der therapeutischen Gruppen -forschung und betrachten im WesentlichenFormierungs-, Normenfindungs- und Rol -lenfindungsprozesse. Diese Prozesse sind –unabhängig von Rahmenbe din gungen, wiebeispielsweise der Gruppen form (Pro -

In der heutigen Softwareentwicklung ist das Arbeiten in Projektgruppen und -teams Alltag.Menschen, die zusammen arbeiten, bilden zwar eine Gruppe, aber nicht zwangsläufig auch einTeam. Eine Untersuchung von 190 Softwareentwicklungsprojekten im Rahmen einer Online-Umfrage zeigt einen starken Zusammenhang zwischen der Teamqualität und demProjekterfolg. Dieser Artikel fasst einen Teil der Ergebnisse zusammen.

m e h r z u m t h e m a :www.pentaeder.de

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essenziell, aber reicht das wirklich schon aus,um ein erfolgreiches Team entstehen zu las-sen?

Nicht jede Arbeits- oder Projektgruppeist automatisch auch ein Team. EineGruppe besteht aus mindestens dreiPersonen, die eine gemeinsameArbeitsaufgabe zu lösen haben und übereinen längeren Zeitraum zusammenarbei-ten müssen. Ein Team zeichnet sich durchfolgende Faktoren aus:

■ eine gemeinsame Vision■ gegenseitige Unterstützung und Hilfe -

stellung■ reger Know-how-Austausch■ gemeinsame Problemlösungen■ kooperatives Arbeiten■ Vertrauen■ Fähigkeit zur Selbstorganisation

Ein echtes, selbstorganisierendes Team istohne explizite Anweisungen in der Lage,auch in Krisensituationen selbstständigEntscheidungen im Sinne des Projektzielszu treffen. Diese Merkmale unterscheidenein Team von einer Gruppe und zeigen,dass die Begriffe „Team” und „Gruppe” indiesem Zusammenhang nicht synonym ver-wendet werden. Eine Gruppe ist hingegenin hohem Maße auf explizite Arbeits -anweisungen angewiesen.

Die Begriffe Gruppe und Team

Haben Sie in Ihrem letzten Projekt in einem„richtigen” Team gearbeitet? Bei der Suchenach einer Antwort werden Sie sich weitereFragen stellen, wie beispielsweise:

■ Was ist ein Team und was nicht?■ Treffen Merkmale wie Vertrauen,

gegenseitige Unterstützung odergemeinsames Problemlösen auf dieZusammenarbeit in meiner letztenProjektgruppe zu?

■ Waren diese Merkmale von Anfang anda oder haben sie sich im Laufe derProjektarbeit entwickelt?

Mittlerweile findet man auch in derInformatik-Community immer mehr Artikelrund um das Thema der so genannten „wei-chen Faktoren”, wie z. B. Kom munikation,Vertrauen, Motivation der Mitarbeiter undTeamentwicklung. Dem Projektteam wird(ohne dass der Begriff „Team” präzise gefasstwäre) eine besondere Bedeutung in Bezug aufden Erfolg von Softwareprojekten beigemes-sen. Ein funktionierendes Team ist – bildlichgesprochen – das Fundament, das es erstermöglicht, ein Projekt durchzuführen unddieses erfolgreich zu beenden. Selbst -verständlich ist das fachliche Know-howunabdingbar und auch zu Beginn einesProjekts bei der Gruppenzusammenstellung

Dr. Eberhard Huber

(E-Mail: [email protected])

ist Projektmanager, Projektmanagement- und

Teamentwicklungscoach, Dozent für Projekt -

management und Teamentwicklung sowie Certified

Scrum Master.

Sven Lindenhahn

(E-Mail: [email protected])

hat die Interessensschwerpunkte Anthro -

pologisches Projektmanagement und Projektteams

in Softwareentwicklungsprojekten.

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jektgruppe in der Wirtschaft oder eine the-rapeutische Gruppe) oder dem Gruppenziel– in jeder Gruppe vorzufinden (vgl.[Tsc97], [Ant04]).

Eines der bekanntesten Modelle ist dasPhasenmodell von Tuckman (vgl. [Tuc65]),das immer wieder aufgegriffen und bei-spielsweise durch Stahl (vgl. [Sta07])weiterentwickelt wurde. Es beinhaltet diein Kasten 1 dargestellten fünf Phasen.

Ein Hauptkritikpunkt gegenüber demModell von Tuckman ist die lineare Dar -stellung der Teamentwicklungsphasen, diein der Realität selten so vorzufinden ist.

Durch die Darstellung der Teament wick -lung anhand von Phasenmodellen entstehthäufig der Eindruck, dass der Entwick -lungsprozess einer Gruppe immer identischabläuft. Aufgrund der unterschiedlichenMitglieder und Rahmen be dingungen istdies jedoch nie der Fall, denn jede Gruppeist ein Unikat. Dem entsprechend ist esmöglich, dass die Gruppe eine bereits abge-schlossene Phase immer wieder aufs Neuewiederholt. So wird zum Beispiel dieFormierungsphase infolge häufigerPersonalwechsel oft mehrfach durchlaufen.Die Dauer der einzelnen Entwick lungs -phasen und des gesamten Entwick -lungsprozesses ist ebenfalls von Gruppe zuGruppe unterschiedlich. Manche Gruppenschaffen es möglicherweise nicht, vorProjektende die Arbeitsphase zu erreichen.

Trotz der ersichtlichen Nachteile vonPhasenmodellen helfen diese, die Wahr -nehmung der Teamentwicklung zu struktu-rieren, und reduzieren die Komplexität derDiagnose des Teamzustands bzw. derTeamqualität. Außerdem veranschaulichendie Modelle typische Phänomene, mit denensich eine Gruppe im Rahmen derZusammenarbeit auseinandersetzten muss.Krisen und Zeiten der Orientierungs losigkeitsollten dementsprechend nicht als Störungenoder Hindernisse betrachtet werden, sondernals notwendige Etappen auf dem Weg voneiner Gruppe zu einer funktionierendenGruppe bzw. einem Team (vgl. [Kön07]).

Die während der Teamentwicklung auf-tretenden Phänomene werden in dynami-schen Modellen besser dargestellt als inlinearen Phasenmodellen. Antons be -schreibt z. B. den Teamentwicklungs prozessmittels eines Koordinatensystems mit fol-genden Dimensionen:

■ Zugehörigkeit■ Macht■ Intimität

Diese Dimensionen sind gewissermaßen dieThemen, mit denen sich die Gruppe imLaufe ihrer Entwicklung unter Umständenmehrfach beschäftigt. In scheinbar fach-lichen Auseinandersetzungen werden dieseThemen versteckt verhandelt. Beispiels -weise gehören die häufig anzutreffendenRollenkonflikte oder Machtkämpfe zurDimension „Macht”.

Die Auseinandersetzungen um diese The -men können sich wiederholen und lassen sichnicht immer eindeutig voneinander trennen.Die Dimensionen spannen gewissenermaßenden Raum auf, in dem sich die Gruppen -dynamik entfaltet (vgl. [Ant04]). Einige derbeobachtbaren Entwicklungs phasen vonGruppen (vgl. [Tuc65], [Sta07]) lassen sichgrob mit den Dimensionen identifizieren:

Kasten 1: Phasenmodell nach Tuckmann (vgl. [Wik]).

■ Die Formierungsphase (Forming) ist geprägt durch Höflichkeit, ein vorsichtigesAbtasten, Streben nach Sicherheit, der „Man”-Orientierung und Kennenlernen.In dieser Phase ist es wichtig, dass die Führungskraft das Team führt („ansagt”).

■ Die Konfliktphase (Storming) ist durch unterschwellige Konflikte, eine Selbst -darstellung der (neuen) Teammitglieder, den Kampf um (informelle) Führungund eine „Ich”-Orientierung und Cliquenbildung geprägt. Die Führungskraftmuss Ziele aufzeigen.

■ Die Regelphase (Norming) ist geprägt durch das Entwickeln von neuenGruppenstandards und neuen Umgangsformen, Feedback und Austausch zwi-schen den Teammitgliedern, sowie eine „Wir”-Orientierung. Die Führungskraftkoordiniert die einzelnen Aufgaben und Personen.

■ Die Arbeitsphase (Performing) ist geprägt durch Arbeitsorientierung,Flexibilität, Offenheit der Teammitglieder, Solidarität, Leistungsausrich tung undzielgerichtetes Handeln des Teams. Die Führungskraft benötigt wenig Energie,da sich das Team größtenteils selbst steuert, und gibt lediglich Globalziele(Visionen) vor.

■ Die Auflösungsphase (Adjourning) ist geprägt durch Abschied und den gegebe-nenfalls schwierigen Wechsel zurück in die Linienorganisation bzw. dieVeränderung des bestehenden Teams durch Personalwechsel in Vorbereitung desnächsten Projekts.

Abb. 1: Teamuhrwerk: Teamentwicklungsphasen, Kulturbildung und gruppendyna-misch relevante Themen.

Hierarchie verwechseln – vielmehr handelt essich um eine informelle und unbewussteVereinbarung. Zudem steht in diesem aufge-bauten und gefestigten Beziehungsgeflechtnicht mehr das Ich-Denken, sondern dasWir-Gefühl im Vordergrund. Im Teamherrscht ein Klima, das von gegenseitigemVertrauen geprägt ist, und wo die Be -reitschaft vorhanden ist, gegebenenfalls auch

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Gruppe im Handeln (Performing) beein-trächtigt wird. Ist dieser Kompromiss, dersich unter anderem in einer funktionierendenteaminternen Entscheidungs struktur äußert,vorhanden, sprechen wir von einer kon-struktiv verlaufenen Team entwicklung, inder sich die Gruppe zu einem echten Teamentwickelt hat. Die team interne Ent -scheidungsstruktur darf man nicht mit einer

■ Formierungsphase – Zugehörigkeit■ Normierungsphase – Macht■ Arbeitsphase – Intimität

Abbildung 1 zeigt ein erweitertes Modell,das die zuvor genannten Teamphasen, dieThemen der Gruppendynamik nach demRaummodell von Antons (vgl. [Ant04])und das Phänomen der Kultur in Teamsintegriert (vgl. [Bec09]).

Nach Klärung der Zugehörigkeit und dergemeinsamen Vision eines Ziels in derEntstehungsphase kommt es in derVergewisserungsphase wie in jeder Gruppezu unabdingbaren Rollenkonflikten. DieUrsache für diese Konflikte ist zum einem,dass innerhalb der Gruppe das Ich-Denkenimmer noch im Vordergrund steht. Zumanderen muss jede Gruppe zu ihrer eigenenstabilen Rollenverteilung kommen. Hierbeisind die offiziellen Rollen, wie die desProjektleiters, gewissermaßen strukturellvorgegeben. Dennoch kann es vorkommen,dass auch diese hierarchisch festgelegtenRollen hinterfragt werden. In gewisser Weisefindet in jeder Gruppe eine Rangelei um dieFührungsposition statt. Neben den offiziel-len Rollen müssen aber auch die „inoffiziel-len Rollen” besetzt werden, beispielsweiseder „Spaßmacher”, der „Kon fliktlöser”, der„Arbeiter”, der „Spezialist” und der„Ideengeber” (vgl. [Bel93]). Mehrere solcherRollen können natürlich auch von einerPerson übernommen werden. Wer welcheRolle besetzt, hängt von den individuellenEigenschaften der Mitarbeiter und derZusammensetzung der Gruppe ab.

Die Rollenbesetzung wird mehr oderweniger offen, konstruktiv oder aggressivverhandelt. Werden die Rollen relativ zügigverteilt und erweist sich die Verteilung alsstabil, ist ein wichtiger Schritt der Team -entwicklung getan. Die Rollenverteilung undeine Verständigung auf gemeinsame Werteund Normen sind das Fundament, auf demspäter eine Projektkultur entstehen kann.Diese Themen können allerdings erst dannangegangen werden, wenn alle Gruppen -mitglieder zu Beginn der Team entwicklungim „Hier und Jetzt” aktiv werden und die inder Vergangenheit liegenden Tätigkeiten undEreignisse außer Acht lassen.

In den Phasen „Vergewisserung” und„Kul turbildung” werden letztendlich Spiel -regeln für die Zusammenarbeit und dieerfolgreiche Selbstorganisation vereinbart.Wird hier kein tragfähiger Kompro misserzielt, besteht die Möglichkeit, dass die

Abb. 2: Messung der Teamzustand mittels Kontrollfragen.

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Abb. 3: Verteilung der Rollen der Umfrageteilnehmer in absoluten Zahlen(Mehrfachnennungen möglich).

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Risiken einzugehen. Zudem hat sich letz-tendlich ein echter Teamgeist entwickelt oder– wie es DeMarco und Lister bezeichnen –ein „Teamschwur” (vgl. [DeM91]).

Diagnose des Teamzustands

Der gruppendynamische Entwicklungs standeines Projektteams lässt sich mit Hilfe vonFragekatalogen ermitteln (vgl. [Bro00]).Hierbei werden Verhaltensmuster im Teamanhand verschiedener Aussagen abgefragt,die zustimmend oder ablehnend beantwortetwerden können. Abbildung 2 zeigt exempla-risch einige dieser Fragen in Zusammenhangmit der jeweiligen Team phase.

Aus der Zustimmung zu den getroffenenAussagen lässt sich ein Rückschluss daraufziehen, ob das Team die Performing-Phaseerreicht hat oder nicht. Im günstigen Fallentwickelt sich die Gruppe im Projekt -verlauf zu einem echten Team, im ungüns -tigen Fall verbleibt sie im weniger produk-tiven Zwischenzustand einer Gruppe oderzerfällt gar zu einem weitgehend arbeitsun-fähigen Haufen.

Ein Blick in die Projektrealität

Im Rahmen einer Studie der UniMagdeburg haben wir eine Online-Befragung durchgeführt, bei der insgesamt190 Projekte verschiedener Größe unter-sucht wurden (vgl. [Lin08]). Teilnehmerder Umfrage waren überwiegend erfahreneProjektmitarbeiter. 57 % der Teilnehmerhatten in mehr als zehn Projekten mitgear-beitet, 33 % in vier bis zehn Projekten. ImHinblick auf die formalen Rollen imProjekt ist eine gute Verteilung bei denBefragten gegeben (siehe Abb. 3).

In der Umfrage wurde vor allem derZusammenhangs zwischen dem Projekt -erfolg und der Team- bzw. Gruppenqualitätuntersucht. Zunächst wurde die Fragegestellt, wie der Erfolg von Projekten defi-niert ist. Innerhalb der Softwareent wicklungwird diese Frage kontrovers diskutiert:

■ Die einen sagen, dass ein Projekt dannerfolgreich ist, wenn alle zu Beginngeplanten Anforderungen im Zeit- undBudgetrahmen umgesetzt wurden.

■ Andere dagegen betrachten dieKunden zufriedenheit als wesentlichesErfolgskriterium.

Im Rahmen der Untersuchung wurde derErfolg an den Kriterien „Anforderungen”,„Zeit” und „Budget” festgemacht (sieheTabelle 1). Die Kundenzufriedenheit in agi-

len Projekten stellt sich in der Regel nurdann ein, wenn die erhobenen Anfor -derungen auch umgesetzt wurden. Das istalso ein bedeutendes Kriterium für denProjekterfolg. Der aufgestellte Klassifi -zierungs ansatz orientiert sich daher vorallem am Prozentsatz der umgesetztenAnforderungen.

Betrachtet man nun auf dieser Grundlagealle 190 Projekte, fällt die Erfolgsbilanzernüchternd aus:

■ 25 % aller Projekte sind erfolgreich.■ 43 % sind eingeschränkt erfolgreich.■ 32 % sind nicht erfolgreich.

Ein Blick auf die Erfolgsquoten der Pro jekte– aufgeschlüsselt nach der Teamgröße – zeigt,dass Projekte mit kleinen Teams deutlicherfolgreicher sind als große. Die sinkendeErfolgsquote bei größeren Projekten lässtsich vermutlich durch die schwieriger wer-dende konstruktive Kom munikation erklä-ren. Der Vorteil sehr kleiner Projekte istebenfalls offensichtlich: Wenn die Ziele klarformuliert sind und zwei oder drei Personenohne größere Störungen zusam menarbeiten,steht einem Erfolg nur wenig im Weg. Hierstellt sich die jedoch die Frage, ob man eineEntwicklungsaufgabe, die von zwei Personenbewältigt wird, noch als Projekt bezeichnen

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Projektabschluss Bedingungen

erfolgreiche Projekte Anforderungen 100 % erfüllt; Termin- und/oder Budgetüberschreitung bis maximal 20 %

eingeschränkt Anforderungen 100 % erfüllt; Termin- und/odererfolgreiche Projekte Budgetüberschreitung über 20 %

oderAnforderungen zu 80 % erfüllt;Termin- und/oder Budgetüberschreitungbis maximal 20 %

nicht erfolgreiche Projekte Anforderungen zu 80 % erfüllt; Termin- und/oder Budgetüberschreitung über 20 %oderunter 80 % der geplanten Anforderungen erfüllt oderkein verwertbares Ergebnis

Tabelle 1: Klassifizierungsansatz für den Projekterfolg in Softwareprojekten.

Abb. 4: Erfolgsquoten aufgeschlüsselt nach Ausprägung der Teammerkmale. Einedurchschnittliche Ausprägung der Teammerkmale größer als 3,5 kennzeichnet hierbeiein Team (grüne Zone in Abb. 6), Werte zwischen 3,5 und 2,5 eine Gruppe. Werteunter 2,5 entsprechen einem „zerstrittenen Haufen” (rote Zone in Abb. 6).

die weichen Faktoren einen dominierendenEinfluss auf den Projekterfolg zu haben.

Bei einer genaueren Betrachtung der ein-zelnen Teammerkmale beschränken wir unsauf Teamgrößen von vier bis acht Personen.In der Befragung wurden insgesamt 16Teammerkmale erhoben, mit denen sich die

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dert dieses Ergebnis nicht, da die Grup -pendynamik gerade bei Gruppengrößen vonvier bis acht Personen relevant ist. AusProjektsicht ist dieses Ergebnis erschreckendund ermutigend zugleich. Bei Teamgrößenvon vier bis acht Personen, die in der realenProjektwelt häufig anzutreffen sind, scheinen

kann. Zudem sind bei sehr kleinen Gruppenin der Regel keine gruppendynamischenProzesse zu beobachten. Hier ist vielmehr dieKlarheit der Ziele und Anforderungen vonentscheidender Bedeutung.

Projekte mit Teamgrößen zwischen vierund acht Personen stellen einerseits dengrößten Teil der untersuchten Projekte darund liegen andererseits im Bereich derdurchschnittlichen Erfolgsquoten, die auchmit den Ergebnissen anderer Studien wiedem Chaos-Report (vgl. [Sta09]) überein-stimmen.

Teamqualität und Projekterfolg

Gibt es einen messbaren Zusammenhangzwischen der Qualität des Teams und demProjekterfolg? Hierzu haben wir die abge-fragten Teammerkmale zu einem Mittel -wert zusammengefasst. Dieser Wert dienteder Unterscheidung zwischen Gruppen, gutfunktionierenden Teams einerseits und„Gruppen” mit besonders gering ausge-prägten Teammerkmalen andererseits.Diese „Gruppen”, die oft von Rollen -konflikten beherrscht sind und kaumarbeitsfähig sind, werden in denDiagrammen als „Haufen” bezeichnet, umeine begriffliche Abgrenzung zur arbeitsfä-higen Gruppe zu erhalten.

Die Erfolgsquote echter Teams ist fünfmalhöher als die von Gruppen mit schlechtenTeammerkmalen (siehe Abb. 4). Der Erfah -rungswert, dass ein funktionierendes Teamauch schwierige Projekte meistert, wird hiermit Zahlen unterlegt. Abbildung 5 zeigt dieErfolgsquoten zusätzlich nach Team größenaufgeschlüsselt.

Die fehlenden roten Balken in Abbildung 5bedeuten, dass keines der Projekte mitschlechteren Teammerkmalen und mehr alsvier Personen erfolgreich war. Bei Gruppenmit weniger als vier Personen bzw. großenGruppen mit mehr als acht Personen ist hin-gegen kein nennenswerter Zusammenhangzwischen Teamqualität und Projekterfolgerkennbar. Hier sind offenbar andereFaktoren, die nicht die Gruppendynamikbetreffen, für den Projekterfolg entscheidend.

Der Effekt, dass Teams gegenüber Grup -pen signifikant erfolgreicher sind, tritt offen-sichtlich vor allem bei Gruppen größen vonvier bis acht Personen auf. Hier liegt dieErfolgsquote von Teams bei ca. 63 % und beiden „Gruppen” lediglich bei ca. 15 %. Beiden „zerstrittenen Haufen” gibt es keinProjekt, das erfolgreich abgeschlossen wur-de. Aus Sicht der Team entwicklung verwun-

Abb. 5: Erfolgsquoten aufgeschlüsselt nach Ausprägung der Teammerkmale und.Teamgrößen. Eine durchschnittliche Ausprägung der Teammerkmale größer als 3,5kennzeichnet hierbei ein Team (grüne Zone in Abb. 6), Werte zwischen 3,5 und 2,5eine Gruppe. Werte unter 2,5 entsprechen einem „zerstrittenen Haufen” (rote Zone inAbb. 6).

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Abb. 6: Teamfaktoren für Projekte mittlerer Größe, aufgeschlüsselt nachProjekterfolg.

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Qualität des Projektteams feststellen lässt.Diese entsprechen den wesentlichen Inhaltender Formierungs,- Normenfindungs- undRollenfindungs prozesse und somit auch denEntwick lungsphasen. Die Teammerkmalewaren in Form von verschiedenen Aussagenformuliert, die auf einer Skala bewertet wur-den (4 = trifft vollständig zu, 1 = trifft über-haupt nicht zu). Eine starke Ausprägungaller dieser Teammerkmale ist ein Indikatordafür, dass sich die Projektgruppe konstruk-tiv zu einem Team entwickelt hat. DieAusprägung der einzelnen Teammerkmale –d. h. die Zustimmung zur jeweiligen Aussage(siehe Abb. 2) – lässt sich in einemNetzdiagramm (siehe Abb. 6) darstellen.Das ideale Team wird durch eine Kreislinieauf dem Rand des Diagramms dargestellt.Bei gut funktionierenden realen Teams lie-gen die „Kreise” in der grünen Zone,schlecht funktionierende Gruppen werdendurch kleinere Kreise in der roten Zonerepräsentiert. In Abbildung 6 sind dieTeamqualitäten der Projekte mitTeamgrößen von vier bis acht Personen auf-geschlüsselt nach Projekterfolg dargestellt.

Erfolgreiche Projekte zeigen wesentlichhöhere Werte für die Ausprägung derTeammerkmale. Die Merkmale „Entschei -dungsverantwortung klar” und „Verbind -liche Regeln zur Zusammen arbeit” weisendie größten Diskrepanzen zwischen erfol-greichen und nicht erfolgreichen Projektenauf. Diese Merkmale sind charakteristischfür den Übergang der „Vergewisserung”(Storming, Norming) in die Hand lungsphase(Performing). Besonders interessant war füruns das schlechte Ab schneiden von einge-schränkt und nicht erfolgreichen Projektenbeim Team merkmal „Verbindliche Regelnzur Zusammenarbeit”. Hier sind die Teamsin der Lage, Vereinbarungen zu treffen, umtrotz der wahrgenommenen Unterschiedeund Differenzen zwischen den Team -mitgliedern gemeinsam an der Gruppen -aufgabe zu arbeiten.

Auch die Teammerkmale „Spaß an derArbeit”, „Entscheidungen werden transpa-rent kommuniziert” und „GegenseitigeMotivation und Unterstützung” weisenerhebliche Unterschiede zwischen erfolgrei-che und nicht erfolgreichen Projekten auf.Der Synergieeffekt – im Sinne gegenseitigerMotivation und Unterstützung – ist einewichtige Voraussetzung dafür, dass dieGesamtleistung am Projektende mehr als dieSumme der Einzelleistungen darstellt. Aberauch die Weitergabe von projektrelevantenInformationen sowie die transparente

Darstellung von Entscheidungs prozessenwerden häufig als Macht instru mente miss-braucht. Daher ist es plausibel, dass dieseMerkmale in Projekten, in denen eine kon-struktive Teamentwicklung stattgefundenhat, stärker ausgeprägt sind als bei den nichterfolgreichen Projekten.

Teamqualität als Erfolgsfaktor

Erfolgreiche Projekte zeichnen sich offen-sichtlich durch gute Teams aus. Hier stelltsich die berühmte Frage, was zuerst da war– Henne oder Ei? Übertragen aufTeamqualität und Projekterfolg lauten diemöglichen Antworten:■ Eine konstruktiv verlaufende Gruppen -

dynamik lässt aus der Gruppe ein ech-tes Hochleistungsteam entstehen undermöglicht den Projekterfolg.

■ Die Teamentwicklung im Verlaufe desProjekts wird durch den sich anbah-nenden Projekterfolg befördert.

Die Antwort ist ein entschiedenes „sowohlals auch”. Die gegenseitige Wechsel -wirkung der Teamentwicklung mit demsich anbahnenden Erfolg ist sicher vorhan-den. Trotz der „Henne-Ei”-Problematiklässt sich dennoch eine plausible Ursachen-Wirkungs-Kette formulieren:

■ Aus einem Grundbedürfnis der Men -schen entwickelt sich in jeder Gruppeeine Gruppendynamik. Das geschiehtauch in Projektgruppen.

■ Ein Projekt bietet Rahmenbedin -gungen, mit denen sich diese Dynamikbeeinflussen lässt. So sind zum Beispieldie Projektziele eine erste Möglichkeit,sich mit der Gruppe zu identifizieren.

■ Aus der Projektgruppe wird erst dannein funktionierendes Team, wenn eineRollenverteilung und wichtige Gruppe -n normen verhandelt und Kompromissegefunden wurden.

■ Die gemeinsam gefundenen Normenstellen das Fundament einer Gruppen-bzw. Projektkultur dar. Jedes Projektentwickelt seine eigene Kultur.

■ Eine Projektkultur vermittelt ein Gefühlvon Heimat – so kann Ver trauen wach-sen. Das ist die Voraussetzung für einekooperative und unterstützende Zusam -menarbeit, die ein Team zu mehr als derSumme der Einzelnen werden lässt.

Diese Wirkungskette kann als Leitfaden fürein teamorientiertes Projektmanagementbzw. den Einsatz von Praktiken, die die

Teamqualität fördern, verstanden werden.Im Prinzip gilt diese Wirkungskette unab-hängig von den eingesetzten Management -techniken und -methoden.

Ja zum Team, nein zur Gruppe

Die geschilderte Untersuchung vonSoftwareentwicklungsprojekten zeigt, dassein ausgeprägter Zusammenhang zwischenTeamqualität und Projekterfolg besteht.Zusammenfassend lässt sich festhalten: Jekonstruktiver die gruppendynamischeTeamentwicklung verläuft, desto bessere

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Literatur & Links

[Ant04] K. Antons, A. Amann, G. Clausen, O.König, K. Schattenhofer, Gruppenprozesse ver-stehen: Gruppen dynamische Forschung undPraxis, VS Verlag für Sozialwissenschaften2004[Bec09] C. Becker, E. Huber, Entstehung vonProjekt- und Teamkulturen und ihr Einfluss aufden Projekterfolg in: Projekte alsKulturerlebnis, dpunkt.verlag 2009[Bel93] R. Belbin, R. Meredith Team Roles atWork, Butterworth-Heinemann 1993[Bro00] C. Felix, N.A. Brodbeck, M. West,Teamklima-Inventur, Hofgrefe Verlag fürPsychologie 2000[DeM91] T. DeMarco, T.R. Lister, Wien war-tet auf Dich!, Hanser 1991[Fra06] D. Francis, D. Young, Mehr Erfolg imTeam, Windmühle 2006[Kön07] O. König, K. Schattenhofer,Einführung in die Gruppendynamik, Carl-Auer-Verl. 2007[Lin08] S. Lindenhahn, S. Günther, E. Huber,Einfluss agiler Praktiken auf Teammerkmale undErfolg von Soft ware entwick lungs projekten,Technical Report der Uni Magdeburg 2008[pen] Online Befragung Projekte, siehe:http://umfrage.pentaeder.de[Sta07] E. Stahl, Dynamik in Gruppen:Handbuch der Gruppenleitung, BeltzPsychologie Verlags Union 2007[Sta09] The Standish Group Inter nationalInc., The Chaos Report, Boston,Massachusetts, 2009[Tsc97] V. Tschuschke, Gruppen ent wicklung– unverzichtbar für gruppentherapeutischeEffekte?, in: W. Langen thaler, G. Schiepek(Hrsg.), Selbst organisation und Dynamik inGruppen, Lit-Verlag 1997[Tuc65] B.W. Tuckman, DevelopmentalSequence in Small Groups, PsychologicalBulletin, vol. 63, 1965[Wik] Wikipedia, Teamentwicklung, siehe:de.wikipedia/wiki/Teamentwicklung

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gesichts der seit Jahren gleichbleibendgeringen Erfolgsquoten von Projekteneröffnet sich hier eine neue Perspektive fürein teamorientiertes Projektmanagement.

Es bleiben aber noch Fragen offen:

■ Welche Rollen spielen z. B. Kommuni -kation und die räumliche Verteilungvon Teams?

Erfolgsaussichten hat das Projekt. Ins -besondere bei Teamgrößen von vier bisacht Personen scheint die Teamqualität einentscheidender Erfolgsfaktor zu sein. DasPotenzial eines guten Teams lässt sich dem-nach in Projekten nutzbar machen, wenndie Entwicklung der Gruppe zum Teamnicht dem Zufall überlassen, sondern durchdie Projektleitung gefördert wird. An -

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■ Wie wirken sich Führungsstil und ver-schiedene Projektmanagement-Metho -den auf die Teamqualität aus?

Diese und weitere Fragen sind Gegenstandeiner bereits geplanten Nachfolge-Unter -suchung (vgl. [pen]). ■