Alfreds letzter Wille

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8/8/2019 Alfreds letzter Wille http://slidepdf.com/reader/full/alfreds-letzter-wille 1/11 Alfreds letzter Wille (Wie der Junggeselle Alfred Lebelang seine verlogenen Erben reingelegt hat) Bühnenstück Autor: Hans Georg Kraus Aufführungsform: Einakter Spielzeit: ca. 25 Minuten Altersstufe: ab 9. Schuljahr Rollen und Typenbeschreibungen: Ottilie Lebelang (Schwester des Verstorbenen, nicht sehr attraktiv, unmodern gekleidet, verklemmt, weltfremd, frömmlich und alleinstehend) Gerda Knorr, geb. Lebelang (Schwester des Verstorbenen, Ehefrau von Ludwig Knorr, schnippisch, herrschsüchtig, nörgelt oft an ihren Kindern herum, materialistisch eingestellt) Ludwig Knorr (schüchtern, Pantoffelheld) Berta Wendel, geb. Lebelang (Schwester des Verstobenen, Ehefrau von Theo Wendel, modische Erscheinung, gibt sich vornehm, wirkt hochnäsig, etwas streitsüchtig) Theo Wendel (Kleinigkeitskrämer, Besserwisser) Herbert Lebelang (Bruder des Verstorbenen, Junggeselle, locker, lässig gekleidet, geht seine eigenen Wege, lebt nach seinem eigenen Stil) Steffi Knorr (9) und Anja Knorr (12) (Töchter von Ludwig und Gerda Knorr, aufrichtig, natürlich und ungezwungen) Willi Wendel (16) und Ruth Wendel (14) (Kinder von Theo und Berta Wendel, aufrichtig, natürlich und ungezwungen) Dr. Dickmann (Notar, ehemaliger Freund des Verstorbenen) Frau Jensen (Dr. Dickmanns Sekretärin) Spielszene (Frau Jensen führt die Familie Knorr in das Büro des Notars Dr. Dickmann) Frau Jensen: Wenn Sie inzwischen schon Platz nehmen wollen! Herr Dr. Dickmann ist noch in einer Besprechung. (Ludwig, Gerda, Anja und Steffi nehmen in der Sitzgruppe Platz.) Gerda: Danke, Fräuleinchen! Aber sagen Sie, wir waren doch für jetzt bestellt! Ludwig: So lange wird ´s ja nicht dauern, Gerda. Gerda: Wozu werden denn überhaupt Termine gemacht? Wenn du um 12 nach Hause kommst, kann ich auch nicht mehr Kartoffeln schälen. Frau Jensen: Sie müssen schon entschuldigen. Aber es wird bestimmt nicht mehr lange dauern.

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Alfreds letzter Wille(Wie der Junggeselle Alfred Lebelang seine verlogenen Erben reingelegt hat)

Bühnenstück Autor: Hans Georg Kraus

Aufführungsform: Einakter

Spielzeit: ca. 25 Minuten

Altersstufe: ab 9. Schuljahr

Rollen und Typenbeschreibungen:

Ottilie Lebelang (Schwester des Verstorbenen, nicht sehr attraktiv, unmodern gekleidet,verklemmt, weltfremd, frömmlich und alleinstehend)Gerda Knorr, geb. Lebelang (Schwester des Verstorbenen, Ehefrau von Ludwig Knorr,schnippisch, herrschsüchtig, nörgelt oft an ihren Kindern herum, materialistisch eingestellt)Ludwig Knorr (schüchtern, Pantoffelheld)Berta Wendel, geb. Lebelang (Schwester des Verstobenen, Ehefrau von Theo Wendel,modische Erscheinung, gibt sich vornehm, wirkt hochnäsig, etwas streitsüchtig)Theo Wendel (Kleinigkeitskrämer, Besserwisser)Herbert Lebelang (Bruder des Verstorbenen, Junggeselle, locker, lässig gekleidet, geht seineeigenen Wege, lebt nach seinem eigenen Stil)

Steffi Knorr (9) und Anja Knorr (12) (Töchter von Ludwig und Gerda Knorr, aufrichtig,natürlich und ungezwungen)Willi Wendel (16) und Ruth Wendel (14) (Kinder von Theo und Berta Wendel, aufrichtig,natürlich und ungezwungen)Dr. Dickmann (Notar, ehemaliger Freund des Verstorbenen)Frau Jensen (Dr. Dickmanns Sekretärin)

Spielszene

(Frau Jensen führt die Familie Knorr in das Büro des Notars Dr. Dickmann)Frau Jensen:

Wenn Sie inzwischen schon Platz nehmen wollen! Herr Dr. Dickmann ist noch in einer Besprechung.(Ludwig, Gerda, Anja und Steffi nehmen in der Sitzgruppe Platz.)Gerda:

Danke, Fräuleinchen! Aber sagen Sie, wir waren doch für jetzt bestellt!Ludwig:

So lange wird ´s ja nicht dauern, Gerda.Gerda:

Wozu werden denn überhaupt Termine gemacht? Wenn du um 12 nach Hause kommst, kannich auch nicht mehr Kartoffeln schälen.Frau Jensen:

Sie müssen schon entschuldigen. Aber es wird bestimmt nicht mehr lange dauern.

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Gerda:

Das will ich auch hoffen!Frau Jensen:

Bitte entschuldigen Sie mich jetzt! Ich muss noch die Testamentsunterlagen Ihresverstorbenen Bruders bereitlegen.

Steffi:Mama, kriegen wir denn jetzt Onkel Alfreds Auto?(Frau Jensen dreht sich im Hinausgehen noch einmal entsetzt um.)Gerda:

Steffi! Ich habe dir doch ausdrücklich verboten, über die Sachen zu sprechen, über die Papaund Mama sich unterhalten haben.Anja:

Aber ihr habt doch immer gesagt, dass ihr euch Onkel Alfreds Benz an Land ziehen wollt, jetzt wo er den Löffel abgegeben hat.Gerda:

Ludwig! Sag du jetzt mal was!

Ludwig:Kinder, hört, was Mama sagt! Kein Wort mehr über Onkel Alfreds SLK!(Die Tür zum Büro öffnet sich langsam.)Gerda:

So, Kinder, ihr seid jetzt mucksmäuschenstill!(Frau Jensen führt Ottilie herein.)Frau Jensen:

Bitte schön, Frau Lebelang, nehmen Sie doch Platz!Ottilie:

Danke schön!(Ottilie setzt sich neben Gerda und Ludwig.)Frau Jensen:

Herr Dr. Dickmann wird gleich so weit sein.(Frau Jensen verlässt wieder den Raum.)Ottilie:

Tag Gerda, Tag Ludwig! Schrecklich, dieser Anlass, nicht wahr?Anja:

Tante Otti, kannst du Auto fahren?Ottilie:

 Nein, mein Kind! Wieso?Steffi:

Dann könntest du ja auch nichts mit Onkel Alfreds Benz anfangen.Gerda:

Steffi, was habe ich gesagt?!Steffi:

Ich hab´ doch gar nicht gesagt, dass wir den kriegen.Ottilie:

Dann wisst ihr also schon, was ihr kriegt?Ludwig:

 Nein, nein, wir sind selbst sehr gespannt.Gerda:

Aber zustehen würde uns schon ein schöner Batzen. Wir haben uns doch wohl am meisten um

Alfred gekümmert.Ottilie:

Das wusste ich ja gar nicht.

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Gerda:

Doch, doch! Aber man hängt ja nicht alles an die große Glocke.Ottilie:

 Nein, nein! Der arme Alfred! Was hat er schon vom Leben gehabt?Ludwig:

 Ne ganze Menge! Konnte machen, was er wollte.Gerda: Du etwa nicht?!Ludwig:

Ja, ... eigentlich, ... aber ... Auf jeden Fall hat er unheimlich viel erlebt.Ottilie:

Erzähl mal, Ludwig! Ich hab´ ja von allem gar nichts mitgekriegt.Gerda:

 Na, geschluckt hat er! Und Frauenbekanntschaften und so!Ottilie:

Ja? Er war doch gar nicht verheiratet.

Ludwig:Eben drum! Um Alfred braucht keiner zu trauern. Der hat in den paar Jahren mehr erlebt alsandere mit hundert.Ottilie:

Aber dann dieses tragische Ende!Gerda:

Musste sich ja nicht übernehmen, dieser verrückte Kerl. Gleichzeitig mit fünf WeibsbildernRock ´n Roll zu tanzen! Das hätte mein Ludwig auch nicht ausgehalten.Ludwig:

Das hättest du auch gar nicht erst zugelassen.Ottilie:

 Nein! Dass er so sündig von uns gehen musste!Ludwig:

Sündig? Nee, Otti! Er hat einfach seinen Spaß gehabt. Rock ´n Roll – bums – aus!(Frau Jensen führt Theo, Berta, Willi und Ruth Wendel ins Büro.)Frau Jensen:

Bitte schön! Nehmen Sie doch bitte Platz! Herr Dr. Dickmann wird gleich so weit sein.(Theo und Berta setzen sich möglichst weit von Ludwig und Gerda weg. Willi und Ruthstellen sich zu Anja und Steffi.)Steffi:

Hallo, Ruth! Schade, dass Onkel Alfred tot ist, nicht?

Ruth:Jo, war eigentlich ´n Supertyp.Willi:

(zu Anja) Mensch, was war das Klasse, als wir letztes Jahr mit ihm in der Westfalenhalle beim Rockkonzert waren!Anja:

Und was war der gut drauf, damals!Ruth:

Eigentlich hätten wir ihn öfter mal besuchen müssen, wir Nichten und Neffen.Willi:

Das ja, aber er war ja dauernd unterwegs.

Anja:Mir tut ´s unheimlich leid, dass er nicht mehr da ist. Der hatte noch mehr Power als manche inunserem Alter.

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Berta:

Was meinst du mit Power, Anja?Anja:

Alfred hatte immer Action. Der war halt nicht so ´ne tote Hose wie die meisten Erwachsenen.Der konnte auch mal flippig sein.

Berta:Da magst du ja Recht haben, Anja. Aber der hatte auch Zeit und das nötige Geld für so was.Willi:

Dazu braucht man nicht unbedingt Geld, Mutter.Ruth:

Und vor allem finde ich gut, dass er mit dem Geld das gemacht hat, wofür es da ist. Er hat ´seben ausgegeben, hat eben von seinem Lottogewinn gelebt .Ottilie:

War Alfred wirklich so? Nein, wenn ich das nur gewusst hätte! Ich hätte ihn vielleicht nochzur Vernunft gebracht. Irgendwann wär das Geld weg gewesen.Ludwig:

Du wirst es kaum glauben, Otti, aber es ist immer mehr geworden. Was hat der damals einSchwein gehabt mit den Telekom-Aktien. Dem lief das Glück einfach nach. Vielleicht weil er es nicht erzwingen wollte.Willi:

So clever war der eben. Einmal dicke Knete gemacht, und dann wieder ein paar JahreHeidewitzka! Andere hätten wieder geschachert und gescharrt und gerafft.Theo:

Andere haben auch Verantwortung zu tragen, für die Familie zum Beispiel. Onkel Alfredkonnte es sich erlauben, durch die Weltgeschichte zu düsen.Berta:

Und wenn er ein bisschen Familiensinn gehabt hätte, hätte er uns auch mal einen Urlaubfinanzieren können.Ruth:

Hast du ihn denn mal darum gebeten?Berta:

Eher hätte ich mir die Zunge abgebissen.Willi:

Siehste! Alfred hätte das aber gemacht, wenn ihr ihn nur mal gefragt hättet.Ruth:

So sehe ich das auch. Der hätte sein letztes Hemd weggegeben.Anja:

Für uns Kinder hat er auf jeden Fall alles getan und ist überall mit uns hingefahren. Nur ...fragen mussten wir schon.(Frau Jensen führt Herbert ins Büro.)Frau Jensen:

Kommen Sie bitte mit durch! Ihre Verwandten sind schon alle da. (zu allen) Wenn ich Sienoch um etwas Geduld bitten dürfte, Herr Dr. Dickmann bemüht sich, so schnell wie möglichhier zu sein.(Frau Jensen verlässt wieder das Büro.)Herbert:

Tag, alle! Wie geht ´s? Wie steht ´s?Gerda:

Meinst du, das wäre der richtige Ton bei so einem traurigen Anlass?

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Herbert:

Der Alfred kommt auch nicht zurück; wenn ich so ein langes Gesicht ziehe wie ihr. Man musseinfach den Realitäten ins Auge sehen. Das sähe Alfred bestimmt nicht gerne, dass ihr hier wie die Trauerklöße herumsitzt. Und im Übrigen weiß ich eh nicht, was ich hier soll. Auf Erben und so was bin ich nicht so scharf.

Gerda:Du könntest sowieso keine Ansprüche stellen. Was hast du schon für Alfred getan? Er war zwar dein Bruder, aber davon hat man kaum etwas gemerkt.Herbert:

Da hat man bei dir und Berta auch lange Zeit wenig von gemerkt. An Alfred habt ihr euchdoch erst wieder erinnert, als ihr von seinem Lottogewinn gehört habt. Da hattet ihr auf einmal sogar Verständnis für seine Eskapaden. Da war das auf einmal alles nicht mehr soschlimm.Theo:

Das ist aber eine böswillige Unterstellung, mein lieber Schwager!Berta:

Wer hat denn die ganze Familie auseinander getrieben? Das warst du doch wohl. Du hast unsdoch bei Alfred immer schlecht gemacht.Herbert:

Das ist mir aber ganz neu. Ich habe also Unfrieden gestiftet, weil ich oft mit Alfred unterwegswar und er keine Zeit mehr für euch hatte? Vielleicht hatte er ja damals einfach gar keineLust, euren lieben Kleinen Legosteine und Playmobil mitzubringen.Ottilie:

 Nun streitet euch doch nicht, ihr Lieben! Macht euch lieber Gedanken um seine arme Seele!Gerda:

Du hast völlig Recht, Ottilie. Wir sollten Alfreds und Herberts Lebenswandel hier nicht weiter diskutieren. Das wäre zu pietätlos.Herbert:

Über meinen Lebenswandel können wir ruhig reden. Da stehe ich zu. Dann sollten wir aber auch mal eure innige Liebe zu Alfred hinterfragen, was da so hinter steckt, ob da wirklichalles Gold ist, was glänzt. Mir sind jedenfalls 10 komische Heilige lieber als einScheinheiliger. Hört mal, Steffi, Anja, Willi und Ruth, mir wird das zu blöd hier. Geht ihr mitraus ´ne Cola trinken?Ruth:

 Nicht schlecht! Lasst doch die Erwachsenen die Erbgeschichte allein bequaken. Am liebstenwäre mir, es gäbe gar nichts zu erben.Theo:

Ruth, Willi! Ihr bleibt hier! Es war Onkel Alfreds letzter Wille, dass wir uns alle hier versammeln. Und wenn nur einer nicht da ist, ist vielleicht das Testament rechtsungültig.Ludwig:

Steffi und Anja, bleibt bitte auch hier! Es geht mir zwar nicht um das Erbe, sondern es ist eineFrage des Anstandes.Berta:

Ach, nein! Wie edel ... und bescheiden! Ludwig will überhaupt nichts von allem haben.Gerda:

Das stimmt! Wir reißen uns um nichts. Soll doch den Mercedes und das Haus kriegen, wer will! Aber wenn Alfred nur einen Funken Anstand hatte, wird er schon an uns gedacht haben.Herbert:

 Na, ja, aufgedrängt habt ihr euch in letzter Zeit ja genug. Und wenn Alfred nur einen FunkenVerstand hatte, hat er euch durchschaut. Das tat ja schon weh, wie ihr euch angebiedert habtund wie ihr gekrochen seid, wie ihr euch so liebevoll um Alfred gekümmert habt.

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Anja:

Jetzt tust du uns aber Unrecht, Onkel Herbert.Herbert:

Euch Kinder meine ich ja gar nicht.Willi:

Das kam aber so rüber, weil wir ja auch oft mit Alfred unterwegs waren.Herbert:

 Nein, so war das nicht gemeint. Was meinst du denn, warum Alfred euch so oft irgendwohinmitgenommen hat, na?Steffi:

Mir kommt da eine Idee. Meinst du, damit die Erwachsenen ihm nicht auf den Keks gehenkonnten?Herbert:

So hab ich ´s empfunden. Und außerdem hatte er zu euch Kindern immer einen guten Draht,weil ihr immer ehrlich zu ihm wart.Ottilie:

Herbert, wollen wir dieses Gespräch nicht beenden? Ich finde es unwürdig, dass wir uns zudiesem traurigen Anlass so unschöne Dinge sagen. Es reicht doch schon, dass sich die ganzeStadt darüber unterhält, wie Alfred von uns gegangen ist, ... so unmoralisch, ... sounanständig!Ruth:

 Nun lass mal, Tante Ottilie! Für manchen wäre es ganz gut, wenn er etwas von Onkel Alfredmit hätte.Ottilie:

Siehst du, Berta, da macht sich der schlechte Einfluss schon bemerkbar.(Ruth springt wütend auf und fährt Ottilie an, wendet sich dann aber an alle.)Ruth:

Jetzt reicht ´s langsam! Nur weil Alfred nicht so verklemmt und träge war wie ihr, soll er einschlechter Mensch gewesen sein? Guckt euch doch an, wie ihr hier rum hockt! Ziehtscheinheilig über jemanden her, der sich nicht mehr wehren kann, und lauert wie die Aasgeier nur darauf, dass der Notar hier rein schneit und euch ein paar Scheinchen in den Rachenschmeißt! Ihr solltet euch schämen, nicht Alfred!Gerda:

 Nun beruhige dich doch, Ruth! Wenn der Herr Notar jetzt hier rein kommt, was soll er dennvon uns allen denken?Willi:

Das ist immer eure größte Sorge! Nach außen hin immer die lieben Verwandten! Nur nicht ins

Gerede kommen! Immer auf die Leute hören!Theo:

Willi, dieses Urteil steht dir nicht zu. Du bist jetzt ruhig!Anja:

Aber Recht hat Willi!Ludwig:

Fängst du jetzt auch noch an?Anja:

Stimmt doch auch, was Willi sagt! Onkel Alfred hat uns mal erzählt, dass er sich immer einenJux daraus machte, wenn sich die Leute über ihn das Maul zerrissen. Da stand der docheinfach drüber. Vor allem so übertrieben freundliche Leute konnte er nicht ab, die hinter 

seinem Rücken die dicksten Backen über ihn hatten. ...Herbert:

... Und Leute, die etwas von ihm abstauben wollten, so wie ihr jetzt.

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Gerda:

Sag mal, Ludwig, müssen wir uns das noch länger anhören? Sag doch mal was!Ludwig:

 Nee, dann gehen wir einfach.Gerda:

Bist du denn verrückt! Soll ich als Schwester auf alles verzichten?Berta:

Ei, sieh mal an! Gerade ging es Ludwig noch nur um den Anstand.Gerda:

Warum seid ihr denn gekommen? Ihr spekuliert doch schon auf das Haus.Berta:

Puh! Das haben wir gar nicht nötig. Das einzig Schöne im Haus ist doch sowieso nur dieKellerbar. Und da hätten wir ja keine Verwendung für. Alles andere ist doch total verwohnt.Der Wagen allerdings, den wird er uns bestimmt zugedacht haben.Steffi:

Mama; hast du nicht gesagt, dass wir den kriegen?

Gerda: Nein, Steffi! Ich habe nur gesagt, dass er uns eigentlich zusteht.Herbert:

Kann dein Mann diese Rakete überhaupt verarbeiten? Der ist doch froh, wenn er seinen Golf gezügelt kriegt.Ludwig:

Man muss ja nicht so ein Lebemann sein wie du, um einen Daimler fahren zu können.Ruth:

(zu Anja) Das geht mir langsam auf den Geist! Nur Klamotten, Knete und der blöde Benz!Hoffentlich ist das Testament nicht so lang. Ich muss nämlich noch Englisch machen.(Dr. Dickmann betritt den Raum.)Dr. Dickmann:

Guten Tag! Bitte behalten Sie Platz! Ich muss mich für meine Verspätung bei Ihnenentschuldigen und darf Ihnen mein Mitgefühl zum Tode Ihres Bruders und Schwagersaussprechen.Alle:

(gleichzeitig) Danke / Danke schön.Dr. Dickmann:

Der verstorbene Alfred Lebelang hat mich vor einem Jahr beauftragt, seine Testamentnotariell zu beurkunden und es nach seinem Ableben zu eröffnen und in seinem Sinne zuvollstrecken. Das Testament befindet sich in diesem Umschlag. Bitte überzeugen Sie sich

davon, dass das Siegel noch unversehrt ist!(Die Anwesenden schauen sich den Umschlag an. Dr. Dickmann öffnet den Umschlag.)Ich stelle fest, dass alle Erbberechtigten meiner Einladung gefolgt sind. Ich lese Ihnen dasTestament vor und bitte Sie, mich jederzeit zu unterbrechen, wenn Sie etwas nicht verstandenhaben oder irgendwelche Einwände haben. Also: Testament! Ihr lieben Verwandten, wenn ihr diese meine Worte hört, bin ich nicht mehr unter euch. Hört bitte dem Herrn Notar aufmerksam zu und verlasst den Raum nicht, bevor er das Testament zu Ende gelesen hat.Wer den Raum verlässt, verzichtet damit auf seinen Erbteil, den ich ihm zugedacht habe. Ich,Alfred Lebelang, verfüge im Vollbesitz meiner körperlichen und geistigen Kräfte in freier Entscheidung wie folgt: Im Falle meines Ablebens vermache ich meiner lieben Schwester Ottilie mein Auto, das ich derzeit besitze, mit der Auflage, den Führerschein zu erwerben und

 jährlich dreimal mit meinen Nichten und Neffen eine Rockveranstaltung zu besuchen,

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Ottilie:

 Nein! Nein! Nein! Dafür bin ich mir zu schade. Ich in einer Rockveranstaltung! Dass er so einunflätiges Ekel war! Ich bin empört! Bitte entschuldigt mich! Ich gehe! Auf Wiedersehen,Herr Dr. Dickmann!Dr. Dickmann:

Auf Wiedersehen, Frau Lebelang!(Ottilie Lebelang verlässt wütend den Raum.)So, ich fahre fort: Meiner Schwester Gerda vermache ich mein komplettes Schlafzimmer. Esist noch gut erhalten, da ich sehr oft unterwegs war.Gerda:

Was? Ich höre wohl nicht recht! Diese Billig-Möbel aus dem Selbstabholer-Markt kann er irgendwelchen Asozialen vermachen. Wer bin ich denn überhaupt! Ludwig, gehst du mit?Ludwig:

 Noch nicht, Gerda. Das interessiert mich.Gerda:

Ich tu mir diese Provokationen nicht länger an. Ich warte draußen. Wiedersehen!

Dr. Dickmann:Auf Wiedersehen, Frau Knorr!(Gerda verlässt den Raum.)Machen wir weiter: Meinem Schwager Ludwig vermache ich mein ganzes Tafelsilber. Es istzwar nicht mehrt vollzählig, aber für eine vierköpfige Familie reicht es noch aus.Ludwig:

Jetzt reicht ´s mir aber! Dem sind wohl alle Birnen durchgebrannt! Macht ´s gut!Wiedersehen, Herr Dr. Dickmann!Dr. Dickmann:

Ja, ... aber, ... Sie haben doch gerade gehört ...Ludwig:

Interessiert mich nicht! Steffi, Anja! Los, kommt mit!Steffi:

Och, Papa! Lass uns doch noch einen Moment bleiben, Papa! Das ist doch so interessant.Ludwig:

Aber in zehn Minuten fahre ich los!(Ludwig verlässt den Raum.)Dr. Dickmann:

Ich fahre fort: Meinen Nichten Anja und Steffi vermache ich meinen Graupapagei Felix mitVogelkäfig und allem Zubehör mit der Auflage, Felix gut zu behandeln und regelmäßig zufüttern, bis er vor Altersschwäche von der Stange fällt.

(Anja und Steffi springen auf, jubeln und umarmen sich.)Ich lese weiter: Da ich schon bei den Kindern bin, jetzt zu Willi und Ruth Wendel. Willi bekommt meine Taschenuhr, die ich in Las Vegas gewonnen habe. Für Ruth habe ich langeüberlegt. Weil sie oft verrückt spielt und so niedlich ausflippen kann, soll sie alle meineKarnevalskostüme haben, die ich verwahrt habe. Es dürften an die 12 Kostüme sein.Ruth:

(zu Theo) Super! Das sind ganz tolle Dinger. Da hat er ganz schön für geblecht.Theo:

Karnevalskostüme! So ´n Schmarren! Da freust du dich drüber? Was sind die denn schonwert?Ruth:

Mensch, Papa! Die musst du mal sehen! Eins toller als das andere! Das sind Kunstwerke!Theo:

Wenn du meinst!

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Dr. Dickmann:

Wir sind gleich fertig. Weiter im Text! Meiner Schwester Berta vermache ich meinen Video-Recorder. Aber Achtung, Berta! Die Stop-Taste klemmt ein wenig. Dann musst du etwas auf die Vorlauf-Taste und gleichzeitig auf Pausen-Taste drücken. Sonst ist er noch tip-top.Berta:

Der wusste genau, dass wir uns letztes Jahr ein neues Gerät gekauft haben. Ich will denSchrott nicht! (zu Dr. Dickmann) Das Gerät können Sie meinetwegen in irgendeineAsylantenunterkunft geben.Dr. Dickmann:

Bevor wir darüber reden, lese ich erst zu Ende. Meinem Schwager Theo Wendel vermacheich meine Werkzeuge aus dem Hobby-Keller.Theo:

Möchte wissen, was ich damit soll! Ich verzichte! Veralbern kann ich mich selber! Der wussteganz genau, dass ich als Akademiker handwerklich nicht sehr geschickt bin.Anja:

Mensch, Steffi! Die zehn Minuten sind bald um. Wir müssen los, sonst müssen wir den

ganzen Weg zu Fuß laufen.Steffi:

Ja, und Felix?Anja:

Weiß ich auch nicht, aber wir müssen gehen! Herr Dr. Dickmann, wie ist das denn jetzt mitdem Papagei?Dr. Dickmann:

Du hast es doch gehört. Wer vorzeitig geht, verzichtet.Steffi:

So was Blödes! Ich könnte die beiden Alten auf den Mond schießen!Anja:

 Nun, komm schon! Red´ nicht so viel!Steffi und Anja:

Wiedersehen!(Steffi und Anja verlassen eilig den Raum.)Theo:

Komm, Berta, wir schließen uns gleich an!Berta:

Das ist das Gescheiteste. Wiedersehen, Herr Notar!Theo:

Auf Wiedersehen, Herr Doktor!

Dr. Dickmann:Auf Wiedersehen, die Herrschaften!(Theo und Berta verlassen den Raum.)Ich lese noch den Rest vor: Meinem Bruder Herbert vermache ich den Inhalt meinesWeinkellers. Ich nehme an, dass ihm am meisten damit gedient ist.Herbert:

 Nett von dir, Alfred. Aber im Interesse meiner Leber muss ich leider verzichten. Ich hab ´s inden letzten Jahren zu sehr übertrieben. Ich darf mich dann auch verabschieden.Willi:

Warte, Onkel Herbert! Ich gehe mit. Was soll ich mit der blöden Uhr? Wiedersehen!Herbert:

Tschüss!Dr. Dickmann:

Ja, tschüss! Wiedersehen!

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(Herbert und Willi verlassen gemeinsam den Raum.)Dann lese ich dir alleine den Rest vor: Liebe Verwandten! So, wie ich euren edlen undaufrichtigen Charakter einschätze, werdet ihr nicht mehr sehr zahlreich hier sitzen. Aber ichhatte ja zu Beginn des Testamentes darum gebeten, dass alle bis zum Schluss bleiben. Jeder hat also seine Chance gehabt. Wer bereits gegangen ist, hat verzichtet. Ich komme jetzt zum

Wesentlichen. Alle Gegenstände, auf die die anderen verzichtet haben, werden unter den nochAnwesenden aufgeteilt.Ruth:

Halt, Herr Doktor, das verstehe ich jetzt nicht. Könnten Sie mir das noch mal erklären?Dr. Dickmann:

Es ist so, dass du allein jetzt alles bekommst, was ich bisher vorgelesen habe, vom Mercedes bis zum Weinkeller.Ruth:

 Nein! Ich werd´ verrückt! Ich hab´ einen Mercedes und ´n Papagei! Ich könnte Sie küssen!Dr. Dickmann:

Später, später! Es kommt noch was. Hör bitte genau zu! Ebenso wird unter den noch

Anwesenden Erbberechtigten aufgeteilt: erstens mein komplettes Barvermögen in Höhe vonca. 400000 Euro ...Ruth:

 Nein, das kann doch alles gar nicht wahr sein!Dr. Dickmann:

... zweitens meine verbliebenen Telekom-Aktien und drittens mein Haus mit Grundstück.Ruth:

Und das soll alles jetzt mir gehören?Dr. Dickmann:

Siehst du hier sonst noch jemanden?Ruth:

Könnten Sie mir mal einen an die Backe hauen!Dr. Dickmann:

Wieso denn das?Ruth:

Damit ich wieder aufwache! Das kann doch nur ein schöner Traum sein! So was gibt ´s dochnur im Fernsehen!Dr. Dickmann:

Du kannst mir schon glauben: Du befindest dich in der realen Wirklichkeit! Aber lass michnoch zu Ende lesen. Und vor allem: Lauf jetzt um Himmels Willen nicht weg!Ruth:

Ich? Jetzt? Weglaufen? Ich hab´ Pudding in den Knien.Dr. Dickmann:

Also weiter:Sollten unter den Anwesenden noch Minderjährige sein, beauftrage ich Herrn Dr. Dickmannmit der Verwaltung ihrer Erbteile mit der Auflage, alle Werte möglichst gewinnbringend undrisikolos anzulegen. Das Honorar für Herrn Dr. Dickmann habe ich schon zu Lebzeiten imVoraus bezahlt. Ort, Datum, Unterschrift, Beglaubigung, Stempel et cetera p.p. Wenn du mitallem einverstanden bist, brauchst du hier nur zu unterschreiben. Hier ist ein Kugelschreiber.(Ruth unterschreibt völlig nervös mit zittriger Hand.)Ganz im Vertrauen, Ruth, Alfred war einer meiner besten Freunde. Und er hat mir schon vor einem Jahr ziemlich treffend geschildert, wie das Ganze hier heute ablaufen würde. Auch

meine Verspätung gehörte zu Alfreds Plan, obwohl nichts davon im Testament steht. Darumhatte er mich als Freund ganz privat gebeten. Er war sich auch fast sicher, dass du als einzigeübrig bleiben würdest. Er muss dich wohl sehr gern gehabt haben.

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Ruth:

Ich ihn auch! Aber dass er die anderen so reingelegt hat!Dr. Dickmann:

Die haben ´s auch wohl nicht anders verdient. Ich gratuliere dir jedenfalls. Über dieEinzelheiten reden wir später. Einverstanden?

Ruth: Natürlich! Und vielen Dank noch mal! Ach übrigens, was wäre denn passiert, wenn ich auchgegangen wäre?Dr. Dickmann:

Für den Fall habe ich noch einen zweiten Umschlag, den ich jetzt aber ungeöffnet vernichtenmuss. Das habe ich Alfred versprechen müssen. (ruft) Frau Jensen!(Frau Jensen betritt das Büro.)Frau Jensen:

Sie haben mich gerufen, Herr Doktor?Dr. Dickmann:

Ja, habe ich. Würden Sie sich etwas um Ruth kümmern! Sie ist in einer Stimmung zwischen

Ohnmacht und Schlafwandeln.Frau Jensen:

Ja, gern, aber ... ich habe noch einiges zu tun. Ich muss zum Beispiel noch ...Dr. Dickmann:

... den Computer ausschalten und mit Ruth ins Café gehen, damit sie sich beruhigt.Frau Jensen:

Ja, ... aber ... ich hab´ doch keinen Urlaub mehr.Dr. Dickmann.

Wer spricht denn von Urlaub? Das ist Dienst für Sie. Die Rechnung geht an mich. Klar?Frau Jensen:

Prima! So, Ruth, wo gehen wir hin?Ruth:

Lassen Sie uns erst mal rausgehen. Ich brauche zuerst mal frische Luft.Frau Jensen:

In Ordnung. Geh´n wir!Ruth:

(zu Dr. Dickmann) Nochmals vielen Dank! Tschüss!Dr. Dickmann:

Viel Spaß!(Frau Jensen begleitet Ruth hinaus. Dr. Dickmann schaut ihnen grinsend nach, wendet seinenBlick nach oben und schüttelt den Kopf.)

Alfred, Alfred! Was bist du doch ein verdammtes Schlitzohr!(Er grinst immer noch und schüttelt immer noch den Kopf. Das Bühnenlicht erlischt.Vorhang!)