Algebra || Konstruktionen mit Zirkel und Lineal

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22 Konstruktionen mit Zirkel und Lineal * Übersicht 22.1 Konstruierbarkeit .................................................. 257 22.2 Die drei klassischen Probleme ........................................ 263 Sprichwörtlich ist die Quadratur des Kreises schon vielfach gelungen – aber eben nur sprichwörtlich, denn tatsächlich ist dies mit den klassischen Methoden nicht durchführ- bar: Es ist nicht möglich, allein mit Zirkel und Lineal ein Quadrat zu konstruieren, dessen Flächeninhalt der eines gegebenen Kreises ist. Die Unlösbarkeit dieses Proble- mes liegt an der Transzendenz der Zahl π. Wir schildern in diesem Kapitel die Konstruktion mit Zirkel und Lineal. Wir werden zeigen, dass die Menge aller aus Startpunkten mit Zirkel und Lineal konstruierbaren Punkte einen Erweiterungskörper L von Q bildet. Dabei hat jedes Element aus L eine Zweierpotenz als Grad über Q. Mit diesem Ergebnis können wir dann die Unlösbarkeit dreier berühmter Problemstellungen aus der Antike begründen. 22.1 Konstruierbarkeit Wir präzisieren, was man unter Konstruktion mit Zirkel und Lineal versteht. 22.1.1 Konstruktion von Punkten mit Zirkel und Lineal Ausgehend von einer Startmenge S von Punkten der euklidischen Ebene werden mit Zirkel und Lineal aus diesen Punkten weitere Punkte der euklidischen Ebene konstru- iert: Für eine Teilmenge S der euklidischen Ebene E sei S + := S S(g, g) S(g, k) S(k, k) . Dabei bedeuten (in den Skizzen seien gegebene Punkte und konstruierte Punkte): C. Karpfinger, K. Meyberg, Algebra, DOI 10.1007/978-3-8274-3012-0_23, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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22 Konstruktionen mit Zirkel undLineal *

Übersicht22.1 Konstruierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

22.2 Die drei klassischen Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Sprichwörtlich ist die Quadratur des Kreises schon vielfach gelungen – aber eben nursprichwörtlich, denn tatsächlich ist dies mit den klassischen Methoden nicht durchführ-bar: Es ist nicht möglich, allein mit Zirkel und Lineal ein Quadrat zu konstruieren,dessen Flächeninhalt der eines gegebenen Kreises ist. Die Unlösbarkeit dieses Proble-mes liegt an der Transzendenz der Zahl π.Wir schildern in diesem Kapitel die Konstruktion mit Zirkel und Lineal. Wir werdenzeigen, dass die Menge aller aus Startpunkten mit Zirkel und Lineal konstruierbarenPunkte einen Erweiterungskörper L von Q bildet. Dabei hat jedes Element aus L eineZweierpotenz als Grad über Q. Mit diesem Ergebnis können wir dann die Unlösbarkeitdreier berühmter Problemstellungen aus der Antike begründen.

22.1 Konstruierbarkeit

Wir präzisieren, was man unter Konstruktion mit Zirkel und Lineal versteht.

22.1.1 Konstruktion von Punkten mit Zirkel und Lineal

Ausgehend von einer Startmenge S von Punkten der euklidischen Ebene werden mitZirkel und Lineal aus diesen Punkten weitere Punkte der euklidischen Ebene konstru-iert: Für eine Teilmenge S der euklidischen Ebene E sei

S+ := S ∪ S(g, g) ∪ S(g, k) ∪ S(k, k) .

Dabei bedeuten (in den Skizzen seien • gegebene Punkte und ◦ konstruierte Punkte):

C. Karpfinger, K. Meyberg, Algebra, DOI 10.1007/978-3-8274-3012-0_23,© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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S(g, g) die Menge aller Schnittpunkte nicht-paralleler Geraden, welche jeweils zwei ver-schiedene Punkte aus S verbinden;

S(g, k) die Menge aller Schnittpunkte von Ge-raden obiger Art mit Kreisen, deren Mittel-punkte in S liegen und deren Radien Abständezweier Punkte aus S sind;

r

r

S(k, k) die Menge aller Schnittpunkte zweierverschiedener Kreise der eben beschriebenenArt: Die Radien r1 und r2 sind Abstände zwei-er Punkte aus S.

r1r2

r1r2

Beispiel 22.1Enthält S höchstens einen Punkt, d. h. |S| ≤ 1, sogilt S+ = S. Im Fall S = E gilt ebenfalls S+ = S.Und im Fall |S| = 2 erhalten wir |S+| = 6; manbeachte |S(g, k)| = 2 = |S(k, k)| (siehe nebenste-hende Skizze).

22.1.2 Die Menge der konstruierbaren Punkte

Nun sei eine Startmenge S ⊆ E mit |S| ≥ 2 gegeben. Wir erweitern S wie obenbeschrieben durch die diversen Schnittpunkte zu S1 := S+ = S ∪ S(g, g) ∪ S(g, k) ∪S(k, k), konstruieren dann mit S1 die Punktmenge S2 = S+

1 usw. d. h.:

S0 := S , Sn+1 := S+n , n ∈ N0 .

Insbesondere gilt S0 ⊆ S1 ⊆ S2 ⊆ · · · . Es heißt

K(S) :=

∞⋃i=0

Si

die Menge der aus S mit Zirkel und Lineal konstruierbaren Punkte. Wir gebenbeispielhaft einige Konstruktionen an, die wir später wieder benötigen werden.

Beispiel 22.2Gegeben seien drei verschiedene Punkte P , Q und R und eine Gerade g.

(1) Wir können beliebig große Abstände er-zeugen: 0 1 2 3 4

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22.1 Konstruierbarkeit 259

(2) Wir können das Lot von P unddie Senkrechte in Q auf g kon-struieren:

P

Q

(3) Wir können den Mittelpunkt vonP und Q konstruieren:

P Q

(4) Wir können mit (2) die Parallelezu g durch P erzeugen:

P

g

(5) Wir können Winkelhalbierendebilden:

PQ

R

22.1.3 Die Menge der aus S kontruierbaren Punkte K(S) ist einKörper

Zur Beschreibung vonK(S) für S ⊆ E mit |S| ≥ 2 wählen wir zwei verschiedene PunkteA, B ∈ S und ein kartesisches Koordinatensystem so, dass A = (0 | 0), B = (1 | 0). Wiridentifizieren im Folgenden jedes (x | y) ∈ R2 mit x+ i y ∈ C. Dann gilt:

Lemma 22.1Die Menge K(S) der aus S konstruierbaren Punkte ist der Durchschnitt aller TeilkörperK von C mit den Eigenschaften:

(I) S ⊆ K;

(II) z ∈ K ⇒ √z ∈ K, wobei

√z ein Element aus C mit

√z2= z ist;

(III) z ∈ K ⇒ z ∈ K.

Beweis: Wir zeigen die Behauptung in mehreren Schritten.

(1) K(S) ist ein Teilkörper von C mit den Eigenschaften (I), (II), (III).

Es seien z, z′ ∈ K(S), z = 0. Dann existiert wegen S0 ⊆ S1 ⊆ S2 ⊆ · · · ein n ∈ N mitz, z′ ∈ Sn. Die folgenden beiden Figuren zeigen, dass die Elemente −z, z und z + z′

konstruierbar sind, d. h. in K(S) liegen.

0

z

−zz

0

z

z′z′′

z + z′z + z′′

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260 22 Konstruktionen mit Zirkel und Lineal *

Die folgenden drei Figuren zeigen, dass für z = r eiϕ, z′ = r′ eiϕ′

∈ Sn auch z z′ =r r′ ei(ϕ+ϕ′), z−1 = 1

r e− iϕ und√z =

√r ei

ϕ

2 konstruierbar sind, d. h. in K(S) liegen:

0

z

z′

1 r′

ir

irr′

zz′

ϕϕ′

ϕ′

0 1

iz

z

ir

r−1

z−1

ϕ

−ϕ

0 M r

i√r

√z

z

−1

ϕ2

Dabei wurde der Strahlensatz in der Form r r′

r = r′

1 bzw. r1 = 1

r−1 bei der Konstruktionvon z z′ bzw. z−1 und der Satz von Thales sowie der Höhensatz in der Form

√r2= 1 ·r

bei der Konstruktion von√z benutzt. Damit ist (1) begründet.

Nun sei K ein beliebiger Teilkörper von C mit den Eigenschaften (I), (II), (III). DenNachweis K(S) ⊆ K beginnen wir mit zwei Vorbereitungen:Wegen (II) ist die imaginäre Einheit i =

√−1 in K und wegen (III) liegt mit jedem

z ∈ K auch z in K. Für z = x+ i y ∈ C (x, y ∈ R) gilt demnach die Äquivalenz:

(2) x+ i y ∈ K ⇔ x, y ∈ K.

Die andere Vorbereitung betrifft die Gleichungen der Geraden und Kreise, die durchPunkte aus K bestimmt sind.Die Gleichung der Geraden durch die Punkte a1 + i a2, b1 + i b2 aus K hat gemäß derbekannten 2-Punkte-Formel (b2 − a2) (x− a1)− (b1 − a1) (y − a2) = 0 die Form

(3a) a x+ b y + c = 0 mit a, b, c ∈ R ∩K;

denn gemäß (2) sind a1, a2, b1, b2 in K.Der Kreis mit Mittelpunkt s + i t ∈ K (s, t ∈ K) und Radius r ∈ K hat bekanntlichdie Gleichung (x− s)2 + (y − t)2 = r2, sie ist von der Form

(3b) x2 + y2 + d x+ e y + f = 0 mit d, e, f ∈ R ∩K.

Nun zeigen wir Sn ⊆ K für alle n ∈ N0 mit vollständiger Induktion.Wegen (I) gilt S0 = S ⊆ K. Wir setzen nun Sn ⊆ K für ein beliebiges n ≥ 0

voraus. Wir gelangen zu Sn+1 = S+n mittels Berechnung der diversen Schnittpunkte

Sn(g, g), Sn(g, k), Sn(k, k).Sn(g, g): Der Schnittpunkt z zweier nichtparalleler Geraden durch Punkte aus Sn istdurch ein System zweier linearer Gleichungen der Form (3a) mit Koeffizienten ausR ∩K gegeben. Anwenden der Cramer’schen Regel zeigt, dass Real- und Imaginärteilvon z in K liegen. Nach (2) liegt somit auch der Schnittpunkt z in K.Sn(g, k): Der Realteil u eines Schnittpunkts z = u + i v einer Geraden der Formax+ b y+ c = 0 mit a, b, c ∈ R∩K, b = 0, mit einem Kreis der Form (3b) ist Lösungeiner quadratischen Gleichung mit Koeffizienten in K. Wegen (II) liegt jede solche

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22.1 Konstruierbarkeit 261

Lösung in K. Mit u liegt wegen au+ b v + c = 0 auch v in K und mit (2) ergibt sichwieder z ∈ K. Im Fall b = 0, a = 0 folgt analog z ∈ K.Sn(k, k): Jeder Schnittpunkt (sofern vorhanden) zweier durch (3b) gegebenen Kreisex2 + y2 + d x + e y + f = 0, x2 + y2 + d′ x + e′ y + f ′ = 0 liegt auf der Geraden(d − d′) x + (e − e′) y + (f − f ′) = 0. Und die Schnittpunkte dieser Geraden mitKoeffizienten in K mit jedem der gegebenen Kreise liegen, wie wir zuvor gesehenhaben, ebenfalls in K.Also gilt Sn+1 = S+

n ⊆ K und somit Sn ⊆ K für alle n ∈ N0, d. h. K(S) ⊆ K.

Bemerkung. Lemma 22.1 besagt, dass K(S) der kleinste Teilkörper von C mit denEigenschaften (I), (II), (III) ist.

22.1.4 Eine Kennzeichnung der konstruierbaren Elemente

Wir geben eine Beschreibung der Elemente von K(S) an: Es sind dies die Elemente a

aus C, zu denen es einen Körperturm K0 ⊆ K1 ⊆ · · · ⊆ Kn quadratischer Körperer-weiterungen Kj/Kj−1 mit a ∈ Kn gibt, genauer:

Lemma 22.2Es sei S ⊆ C mit 0, 1 ∈ S gegeben. Genau dann liegt a ∈ C in K(S), wenn es TeilkörperK1, . . . , Kn von C mit den folgenden Eigenschaften gibt:

(I’) Q(S ∪ S) =: K0 ⊆ K1 ⊆ · · · ⊆ Kn, (S = {s | s ∈ S}).

(II’) [Kj : Kj−1] = 2 für j = 1, . . . , n.

(III’) a ∈ Kn.

Beweis: Wir zeigen die Behauptung in einzelnen Schritten.

(1) Ist M/L eine Körpererweiterung vom Grad 2 und gilt CharL = 2, so existiertc ∈ M mit M = L(c) und c2 ∈ L.

Denn: Zu beliebigem v ∈ M \L existieren α, β ∈ L mit v2+αv+β = 0. Für c := v+ α2

gilt c2 ∈ L und M = L(c), denn c ∈ L. Damit ist (1) begründet.Nun seien TeilkörperK1, . . . , Kn von Cmit (I’), (II’), (III’) gegeben. Es giltK0 ⊆ K(S)

wegen Lemma 22.1. Es sei schon Kj ⊆ K(S) gezeigt. Wegen (1) existiert c ∈ Kj+1

mit Kj+1 = Kj(c) und c2 ∈ Kj. Wegen Lemma 22.1 folgt c ∈ K(S) und damitKj+1 = Kj(c) ⊆ K(S). Das beweist die Richtung ⇐.Zum Beweis von ⇒ sei Ω die Menge aller a ∈ C, zu denen es Teilkörper K1, . . . , Kn

von C mit (I’), (II’), (III’) gibt. Wir begründen nun:

(2) Ω ist ein Teilkörper von C mit den Eigenschaften (I), (II), (III) aus Lemma 22.1.

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Denn: Es seien a, b ∈ Ω, a = 0, und etwa (vgl. (1)):

K0 ⊆ K0(a1) ⊆ K0(a1, a2) ⊆ · · · ⊆ K0(a1, . . . , ar) � a ,

K0 ⊆ K0(b1) ⊆ K0(b1, b2) ⊆ · · · ⊆ K0(b1 , . . . , bs) � b ,

wobei a2j+1 ∈ K0(a1, . . . , aj), b2j+1 ∈ K0(b1, . . . , bj). Es folgt

K0 ⊆ K0(a1) ⊆ · · · ⊆ K0(a1, . . . , ar) ⊆ K0(a1, . . . , ar, b1) ⊆ · · ·· · · ⊆ K0(a1, . . . , ar, b1, . . . , bs) =: M ,

und a, b ∈ M . Für aufeinanderfolgende Körper E ⊆ F dieses Körperturms gilt E = F

oder [F : E] = 2.Nun ziehen wir Folgerungen: Es gilt a±b, a b, a−1 ∈ M ⊆ Ω. Somit ist Ω ein Teilkörpervon C. Wegen (I’) gilt (I): S ⊆ Ω. Und Ω erfüllt (II): Aus z ∈ Kn (K1, . . . , Kn wieoben) folgt [Kn(

√z) : Kn] ≤ 2, sodass

√z ∈ Ω. Zum Beweis von (III) seien a ∈ Ω

und K1, . . . , Kn wie im Satz formuliert. Da τ : z �→ z ein Automorphismus von Cist, ist Kj := τ(Kj) ein Teilkörper von C für alle j = 1, . . . , n. Wegen τ(Q) = Q,τ(S∪S) = S∪S gilt K0 ⊆ τ(K0), also auch τ(K0) ⊆ τ2(K0) = K0, d. h. τ(K0) = K0.Aus Kj+1 = Kj +Kj aj und a2j ∈ Kj (vgl. (1)) folgt

Kj+1 = Kj +Kj aj , a2j ∈ Kj ,

also [Kj+1 : Kj ] ≤ 2 nach Lemma 21.1. Das impliziert a ∈ Kn ⊆ Ω. Damit gilt (2).Aus (2) folgt mit Lemma 22.1 die Inklusion K(S) ⊆ Ω, womit ⇒ bestätigt ist.

22.1.5 Die Grade der konstruierbaren Elemente

Für den Nachweis der Unlösbarkeit der klassischen Probleme nutzen wir das folgendeKorollar aus:

Korollar 22.3Es sei S ⊆ C mit 0, 1 ∈ S gegeben. Ist a ∈ C aus S mit Zirkel und Lineal konstruierbar,so ist [K0(a) : K0] eine Potenz von 2 (wobei K0 := Q(S ∪ S)).

Beweis: Wegen Lemma 22.2 und dem Gradsatz 20.3 gilt a ∈ L für einen Erweite-rungskörper L ⊆ C von K0, der [L : K0] = 2n für ein n ∈ N0 erfüllt. Damit ist derGrad des Zwischenkörpers K0(a) von L/K über K ebenfalls eine Potenz von 2 (sieheKorollar 20.4).

Vorsicht. Die Umkehrung von Korollar 22.3 gilt nicht!

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22.2 Die drei klassischen Probleme 263

22.2 Die drei klassischen Probleme

Wir können nun mit den entwickelten Methoden die Unlösbarkeit dreier klassischerProbleme begründen.

22.2.1 Verdopplung des Würfels

Der Sage nach hat das Orakel von Delos gefordert, einen Apoll geweihten Altarwürfelzu verdoppeln.

Das delische Problem, aus einem Würfel einen solchen mit doppeltem Volumen zukonstruieren, ist nicht lösbar:

Gegeben sind zwei Punkte aus E, deren Abstand die Kantenlänge a des gegebenenWürfels ist. Zu konstruieren sind hieraus Punkte mit Abstand a 3

√2. Nach der Identi-

fikation von E mit C wie vor Lemma 22.1 ist also S = {0, 1}; und zu konstruieren istz = 3

√2. Wegen K0 = Q und [Q( 3

√2) : Q] = 3 (nach dem Eisenstein-Kriterium 19.9 ist

X3 − 2 irreduzibel) ist das nach Korollar 22.3 nicht möglich.

22.2.2 Winkeldreiteilung

Ein Winkel vom Maß 60◦ kann nicht mit Zirkel und Lineal gedrittelt werden:

Da sich der Winkel ϕ = 60◦ bzw. z = cos 60◦+i sin 60◦ leicht aus {0, 1} konstruieren lässt (zist die Spitze des gleichseitigen Dreiecks derSeitenlänge 1) können wir von S = {0, 1}ausgehen, sodass K0 = Q(S ∪ S) = Q. Der60◦-Winkel kann genau dann gedrittelt wer-den, wenn a = cos 20◦ konstruierbar ist (vgl.die Abbildung).

0 1

z

z′

12

a

20◦60◦

Durch Vergleich von Real- und Imaginärteil von cos 3α + i sin 3α = e3 iα = (eiα)3 =

(cosα+i sinα)3 erhält man die trigonometrische Identität cos 3α = 4 cos3 α−3 cosα,die für α = 20◦ und a = cos 20◦ die Gleichung 1

2 = 4a3 − 3 a ergibt. Somit ist a

Wurzel des Polynoms P = 8X3 − 6X − 1. Wegen P(X+1

2

)= X3 + 3X2 − 3 ist P

irreduzibel (Eisenstein-Kriterium mit p = 3), und es folgt [Q(a) : Q] = 3 (also keineZweierpotenz). Somit ist a nach Korollar 22.3 nicht konstruierbar.

22.2.3 Die Quadratur des Kreises

Ein Quadrat, dessen Fläche mit der eines gegebenen Kreises übereinstimmt, ist nichtkonstruierbar:

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Gegeben sind Punkte in E, deren Abstand der Radius r des vorgegebenen Kreises ist.Zu konstruieren sind Punkte, deren Abstand a die Gleichung a2 = π r2 erfüllt. NachIdentifikation von E mit C wie vor Lemma 22.1 ist S = {0, 1} und damit K0 = Q. ImFall der Konstruierbarkeit existieren z, z′ ∈ K(S)mit |z−z′|2 = π. Es folgte π ∈ K(S),sodass [Q(π) : Q] nach Korollar 22.3 endlich wäre. Da Lindemann 1882 zeigte, dass π

über Q transzendent ist, also [Q(π) : Q] = ∞ gilt, ist diese Konstruktion nicht möglich.

Bemerkungen. (1) Die ersten einwandfreien Beweise dafür, dass Würfelverdoppelungund (generelle) Winkeldreiteilung mit Zirkel und Lineal nicht möglich sind, stammenvon L. P. Wantzel 1837.(2) Wir werden später die Frage beantworten, welche regulären Vielecke mit Zirkel undLineal konstruierbar sind.(3) 1672 zeigte der Däne G. Mohr, dass jeder mit Zirkel und Lineal aus S ⊆ C kon-struierbare Punkt mit dem Zirkel allein konstruiert werden kann. Dieses Ergebnis wirdmeistens L. Mascheroni 1797 zugesprochen.

Aufgaben

22.1 Man zeige, dass a = 2 cos 2π7

Wurzel des Polynoms X3 +X2 − 2X − 1 ∈ Q[X] ist undfolgere, dass das reguläre 7-Eck nicht mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist.

22.2 Man zeige:

(a) Ein Winkel α kann genau dann mit Zirkel und Lineal gedrittelt werden, wenn dasPolynom 4X3 − 3X − cosα über Q(cosα) zerlegbar ist.

(b) Für jedes n ∈ N mit 3 � n ist die Dreiteilung von α = 2πn

mit Zirkel und Linealmöglich.