Alkohol und Blutdruck - · PDF file5/09 18 Im Praxisalltag gewinnt man den Ein-druck, dass die...

4
5/09 18 Im Praxisalltag gewinnt man den Ein- druck, dass die Bedeutung des Überge- wichts inzwischen recht vielen Patienten bewusst ist. Der Reduktion des Alkohol- konsums wird dagegen, verglichen mit den heute praktisch ubiquitär verbreite- ten Empfehlungen einer regelmässigen körperlichen Betätigung und einer «be- darfsgerechten Ernährung», zu wenig Beachtung geschenkt. Im Gegenteil: Der Alkoholkonsum wird gefördert. So gibt es wohl kaum noch einen Kardiologen, der nicht einen moderaten Alkoholkonsum für das Herz empfiehlt, und selbst das Schweizerische Parlament erteilt die staatliche Erlaubnis, die Alkoholwerbung auszudehnen. Die alkoholbedingten Er- krankungen werden mit Sicherheit in den nächsten Jahren ansteigen, ebenso der alkoholinduzierte Hypertonus. Epidemiologie und Klinik Das mangelnde Bewusstsein erstaunt, da bereits vor bald 100 Jahren erstmals eine Beziehung zwischen Alkohol und Blut- druck beschrieben wurde (5). Unzählige Studien haben seither – neben einem un- abhängigen Zusammenhang zwischen Alkohol und Hypertonie – auch eine lineare Korrelation zwischen dem tägli- chen Alkoholkonsum (> 20 g/Tag bei Frauen und > 30 g/Tag bei Männern) und einem Blutdruckanstieg (6) nachge- wiesen. Eine prospektive Studie aus Skandinavien konnte bei Männern im Alter von 37 bis 43 Jahren mit hochnormalen Blutdruck- werten den Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum und der Entwick- lung einer arteriellen Hypertonie bestäti- gen (7). In der Konsequenz bedeutet dies, dass regelmässiger Alkoholkonsum nicht nur den Blutdruck erhöht, sondern auch die Inzidenz einer arteriellen Hypertonie steigert (8). Eine im letzten Jahr publizier- te prospektive Studie verfolgte über 13 000 Männer ohne Hypertonie oder kardiovaskuläre Erkrankungen über meh- rere Jahre (teilweise bis über 20 Jahre) und stellte bei diesem Kollektiv bereits bei leichtem bis mässigem (1 Drink/Mo- nat bis 1 Drink/Tag) Alkoholkonsum ein erhöhtes Hypertonierisiko fest. Der Schwellenwert, ab dem sich ein blut- drucksteigernder Effekt bei diesen Män- nern zeigte, lag bei 1 Drink/Tag (9), was etwa 10 bis 12 Gramm Alkohol entspricht, also beispielsweise dem Konsum von 0,3 l Bier. Der pressorische Effekt des Alkohols be- trifft sowohl den systolischen als auch den diastolischen Blutdruck, ist für den systolischen Blutdruck aber ausgeprägter (2). Weitere «begünstigende» Faktoren, die den Alkoholeffekt verstärken, sind Übergewicht, weibliches Geschlecht und eine positive Familienanamnese (2). Wie mehrere Interventionsstudien zeig- ten, liess sich eine blutdrucksenkende Wirkung durch Reduktion des Alkohol- konsums sowohl bei behandelten (10) als auch nichtbehandelten (11) Hypertoni- kern erzielen (12–14). In der Intersalt-Stu- die, die primär den Effekt der Salzzufuhr auf den Blutdruck untersuchte, führte der tägliche Konsum von 40 bis 70 g Alkohol zu einem Anstieg des systolischen und diastolischen Blutdrucks, und zwar unab- Alkohol und Blutdruck Weltweit steigt die Prävalenz der arteriellen Hypertonie stetig an, obwohl ihre unbestrittene Bedeu- tung als einer der wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren hinlänglich bekannt ist (1). Irgend- etwas läuft offensichtlich falsch! Ungenügende Therapie oder ungenügende Prävention? Viel- seitige Evidenz deutet darauf hin, dass der Primärprävention, die durch nicht allzu einschneidende Lifestylemassnahmen erzielt werden kann, in der Bevölkerung zu wenig Beachtung geschenkt wird. Verschiedene Faktoren, wie zum Beispiel Übergewicht, Bewegungsmangel und Alkoholkonsum, tragen zur Entwicklung und Verschlechterung einer essenziellen Hypertonie bei (2). Dementspre- chend wichtig ist die Lifestylemodifikation als Basis jeder Hypertonietherapie (3, 4). KERSTIN HÜBEL, DIMITRIOS ILIAKIS HYPERTONIE UND ERNÄHRUNG

Transcript of Alkohol und Blutdruck - · PDF file5/09 18 Im Praxisalltag gewinnt man den Ein-druck, dass die...

Page 1: Alkohol und Blutdruck - · PDF file5/09 18 Im Praxisalltag gewinnt man den Ein-druck, dass die Bedeutung des Überge-wichts inzwischen recht vielen Patienten bewusst ist. Der Reduktion

5/09 18

Im Praxisalltag gewinnt man den Ein-druck, dass die Bedeutung des Überge-wichts inzwischen recht vielen Patientenbewusst ist. Der Reduktion des Alkohol-konsums wird dagegen, verglichen mitden heute praktisch ubiquitär verbreite-ten Empfehlungen einer regelmässigenkörperlichen Betätigung und einer «be-darfsgerechten Ernährung», zu wenig Beachtung geschenkt. Im Gegenteil: Der Alkoholkonsum wird gefördert. So gibt eswohl kaum noch einen Kardiologen, dernicht einen moderaten Alkoholkonsumfür das Herz empfiehlt, und selbst dasSchweizerische Parlament erteilt diestaatliche Erlaubnis, die Alkoholwerbungauszudehnen. Die alkoholbedingten Er-krankungen werden mit Sicherheit in dennächsten Jahren ansteigen, ebenso deralkoholinduzierte Hypertonus.

Epidemiologie und Klinik

Das mangelnde Bewusstsein erstaunt, dabereits vor bald 100 Jahren erstmals eineBeziehung zwischen Alkohol und Blut-druck beschrieben wurde (5). Unzählige

Studien haben seither – neben einem un-abhängigen Zusammenhang zwischenAlkohol und Hypertonie – auch eine lineare Korrelation zwischen dem tägli-chen Alkoholkonsum (> 20 g/Tag beiFrauen und > 30 g/Tag bei Männern) undeinem Blutdruckanstieg (6) nachge -wiesen. Eine prospektive Studie aus Skandinavienkonnte bei Männern im Alter von 37 bis43 Jahren mit hochnormalen Blutdruck-werten den Zusammenhang zwischendem Alkoholkonsum und der Entwick-lung einer arteriellen Hypertonie bestäti-gen (7). In der Konsequenz bedeutet dies,dass regelmässiger Alkoholkonsum nichtnur den Blutdruck erhöht, sondern auchdie Inzidenz einer arteriellen Hypertoniesteigert (8). Eine im letzten Jahr publizier-te prospektive Studie verfolgte über13 000 Männer ohne Hypertonie oderkardiovaskuläre Erkrankungen über meh-rere Jahre (teilweise bis über 20 Jahre)und stellte bei diesem Kollektiv bereitsbei leichtem bis mässigem (1 Drink/Mo-nat bis 1 Drink/Tag) Alkoholkonsum ein

erhöhtes Hypertonierisiko fest. DerSchwellenwert, ab dem sich ein blut-drucksteigernder Effekt bei diesen Män-nern zeigte, lag bei 1 Drink/Tag (9), wasetwa 10 bis 12 Gramm Alkohol entspricht,also beispielsweise dem Konsum von 0,3 lBier. Der pressorische Effekt des Alkohols be-trifft sowohl den systolischen als auchden diastolischen Blutdruck, ist für densystolischen Blutdruck aber ausgeprägter(2). Weitere «begünstigende» Faktoren,die den Alkoholeffekt verstärken, sindÜbergewicht, weibliches Geschlecht undeine positive Familienanamnese (2). Wie mehrere Interventionsstudien zeig-ten, liess sich eine blutdrucksenkendeWirkung durch Reduktion des Alkohol-konsums sowohl bei behandelten (10) alsauch nichtbehandelten (11) Hypertoni-kern erzielen (12–14). In der Intersalt-Stu-die, die primär den Effekt der Salzzufuhrauf den Blutdruck untersuchte, führte dertägliche Konsum von 40 bis 70 g Alkoholzu einem Anstieg des systolischen unddiastolischen Blutdrucks, und zwar unab-

Alkohol und Blutdruck

Weltweit steigt die Prävalenz der arteriellen Hypertonie stetig an, obwohl ihre unbestrittene Bedeu-

tung als einer der wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren hinlänglich bekannt ist (1). Irgend-

etwas läuft offensichtlich falsch! Ungenügende Therapie oder ungenügende Prävention? Viel -

seitige Evidenz deutet darauf hin, dass der Primärprävention, die durch nicht allzu einschneidende

Lifestylemassnahmen erzielt werden kann, in der Bevölkerung zu wenig Beachtung geschenkt wird.

Verschiedene Faktoren, wie zum Beispiel Übergewicht, Bewegungsmangel und Alkoholkonsum,

tragen zur Entwicklung und Verschlechterung einer essenziellen Hypertonie bei (2). Dementspre-

chend wichtig ist die Lifestylemodifikation als Basis jeder Hypertonietherapie (3, 4).

KERSTIN HÜBEL, DIMITRIOS ILIAKIS

HYPERTONIE UND ERNÄHRUNG

Page 2: Alkohol und Blutdruck - · PDF file5/09 18 Im Praxisalltag gewinnt man den Ein-druck, dass die Bedeutung des Überge-wichts inzwischen recht vielen Patienten bewusst ist. Der Reduktion

5/0919

hängig von Salzzufuhr, Body-Mass-Index(BMI) und Nikotinkonsum (15). Ein Effekt,der erstaunt, zumal der Konsum von Alko-hol eigentlich die Salzausscheidung för-dert und dementsprechend (bei Annah-me, dass das Salz von grosser Bedeutungfür den Blutdruck ist) in einer Blutdruck-senkung resultieren sollte. Dieses Beispielillustriert sehr schön, dass der blutdruck-steigernde Effekt von Salz kritischer be-trachtet werden sollte, als dies in der gegenwärtigen «Salzketzerei» – im offi-ziellen Wortlaut «Salzkampagne» – be-trieben wird. In einer Studie aus dem Jahr1990, in der die Wirkungen einer modera-ten, regelmässigen körperlichen Betäti-gung und einer verminderten Alkoholzu-fuhr auf den Blutdruck untersuchtwurden, zeigte sich, dass lediglich Letzte-re zu einer signifikanten Blutdruckreduk-tion führte (16).Die Ignoranz gegenüber dieser eindeuti-gen Datenlage liegt möglicherweise dar-in begründet, dass in der heutigen Zeit, inder Alkohol eine gesellschaftlich akzep-tierte und weitverbreitete Droge ist, dasArgument der «kardioprotektiven Wir-kung» (17) als Legitimation zur Beibehal-tung der angestammten Gewohnheitengelegen kommt. Denn eine Implementie-rung dieser Erkenntnisse, das heisst dasSistieren oder die Reduktion des Alkohol-konsums, wäre mit einem «grösseren per-sönlichen Aufwand» oder aus Sicht desPatienten oder sogar der offiziellen Ge-sundheitsbehörden mit einer Einschrän-kung verbunden.

Kardioprotektive Effekte – eine Frage des Lebensstils

Hinsichtlich des Risikos einer koronarenHerzkrankheit konnte in verschiedenenStudien tatsächlich ein günstiger Effektfür den Konsum von weniger als 14 g Alkohol pro Tag nachgewiesen werden.Bei höheren Mengen war dieser Effekt allerdings geringer oder nicht mehr vor-handen (U-förmige Beziehung) (6). Zu-dem war der Einfluss erst ab einem Altervon 50 Jahren deutlich sichtbar (6). Dochwer trinkt nur 14 g pro Tag? Für Alkoholgibt es keinen Regulationsmechanismusim Sinne einer Sättigung oder Appetit -regulation. Alkoholkonsum ist unregu-

liert und unterliegt keinem Regelkreis,ausser der Unfähigkeit, betrunken ab ei-nem gewissen Grad weiterzutrinken.Bei genauerer Betrachtung lässt sich derkardioprotektive Effekt jedoch vor allemauf ein verbessertes Lipidprofil (HDL-Er-höhung) (18) und hämostatische Fakto-ren (Verminderung von Fibrinogen, Re-duktion der Thrombozytenaggregationund -aktivierung) (19, 20) zurückführen.Im Rahmen dieser Arbeit sollen dieseAspekte nicht näher diskutiert werden, essei nur am Rande erwähnt, dass beispiels-weise die Erhöhung des HDL-Cholesterinsals Folge eines toxischen Effekts auf dieSynthese des Apolipoproteins A resul-tiert. Die verbesserte Insulinsensitivitätscheint vor allen Dingen Ausdruck desniedrigeren Körpermasseindex bei mo-deraten Trinkern zu sein (21) sowie auf an-deren Lifestylefaktoren der in der Regelaus besseren sozioökonomischen Schich-ten stammenden moderaten Alkoholkon-sumenten (besonders der Weintrinker) zuberuhen. Bekanntlich führt Alkohol aber aufgrundseines hohen Energiegehalts, seiner Ef-fekte auf die Fettoxidation und spezifi-scher metabolischer Wirkungen zu einerZunahme der Fettmasse, im Besondereneiner Zunahme des abdominalen Fettge-webes (der bekannte «Bierbauch», der al-lerdings nicht nur durch Bier verursachtwird), was sich wiederum ungünstig aufden Blutdruck auswirkt (22). Hinsichtlich der Wahl des Getränks, dasfür die kardioprotektive Wirkung verant-wortlich ist, herrscht Uneinigkeit. In jenenprospektiven Studien, die verschiedeneAlkoholika (Bier, Wein, Spirituosen) mit-einander verglichen haben, liessen sichkeine Unterschiede feststellen (23). Ver-schiedene Alkoholika unterscheiden sich,neben der Präsenz und der Konzentrationnichtnutritiver Bestandteile wie beispiels-weise Antioxidanzien und Polyphenole,vor allem hinsichtlich ihres absoluten Al-koholgehalts (2), und genau das zählt fürdie Blutdrucksteigerung. Es scheint jedoch generell so, dass der so-zioökonomische Status und die Lebens-stilcharakteristika der Alkoholkonsumen-ten für die kardioprotektiven Wirkungendes Alkohols wichtiger sind als der Alko-

hol per se (24). Für den blutdrucksteigern-den Effekt gilt dies nicht. Der Alkoholwirkt unmittelbar pressorisch, wird aberdurch andere metabolische und Lebens-stilcharakteristika des Trinkers moduliert. Vielseitige Evidenz deutet darauf hin,dass für die Blutdruckeffekte nicht die Artdes konsumierten Alkohols (25), sonderndie absolute aufgenommene Menge (8),die Trinkfrequenz (26) und insbesonderedie Chronizität von entscheidender pa-thophysiologischer Bedeutung sind (2).Dies gilt selbstverständlich auch für an-dere negative Effekte des Alkohols (z.B.Karzinogenese).Der irrtümliche Glaube an die kardiopro-tektiven und blutdrucksenkenden Effektedes Alkohols sind in der Gesellschaftzweifelsohne weitverbreitet; dass es je-doch schon bei einem täglichen Konsumvon mehr als 20 g Alkohol zu einer blut-drucksteigernden Wirkung kommt, istden meisten Patienten nicht bewusst. So-mit ist aus hypertensiologischer Sicht eintäglicher Alkoholkonsum nicht zu emp-fehlen.

Mechanismen der Blutdruck-steigerung durch Alkohol

Die exakten pathophysiologischen Mecha-nismen der alkoholinduzierten Blutdruck-steigerung sind noch nicht aufgeklärt, essteht jedoch ausser Frage, dass Alkohol ei-ner der wichtigsten freiwillig eingenom-menen Pressoren ist (28, 29). Dosisabhängig führt Alkohol zu einer initialen Vasodilatation und damit zukurzfristiger Blutdrucksenkung, jedochnachfolgend zu einer Vasokonstriktionsowie einer Sympathikusaktivierung unddamit zu einer langfristigen Blutdruck-steigerung (30), wobei der prozentualeAnstieg des Blutdrucks deutlich höherliegt als der initiale Abfall durch die Vaso-dilatation (30, 31). In einer explorativenStudie von Stiffler et al. konnte zudem ge-zeigt werden, dass Alkohol sowohl beiNormotonikern als auch bei Hypertoni-kern zu einem nächtlichen Blutdruckab-fall und somit zu einer Zunahme der Tag-Nacht-Differenz führte (27). Des Weiterenwird eine indirekte Wirkung über das Re-nin-Angiotensin-Aldosteron-System (32)beziehungsweise über eine Sympathikus-

HYPERTONIE UND ERNÄHRUNG

Page 3: Alkohol und Blutdruck - · PDF file5/09 18 Im Praxisalltag gewinnt man den Ein-druck, dass die Bedeutung des Überge-wichts inzwischen recht vielen Patienten bewusst ist. Der Reduktion

HYPERTONIE UND ERNÄHRUNG

5/09 20

stimulierung (33) diskutiert. Eine weitereinteressante Hypothese stellt die der alkoholinduzierten Stimulation der hypo-thalamisch-adrenalen Achse dar, die übereine Zunahme der Glukokortikoidsynthe-se zu einer stammbetonten Adipositasund zur Natriumretention führt (2). Zu-dem führt Alkohol, wie bereits vorgängigerwähnt, über eine Vermehrung des ab-dominalen Fettgewebes sekundär zu ei-ner Blutdruckerhöhung (2). Zentralnervö-se Effekte in diversen Hirnkernen, die zurDrucksteigerung beitragen, sollen hiernicht im Detail diskutiert werden.

Alkohol und Antihypertensiva

Darüber hinaus sollte nicht vergessenwerden, dass Alkohol auch einen Einflussauf den Metabolismus von Antihyperten-siva hat. Pharmakokinetisch betrachtetkann Alkohol zum Beispiel die Absorptionund Ausscheidung wie auch die Aktivie-rung beziehungsweise Inaktivierung derArzneistoffe in der Leber beeinflussen. Sokommt es beispielsweise zu einer erhöh-ten Deaktivierung von Betablockern, teilsdurch eine geringere Absorption, teilsauch durch eine Induktion von Leberen-zymen (2). Dass bei regelmässigem Alko-holkonsum auch die Medikamenten -compliance abnimmt, erstaunt nicht.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Alkohol ist der wichtigste Pressor, der vonunserer Gesellschaft freiwillig konsumiertund sogar von Ärzten und Gesundheitsbe-hörden paradoxerweise empfohlen wird.Alkohol hat heute einen so hohen Stellen-wert in unserem Alltag, dass er für vieleIndividuen unverzichtbar geworden ist.Die gegenwärtige Datenlage rechtfertigtden Alkoholkonsum jedoch nicht, wederzur Blutdrucksenkung noch zur Blut-drucksteigerung (z.B. bei Hypotonikern),sie erlaubt es allerdings auch nicht, Hyper- und Normotonikern mit modera-tem Alkoholkonsum (bis 2 Gläser pro Tag)zu vollständiger Abstinenz zu raten (29).Solche Empfehlungen wären auch nichtrealistisch. Es darf dennoch nicht verges-sen werden, dass die absolute Menge deskonsumierten Alkohols und die Trinkfre-quenz die wichtigsten Determinanten

des Blutdruckeffekts sind. Individuelle Lebensstilfaktoren wirken modulatorisch.Aber die Erkenntnisse über die pressori-schen Effekte des Alkohols sollten in derPrävention der arteriellen Hypertonie bei(noch) normotensiven Personen mehrBeachtung finden und entsprechend um-gesetzt werden; dies gilt insbesonderebei positiver Familienanamnese für Hypertonie. Bei Hypertonikern ist zudemeine Alkoholreduktion mit Festlegung einer oberen Grenze der täglichen «Ein-zeldosis» von 10 g bei Frauen und 10 bis20 g bei Männern angezeigt (8), da pres-sorische Wirkungen bei mehr als 20 g Alkohol pro Tag (entsprechend 2 bis 3Glas eines Standarddrinks (z.B. Bier, Wein),überwiegen. Eine Meta analyse aus demJahr 2004 konnte belegen, dass bereitsein Konsum von täglich 25 g Alkohol (wasallgemein noch als moderat gilt) aus-reicht, um das relative Risiko alkoholasso-ziierter Erkrankungen zu erhöhen; hier-unter fallen neben der Hypertonie auchoropharyngeale und laryngeale Tumorenwie auch die Leber zirrhose oder die chro-nische Pankreatitis (34). Von einem regelmässigen, täglichen Alkoholkonsum ist ohnehin dringend ab-zuraten, und zwar unabhängig vom Blut-druck, da die Gefahr einer stetigen Dosissteigerung bis hin zum chronischenAbusus besteht – die Entwicklung einerAlkoholabhängigkeit mit all ihren nega -tiven Folgen ist dann nicht mehr aufzu -halten.

Korrespondenzadressen:

Kerstin Hübel

Abteilung für Nephrologie/

Transplantationsmedizin

Department für Innere Medizin

Kantonsspital St. Gallen

E-Mail: [email protected]

Dimitrios Iliakis

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin

UniversitätsSpital Zürich

E-Mail: [email protected]

Literatur:1. World Health Report. 2008. (Accessed 2008,www.who.int/whr/en/2. Suter PM, Albrecht R. Alkohol und Blutdruck.

Schweiz Med Forum 2005; 5: 362–366.3. Stamler J. Setting the TONE for Ending the Hyper-tension Epidemic. JAMA 1998; 279: 878–879.4. Hypertension Guidelines. Swiss Society of Hyper-tension, 2009 (Accessed www.swisshypertension.ch/guidelines.htm.)5. Lian C. L’alcoholisme, cause de hypertension arte-rielle. Bull Acad Med 1915; 74: 525–528.6. Burger M, Brönstrup A, Pietrzik K. Derivation of to-lerable upper alcohol intake levels in Germany: a sys-tematic review of risks and benefits of moderate alco-hol consumption. Preventive Medicine 2004; 39:111–127.7. Henriksson KM, Lindblad U, et al. Development ofhypertension over 6 years in a birth cohort of youngmiddle-aged men: the Cardiovascular Risk FactorStudy in southern Sweden (CRISS). Journal of InternalMedicine 2002; 252: 21–26.8. Puddey IB, Beilin LJ. Alcohol is bad for blood pres-sure. Clinical and Experimental Pharmacology andPhysiology 2006; 33: 847–852.9. Sesso HD, Cook NR, Buring JE, Manson JE, GazianoJM. Alcohol Consumption and the Risk of Hyperten-sion in Women and Men. Hypertension 2008; 51:1080–1087.10. Puddey IB, Beilin LJ, Vandongen R. Regular Alco-hol use raises blood pressure in treated hypertensivesubjects: A Randomised Controlled Trial. The Lancet1987; 329: 647–651.11. Ueshima H, Mikawa K, Baba S, et al. Effect of re-duced alcohol consumption on blood pressure in un-treated hypertensive men. Hypertension 1993; 21:248–252.12. Xin X, He J, Frontini MG, Ogden LG, Motsamai OI,Whelton PK. Effects of Alcohol Reduction on BloodPressure: A Meta-Analysis of Randomized ControlledTrials. Hypertension 2001; 38: 1112–1117.13. Puddey I, Beilin L, Vandongen R, Rouse I, Rogers P.Evidence for a direct effect of alcohol consumption onblood pressure in normotensive men. A randomizedcontrolled trial. Hypertension 1985; 7: 707–713.14. Parker M, Puddey I, Beilin L, Vandongen R. Two-way factorial study of alcohol and salt restriction intreated hypertensive men. Hypertension 1990; 16:398–406.15. Marmot MG, Elliot P, Shipley MJ, et al. Alcohol andblood pressure: the INTERSALT study. BMJ 1994; 308:1263–1267.16. Cox KL, Puddey IB, Morton AR, Masarei J, Vandon-gen R, Beilin LJ. Controlled comparison of effects ofexercise and alcohol on blood pressure and serumhigh density lipoprotein cholesterol in sedentary ma-les. Clin Exp Pharmacol Physiol 1990; 17: 251–255.17. Klatsky AL. Epidemiology of Coronary HeartDisease-Influence of Alcohol. Alcoholism: Clinical andExperimental Research 1994; 18: 88–96.18. Masarei JR, Puddey IB, Rouse IL, Lynch WJ, Van-dongen R, Benin LJ. Effects of alcohol consumptionon serum lipoprotein-lipid and apolipoprotein concen-trations : Results from an intervention study in healthsubjects. Atherosclerosis 1986; 60: 79–87.19. Dimmitt SB, Rakic V, Puddey IB, et al. The effectsof alcohol on coagulation and fibrinolytic factors: acontrolled trial. Blood Coagulation & Fibrinolysis 1998;9: 39–45.20. Mukamal KJ, Massaro JM, Ault KA, et al. AlcoholConsumption and Platelet Activation and AggregationAmong Women and Men: The Framingham OffspringStudy. Alcoholism: Clinical and Experimental Re-search 2005; 29: 1906–1912.21. Bell RA, Mayer-Davis EJ, Martin MA, D’AgostinoRB, Haffner SM. Associations between alcohol con-sumption and insulin sensitivity and cardiovasculardisease risk factors: the Insulin Resistance and Athe-rosclerosis Study. Diabetes Care 2000; 23: 1630–1636.

Page 4: Alkohol und Blutdruck - · PDF file5/09 18 Im Praxisalltag gewinnt man den Ein-druck, dass die Bedeutung des Überge-wichts inzwischen recht vielen Patienten bewusst ist. Der Reduktion

HYPERTONIE UND ERNÄHRUNG

5/0921

22. Suter PM, Schutz Y. The effect of exercise, alcoholor both combined on health and physical perfor-mance. Int J Obes 2008; 32: 48–52.23. Rimm EB, Klatsky A, Grobbee D, Stampfer MJ. Re-view of moderate alcohol consumption and reducedrisk of coronary heart disease: is the effect due tobeer, wine, or spirits. BMJ 1996; 312: 731–736.24. Klatsky AL. Is it the drink or the drinker? Circum -stantial evidence only raises a probability. Am J ClinNutr 1999; 69: 2–3.25. Stranges S, Wu T, Dorn JM, et al. Relationship ofAlcohol Drinking Pattern to Risk of Hypertension: APopulation-Based Study. Hypertension 2004; 44:813–819.26. Russell M, Cooper ML, Frone MR, Welte JW. Alco-hol drinking patterns and blood pressure. Am J PublicHealth 1991; 81: 452–457.27. Stiffler B, Suter PM, Vetter W. Effect of alcohol oncircadian blood pressure. Praxis 1999; 88: 1601–1609.28. Suter PM, Vetter W. The Effect of Alcohol on BloodPressure. Nutr Clin Care 2000; 3: 24–34.29. Suter PM. Alcohol: its role in health and disease.In: Baumann BB, Russell RM, eds. Present Knowledgein Nutrition. Washington, D.C.: ILSI Press; 2001:497–507.30. Abe H, Kawano Y, Kojima S, et al. Biphasic effectsof repeated alcohol intake on 24-hour blood pressurein hypertensive patients. Circulation 1994; 89:2626–2633.31. Rosito GA, Fuchs FD, Duncan BB. Dose-dependentbiphasic effect of ethanol on 24-h blood pressure innormotensive subjects. American Journal of Hyper-tension 1999; 12: 236–240.32. Farmer RW, Fabre LF. Some endocrine aspects ofalcoholism. Adv Exp Med Biol 1975; 56: 277–289.33. Perman ES. The effect of ethyl alcohol on the se-cretion from the adrenal medulla in man. Acta Physio-logica Scandinavica 1958; 44: 241–247.34. Corrao G, Bagnardi V, Zambon A, La Vecchia C. Ameta-analysis of alcohol consumption and the risk of15 diseases. Preventive Medicine 2004; 38: 613–619.