Alles über Osteopathie - VFO · 2017-04-10 · 39 Paracelsus I 04.16 medizinisch-philosophisches...

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38 „Es ist die wissenschaftliche Kenntnis von Anatomie und Physiologie in den Händen einer Person mit Intelligenz und Fähigkeiten, dieses Wissen bei Menschen anzuwenden, die erkranken oder verletzt werden durch äußere Gewalteinwirkung, Stürze, Schocks oder mechanische Störungen des Körpers jeder Art. Der Osteopath erkennt die Ursache für den Beginn einer Erkrankung in der kleins- ten anatomischen Veränderung. Wir müssen erkennen, dass, wenn die Versorgung von einem Organ oder einem Glied des Körpers behindert wird, es erkranken wird. Wir lei- den aus zwei Gründen: Mangel an richtiger Zufuhr von Ernährungssubstanzen und der Belastung durch tote Ablagerungen.“ (Andrew Taylor Still) Die Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organization) erkannte bereits im November 2010 die Osteopathie als eigen- ständige Medizinform an 1) . Wir verdanken Andrew Taylor Still (1828-1917), der sich durch schwere Schicksalsschläge auf die Suche nach Alles über Osteopathie neuen und besseren Behandlungsmethoden machte, die Entstehung der Osteopathie. Als amerikanischer Landarzt musste er 1864 hilflos mit ansehen, wie drei seiner Kinder an einer Meningitis-Epidemie verstarben und er nur wenig später auch ein viertes Kind an einer Lungenentzündung erlag. Sein Vater, der Arzt und Methodistenprediger war, hatte an Still seine medizinischen Kenntnisse weitergege- ben und ihn bereits schon als Kind mit der Naturmedizin in Kontakt gebracht. Ein Kollege namens Abbot übte hier großen Einfluss auf ihn aus, indem er ihm von seinen Vorstellungen einer medikamentenfreien Medizin erzählte. Still sezierte viel und verfolgte aufmerksam die unterschiedlichen geistigen und medizinischen Strömungen jener Zeit, zu denen auch das „Bo- nesetting“, das Knocheneinrenken, zählte. Medikamentenfreie Medizin Im Som- mer 1874, zehn Jahre nach dem Tod seiner Kinder, stellte Still der Öffentlichkeit seine eigene medikamentenfreie Medizin vor. Grundlage seiner manuellen Heilkunde war ein © www.hpo-osteopathie.de

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„Es ist die wissenschaftliche Kenntnis von Anatomie und Physiologie in den Händen einer Person mit Intelligenz und Fähigkeiten, dieses Wissen bei Menschen anzuwenden, die erkranken oder verletzt werden durch äußere Gewalteinwirkung, Stürze, Schocks oder mechanische Störungen des Körpers jeder Art. Der Osteopath erkennt die Ursache für den Beginn einer Erkrankung in der kleins-ten anatomischen Veränderung. Wir müssen erkennen, dass, wenn die Versorgung von einem Organ oder einem Glied des Körpers behindert wird, es erkranken wird. Wir lei-den aus zwei Gründen: Mangel an richtiger Zufuhr von Ernährungssubstanzen und der Belastung durch tote Ablagerungen.“ (Andrew Taylor Still)

Die Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organization) erkannte bereits im November 2010 die Osteopathie als eigen-ständige Medizinform an 1). Wir verdanken Andrew Taylor Still (1828-1917), der sich durch schwere Schicksalsschläge auf die Suche nach

Alles über Osteopathie neuen und besseren Behandlungsmethoden machte, die Entstehung der Osteopathie. Als amerikanischer Landarzt musste er 1864 hilflos mit ansehen, wie drei seiner Kinder an einer Meningitis-Epidemie verstarben und er nur wenig später auch ein viertes Kind an einer Lungenentzündung erlag. Sein Vater, der Arzt und Methodistenprediger war, hatte an Still seine medizinischen Kenntnisse weitergege-ben und ihn bereits schon als Kind mit der Naturmedizin in Kontakt gebracht. Ein Kollege namens Abbot übte hier großen Einfluss auf ihn aus, indem er ihm von seinen Vorstellungen einer medikamentenfreien Medizin erzählte. Still sezierte viel und verfolgte aufmerksam die unterschiedlichen geistigen und medizinischen Strömungen jener Zeit, zu denen auch das „Bo-nesetting“, das Knocheneinrenken, zählte.

Medikamentenfreie Medizin Im Som-mer 1874, zehn Jahre nach dem Tod seiner Kinder, stellte Still der Öffentlichkeit seine eigene medikamentenfreie Medizin vor. Grundlage seiner manuellen Heilkunde war ein

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Paracelsus I 04.16

medizinisch-philosophisches Konzept, wonach der Mensch als Ausdruck der Schöpfung in seiner Anatomie und Physiologie vollkommen ist und jede einzelne Struktur mit ihrer Funk-tion zu dieser Vollkommenheit beiträgt. Damit diese erhalten bleibt, verfügt der menschliche Organismus über die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren und zu heilen. Der Therapeut, der bei Beschwerden und Krankheiten eingreift, ist damit kein Heiler mehr, sondern jemand, der den Patienten bei seiner Selbstheilung unterstützt. Stills Ansatz stellte vor fast 140 Jahren einer pathogenetischen Medizin, die nach Krankheiten und Symptomen sucht, eine salutogenetische Medizin gegenüber, die Ge-sundheit finden will. Gleichzeitig definierte Still auch die Grenzen seiner neuen Medizin, die nur solange wirken kann, wie die Selbsthei-lungskräfte in der Lage sind, den Organismus gesunden zu lassen.

Als erfahrener Arzt hatte sich Still herausra-gende anatomische und physiologische Kennt-nisse angeeignet. Für das perfekte Funktionie-ren des menschlichen Organismus muss eine freie Ver- und Entsorgung aller Strukturen, vorwiegend über das Gefäß- und Nerven-system, gewährleistet sein. Eine wesentliche Rolle spielte hierbei für ihn die Wirbelsäule, hinter deren fehlgestellten oder blockierten Wirbelknochen er die Ursache zahlreicher Beschwerden und Krankheiten vermutete. Der Knochen (altgriech. Osteon) war Auslö-ser von Leiden (altgriech. Pathos) und musste mit sanften manuellen Techniken reponiert werden, damit die selbstregulierenden und -heilenden Kräfte im Körper wirken konnten. So entstand der Name Osteopathie. Ein aus heutiger Sicht etwas unglücklicher Name, weil er den vielfältigen Anwendungsbereichen und Möglichkeiten dieser sanften Medizinform nicht mehr gerecht wird.

Still stellte 3 Prinzipien als Grund-pfeiler auf, nach denen die Osteo-pathie funktioniert:

Struktur und Funktion Demnach be-stimmt einerseits die Struktur die Funktion, und andererseits formt die Funktion die Struktur. Dies lässt sich z.B. an Organen be-obachten, die in der Regel wachsen, wenn ihre Funktion zunimmt, und verkümmern, wenn ihre Funktion abnimmt. Hier setzt die Osteopathie an: Indem sie die Funktion über-prüft (Diagnose), erhält sie Aufschluss über die Struktur. Indem sie einer geschädigten Struktur zu ihrer ursprünglichen Funktion zurück verhilft (Behandlung), ermöglicht sie den Selbstheilungskräften, den Schaden an der

Struktur zu beheben. Damit ist der wesentliche Gegenstand der Osteopathie beschrieben: das Aufspüren und Behandeln von Dysfunktionen.

Der Organismus als untrennbare Einheit Weil aber kein Organ für sich alleine steht, haben Dysfunktionen immer Auswirkun-gen auf andere Strukturen und deren Funk-tionen. Ist z.B. die Beweglichkeit des Brust-korbs eingeschränkt, behindert dies zwangs-läufig die Lungenfunktion. Das einwandfreie Funktionieren eines Organs ist abhängig von seinen umgebenden Strukturen. Umgekehrt können Dysfunktionen umgebender Strukturen die Funktion eines Organs beeinträchtigen. Diese Abhängigkeit einzelner Strukturen und deren Funktionen zueinander erklärte Still zum zweiten Prinzip der Osteopathie, indem er den menschlichen Organismus als eine untrenn-bare Einheit beschrieb.

Tatsächlich lassen sich bei lokal auftretenden Beschwerden diagnostisch sehr oft auf- oder absteigende Dysfunktionsketten feststellen, die ganze Bereiche des Körpers durchziehen. So kann z.B. eine Dysfunktion im knöchernen Bereich des Beckens zu Schmerzen in den Leis-ten, einer Bursitis trochanterica, Knie- und/ oder Fußschmerzen führen. Die Verkettung kann aber auch in die kraniale Richtung füh-ren und Oberbauchbeschwerden, Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen sowie Kieferge-lenksbeschwerden auslösen. Die „Schnur“, an denen diese Dysfunktionen wie Perlen aufge-reiht sind, wird meist von Faszien gebildet. Gemeinsam bilden diese ein Netzwerk, das den gesamten Körper durchzieht und alle Strukturen miteinander verbindet. Die Arbeit an und mit den Faszien ist daher ein wesent-licher Bestandteil der Osteopathie.

Patienten reagieren oft verwundert, wenn ein Osteopath ihre lokal begrenzten Beschwer-den nicht weiter beachtet, sondern sie an ganz anderer Stelle behandelt. Osteopathen arbeiten eben nicht symptomorientiert, son-dern suchen nach der „Primärläsion“, also der

ursprünglichen Dysfunktion, die eine Kette an weiteren Dysfunktionen ausgelöst hat und oft an ganz anderer Stelle zu den Beschwerden des Patienten führt.

Unterstützung der Selbstregulation Osteopathen arbeiten ganz bewusst mit diesen selbstregulierenden und -heilenden Kräften des Körpers zusammen. Ihre wesentliche Auf-gabe besteht darin, alle Hindernisse zu beseiti-gen, die der Homöostase und der Selbstheilung im Wege stehen. Medikamente und invasive Eingriffe werden damit überflüssig. Wer darauf setzt, hat laut Still kein Vertrauen in die Fähig-keiten und Möglichkeiten des menschlichen Organismus. Er schrieb dazu: „Die Natur war gedankenreich genug, alles in den Menschen hinein zu geben, was unter ‚Medikamente’ zu verstehen ist.“ 2)

Manuelle Therapien In ihren Ausbil-dungseckpunkten charakterisiert die WHO die Osteopathie als eine eigenständige manuelle Medizin: „Zwar finden manuelle Techniken in verschiedenen manualtherapeutischen Beru-fen Anwendung, doch stellen die besondere Art der Einbindung osteopathischer Techniken in das Patientenmanagement, ebenso wie die Länge, Frequenz und Auswahl der jeweiligen Technik unverwechselbare Aspekte der Os-teopathie dar.“ 3)

Der Einsatz manueller Techniken in der Osteo-pathie unterscheidet sich deutlich von anderen manuellen Therapieformen. Denn die osteopa-thische Diagnose ist sehr ausdifferenziert und erlaubt sehr genaue lokale wie auch systemi-sche Befunde. Zudem erweist sich der thera-peutische Einsatz osteopathischer Techniken meist als sehr wirksam. Und schließlich ist eine Vielzahl der manuellen Techniken spezifisch, findet also ausschließlich in der Osteopathie Anwendung. In Deutschland zählt die Osteo-pathie übrigens zur Heilkunde und darf nur von Ärzten oder Heilpraktikern eigenständig ausgeübt werden.

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Um Funktionsstörungen mit den Händen zu erkennen und zu behandeln, palpieren Osteo-pathen die Bewegungen der einzelnen Struk-turen. Dabei kennt die Osteopathie drei Arten von Bewegungen:

• Mobilität bezeichnet die willentlich vom Zentralnervensystem gesteuerten Bewe-gungen.

• Motilität beschreibt die intrinsische Eigen-bewegung einer Struktur.

• Motrizität steht für die passive Bewegung von Strukturen aufgrund der Motorik des Bewegungsapparats.

Anhand dieser unterschiedlichen Bewegun-gen, deren Qualität, Ausmaß, Geschwindigkeit und Rhythmus können Osteopathen Dysfunk-tionen erkennen.

Das Ziel osteopathischer Techniken besteht darin, die ursprüngliche Bewegung wiederher-zustellen, damit die betroffene Struktur ihre Funktion wieder im vollen Umfang ausüben kann. Dabei geht es nicht darum, Änderungen zu erzwingen, sondern diese sanft hervorzu-rufen. Osteopathische Techniken sind also letztlich „Vorschläge“ des Therapeuten an den Organismus des Patienten. Willigt der Orga-nismus auf diese ein, dann können die Selbst-heilungskräfte für die notwendige Genesung sorgen. Die meisten osteopathischen Techni-ken sind daher sanft und erfordern wenig Kraft bzw. Druck. Auch wenn die Osteopathie über eine Vielzahl spezifisch osteopathischer Tech-niken verfügt, macht deren Anwendung allein noch keine Osteopathie aus. Entscheidend ist vielmehr, dass diese Techniken im Kontext der osteopathischen Prinzipien und des ihnen zu-grunde liegenden salutogenetischen Konzepts angewandt werden.

Insofern kann der „Wissenschaftlichen Be-wertung osteopathischer Verfahren“ der Bundesärztekammer vom 28.8.2009 wider-

sprochen werden, wonach „eine inhaltlich konzeptionelle Differenzierung der Begriffe ‚Osteopathie‘ und ‚Manuelle Medizin‘ bisher nicht ohne Weiteres möglich (ist). Denn os-teopathische Verfahren lassen sich (...) auch anwenden, ohne das besondere Menschenbild der ‚Osteopathie‘ US-amerikanischer Prägung und die damit kongruenten Funktionsvorstel-lungen zu übernehmen, wenn man sich dazu auf die Ebene anatomischer und neurophy-siologischer Grundlagenforschung begibt.“ 5)

3 Bereiche der Osteopathie

Die parientale Osteopathie Still kon-zentrierte sich mit seinem Konzept und seinen Prinzipien der Osteopathie vorwiegend auf den Stütz- und Bewegungsapparat des Menschen, also jenes System aus Knochen, Gelenken, Muskeln, Sehnen, Bändern und Faszien, das dem Körper Halt gibt und Bewegung ermög-licht. Heute bezeichnet man diesen Bereich der Osteopathie auch als parietale Osteopathie. Ihr Gegenstand ist das Lösen von artikulären, muskulären und myofaszialen Dysfunktionen.

Mit der parietalen Osteopathie werden klas-sischerweise orthopädische Beschwerden wie Schmerzen und/oder Bewegungseinschrän-kungen der Wirbelsäule, Nackenverspannun-gen, Schulter-Arm-Syndrom, Haltungsschäden und Gelenkschmerzen behandelt. Auch nach orthopädischen Operationen, wie z.B. an Hüfte oder Knie, kann parietale Osteopathie begleitend wirksam eingesetzt werden.

Die parietale Osteopathie gilt als der am bes-ten erforschte Bereich der Osteopathie. Diver-se randomisierte, kontrollierte Studien belegen die Wirksamkeit der parietalen Osteopathie, etwa bei der Behandlung von Rückenschmer-zen 6), Diskusprolaps 7), chronischer Epikondy-lopathie 8) und Sportverletzungen 9).

Die cranio-sakrale Osteopathie 1892 gründet Still, der mittlerweile durch seine Erfolge sehr bekannt geworden war und sein

Ruf als hervorragender Osteopath die Nach-frage erhöhte, die weltweit erste Schule für Osteopathie in Kirksville. Einer seiner Schüler war William Garner Sutherland (1873-1954), der in den 1930er-Jahren die Osteopathie um den cranio-sakralen Bereich erweiterte.

Ausgangspunkt seines neuen Konzepts war die Betrachtung der Suturen einzelner Schädel-knochen, die ihn an die Kiemen eines Fisches erinnerten. Sutherland mutmaßte daher, dass ein atemähnlicher Mechanismus, den er später als Primären Respiratorischen Mechanismus (PRM) bezeichnete, feine zyklische Bewegun-gen ermögliche, die, wie er palpatorisch fest-stellte, über die Hirn- und Rückenmarkshäu-te an den einzelnen Schädelknochen entlang der Wirbelsäule bis hin zum Kreuzbein (Os sacrum) erspürt werden können. Aufgrund dieser anatomisch-funktionellen Verbindung wird dieser Bereich der Osteopathie als cranio-sakrale Osteopathie bezeichnet und die feinen Bewegungen als cranio-sakraler Rhythmus.

Dieser Rhythmus stellt einen körpereigenen Automatismus vergleichbar dem Atem- und dem Herzrhythmus dar. Er beeinflusst den Stoffwechsel des gesamten Organismus und fungiert als ein Regulationssystem, das der Osteopath diagnostisch palpieren kann. Ertas-tet werden dabei die Amplitude, Symmetrie und Stärke des cranio-sakralen Rhythmus. Mit sehr feinen manuellen Techniken kann dann therapeutisch auf ihn eingewirkt werden.

Obwohl es für den PRM und dessen Rhyth-mus diverse Erklärungsmodelle gibt, muss festgehalten werden, dass diese bislang wis-senschaftlich nicht belegt werden konnten. Dennoch arbeiten Osteopathen und auch an-dere Therapeuten erfolgreich mit dem cranio-sakralen Rhythmus. Zudem hat Sutherland mit den von ihm entwickelten cranio-sakralen Techniken den vorher als starr geltenden Schädel der osteopathischen Behandlung zugänglich gemacht, sodass eine ganze Rei-he unterschiedlichster Beschwerden und Er-krankungen im Bereich des Kopfes manuell behandelt werden können.

Hierzu zählen u.a. pränatale und geburts-bedingte Dysfunktionen bei Neugeborenen. Rechtzeitig therapiert, können so spätere Be-schwerden verhindert werden. Randomisierte, kontrollierte Studien über die Wirksamkeit der Osteopathie im cranio-sakralen Bereich gibt es u.a. zur rezidivierenden Otitis media 10), zur Dreimonatskolik 11), zu Schwindel 12) zu temporomandibulären Dysfunktionen 13), zu Nackenschmerzen 14),15), Migräne 16) und Spannungskopfschmerz 17).

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Paracelsus I 04.16

Die viszerale Osteopathie Die osteo-pathische Behandlung der Organe des Thorax, des Bauchraums und des Beckens wurde vor-wiegend durch die beiden Osteopathen Jean-Pierre Barral und Jacques Weinschenck in den 1980er-Jahren in Frankreich entwickelt. Sie übertrugen die Prinzipien der parietalen Osteo-pathie auf die inneren Organe und entwickel-ten manuelle Techniken für deren Behandlung.

So lässt sich z.B. die Funktion des Gelenks als bewegliche Verbindung mehrerer Knochen auch auf die inneren Organe anwenden. Hier kennzeichnen die Anheftungspunkte zu ande-ren Strukturen und die gemeinsamen Gleitflä-chen ein „viszerales Gelenk“ und bestimmen somit dessen Bewegungsrichtungen und Be-wegungsausmaße. Tatsächlich lassen sich auch im viszeralen Bereich unterschiedliche Bewe-gungen palpieren: So steht hier die Mobilität für die passive Bewegung eines Organs auf-grund der Atembewegung des Diaphragmas. Die Motilität beschreibt die Bewegung eines Organs im Raum und unterscheidet zwischen

einer Inspir- und einer Exspirphase. Die Mot-rizität schließlich steht für die passive Bewe-gung eines Organs aufgrund der Motorik des Bewegungsapparats.

Zu den typischen Ursachen viszeraler Dysfunk-tionen zählen Fixationen etwa aufgrund von Verklebungen oder Ptosen. Auch können die diversen haltenden und bindenden Strukturen wie Ligamente, Mesenterien und Omenta ana-tomisch oder funktionell bedingt die Bewe-gungen der einzelnen Organe einschränken.

Das wesentliche Ziel der viszeralen Osteopa-thie besteht darin, die Bewegungseinschrän-kungen innerer Organen zu lösen, damit die-se wieder ihre Funktionen in vollem Umfang ausüben können.

Randomisierte, kontrollierte Studien über die Wirksamkeit der Osteopathie im viszeralen Bereich gibt es u.a. zu Bluthochdruck 18), gas-trointestinalen Beschwerden 19), Lungenent-zündung 20) und schwangerschaftsbedingten Rückenschmerzen 21).

Fazit Seit die Osteopathie vor 30 Jahren um

den viszeralen Bereich ergänzt wurde, lässt

sich der gesamte menschliche Organismus os-

teopathisch diagnostizieren und behandeln.

Die Praxis zeigt, dass z.B. Dysfunktionen im

viszeralen Bereich zu Beschwerden im pari-

etalen Bereich führen oder sich cranio-sak-

rale Störungen viszeral äußern können. Die

Anwendung nur eines Bereichs würde dem

menschlichen Organismus also nicht gerecht

werden. Die Osteopathie folgt deshalb jenem

Prinzip, das ihr Begründer Andrew Taylor Still

bereits vor fast 140 Jahren definiert hatte: Der

Mensch ist eine untrennbare Einheit.

Literaturhinweise beim Verlag.

Christoph NewigerMedizinjournalist

[email protected]

Die Paracelsus Heilpraktikerschulen bieten als einzige bundesweit organisierte Ausbil-dungsinstitution für naturheilkundliche Ver-fahren eine Ausbildung z. Osteopathen/in an, die sowohl als zusätzliche Qualifikation für bereits zugelassene Heilpraktiker, Ärzte oder Physiotherapeuten als auch für Interessenten ohne medizinische Vorbildung geeignet ist. Die in der Regel 30-monatige Ausbildung umfasst insgesamt mindestens 1350 Unter-

richtsstunden, findet vornehmlich an Wochen- enden, Abenden sowie in zentralen Inten-sivwochen statt und ist somit auch neben-beruflich absolvierbar. Praxiserfahrene Dozen- tinnen und Dozenten vermitteln die basis- medizinischen Grundlagen sowie die Osteo- pathie in Theorie und Praxis. Im Mittel-punkt stehen das Erlernen und praktische Üben der osteopathischen Techniken im Hinblick auf die künftige Praxistätigkeit.

Die Ausbildung wurde zusammen mit dem Verband Freier Osteopathen e.V. (VFO) ent-wickelt und führt über die Verbandsprüfung und -zertifizierung zur möglichen Kassenaner-kennung. Der modulare Aufbau des Studiums ermöglicht eine Verkürzung, wenn Vorkennt-nisse vorhanden sind. Weitere Informationen auf www.paracelsus.de und bei allen Studien-leitungen der Paracelsus Schulen.

Die Paracelsus Ausbildung z. Osteopathen/in