Alles eine Frage der Haltung - Leseprobe

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13 Alles eine Frage der Haltung oder „Wie man in den Wald hineinruft …“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Aufsichtsrat und Vor- stand, sie erfahren tagtäglich, wie es herausschallt aus dem „Wald“ des Altonaer Spar- und Bauvereins, der altoba. Mal herzlich mit Dankesbrief und Kuchen, mal wütend oder ge- kränkt, mal mit energischen Forderungen oder gleich mit einer Mitgliederinitiative. Inzwischen hat sich der Ton versachlicht, ist freundlicher und unaufgeregter geworden. Denn wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Wohnungsgenossenschaften sind ihren Mietern und Mit- gliedern in ganz besonderer Weise verpflichtet. Eine Genossen- schaft ist demokratisch organisiert, die Unternehmensform er- fordert große Transparenz. „Wie sage ich es meinem Mitglied?“ ist im Arbeitsalltag der Mitarbeiter zu einer wichtigen Frage geworden und hat für den Vorstand geradezu strategische Be- deutung gewonnen. Vom Alltag der Mitarbeiter, der Gremien und des Vorstands handelt dieses Buch. Wir – das sind der Vorstandsvorsitzende einer großen Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft und eine Journalis- tin, die große Strecken des im Buch beschriebenen Prozesses als externe Beraterin begleitet hat – wollen dem Leser einen Ein- blick in die Praxis und jüngere Geschichte des Altonaer Spar- und Bauvereins geben. Wenn zwei Autoren über einen Prozess schreiben, in denen sie selbst in unterschiedlichen Rollen beteiligt waren, stehen sie vor dem Problem, aus welcher Perspektive sie das Geschehen beschreiben. Wir haben uns dafür entschieden, hin und wieder VORWORT Haltung, die Wortart Substantiv, feminin Worttrennung Hal|tung Bedeutungen Art und Weise, besonders beim Stehen, Gehen oder Sitzen, den Körper, besonders das Rückgrat, zu halten; Körperhaltung innere [Grund]einstellung, die jemandes Denken und Handeln prägt Verhalten, Auftreten, das durch eine bestimmte innere Einstellung, Verfassung hervorgerufen wird www.duden.de

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Leseprobe des Buchs alles Eine Frage der Haltung

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12 13Alles eine Frage der Haltung oder Wie man in den Wald hineinruft MitarbeiterinnenundMitarbeiter,AufsichtsratundVor-stand,sieerfahrentagtglich,wieesherausschalltausdem WalddesAltonaerSpar-undBauvereins,deraltoba.Mal herzlichmitDankesbriefundKuchen,malwtendoderge-krnkt, mal mit energischen Forderungen oder gleich mit einer Mitgliederinitiative.InzwischenhatsichderTonversachlicht, ist freundlicher und unaufgeregter geworden. Denn wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.Wohnungsgenossenschaften sind ihren Mietern und Mit-gliedern in ganz besonderer Weise verpichtet. Eine Genossen-schaft ist demokratisch organisiert, die Unternehmensform er-fordert groe Transparenz. Wie sage ich es meinem Mitglied? istimArbeitsalltagderMitarbeiterzueinerwichtigenFrage geworden und hat fr den Vorstand geradezu strategische Be-deutung gewonnen. Vom Alltag der Mitarbeiter, der Gremien und des Vorstands handelt dieses Buch.WirdassindderVorstandsvorsitzendeeinergroen HamburgerWohnungsbaugenossenschaftundeineJournalis-tin, die groe Strecken des im Buch beschriebenen Prozesses als externe Beraterin begleitet hat wollen dem Leser einen Ein-blick in die Praxis und jngere Geschichte des Altonaer Spar- und Bauvereins geben. Wenn zwei Autoren ber einen Prozess schreiben, in denen sie selbst in unterschiedlichen Rollen beteiligt waren, stehen sie vordemProblem,auswelcherPerspektivesiedasGeschehen beschreiben. Wir haben uns dafr entschieden, hin und wieder VORWORTHal tung, die WortartSubstantiv, femininWorttrennung Hal|tungBedeutungen Art und Weise, besonders beim Stehen,Gehen oder Sitzen, den Krper, besonders das Rckgrat, zu halten; Krperhaltunginnere [Grund]einstellung, die jemandes Denken und Handeln prgtVerhalten, Auftreten, das durch einebestimmte innere Einstellung, Verfassung hervorgerufen wird www.duden.de14 15Ohne eine gute Kommunikation luft nichts. Heute nimmt die altoba ihren Auftrag der Mitgliederfrderung auch als Kom-munikationsaufgabe wahr.Kommunikation an sich zu ergrnden und Theorien vor-zustellen,hattenwirdabeinichtimSinn.Siendenaberin diesem Buch Hinweise und Zitate von anderen, deren Theorien uns weitergeholfen haben, und von denen, die uns auf diesem Weg begleitet haben. An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich bei all denen, die uns mit Wort und Tat bei diesem Buch untersttzt haben. Ganz besonderer Dank gilt Elke Kunze, Holmer Stahncke, Anke Pieper und Roland Wegner. Hamburg, im Oktober 2014, Holger Kowalski, Brbel WegnerVORWORTberunsinderdrittenPersonzuschreiben.DieseFormder Kommunikation halten wir fr lesbarer.WirhabendieGenossenschaftalseinlernendesUnter-nehmenbeschrieben.UndLernprozesse,dasistkeineFrage, verlaufenniegradlinig.MituntermussmaninKaufnehmen, dassetwasnichtgelingtoderdasssichdieDingeinunter-schiedlichen Geschwindigkeiten entwickeln.InAltonaundinUmgebunglebennochvieleMitglieder, deren Familie ber Generationen beim Altonaer Spar- und Bau-verein wohnt. Handfeste Leute, die auf eine Mieterhhung mit wat mutt, dat mutt reagieren. Sie wohnen Seite an Seite mit einer teilweise kritischen jungen Klientel. Diese ist zu nachhalti-gen Protesten in der Lage, wenn ihr etwas nicht gefllt, zeigt sich aber auch aufgeschlossen und kreativ und durchaus bereit, sich frihreGenossenschafteinzusetzen.VielenihrerMitglieder, abervorallemdiesenbeidenGruppenverdanktdieGenossen-schaft viel!So unangenehm es am Anfang schien, sich ungewohnter Kritik zu stellen und fordern zu lassen, hat es sich doch als aus-gesprochenpositiverwiesen,mitdieserHerausforderungum-zugehen.DerdamitverbundeneProzess,gemeinsammitden Mitgliedern durchlaufen, hat viele Chancen erffnet und Poten-ziale erkennen lassen, die sonst mglicherweise nicht genutzt htten werden knnen.Von diesem Prozess handelt unser Buch. Es handelt von der Zukunftswerkstatt und den Zukunftstagen, die die Mitarbeiter zusammengeschweithaben.EshandeltvondenMitgliedern undeinemneugewonnenenVerhltniszuihnen.Eshandelt von der Art, mit ihnen zu kommunizieren. Es handelt von Erfol-gen und wie knnte es anders sein auch von Rckschlgen. VORWORT20 21Altonaer Spar- und Bauverein nicht abgehngt werden, durfte er nicht verharren, sondern musste seine Position im Stadtteil neu denieren. Sonst wren ihm die Dinge bei der einen oder anderen Gelegenheit um die Ohren geogen. Eswarklar,manmusstezueinerneuenHaltung,ei-nemneuenSelbstverstndnisnden.AuchwenndasEin-gangsbeispieleinextremesistmiteinerdieMitglieder abwertendenHaltungkonnteesnichtweitergehen.Was sindnundieGrundlagenderneuenHaltungdesAltona-erSpar-undBauvereins?SielassensichmitdenBegriffen RespektundDialogaufAugenhheaufdenPunktbringen. Res pekt gegenber anderen sollte auch ohne Schulung in Kun-denorientierungeigentlicheineSelbstverstndlichkeitsein erstrechtfreineGenossenschaft,derenMitgliederalsAn-teilseigner mehr als nur Mieter sind. Dass man das vor Jahren anders sah und Mitglieder, die ein Anliegen hatten, hug in die Rolle von Bittstellern degradierte, ist heute nur noch schwer nachzuvollziehen. Und ebenso schwer el es den lteren Mit-arbeitern,diedieseHaltungverinnerlichthatten,sichandie neuen Formen zu gewhnen. Warum sollte man mit denen in einen Dialog eintreten? Und warum sollte man mit Nichtmit-gliedern, mit Bewohnern aus dem Stadtteil oder Institutionen, mit denen man nicht geschftsmig zu tun hatte, berhaupt Kontakt aufnehmen?Heute steht fest, dass diese Dialogbereitschaft wichtig ist, dass sie den Handlungsspielraum der Genossenschaft nicht ein-engt, sondern das Unternehmen im Gegenteil voranbringt. Sie macht sie zum Player im Stadtteil, zum Partner, dessen Stimme Gewichthat.Inden1970er-Jahren,alseinebreiteBrgerbe-wegungdiePlnedesHamburgerSenatsverhinderte,ganze Wohnquartiere im Altonaer Stadtteil Ottensen zugunsten einer neuenBrostadtundeinesvierspurigenAutobahnzubringers abzureien, war der Spar- und Bauverein noch kein Player in diesem Sinne. Er beteiligte sich nicht an der Debatte und stand KAPITEL 1 HALTUNGWer zu spt kommt,den bestraft das LebenOhne eine Haltung ist man orientierungslosZwei Szenen vorweg.Die Geschftsstelle des Altonaer Spar- und Bauvereins in den 1970er-Jahren. Im Eingangsbereich steht eine Tafel, auf der in groen Buchstaben zu lesen ist: Es werden keine Mitglieder aufgenommen. Betritt ein Fremder die Eingangshalle, zeigt der MitarbeiterwortlosaufdasSchild.KeinWortfllt,nurdiese Geste,siesignalisiert:Duhasthiernichtszusuchen.Dubist hier nicht erwnscht. Ganz anders heute. Besucher des Altonaer Spar- und Bau-vereins werden nicht mehr abgewiesen, sie werden empfangen. Eine Mitarbeiterin beantwortet erste Fragen. Sie zeigt den Weg in das Mieter-Centrum oder Neukunden-Centrum, wo sich ein MitarbeiterihrenAnliegenannimmt.Oberihnenhelfenund ihnentatschlicheineWohnunganbietenkann,stehtaufei-nemanderenBlatt.Wichtigistjedoch,dassderBesucherdas Gebude mit dem Gefhl verlsst, von der Genossenschaft res-pektiert und ernst genommen worden zu sein.Nun mag man einwenden, frher sei eben alles anders ge-wesen strenger und autoritrer. Stimmt, und dennoch ist es nicht selbstverstndlich, dass man bei der altoba heute anders agiert.EsistdasErgebniseineslangenProzesses,einesteils mhsamen Prozesses. Die neue Haltung, mit der die altoba ih-ren Mitgliedern und den Menschen im Stadtteil gegenbertritt, wurde erarbeitet mitunter auch im Wettlauf mit der Zeit, denn seit der 68er-Studentenbewegung haben sich besonders die Al-tonaerschnelleremanzipiertalsdieBewohnerandererHam-burger Stadtteile. Doch dazu an anderer Stelle mehr. Wollte der 1KAPITEL 1 HALTUNG22 23KAPITEL 1 HALTUNGAusdenaufgeregtenGremienbesprechungensindStzewie Denen muss man es zeigen, Wir nehmen nichts zurck und Die schlieen wir aus, das sind doch Demagogen berliefert.Solche destruktiven Ansichten haben sich in Altona nicht durchsetzen knnen. Einige andere Genossenschaften, die auf die harte Tour versuchten, hnliche Probleme aus dem Weg zu rumen,habenindieserZeit,EndedeserstenJahrzehntsdes neuen Jahrhunderts, Lehrgeld zahlen mssen. Ein Vorstand ei-ner Genossenschaft in Hamburg musste zurcktreten, Vertrge vonVorstandskollegenwurdenaufDruckderGremiennicht verlngert. Im unruhigen Berlin sahen sich die Genossenschaf-ten auf einmal mit der gut vernetzten Vereinigung Genossen-schaftvonuntenkonfrontiert.hnlichunruhigwaresauch inAltona,dasimmermehrStudenten,Knstler,Punksund Bauwagenbewohner anzog. Aus dem einstigen Industrie- und Arbeiterstadtteilentwickeltesicheinakademischgeprgtes WohnquartierfrAlternative.BrgerbeteiligungundParti-zipationbeiderStadtentwicklungstandeninAltonasSzene-StadtteilOttensenschonJahrzehntevorStuttgart21aufder Tagesordnung.SiewarenhierlngstkeineForderungmehr, sondern wurden praktiziert. 1982 kamen die ersten Punks nach Altona, der erste Bauwagenplatz entstand. Inzwischen sind es vier Pltze, der Bezirk ist stolz darauf.abseitsvomGeschehen.DieRolleeinerGenossenschaftkann nicht die eines Stadtentwicklers sein, dennoch bringt die altoba sich heute anders ein als zur genannten Zeit. Wegsehen, wenn es um elementare Interessen des Stadtteils geht, wrde nieman-demmehreinfallen.AlsdasAltonaerMuseum2010vonder Schlieung bedroht war, mischte der Spar- und Bauverein sich ein. Er tat es, indem er dem Museum als Kooperationspartner zur Seite trat und eine sechs Monate dauernde Ausstellung zur Geschichte der Genossenschaft organisierte und nanzierte. Wiekames,dasssicheinsolchselbstgeflliger,insich ruhenderVerwaltungsapparataufdenWegmachteundsich wiederaufdasursprnglichegenossenschaftlichePrinzipbe-sann, das die Interessen von Mitgliedern, Mitarbeitern und Un-ternehmen heute als einen Dreiklang versteht? Die Antwort ist einfach:DerjeweilsnichtbercksichtigteKlangbrachtesich selbst zu Gehr. Es waren zuerst die Mitarbeiter, dann die Mit-glieder, die Beteiligung forderten. Die Mitarbeiter zeigten ihren Unmut Ende der 1990er-Jahre durch Kndigungen, die Mitglie-der in den folgenden Jahren durch Proteste gegen Manahmen der Genossenschaft.Anfang der 1980er-Jahre wurden erstmals Mieterhhungen in Frage gestellt. Wenig spter waren es angekndigte Moder-nisierungen, dann die Mietenstrategie, die von den Mitgliedern aufdieTagesordnunggesetztwurde.Eskonntenichtausblei-ben, dass sich Fronten bildeten und die Spannungen wuchsen. MithnlichenProtestbewegungenmusstensichauchandere GenossenschaftenindiesenJahrenauseinandersetzen.Alles wurdeinFragegestellt:DieseBumewerdennichtgefllt, Geben Sie nicht so viel Geld aus oder Wir wollen eine basis-demokratischeSatzungForderungen,dieindenOhrendes jeweiligen Vorstands und der Mitarbeiter nicht nur ungewohnt waren, sondern geradezu als despektierlich empfunden wurden. Wie kamen Menschen, die zum Teil nicht einmal Mitglieder der Genossenschaftwaren,dazu,solcheForderungenzustellen? KAPITEL 1 HALTUNG24 25Hoffnung und der Anspruch des Vorstands. Es war ja nicht zu bersehen,dassdieEntwicklunganFahrtaufnahmundsich aufdenunterschiedlichstenEbenendifferenzierte.Nichtnur emanzipierten sich die Mitglieder und die Bewohner des Stadt-teils zusehends, ihnen standen auch neue technische Kommu-nikationsmglichkeitenineinembisdahinungeahntenAus-ma zur Verfgung. Seit 2001 waren beispielsweise smtliche MitarbeiterderaltobaperE-Mailzuerreichenundvieleder Mitglieder ebenso.Pltzlich bildeten sich neue Interessensvertretungen auer-halb der satzungsgemen Gremien, die ihre Anliegen zunchst durchklassischeUnterschriftenlisten,aberauchdurcheigen-stndiges Einberufen von Versammlungen und ber Mieterini-tiativenkommunizierten.SptervernetztensiesichdurchFo-ren und Blogs im Internet und gewannen an Schlagkraft. Eine WaschhausgruppeschriebderGenossenschaft,eineGruppe Noch schner wohnen mischte sich ein, vor der jhrlichen Ver-treterversammlung wurde mit einer Demonstration protestiert.SolcheInitiativen,seiensieausdenReihenderMitglie-der oder aus den Stadtteilen, sind heute meist gut aufgestellt. Sie gehen routiniert und professionell mit den alten und neuen Medienum.SomancherAufrufzurDemonstrationwirdmit professioneller Grak erstellt. Mit einer klar denierten Haltung kann man transparent und unaufgeregt kommunizieren und den Standpunkt der Genossen-schaft darlegen, ohne dass sich die Fronten sofort verhrten. Wie man in den Wald hineinruft, schallt es heraus, sagt man gern. Also musste auch an einer neuen Kommunikationshaltung gearbeitet werden. Gute Kommunikation ist anspruchsvoll und zeitaufwen - dig und sie verlangt viel Geduld von den Mitarbeitern, die ja vorallemihrTagesgeschftbewltigenmssen.Schnellkann man durch unbedachte uerungen, einen ungnstig formulier-ten Brief, eine vorschnelle Entscheidung wieder einreien, was mhsam aufgebaut wurde.KAPITEL 1 HALTUNGImmermehrderjungen,unruhigenAltonaerwohnten auch beim Spar- und Bauverein. Mit ihnen in einen Dialog zu tretenundeineWechselbeziehungeinzugehen,warfrden neuen, 1980 ins Amt gekommenen Vorstand eine unumgngli-che Notwendigkeit, auch wenn der alte Stamm der Mitarbeiter dafr weitaus weniger zu begeistern war. Dabei sprach nichts dafr,sichdiesergesellschaftlichenEntwicklung,diejadem WesenderGenossenschaftentsprach,entgegenzustellen.Bot sienichtauchMglichkeiten,sichneuzupositionieren,vor-ausgesetzt,manbernahmdieInitiative?DieGenossenschaft wollte Initiatorin, nicht nur Reagierende sein. Doch zunchst musste im Unternehmen eine neue Haltung entwickelt und etabliert werden. Auf dieser Basis war dann eine neue Kommunikationsstrategie auszuarbeiten. Das alles konn-te nicht ber Nacht geschehen und schon gar nicht, vom Vor-standalleinamgrnenTischerarbeitetwerden.Eswareine Gemeinschaftsaufgabe.AlleMitarbeitermussteneinbezogen undvonderRichtungberzeugtwerden.WardieneueHal-tung entwickelt, wrde man den Herausforderungen einer sich imWandelbendlichenGesellschaftgewappnetseinsodie KAPITEL 1 HALTUNGEine lebendige Satzung: auf dem Titel sind Mitarbeiter, Aufsichtsrat und Vor-stand abgebildet (2004)26 27Man muss auch im Umgang mit dem gesellschaftlichen Umfeld professionell aufgestellt sein, eine eigene Haltung in der Kom-munikation erarbeitet und verinnerlicht haben. Genossenschaften gehren zu den ltesten Unternehmun-genderMenschheitundsieknnen,wennsieesnurwollen, mitderZeitgehenundsoaucheinModellfrdieZukunft sein. Genossenschaften bildeten in ihrer Geschichte hug eine Avantgarde, die durch ihre Ideen und ihr Beispiel Gesellschaf-ten vorangebracht haben. Viele arbeiten daran, dass es wieder sowirdnichtnurderAltonaerSpar-undBauverein.Viele Neuerungen und Ideen lieen sich aufzhlen ber das Land verteilt bei den 2.000 Wohnungsgenossenschaften.Sie sollten den Wandel unserer Gesellschaft sei es der in derDemograeoderderinderMitbestimmunggemeinsam gestalten, durch guten Austausch in der Branche und mit den Mitgliedern, mit denen sie tagtglich zu tun haben. Denn der Wandel ndet ohnehin statt. KAPITEL 1 HALTUNGMan sieht, eine stringente Haltung zu erarbeiten und sie in den Kpfen und Herzen der Mitarbeiter zu verankern, war eine anspruchsvolleundmhsameAufgabe.Abersiewarunum-gnglichwerzusptkommt,denbestraftdasLeben.Die altoba kam nicht zu spt. Das Ergebnis zeigte, wie richtig der eingeschlageneWegwar.DiealtobaistbekanntinHamburg und in der Branche berregional gut angesehen. Und sie gilt im Stadtteil als verlsslicher Partner, als Immobilienunternehmen, demniemandvorwirft,sichanderheftigkritisiertenGentri-zierungAltonaszubeteiligen,alsGenossenschaft,diezum Stadtteil gehrt und im Interesse des Stadtteils handelt. Koniktsituationen von ihnen wird in spteren Kapiteln die Rede sein lassen sich bei der altoba heute in der Regel pro-blemlos entschrfen, wenn nicht gar lsen. Die Mitglieder sind zufrieden, wie Befragungen ergeben und wie man bei persnli-chen Begegnungen immer wieder feststellen kann. Und auch die MitarbeiterlassennichtsaufihrenArbeitgeberkommen.2013 votierten sie dafr, dass die altoba auf der Liste der Besten Ar-beitgeber in Hamburg gut platziert wurde. Auszeichnungen gab es etliche, nicht nur von den Verbnden der Wohnungswirtschaft.Das alles ist kein abgeschlossener Prozess der Altonaer Spar- und Bauverein ist keine Insel der Glckseligen. Neue He-rausforderungenundKoniktebleibennichtaus,nurwissen Vorstand und Mitarbeiter jetzt, wie sie mit ihnen umgehen kn-nen. Doch die Zeit bleibt nicht stehen, und die Genossenschaft mussweiterhinreagierenbessernochimVorfeldagieren. Auch die einmal entwickelte Haltung darf nicht stillstehen, es gilt das Schlagwort vom lebenslangen Lernen. DasKoniktmanagementhatsichbeimAltonaerSpar- undBauvereinindenvergangenenJahrzehntenzueinerei-genen Disziplin mit professionell agierenden Mitarbeitern und einemgutenNetzwerkexternerRatgeberentwickelt.Umbe-stehen zu knnen, reicht es lngst nicht mehr aus, gut aufge-stellt zu sein und ein geordnetes Zahlenwerk zu prsentieren. KAPITEL 1 HALTUNG159Alles in Ordnung?Gemeinsam eine neue Hausordnung entwickelnViele Mitgliederprojekte, die der Altonaer Spar- und Bau-verein in den vergangenen Jahren entwickelt hat, wandten sich zwarinersterLinieandieMitglieder,warenaberauchstets von der ffentlichkeit registriert worden. Das Geschichtsprojekt altoba forscht, ein Beitrag zur Erforschung der Geschichte der Genossenschaft, wre ohne das Engagement der Mitglieder gar nicht mglich gewesen. Diesen Elan und den Wunsch nach Beteiligung der Mitglie-der machte sich die altoba zunutze, als sie in den Jahren 2010 bis 2012ihreHausordnungaktualisierte.DieHausordnungrichtet sich zwar nicht an die ffentlichkeit, geht aber jeden Bewohner etwas an. Beteiligung der Mitglieder entspricht der Unternehmens-kultur.WarumalsonichtdieMitgliederinsBootholen,indem sie bei der berarbeitung beteiligt werden? Die alte Hausordnung musstedringendaktualisiertwerden,etlicheFormulierungen waren veraltet, einige Inhalte mussten auf den Prfstand gestellt werden. So sollte das leidige Thema Grillen neu geklrt werden, Neuerungen wie Rauchwarnmelder aufgenommen und Kartei-leichen wie Teppichklopfen entfernt werden.EineRegeldermitdenMitarbeiterndurchgefhrtenZu-kunftswerkstatt lautet: Betroffene zu Beteiligten machen. Denn gemeinsam erarbeitete Ergebnisse werden eher akzeptiert als Re-geln, die einfach vorgesetzt werden. Das allein rechtfertigte den erhhten Zeitaufwand, den man brauchte, um bei der nun zum Projekt gewordenen Hausordnung alle Anregungen aufzuneh-men und teilweise einzuarbeiten. Die Zeit, die man hier inves-tierte,sodieberlegung,spartemanspterwiederein,wenn die neue Hausordnung beachtet wrde und weniger Nachfragen oder Beschwerden einliefen. Hinzu kam, dass die Mitglieder in-teressanteundfrdieMitarbeiterberraschendeAnregungen KAPITEL 24 NEUE HAUSORDNUNG24160 161KAPITEL 24 NEUE HAUSORDNUNGeinbrachten.SosetztensichdieMitgliedermitdemSinnder Hausordnung auseinander, brachten ihre eigenen Auffassungen von Gemeinschaft ein oder wnschten sich Illustrationen bei der Gestaltung der Hausordnung. Diese Lebendigkeit wurde in der Gestaltung eingefangen: Etliche Zuschriften tauchen als O-Ton-Zitate, vom Hausordnungstext abgesetzt, wieder auf.Docheinesnachdemanderen:Zunchsteinmalwurde diealteHausordnungvondenMitarbeiterninvielenSitzun-gen berarbeitet. Sie brachten notwendige nderungen ein und lieen diese noch sehr trockene Fassung extern berarbeiten. Gleichzeitig wurden die Mitglieder per Mieterzeitung und Home-page sowie mit einer Befragung per Postkarte in der Geschfts-stelle gebeten, Vorschlge fr die neue Hausordnung der altoba zu machen. Die Beitrge wurden spter auf der Unternehmens-Homepage verffentlicht und zur Diskussion gestellt.DieResonanzwarberwltigend.ZahlreicheZuschriften trafenein.Whrendsichdieeinenfreuten,miteinbezogenzu werden, stiegen andere gleich konkret ein und bezeichneten die Hausordnung als veraltet. Einige Mitglieder stellten auch die Hausordnung als solche in Frage. Zu viele Regeln wrden das Gefhl von zu Hause sein zerstren. Auerdem wrde die beste Hausordnung nichts ntzen, wenn es immer mehr Mieter gbe, die meinten, eine Hausordnung gelte nur fr die anderen, je-dochnichtfrsie.DennochbeteiligtensichauchdieKritiker einer Hausordnung mit konstruktiven Beitrgen. Eine groe Zahl der Beitrge zeigte eine positive Einstellung zur Nachbarschaft: Wir leben hier, weil wir mit anderen Men-schenzusammenlebenwollen.VielebewiesenihreFhigkeit zur Selbstorganisation, nicht untypisch fr die Mitglieder des Altonaer Spar- und Bauvereins. Ich sehe die Hausordnung als Kommunikationsgrundlage, um mit Nachbarn ein Zusammenle-ben selbststndig zu handeln. DiemeistenZuschriftenenthieltenjedochkonkreteAnre-gungen, die sich nicht unerwartet auf Treppenhausreinigung, Eine Regel der mit den Mit-arbeitern durchgefhrtenZukunftswerkstatt lautet: Betroffene zu Beteiligten machen. Denn gemein-sam erarbeitete Ergebnisse werden eher akzeptiert als Regeln, die einfach vorgesetzt werden. Das allein recht-fertigte den erhhten Zeitaufwand, den man brauchte, um bei der nun zum ,Projekt gewordenen Hausord-nung alle Anregungen aufzunehmen und teilweise einzuarbeiten. 162 163Die neue gemeinsam erarbeite Haus-ordnungwirdvondenMitgliedernan-scheinend ernst genommen. Eine Befra-gungzurWohnzufriedenheit2013er-gab, dass nur zwei Prozent der Mitglieder von der altoba erwarteten, dass diese sich mehr um Sauberkeit und Einhaltung der Hausordnung kmmern sollte. Eine Hausordnung kann immer nur einMittelzumZwecksein.Besserals Verbotsschilder die es glcklicherweise in rigider Form bei der altoba nicht mehr gibt ist eine funktionierende Nachbar-schaft, in der man Dinge ansprechen kann, ohne dass es gleich zum Streit kommt. Das funktioniert zum groen Teil gut. Einer-seits. Andererseits suchen anscheinend weniger Mitglieder ein direktes und klrendes Gesprch untereinander, sondern rufen stattdessen die Genossenschaft als Schlichter und Schiedsrich-ter an. Sie soll sich um strende Fahrrder oder Mll im Flur kmmern. Eine klar und deutlich formulierte Hausordnung kann hier untersttzen.SieisteineKommunikationsgrundlage,umdas ZusammenlebeninderNachbarschaftzuregeln.Nichtalles lsst sich festlegen: Ich kenne neu eingezogene Nachbarn gar nicht, schrieb ein Mitglied und schlug vor, in die Hausordnung den Passus aufzunehmen, dass neue Nachbarn sich vorzustel-len htten. Diese Regel wurde nicht aufgenommen. Dafr aber entstanddieAktionBlumenstrafrnetteNachbarnein Dankeschn fr Nachbarschaftshilfe. IstnunallesinOrdnung?NachdemSpielistvordem Spiel, heit es. Und so hat die altoba bereits bei Erscheinen der neuen Hausordnung ihren Mitgliedern versprochen, dass diese nacheinigerZeitwiederberarbeitetwirdundsieerneutzur Beteiligung eingeladen werden. KAPITEL 24 NEUE HAUSORDNUNGRuhe strungenunddasGrillenimHofbezogen.Thematisiert wurden auch Fahrradparkpltze und der Umgang mit den genos-senschaftlichen Waschmaschinen. Einige Mitglieder warben um Verstndnis, dass in der modernen Arbeitswelt manche Verbote fehl am Platze seien. So knne der laute Teil der Hausarbeit von vielen erst spt abends erledigt werden. Andere dagegen pochten auf die Einhaltung von Ruhezeiten, zumal die Huser sehr hell-hrig seien und man erwarten drfe, sich zu Hause zu erholen. Ein Dilemma, mit dem die Mitarbeiter sich tagtglich schlichtend beschftigen mssen, mit und ohne aktuelle Regeln. Schlielich legte man in der neuen Hausordnung neue Ru-hezeiten fest: Sie gelten tagsber mittags von 14 bis 15 Uhr und an Werktagen von 22 Uhr abends bis 7 Uhr, sonntags bis 10 Uhr morgens.IndergedrucktenHausordnungwirddasDilemma zwischen Ruhebedrfnis und Hausarbeit durch eine Illustration aufgegriffen.DasGrillenaufdemBalkonundinInnenhfen ist mit Rcksichtnahme auf andere Nutzer seitdem gestattet auf dem Balkon aber nur mit einem Elektrogrill. Neu in die HausordnungaufgenommenwurdeaucheineBitteumVer-stndnis fr spielende Kinder, aber auch der Hinweis, dass den Kindern Grenzen zu setzen wren. SchlielichbekamenderVorstandundderAufsichtsrat dieberarbeiteteHausordnungnachetlichenFassungenund Bearbeitungen(Synopsen)vorgelegt.Siefandennurwenig Diskussionsstoff. Man spre den Geist dieser neuen Hausord-nungundbegrediese,hieeseinstimmigvonSeitendes Aufsichtsrats.Nebeneinigennderungenunddenneuenzustzlichen InhaltenunterscheidetsichdieneueHausordnungvorallem durch eine modernere Sprache und eine neue Haltung von ihrer Vorgngerin, betont der Leiter des Mietercentrums. Die Haus-ordnung spricht nicht von oben herab. Gleichzeitig gibt es kla-re Regeln. Und es werde fr Verstndnis innerhalb der Nach-barschaft geworben. Die Hausordnung der Altonaer Spar- und Bauverein eGSTAND: OKTOBER 2012Hausord_2012_NEU.indd 1 13.08.12 17:18179Locker in den Knien bleibenoder Briefe schreiben bei KoniktenAus der E-Mail eines Mitglieds mit der Betreffzeile Selbstbe-weihrucherung im Geschftsbericht:Guten Tag, ja, da wurde er doch noch gefunden, der zufriede-ne Mieter, der ber die tolle Sanierung berichtet. Nix von dem Horror fr die anderen steht da zu lesen. Ich hatte () nicht so vielGlck.MirsolltedieUmsetzwohnunggestrichenwerden, weil der Architekt meinte, sie sei nicht mehr frei. Erst als ich dannmitAnwltendrohte[leiderbinichhaltselberkeiner], utschte es pltzlich. Scheinen ja einen ziemlichen Respekt zu hinterlassen, die Anwlte. Oder die Anzge IrritiertschautderjungeMitarbeiteraufdieseMail.Tut mir leid, sagt er dann ratlos zu seinem Abteilungsleiter. Die-sen Brief kann ich nicht beantworten. Die Regeln, die das Un-ternehmenfrdieBearbeitungderKorrespondenzaufgestellt hat, helfen nicht immer, decken nicht jeden Fall ab. Nachdem vor etlichen Jahren der Schreibstil der Standard-briefebearbeitetundzeitgemerformuliertwurde,warman eigentlich gut ausgestattet. Die Haltung der Genossenschaft, sich respektvolldenMitgliederngegenberundzugleichklarund deutlich in der Kommunikation zu zeigen, kam gut rber. Doch der Anteil individueller, auch konikthaltiger Post nahm zu. Auch zu diesen Fllen und Fragen gibt die Kommunikationsstrategie Orientierung. Finden sich also im Posteingang polemische oder gar be-leidigende Briefe, geht es um ungewhnliche Notlagen oder um grundstzlicheFragenzurMietenpolitikundModernisierung, gertdereinzelneMitarbeiterschonmalinNte,wirdaber nicht allein gelassen. KAPITEL 28 BRIEFE UND KONFLIKTE28180 181WennmaneinenschwierigenBriefbekommt,mss-temansicheigentlichsofortvorOrtanschauen,wasgenau dahintersteckt,sagteineMitarbeiterinderTechnikzudieser Thematik. Direkt ins Gesprch gehen ist ein wichtiger Impuls, besonders, wenn es um Stresskommunikation geht. Doch nicht immer reicht die Zeit und nicht jeder Mitarbeiter versprt die-sen Impuls. Und so entstehen in der Kommunikation nicht sel-ten eigentlich vermeidbare Konikte.Um solche Konikte zu minimieren, an dieser Stelle einige Empfehlungen fr den Umgang mit, nicht nur, konikthaltigen Briefen, aus der Praxis der altoba abgeleitet: DieErstelautet,einenBrief,derkeinenRegelfallenthlt und problematisch scheint, abzuklopfen auf die Fragen: Ent-steht hier ein Brandherd, verbreitet sich schlechte Stimmung im ganzen Haus oder gar im Quartier? Will jemand an die Presse gehen, steckt hier ein Thema, das die ffentlichkeit interessiert? Sind mehr als eine Mietpartei betroffen, hat die Genossenschaft hier Versumnisse einzugestehen? Mag sich der Schreiber selbst fr einen Einzelfall halten, gibt es doch verbindende Themen, bei denen es angebracht ist, Formulierungen abzusichern. Mitglieder reagieren in der Regel sehr betroffen, wenn es um Eingriffe in die Gartenanlagen geht oder um neue Gestaltung von Haus und Hausur. Und selbstre-dend bringen die Themen Nebenkostenabrechnung, Erhhung derNutzungsgebhrenoderAnkndigungeinerModernisie-rung die Adressaten schnell auf die bekannte Palme.Die Einschtzung, ob es sich um einen solchen Brief han-dele,isttatschlichzunchstdemeinzelnenMitarbeiterber-lassen.DasRisikoeinerFehleinschtzungistalsovorhanden, hinzu kommt, dass die Mitarbeiter ja mehr als einen Brief beant-worten mssen und jedes Schreiben schnell und kompetent be-antwortet werden soll. Minimiert wird das Risiko dadurch, dass auch die Abteilungsleiter in die Eingangspost schauen und mit derimJahr2012geschaffenenAnlaufstellefrBeschwerden, Die Mitarbeiter reagieren, Ihre Schreiben werden beantwortet und bei Mngeln wird Abhilfe geschaf-fen. Sie sind Mitglied einer Genossen-schaft, die Sie nicht an der Hhe Ihrer Miete misst, sondern Sie wie jedes an-dere Mitglied frdert. Letzteres gehrt zu den wichtigen Grundprinzipien einer Genossenschaft. Doch vielleicht ent-sprechen diese Prinzipien gar nicht den Ihrigen? Sehr geehrter Herr NN, wre es nicht besser, den Nutzungsvertrag auf-zulsen? Wir bieten Ihnen Unterstt-zung beim Umzug, die bernahme der Renovierung und einen sofortigen Aus-stieg aus dem Dauernutzungsvertrag.Auszug aus dem Brief Ausung des Nutzungsvertragesdes Vorstands an ein Mitglied182 183KAPITEL 29 BRIEFE UND KONFLIKTEAuf diese Weise hat die Genossenschaft im Laufe der Jahre eine Vorgehensweise entwickelt, mit mglichen oder bestehen-den Konikten in der Korrespondenz umzugehen. Immer noch ist jeder Fall anders, aber es gibt nun etliche Vereinbarungen und Instrumente. Die Mitarbeiter nden Untersttzung. All das sollverhindern,dasseineKrisedurcheineunbedachthinge-schriebene Antwort entsteht.Die jahrelange Arbeit hat sich gelohnt. Aufwndig zu ent-wickelnde neue Spezialbriefe gibt es kaum noch. Die Mitarbei-ter sind routinierter geworden und die Anzahl der Bausteine, die ihnen zur Verfgung stehen, hat zugenommen. Dennoch reicht ein Zufall aus, manchmal ist es der Urlaub des Abteilungsleiters oder eines Kollegen, manchmal schlichtweg die Tageshektik, um doch eine unpassende Antwort abzuschicken. Unpassend ist ein Brief, der mit den Mitgliedern umspringt, von oben herab etwas mitteiltoderkeinenSpielraumfrAnmerkungen,keineMg-lichkeit zur Beteiligung lsst. Leiderreichtesnichtaus,nureinigeSchulungenanzu-bieten und sich als Vorgesetzter auf die Position zurckzuzie-hen: Das wurde einmal eingefhrt, das sitzt fr immer. Hinzu kommt, dass jeder neue Mitarbeiter grndlich in diesen Bereich eingewiesen werden muss.Schauen wir uns die Bausteine fr konikthaltige Kommu-nikation, um die es geht, einmal genauer an.Eineroderalle?InfrherenJahrenwaresblich,vor-sichtshalber eine ganze Hausgemeinschaft anzumahnen, wenn eineinzelnerMietergegendieHausordnungverstoenhatte. Heute werden solche Flle differenziert bearbeitet, nur das be-troffene Mitglied wird angeschrieben. Oder der Groll wird mg-lichst durch den Passus Bei all denjenigen Mitgliedern, die sich bislang an die Regeln der Hausordnung gehalten haben, bedan-ken wir uns ausdrcklich minimiert.Entschuldigen Sie bitte: Niemand vergibt sich etwas, wenn er Fehler eingesteht und sich entschuldigt. Der Baubeginn war ein Beschwerdemanagement, ein weiterer prfender Blick ge-worfen wird. Dennoch kann es an hektischen Tagen geschehen, dass ein Brief schon mal in der Warteschleife landet, obwohl er besser mit absolutem Vorrang bearbeitet werden sollte. Die zweite Empfehlung lautet, dem Mitarbeiter die Gelegen-heit zu geben, aus dem Arbeitsalltag auszusteigen und die restli-che Arbeit ohne schlechtes Gewissen ruhen zu lassen. Um einen schwierigenBriefbeantwortenzuknnen,bentigtmanZeit, um kreative Ideen zu entwickeln, absolute Konzentration. Auch ist es keine Schande einzugestehen, dass man mit seinem Latein amEndeistundHilfevonKollegenoderVorgesetztenben - tigt.Beideraltoba,derenMitarbeitervielmitKommunikation befasst sind, ist es Standard, sich zwischen den Abteilungen aus-zutauschen. Man bentigt ein festes oder wechselndes Team, das sichmitbesondersschwierigenBriefenauseinandersetzt,also mit Briefen, die groes Koniktpotenzial oder grundlegende Fra-gen enthalten. Und man muss den Mitarbeitern bestimmte Werk-zeuge und Bausteine in die Hand geben, um ihnen ihre Aufgabe zu erleichtern. Wir werden weiter unten einige vorstellen.Manchmal muss mit externer Untersttzung ein genau auf die Situation abgestimmter Spezialbrief entwickelt werden. Ein groer Arbeitsaufwand, aber er lohnt sich, denn der Spezial-brief enthlt meist Bausteine, die auch spter Verwendung und ins normale System Eingang nden knnen. EineweitereEmpfehlunglautet,dieErfahrungenausder mndlichen Kommunikation auf den schriftlichen Umgang mit den Mitgliedern und anderen Gruppen zu bertragen. Dazu ge-hrt der Dialog auf Augenhhe oder die Empfehlung, Betrof-fene zu Beteiligten zu machen und anderes mehr. Damit man mglichst einheitlich nach auen auftritt und damit Mitarbeiter auchvondenFortschrittenderanderenimUmgangmitder Korrespondenz protieren knnen, stellen einige Abteilungen, beispielsweise das Mietercentrum und das Beschwerdemanage-ment,ausgewhlte gute Briefe als Vorlage zur Verfgung.KAPITEL 28 BRIEFE UND KONFLIKTE184 185auchweiterhinindieGenossenschafteinzubringen.Wirbe-ntigen viele helfende Hnde in der Nachbarschaft. Beispiels-weise suchen wir aktuell Helfer fr einen Kinder-Mittagstisch in Osdorf Die Gesprchsrunde: Man versucht, Mitglieder, die mit ih-ren gutgemeinten und durchaus konstruktiven Vorschlgen in Briefen viele Krfte der Mitarbeiter binden, an einen Tisch zu bringen.VerbesserungisteinniemalsabgeschlossenerPro-zess, schreibt dann etwa der Vorstand. Wir planen daher im Herbst eine Gesprchsrunde mit Mitgliedern unserer Genossen-schaft und wollen die Wnsche und Bedrfnisse unserer Mit-gliederzumThemaXYdiskutieren.GernwrdenwirSieals Teilnehmer dieser Gesprchsrunde begren Das Einzelgesprch suchen: Ein Phnomen unserer Zeit ist das nchtliche Verfassen von E-Mails. Diesen ist hug anzu-merken, dass die spte Stunde wohl dazu eingeladen hat, sich auszulassen, und das sowohl im positiven als auch im nega-tivenSinne.SohatteeinjungesPaarmitKinddenVorstand angeschrieben und nach einer Begrndung fr die Entwicklung derMiethhengefragt.DerVorstandreagiertemiteinerEin-ladungzueinempersnlichenGesprch,umdieFragenaus-fhrlich zu beantworten. Was wiederum die Mitglieder positiv berraschte.NichtnurVerstndniszeigen:Manmussnichtaufalle Briefe mit Verstndnis reagieren. Binden notorische Kritiker die Arbeitskraft der Mitarbeiter ber Gebhr, hilft es mitunter, ih-nen nahezulegen, sich Gedanken darber zu machen, ob sie das Prinzip Genossenschaft verstanden haben und tatschlich in ei-ner Genossenschaftswohnung leben mchten. Eine Wohnungs-genossenschaft spricht in der Regel keine Kndigung aus, ihre Mitglieder haben lebenslanges Wohnrecht, wenn sie sich nichts zu Schulden kommen lassen. Aber diese besondere Unterneh-mensform verlangt von beiden Seiten eine besondere Haltung, ein Geben und Nehmen. KAPITEL 28 BRIEFE UND KONFLIKTEnicht rechtzeitig angekndigt? Das tut uns leid, es lag nicht in unserer Absicht. Das Eingestndnis kostete anfangs vielleicht berwindung, wird aber, so zeigen die Reaktionen, keineswegs als Schwche wahrgenommen.Anteilnahme:JedeSachehatzweiSeiten.Wendetsich ein Mitglied schriftlich an seine Genossenschaft, sieht es nur seine persnliche Notlage, sein spezielles Anliegen. Doch oft-mals mssen vor einer Antwort etliche Fakten geklrt werden. Zeigen Sie Anteilnahme: Wir haben Ihr Schreiben ber mg-licheBeeintrchtigungendurchdiebenachbarteLackiererei unddieInformationausdemBezirksamtmitBesorgnisge-lesen und wnschen ebenso wie Sie eine schnelle und konst-ruktive Lsung. KeinStandard:MancheBriefesindverzwickt,oftmals kannkeineschnelleAbhilfegeschaffenwerden.Undnicht selten geht eine Angelegenheit auch ans Herz. Ehrliche For-mulierungen helfen: Wir haben Ihr Schreiben vom 22.7.2010 erhaltenundeinigeTagebentigt,umeszubeantworten.Es ist kein einfaches Thema, das Sie ansprechen und wir mchten Ihnen keine Standardantwort schicken.Hichbeenden:DerAltonaerSpar-undBauvereinbe-grt und frdert ausdrcklich die Beteiligung seiner Mitglie-der. Doch was ist, wenn bei einer Aktion kein Ende abzusehen ist und Vorschlge in munterer Folge auch nach Abschluss einer Debatte eintreffen? Dann sollte vermittelt werden, dass inten-sive Planungsprozesse begrenzt werden mssen. Man muss zu einemSchlussstrichnden:BittehabenSieVerstndnis:Die Argumente noch einmal neu aufzurufen, sprengt den Rahmen.Energie umwandeln: Briefe zu entwickeln ist ein kreativer Prozess. Und man kann auch inhaltlich neue Wege beschreiten. Ein Mitglied kritisiert immer wieder das Vorgehen der Genos-senschaftundberuftsichdabeiaufdasgenossenschaftliche Prinzip? Anstatt ihn abzuweisen, knnte man auch einladen, mitzumachen.LieberHerrNN,wirbittenSieherzlich,sich 186 187KAPITEL 29 BRIEFE UND KONFLIKTEeine solche Mail im Internet kursieren, mglicherweise aus dem Kontext gerissen. Aber selbst wenn der Kontext erhalten bleibt, wre es fatal, wenn der Genossenschaftsmitarbeiter sich im Ton vergriffen htte.Jeder Brief spiegelt die Haltung der Genossenschaft wider, wirkt ber den Anlass hinaus. Auch wenn das Unternehmen ver-sucht, die Kommunikationsstrategie in der Korrespondenz mg-lichst konkret zu machen, den Mitarbeitern so viel Orientierung wie mglich zu geben, bleibt hier ein nicht zu regelnder Rest. Wo Menschen und damit auch immer Emotionen im Spiel sind, gehrt das einfach dazu.LockerindenKnienbleibenlautetdeshalbdieletzte Empfehlung, an Vorstand und Mitarbeiter gleichzeitig gerich-tet.Ehrlichbleiben,abermglichstnichtaufbrausen,seinen rger auch mal verbergen oder ihn am besten gar nicht erst aufkommen lassen. Wer sich leidenschaftlich fr seine Genos-senschafteinsetztundfachlichseinePositionuntermauern kann, hat hoffentlich genug positive Energie. KAPITEL 28 BRIEFE UND KONFLIKTEHier ein Auszug aus dem Brief des Vorstands an ein Mit-glied, das es sich zur Aufgabe gemacht hatte, mit nicht enden wollenden Beschwerden, auch ber die Mitarbeiter, auf sich auf-merksam zu machen: Die Mitarbeiter reagieren, Ihre Schreiben werden beantwortet und bei Mngeln wird Abhilfe geschaffen. Sie sind Mitglied einer Genossenschaft, die Sie nicht an der Hhe Ihrer Miete misst, sondern Sie wie jedes andere Mitglied frdert. Letzteres gehrt zu den wichtigen Grundprinzipien einer Genos-senschaft. Doch vielleicht entsprechen diese Prinzipien gar nicht den Ihrigen? Sehr geehrter Herr NN, wre es nicht besser, den Nutzungsvertragaufzulsen?WirbietenIhnenUntersttzung beim Umzug, die bernahme der Renovierung und einen sofor-tigen Ausstieg aus dem Dauernutzungsvertrag. Ein solcher Brief ist eine Ausnahme, muss es sein aber wenn das Bis-hierhin-und-nicht-weiter erreicht ist, kann man auch mal mit erkennbarer Emotion antworten. Die Reaktionen auf solche Briefe? Eine Partei reagierte gar nicht, die Reklama-tionen nahmen allerdings ab. Ein anderes Mitglied, das einen hnlichen Brief erhielt, entschuldigte sich bereits am nchsten Tag. Er habe es doch nicht so gemeint Er habe es nicht so gemeint. Dieser Satz sollte fr die Mit-arbeiter der Genossenschaft eine Warnung sein, denn auch sie knnten in die Verlegenheit kommen, hnliches sagen zu ms-sen, wenn sie einen Brief unbedacht formulieren. Im direkten Gesprch merken die Kontrahenten, wie das Gegenber auf-gelegt ist, ob der Ton barsch, sfsant oder ironisch ist. In ei-nem geschriebenen Brief wei man nicht, wie der Adressat den Stil interpretiert. ImmerwiedermssensichdieMitarbeitermitBriefen auseinandersetzen,derenStilausfallendundverletzendist. Auf keinen Fall drfen sie sich dazu hinreien lassen, auf die gleiche Weise zu antworten. Und das nicht nur, weil das nicht demSchreibstilentspricht,sondernweilmandieKonsequen-zen nicht bersehen und kontrollieren kann. Wie schnell kann 188 189KAPITEL 29 BRIEFE UND KONFLIKTEder Mietminderung zu tun hat? Wir mchten Ihnen verdeutli-chen,dasseineGenossenschaftimSinneihrerMitgliederin-vestiert und sich fr deren Interessen einsetzt. Wir untersttzen in Notfllen durch Beratung, bieten in Einzelfllen Hilfe und in allen Wohnungsangelegenheiten einen guten Service. Wenn Sie also eine Mietminderung vornehmen, steht Ih-nen die Mglichkeit frei. DochSieminderndamitdieEinnahmenIhrerGenossen-schaft.WirbentigenIhrevolleMieteundIhreSolidaritt, wenn wir auch weiterhin unseren gewohnten Service anbieten wollen. Wir bitten Sie daher, von einer Durchsetzung einer Miet-minderung abzusehen. Wir verstehen, dass Sie Ihre Wohnqua-litt durch die Bauarbeiten gemindert sehen. Doch akuten Lrm durchBaustellenknnenwirnurmindern,abstellenknnen wir ihn meist nicht.Wir werden den anderen betroffenen Mietern Ihres Hauses ebenfallsschriftlicherlutern,warumwirdarumbitten,von einerMietminderungabzusehen.Abschlieendwnschenwir Ihnen eine besinnliche Adventszeit und ein gutes neues Jahr. KAPITEL 28 BRIEFE UND KONFLIKTEEin Brief zum ThemaMietminderung Dieser Brief wurde zum emotional beladenen Thema Mietmin-derung entwickelt. Es ist ein Versuch, es in den bergeordneten Kontext Mitgliedschaft und Wohnen beim Altonaer Spar- und Bauverein einzubetten und argumentativ und informativ nicht belehrend die Position der Genossenschaft darzustellen. Er ist eine mgliche Variante. Andere sind denkbar und unter anderen Umstnden auch notwendig. Guten Tag sehr geehrte Frau NN,SieteiltenunsamXYmit,dassSieeineMietminderung wegen der starken Beeintrchtigungen angemessen nden. Wir bedauerndieBeeintrchtigungenundknnenIhrenWunsch verstehen. Wie bereits im persnlichen Gesprch mitgeteilt, bit-ten wir Sie jedoch, Folgendes zu bedenken. SiesindMitgliedeinerWohnungsgenossenschaft.Des-halb zahlen Sie auch, formal ausgedrckt, eine Nutzungsge-bhr, keine Miete. Bei einer Genossenschaft wohnen, bedeutet ersteinmalwohnenohneVermieterwillkrundImmobilien-spekulation. Genossenschaften sind Wirtschaftsunternehmen, die auch Ge winne erwirtschaften mssen. Doch als Mitglied protieren Sie selbst davon: berschsse werden zum Teil an die Mitglie-der als Dividende ausgezahlt, zum grten Teil jedoch in Mo-dernisierungundInstandhaltungoderdenBauvonneuen Wohnungeninvestiert.berdasWohnenhinauslebenviele unserer Mitglieder gemeinschaftlich zusammen: Sie begegnen sich in den schnen Innenhfen und treffen sich in groer Zahl in einem unserer fnf Nachbarschaftstreffs. Was das alles mit