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Christoph Bultmann / Birka Siwczyk (Hrsg.) Tolerant mit Lessing Ein Lesebuch zur Ringparabel

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Zum Themenjahr »Reformation und Toleranz« im Rahmen der Lutherdekade der EKD bietet der Band aktuelle Inter-pretationen des Kernstücks von Lessings Schauspiel »Nathan der Weise«. Die vielfältigen Texte sollen Diskussionen an-stoßen, damit die Ringparabel ihre bildliche Kraft auch in der Gegenwart entfalten kann, in der es nicht nur um Toleranz, sondern auch um Anerkennung und Verständigung im Dialog geht. Der Kontext der Ringparabel wird durch eine ergänzende Auswahl von Lessings provokativen Ideen über religiöse Tra-ditionen erhellt, denn heute ist eine selbstkritische Theologie der Religionen gefragt.Das Buch erscheint auf Anregung des Beirats der Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption in Kamenz und enthält Beiträge aus theologischer, religionsphilosophischer und literaturwissen-schaftlicher Sicht.

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Christoph Bultmann / Birka Siwczyk (Hrsg.)

Tolerant mit LessingEin Lesebuch zur Ringparabel

EUR 14,80 [D]

ISBN 978-3-374-03136-8

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Tolerant mit Lessing

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Tolerant mit LessingEin Lesebuch zur Ringparabel

Herausgegeben von Christoph Bultmannund Birka Siwczyk

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Cover: FRUEHBEETGRAFIK · Thomas Puschmann, Leipzig

Layout und Satz: Steffi Glauche, Leipzig

Druck und Binden: Druckhaus Köthen GmbH

ISBN 978-3-374-03136-8

www.eva-leipzig.de

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Die Ringparabel. Fassung von Giovanni Boccaccio (1349) . . . . . . . . . . . 15

Die Ringparabel. Fassung von Gotthold Ephraim Lessing (1779). . . . . . 19

Friedrich Vollhardt

Lessings Toleranzparabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Erdal Toprakyaran

Wettstreit und Mystik. Nur ein bedingtes »Ja!«

zu Lessings Ringparabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Reinhold Bernhardt

Märchenstunde im Hause Saladin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Edmund Arens

Wider die »Tyrannei des Einen Rings«.

Wie Lessing Toleranz dichterisch darstellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Silvia Horsch

Der »Mechanismus des Ausschlusses«

und Lessings Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Michael Multhammer

Grenzen der Selbstvergewisserung oder: Wann kann eine Debatte

über Toleranz zuerst sinnvollerweise stattfinden? . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Hugh Barr Nisbet

Toleranz und Pluralismus bei Lessing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

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Shmuel Feiner

Lessings Nathan der Weise: Ein Blick aus Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . 110

Dirk Ansorge

Lessing und die katholische Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Micha Brumlik

Interreligiöser Dialog – Toleranz oder fruchtbare Kontroverse? . . . . . . 162

Hilal Sezgin

»Jedem gaben Wir einen Weg« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Christian Danz

Lessings Ringparabel und die Anerkennung nichtchristlicher

Religionen. Anmerkungen zu einer Theologie der Religionen . . . . . . . 184

Christoph Bultmann

»Ewiges Verderben« als Schatten über der Toleranz . . . . . . . . . . . . . . . 196

Anne Käfer

Nathan und Friedrich im Gespräch.

Nathans Ringparabel aus evangelisch-christlicher Sicht gelesen . . . . . 210

Volker C. Dörr

Gemünzte Wahrheit.

Schiller im aufklärungsskeptischen Dialog mit Lessing . . . . . . . . . . . . 221

Leyla Jagiella

Mit Lessing im Flugzeug.

Gedanken einer Muslimin auf der Reise nach Indonesien . . . . . . . . . . 232

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Vergleichstexte zur Ringparabel in Nathan der Weise . . . . . . . . . . . . . 242

Texte zur Religionsphilosophie in Nathan der Weise . . . . . . . . . . . . . . 255

Texte aus dem Werkzusammenhang von Nathan der Weise . . . . . . . . 267

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Abbildungs- und Übersetzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

Die Autoren und Autorinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

Register der Zitate aus Nathan der Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

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Vorwort

Wenn es um die Frage nach religiöser Toleranz geht, ist Lessings

Schauspiel Nathan der Weise eines der wichtigsten und bekanntes-

ten Werke, die die Debatte bereichern können. Um jedoch mögli-

chen Missverständnissen vorzubeugen, zitieren wir zur Einführung

in das vorliegende Lesebuch zur Ringparabel einen knapp und kom-

petent orientierenden Lexikonartikel zum Stichwort »Religionsfrei-

heit«:

Religionsfreiheit bezeichnet im modernen Verständnis die staatliche

Gewährleistung umfassender religiöser Freiheit in ihren unterschied -

lichen Facetten: die Freiheit des Individuums, einen religiösen Glauben

zu haben, zu bekennen und in sonstiger Weise auszuüben sowie die

Lebensführung an religiösen Geboten auszurichten (positive Reli-

gionsfreiheit), aber auch von staatlichem Zwang zu Glauben und

Glaubensbetätigung verschont zu bleiben (negative Religionsfreiheit).

Religionsfreiheit schließt das Recht zu ihrer gemeinschaftlichen Wahr-

nehmung, d. h. die Freiheit der Religionsgemeinschaften zu eigenstän-

diger Ordnung ihrer Angelegenheiten nach dem jeweiligen Selbstver-

ständnis und die Freiheit ihres Wirkens in Staat und Gesellschaft ein

(kollektive Religionsfreiheit) – freilich in den Grenzen der Grundrechte

anderer. [. . .]1

Der Begriff der Toleranz kann heute nur so verwendet werden, dass

er auf die Gestalt gegenseitiger Beziehungen innerhalb des durch die

staatliche Gewährleistung der Religionsfreiheit abgesteckten Feldes

verweist. Der Begriff bezieht sich nicht mehr auf die Frage einer Zu-

lassung oder »Duldung« von religiösen Bekenntnissen und Bindun-

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gen, die ja durch das Grundrecht der Religionsfreiheit geschützt sind.

Unter dieser Voraussetzung sind im vorliegenden Lesebuch zur

Ringparabel aus Anlass eines von der evangelischen Kirche benann-

ten Themenjahres »Reformation und Toleranz« Überlegungen zu

Lessings dramatischem Gedicht oder philosophischem Drama

Nathan der Weise zusammengestellt, denn dieses Schauspiel gilt zu

Recht als ein Meilenstein der Toleranz. Lessing konfrontiert auch

heute die Leser seines Schauspiels oder die Betrachter des Schau-

spiels im Theater mit der Frage, wie eigentlich über die Grenzen von

religiöser Verschiedenheit hinweg eine gegenseitige Wahrnehmung

und gegenseitige Beziehung zwischen Angehörigen unterschied -

licher Glaubensgemeinschaften aussehen kann. Dabei beschränkt

sich Lessing in seinem zuerst 1779 erschienenen und zuerst 1783 in

Berlin im Theater aufgeführten Schauspiel auf die drei Religionen

Judentum, Christentum und Islam und gibt nur in einem Zwischen-

ruf einer Nebenfigur einen Ausblick auf weitere religiöse oder reli-

gionslose Einstellungen, wenn es heißt: »Am Ganges, am Ganges

nur gibt’s Menschen.« (II/9)

Lessing hat in Briefen an Freunde mehrfach betont, dass sein phi-

losophisches Drama Nathan der Weise um die sog. Ringparabel he-

rum komponiert sei, der Giovanni Boccaccio (1313–1375) in seinem

Decameron die maßgebliche literarische Fassung gegeben hatte. Das

vorliegende Lesebuch enthält deshalb auch diesen Text aus dem

Novellenzyklus des italienischen Dichters, damit sich leicht nach -

vollziehen lässt, wie Lessing die traditionelle Erzählung über die

Unentscheidbarkeit der religiösen Wahrheitsansprüche zwischen

Judentum, Christentum und Islam durch seine eigenen religions -

philosophischen Reflexionen weiter ausgebaut hat. Um den ge-

danklichen Kontext für Lessings Version der Ringparabel deutlich zu

machen und vor dem ebenso beliebten wie kurzsichtigen Vorwurf

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einer bloßen Relativierung von Wahrheitsansprüchen durch Lessing

zu warnen, enthält der Band darüber hinaus eine Anzahl von reli-

gionsphilosophisch interessanten Sentenzen Lessings in seinem

Schauspiel Nathan der Weise oder in anderen Schriften desselben

Werkzusammenhangs.

Diese Vorbemerkungen sollen den einzelnen Beiträgen nicht vor-

greifen. Absicht der Herausgeber war es, Autoren und Autorinnen zu

aktuellen Überlegungen zu Lessings Nathan der Weise mit beson-

derer Rücksicht auf die Ringparabel in der zentralen Szene einer Be-

gegnung zwischen Sultan Saladin und Nathan (III/5–7) einzuladen,

um so das Gespräch über ein Verständnis von Toleranz zu fördern,

das für interreligiöse und interkulturelle Beziehungen heute rele-

vant sein kann. Die Beiträge erschließen die literarischen Aspekte des

Schauspiels aus germanistischer Sicht und die religionsphilosophi-

schen Aspekte aus jüdischer, christlicher und muslimischer Sicht.

Dabei war die Akzentuierung von einzelnen Fragen der Literatur-

kritik, der Ideengeschichte, der Wirkungsgeschichte, des Toleranz-

diskurses oder der Theologie der Religionen den Autoren und Auto-

rinnen selbst überlassen. Insgesamt soll das Buch keineswegs eine

erschöpfende Erklärung der Ringparabel bieten; im Gegenteil, mit

Blick auf Nathans höfliche Frage an Saladin, »[. . .] erlaubst du wohl,

dir ein Geschichtchen zu erzählen?« (III/7), stand den Heraus gebern

die Anekdote über den persischen Mystiker Bahā’ al-Dīn (1318–1389)

vor Augen: »Jemand sagte zu Bahaudin Naqshband: ›Du erzählst uns

Geschichten, erklärst uns aber nicht, wie wir sie verstehen sollen.‹ Da

sagte er: ›Wie würdet ihr es finden, wenn der Mann, von dem ihr Obst

gekauft habt, es vor euren Augen verzehren und euch nur die Scha-

len lassen würde?‹«2

Das Lesebuch zur Ringparabel entstand auf Anregung des Beirats

der Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption in Kamenz in Sachsen, d. h.

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in dem Ort, in dem Lessing 1729 als Sohn des evangelischen Pfarrers

geboren wurde und in dem schon seit 1931 ein Lessing-Museum die

Erinnerung an das weit gespannte literarische, philosophische und

theologische oder theologiekritische Werk Lessings fördert.3 Die

Herausgeber danken allen Beteiligten, die das Vorhaben mit ihren

Beiträgen ermöglicht oder mit gutem Rat unterstützt haben. Sie dan-

ken Professor Dr. Jürgen Stenzel für seinen Hinweis auf die Samm-

lung von Übersetzungen der Ringparabel bei der Lessing-Akademie

in Wolfenbüttel und der Akademie selbst für die ausgewählten Über-

setzungstexte, die in den Band aufgenommen werden konnten. Der

VG Bild-Kunst und den Künstlern sowie den Theatern in Bochum,

Darmstadt und Nürnberg sei für die jeweiligen Abbildungsrechte

gedankt. Der Dank der Herausgeber gilt nicht zuletzt der Kulturbe-

auftragten der EKD, Pfarrerin Dr. Petra Bahr, die in dem kirchlichen

Magazin zum Themenjahr »Reformation und Toleranz« mit einem

Essay eine Verbindung zu Lessing hergestellt und damit einen wich-

tigen Impuls gegeben hat, sowie Professor Dr. Karl-Josef Kuschel,

der immer wieder engagiert auf Lessings Nathan der Weise als eine

Herausforderung für die Religionen hinweist und zu Recht betont:

Lessings im Gewande der Literatur präsentierte Religionstheologie ist

kein Ersatz für eine genuin jüdische, christliche oder muslimische

Theologie der Religionen. [. . .] Aber Lessing gibt das denkerische und

ethische Niveau für jede künftige Religionstheologie vor, unter das

keine jüdische, christliche oder muslimische Theologie fallen sollte – bei

Strafe ihrer moralischen Unglaubwürdigkeit.4

Die Herausgeber danken dem Referat für Theologie und Kultur im

Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Evange-

lisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, der Evangelisch-lutheri-

schen Landeskirche in Braunschweig und der Evangelischen Kirche

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in Mitteldeutschland, dem Beauftragten der Bundesregierung für

Kultur und Medien und dem Sächsischen Staatsministerium für Wis-

senschaft und Kunst für die finanzielle Förderung der Publikation.

Ein besonderer Dank gilt der Leiterin der Evangelischen Verlagsan-

stalt in Leipzig, Dr. Annette Weidhas, die das Vorhaben mit großer

Aufgeschlossenheit und sicherer verlegerischer Hand zur Realisie-

rung gebracht hat.

Erfurt und Kamenz,

im Januar 2013 Christoph Bultmann / Birka Siwczyk

1 Link 2004, 310 (die Abkürzungen sind im Zitat aufgelöst), vgl. weiter

Di Fabio 2012.2 Zitiert nach Shah 1988, 122 (engl. Original: Shah 1971, 137). Zu dem

Sufi-Meister Bahā’ al-Dīn vgl. Algar 1993, 933f.3 Vgl. den Ausstellungskatalog Kaufmann 2011 und als Grundlagenwerk

Nisbet 2008.4 Kuschel 2011, 221.

Hinweis zur Zitierweise:

Textzitate aus Nathan der Weise werden nach der im Quellen- und Litera-

turverzeichnis genannten Ausgabe, aber ohne Großschreibung am Zeilen-

anfang und in einzelnen Fällen ohne Markierung der Zeilenwechsel zitiert.

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Abb.1: David Shrigley, Bronze Keys. Installation (Detail). 2011

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Die Ringparabel Fassung von Giovanni Boccaccio (1349)

Das Decameron. Erster Tag, Dritte Novelle

Der Jude Melchisedech wendet mit einer Erzählung von drei Ringen

eine große Gefahr ab, in die ihn Saladin bringen wollte.

Neifiles Novelle wurde von allen gelobt; und da sie nun schwieg, be-

gann Filomena auf Wunsch der Königin wie folgt zu sprechen:

Die Novelle Neifiles erinnert mich an ein gefährliches Ereignis, das

einem Juden zugestoßen ist. Da bereits zur Genüge von Gott und von

der Wahrheit unseres Glaubens gesprochen wurde, soll nunmehr

ein Abstieg zu den Ereignissen und Taten der Menschen gestattet

sein. Sobald ihr die Novelle, die ich euch erzählen werde, gehört

habt, werdet ihr vielleicht vorsichtiger sein, wenn ihr Fragen beant-

wortet, die man euch stellt. Liebenswerte Gefährtinnen, ihr müsst

wissen, dass, wenn die Dummheit häufig manch einen aus einem

glücklichen Zustand in tiefstes Elend stürzt, der Verstand den Wei-

sen aus großen Gefahren befreit und ihm einen sicheren Hort der

Ruhe verschafft. An vielen Beispielen mag man erkennen, dass tat-

sächlich die Dummheit vom Glück ins Elend führt; darüber zu be-

richten, soll jetzt nicht unsere Sorge sein, weil man tag täglich tau-

send Beispiele dafür vor Augen hat. Dass aber der Verstand eine

Ursache des Wohlbefindens sein kann, das werde ich euch, wie ge-

sagt, mit einer kurzen Novelle zeigen.

Tugend und Tapferkeit des Saladin waren so groß, dass er durch

sie nicht allein aus geringem Stand zum Sultan von Kairo aufstieg,

sondern überdies viele Siege über die Könige der Sarazenen und der

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Christen errang. In verschiedenen Kriegen und für seine prächtige

Hofhaltung hatte er seinen Schatz ausgegeben und benötigte für eine

unvorhergesehene Angelegenheit eine größere Menge Geldes; er

wusste aber nicht, woher er es so schnell, wie er es nötig hatte, neh-

men sollte. Da erinnerte er sich eines reichen Juden namens Mel-

chisedech, welcher in Alexandria Geld zu Wucherzinsen verlieh. Er

glaubte, dieser könnte ihm dienlich sein, wenn er nur wollte. Jener

war aber so geizig, dass er es von sich aus nie getan hätte; und Ge-

walt wollte ihm der Sultan auch nicht antun. Da ihn die Not be-

drängte, und nachdem er hin und her überlegt hatte, wie er den Ju-

den dazu bringen könnte, ihm gefällig zu sein, verfiel er darauf, ihn

unter dem Schein der Rechtmäßigkeit zu erpressen.

Er ließ ihn zu sich kommen, empfing ihn freundlich, hieß ihn

sich zu ihm setzen und sagte ihm alsdann: »Guter Mann, ich habe

von mehreren Personen vernommen, dass du sehr klug bist und

weit fortgeschritten in der Gottesgelehrsamkeit. Deswegen möchte

ich gerne von dir erfahren, welches der drei Gesetze für dich das

wahre ist: das jüdische, das sarazenische oder das christliche.«

Der Jude, der in der Tat ein kluger Mann war, merkte nur zu gut,

dass Saladin darauf lauerte, ihn mit seiner Antwort zu fangen, um

dann eine Forderung an ihn stellen zu können; er überlegte, dass er

keine der drei Religionen mehr als die anderen lobpreisen könnte,

ohne dass Saladin nicht seine Absicht erreichte. Wie einer, der eine

Antwort sucht, in der er sich nicht verfängt, strengte er seinen Geist

an und fand rasch, was er sagen musste, und begann: »O Herr, die

Frage, die Ihr mir vorlegt, ist schön; um alles, was ich dazu empfinde,

sagen zu können, wähle ich eine kleine Erzählung, die Ihr nun hö-

ren werdet. Wenn ich mich nicht täusche, so erinnere ich mich, viele

Male von einem großen und reichen Mann gehört zu haben, der un-

ter all den kostbaren Edelsteinen in seinem Schatz einen wunder-

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schönen und wertvollen Ring besaß; um seines Wertes und seiner

Schönheit willen schätzte er ihn besonders hoch und wollte ihn für

alle Zeiten seinen Nachkommen überliefern; deswegen bestimmte er,

dass derjenige seiner Söhne, bei welchem dieser von ihm hinterlas-

sene Ring gefunden würde, als sein Erbe angesehen und von allen

übrigen als der Älteste geehrt und geachtet werden sollte. Der, dem

er hinterlassen wurde, bestimmte das Gleiche für seine Nachkom-

men und tat seinerseits, wie sein Vorfahre es getan hatte. Kurzum,

der Ring ging von Hand zu Hand durch viele Generationen und ge-

langte schließlich in die Hände eines Mannes, der drei schöne, tu-

gendhafte, dem Vater überaus gehorsame Söhne hatte, weswegen er

sie alle drei gleichermaßen liebte. Und die jungen Leute, die die Tra-

dition des Ringes kannten und von denen ein jeder danach strebte,

der Aus gezeichnete in der Familie zu sein, baten, jeder für sich und

so gut er es konnte, den Vater, der alt war, ihm selbst und nicht den

Brüdern bei seinem Tod den Ring zu hinterlassen. Der gute Mann,

der sie alle drei gleichermaßen liebte und nicht auszuwählen wuss -

te, wem er den Ring hinterlassen sollte, dachte daran, nachdem er es

einem jeden versprochen hatte, sie alle drei zufrieden zustellen.

Heimlich ließ er bei einem geschickten Meister zwei weitere Ringe

anfertigen, die dem ersten so sehr glichen, dass selbst der, welcher

sie angefertigt hatte, kaum noch den echten Ring erkennen konnte.

Als er seinen Tod nahen fühlte, gab er heimlich einem jeden seiner

Söhne einen Ring. Nach dem Tod des Vaters wollte ein jeder von

ihnen das Erbe und die Auszeichnung für sich beanspruchen; ein

jeder bestritt dem anderen diesen Anspruch; als Begründung und

Zeugnis legte ein jeder seinen Ring vor. Die Ringe waren einander so

ähnlich, dass man nicht erkennen konnte, welcher der echte war; da-

her blieb der Streit, wer von ihnen der wahre Erbe des Vaters ist, of-

fen und ist es immer noch. Dasselbe, o Herr, sage ich Euch auch über

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die drei Gesetze, die Gottvater den drei Völkern gegeben hat und die

Ihr mir zur Beurteilung vorgelegt habt. Ein jedes Volk glaubt, Gottes

Erbe, sein wahres Gesetz zu besitzen und unmittelbar seinen Willen

auszuführen. Aber wer es wirklich besitzt, das ist, wie bei den Rin-

gen, eine noch offene Streitfrage.«

Saladin erkannte, dass es jenem bestens gelungen war, aus der

Schlinge, die er ausgelegt hatte, herauszuschlüpfen; so beschloss er,

ihm seine Notlage zu offenbaren und zu sehen, ob er ihm dienlich

sein wollte. Also eröffnete er ihm, was seine Absicht gewesen wäre,

wenn jener ihm nicht so klug, wie er es getan, geantwortet hätte. Der

Jude gab ihm freiwillig jede Summe Geldes, die Saladin von ihm er-

bat. Saladin stellte ihn danach voll und ganz zufrieden; darüber hin-

aus überreichte er ihm reiche Geschenke und erhielt ihn sich immer

als Freund und bewahrte ihm in seiner Umgebung einen ehrenvol-

len Platz.

(Zitiert nach: Giovanni Boccaccio, Das Decameron. Aus dem Italienischen

übersetzt, mit Kommentar und Nachwort von Peter Brockmeier, Stuttgart

2012, 69–72; vgl. auch ders., Decameron. Zwanzig ausgewählte Novellen.

Italienisch/Deutsch, übersetzt und herausgegeben von Peter Brockmeier,

Stuttgart [1988] 2010, 52–59.)

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Die Ringparabel Fassung von Gotthold Ephraim Lessing (1779)

Nathan der Weise III/5, 321-349; III/6, 349-374; III/7, 375-544

Saladin

Ich heische deinen Unterricht in ganz / was andern; ganz

was andern. – Da du nun / so weise bist: so sage mir doch ein-

mal – / Was für ein Glaube, was für ein Gesetz / hat dir am

meisten eingeleuchtet?

Nathan

Sultan, / ich bin ein Jud’.

Saladin

Und ich ein Muselmann. / Der Christ ist zwischen uns. – Von

diesen drei / Religionen kann doch eine nur / die wahre sein. –

Ein Mann, wie du, bleibt da / nicht stehen, wo der Zufall der Geburt /

ihn hingeworfen: oder wenn er bleibt, / bleibt er aus Einsicht, Grün-

den, Wahl des Bessern. / Wohlan! so teile deine Einsicht mir / dann

mit. Lass mich die Gründe hören, denen / ich selber nachzugrübeln,

nicht die Zeit  / gehabt. Lass mich die Wahl, die diese Gründe / bestimmt,

– versteht sich, im Vertrauen – wissen, / damit ich sie zu meiner

mache. – Wie? / Du stutzest? wägst mich mit dem Auge? – Kann / wohl

sein, dass ich der erste Sultan bin,  / der eine solche Grille hat;

die mich  / doch eines Sultans eben nicht so ganz  / unwürdig

dünkt. – Nicht wahr? – So rede doch! / Sprich! – Oder willst du ei-

nen Augenblick, / dich zu bedenken? Gut; ich geb’ ihn dir. – / [. . .]

Denk nach! / Geschwind denk nach! Ich säume nicht, zurück / zu

kommen.

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Abb. 2: Şakir Gökçebağ, Üç Temel Dua / Drei elementare Gebete.

Installation. 2010

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Nathan Hm! hm! – wunderlich! – Wie ist / mir denn? – Was will der

Sultan? was? – Ich bin / auf Geld gefasst; und er will – Wahrheit.

Wahrheit! / Und will sie so, – so bar, so blank, – als ob / die Wahr-

heit Münze wäre! – Ja, wenn noch / uralte Münze, die gewogen

ward! – / Das ginge noch! Allein so neue Münze, / die nur der Stem-

pel macht, die man aufs Brett / nur zählen darf, das ist sie doch nun

nicht! / Wie Geld in Sack, so striche man in Kopf / auch Wahrheit

ein? Wer ist denn hier der Jude? / Ich oder er? – Doch wie? Sollt’ er

auch wohl  / die Wahrheit nicht in Wahrheit fo[r]dern? – Zwar,  /

zwar der Verdacht, dass er die Wahrheit nur / als Falle brauche, wär’

auch gar zu klein! – / Zu klein? – Was ist für einen Großen denn / zu

klein? – Gewiss, gewiss: er stürzte mit / der Türe so ins Haus! Man

pocht doch, hört / doch erst, wenn man als Freund sich naht. – Ich

muss / behutsam gehn! – Und wie? wie das? – So ganz / Stockjude

sein zu wollen, geht schon nicht. – / Und ganz und gar nicht Jude,

geht noch minder. / Denn, wenn kein Jude, dürft’ er [brauchte er]

mich nur [zu] fragen, / warum kein Muselmann? – Das wars! Das

kann / mich retten! – Nicht die Kinder bloß, speist man / mit Mär-

chen ab. Er kömmt. Er komme nur!

Saladin [. . .] Ich komm’ dir doch / nicht zu geschwind zurück? Du

bist zu Rande / mit deiner Überlegung. – Nun so rede! / Es hört uns

keine Seele.

Nathan Möcht auch doch / die ganze Welt uns hören.

Saladin So gewiss / ist Nathan seiner Sache? Ha! das nenn’ / ich ei-

nen Weisen! Nie die Wahrheit zu / verhehlen! für sie alles auf das

Spiel / zu setzen! Leib und Leben! Gut und Blut! /

Nathan Ja! ja! wanns nötig ist und nutzt.

Saladin Von nun / an darf ich hoffen, einen meiner Titel, / Verbes-

serer der Welt und des Gesetzes, / mit Recht zu führen.

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Nathan Traun, ein schöner Titel! /

Doch, Sultan, eh ich mich dir ganz vertraue,  / erlaubst du

wohl, dir ein Geschichtchen zu / erzählen?

Saladin Warum das nicht? Ich bin stets / ein Freund gewesen von

Geschichtchen, gut / erzählt.

Nathan Ja, gut erzählen, das ist nun / wohl eben meine Sache nicht.

Saladin Schon wieder / so stolz bescheiden? – Mach! erzähl’, er-

zähle! /

Nathan

Vor grauen Jahren lebt’ ein Mann in Osten, / der einen Ring

von unschätzbarem Wert’ / aus lieber Hand besaß. Der Stein

war ein / Opal, der hundert schöne Farben spielte, /

und hatte die geheime Kraft, vor Gott / und Menschen angenehm zu

machen, wer / in dieser Zuversicht ihn trug.

Was Wunder, / dass ihn der Mann in Osten darum nie / vom

Finger ließ; und die Verfügung traf, / auf ewig ihn bei seinem

Hause zu / erhalten? N[ä]mlich so. Er ließ den Ring / von sei-

nen Söhnen dem Geliebtesten; / und setzte fest, dass dieser

wiederum / den Ring von seinen Söhnen dem vermache, / der

ihm der liebste sei; und stets der Liebste, / ohn’ Ansehn der

Geburt, in Kraft allein / des Rings, das Haupt, der Fürst des

Hauses werde. – / Versteh mich, Sultan.

Saladin

Ich versteh dich. Weiter! /

Nathan

So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn, / auf einen Vater

endlich von drei Söhnen; / die alle drei ihm gleich gehorsam

waren, / die alle drei er folglich gleich zu lieben / sich nicht

entbrechen konnte. Nur von Zeit / zu Zeit schien ihm bald der,

bald dieser, bald / der dritte, – so wie jeder sich mit ihm / al-

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lein befand, und sein ergießend Herz / die andern zwei nicht

teilten, – würdiger / des Ringes; den er denn auch einem je-

den / die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen. / Das

ging nun so, so lang es ging. – Allein / es kam zum Sterben,

und der gute Vater / k[o]mmt in Verlegenheit. Es schmerzt

ihn, zwei / von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort / ver-

lassen, so zu kränken. – Was zu tun? – / Er sendet in geheim

zu einem Künstler, / bei dem er, nach dem Muster seines Rin-

ges, / zwei andere bestellt, und weder Kosten / noch Mühe

sparen heißt, sie jenem gleich, / vollkommen gleich zu ma-

chen. Das gelingt / dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt, /

kann selbst der Vater seinen Musterring / nicht unterschei-

den. Froh und freudig ruft / er seine Söhne, jeden ins beson-

dre; / gibt jedem ins besondre seinen Segen, – / und seinen

Ring, – und stirbt. – Du hörst doch, Sultan? /

Saladin (der sich betroffen von ihm gewandt:)

Ich hör’ ich höre! – Komm mit deinem Märchen / nur bald zu

Ende. – Wird’s?

Nathan

Ich bin zu Ende. / Denn was noch folgt, versteht sich ja von

selbst. – / Kaum war der Vater tot, so k[o]mmt ein jeder / mit

seinem Ring’, und jeder will der Fürst / des Hauses sein. Man

untersucht, man zankt, / man klagt. Umsonst; der rechte Ring

war nicht / erweislich; –

(nach einer Pause, in welcher er des Sultans Antwort erwartet:)

fast so unerweislich, als / uns itzt – der rechte Glaube.

Saladin Wie? das soll / die Antwort sein auf meine Frage? . . .

Nathan Soll / mich bloß entschuldigen, wenn ich die Ringe, / mir

nicht getrau zu unterscheiden, die / der Vater in der Absicht machen

ließ, / damit sie nicht zu unterscheiden wären. /

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Abb. 3: Richard Serra, God is a loving father / Gott ist ein liebender Vater.

Lichtskulptur. 1967

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Saladin Die Ringe! – Spiele nicht mit mir! – Ich dächte, / dass die Re-

ligionen, die ich dir / genannt, doch wohl zu unterscheiden wären. /

bis auf die Kleidung; bis auf Speis und Trank! /

Nathan Und nur von Seiten ihrer Gründe nicht. – / Denn gründen

alle sich nicht auf Geschichte?  / Geschrieben oder überliefert! –

Und / Geschichte muss doch wohl allein auf Treu / und Glauben an-

genommen werden? – Nicht? –  / Nun wessen Treu und Glauben

zieht man denn / am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen? / doch

deren Blut wir sind? doch deren, die / von Kindheit an uns Proben

ihrer Liebe / gegeben? die uns nie getäuscht, als wo / getäuscht zu

werden uns heilsamer war? – / Wie kann ich meinen Vätern weni-

ger, / als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. – / Kann ich von

dir verlangen, dass du deine / Vorfahren Lügen strafst, um meinen

nicht / zu widersprechen? Oder umgekehrt. / Das n[ä]mliche gilt von

den Christen. Nicht? – /

Saladin (Bei dem Lebendigen! Der Mann hat Recht. / Ich muss ver-

stummen.)

Nathan Lass auf unsre Ring’ / uns wieder kommen. Wie gesagt: die

Söhne / verklagten sich; und jeder schwur dem Richter,  / unmit-

telbar aus seines Vaters Hand / den Ring zu haben. – Wie auch

wahr! – Nachdem / er von ihm lange das Versprechen schon / gehabt,

des Ringes Vorrecht einmal zu  / genießen. – Wie nicht minder

wahr! – Der Vater, / beteu’rte jeder, könne gegen ihn / nicht falsch

gewesen sein; und eh’ er dieses / von ihm, von einem solchen lieben

Vater, / argwohnen lass’: eh’ müss’ er seine Brüder, / so gern er sonst

von ihnen nur das Beste / bereit zu glauben sei, des falschen Spiels /

bezeihen; und er wolle die Verräter  / schon auszufinden wissen;

sich schon rächen. /

Saladin Und nun, der Richter? – Mich verlangt zu hören, / was du

den Richter sagen lässest. Sprich! /

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Abb. 4: Bethan Huws, Good. Word Vitrine. 2003

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Nathan Der Richter sprach: wenn ihr mir nun den Vater / nicht bald

zur Stelle schafft, so weis’ ich euch / von meinem Stuhle. Denkt ihr,

dass ich Rätsel / zu lösen da bin? Oder harret ihr, / bis dass der rechte

Ring den Mund eröffne? – / Doch halt! Ich höre ja, der rechte Ring /

besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen;  / vor Gott und Men-

schen angenehm. Das muss / entscheiden! Denn die falschen Ringe

werden / doch das nicht können! – Nun; wen lieben zwei / von euch

am meisten? – Macht, sagt an! Ihr schweigt? / Die Ringe wirken nur

zurück? und nicht / nach außen? Jeder liebt sich selber nur / am

meisten? – O so seid ihr alle drei / betrogene Betr[ü]ger! Eure Ringe /

sind alle drei nicht echt. Der echte Ring / vermutlich ging verloren.

Den Verlust / zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater / die drei für

einen machen.

Saladin Herrlich! herrlich! /

Nathan Und also; fuhr der Richter fort, wenn ihr / nicht meinen

Rat, statt meines Spruches, wollt: / Geht nur! – Mein Rat ist aber

der: ihr nehmt / die Sache völlig wie sie liegt. Hat von / euch jeder

seinen Ring von seinem Vater:  / So glaube jeder sicher seinen

Ring / den echten. – Möglich; dass der Vater nun / die Tyrannei des

Einen Rings nicht länger / in seinem Hause dulden wollen! – Und

gewiss; / dass er euch alle drei geliebt, und gleich / geliebt: indem

er zwei nicht drücken mögen,  / um einen zu begünstigen. –

Wohlan!  / Es eifre jeder seiner unbestochnen  / von Vorurteilen

freien Liebe nach! / Es strebe von euch jeder um die Wette, / die

Kraft des Steins in seinem Ring’ an Tag  / zu legen! komme

dieser Kraft mit Sanftmut,  / mit herzlicher Verträglichkeit, mit

Wohltun, / mit innigster Ergebenheit in Gott, / zu Hülf’! Und wenn

sich dann der Steine Kräfte  / bei euern Kindes-Kindeskindern

äußern: / So lad’ ich über tausend tausend Jahre, / sie wiederum

vor diesen Stuhl. Da wird  / ein weisrer Mann auf diesem Stuhle

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sitzen, / als ich; und sprechen. Geht! – So sagte der / bescheidne

Richter.

Saladin Gott! Gott!

Nathan Saladin,  / Wenn du dich fühlest, dieser weisere  / ver-

sprochne Mann zu sein: . . .

Saladin (der auf ihn zustürzt, und seine Hand ergreift, die er bis zu

Ende nicht wieder fahren lässt:) Ich Staub? Ich Nichts? / O Gott!

Nathan Was ist dir, Sultan?

Saladin Nathan, lieber Nathan! – / Die tausend tausend Jahre dei-

nes Richters / sind noch nicht um. – Sein Richterstuhl ist nicht / der

meine. – Geh! – Geh! Aber sei mein Freund. [. . .]

(Zitiert nach FLA 9, 553–560; Darstellung in Prosaform und mit Einzug für

den Text aus der Quelle bei Boccaccio von den Herausgebern.)

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Friedrich Vollhardt

Lessings Toleranzparabel

Auf dem Höhepunkt des Fragmentenstreits schreibt Lessing im Au-

gust 1778 an seinen Bruder Karl:

Noch weiß ich nicht, was für einen Ausgang mein Handel [sc. der Streit

mit dem Hauptpastor Goeze in Hamburg] nehmen wird. Aber ich möchte

gern auf einen jeden gefaßt sein [. . .]; und da habe ich diese vergangene

Nacht einen närrischen Einfall gehabt. Ich habe vor vielen Jahren ein-

mal ein Schauspiel entworfen, dessen Inhalt eine Art von Analogie mit

meinen gegenwärtigen Streitigkeiten hat, die ich mir damals wohl nicht

träumen ließ. [. . .] Ich möchte zwar nicht gern, daß der eigentliche In-

halt meines anzukündigenden Stücks allzufrüh bekannt würde; aber

doch, wenn Ihr, Du oder Moses [Mendelssohn], ihn wissen wollt, so

schlagt das Decamerone des Boc[c]accio auf: Giornata I. Nov. III. Mel-

chisedech Giudeo. Ich glaube, eine sehr interessante Episode dazu er-

funden zu haben, daß sich alles sehr gut soll lesen lassen, und ich ge-

wiß den Theologen einen ärgern Possen damit spielen will, als noch mit

zehn Fragmenten. Antworte mir, wenn Du kannst, unverzüglich.

Gotthold.

Der Brief stammt vom 11. August, eine Woche später erhält Lessing

die erwartete »Resolutio« des Braunschweiger Herzogs, die ihm ver-

bietet, »daß er in Religions-Sachen, so wenig hier als auswärts, [. . .]

ohne vorherige Genehmigung des Fürstl[ichen] Geheimen Minis -

terii ferner etwas drucken lassen möge [. . .].«1 Die Arbeit an dem

Lehr gedicht beginnt also situationsabhängig, sie dient einem ak-

tuellen apologetischen Interesse, auch wenn die Idee einer Boccac-

cio-Adaptation bereits vorhanden war. Alter Entwurf und neuer Kon-

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flikt: Zu fragen ist, wie Lessing die »Episode«, die er dem Decameron

entnommen hat, seiner von Zensur bedrohten Lage anpasst.

Die Lessing’sche Erzählung lässt sich in vier Abschnitte gliedern,

die durch einen Monolog der Hauptfigur eingeleitet wird. Dieses

Vorspiel ist für den Autor offenbar von großer Bedeutung, da er sich

kaum Mühe gibt, es schlüssig in den Zusammenhang zu integrieren.

Genau in der Mitte des Stücks wird eine Zäsur gesetzt, welche die

Parabel ankündigt, die über die dramatische Handlung hinausweist

und mit dem ›Lehrgedicht‹ in wechselseitige Auslegung treten soll.

Szene III/6 Nathan allein: Der Kaufmann zeigt sich informiert, er

weiß um die Nöte des Sultans: »Ich bin / auf Geld gefasst; und er

will – Wahrheit. Wahrheit!« Noch bevor er die Gesprächsstrategie

Saladins durchschaut (»Ich muss / behutsam gehen!«), reflektiert er

in einem durch das Stichwort hervorgerufenen Bildbereich über den

Begriff der Wahrheit, was ihn zu einem ersten Religionsvergleich

führt: »als ob / die Wahrheit Münze wäre! – Ja, wenn noch / uralte

Münze, die gewogen ward! – / Das ginge noch! Allein so neue

Münze, / die nur der Stempel macht, die man aufs Brett / nur zäh-

len darf, das ist sie doch nun nicht!« (III/6, 352–357).

Mit der alten Münze ist die authentische religiöse Erfahrung ge-

meint, die innere Wahrheit der Religion, während die späteren Prä-

gungen, die diesen Wert verloren haben, für die verfestigten Dogmen

und Lehrmeinungen der positiven Religionen stehen, die miteinan-

der konkurrieren.2 Die ursprüngliche Münze ist alt, ja sogar ›uralt‹,

was an mythische Ursprünge oder eine ›prisca theologia‹ denken

lässt. Doch in dem von Nathan angestelltem Vergleich überwiegen

deutlich die kritischen Töne, womit zugleich auf das Thema der

Ringparabel (III/7, 395–538), die Gleichheit der Offenbarungsreli-

gionen und deren gegenseitige Anerkennung, vorausgewiesen wird.

In Abschnitt (1) der Ringparabel hält sich Lessing zwar eng an

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seine Vorlage, signifikante Abweichungen von der Novelle Boccac-

cios zeichnen jedoch bereits die eigenen Argumentationslinien vor.

So berichtet Melchisedech von einem großen und reichen Mann,

der unter den Preziosen in seinem Schatz einen besonders schönen

und wertvollen Ring besaß (»intra l’altra gioie più care che nel suo

tesoro avesse, era uno anello bellissimo e prezioso«3); von der Ver-

zierung durch einen Edelstein ist nicht die Rede.

In Nathans Version wird hieraus ein »Ring von unschätzbarem

Wert’ / [. . .] Der Stein war ein / Opal, der hundert schöne Farben

spielte, / und hatte die geheime Kraft, vor Gott / und Menschen an-

genehm zu machen, wer / in dieser Zuversicht ihn trug.« Warum ein

Opal? Nun, in der alchemistischen Tradition symbolisierte der Halb-

edelstein die göttliche Gnade; und es gibt noch weitere, ins Speku-

lative führende Deutungen des Motivs (Stichwort: Kunst-Apothe-

ose4), auf die ich hier nicht eingehe, da es vor allem auf das neue

Element ankommt, das Lessing in die Erzählung einführt. Das ist die

geheime Energie, die der Ring bei jenem entfaltet, der an eine solche

›zuversichtlich‹ glaubt. Dabei handelt es sich nicht um ein Zauber-

requisit, das – wie in der älteren christlichen Tradition5 – äußere

Wunder bewirkt (Totenerweckung, Krankenheilung etc.) oder, wie

bei Boccaccio, Reichtum und Ansehen verleiht sowie Herrschaft le-

gitimiert, sondern die ethische Gesinnung des Trägers zu lebens-

praktischer Wirkung bringt. »Ich versteh dich«, wirft Saladin hier ein,

»weiter!«

In Abschnitt (2) kommt das Gespräch dann auf den Vater, der

sich nicht entscheiden kann, welchem seiner Söhne er den Ring ver-

erbt, da »alle drei ihm gleich gehorsam waren«, wie es bei Lessing la-

konisch-protestantisch heißt. Boccaccio ist bei der Charakterisierung

der Söhne etwas überschwenglicher: »tre figliuoli belli e virtuosi e

molto al padre loro obedienti, per la qual cosa tutti e tre parimente

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gli amava.«6 In der italienischen Novelle lässt der Vater daraufhin

zwei weitere Ringe anfertigen, die dem ersten so sehr glichen, dass

selbst der beauftragte Handwerker kaum einen Unterschied erken-

nen konnte (»[. . .] appena conosceva qual si fosse il vero«). Zwar nur

schwach, aber gleichwohl kann der echte Ringe noch erkannt wer-

den (ob durch den Goldschmied oder den Vater lässt der Text, soweit

ich sehe, offen).

Anders bei Lessing. Bei ihm sendet der Vater »geheim zu einem

Künstler, / bei dem er, nach dem Muster seines Ringes, / zwei andere

bestellt [. . .].« Der Künstler erweist sich als ein Meister seines Faches

und als »er ihm die Ringe bringt, / kann selbst der Vater seinen Mus-

terring / nicht unterscheiden.« Saladin zeigt sich von dieser Wen-

dung der Geschichte ›betroffen‹ und verlangt zu hören, was nach

dem Tod des Vaters geschieht, woraufhin Nathan ihm die Boccaccio-

Lösung präsentiert: »Man untersucht, man zankt, / man klagt. Um-

sonst; der rechte Ring war nicht / erweislich; – [nach einer Pause, in

welcher er des Sultans Antwort erwartet:]«, die er dann selbst gibt:

»Fast so unerweislich, als / uns itzt – der rechte Glaube.«

Es handelt sich um eine vorläufige Antwort, denn nun beginnt mit

dem Ausruf Saladins: »Spiele nicht mit mir! – Ich dächte, / dass die

Religionen [. . .] doch wohl zu unterscheiden wären«, der dritte Ab-

schnitt (3) der Parabel. Es handelt sich eigentlich nur um ein Inter-

mezzo, in dem Nathan »in einer rhetorischen traductio«7 die kon-

krete Ausgangsfrage, auf der Saladin besteht, ins Abstrakte wendet

und damit die von Lessing im Fragmentenstreit entwickelten Argu-

mente aufnimmt. Während der Sultan – ich kehre auf die Figuren -

ebene des Stücks zurück – bei der Eröffnung des Gesprächs in Szene

III/5 sein Gegenüber gleich drei Mal nach den »Gründen« für die

»Wahl des Besseren« (aus »Einsicht«!) fragt, verändert Nathan den

Begriff konzeptuell (459–470):

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Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte? / [. . .] Und Geschichte

muss doch wohl allein auf Treu / und Glauben angenommen werden? –

Nicht ? – / Nun wessen Treu und Glauben zieht man denn / am wenig-

sten in Zweifel? / Doch der Seinen? [. . .] Wie kann ich meinen Vätern

weniger, / als du den deinen glauben?

Den Kommentar stelle ich für einen Moment zurück, er gehört in den

Kontext des Fragmentenstreits und referiert ein zentrales Argument

Lessings. Von diesem ist – wir sind zurück im Drama – der Sultan so

begeistert, dass er »verstummen« muss.

Wir kommen zum letzten, dem (4) Abschnitt der Parabel. Nathan

ergreift noch einmal das Wort: »Lass auf unsre Ring’ / uns wieder

kommen.« Was nun folgt, ist der auslegungsbedürftige Teil der Er-

zählung, der keine Vorlage in der Tradition hat. Ist der echte Ring ver-

loren? Die drei zerstrittenen Söhne, die ihre Klage vor einen neutra-

len Richter bringen, sind »Betrogene Betrieger«, da die vermeintliche

Macht der gefälschten Ringe nicht nach außen wirkt, sondern nur die

Selbstsucht ihrer Träger steigert: »Eure Ringe / sind alle drei nicht

echt. Der echte Ring / vermutlich ging verloren.« Später wird noch

die Vermutung geäußert, »dass der Vater [. . .] die Tyrannei [!] des Ei-

nen Rings nicht länger / in seinem Hause [habe] dulden wollen!« Das

Zentrum der Parabel ist damit erreicht, was nun folgt, ist wider Er-

warten kein Urteil, sondern eine Empfehlung (515–532):

[. . .] Mein Rat ist aber der: ihr nehmt / die Sache völlig wie sie liegt. Hat

von / euch jeder seinen Ring von seinem Vater: / So glaube jeder sicher

seinen Ring / den echten. – [. . .] Wohlan! / Es eifre jeder seiner unbe-

stochnen / von Vorurteilen freien Liebe nach! / Es strebe von euch je-

der um die Wette, / die Kraft des Steins in seinem Ring’ an Tag / zu le-

gen! komme dieser Kraft mit Sanftmut, / mit herzlicher Verträglichkeit,

mit Wohltun, / mit innigster Ergebenheit in Gott, / zu Hülf’! [. . .].

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