Alles psychisch oder was? Klinisch-psychologische Aufgaben bei Enuresis-Patienten Das Modell im...
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„Alles psychisch oder was?“
Klinisch-psychologische Aufgaben bei Enuresis-PatientenDas Modell im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz
Mag. Christian Zniva – Klinische Psychologie
Kinderurologische Ambulanz
"Wir müssen unbedingt mit unserem Sohn
in ihre Sprechstunde, durch sein ewiges Bettnässen
werden alle Nägel rostig!“
Fragen im ärztlichen Erstgespräch
Fragen im ärztlichen Erstgespräch• Leidet Ihr Kind unter dem Einnässen (Skala 1-10)?• Ist Ihr Kind motiviert und zur Mitarbeit bereit
(Skala 1-10)?• Gibt es beobachtete Auslöser für das Einnässen?• Bestehen sonstige Belastungsfaktoren für Ihr
Kind?• Ist Ihr Kind leicht ablenkbar oder unkonzentriert?• Zeigt Ihr Kind trotziges oder aggressives
Verhalten?• Schätzen Sie ihr Kind als ängstlich oder unsicher
ein?• Wirkt Ihr Kind von Zeit zu Zeit traurig?• Bestehen Entwicklungsverzögerungen?
Indikation für eine Zuweisung zur Klinischen Psychologie
• Eine psychische Mitverursachung des Einnässens wird vermutet. (sekundäre Symptomatik, Harninkontinenz tagsüber)
Beispiel: Wiederbeginn des Einnässens bei Schulbeginn oder bei Geburt eines Geschwisterchens
• Elterliches Verhalten trägt wesentlich zur Aufrechterhaltung der Einnässsymptomatik bei
Beispiel: Aufmerksamkeitszuwendung, Problemfokussierung• Einnässen selbst verursacht einen Leidensdruck in der Familie
Beispiel: Schuld- oder Schamgefühle bei Kind und Eltern• Psychische Auffälligkeiten bestehen unabhängig vom
Einnässen
Beispiel: Unruhe, Ängstlichkeit, Aggressivität; Eltern-Kind-Konflikt
Zuweisung zur Klinischen Psychologie
• Zuweisung durch Arzt oder Urotherapeutin
• Terminvereinbarung durch Patient/Eltern/Arzt/Urotherapeutin
• Kommunikation mit Arzt/Urotherapeutin
(persönlich, telefonisch)
Erstgespräch in der Klinischen Psychologie
Zwei Knirpse beim Psychologen, meint der eine zum anderen: „Der Typ ist klasse. Er sucht die Schuld immer bei Mama
und Papa“
Erstgespräch mit Kind und Mutter/Vater
• Dauer: rund 15 Minuten
• Vorstellungsanlass
• Erwartungen
• Verhaltensbeobachtung
• Erklären des Prozederes
Einzelgespräch mit Kind
• Dauer: 45-60 Minuten
• Exploration
a) Wichtige Lebens- und Funktionsbereiche (Familie, Schule, Freizeit,…)
b) Spontan berichtete Problematik, Störungskonzept, Lösungsversuche
c) Befragung hinsichtlich anderer psychischer Auffälligkeiten
• Verhaltensbeobachtung
• Diagnostisches Verfahren „Satzergänzungen“
Einzelgespräch mit Mutter/Vater• Dauer: 45-60 Minuten
• Exploration
a) Entwicklungsgeschichte des Kindes
b) Wichtige Lebens- und Funktionsbereiche (Familie, Schule, Freizeit,…)
c) Spontan berichtete Problematik, Störungskonzept, Lösungsversuche
d) Befragung hinsichtlich anderer psychischer Auffälligkeiten
e) Situation der Eltern
• Verhaltensbeobachtung
• Diagnostisches Verfahren „CBCL4/18“ (Children Behavior Checklist)
Gespräch mit Kind und/oder Mutter/Vater • Dauer: rund 60 Minuten
• Besprechung der Ergebnisse ausa) Exploration b) Diagnostische Verfahrenc) Verhaltensbeobachtung
• Psychologische Beratung und Empfehlungen
• Entscheidung über weitere Schrittea) Stoppb) Weitere diagnostische Abklärung (Exploration, Tests,…)c) Kontrolltermind) Verweisung nach Aussen (Beratungsstelle, Niedergelassene Kollegen, …)e) Weiterbehandlung auf privater Basis (60 Euro / Stunde)
Verhaltensempfehlungen für Eltern• Zeichnen Sie mit ihrem Kind die kinderurologischen
Verhaltensempfehlungen auf einem Bild auf.• Belohnen Sie ihr Kind für das Einhalten der Empfehlungen und
nicht nur für das Trockenbleiben.• Versuchen Sie ihrem Kind möglichst viel Eigenverantwortung zu
übertragen (Wäsche wechseln, Bett umziehen, Toilettengang,…)• Vermeiden Sie Strafen, Ermahnen oder Schimpfen.• Vermitteln Sie ihrem Kind, dass das Einnässen eine Art Krankheit
ist, an der keiner Schuld hat und die sehr wahrscheinlich bald weg sein wird.
• Motivieren Sie ihr Kind mit guten Freunden über das Einnässen zu sprechen. Das Einnässen sollte nicht zum Tabuthema oder Geheimnis gemacht werden.
• Motivieren Sie ihr Kind auch einmal bei Freunden, die vom Einnässen Bescheid wissen zu übernachten.
• Erlauben Sie ihrem Kind zu entscheiden ob es Windeln tragen will oder nicht.
• Versuchen Sie dem Einnässen möglichst wenig Aufmerksamkeit zu schenken und es nicht zu einem Hauptgesprächsthema in ihrer Familie werden zu lassen.
Kommunikation
• Wöchentliche interdisziplinäre Besprechung mit zuständigen Ärzten und Urotherapeutin (Mittwoch) – gemeinsame Planung nächster Schritte
• Befund
Patientenstatistik 2006
• 35 Vorstellungen von Enuresis / Harninkontinenz - Patienten in der Klinischen Psychologie
ICD 10 - Diagnosen:• Psychische Faktoren bei Enuresis (7)• Nicht näher bezeichnete emotionale Störung des Kindesalters
(2)• Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem,
aufsässigen Verhalten (1)• Hyperkinetische Störung (1)• Sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale
Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (1)• Keine klinisch-psychologische Diagnose (23)
Fallvignette Simon (8 Jahre)Symptomatik• Kindliches Urge-Syndrom• Enuresis nocturna (primäre Symptomatik)• Dysphorie• Selbstwertproblematik• Oppositionelles Verhalten gegenüber Mutter
Lebenssituation• Eltern seit 4 Jahren geschieden• Vor 6 Monaten Umzug mit Mutter und 10a-Schwester von NÖ
nach OÖ zu neuem Lebensgefährten der Mutter• Vater in NÖ
Herausforderungen• Neuer Wohnort, neue Schule, neue Freunde• Beziehungsaufbau zu Stiefvater• Konflikte der Eltern
Fallvignette Simon (8 Jahre)
Kinderurologische Behandlung• Kindliches Urge-Syndrom - Medikamentös• Enuresis nocturna (primäre Symptomatik) – Alarmgerät,
Allgemeinempfehlungen
Klinisch-psychologische Behandlung• 4 Einzelgespräche mit Simon (Umgang mit Gleichaltrigen,
Umgang mit Wut, Wünsche an Eltern)• 3 Elterngespräche (Umgang mit Kindern nach Trennung,
Elterliche Beziehung, Umgang mit dem Einnässen)• 2 Einzelgespräche mit Mutter (Ressourcenübung)• 1 Mutter-Kind-Gespräch (Umgang miteinander)
Fallvignette Simon (8 Jahre)
Ergebnisse (Behandlungszeitraum 7 Monate)• Trockenheit• Stimmung neutral bis positiv• Selbstwertgefühl gestiegen• Beziehung zwischen Simon und Mutter verbessert• Beziehung zwischen Simon und Stiefvater verbessert• Beziehung der Eltern verbessert• Aufbau von sozialen Kontakten in der neuen Schule
DANKE FÜRS ZUHÖREN!!!