Als Basisgemeinde anderen Weg genommen...D ie Gefhle htten unterschiedli-chernichtseinkn...
Transcript of Als Basisgemeinde anderen Weg genommen...D ie Gefhle htten unterschiedli-chernichtseinkn...
Ideale haben auch
ihre dunklen Seiten
HilaryMantel: Brüder. Roman. Köln: DuMontBuchverlag, 2012.
Der historische Roman „Brüder“ folgt drei sehrunterschiedlichen jungenMännern in dieWirren der Französischen Revolution. Da istGeorges Danton: ehrgeizig, energisch, hochverschuldet.Maximilien Robespierre: klein, gewissenhaft und furchtsam. Und schließlich Camille Desmoulins: ein Rhetorikgenie, charmantund gut aussehend, aber auchwankelmütigund unzuverlässig.Während diese drei Heldenin den berauschenden Sog derMacht geraten,macht jeder für sich die Erfahrung, dass Idealeauch eine dunkle Seite haben. Gemeinsam entfesseln sie einen Schrecken, dem sich niemandentziehenkann.„Brüder“ istzu gleichenTeilen packende Erzählung undfaszinierendakkurates Panorama einesder erschütterndsten Ereignisse derWeltgeschichte.Mitspitzer Federzeichnet HilaryMantelihre Charaktere, legt ihnen jene scharfzüngigenDialoge indenMund, für die sie die Leser von „Wölfe“ zuRecht lieben, und lässt Geschichte so lebendigwerden. Der brillante Roman ist ab der kommendenWoche in der Stadtbücherei Kornwestheim, Kantstraße 10, ausleihbar.HilaryMantel wurde 1952 in Glossop, England,geboren. Nach dem JuraStudium in Londonwar sie als Sozialarbeiterin tätig. Sie lebte fünfJahre lang im afrikanischen Botswana und vierJahre in SaudiArabien. Für den Roman „Wölfe“wurde sie 2009mit demBookerPreis, demwichtigsten britischen Literaturpreis, ausgezeichnet.Mit „Falken“, dem zweiten Band derTudorTrilogie, gewannHilaryMantel 2012 denBooker bereits zum zweitenMal. Die deutscheÜbersetzung erscheint im Frühjahr dieses Jahres. Sabine Stemmler
Neu in der Stadtbücherei
Die Gefühle hätten unterschiedlicher nicht sein können, als im Januar 1983 17 Erwachsene und
acht Kinder Kornwestheim für immerverlassen, um in Wulfshagenerhütten beiKiel das Leben als christliche Gemeinschaft nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Friede und Gerechtigkeit wünschensie sich auf ihrem Weg der Nachfolge Jesu,Leben und Arbeit frei von knallhartemKapitalismus, Leistung, Gier, Konkurrenz. Dieser Tage führte der Weg die Basisgemeinde Wulfshagenerhütten zurücknach Kornwestheim. Sie besuchte die Johannesgemeinde, Freunde und Bekannte.
Bei den 25 Mitgliedern der Basisgemeinde, die unter Pfarrer Gerhard Weberin der Johannesgemeinde aus einem ökumenischen Gesprächskreis entstandenwar, herrschte vor 30 Jahren Aufbruchstimmung und Neugierde. Die Zurückgebliebenen fühlten sich traurig und betroffen. „Es blieb eine große Leere“, erinnertIlse Kenzler sich. Rose Bührer fügt hinzu:„Wir haben uns sehr verlassen gefühlt.“Andererseits hat der Mut beide Frauenfasziniert: Die Mitglieder hatten fürWulfshagenerhütten ihre Berufe undWohnungen aufgegeben, gingen „nur mitder Sicherheit, von Gott getragen zu werden“, sagt Kenzler, die wegen ihrer Familie an Kornwestheim festhielt. „Ich gehöre hierher.“ Bührer nickt.
Für die Pfarrersfamilie Weber galt dasnicht. Bereits 1973 fragte sich eine Gruppe von Gläubigen um Gerhard Weber, wieman gerecht und friedlich zusammenleben und arbeiten könne, was eine lebendige, offene Gemeinde ausmacht. Wohngemeinschaften und Gemeindehäuser entstanden in Kornwestheim. BedürftigeMenschen bekamen Unterstützung.
Arbeit sollte ein weiterer Bausteinsein. Doch die Möglichkeit, als Gemeinschaft zu bestehen und mehr Menschenals bisher einen Arbeitsplatz entspre
chend ihrer Fähigkeiten zu geben, fandendie Christen in Kornwestheim nicht. Dafür in Wulfshagenerhütten.
Ein großes Gelände mit Gutshaus undweiteren Gebäuden bietet genügendPlatz. „Wir haben eine Werkstatt eingerichtet, in der wir Holzspielzeug herstellen“, sagt Gerhard Webers Tochter EvaWeberLück (43). Das Spielzeug kaufenKindergärten, Schulen und therapeutische Einrichtungen. Das Unternehmenhat sich zu einem „florierenden Wirtschaftsbetrieb mit mehreren 1000 Kunden“ entwickelt. 150 sitzen in Stuttgart.Jeden Tag holt ein Lastwagen das Spiel
zeug ab. Der Erfolg brauchte seine Zeit.„Am Anfang haben wir sehr einfach gelebtund unser Gemüse selbst angebaut“, sagtWeberLück. Mit dem Wachsen der Werkstatt verschwand die Landwirtschaft.„Heute kaufen wir alles ein, was wir brauchen, achten aber auf Bio und regionaleProdukte“, sagt WeberLück. Ihr BruderClemens (42) gehört inzwischen der Berliner Basisgemeinde Prenzlauer Berg an.Sie gründete sich 1990 und lebt stark vomÜberfluss der anderen. „Wir holen undverteilen täglich die Lebensmittel, dieSupermärkte wegwerfen“, sagt ClemensWeber.
50 Männer, Frauen und Kinder zähltdie Basisgemeinschaft Wulfshagenerhütten derzeit. Julia MeyerStromfeldt isteine von ihnen. „Mich hat die Umweltproblematik und die Ungerechtigkeit umgetrieben“, sagt die Frau, die sich vor 19Jahren der Basisgemeinde in SchleswigHolstein anschloss.
Für sie war klar: Die Menschen redenviel, handeln aber wenig. Dabei liege dieLösung nahe. Die Hilfe für sozial schwache Menschen in den Entwicklungsländern etwa fange vor Ort an, sagt JuliaMeyerStromfeldt: „Mit einem bescheidenen und gerechten Leben.“
Als Basisgemeinde anderen Weg genommen
Pfarrer Ulrich Theophil (rechts) und Rose Bührer (hinten links) empfingen die Gäste aus der Basisgemeinde – unter ihnen die Kinderdes Gründers EvaWeberLück (3. von links) und ClemensWeber (links). Foto: Stefanie Köhler
Kornwestheim Einstige Mitgliederder Johannesgemeinde besuchen nach 30 Jahren Kornwestheim. Von Stefanie Köhler
Wichtiges Prinzip: „Alle Dinge gemeinsam haben“
Mehrere tausend Menschen haben die Basisgemeinde Wulfshagenerhütten bereits besucht.
Manche sind eine Woche geblieben, andere länger. Ein Leben in der Basisgemeindebedeutet ein einfaches, bescheidenes Leben. Keiner besitzt Eigentümer oder Einkünfte. Die 50 Menschen in Wulfshagenerhütten bilden nach dem Vorbild derersten Christen eine Lebens, Arbeitsund Gütergemeinschaft. Pfarrer und Begründer Gerhard Weber, erzählt dessenSohn Clemens, habe den Aspekt „alle Dinge gemeinsam haben“ aus der Apostelgeschichte in die Wirklichkeit umsetzenwollen..
Und alles meint alles: Die Mitgliederteilen sich Materielles, Geistiges, den Alltag, Freud und Leid. Jeder Mitarbeiter derSpielzeugwerkstatt beispielsweise bekommt zwar ein Gehalt, das Geld fließt jedoch auf ein gemeinsames Konto. ÜberKäufe und das Gemeinschaftseigentumentscheiden die Männer und Frauen zusammen. Deutschlandweit sei diese Formvon Gemeinschaft einzigartig, sagt Weber.„Es gibt nicht viele Gemeinden, die sokonsequent und radikal das Christentumleben und alle Bereiche integrieren. Wir
leben einen Weg der Nachfolge, nicht deneinen Weg.“
Natürlich gibt es in der BasisgemeindeWulfshagenerhütte Autos – drei nämlich, Handys, Fernseher, Computer undInternet. „Wir sind nicht technikfeindlich“ betont Weber. Die Technik spielt imAlltag bloß eine sehr untergeordnete Rolle, ist Mittel zum Zweck. „Wir machen esuns miteinander schön. Wir singen, tanzen, spielen, feiern und treiben gemeinsam Sport“, sagt Mitglied Julia MeyerStromfeldt. Da man grundsätzlich Gemeinschaft lebe, stelle sich die Frage nachAktivitäten wie ins Kino gehen oder Reisen gar nicht.
Lediglich die Jungen tun sich etwasschwer mit dem Verzicht. Die Lösung seien letztlich Kompromisse, sagt ein Vater.Neben zwei Kindergartenkindern bestehtdie Basisgemeinde aus sechs Schulkindern und sieben Jugendlichen. Sie gehenauf öffentliche Schulen. Von Isolationhält die Basisgemeinde nichts. „Wir sehenuns nicht als eine Insel oder alleinige Gemeinschaft“, sagt Eva WeberLück. Mansei weltweit mit anderen Gemeinden undGemeinschaften vernetzt und brauche einander.
Der große Ansturm auf die Basisgemeinde ist vorüber. In den zwei Jahrennach dem Umzug 1983 stieg die Zahl derMitglieder von 25 auf 100. „Anfang der80erJahre suchten viele, vor allem jungeMenschen Alternativen. Sie wollten ihrenGlauben ganzheitlich leben“, sagt Clemens Weber. Die rasante Entwicklung habe den Aufbruch bestätigt. In den vergangenen zwei Jahren seien dagegen nur vereinzelt junge Menschen gekommen –Wirtschaftskrise hin oder her. „Die Unsicherheit führt zum Gegenteil“, sagt We
ber. Die Menschen hätten weniger Zeit,stünden unter Druck, wollten den Anschluss ans Berufsleben nicht verpassen.
Auch die Basisgemeinde beschäftigtsich derzeit mit elementaren Dingen, denWurzeln, der Zukunft. „Wir werden älter.Deshalb prüfen wir zum Beispiel Anfragen von Bedürftigen noch besser“, sagtEva WeberLück. Sicher sei nur eines: dieBasisgemeinde will weiter existieren.
Info Im Internet findet sich die Basisgemeindeunter www.basisgemeinde.de.
Kiel Die BasisgemeindeWulfshagenerhütten teilt alsGütergemeinschaft mehr als Gastfreundschaft. Von Stefanie Köhler
Besteht 30 Jahre: die BasisgemeindeWulfshagenerhütten in der Nähe von Kiel. Foto: z
Das Damoklesschwert soll Mutter auf den rechtenWeg führen
Das Jugendamt hat ein Auge auf sie,und gerade deshalb wollte das Ludwigsburger Strafgericht die 37Jäh
rige noch nicht ins Gefängnis schicken:Doch die wegen mehrfachen Betruges zusieben Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und 60 Stunden gemeinnützigerArbeit verurteilte Mutter muss sich vonjetzt an gehörig anstrengen, wenn sie ihreKinder behalten will.
Der 37Jährigen steht eine Ehescheidung bevor, und die Väter ihrer 14, zwölfund anderthalbjährigen Kinder zahlen allenicht. Der Unterhaltsvorschuss für eins derKinder läuft obendrein nicht, weil sie dessen Vater beim Jugendamt erst gar nicht
benannt hat. In ihrem Beruf als Bäckereifachverkäuferin hat die Frau 2010 zumletzten Mal ein bis zwei Monate lang gearbeitet und bezieht seitdem Hartz IV.Restlos pleite marschierte sie im Juni vergangenen Jahres dreimal in ein Ludwigsburger Bekleidungsgeschäft und kaufteKinderbekleidung per Lastschriftverfahren ein. Die Lastschriften wurden zurückgebucht, weil kein Geld auf ihrem Kontowar; das Geschäft in der Innenstadt wartetheute noch auf sein Geld. Viel war es nicht,was sich die Angeklagte zu Beträgen zwischen 15 und 27 Euro ergaunert hat. Deswegen wurden die drei Betrügereien vomGericht auch als geringfügig eingestuft.
Aber der Kleidungskauf war nicht dieeinzige Anschaffung, die die 37Jährige tätigte und nicht bezahlte. Für ihre Katzekaufte sie im Internet für 63 Euro Futterein und bezahlte die Rechnung nicht. „DieKatze will fressen, und die Kinder habennichts zum Anziehen,“ sagte sie zu ihrer familiären und finanziellen Situation, die ihrnach eigenen Angaben schon seit längerem„psychische Probleme“ bereite. Sie habemanchmal Schwierigkeiten, den Alltag zustrukturieren, zumal ihr 14jähriger Sohn,der bislang bei seinem Vater gelebt habe,bei ihr eingezogen sei und ihr jetzt auchnoch pubertäre Probleme bereite. Natürlich hätte sie als Hartz IVEmpfängerinwarten müssen, bis das Kindergeld da ist,um Kleider kaufen zu können. Aber ihreKinder hätten doch schon nur den „AldiTalk“ auf ihren Handys. Und mit demKleinsten bekomme sie jeden Morgen die
Krise, bis dieser sich überhaupt angezogenhabe und im Kindergarten angekommensei. „Die Familienhilfe hat doch so viel fürSie getan,“, konnte sich die Staatsanwältinnur schlecht erklären, warum die Frau immer noch derart große Probleme hat.
Die Angeklagte zeigte sich reumütig. Siesehe das Unrecht ihrer Straftaten ein, verfüge jetzt auch nur noch über ein Konto aufGuthabenbasis samt Pfändung für ihreSchulden. Internet habe sie auch nichtmehr. Dem Ludwigsburger Strafgericht botdie dreifache Mutter an, Arbeitsstunden imAltersheim abzuleisten, doch so einfachkam sie nicht davon. Neunmal einschlägigvorbestraft, hat sie nämlich noch nicht einmal ihre Sozialstunden aus früheren Verurteilungen abgeleistet. Von 40 Stundensind noch sechs offen. Ihre siebenmonatigeFreiheitsstrafe bekam die Betrügerin nurunter schwersten Bedenken noch einmal
zur Bewährung ausgesetzt. Weder Geldnoch Freiheitsstrafen noch ein Bewährungshelfer, befand die Anklägerin, hättenbei ihr gefruchtet.
Hoffnung setzen die Beteiligten aufeinen zweiten Familienhelfer, mit dem dieFrau besser zurecht komme. „Sie müssendafür sorgen, dass Ihre Kinder nicht insHeim und Sie nicht ins Gefängnis kommen,“ redete ihr die Staatsanwältin ins Gewissen. „Das muss als Damoklesschwertüber Ihnen schweben.“ Schließlich habedie 37Jährige auch die Möglichkeit, die Väter ihrer Kinder in die Verantwortung zunehmen.
„Auf den ersten Blick ist das kein Fall,der nach Bewährung ruft“, begründeteStrafrichterin Andrea Henrich ihr Urteil.Aber nach der letzten Straftat der Frau ausPattonville habe sich etwas getan, sieht sieeinen Silberstreif am Horizont.
Pattonville Eine mehrfach vorbestrafte Betrügerin kommt noch einmalmit einer Bewährungsstrafe davon. Von Heike Rommel
Kornwestheim
Einblicke in dieBerufsweltenDie OscarWalckerSchule auf dem Römerhügel lädt für Dienstag, 26. Februar, zueinem Berufsinformationstag ein. Von 9 bis13 Uhr gewähren die Werkstätten der Schule Einblicke in die verschiedenen Ausbildungsberufe sowie in die einzelnen Phasender gewerblichen Berufsausbildung. Zusätzlich werden die Möglichkeiten derschulischen Weiterbildung vorgestellt. DieVeranstaltung richtet sich vorwiegend anHaupt, Werkreal und Realschüler.
Fachlehrer und Auszubildende stehenwährend des ganzen Tages für Demonstrationen und zusätzliche Informationen zurVerfügung. Auszubildende führen durchsSchulgebäude auf dem Römerhügel.
Es geht bei dem Berufsinformationstagum die Ausbildungsberufe MedizinischeFachangestellte, Maler, Lackierer, Schreiner, Tischler, Maurer, Zimmerer, Bäcker,Fleischer, Friseur sowie Bäckerei undFleischereifachverkäufer. Außerdem werden Möglichkeiten der schulischen Weiterbildung zum mittleren Bildungsabschluss,zur Fachhochschulreife oder zum Abiturvorgestellt.
Weitere Informationen gibt es im Sekretariat der OscarWalckerSchule unter derTelefonnummer 0 71 41 / 4 44 91 01 oderüber die Homepage der Schule unter derAdresse www.owslb.de. red
IIINr. 42 | Dienstag, 19. Februar 2013 KORNWESTHEIM