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Alte B urg= u nd SchloEgriin du ngen im GeHinde des Regierungsgebaudes in Kassel Von Helmut Sander 1. Allgemeines 191 Im Winke! zwischen dem Haupttrakt und dem Nordfltige! des 1957-1960 errimteten Regierungsgebaudes breitet sim jetzt ein fast ebenes FreigeUinde aus. Es besitzt keine Ahnlichkeit mit der natUrlichen, ursprUnglimen Boden", gestalt aieser Gegend und erzahlt dem oberflachlimen Betrachter nichts von den Mauerresten alter Burgen und SchlOsser, die noch heute in seinern Grunde ruhen. Auch der Neubau steht im Bereich soIcher MaueTn und zeich::l net irn GrundriB sparsarn zwei Trakte jenes gewaltigen klassizistisrnen Sch!o/S::I baues narn, der hier ab 1817 aus tiefsten GrUndungstiefen in die Hohe zu wachsen begann und den rornantischen Namen IIKattenburg" erhielt, dom nie vollendet wurde. Diesen voller Riitsei und Problerne steckenden Boden zu durchforschen, war 1953/54 als Vorbereitung fUr den Neubau des Regierungsgebaudes zwin", gende technische Notwendigkeit geworden. Die entscheidende Anregung gab clef Leiter des Staatsbauarntes Kassel",Stadt, Oberregierungs baurat Kurt Bors mann. In mUhseliger Kleinarbeit wurden durch ortliche Untersuchungen in Bohrungen und Schachten sowie durch Quellenstudien und Laborarbeiten Er; kenntnisse zusarnmengetragen, an denen der Verfasser wesentlichen An:: teil hatte und die neben stadtebaulichen Gesichtspunkten fUr die Lage des Neubaues und die Ausbildung seiner GrUndungen bedeutsam weeden soIl,. ten 1. Die Ausarbeitungen haben seinerzeit die volle Anerkennung des dama= ligen Leiters des Hessischen Landesamtes fUr Bodenforschung, Prof. Dr. Miche!s, gefunden. Nebenbei enthtillte sich immer k!arer das Bild der baugeschichtlichen Ent. wicklung, die sich in sehr deutlicher Abhangigkeit von naturbedingten Gege z benheiten vollzogen hatte . Die Ridttigkeit der gewannenen Ergebnisse fand sich teilweise in Warten bestatigt bzw. vorweggenommen in dem 1845 gedruckten Aufsatz "Der Bau der Kattenburg zu Kassel" von Oberbaum ei ster DANI EL E NGELIIARD!!. Die Zeichnungen der Baugrundschnitte waren jedoch narn ortlirnen AufmaBen bzw. Fe ststellungen wahrend der Bodenuntersuchungen neu zu entwickeln. Be z 1 Text_ und Anlageband "Ergebnisse der Baugrundunter suchungen im Berei ch d es ehemaligen Regierungs_ uod Gerichtsgebaudes in Kassel am SchloBplatz", auf- gesteUt vom Staatsbauamt Kassel-5tadt in Zusammenarbeit mit dem Kasseler Geologen Dr. Wilhelm Pickel am 1. 6. 1954. 2 AlIgcmeine Bauzeitung" (L. Forster's Verlag, Wien 1845). Kommcntierter Aus .. zug siehe ZHG 69 (1958) 29 .

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Alte Burg= und SchloEgriindungen im GeHinde des Regierungsgebaudes in Kassel

Von Helmut Sander

1. Allgemeines

191

Im Winke! zwischen dem Haupttrakt und dem Nordfltige! des 1957-1960 errimteten Regierungsgebaudes breitet sim jetzt ein fast ebenes FreigeUinde aus. Es besitzt keine Ahnlichkeit mit der natUrlichen, ursprUnglimen Boden", gestalt aieser Gegend und erzahlt dem oberflachlimen Betrachter nichts von den Mauerresten alter Burgen und SchlOsser, die noch heute in seinern Grunde ruhen. Auch der Neubau steht im Bereich soIcher MaueTn und zeich::l net irn GrundriB sparsarn zwei Trakte jenes gewaltigen klassizistisrnen Sch!o/S::I baues narn, der hier ab 1817 aus tiefsten GrUndungstiefen in die Hohe zu wachsen begann und den rornantischen Namen IIKattenburg" erhielt, dom nie vollendet wurde.

Diesen voller Riitsei und Problerne steckenden Boden zu durchforschen, war 1953/54 als Vorbereitung fUr den Neubau des Regierungsgebaudes zwin", gende technische Notwendigkeit geworden. Die entscheidende Anregung gab clef Leiter des Staatsbauarntes Kassel",Stadt, Oberregierungsbaurat Kurt Bors mann. In mUhseliger Kleinarbeit wurden durch ortliche Untersuchungen in Bohrungen und Schachten sowie durch Quellenstudien und Laborarbeiten Er; kenntnisse zusarnmengetragen, an denen der Verfasser wesentlichen An:: teil hatte und die neben stadtebaulichen Gesichtspunkten fUr die Lage des Neubaues und die Ausbildung seiner GrUndungen bedeutsam weeden soIl,. ten 1. Die Ausarbeitungen haben seinerzeit die volle Anerkennung des dama= ligen Leiters des Hessischen Landesamtes fUr Bodenforschung, Prof. Dr. Miche!s, gefunden.

Nebenbei enthtillte sich immer k!arer das Bild der baugeschichtlichen Ent. wicklung, die sich in sehr deutlicher Abhangigkeit von naturbedingten Gegez

benheiten vollzogen hatte. Die Ridttigkeit der gewannenen Ergebnisse fand sich teilweise in Warten

bestatigt bzw. vorweggenommen in dem 1845 gedruckten Aufsatz "Der Bau der Kattenburg zu Kassel" von Oberbaumeister DANIEL E NGELIIARD!!. Die Zeichnungen der Baugrundschnitte waren jedoch narn ortlirnen AufmaBen bzw. Feststellungen wahrend der Bodenuntersuchungen neu zu entwickeln. Bez

1 Tex t_ und Anlageband " Ergebnisse der Baugrunduntersuchungen im Bereich des ehemaligen Regierungs_ uod Gerichtsgebaudes in Kassel am SchloBplatz", auf­gesteUt vom Staatsbauamt Kassel-5tadt in Zusammenarbeit mit dem Kasseler Geologen Dr. Wilhelm Pickel am 1. 6. 1954.

2 AlIgcmeine Bauzeitung" (L. Forster's Verlag, Wien 1845). Kommcntierter Aus .. zug siehe ZHG 69 (1958) 29 .

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sonders wimtig war cler derzeitige Zustand des alten Grundmauerwerks, weil es unter Umstiinden fUr die Neugriindungen benutzbar sein konnte.

Ein Teil cler Erkenntnisse ist bereits in dem ein groBeres Gebiet umfas­senden "Versum einer Deutung clef naturgeschichtlichen Grundlagen fUr die fruhe Entwicklung des Platzes Kassel" 3 angedeutet und ausgewertet worden.

Der Bau des neuen Regierungsgebaudes wurde gerade begonnen, als die Direktion des Hessismen Landesmuseums zu Kassel aus feener Privathand im Herbst 1957 den umfangreichen zeidmerismen NachlaB des kurfiirstlimen Oberbaudirektors HE[NRICH CHRISTOPH Jussow (1754-1852) erwarb 4. Dieser ietztere hatte die Kattenburg entworfen. Ich habe im April 1960 in dem Nach­laB einige aufschluBreiche Zeidlnungen gefunden, aus denen sich recht be­deutende baugeschichtliche Schlusse ableiten lassen. Die Zeichnungen sind leider fast nie besdtriftet, sonst aber sehr sorgfaltig und erfahrungsgemaB recht zuverlassig ausgefiihrt worden.

2. Rekonstruktion des Geliindebildes vor der alI .... rsten Bebauung Von dern im groBen Ganzen etwa von Westen nam Os ten zur FuIda

fallenden Gelande des heutigen Stadtzentrurns hatte ein west .. ostIich flie­Bender, am spateren Renthof in die Fulda miindender Bach eine Hiigelspitze abgeteilt, die sich bis ca. 14 m Hohe markant uber dem friihmittelalterlichen Fuldaspiegel erhob.

Im Jahre 1953 hat W. PICKEt darauf hingewiesen, daB die Entstehung des Bachlaufes durch die geologische Storung, die man als IIKasseler Graben" bezeimnet, verursacht worden ist 5• Es handelt sich wohlgemerkt nkht urn die Drusel, die aus dern Druseltal kommt und am FulSe des Weinberges in das Fuldatal miindet'.

Die Erosion hat an dem Hugel ziemlich steile Flanken erzeugt 7. Das Iinke Fuldaufer lag damals nicht v 0 r, sondern didtt hi n t e r den Standorten des Rondells und des ab 1958 neu erridtteten Magazingebaudes des Staats­theaters. Das NiederungsgeUinde war versumpft und versdtilft. Bei der Grtindung des Magazingebaudes an der Stelle des frtiheren Renthoffltigels hatte man deshalb mit groBen Sdtwierigkeiten zu kampfen.

Die Hiigelspitze, die einen weiten Einblick in das Hinterland des rechten Fuldaufers erlaubte, bot sich frtihzeitig zu herrschaftlicher Bebauung an.

3 ZHG 69 (1.958) 1.9. W. PICKEL, der dorUge Mitverfasser, hat natUrlich in geolo_ gischer Hinsicht auch an den hier vorliegenden AusfUhrungen wesentlichen Anteil.

4 Vergl. ZHG 69 (1.958) 29, 2. Absatz und Anmerkung 2. - Die Zeidmungsmap_ pen befinden sich jetzt im Staatlichen Kupferstichkabinett (landesmuseum). Vergl. auch den aufsdlluBreimen, bebiIderten Katalog von HANS VOCE1. Uber die Ausstellung des Nachlasses im Nov. 1.958 bis Januar 1.959.

5 Gutachten W. PICKEL vom 1.2. 6. 1.953 filr das Staatsbauamt Kassel-Stadt. 6 Niiheres ist aus dem Aufsatz zu Anmerkung 3 ersichtlidl. 7 Vergl. den rekonstruierten Hohen_ und Lageplan des Gelandes von Alt-Kassel

vor seiner ersten Besiede1ung bei S. 24 -+ ZHG 69 (1.958).

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KASSIL,SCIINmt DURCH n~s SCHlOSSG£LAND£ (19511)

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3. Bodenaufbau und Beurteilung seines bautedtnisdten Verhaltens

Die fast allgemein fur AltaKassel gUltigen BodenverhaItnisse 8 gelten auch fur die Hiigelspitze: Uber dem wasserstauenden, tragfahigen Rot liegen eine wasserleitende Steinsdtotterschicht und dariiber frumtbarer LoBlehm in unterschiedlidter Starke.

W. PICKEL hat das bautedmische Verhalten des LOBlehms wie folgt charak. terisiert: "Der Log nimmt begierig die auf ihn niedergehenden Tageswasser auf und gibt sie langsam zur Vorflut ab . " Bei gleichbleibender Konsistenz, d. h. entweder bleibend trod<en oder bleibend feucht, ist LoB ein brauchborer Baugrund. Wird trockenem Log Wasser zugefuhrt, so entsteht ,Trieblehm' und damit schledtter Baugrund. Wird wasserfuhrender Log entwassert, so verliert er ebenfal1s seine vorher vorhandenen guten bautechnischen Eigen­schaften, und es kornmt zu Setzungen. Urn im feuchten LoB sicher griinden zu konnen, hat man f.riiher in vielen Fallen die Grundmauern auf Eimen::: roste gestellt. Wurde spater der Grundwasserstand - z. B. dunh Brunnen -abgesenkt, so rnuBten die Roste verfaulen, und es ergaben sich aum aus diesem Grunde Setzungen" e.

Auf der Hugelspitze liegt der LoBlehm bis zu 7 m hoch. Er ist heute etwa 3 m mit Schut! uberdeckt. An den Flonken muB er, do der FluB und der Bach noch tiefer lagen, auf natiirlime Weise erodiert gewesen sein. Die unter dem Lehm befindliche Schotterschicht (s. 0.) konnte somit den Hugel ento sprechend dem Rhythmus der Jahreszeiten entwassern. Die kunstlich aus­gefiihrten Burggdiben, der Brunnen im Burghof, die unterirdischen Gange und Kanale sowie die Baugruben a11er Tiefgrundungen haben diese Wirkung auBerordentlich verstarkt. Die Folge war, daB jede Griindung schwerer Baukorper auf dem LoBlehm zu Setzungen und ggf. Mauerrissen fiihren muBte.

Bis ins 19. Jahrhundert hat man trotzdem Burgen und Schlosser zumindest teilweise auf den Loglehm der Hiigelspitze gestellt. Urn wirklich sicher zu griinden, brauchte man nur die LoBschicht zu durchstoSen und die Fundaa rnente auf den Steinsdtotter oder - nom besser - auf den Rot zu legen. Dies fiihrte jedoch zu betrachtlichen Grundungstiefen, zu Schwierigkeiten mit dem andringenden Wasser und folglich zu hohen Kosten.

An den unteren Hiigelrandern bzw. in den Talern und spater in den Burggraben hat sim vie} Schlarnm abgelagert. Er besitzt wegen seines ho" hen Gehaltes an Humussaure und anderen schadlichen Stoffen die schlechte Eigenschaft, normalen Mauerwerksmortel zu zerstoren. Erst heutzutage kennt man Chemikalien, welche die daraus entstehenden Gefahrenquellen zu bannen versprechen.

8 ZHG 6g (1958) '4.

9 In ZHG 69 (1958) 24, Anm. 8, wurde auf den Druselturm als Beispiel hinge­wiesen. Bei Griindungsuntersucnungen am Zwehrener Turm, der 1.960 von seinen schweren Kriegsscnliden geheilt wurde, sind ebenfalIs verfaulte Pfahle und Schwellen festgestellt worden.

Altc Burg_ und SdlloJJgrandungen in Kassel 195

4. Ober die !.age und T edtnik der ersten Bwggriindungen

Die Bodenuntersuchungen des Iahres 1954 halten nicht die Aufgabe, Zeit und Art der ersten Bauten auf dem HUgel klaren zu helfen. Die Wieder .. entdeckung des jetzt noch unter den spateren AuffUllungen vorhandenen kleinen Burgberges, verkntipft mit bekannten historischen und neu entwickel .. ten umfassenden naturgesdtichtlichen VorsteIlungen, festigte freilich die An .. sicht, daB die aitesten kulturgeschichtlich bedeutsamen Bauwerke an dieser StelIe senon im friihen Mittelalter entstanden sein diirften. Ich neige dazu, ihren Standort etwa unter der Nordostecke des RenaissancesdtIosses zu ver .. mu ten, weil in dieser Gegend nach unseren Ermittlungen die markante Hti .. gelspitze lag 7.

Es ist anzunehmen, daB die altesten, hohergelegenen Baureste bei der Aus­senachtung der Grube fur die spateren Burgkellergewolbe beseitigt worden sind. Oder sollten sich unter der Sohle dieser Keller wkntige Spuren ver­bergen7 Wir wissen es nicht, weil bisher die Geldmittel zur Klarung dieser Frage fehlten. Falls die aiteste Burg in dem Hofgelande des Renaissance­schlosses gelegen haben sollte, so bestehl die Moglichkeit, daa deren Fun­damcnte bei einem VergroJSern des BurggeUindes abgetragen worden sind.

Bci den Untersuchungen im Jahre 1954 zogen die Reste der landgrafen. burgen b~w. des Renaissancesch.losses unsere besondere Aufmerksamkeit auf sich, als wir unter dem Hofe des alten Regierungsgebaudes ausgedehnte mittelalterlime Kellergewolbe fanden, von denen niemand etwas ahnte. Diese Tatsache konnte nimt ohne Einflug auf das damals zu planende Neuhau· vorhaben bleiben. Die GewoIhe sind nom heute vorhanden. Ich hatte, mit einiger Ortskenntnis und Erwartungen gewappnet, nordlich der Hofmitte des kriegszerstorten und here its abgebromenen Regierungs- und Gerichtsgebaudes einen Untersuchungsschacht abteufen lassen. Bei 4 m Tiefe stieJSen die Hand. werker auf das Mauerwerk eines GewolbescheiteIs. Nachdem er durchbro; chen war, konnten wir in einen etwa 2 m breiten, 11 m langen Gang hi nab .. steigen, an dessen beiden Enden sich die grogen, nordlichen Kellerraume des Landgrafenschlosses offneten (siehe Abbildung 2). Sie waren jedoch so hoch mil 5chutt angefiillt, daa man sich nur gebiickt darin bewegen konnte bzw. sogar flam liegend Uber den Smutt kriemen muBte. Zwecks A'lfmaB der Keller smaufelten wir Graben, urn aufrecht stehen zu konnen.

Sehr bemerkenswert ist der Umstand, daB der ostlirne, am Ende durch das spatere Kattenburgmauerwerk abgeschnittene Kellerraum in Gegensatz zu den kreuzgewolbten westlicnen Kellern ein Tonnengewolbe aufweist. Ich bin Uberzeugt, daB der tonnengewolbte Keller einen wesentlicn alteren Bauteil darstellt und einer der frUheren Burgen zugeordnet werden mug. Betrachtet man die z. T. viele Meter dicken Mauern im GrundriJSplan, so scheint cs eingedenk der GrUndungssdtwierigkeiten niellt verwunderlich, daB spatere Generationen ihre Neu. oder Umbauten Uber den vorhandenen soliden Kel­lerwanden auffiihrten. Die wehrhaften AuJSenwande konnten trotz des Burg­grabens den Horizontalscnub der Tonnengewolbe gut aufnehmen. Die nur

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halb so starken Hofmauem waren durch den Erddruck des Hugels gegen Gewolbeschubwirkungen geschlitzt. Risse habe im in diesem Bauteil nicht festgestellt.

Von Jussow liegen einige Zeichnungen vom Kellergrundri.B des Landgrafena schlosses vor. Die beigefiigte Kopie (siehe Abbildung 3) zeigt nur in cler

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Abbildung 3

Nordost: und Siidostecke tonnengew51bte Keller, teilweise umgeben von au.Berordentlich starken Mauerrnassen. Diese sind wohl durch Gri.indung5~ schwierigkeiten und nachtragliche Umbauten in den Obergeschossen bedingt. Ober das Alter findet sich ein Hinweis bei ENGELHARD 2, denn er schreibt w6rtlich: "Das Holz unter dem altesten, 540 Jahre bestandenen Teile des alten Schlosses fand man vollig vermodert" usw. 10• Leider bezeichnet er die Fundstelle nicht naher, doch kann es sich nur urn die Mauergriindungen der tonnengewolbten Keller handeln, soweit sie beim Aushub der Kattenburg'" Baugrube abgebrochen we.rden muiSten. Ich vermute, daiS der renthofseitige GrundriiSfliigel gemeint ist.

Die Grundmauern sollen laut ENGELHARD haufig auf vermoderten Holz: rosten gestanden haben, die auf LoJSlehm ruhten, und waren aus kalkmortel: gebundenen Bruchsteinmauern (Sandstein) aufgefiihrt. Zwei im Jahre 1954 an

1.0 1.277 + 540 = 1.81.7 = Grtindungsjahr der Kattenburg.

Tafel I

Gegeniiber dem Renthof wurde 1954 in einem Schiirfgraben ein kleiner Gewolbe,.. scheitel entdeckt und durchbrochen. Der erschlossene Wehrgang Hihrte zur soge .. nannten 2. Bastion.

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---.! Slick in den 1954 wiedererschlossenen kreuzgewolbten Keller des Landgrafenschlosses. Das verputzte Mauerwerk is t ;! gu t erhalten. Oer Arbeiler kniet auf dem etwa 2 m hoch angehillten Schult.

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der Nordosted:.e der tonnengewolbten Keller abgeteufte Sdtiirfungen ergaben Griindungstiefen von ca. 3 bzw. 4,5 m unter der damaligen Erdoberflame, d. h. die Mauersohle lag in Hohe von 144,85 m bzw. 143,45 m liber NN, also rund 12 m liber dem alten Fuldaspiegel. Holzroste wurden an diesen Stellen nimt gefunden. Nirgends in dem ganzen Baugelande waren nom hohec ge: legene Griindungssohlen festzustellen. Auch dieser Umstand spcicht flir das hohe Alter der nordostlimen Griindungen.

Im Jahre 1466 baute Landgraf Ludwig der Freimlitige "das grope Hau/3, gegen der Stadt werts, mU einem gewaltigen steinern FufJ, und ein holtzern Stockwerck, ... ist hernach wieder abgebrochen, und von Grund neu an die­selbe Statt ein steinern HaufJ gebauet worden" l1 . tch darf annehmen, daLS der IIgewaltige steinerne FuLS" nur iiber dem Kellermauerwerk abgerissen wurde. Damit ware die Entstehung des nordlimen, langgestreckten Tonnen: gewOlbes mit der stacken AuRenwand hoffentlich richtig datierP2.

Als man urn 1500 an der Fuldaseite den Schloilflligel "Rotenstein" zu errimten begann, wurde ansmeinend aum der dortige groLSe Keller neu er­stellt und mit Kreuzgewolben liberded<t (siehe Abbildung 3). Hof- und AuLSenwand weisen die gIeidte Starke auf. Flinf Mittelpfeiler haIfen die Gewolbespannweiten zu verringern. Der Raum fiel spater zu drei Vierteln der Kattenburg zum Opfer. Im .restlichen Viertel wurde 1954 durch eine Boh. rung das Vorhandensein eines Hohlraumes nachgewiesen. Die Grlindungs: sohle der Hofmauer liegt laut Bohrung (1954) bei 139,80 m liber NN, also wesentlich tiefer als diejenige der alteren nordostlimen Griindungen.

5. Mittelaltediche Befestigungsaniagen am Rande des BurggeHindes und ihre Griindung (ab 1523)

Statt einer vollstandigen Darstellung dieser Anlagen muB ich rnim mit Hinweisen auf einige Massivbauwerke begnligen, die groBtenteils noch heute im Erdreich vorhanden sind. Das historische Bildmatecial wurde von mic hin .. sichtlich der Befestigungen weder untersumt nom kommentiert, weil es an: smaulich genug ist, urn fUr sich selbst zu sprechen.

Das besondere Charakteristikum der Anlagen waren die drei markanten Rondellbauten langs des Bachlaufes bzw. an seiner Mlindung. Das groile Rvndell an der Fulda ist bekannt. Es ist sicherlich nam Beseitigen des Ufer: schlammes auf Rot gegriindet worden und stammt wohl nur in Mauerwerks: resten seines Unterbaues aus der Zeit der ersten Griindung, denn schon 1548 muBte es teilweise gesmleift werden. 1567 wurde es neu erbaut. Nach Unter: spiilung durch die Fulda sind 1652 wesentliche tnstandsetzungen und eine Er:

1.1 "Die hessische Congeries" I hrsg. von NEBELTHAU -+ ZHG 7 (1858) 309-384, be­sonders 342 f.

12 Uber die Ergebnisse der 1959 vom Stadtanhiv Kassel ausgefUhrten Gcabungen vgl. den Bericht von W. Niemeyer -+ Fundberichte aus Hessen" (1965) z. Z. im Druck.

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h6hung notwendig geworden (Inschrift an der Nordostseite !). 1879 waren "flir die Wiederherstellung der eingestiirzten Bastion an der Fulda fl 4671 Mark aufzuwenden IS. MaBangaben: Gesamtdurdunesser 27,6 rn, H6he 12,6 m uber der Fulda, Kuppeldurchmesser 9,6 m, KuppelhOhe 7,4 m. - Oer heute annahernd quer durch das Rondell fiihrende .. Uings def Fulda bzw. Kleinen Fulda verlaufende Abwasserkanal ist 1883-88 angelegt worden. Ein etwa 3 m breiter, aufwarts fiihrender, iiberwolbter Gang verband das Rondell mit der Burg. Abzweigungen Hihrten in die Wallanlagen. Flir die Kattenburg diente der Gang nach dem Einbau einer Rinne als Kanal. Ein TeilstUck dieses Haupt'" ganges ist erhalten geblieben. Ein weiteres StUck ist dem Neubau clef Tief,. garage am Regierungsgebaude zum Opfer gefallen.

Ein unter der abgebrochenen Freitreppe des zerstorten Gerichtsgebaudes (gegenuber dem Renthof) im April 1954 angesetzter Suchgraben tiffnete in geringer Tiefe einen an beiden Seiten abgemauerten smmalen Gang. Nach dem Durchbremen der nordlichen Abmauerung konnte ich zusammen mit Hilfs: kraften erstmalig einen rund 2 m breiten, 25 m abwarts fuhrenden Gang er­kunden und aufmessen, der nach cler Tiefe hin zunehmend verschlammt war. Fast kriechend muBten wir uns vortasten, bis sich uber dem meterhohen, ein­getrockneten Schlamm ein Kuppelraum mit 4,8 m lichter Hohe und fast 4 m

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Abbildung 4

13 StAM Marburg, Akten Uber den Bau des Regierungs. und Gerichtsgebaudes <ab 1870).

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Alte Burg_ und Schlopgrnndungen in ICassel 199

Durchmesser auftat. Nam Nordosten war diesem Raum im Viertelrund ein schmaler Wehrgang roit SchieBscharten und einer aufwarts ftihrenden, oben abgemauerten Treppe vorgelagert. Wir hatten die zweite Bastion, ein kleineres Gegenstiick zu dem bekannten Rondell, wiederentdeckt (siehe Schnittskizze, Abbildung 4). Mindestens seit der Erbauung des alten Gerichtsgebliudes, wanrscheinlich aber noch weit langer, war sie nicht mehr betreten worden. Bei der Ausschachtung filr die Tiefgarage des neuen Regierungsgebaudes wurde die Kuppel der zweiten Bastion mit dem Bagger freigelegt und von oben geoffnet 14. Ein Teil der Kuppel muBte dem neuen BetonfuBboden weidten. Der Unterbau der Bastion blieb erhalten, ist aber unzuganglim.

Die dritte Bastion sdtlurnmert ebenfalls im Erdreich, und z,war im Bereich des Grundmauerwerks des Nordwestfliigel-Kopfbaues der Kattenburg. Ob auch diese Bastion noch Hohlriiume birgt, ist unbekannt. Der Verlauf der spatmittelalterlichen Mauern, WalIe und Griiben ist durch die Wasserlaufe und die drei geschilderten Eckbastionen bestimmt. Die Befestigungen wurden ab 1760 eingeebnet. Damals ist das Bamtal endgiiltig versmwunden.

Am 21. 6. 1806 wurde dem Landesherrn beridttet, daiS die unter dem Schlollwalle befindlichen Vorrats- und Fleischkammern bei Regen_ oder Tau­wetter fast unhrauchbar geworden seien. Die Gewolhe sollten oben mit Ton isoliert werden. GroBe 24 x 21 FuB u. Man wird annehmen dilrfen, daB es sich urn alte Munitions- und Waffenkammern handelte.

Die fuldaseitige Stiitzmauer ist vermutlich heim Bau der Kattenburg erhoht worden. Die Grenze ist nom erkennbar. Am FuB der Mauer wurde 1953 eine 5d!iirfung mit ansmlieBender Bohrung angesetzt. Unter dem Uferpflaster fand sim zuniimst Rot, darunter humoser Schluff in einer Starke von etwa 3 rn, und 5,5 m unter der Oberflame der tragHihige Rot. Der Grundwasser­spiegel stand hei -2,2 m. Fuldakies wurde nimt angetroffen. Er war auch nicht zu erwarten, weil in diesem Gebiet die Transportkraft des Wassers nimt fiir grohere Gesteinskorner, sondem nur flir Schlickmaterial ausreichte. Der Kies ist einst am rechten Fuldaufer im offenen, rasm abflieBenden Wasser ab,. gelagert worden 5.

Zwismen den drei Bastionen befinden sim nom heute unterirdisme Reste alter Giinge, Kanale, Gewolbe und sonstige Mauerteile. Zwischen der zwei: ten und dritten Bastion fanden und erschlossen wir 1954 mittels Bohrung und Schacht ein versmlammtes Gewolbesystem, das auch in einem Jussowsdten Plan verzeichnet ist (siehe beigefiigte Kopie, Abbildung 5).

Dieser Plan gibt auBerdem liber zwei kleine Befestigungstiirme Aus .. kunft, die vielleicht zu der Ludwigsburg gehorten. ENGELHARD! berkhtet, daiS sich unter einem kleinen Befestigungsturm ein Pfahlwerk befand.

14 Die Kasseler Zeitungen berichteten liber die 2. Bastion am 29. 11. 1956. '15 StAM Marburg, Akte ... 5. Hess. Geheimer Rat, 1.780-1807".

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Bei def Aussmadttung fur die Tiefgarage gegeniiber dem Renthof wurden weitere bekriechbare Kanale und geraumigere Gewolbekammern freigelegt. 5ie muBten dem Neubau weimen.

6. Die Reste des ab 1557 dutch Philipp den GroBmiitigen errichteten Landgrafenschlosses und seine Griindung In Abschnitt 4 habe im auf das Vorhandensein alterer KeUerraume im

GrundriBbereidt des Renaissancesmlosses hingewiesen. Der 1954 wieclerent­ded<te westliche Kelleraum zeidmet sich deutlich als rechtwinklig angesetzte Erweiterung der alteren Bauanlagen ab. DeT Knick im GrundriB des stadt­seitigen Sdtlo!Uliigels ist somit wohlbegrtindet. Ubrigens war uher der ost. lichen Offnung des Verbindungsganges zwischen dem Tonnen: und dem Kreuzgewolbe (siehe Absdmill 4 bzw. Abbildung 2) die in frischen Mortel eingeritzte Jahreszahl 1560 zu lesen.

Am Eingang der an dem erwahnten GrundriBknic:k im Erdges<hoB gele­genen Lichtk.mmer soli sich die folgende Inschrift befunden haben ": "IM JAR NACH CHRISTI GEBURT M. D. LVII. AM XXV. MART [25. 3. 1557] 1ST DER ERSTE STEIN AN D1ESEM BAUW GELEGT UND FOLGENTS IM SELBIGEN JAR DER XV. OCTOBERS [15. 10. 1557] ALLES MAUER. WERK, ZIMMERWERK UNO DACHWERK AN D1ESEM BAUW VOLL. ENDET". Ober dem Haupteingang wurde spater die nachstehende Inschrift angebracht : "PHILlPS DER ELTERE VON GOTIS GNADEN LANDGRAVE ZU HESSEN, GRAVE ZU CATZENELNBOGEN, D1ETZ, ZIEGENHAIN UND NIDDA HAT D1SZ GEBEWE MIT GLOCK ANGEFANGEN DEN XXV. MART ANNO M. D. L. VII UND MIT INBEWEN UND AUSBEWEN VOLLENDET IM JAR M. D. LX. II" [1562].

Der ursprUngli<h zweischiffige westliche Kellerraum wurde beim Bau der Kattenburg langs zersmnHten. Eine Nivellementsdarstellung in Jussows Nach­lalS gibt zu erkennen, daB die Scheitel des nordlichen Tonnengewolbes und der westlimen Kreuzgewolbe in gleicher Hohe lagen. Die Iichten Kellerhohen betrugen dagegen 12 bzw. 16 FuB, d. h. ca. 3,4 bzw. 4,6 m.

Nahe bei dem Schacht, der uns die groBen Kellerraume erschlossen hatte, untersumten wir die GrUndungsart und -tiefe der Hofmauer. Ihre Sohle liegt hi er in 141,30 m Hohe liber NN, d. h. ca. 6 m liber dem Fuldaspiegel. Nach der Tiefe folgen 1,15 m LoBlehm, 0,30 m Scholler und schlieBlich der Rot. Auch hier fanden sich keine Holzroste oder Spuren davon.

Aus einem al ten Gutachten 15 zur Erneuerung des Daches Uber dem fulda­seitigen Fliigelbau IIRotenstein" ist ersichtlich, daB sich im Mauerwerk dieses Gebaudetraktes verschiedene gefahrlime Risse befanden. Die Wande hatten sich teilweise nach auBen gebogen. Das konnte ein Hinweis auf Baugrund­smaden oder die Auswirkung verfaulter Holzroste sein. Wie es scheint, hat der gesamte Hauptbau des Schlosses auf LoBlehm gestanden. Holzroste hat man wahrsmeinlich nur dann verwendet, wenn der Lehm durrn Grund-, Sicker- oder Tageswasser starker aufgeweicht war.

1.6 StAM Marburg, Akte .. Schlo8blu in CasseJ, 1.81.0, 6. Hess. Geh. Kabinett 55".

Alte Burg. ul1d Schlo/lgrUl1dungen in Kassel 201

Natiirlich hat aum das RenaissanceschloB - genau wie die frtiheren Burgen - im Laufe seines Baubestandes Umbauten erfahren. Wilhelm IV" Philipps Sohn, baute z. B. den SchloBfliigel an der Fulda urn. jussow legte am 11. 9. 1804 "nam nunmehr vollendetem Bauwesen" eine Abrechnung vor, derzufolge ftir eine SchloBerweiterung in den Hof hinaus zwecks Anlage eines neuen Haupttreppenhauses und Schaffung neuer Raume etwa 10000 Taler ausge= geben worden waren 15, Bisher wurden keine Plane dartiber gefunden, auth in dem Jussowschen NachlaB nicht. Sie konnten bei dem SchloBbrande 1811 ver­nichtet worden sein.

7. Die Griindung der Kattenburg (1817-19)

Die Kattenburg ist die im GrundriB umfangreichste Bauanlage, die das Gel< lande je getragen hat, und reimt weit uber die Konturen des einstigen Log", lehmhugels hinaus. In den von ihr uberbaut gewesenen Bereichen sind alle fruheren Grundungen beseitigt bzw. bedeutungslos geworden.

Vher die Grundungsarbeiten gibt der Bericht von ENGELHARD 2 ausfiihrliche, aber nicht erschopfende Auskunfte. Zeimnerische Grundungsdarstellungen sind seinem Aufsatz nicht beigegeben. Die literarische QueUe hat sich fiir uns zwar als wertvoll erwiesen, aber ENGELHARD war doch ein zu groBer Optimist, als er smrieh: "Was gemacht ist, verfallt ubrigens nimt und verdirbt nicht und sollte es nom hundert Jahre so stehen, wie es jetzt steht, denn alles ist durchaus massiv von gutem Mater ia l aufgefii.hrt". Er glaubte zwar, die Tiicken des Baugrundes Zll kennen und als ortlime Bauleiter iiberwunden zu haben, aber fiir hundert oder mehr Jahre wirklich simer zu bauen, ist sogar heute nom in unseren Breitengraden schwierig. Aus dieser Sicht wird man den alten Baumeistern ihre wenigen Baufehler gern verzeihen. Vielleicht sind nur die Pyramid en, verkorperte Geistgestalten, fur die Ewigkeit gebaut . . .

Wahrend der kaum vorstellbar umfangreichen Ausschachtungen fiir die Kattenburg, bei denen zeitweilig iiber 1000 Arbeiter gieimzeitig beschaftigt wurden, fielen so viel Erde und Schutt an, daB das Gelande durchschnittlich rund 3 m erhoht und Boschungskanten vorverlegt werden konnten. Erstaun= licherweise hat der begabte kurfiirstliche Oberbaudirektor jussow, der den Bau entworfen hatte, bei der Ausfiihrung der ersten Grundmauern (AuBen,. u!ld Hofwande der beiden ungefahr nordsiidlich verlaufenden Verbindungs", trakte zwischen den langen FliigeIbauten) auf Loglehm stellenweise wieder das zweifelhafte Holzrostverfahren anwenden lassen. Grabungen zeigten 1954, daB heute vielerorts statt der Holzschwellen leere KanaIe kreuz und quer unter den Grundmauern verlaufen und deren Standfestigkeit auBerst gefahr: den. Manmmal ist freilich, wie einige beigefiigte Lichthilder zeigen, das Holz in bester Qualitat erhalten, namlich dort, wo es in standig nassem Boden liegt. Im jussowschen NachlaB befindet sich rucht nur ein GrundriBplan der neuen Fundamente mit Einzeidmung von Kanalen, die tatsachHch als schmale, begehbare Gange gebaut worden sind, sondern auch ein Grundmauersmnitt mit Andeutung der Roste.

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Wenn ENGELHARD 1845 schrieb, daB udie ganze lange siidostliche, die nord .. ostliche und die nordwestliche Front 5ehr tiefe Fundamente erforderten", dann irrte er hinsichtlich der Nordostfront, die nachgewiesenermaBen in ihrem Mittelteil auf dem Lolllehmhugel stand. Besonders an dieser stelle mull ten die vorhanden gewesenen Holzroste wegen ihrer hohen Lage (142,70 m Uher NN) fast restlos verfaulen. AIs man bei den Griindungsarbeiten fUr die Kat­tenburg an gerissenen, alten Grundmauern die Mange} des Holzrostverfah", rens erkannte, grlindete man fortan nur nom auf Rot und nahm dabei 5ehr beschwerliche Ausschachtungsarbeiten und grolle Mehrkosten in Kauf. Da zwei Eeken des riesenhaft gepianten Bauwerkes samt Teilen der angrenzens den, langen Mauerfluchten in den Bereich der natiirlidten Taler zu stehen kamen, war man zu Griindungen gezwungen, die teilweise bis unter den Fuldaspiegel .reimten.

Das Quadeh und Brumsteinmauerwerk der Umfassungsgrundmauem ist sehr solide in 3 bis 5,6 m Starke errimtet worden. Bei den erst nam dem Bau der Langswande zwischengesetzten Querwanden konnte man hinsicht­Bm def Qualitat def Mauerwerksausfiihrung sparen, aber man verzichtete auch dort nicht mehr auf die sichere Tiefgriindung. Die Querwande wur­den, urn Stemmarbeiten zu vermeiden, fast nie in die Langswande einge­bunden.

Der verwendete Kalkmortel ist gegen das Schlammwasser, das die tief. sten Grundmauern stlindlg umspiilt, nimt gefeit. In bis zu 14 m tiefen Schachten haben wir 1954 festgestellt, dall er in gefahrdeten Zonen zerfallen war. Der Mauerwerkskern smien kaum angegriffen zu sein. Die erhalten gebliebenen Kattenburg=Grundmauern umschlieBen nam unseren Erfahrun­gen keine KeHergewolbe, namdem def sogenannte Kattenburgkeller im Nordosttrakt, ein Bestandteil des spateren Gerichtsgebaudes, beim Neubau des Regierungsgebaudes abgetragen werden muBte.

Bekanntlich ist die Kattenburg nie voUendet worden, weil der Kurfiirst Wil­helm H. nach seines Vaters Tod (1821) die Bauarbeiten einstellen Hell. Acht Jahre spater widmete er sim stattdessen den Neubauten der Verbindungs­flugel am schloll Wilhelmshiihe, die seinen Wlinschen zur IsoHerung vom Stadtvolk besser entsprachen. - Die wohlbehauenen Balhorner Sandsteine des 1820-21 errimteten ErdgesmoBmauerwerks def Kattenburg bilden seit 1870 das Fassadenmauerwerk der Staatlichen Gemaldegalerie an der 5mB. nen Aussicht, die heute nom als smwer bombenbesmadigte Ruine dasteht, in der ab er bald wieder kuiturelles Leben herrschen wird. Die Aufbauarbei. ten haben begonnen.

8. Die Griindung des Regierungsa und Gerichlsgebaudes (Gesa",lbauzeit 1875-82)

Dieser Abschnitt gehBrt nur smeinbar nicht zum Thema. GewiB besduitt man einen verniinftigen Weg, a]s man das monstros wirkende Gebaude auf Kattenburg:Grundmauern setzte, denn diese stellten einen betrachtlimen

Alte Burga und Schlol1gri4ndungen in Kassel

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Abbildung 5

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Wert dar und gingen seinerzeit trotzdem kostenlos in den Besitz des preu­Bismen Staates iiber! Am 21. 8. 1874 verhandelte man den Eigentumsiiber­gang des Grundstucks an den preuBismen Staat und legte eine Entsmadi. gung von 178418 Talem fur die 31662 qm groBe Flame fes!. Der Katten. burgkeller wurde fiir 20000 Taler von der Generalverwaltung des kurfiirst-

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lichen Hausfideikommisses erworben und in den Neubau des Gerimtsge: baudes einbezogen Ill.

Laut Baubericht vom 1. 7. 1876 waren an de·r Ostseite der Bauanlage betrachtliche Auffiillungen der einstigen Auffahrtsrampe wieder abzutrao: gen, urn ebenen Anschlug an die vorbeiflihrende Strage zu gewinnen. Da .. durch t·raten Mauerreste der 1811 abgebrannten Burg zutage. Die aufge .. deck ten Gewolbe und Kanale wurden verfiillt, damit man keine spateren Erdstiirze zu flirchten brauchte.

Das Grundmauerwerk des Siid. und des Nordflligels untersuchte man damaIs in drei Schachten, welche die Schwierigkeiten etwaiger Neugrundun. gen erkennen liegen. Der Zustand der alten Mauern war sehr zufrieden .. stellend. Zufallig wurden keine Holzroste vorgefunden. Wegen des nimt zu bewaltigenden Wasserandranges konnte man nicht bis zur Griindungs .. sohle der am tiefsten gefiihrten Mauem vordringen. Der ENGELHARDsme Aufsatz2 und die Jussowschen Zeichnungen 4 waren unbekannt.

Ein Teil der Pfeiler und Gewolbe im Kattenburgkeller muBte durch Mauervorlagen und Bogeneinbauten verstarkt werden. Dort, wo querliegende Fundamente der Kattenburg an der gewunschten Stelle fehlten, hat man zur Vermeidung tiefer Griindungen unterirdisme Bogen zwischen die AulSen= und Mitteltragwande gespannt, die sich fur die Zwischenwande als ausrei. mend tragfahig erwiesen. Soweit natwendig, wurden dem Regierungs- und Gerichtsgebaude zusatzlich zum Kattenburgkeller weitere KeUerraume ein­geftigt. GroBe Teile des Gebiiudes blieben - wie bei der Kattenburg -ohne Unterkellerung.

Noch 1882 waren von dem westlichen Fteigelande liber 2 500 cbm Erde an den Siidabhang zu transportieren. Weitere 4700 cbm wurden zum Nie .. derungsgelande des stadtischen Schlachthofes geschafft. Beim Abtrag des westlichen Vorterrains ergab sich die Moglichkeit, die Kanale der Katten­burg, die noch sehr gut erhalten waren, fur die neue Kanalisation mitzu .. verwenden.

Wenige Jahre nam der Fertigstellung des Regierungs. und Gerimtsge. baudes geschah das nach den heutigen Kenntnissen zu Erwartende: Am Mittelbau des Nordosttraktes, besonders aber an dessen Saulenvorbau, zeigo: ten sim bedrohliche Risse. Schon am 23. 10. 1870 war dem Ministerium -allerdings in Unkenntnis des genauen Sachverhaltes - wamend berichtet wor­den: "Die an der Hauptfront des Justizgebaudes angeordneten, durch zwei Geschosse durchgehenden Saulen erscheinen in doppelter Hinsicht bedenk. lich: Zunamst wlirden dieselben ... auf den vorhandenen Fundamenten nicht Platz finden und bei der gragen Tiefe derselben nur durm eine Auskragung getragen werden konnen, andererseits fiihren sie zu schlechter Belichtung der dahinter liegenden Riiume.'" Der Vorbau wurde dennoch auf Auskragun­gen erridttet. Offensichtlidt wuSte man nidtts van dem im Erdreich ruhenden LolSlehmhiigel, der eine normale Grundung der Saulen ohne besondere Schwierigkeiten gestattet hatte. Die RiBbeobachtungen lie. gen immerhin 1885 "die Vermutung wachwerden, daB es eine Versmieden-

Tafel III

Freilegung eines auf LoBlehm geg rundeten Fundamentteiles an der Westseite des Kattenburg-Mittelfli.igels. Unter den Sandstein.-Fundamentpla tten ei ne gut erhaltenc Eichenholzschwelle. Hahe der Fundamentsohle: 141,50 m Gber NN.

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Freilegung eines auf LaBlehm gegrundeten Fundamentteiles an der Wes tseitc des Ka ttenburg-MiHelfliigels. Unter den Sands tein-C rUndu ngsplatten stark vermoderte Res te des alten Holzrostcs. Links Mauerwerks-Tiefgrundung auf Rot. Hohe der oberen Griindungssohle: 142,60 m Gber NN.

Tafel IV

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Darstellung des sag. Kattenburgkellers vom 31. 12. 1874. Die Kellerdiume wurden in das damals neu zu errichtende JU5tizgebaude einbezogen .

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Freilegung eines auf LoBlehm gegriindeten Fundamentteiles am Kattenburg·Ost. Hiige!. Wie der Stichstollen unter dem Fundament erwies, sind in diesem Bereich von dem einstigen Holzrost nur leere Kanale tibriggeblieben, so daB die Grtindungs" flache sehr bedenklich vermindert wurde. H6he def Mauerwerks.Unterkante: 142,70 m iiber NN.

Alte Burg_ ,md SchloJ1grilndungen in Kassel 205

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heit in den Untergrundsverhaltnissen sein mu£t wekhe die Bewegungen verantagt hat. Eine Vermutung, die dadurch an Wahrscheinlichkeit gewinnt, dag das Bauterrain des Cerichtsgebaudes vor diesem Neubau bereits 3 Bau­ten getragen hat.. . Ferner haben die Zerstorungen an den Werkstlicken dieses Cebaudeteiles durch die treibende Kraft des Zementes unausgesetz­ten Fortgang geh.btU

" . Im Juli 1885 entdeckte man d.nn erst, daB die AuBen­wc:.nd des Mittetbaues gac nicht die immer angenommene Tiefgriindung be­sag, sondern in weit geringerer Tiefe auf bereits stark angegriffenen Schwell .. rosten ruhte.

Der Vorbau mit den smweren Sauten muSte abgebrochen und nam Crlin=: dungsverbesserung neu errichtet werden. Es wurde nunmehr erklarlim, "daB die geringe Hohe des alten Fundaments unter den Punkten, in welmen die Pfeiler aufsetzen, nicht genligt hat, urn die hier auftretenden EinzeUasten auf die Lange der Mauer zu verteilen, ferner konnte aber der weime Lehm, zu" mal er in seiner Tragkraft durch teilweise verweste Holzer und dadurch

1.7 Fol. XVIIh885 und XVIIIh886-88, sonst wie Anmerkung 13.

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entstandene hohIe Stellen namentlich an der Vorderkante def MaueT stark beeinfluBt war, cler ungleic:hen Dru<xverteilung in def Sohle augenschein. Hch nimt widerstehen, sondern gestattete eine Drehung urn die Vorder­kante der Mauer", FundamentsversHirkungen wurden als notwendig anerkannt und dUTch ErlaB vom 8. 8. 1885 auch angeordnet, wobei cler gewachsene Lehm als ausreichend tragfahlg angesehen wurde. Man verstarkte die Fun­damente und legte Strebepfeiler vcr, wobei LandgrafenschloBmauern mit,. verwendet wurden. ZUT besseren Druckverteilung lieS man umgekehrte Ge­woIbe zwismen die alten Mauern spannen.

Im Iahre 1886 mugte man feststellen, dag auch die Hofgiebelwand des gTaSen Treppenhauses (gegeniiber dem Saulenvorbau) auf v,erfaulten Holz. rosten und LoBlehm stand. Grundmauerverstarkungen erforderten weitere lwei Arbeitsjahre, und die ursprungliche Gesarntbausumme von 3723900 M erhohte sich um 42270 M fUr den Vorbau und 21200 M fUr die Instand. se tzungsarbeiten am Haupttreppenhaus. Erst 1891 waren die Bewegungen abgeklungen.

Das Cebaude fiel 1943 bei Kassels Zerstorung ebenfalls den Fliegerbom. ben zum Opfer. Seine Ruinen wurden 1949-53 abgetragen. Sockelverblen. dungen aus Londorfer Lungstein lieferten die talseitigen Randsteine zur Erneuerung der Kaskadenbecken unterhalb des Riesenkopfbeckens in Kas. sel·Wilhelmshohe.

9. Folgerungen fUr den Neubau des Regierungsgebaudes (1957--60)

Nam den vorangegangenen Ausftihrungen wird der Leser verstehen, dalS man bei der Neuplanung aulSerst vorsimtig zu Werke ging und viel gewis", senhafter als je zuvor den Baugrund untersuchte. Zwar glaubten aum wir zunachst, den mamtigen Kattenburg.Grundmauern eine neue, starke Bela .. stung zumuten zu konnen, aber die Gegenargumente unserer Untersumungs&: ergebnisse und die heutigen bautechnischen Vorschriften fiihrten dann dom entsprechend einer am 27. 7. 1956 durm mehrere Sachverstandige getrof. fenen Entscheidung dazu, daB der Neubau zwar aus stadtebaulichen Griin. den wiederum im Grundungsbereich vcn Kattenburgtrakten, aber im we· sentlichen auf eigenen wohlfundierten HiBen errichtet wurde. Das neue Re­gierungsgebaude ist am 5. 1. 1961 feierlich seine,r Bestimmung iibergeben worden. Die vielleicht schicksalstrachtigste Stelle des fast iiberall interessanten und oft schwer zu bebauenden Kasseler Baugrundes hat viele ihrer Ge: heimnisse preisgegeben, aber langst nicht alle.