Alternative Oktober/November 2012

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Herausgegeben von Oktober/November 2012 Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro P.b.b., Verlagspostamt 1040 02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558 10/11 NULL=MINUS Alle Jahre wieder: EQUAL PAY DAY • Schieflage bei den HAUSHALTSVERMÖGEN • ATYPISIERUNG in der Krise • Sag zum Abschied leise „GLÜCK AUF“

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Monatszeitschrift der Unabhängigen GewerkschafterInnen

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Page 1: Alternative Oktober/November 2012

Herausgegeben von

Oktober/November 2012

Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro

P.b.b., Verlagspostamt 1040

02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558

10/11

NULL=MINUSAlle Jahre wieder: EQUAL PAY DAY •Schieflage bei den HAUSHALTSVERMÖGEN• ATYPISIERUNG in der Krise • Sag zum Abschied leise „GLÜCK AUF“

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Gewerkschaft & Betrieb

24. Oktober 2012, 19.30 UhrKulturcafé 7Stern, Siebensterngasse 31, 1070 Wien

Vergessen und wiederentdecktDie Rezeption Jura Soyfers von 1945 bis zur GegenwartVortrag von Mag. Christoph Kepplinger, Projektmitarbeiter im Literaturarchivder Österreichischen Nationalbibliothek.

8. November 2012, 19.30 UhrKulturcafé 7Stern, Siebensterngasse 31, 1070 Wien

Ihr nennt uns Menschen? Wartet noch damit!Eine Lesung mit Texten von Jura Soyfer. Mit Claudia Marold, Dieter Hofingerund Gunther W. Lämmert. Zusammenstellung: Erna Wipplinger.

Der WeltuntergangOper von Wilhelm Zobl in sechs Szenen für neun Solisten, nach dem gleich-namigen Stück von Jura Soyfer. Hörbeispiele, präsentiert von Hannes Heher(Vizepräsident des Österreichischen Komponistenbundes, Mitarbeiter derMusikredaktion von Ö1).

4. Dezember 2012, 19 UhrTheater Rabenhof, Rabengasse 3, 1030 Wien

100 Jahre Jura Soyfer – Die GalaErinnerungsgala mit Texten, Liedern und Szenen im Gemeindebau. Mit JosefHader, Erwin Steinhauer, I Stangl, Mercedes Echerer, Die Schmetterlinge, u. a.Mit Live-Textbeiträgen von Elisabeth Reichart, Julya Rabinowich, Doron Rabi-novici, Nikolaus Habjan, Heinz R. Unger, Mieze Medusa, u. a.

Betroffenen- und Frauen-VOR!-Konferenzen: Was erwartet Sie? Interaktives Start-Forum, Workshops, Video-Intervention, Kulturprogramm,Abschluss-Panel und vieles mehr.

„Gut für alle! Was mehr wird, wenn wir es

teilen. Allmende“: All diese Begriffe knüpfen

an die Forschungen der Wirtschaftsnobel-

preisträgerin Elinor Ostrom an, die die

Bedeutung von Gemeingütern für eine faire

und gerechte Gesellschaft herausgearbeitet

hat. Gemeingüter sind Grundbestand und

Voraussetzung gesellschaftlichen Wohl-

stands: Gerade in krisenbestimmten Zeiten

– von der Umwelt, über die Energie bis zur

Staatsschuldenkrise, zeigt sich die Bedeut-

ung von „Commons“. Natürliche Gemein-

güter sind notwendig für unser Überleben,

soziale Gemeingüter sichern den Zusammen-

halt und kulturelle Gemeingüter sind Bedin-

gung für unsere individuelle Entfaltung.

Es geht darum, gemeinsam Ressourcen zu

nutzen und zu pflegen, Regeln auszuhan-

deln, sich die Welt anzueignen, ohne sie in

Besitz zu nehmen. Was heißt das für die

soziale Arbeit, für die Ausgestaltung sozia-

ler Dienste, für staatliche Angebote, für

Gemeinden und den öffentlichen Raum?

Anlässlich des hundertsten Geburtstages des Schriftstellers Jura Soyfer, der im KZ-Buchenwaldermordet wurde, finden im Herbst einige Veranstaltungen in Wien statt:

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Thema

Vermögensverteilung: Dummverteilen? . . . . . . . . . Seite 4Frauen: Equal Pay Day . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 73 Männer und ein „Pensionsmodell“ . . . . . . . . . . . Seite 8Null Bock auf Nulllohnrunden . . . . . . . . . . . . . . Seite 10

Gewerkschaft & Betrieb

Wahl im Fonds Soziales Wien: Auf ein Neues . . . . . . Seite 13Bildung: Alles bleibt besser? . . . . . . . . . . . . . . . Seite 1415 Jahre UG-Fest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18UGöD: Anerkennung Jetzt . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 21„Atypisierung“ in Zeiten der Krise . . . . . . . . . . . . Seite 22Finnland: Entspannte Gelassenheit . . . . . . . . . . . Seite 26

International

Indien: Novartis gefährdet „Apotheke der Armen“ . . . . Seite 30

Leserlich

Dorthin kann ich nicht zurück; Der Augenblick . . . . . Seite 31KritLit: Bücher statt Panzer . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 32

. . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16

IM OK TOBER/NOVEMBER

SAG ZUM ABSCHIED LEISE „GLÜCK AUF”

In diesem Heft findet ihr einen Bericht vomFest „15 Jahre UG“. Einer der Programm-punkte: die Verabschiedung von Lisa Lang-bein und mir als Alternative-Verantwortliche.

„Eine Ära geht zu Ende!”, verkündeteMarkus Koza in seiner Laudatio leichtpathetisch. Tatsächlich brachte Lisa es aufbeachtliche 17 Alternative-Jahre, bei mirwaren es gar 25 Jahre. Offiziell. Denn beidemachten wir die Zeitung noch länger, dochwurden anfangs die „MacherInnen” vornehmverschwiegen.

Dabei haben wir eine ganz schöneGeschichte des Zeitung-Machens erlebt: vonwochenlanger Produktion, begonnen in derSetzerei, Korrekturlesen, nochmals in dieSetzerei, nächtelanger Klebeumbruch derEndlos-Satzfahnen. Bis zum modernenDesktop-Publishing, mit dem unser Art-Direktor Franz Wohlkönig heute das Layoutam Computer produziert. Benötigte Zeit:nur mehr ein Bruchteil.

Wir haben alles erlebt, was Zeitung-Machen so spannend macht. Ein übervollesRedaktions-Postfach und die Notwendigkeit,etliche Seiten zu streichen. Aber auch eingähnend leeres Postfach zum vereinbartenRedaktionsschluss-Termin. Da hieß es dann,improvisieren, was das Zeug hält. Trotzdemist die Alternative immer erschienen.

Und oft erhielten wir das Lob, die besteGewerkschaftszeitung in Österreich zuproduzieren.

Trotz aller Wehmut überwiegt bei mir dieErleichterung: Nie wieder ein Editorialschreiben müssen.

Vielen Dank auch an Lisa für die tolleZusammenarbeit. Trotz aller Routine werdenwir keine Pensionisten-Zeitung machen. Imnächsten Heft: Alternative proudly presents– die neue Chefin.

EDITORIAL von Alfred Bastecky

IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger: Alternative und Grüne GewerkschafterInnen(AUGE/UG) Herausgeber: Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB (UG/ÖGB) Redaktion, Satz & Layout: Alfred Bastecky (Koordination), Lisa Langbein, Franz Wohl-könig (Layout) Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, Telefon: (01) 505 19 52-0, Fax: -22,E-Mail: [email protected] (Abonnement), [email protected] (Redaktion), internet:www.ug-oegb.at, Bankverbindung: BAWAG Kto. Nr. 00110228775 Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oderdes Herausgebers entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Titel und Zwischentitelfallen in die Verantwortung der Redaktion, Cartoons in die Freiheit der Kunst. Textnach-druck mit Quellenangabe gestattet, das Copyright der Much-Cartoons liegt beim Künstler.DVR 05 57 021. ISSN 1023-2702.

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Thema

rhoben wurde nicht Vermögen proPerson, sondern Vermögen jeHaushalt. Veröffentlicht wurden

die Ergebnisse in „Geldpolitik undWirtschaft“, dem Quartalsheft

(Nummer 3/12) der ÖNB zur Geld-und Wirtschaftspolitik. 2006 wurdevon der Europäischen Zentralbanksowie den nationalen Notenbankendas „Household Finance and Con-sumption Network“ (HFCN) gegrün-det. Im Rahmen des HFCN werdenDaten zu Einkommen, Vermögen, Ver-schuldung und Ausgaben der privatenHaushalte erhoben (HFCS-Erhebung).

Verteilung des NettovermögensDas Nettovermögen umfasst Brutto-

vermögen abzüglich der Verschuldungeines Haushalts. Im Gegensatz zumBruttovermögen kann das Nettovermö-gen auch negativ ausfallen – wennHaushalte eine höhere Verschuldungals Vermögen ausweisen.

Verteilung der Nettovermögen• rund 7 Prozent der Haushalte wei-sen ein „negatives“ Nettovermögenaus. Ihr Vermögen deckt also die Ver-schuldung nicht ab• mit 40 Prozent die größte Gruppeder Haushalte weist ein Nettovermö-gen zwischen 0 und 50.000 Euroaus, wobei 10 Prozent der Haushalte

über ein Nettovermögen verfügendas unter 1000 Euro liegt• die folgenden zirka 30 Prozent derHaushalte verfügen über ein Netto-vermögen zwischen 50.000 und250.000 Euro• das heißt: Ungefähr 70 Prozent derHaushalte mit Nettovermögen besit-zen weniger als 250.000 Euro, erwei-tert durch die Zahl der verschuldetenHaushalte erweitert sich der Anteilauf über 75 Prozent.• etwa ein Viertel der Haushalte ver-fügt über ein Nettovermögen vonüber 311.000 Euro• 11 Prozent der Haushalte verfügenüber ein Nettovermögen von mehr als500.000 Euro• Ein Zehntel der Haushalte besitztmehr als 543.000 Euro.

Zwei wesentliche Größen, um dieVerteilung der Nettovermögen zubestimmen, sind der Median- sowieder Mittel- bzw. Durchschnittswert. • Der Medianwert der Nettover-mögen liegt bei 76.000 Euro(50 Prozent der Haushalte verfügenüber mehr, 50 Prozent über wenigerVermögen).• Der Durchschnitt liegt dagegenum ein Vielfaches über dem Median– nämlich bei rund 265.000 Euro. Jeweiter entfernt der Durchschnitts-wert vom Median liegt, desto stärkerist die Ungleichverteilung, sprich dieVermögenskonzentration oben.Durchschnittlich besitzen die Haus-halte ein Nettovermögen von265.000 Euro. Tatsächlich (sieheoben) verfügen 75 Prozent allerHaushalte über weniger als 250.000Euro. Der „Durchschnittswert“ von265.000 Euro fällt ins 8. Dezil – alsoin den Bereich der reichsten zwanzigProzent. Dazu die AutorInnen Fess-ler/Mooslechner/Schürz: „Dies illus-

triert wiederum die ausgeprägteRechtsschiefe der Verteilung desNettovermögens. Es gibt sehr vieleHaushalte mit einem geringenNettovermögen und sehr wenigeHaushalte mit sehr hohem Netto-vermögen.“ Aus dem durchschnittli-chen Vermögen und der Anzahl derHaushalte (in Österreich sind es3,77 Millionen) errechnet sich dasGesamtnettovermögen: dieses liegt inÖsterreich bei ziemlich exakt einerBillion Euro – wobei dies eine „Unter-grenze“ darstellt.

Sachvermögen, Finanzvermögen,Verschuldung

Das Nettovermögen (wie auch dasBruttovermögen) setzt sich ausunterschiedlichen Komponentenzusammen: aus dem Sachvermögen(Immobilien, Schmuck, Autos, Bilder,Unternehmenseigentum …) undFinanzvermögen (Ersparnisse,Aktien, Lebensversicherungen,Anleihen, …). Von diesem Bruttover-mögen werden – wie bereitserwähnt – Schulden (zum Beispielder Hauskredit) abgezogen, um zumNettovermögen zu gelangen.Verteilung der Sachvermögen

85 Prozent der Haushalte verfü-gen über ein Sachvermögen. Diegrößte Gruppe – nämlich rund 34Prozent der Haushalte – verfügendabei über ein Sachvermögen von0 bis 50.000 Euro. In diesen Haus-halten ist das Auto meist die größteSachvermögenskomponente! Wieverteilt sich nun das Sachvermögen.Einige Zahlen: • Insgesamt vierzig Prozent derHaushalte, die über ein Sachvermö-gen verfügen, besitzen weniger als47.000 Euro.

Markus Koza

UG-Vorsitzender, imÖGB-Vorstandund Mitarbeiter der

Die Österreichischen Nationalbank hat die aktuelle Vermögenserhebung für Österreich vorgelegt. Von Markus Koza.

DUMMVERTEILEN?

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• Der Median bei Sachvermögen(50 Prozent verfügen über mehr,50 Prozent verfügen über weniger)liegt bei rund 108.000 Euro.• Der Durchschnittswert bei Sach-vermögen liegt bei rund 278.000Euro und wird nur von den zirka22 Prozent der wohlhabendstenHaushalte erreicht. Das heißt: DreiViertel aller Sachvermögensbesitzerhalten weniger Sachvermögen als den„Durchschnitt“!• Die Sachvermögen der reichsten 10Prozent liegen über 534.000 Euro.• Die größte Sachvermögenskompo-nente stellt der Hauptwohnsitz dar.Allerdings besitzen überhaupt nur47,7 Prozent der Haushalte ihrenHauptwohnsitz (Medianwert:200.000 Euro, Durchschnittswert:258.072 Euro) – mehr als dieHälfte der Haushalte verfügt überdiese „größte Sachvermögenskom-ponente“ überhaupt nicht. • „Weiteres Immobilienvermögen“halten schon nur noch 13,4 Pro-zent der Haushalte. Der Mittelwert(50 Prozent dieser Haushalte hal-ten mehr, 50 Prozent weniger)beläuft sich auf 94.028 Euro, derDurchschnittswert auf227.929 Euro.• Zum Sachvermögen zählen auchBeteiligungen an Unternehmen, indenen mindestens ein Haushalts-mitglied aktiv tätig ist (Medianwert:180.603 Euro, Durchschnittswert:731.425 Euro!). Bei Unternehmens-beteiligungen reduziert sich der„Partizipationsgrad“ – also der Anteiljener Haushalte, der derartigesSachvermögen hält – auf nur noch9,4 Prozent aller Haushalte.

Verteilung der FinanzvermögenIm Gegensatz zum Sachvermögen

halten beinahe alle Haushalte – näm-lich 97 Prozent – Finanzvermögen.Dabei besitzen• drei Viertel aller Finanzvermögenbesitzende Haushalte weniger als50.000 Euro, • nur 10 Prozent der Haushalte mehrals 105.000 Euro,• nur rund 1,3 Prozent mehr als500.000 Euro Finanzvermögen.• Der Medianwert bei den Finanz-vermögen liegt bei 14.000 Euro.• Der Durchschnitts- oder Mittelwertbei 48.000 Euro.

Interessant die „Partizipation“ anden unterschiedlichsten Formen vonFinanzvermögen:• Girokonten halten etwa 99 Prozentder Haushalte (darunter auch etlichemit einem Wert von Null oder negati-ven Wert, weshalb diese Zahl überjenem der Finanzvermögensbesitzerliegen kann)• Sparkonten immer noch 87,1 Prozent• Bausparverträge werden von 54,7Prozent, Lebensversicherungen von 38Prozent der Haushalte gehalten• Immerhin 10,3 Prozent der Haus-halte haben Geldforderungen gegen-über anderen Haushalten – eineSumme die jener des Aktienbesitzesin Österreich entspricht• Aktien halten übrigens überhauptnur 5,3 Prozent der Haushalte • Auch Anleihen sind nicht eine weitverbreitete Sparform sondern eher aufEliten konzentriert – nämlich auf3,5 Prozent der Haushalte. Interessant,wie sich der Anleihenbesitz konzen-triert: Während der Median bei13.832 Euro liegt, liegt der Durch-

schnitt bei 102.860 Euro. Dabei mussbei der Interpretation dieser Ergebnissebeachtet werden, „… dass es insbeson-dere bei den Finanzvermögen zu einerstarken Untererfassung besonders imoberen Bereich der Verteilungkommt“.*)

Verschuldung36 Prozent der österreichischen

Haushalte sind verschuldet. • 20 Prozent der verschuldeten Haus-halte (das sind sieben Prozent allerHaushalte) halten Schulden von mehrals 67.000 Euro.• Weniger als 10 Prozent aller Haus-halte sind mit mehr als 50.000 Euroverschuldet .• Die Hälfte aller verschuldeten Haus-halte sind mit weniger als 14.000 Euroverschuldet.• Rund 17 Prozent der Haushaltehaben mit dem Hauptwohnsitzbesicherte Schulden. Der Medianliegt dabei bei rund 37.000 Euro.Der Mittelwert von 73.000 Euro„spiegelt den aktuellen Stand bei derRückzahlung der Finanzierung derImmobilien wieder.“

Die Bedeutung von Erbschaftenfür den Vermögensaufbau„Menschen erwerben Vermögen auf

zwei Arten: Sie sparen es aus ihremEinkommen oder sie bekommen es vonanderen Personen … Erbschaften undSchenkungen spielen beim Vermögens-aufbau eine wichtige Rolle und dieakkumulierten Vermögen bilden ihrer-seits die Grundlage für Zuwendungenund Vererbungen.“ So die AutorInnen

Bitte umblättern

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der Studie. Wer erbt überhaupt? Und:wie viel?• Bei der Erhebung gaben 35 Prozentder Haushalte an, eine Erbschaft oderSchenkung erhalten zu haben.• Rund 15 Prozent (also rund 43 Pro-zent der Erbenhaushalte) haben ihrenHauptwohnsitz geerbt, der „mitAbstand wichtigsten Kategorie“ bezo-gen auf das gesamte Erbvolumen.• Der Durchschnittswert eines ererb-ten Hauptwohnsitzes liegt bei rund280.000 Euro, der Median bei163.000 Euro.• Werden alle Erbschaften betrachtet(inklusive jene Erben-Haushalte, diekeinen Hauptwohnsitz erben) sinkt derMittelwert auf 242.000 Euro, derMedianwert auf 100.000 Euro.• Die Bedeutung von Erbschaften fürden Vermögensaufbau beziehungs-weise die Vermögensverteilung bele-gen folgende Zahlen: Während vonden reichsten 20 Prozent der Haus-halte bereits 65 Prozent geerbt haben,liegt der Anteil der „Erben“ bei denärmsten 20 Prozent der Haushalte beilediglich 10 Prozent.• Jene 10 Prozent der Haushalte im„ärmsten“ Haushaltszwanzigstel erbenVermögen mit einem Medianwert vonEuro 14.000. Die Erbschaften der 65Prozent Haushalte im „reichsten“Zwanzigstel erben im Median ein Ver-mögen von 237.000 Euro!• Relativ zum eigenen Vermögen gese-hen, sind die relativ „niedrigen“ Erb-schaften für vermögensärmere Haus-halte dennoch weit bedeutender!So macht bei den „ärmsten“ Erben-haushalten die „Medianerbschaft“317,2 Prozent des eigenen Vermögensaus, bei den „reichsten“ Erbhaushaltendagegen 35,7 Prozent

Zusammenfassung• Während nahezu alle Haushalte –nämlich 97 Prozent – Geldvermögenhalten, hält weniger als die Hälfte derHaushalte Eigentum am Hauptwohn-sitz (etwa 48 Prozent). Nur 36 Prozentder Haushalte sind verschuldet.• Die Nettovermögen in Österreichsind höchst ungleich verteilt: Ein Zehn-tel hält weniger als 1000 Euro. Amanderen Ende der Skala halten 10 Pro-zent mehr als 542.000 Euro.• Vermögen steigt tendenziell mitAlter, Einkommen und Bildung.

• Erben ist eine der wichtigsten Ver-mögensquellen, in 35 Prozent derHaushalte sind bereits Erbschaftenangefallen. Mit dem Nettovermögensteigen Erbhäufigkeit und -volumenstark an, „reiche“ Haushalte erben alsoeher und mehr als „arme“ Haushalte,wenn auch Erbschaften für armeHaushalte in Bezug zu ihrem gehalte-nen Vermögen bedeutender sind.• Trotz hoher Datenqualität und sorg-samer Datengewinnung und Daten-auswertung unterschätzt die HFCS-Erhebung die Vermögensungleichheitin Österreich.

Hinsichtlich der Verteilung von Ver-mögen, Rolle von Erbschaften beimVermögensaufbau, der Komponentenvon Vermögen und möglicher (wirt-schafts-)politischer Schlussfolgerungendaraus bietet die Studie einen wertvol-len Beitrag zu einer (möglichen) Ver-sachlichung der Diskussion.

Insbesondere sollte es angesichtsaller vorliegender Daten zunehmendschwerer fallen (außer aus einem reinideologisch motivierten Blickwinkel),vermögensbezogene Steuern (von Erb-schafts-, Schenkungs- Grund- bis hinzu einer allgemeinen Vermögens-steuer) als „Belastungswelle für dieMittelschicht“ zu denunzieren …

*) Die Höhe des Gesamtvermögens ist darumunterschätzt, weil die kleine Gruppe derReichsten nur unzureichend erfasst bezie-hungsweise unterrepräsentiert ist. Diesliegt unter anderem daran, dass dieseGruppe schwer „greifbar“ ist, weil zum Bei-spiel keine Einkommensdaten bereitge-stellt werden, um diese Gruppe entspre-chend repräsentativ befragen bezie-hungsweise erfassen zu können. Zusätz-lich verweigern besonders vermögendeHaushalte sowohl Antworten als auchgenaue Angaben. Das Ausmaß derUnterschätzung zeigt sich, wenn bei-spielsweise der Valuga Report aus demJahr 2011 herangezogen wird. Dem-nach besitzen in Österreich rund0,88 Prozent der Bevölkerung – rund73.900 Personen – ein Geldvermö-gen von über einer Million Euro.Laut einem Bericht von McKinsey2010 verfügten alleine die Euromil-lionärInnen in Österreich über einGeldvermögen von zusammen 150Milliarden Euro. kleinezeitung.at/allgemein/job-karriere/2429635/150-milliar-den-euro-fluessig.story

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ug-oegb.at

auge.or.at

kiv.at

ugoed.at

ug-vida.at

we4you-ug.at

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as ist jener errechnete Stich-tag, an dem Männer das Ein-

kommen erreicht haben, fürdas Frauen noch bis Ende des

Jahres arbeiten müssen. Dieses Jahrwurde der Equal Pay Day in Österreicham 6. Oktober erreicht.

Ab diesem Zeitpunkt müssen Frauenstatistisch gesehen „unbezahlt“ arbei-ten. In Zahlen ausgedrückt: Frauenverdienen laut Berechnungen derArbeiterkammer-Oberösterreich fürgleiche Arbeit um 23,7 Prozent weni-ger als Männer.

Obwohl es seit über 30 Jahren dasGleichbehandlungsgesetz gibt, dasungleiche Bezahlung eigentlich verbie-tet, ist die Lohnschere bis jetzt erst aufdem Papier geschlossen. Damit Frauenüberprüfen können, ob sie fair entlohntwerden, hat das Bundesministerium fürFrauen einen Onlinegehaltsrechner ein-geführt (gehaltsrechner.gv.at).

Falsch eingestuftEine Studie des Meinungsforschungs-

institutes IFES vom Frühjahr zeigt, dassviele ArbeitnehmerInnen falsch einge-stuft sind – Frauen sind dabei beson-ders betroffen. Etwa ein Drittel der Ein-kommensunterschiede zwischen Frauenund Männern entsteht dabei bereitsbeim Einstieg in das Arbeitsleben. LautIFES-Umfrage fanden bei zirka vier vonzehn Befragten frühere Dienstzeitenund bei der Hälfte Ausbildungs- undKarenzzeiten keine Beachtung. DieseEinkommensunterschiede summierensich im Laufe eines Berufslebens – im

Handel ist dadurch zum Beispiel einGehaltsverlust von etwa 13.000 Euroin zehn Jahren möglich. Diesbezüglichhat die Gewerkschaft der Privatange-stellten / Druck Journalismus Papierletztes Jahr ein beispielgebendes Urteilfür eine weibliche Beschäftigte imHandel erreicht. Demnach müssen Kas-sierInnen an Scannerkassen, die mehrals die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Kas-sieren verbringen, in einer höheren Ver-wendungsgruppe des Handelskollektiv-vertrages eingestuft werden. Zehntau-sende Beschäftigte, darunter wiederhauptsächlich Frauen, waren betroffen.Der Großteil der Unternehmen hat siein der Zwischenzeit richtig eingestuft.

Fehlende InformationDie Studie des IFES zeigt weiters,

dass jede zweite Beschäftigte nichtüber die kollektivvertragliche Gehalts-regelung ihrer Branche Bescheid weiß.Damit sind doppelt so viele Frauennicht entsprechend informiert wieMänner. Die Hälfte der Frauen wissenaußerdem nicht, welches Gehalt ihnenüberhaupt zustehen würde – und diees wissen, machen zu einem Drittelnichts dagegen.

Schließung der SchereUm dagegen anzugehen, sollten im

Zuge der jährlich stattfindenden Kol-lektivvertrags-Verhandlungen nebenprozentuellen Lohnerhöhungen nochstärker die Erhöhung um Mindest-Fix-beträge verhandelt werden. Fixbeträgekommen unteren Einkommensgruppen,unter denen sich besonders vieleFrauen befinden, besonders zugute.Weitere dringende Maßnahmen sindein gesetzlich festgelegter Mindestlohnvon acht Euro pro Stunde und Mindest-arbeitszeiten, die nicht unterschrittenwerden dürfen.

„Wir fordern eine Mindestarbeitszeitbei Teilzeit von beispielsweise 18Wochenstunden mit einem entspre-chend garantierten Mindesteinkom-men beziehungsweise eine entspre-chende Mindestentlohnung, die beigeringeren Wochenstunden nichtunterschritten werden darf. Es ist unsvollkommen bewusst, dass es entspre-chende gesellschaftliche Rahmenbe-dingungen – angefangen bei Kinder-betreuung, Pflegeeinrichtungen, flä-chendeckender Mobilität etc. –braucht, die eine derartige Mindestar-beitszeit ermöglichen. Wir halten aller-dings die Diskussion rund um eineBegrenzung der Arbeitszeit nach obenwie nach unten für unumgänglich.Wenn wir die Einkommensschere zwi-schen Männern und Frauen schließenwollen, dürfen wir die ‚Arbeitszeit-schere’ zwischen den Geschlechternnicht ignorieren“, so Klaudia Paiha,Bundessprecherin der AUGE/UG ineiner Presseaussendung.

D

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Renate Vodnek

Mitarbeiterin der

EQUAL PAY DAY

Frauen verdienen in Öster-

reich nach wie vor für

gleiche Arbeit nicht den

gleichen Lohn. Um diese

Einkommensschere sichtbar

zu machen, wurde der Equal

Pay Day installiert.

Von Renate Vodnek.

Thema

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Wie Generationen von Menschen zu Sozialhilfe-EmpfängerInnen degradiert werden sollen. Von Lukas Wurz.

3 MÄNNER UND EIN„PENSIONSMODELL“

DDAA

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Thema

haben sich wohl ein paar Leute ordent-lich die Augen gerieben: Nachdem sieeinen eher allgemeinen Aufruf für einzukunftstaugliches Pensionsrechtunterschrieben haben, finden sie sichin den Medien als ProtagonistInneneines „Pensionsmodells“ wieder, dasganze Generationen von Menschen zuSozialhilfeempfängerInnen degradierenwürde. Für das „Missverständnis“ ver-antwortlich sind die Herrn Holzmann,Marin und Schuh. In einer Presse-konferenz erzählen diese, wie sie einzukunftstaugliches Pensionssystemgestalten würden. Was dann durch dieMedien geisterte, ist weder zusammen-hängend noch klar oder widerspruchs-frei. Klar ist nur: Der Staat soll in diePensionsvision der drei Herren keineBudgetmittel mehr einbringen. Ein leis-tungsbezogenes Pensionskonto sollausschließlich tatsächlich bezahlte Bei-träge auflisten, die in der Folge „ver-zinst“ und bei Pensionsantritt durch dieLebenserwartung dividiert die Pensi-onshöhe wiedergeben. Jeder Menschsoll nur das an Pension erhalten, waser oder sie wirklich eingezahlt haben.All das ist angeblich dem schwedi-schen Pensionsmodell nachempfunden.

Ob dem auch wirklich so ist, lässtsich nicht nachvollziehen: Keine Bud-getmittel und „Verzinsung“ lassen sichsinnstiftend nur mit einem kapital-gedeckten Verfahren (wie etwa in derunglaublich „erfolgreichen“ privatenPensions„vorsorge“ mit ihren alljährli-chen Verlusten) realisieren. Beiträgewerden verbucht und dann etwa überKredite an den Bund „verzinst“. Schwervorstellbar, dass auf diese Weise –mensch vergleiche etwa die derzeitigeZinsentwicklung mit der aktuellenInflationsrate – eine Wertsicherung derBeiträge erreicht werden kann. Weitgewichtiger ist aber, dass dies zwangs-läufig ein Ende des Umlageverfahrenszur Folge hätte, da ja aktuelle Beiträgeeben „veranlagt“ werden müssten undnicht mehr für die Bedienung der aktu-ellen Pensionen zur Verfügung stün-den. Ein derartiges Vorgehen würde inden nächsten Jahren gut 27 MilliardenEuro an jährlichen Mehrkosten für dasBudget bedeuten (weil die Pensionender aktuellen PensionistInnen ja nochbezahlt werden müssen).

Unklarheiten, Denk-und sonstige Fehler …Vielleicht meinen die drei Herren

aber auch nur eine fiktive Verzinsung,also ein Fortbestehen des derzeitigenUmlageverfahrens und eine Ergänzung(vulgo „Verzinsung“) der Mittel ausSteuern. In diesem Fall hätten sie abernichts anderes als eine grobe Täu-schung vorgenommen: Eine fiktive Ver-zinsung der Beiträge gibt es nämlichauch im jetzigen System. Ziel der dreiHerren ist also ausschließlich die Ver-

kürzung der „fiktiven Verzinsung“. Einestarke Verkürzung: Wer in den 2030ernmit 65 Jahren und einer durchschnitt-lichen Beitragshöhe von 1000 Euro inPension geht, wird dann (mit derbereits beschlossenen, aber erst ab2029 voll geltenden Rechtslage) einePension von zirka 712 Euro erwartenkönnen (nach derzeit geltendem Rechtwären es noch im Bereich zwischen780 und 810 Euro). Der Vorschlag vonHolzmann, Marin und Schuh würde diePensionserwartung auf 436 Euro ver-ringern. Der oder die Versicherte müss-ten mindestens sechs Jahre – also biszum 71. Lebensjahr – bei gleichemLohn weiterarbeiten, um wieder auf die712 Euro zu kommen. Wenn, … ja wenn… es nicht eine ganze Reihe weitererUnklarheiten, Fehler und Probleme inder Denkwelt dieser Herrn gäbe.

Holzmann, Schuh und Marin unter-läuft nämlich selbst in ihrer Gedanken-welt ein erheblicher Fehler: Der Anstiegder Kosten für Pensionen der letztenJahre ist Ergebnis längst nicht mehrgeltender Rechtslagen. ZukünftigeGenerationen können nicht annäherndjene Pensionen erreichen, die einMensch mit Pensionsantritt im Jahr2002 oder 2008 oder auch 2012 beigleichem Erwerbsverlauf erreichenkonnte. Mit der vollständigen Umstel-lung des ASVG auf die neue Rechts-lage ab 2029 werden etwa 35 bis40 Prozent aller Pensionen unterhalbdes Ausgleichszulagen-Richtsatzes(heute 815 Euro brutto oder 773 Euronetto im Monat) zu liegen kommen.Die Kostensteigerungen der Zukunftsind also nicht Folge eines angeblichüberreichlich verteilenden Pensions-

Lukas Wurz Wiener Arbeiter-kammer-Rat der

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systems, sondern des Anstiegs der Zahlälterer Menschen. Eine weitere Reduk-tion im Pensionssystem kann alsoquasi nur auf eine „biologischeLösung“ hinauslaufen: Problemlösungdurch systematische Unterversorgung.

… und Fragen über FragenDer Verweis der drei Herren auf

Schweden ist absurd, da das schwedi-sche Modell ganz und gar nicht daraufabstellt, dass nur das herauskommt,was einbezahlt wurde. Es kennt zahl-reiche Stützen, Subventionsflüsse undgarantiert eine Systementwicklung.Dennoch gehen ExpertInnen davonaus, dass nach der Vollumstellung desPensionssystems (die erst 2003 wirk-lich begann) ungefähr 45 Prozent allerPensionistInnen von der staatlichenGarantiepension – einer Art Sozialhilfefür PensionistInnen – abhängig seinwerden. Und auch die kostet selbst-verständlich Steuergelder. Auf Öster-reich umgelegt bedeutete dies, dassdie Republik in Zukunft mindestensdas sechsfache für Ausgleichszulagenaufzubringen hätte (derzeit zirka eineMilliarde pro Jahr für etwa 10 Prozentder PensionistInnen).

Wer den Fehler macht, die Ergüssevon Holzmann, Schuh und Marin wirk-lich ernst zu nehmen, muss sich auch

schnell die Frage stellen, was eigent-lich passiert, wenn das individuellePensionskonto „leer“ ist. Wir wollen esuns lieber nicht vorstellen …• oder die Frage, wie sie es rechtferti-gen, dass Frauen in einem echtenbeitragsorientierten System mit demo-grafischen Faktor zwangsläufig beiidentem Erwerbsverlauf eine niedrigerePension erhalten müssen?• oder wer Aufgaben wie etwa dieRehabilitation oder den Aufwand fürden Ausfall der Beiträge in der Kran-

kenversicherung übernimmt. Und werdie Verwaltung des Systems bezahlt?

Es läuft vieles schief im Pensions-system: Es verteilt die Mittel ungerechtund sichert nicht ausreichend vorAltersarmut. Das sind Probleme, die zulösen sind. Und dafür gibt es auch guteVorschläge: Gegen Versicherungsma-thematik oder einen demografischenFaktor etwa wäre gar nichts einzuwen-den, wenn ausgleichende Elemente vor-handen sind: Wie etwa ein einheitlicherdemographischer Faktor für alle (undnicht nach Geschlechtern getrennt)oder Elemente des Ausgleichs der Ein-kommens- und Erwerbsunterschiede inBeziehungen, vor allem aber eine exis-tenzsichernde Grundpension, die wirk-lich vor Armut schützt.

Alles Dinge, die älteren Herren, dieihr Leben ausgezeichnet im Schoß etwader Weltbank oder industrienaherInstitute und über Spitzenpensionensichern, nicht einfällt.

„ExpertInnen“-Vorschläge zu Pensionsreformen glatte Themenverfehlung

Als „glatte Themenverfehlung“ bezeichnet Klaudia Paiha, Bundessprecherin der Alternativenund Grünen GewerkschafterInnen (AUGE/UG) die von 50 „Experten“ präsentierten Vorschlägefür eine grundlegende Reform des österreichischen Pensionssystems. Es läge nämlich nicht an

„unzureichenden Anreizen für einen späteren Pensionsantritt“, wie die Autoren glauben machen wollen, sondernan der Tatsache, dass Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeiten immer belastender werden und krank machen. „Wenn ein Drittel aller ArbeitnehmerInnen unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz leidetund die österreichischen ArbeitnehmerInnen EU-weit Spitze bei überlangen Arbeitszeiten und geleisteten Über-stunden sind, darf es nicht weiter verwundern, dass es auch zu vorzeitigen Pensionsantritten kommt. Hier von‚unzureichenden Anreizen’ zu sprechen ist zynisch und blendet die Arbeits- und Lebensrealitäten vieler Arbeitneh-merInnen in Österreich aus, zumindest jener, die keine ‚Pensionsexperten’ sind“, kritisiert Paiha.Wer das faktische Pensionsantrittsalter erhöhen und an das gesetzliche heranführen will, muss daher vor allemdie entsprechenden Arbeitsbedingungen schaffen. Neben einer generellen Verkürzung der wöchentlichen undtäglichen Arbeitszeit sowie einer sechsten Urlaubswoche, wären vor allem Rechtsansprüche auf berufliche Aus-zeiten – etwa zur Burn-Out-Prävention – sowie ein leichterer Zugang zur Teilzeit im Alter notwendig. „Was da alsGesamtreform verkauft wird ist altbacken, wenig originell und zwingt ArbeitnehmerInnen mit niedrigem Einkom-men länger auf einem Arbeitsmarkt zu bleiben, der für sie keine Jobs vorsieht. … Was es tatsächlich braucht, isteine Grundsicherung im Alter für alle, darauf aufbauend eine Sozialversicherungspension, die erworbene Leis-tungsansprüche absichert, nach oben hin mit der maximalen ASVG-Pension gedeckelt ist und ein gutes Lebenauch im Alter ermöglicht,“ schließt Paiha.

Der Verweis der drei Herrenauf Schweden ist absurd, dadas schwedische Modellganz und gar nicht daraufabstellt, dass nur dasherauskommt, waseinbezahlt wurde.

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Was vereint Diakonie-Bildung,Wiener SpitalsärztInnen oderdie Wiener KindergärtnerInnen? Sie alle haben „Null Bock aufNulllohnrunden“. Von Renate Vodnek.

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Thema

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Unter dem Motto „Null Bock auf Null-lohnrunden“ steht die aktuelle Kampa-gne der Unabhängigen Gewerkschaf-terInnen im ÖGB gegen Nulllohnrun-den im öffentlichen Dienst. Ziel dabeiist die Aufklärung, dass Nulllohnrun-den im öffentlichen Dienst bei weitemmehr Beschäftigte treffen würden alsnur einige „privilegierte Beamte“.Gleichzeitig soll damit der Druck aufdie Gehaltsverhandlungen im öffent-lichen Dienst erhöht werden.

Viel Bewegung beiGemeindebedienstetenAn der Gewerkschaftsbasis ist derzeit

viel in Bewegung. „Dass große Unzu-friedenheit mit der de facto Abseg-nung einer Nulllohnrunde für Gemein-debedienstete herrscht, ist keinGeheimnis, davon zeugen neben Unter-schriftenlisten auch Resolutionen ein-zelner Gewerkschaftsgremien, die sichklar gegen Nulllohnrunden und für einoffensives Vorgehen der Gewerkschaftaussprechen,“ so Kerschbaum, Perso-nalvertreter und Bundessprecher derKonsequenten Interessensvertretung(KIV/UG), der Unabhängigen Gewerk-schafterInnen bei den Gemeinde-bediensteten. Möglichst viele Betriebs-räte, Personalvertretungen undGewerkschaftsausschüsse sollenBeschlüsse gegen Nulllohnrunden fas-sen, um so den Druck auf die Gehalts-verhandlungen zu erhöhen.

„Gerade bei den Gemeindebediens-teten gibt es einen nicht zu unterschät-zenden Niedriglohnbereich. Bei vielenreicht schon heute das Einkommennicht mehr zum Auskommen. EineNulllohnrunde stellt einen Reallohnver-lust dar, der Arme noch ärmer macht.Das können wir so nicht hinnehmen.“

Online-PetitionMit der Online-Petition „Nein zu

Nulllohnrunden im öffentlichenDienst“ möchten die UnabhängigenGewerkschafterInnen neben denBetroffenen auch jenen, die aus grund-sätzlichen Erwägungen gegen Null-lohnrunden sind, die Möglichkeitgeben, gegen diese zu protestieren:„Unsere Petition richtet sich sowohl andie GdG-KMSfB (Gewerkschaft derGemeindebediensteten, Kunst, Medien,Sport, freie Berufe) als auch an die

Spitze der „Gewerkschaft ÖffentlicherDienst“ (GÖD), Nulllohnrunden nichthinzunehmen, sondern Verhandlungenmit den Dienstgebern einzufordernund diese notfalls auch mit allen gebo-tenen gewerkschaftlichen Mitteln zuerzwingen,“ so Beate Neunteufel-Zech-ner vom Vorsitzteam der Unabhängi-gen GewerkschafterInnen im öffentli-chen Dienst (UGöD) und Betriebsrätin.

Nulllohnrunden würden alle treffen,unabhängig von ihrer Einkommens-situation: „Mit Einkommensgerechtig-keit haben Nulllohnrunden nichts zutun. Verteilungsgerechtigkeit wird überhöhere und progressivere Einkommens-steuern für Spitzenverdiener und einefaire Besteuerung von Vermögen, Erb-schaften und Schenkungen hergestellt,nicht über undifferenzierte Lohnkür-zungen.“ Nulllohnrunden sind in Wirk-lichkeit Lohnkürzungen, stellen siedoch Reallohnverluste dar. Im Rahmenvon Nulllohnrunden werden inflations-bedingte Kaufkraftverluste nicht abge-golten! Nulllohnrunden wirken auchauf die künftige Einkommensentwick-lung. So kostet etwa eine einmaligeNulllohnrunde bei sonstiger „normaler“Einkommensentwicklung (+2 Prozentjährlich) eine Kindergärtnerin miteinem Bruttoeinkommen von 1973Euro monatlich innerhalb von zehnJahren über 5900 Euro!

Nulllohnrunden auch im privaten Bereich?Vor einem Übergreifen von Null-

lohnrunden auf den privaten Sozial-,Gesundheits-, Bildungs- und Kultur-bereich warnt Stefan Taibl, Betriebsratund Vertreter der Alternativen undGrünen GewerkschafterInnen(AUGE/UG) im zuständigen Wirt-

schaftsbereich der GPA-djp. „VieleBetriebe und Organisationen sindunmittelbar an die Einkommensent-wicklung im öffentlichen Dienst gekop-pelt, der Bereich erbringt im Auftragder öffentlichen Hand, mit öffentlichenMitteln, Dienstleistungen. Betriebsrät-Innen wurden schon Nulllohnrundenangekündigt, dass ein Teuerungsaus-gleich seitens der Fördergeber nichtvorgesehen sei,“ so Taibl.

Auch die AUGE/UG möchte überBeschlüsse in betroffenen Betriebsrats-körperschaften den verhandelndenGewerkschaften „den Rücken stärkenund vor allem auch die Breite derAblehnung von Nulllohnrunden doku-mentieren.“

Taibl erinnert daran, dass die mittle-ren Einkommen im Sozialbereich17 Prozent unter jenem der mittlerenArbeitnehmerInnen liegen: „Der privateSozial- und Gesundheitsbereich istebenso wie der private Bildungsbereichvon einem hohen Teilzeitanteil, einemhohen Frauenanteil und unterdurch-schnittlichen Einkommen geprägt.Nulllohnrunden treffen damit insbe-sondere Frauen unverhältnismäßigstark und vergrößern noch die Einkom-menskluft zwischen dem Sozialbereichund anderen Branchen.“

Im Summe drohen rund 900.000Beschäftigten – fast ein Viertel allerArbeitnehmerInnen in Österreich –Null- beziehungsweise „moderate“Lohnrunden, von KindergärtnerInnenund LehrerInnen, Sozial-, Kultur- undJugendarbeiterInnen, Krankenpfleger-Innen, AltenbetreuerInnen und Verwal-tungspersonal bis hin zu Straßenbahn-fahrerInnen, BuslenkerInnen undBeschäftigten der Müllabfuhren.

Bitte umblättern

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Zunehmende Unterstützungan der BasisMittlerweile haben sich bereits zahl-

reiche Betriebsratskörperschaften,Dienststellenausschüsse und andereOrgane der Interessensvertretung derKampagne gegen Nulllohnrundenangeschlossen. Für die Wiener Spitals-ärzte und -ärztinnen ist eine Nulllohn-runde in der „derzeitigen wirtschaftli-chen Situation für viele Gemeindebe-dienstete in den Wiener Spitälern nichtverkraftbar“, argumentierte der Vize-präsident der Ärztekammer undObmann der Kurie angestellter Ärzte,Hermann Leitner, einen der Gründe fürdie Ablehnung. Der Zentral-Betriebsratder Diakonie-Bildung Gem. GmbHlehnt Nulllohnrunden grundsätzlich ab:„Wir sprechen uns daher auch gegendie drohenden Nulllohnrunden imöffentlichen Dienst aus.“ Unter ande-rem auch, „… weil dieses BeispielSchule zu machen droht und aufandere Bereiche mit schlechteren Lohn-schemata und noch geringeren Ein-kommen, die allerdings im Nahever-hältnis beziehungsweise in Abhängig-keit zur öffentlichen Hand stehen, aus-gedehnt werden könnte!“

Der Gewerkschaftsausschuss derFSW (Fonds Soziales Wien)-Tochter der„Wiener Pflege- und Betreuungsdienste(WPB) GmbH“ spricht sich „gegen dieAbwälzung der Krisenkosten“ auf die

Beschäftigten aus und fordert dieWiener GdG-KMSfB auf, eineLohnerhöhung für 2013 zubeschließen und gegenüber derGewerkschaftsführung zu vertre-ten. Für den Betriebsrat der Schuld-nerberatung gilt: „Jede Nulllohn-runde bringt über die Jahre schmerz-liche Verluste. Gegen die Abwälzungder Krisenkosten auf uns!“ DerGewerkschaftsausschuss „wieder woh-nen“-Betriebsrat möchte die Forderung„nach einer Lohnerhöhung auch für2013 (nach der Benya-Formel: Inflati-onsabgeltung plus Produktivitätszu-wachs) von unserer Gewerkschafts-führung vehement vertreten“ haben.

Jene Gewerkschafts- und Beleg-schaftsgremien, die sich bis jetztgegen Nulllohnrunden bei derGemeinde Wien ausgesprochen haben,vertreten über zwanzig Prozent allerGemeindebediensteten. Also einstarkes und deutliches Zeichen fürVerhandlungen und gegen Null-lohnrunden!

Informationen unter www.nullbockaufnull-lohn.at. Ebenfalls auf dem Blog: ein Linkzum Nulllohnrunden-Rechner des ÖGB. Mitdiesem kann sich jede Beschäftigte aus-rechnen was sie eine einmalige Nulllohn-runden kostet.

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Aktiv werden

•Die einfachste Möglichkeit: UnsereOnline-Petition „Nein zu Nulllohn-runden im öffentlichen Dienst“(nullbockaufnulllohn.at) unter-schreiben und weiterverbreiten.Die Unterschriftenlisten gibt esauch in „klassischer“ Papierform inden Büros der UG-Säulen.

•Wenn Ihr BetriebsrätInnen oderPersonalvertreterInnen seid, dannbringt doch bitte Resolutionen undAnträge gegen Nulllohnrunden inBetriebsrat, Personalvertretungoder Gewerkschaftsausschuss ein.Egal ob Gemeindebedienstete,öffentlicher Dienst oder privaterBereich: Fasst Beschlüsse und lassteure Gewerkschaft(en) davon wis-sen! Formulierungsvorschläge gibtes auf unseren Homepages.

•Nullbock auf Nulllohnrunden istauch auf facebook. Zum liken, zumteilen, um regelmäßig informiertzu werden beziehungsweise zusehen, was läuft.

•Um die Breite, Solidarität undGeschlossenheit in dieser Sache zudokumentieren, bitten wir Euch,uns beschlossenen Anträge/Reso-lutionen per E-Mail [email protected] zur Veröf-fentlichung (natürlich nur mitEurem Einverständnis) auf unse-rem Blog zuzuschicken.

•Bitte lasst uns auch von sonstigenAktivitäten gegen Nulllohnrundenwissen! Wir würden auch sie gerneauf unseren Blog stellen, siebewerben und unterstützen! Auchhier genügt ein E-Mail an [email protected].

Ihr braucht Unterstützung? Wirhelfen gerne, wo wir es können.Wenn ihr Unterstützung brauchtoder Fragen habt: Einfach ein E-Mailan [email protected] schicken.

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eim FSW handelt es sich umdas ausgegliederte Sozial-

wesen der Stadt Wien. DieKIV/UG hat dort seit Anbeginn

im Betriebsrat die Mehrheit. Bei derletzten Wahl 2008 haben im FSW zweiListen kandidiert, das Ergebnis waren7 Mandate für die KIV/UG und 3 Man-date für die „Fraktion Sozialdemokrati-scher GewerkschaftInnen“ (FSG). Sosetzt sich der zehnköpfige Betriebsratseither zusammen.

In der „wieder wohnen“ GmbHwaren es auch zwei Listen, das Ergeb-nis waren 3 BetriebsrätInnen derKIV/UG und 2 der FSG. In der Pflege-und Betreuungs GmbH gibt es seit2008 4 KIVlerInnen und 2 FSGlerInnenim Betriebsrat.

Die BetriebsrätInnen der KIV/UGstehen also vor großen Herausforde-rungen. Zum einen, einen Wahlkampfaus der Position der Mehrheit zu füh-ren und zum anderen, überhaupt dieZeit für einen Wahlkampf zu finden.Denn die Betriebsratsarbeit im FSW istkein Nebenjob. Die Entscheidung wardann, als Hauptthema unsere Partei-unabhängigkeit hervorzuheben. Dennwenn ein und dieselbe Fraktion aufallen Ebenen (Regierung, Arbeitgeber,Gewerkschaft) die Mehrheit hat,bedeutet Sozialpartnerschaft in derPraxis, dass „unten“ vertreten werdenmuss, was „oben“ beschlossen und aus-gehandelt wurde. Mehr zu fordernwäre dann nicht drin, denn gefordertwürde dann nur, was auch umgesetztwerden könnte, weil es entweder schonverhandelt ist oder sich als Ergebnisabzeichnet. Kritik und Diskussion wür-den durch solche Verhältnisse imAnsatz erstickt, denn das könnte der„Handschlagqualität“ schaden. Damitwäre eine gewerkschaftliche Antwortauf die Krise mehr als zahnlos. Bil-dungsoffensive? Nicht drinnen. Arbeits-zeitverkürzung? Ginge jetzt nur ohneLohnausgleich, das können wir nichtfordern. Dafür gibt es aber ein ja zur„Nulllohnrunde 2013“. Die SPÖ ist inWien an der Regierung. Da wird vonder FSG nicht „quergeschossen“.

Den Parteizwang haben wir von derKIV/UG eben nicht. Wir dürfen lautsagen was uns nicht passt – ohne voneiner Partei „zensuriert“ zu werden. Wirkönnen unseren Unmut auch nachaußen tragen und Aktionen setzen,ohne dafür das Einverständnis von Par-teisoldaten einholen zu müssen. In derGewerkschaft der Gemeindebedienste-ten – Kunst, Medien, Sport und freieBerufe (GdG-KMSfB) sind wir insge-samt eine Minderheit. In den Betriebs-ratsgremien Fonds Soziales Wien, Wie-ner Pflege- und BetreuungsdiensteGmbH und „wieder wohnen“ GmbHhat die KIV/UG die Mehrheit. Hier mitdem (SPÖ-)Strom zu schwimmen wäreeinfach gewesen. Aber einfach wolltenwir es von der KIV/UG nie.

Wir wollen die Interessen unsererKollegInnen vertreten und nicht die

Interessen irgendeiner Parteifraktion.Für unsere tägliche Betriebsratsarbeitsind uns Werte wichtig, mit denen wiruns alle tatsächlich identifizieren kön-nen, zum Beispiel• Solidarität mit Personen, die unge-

recht behandelt werden,• Fairness bei Entscheidungsfindun-

gen und Konfliktlösungen,• Respekt vor der Lebens- und Arbeits-

erfahrung von KollegInnen,• Pluralität: Beteiligung unterschiedli-

cher Menschen und ihrer Meinungen

und Erfahrungen – mit einer klarenAbgrenzung gegen Rechts

• Für das Recht auf Kritik ohneSanktionen

• Für das Recht auf Mitgestaltungder Arbeit.

• Bei Umstrukturierungen undKonflikten: Kenntnis der Perspektiveder Betroffenen, Vertretung ihrerInteressen Wir sind guten Mutes und hoffen,

die Mehrheiten halten zu können. Obuns das gelingt, werden wir Euch inder nächsten Alternative erzählen.

AUF EIN NEUESIm November 2012 finden

Betriebsratswahlen im Fond

Soziales Wien und in dessen

Töchtergesellschaften statt.

B

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Gewerkschaft & Betrieb

Andreas Richter-Huber,Zentralbetriebsrats-obmann FSW & Töchter,Betriebsratsobmann FSW

Doris Buresch, stv. Zentralbetriebsrats-vorsitzende FSW & Töchter, Betriebsrats-vorsitzende der wieder wohnen GmbH

Sonja Müllner, stv. Zentral-betriebsratsvorsitzende FSW &Töchter, BetriebsratsvorsitzendeWiener Pflege- und Betreuungs-dienste GmbH

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Im September gaben die Vorsitzenden der UGÖD, der Unabhängigen GewerkschafterInnen im Öffentlichen Dienst, eine medial viel beachtete

Pressekonferenz. Von Beate Neunteufel-Zechner.

Alles bleibt besser?

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Gewerkschaft & Betrieb

erzeit finden „geheime“ Ver-handlungen für ein neues Leh-rerInnendienstrecht statt. Rein-

hart Sellner, UGÖD-Vorsitzenderund AHS-LehrerInnen-Vertreter

kritisiert dies als problematischesAbweichen von einer demokratischenVerhandlungskultur: „Die Geheimnis-krämerei muss beendet und die Kolleg-Innen laufend informiert werden!“.

Die Forderungen des Bundesministe-riums für Unterricht, Kunst und Kultur,Bundeskanzleramts sowie des Bundes-ministeriums für Finanzen haben es insich. Gefordert wird:• Eine massive Arbeitszeiterhöhungvon bisher 20 oder 21 auf 24 Unter-richtsstunden und kein Arbeitszeitmo-dell, das die notwendigen und vielfälti-gen Tätigkeiten für Unterricht, Team-arbeit, Schulveranstaltungen, Schul-entwicklung, individuelle Förderung,Beratung oder Fortbildung umfasst. • Mehr Klassen und SchülerInnen fürjede LehrerIn – als dienstrechtlichenBeitrag zur Individualisierung?• Kein an den Schulen gewähltesLeitungsteam.• Kein einheitliches Bundeslehrer-Innendienstrecht, sondern Beibehal-tung der Doppelgleisigkeit von„Landesvertragslehrpersonen“ und„Bundesvertragslehrpersonen“.

• Keine gemeinsame Sekundarstufe I,sondern weiterhin 2 Klassen vonLehrerInnen für 2 Klassen von Schule.• Keine nachhaltige Anhebung derAnfangsbezüge, denn auf Kosten ihrerEndbezüge bezahlen JunglehrerInnenselber diese Anhebung mit der 20-Pro-zent-Arbeitszeiterhöhung. • Keine Entlastung der LehrerInnendurch Anstellung von Sozialarbeiter-Innen, PsychologInnen, Sonderpäda-gogInnen, FreizeitpädagogInnen,Krankenschwestern und Verwaltungs-personal für jede Schule, mit der einehöhere Unterrichtsverpflichtungbegründet werden könnte.• Keine ausreichende finanzielle Bede-ckung der notwendigen Reformen undfür ein leistungsgerechtes und attrakti-ves LehrerInnendienstrecht.

Alles bleibt besser?Allem Anschein nach hat niemand

Interesse an einem zukunftstauglichenLehrerInnendienstrecht NEU – einScheitern der Verhandlungen als Wahl-kampfthema gegen die SP-Ministerin-nen Schmied und Heinisch-Hosekscheint vorprogrammiert.

Die UGöd steht den Forderungensehr kritisch bis ablehnend gegenüberund fordert stattdessen eine demokra-tische, sozial wirksame Schulreformsamt Dienstrechtsreform. Es brauchtein Studium für alle LehrerInnen alsBerufsvoraussetzung und ein Einfüh-rungsjahr mit halber Unterrichtsver-pflichtung. „Die UGÖD fordert eineausreichende Finanzierung, einegemeinsame Schule als Ganztages-schule und eine Anhebung derAnfangsbezüge.“, so Beate Neunteufel-Zechner vom UGÖD Vorsitzteam. Wirfordern Bildungsmilliarden und vermö-

gensbezogene Steuern, wie sie –anders als ÖGB und Arbeiterkammer –die „schwarze“ GÖD nicht fordert.Denn Bildungsinvestitionen sindZukunftsinvestitionen.

Bildung kostet„Während Banken gerettet werden,

private Ratingagenturen und Spekulati-onskapital die Schuldenkrise weiteranheizen, sollen ArbeitnehmerInnen,Junge und Alte, darunter die ständigwachsende Zahl von Frauen in Niedrig-lohngruppen und prekärer Beschäfti-gung die Krisenkosten mit sinkendenEinkommen und Arbeitslosigkeit zah-len.“, kritisiert Beate Neunteufel-Zech-ner. Besonders betroffen von der restrik-tiven Budgetpolitik sind die öffentlichBediensteten und die Beschäftigten inausgegliederten Dienststellen und inden Vereinen, die Dienstleistungen imöffentlichen Interesse erbringen.

Wer A sagt braucht nicht Bsagen, wenn erkennbar wird,dass A falsch warDie von der Gewerkschaft öffent-

licher Dienst im Frühjahr akzeptierteund für immer mehr KollegInnen inak-zeptable Nulllohnrunde 2013 + Mini-mal-Lohnerhöhung 2014 bedeutenmassive Reallohnverluste für über300.000 öffentlich Bedienstete undBeschäftigte in ausgegliederten Berei-chen. Zählt man die Landes- undGemeindediensten, die auch dortbereits ausgegliederten Bereiche sowiedie Beschäftigten privater Sozial-,Gesundheits-, Bildungs- und Kultur-einrichtungen dazu, deren Einkom-mensentwicklung vielfach an jener desöffentlichen Dienstes gekoppelt ist,

Beate Neunteufel-Zechner

ist Vorsitzende desBetriebsrats derÖsterreichischenNationalbibliothek.

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dann sind fast ein Viertel der unselb-ständig Erwerbstätigen in Österreichbetroffen – volkswirtschaftlich bedeu-tet das den Verlust der krisendämpfen-den Kaufkraft von 900.000 Arbeitneh-merInnen. Daher fordert die UGödGehaltsverhandlungen jetzt. Leistungs-gerechte Reallohnsteigerungen undArbeitsplätze im öffentlichen Dienstsind finanzierbar. Wir machen unsdaher stark für die Kampagne derUnabhängigen GewerkschafterInnen„Null Bock auf Nulllohnrunden“.

Parteiunabhängige Vertretungist nötiger denn jeOhne vermögensbezogene Steuern,

ohne Regulierung der ungebrochen

destruktiv wirkenden Finanzmärktesind die Arbeitsplätze, Arbeitsbedin-gungen und Einkommen im öffentli-chen Dienst, seinen ausgegliedertenBetrieben und in den Universitätennicht zu sichern. Das wiederholte Aus-scheren der „schwarzen“ GÖD-Führung,wenn es um ÖGB- und Arbeiterkam-mer-Beschlüsse für vermögensbezo-gene Steuern zur Sicherung des Bil-dungs- und Sozialstaates geht, zeigtmit aller Schärfe: Wie alle Arbeitneh-merInnen brauchen auch die öffentlichBediensteten eine parteiunabhängigeInteressensvertretung!

Wir Unabhängigen Gewerkschafter-Innen in der GÖD haben den Lohnab-schluss vom Frühjahr nicht akzeptiert.Wir fordern unsere KollegInnen,

BetriebsrätInnen und Personalvertrete-rInnen auf, für Bewegung in der GÖDzu sorgen, für einen heißen Herbst mitDiskussionen und Resolutionen an denVorstand der GÖD und mit erfolgrei-chen alten und neuen unabhängigenBetriebsratskandidaturen, beim allge-meinen und beim wissenschaftlichenUniversitäten-Personal.

Es braucht eine gelebte Kooperationder betroffenen Uni- und PH-KollegIn-nen, einen Erfahrungsaustausch alsBasis für ein gemeinsames Vorgehenfür eine universitäre LehrerInnen- undPädagogInnenausbildung mit Zukunft.

Die UGöd ruft auf zur gewerkschaft-lichen Organisierung im Rahmen derGÖD – am besten als parteiunabhän-gige BetriebsrätInnen!

„Bildung fängt viel früher an“Der Elementarbereich (Kindergarten inseiner Vielfalt) soll den Stellenwerterhalten, der ihm zusteht, meintBeate Neunteufel-Zechner.

Jedes Kind soll die gleichen Chancen undStrukturen haben, egal in welchem Bundes-land es aufwächst. Kindergartenpädagog-Innen, AssistentInnen, HelferInnen sollen diegleichen Strukturen vorfinden und ihnensollen Weiterbildungsmöglichkeiten, Erho-lungsphasen und natürlich auch gleichesGehalt zustehen.

Kinderfreundliche Rahmenbedingungenmüssen vom Bund sichergestellt werden unddas kostet Geld: doppelt so viel, wie Öster-reich bisher für den Elementarbereich zurVerfügung stellt. Damit wären wir aber imEU-Vergleich noch immer weit hinter jenenLändern, die der elementaren Bildung jenen

Stellenwert einräumen, der den wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen entspricht (Österreich gibt 0,54 Prozent desBruttoinlandsproduktes, Schweden knapp zwei Prozent aus).

Sich für Reformen im elementaren Bildungsbereich einsetzen – ohne parteipolitisches Hickhack, konfessionsübergreifend,trägerInnenunabhängig und auch für jene KollegInnen, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht gewerkschaftlichorganisiert sind – dies ist das Anliegen der Berufsgruppen in den Bundesländern und des ÖDKH. Die Kindergarten- undHortpädagogInnen haben nämlich derzeit keine gemeinsame gewerkschaftliche Vertretung. Die drei Gewerkschaften GPA-djp, VIDA und GdG-KMSfB riefen nun endlich zu einer gemeinsamen Demonstration am Samstag, dem 6. Oktober 2012 inWien auf – allerdings haben die drei Gewerkschaftsvorsitzenden drei Wochen vor der Kundgebung beschlossen, die Aktivist-Innen des gemeinsamen Dachverbandes aller KindergärtnerInnen von der Liste der AufruferInnen zu streichen.

Die UGöd unterstützt den Protest des ÖDKH und hat die Vorsitzenden der drei Gewerkschaften aufgefordert, dieseAusladung zurückzunehmen: Nur gemeinsam sind wir stark!

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Gewerkschaft & Betrieb

Chronologie einer schweren Geburt; Dezember 1997 � Die Zukunft der Arbeit und der Gewerkschaften; Jänner 1998 � Für eine Arbeitsplatz-

Offensive im öffentlichen Dienst; November 1999 � Ergebnisse der Zentralbetriebsratswahlen im Arbeitsmarktservice; Dezember 1999 � Regierung

muss bestehende Verträge der Eisenbahner einhalten; Juni 2000 � Budget der Grausamkeiten: Raus auf die Straße statt rein in den Sparwahn;

November 2000 � Urabstimmung muss für Kampfmaßnahmen mobilisieren; Juli 2001 � Unabhängige Liste „we4you/UG“ bei Telekom auf Anhieb

drittstärkste Fraktion; November 2001 � Jetzt raus auf die Straße, Gewerkschaften; April 2003; � Direktwahl der ÖGB-Spitze durch Gewerk-

schaftsmitglieder; Oktober 2003 � Mit Sparen im Bildungsbereich muss Schluss sein; Oktober 2003 � Solidaritätsfrühstück mit streikenden ÖBB-

ArbeitnehmerInnen; November 2003 � Keine weißen Flecken in Arbeiterkammer mehr; April 2004 � Klare Absage an Richtungsgewerkschaften;

Juni 2004 � Wahlerfolg Unabhängiger GewerkschafterInnen bei BAWAG; Juni 2004 � Personalvertretungs-Wahlen sind fulminanter Wahlerfolg

– UGöD ist klar dritte Kraft;

November 2004 �

UGÖD solidarisch mit

Forum Boku-Wien;

November 2005 � Kein

BAWAG-Verkauf auf

Zuruf; März 2006 � Haber -

zettel-Vorstoß zu

Direktwahl der Gewerk-

schaftsspitzen begrü-

ßenswert; April 2006 �

Unabhängige Gewerk-

schafterInnen starten Initia-

tive „Gewerkschafts-

demokratie jetzt!“; April 2006

� ÖGB-neu muss

GÖD-Reform einschließen; Mai 2006 � Überparteilicher

ÖGB-Präsident oder sozial-

demokratischer Funktionär?; Juli 2006 � Jetzt Mitglieder-

demokratie im ÖGB stär-

ken; Oktober 2006 � Bedauern Scheitern des Ein-Gewerk-

schaft-Modells; November

2006 � Mit Reformplänen wenig zufrieden; Jänner 2007

� Grünes Licht für Ilisu ist

schwarzer Tag für Menschenrechte und Umwelt; März 2007 �

Auslaufen lassen der Erb-

schaftssteuer völlig falsches verteilungspolitisches Signal; März

2007 � Skepsis gegenüber

Buchingers Negativsteuerplänen; April 2007 � Die Arbeitszeitflexibilisierung

ist da – wo bleibt die

Arbeitszeitverkürzung?; Mai 2007 � Wiener Stadtregierung plant Demontage

des Gesundheitsamtes; Mai

2007 � UG startet Initia- tive „Noch länger arbeiten? Nein danke!“; Mai 2007

� Schulfeste Stellen für

LehrerInnen weder „Zuckerl“ noch „Privileg“; Juni 2007 � ÖAAB soll

Spendengelder der Indus-

triellenvereinigung

of fenlegen; Juni 2007

� 1000 Euro Mindestlohn

wichtiger – aller-

dings nur erster

Schritt; Juli 2007 � Mit -

arbei ter In nen betei -

lig ung nur wenig

geeignetes Mittel zu

gerechterer Ein-

kommensverteilung;

August 2007 � Seien wir

realistisch – for- dern wir plus 10 Prozent, Mindestbetrag Euro 200 für

alle; Oktober 2007 � Nein

der Arbeiterkammer zu Ökostromförderung heißt „Nein“ zu zehntausenden

neuen Arbeitsplätzen mit

Zukunft; November 2007 � Inak zeptable Verschärfungen für Erwerbsarbeitslose

im Rahmen der AlVG-

Novelle; Dezember 2007 � EU-Reformvertrag: UG fordert Volksabstimmung;

Dezember 2007 � Zer-

schlagung der ÖBB war schwerer politischer Fehler von ÖVP/FPÖ/BZÖ; Jänner

2008 � Jetzt Entlastung der

unteren und mittleren Einkommen angehen, statt Erb- und Schenkungssteuer

abschaffen; Feber 2008 �

ÖGB, AK-Steuerpapier: „Wo bleibt Gegenfinanzierung?“; April 2008 � Mehr

Personal für das Wiener

Jugendamt – Öffentliche Aktion vor Wiener Rathaus; Mai 2008 � EU-Arbeits zeitrichtlinie: „Zeiträuber weiter unterwegs“; Juni 2008 � UGöD

unterstützt Kampfmaßnahmen der Ärzt Innen; Juni 2008 � Finanztransaktions steuer: „Ausreden zählen nicht mehr – jetzt Börsenumsatzsteuer

wieder einführen“; Oktober 2008 � Betriebsrats -

wahlen im Fonds Soziales Wien: „KIV/UG gewinnt, was zu gewin-

nen war“; November 2008 � Armuts- und Reich-

tumsbericht: „Es braucht mehr Mut zu Umverteilung“; Jänner 2009

� „Gra tiskindergarten“ in Wien: Bildungsoffensive

Ja! Noch mehr Belastung für das Personal Nein!; März 2009 �

UGöD fordert Konjunkturpakete in Bereichen Bil-

dung, Soziales und Gesundheit; März 2009 � “AUGE/UG als vierte

Kraft in der Arbeiterkammer fest verankert; April 2009 � Klares Nein zu „Rosinen“-Zügen; April 2009 � Schluss mit PendlerInnenschröpfung –

Wir zahlen auch nicht die Krise der ÖBB; April 2009 � Fehler bei Bankenrettungspaket drohen sich nun bei Unternehmenspaket zu wiederholen;

Juni 2009 � Her mit dem sozial-ökologischen Konjunkturpaket III; Juni 2009 � Vorarlberg: Unabhängige GewerkschafterInnen sind ÖGB-Fraktion;

Juni 2009 � Buch: Fünfzig Seiten geben Einblick in die drittstärkste ÖGB-Fraktion; Juni 2009 � Freiheitliche gehören isoliert, nicht integriert; Juli

2009 � Unabhängige

GewerkschafterInnen erfreut über Ausstieg aus Ilisu Staudammprojekt; Juli 2009 � SPÖ-Stadt -

regierung aufgefordert,

AK-Beschluss „Nein zu Krankenstands-Rückkehrgesprächen“ umgehend umzusetzen; November

2009 � Wer von Leis-

tungsgerechtigkeit spricht, muss vor allem Vermögenssteuern fordern; November 2009 �

Personal vertretungs-

Wahlen: UGöD steht nun bei 7,52 Prozent Stimmanteil; November 2009 � Soziale Arbeit ist

„mehr wert“ – und bringt hohen gesellschaftlichen Mehrwert; Jänner 2010 � Unter-

sagung der Demonstration

gegen WKR-Ball vollkommen inakzeptabel; Jänner 2010 � Frauentag aktueller denn

je; März 2010 � Nur kurze „Ver-

schnaufpause“ für die Nebenbahnen?; März 2010 � Arbeit „fair“ teilen – Arbeitszeit

„fair“ kürzen; April 2010 �

KIV/UG klar zweite Kraft bei Wiener Gemeindebediensteten; Mai 2010 � BRAK/UG

ist stimmenstärkste Fraktion im

Betriebsrat der Nationalbibliothek; Mai 2010 � Burn-Out: Es braucht Maßnahmen in Betrieben und leistbare Psychotherapieangebote für Betroffene;

Juli 2010 � Unabhängige GewerkschafterInnen rufen zu Teilnahme an „Krötenwanderung!“ auf; September 2010 � Volle Solidarität mit StudentInnen

im Kampf gegen Einsparungen im Bildungs- und Familienbereich; Oktober 2010 � Unabhängige GewerkschafterInnen unterstützen Plattform

„Zukunftsbudget“; November 2010 � LehrerInnenbildung braucht grundlegende Verbesserung – nicht erst seit PISA; Dezember 2010 � Protest

gegen 385 Änderungskündigungen bei Sozial Global; Feber 2011 � Wer in Österreich lebt, muss hier arbeiten dürfen – illegale Beschäftigungsver-

hältnisse legalisieren; März 2011 � Noch bis 7. März – Volksbegehren „Raus aus EURATOM“ unterschreiben; März 2011 � In vestitionen in Bildung

und Soziale Dienste statt Spardiktat; Mai 2011 � Anteilnahme mit den norwegischen KollegInnen; Juli 2011 � Rechtsaußen bleibt Rechtsaußen,

autoritär bleibt autoritär, FP bleibt FP;

August 2011 � Für Gleichberechtigung und das Menschenrecht auf Bildung –

ÖLI/UG unterstützt Bildungsvolks -

begehren; September 2011 � Unabhängige GewerkschafterInnen des öffentli-

chen Dienstes fordern fünf Prozent –

Mindestbetrag 120 Euro; Oktober 2011 � Schuldenbremse: Fokus auf „Staats-

schuldenkrise“ trübt Blick auf wahre

Krisenursachen und deren nachhaltige Bewältigung; November 2011 � Keine

ORF-Reform auf Kosten demokratischer Mitbestimmungsrechte der Belegschaftsvertretung; Jänner 2012 � Chance auf mehr soziale Gerechtigkeit

und ökologischen Umbau vertan; Feber 2012 � Hände weg von der Bundesanstalt für Bergbauernfragen; März 2012 � AUGE/UG und KIV/UG

laden zum „Sozialgipfel Reloaded“; März 2012 � Für verpflichtende Sozial- und Umweltbilanzen, gegen EU-Fiskalpakt und Nulllohnrunden; April

2012 � Arbeiterkammer Niederösterreich ist aufgefordert, gegen Schiefergas- und Tight Oil-Bohrungen

im Weinviertel Stellung zu beziehen; Mai 2012 � Bank Austria: Bei den Betriebsratswahlen gab es für

die Unabhängigen GewerkschafterInnen einen tollen Erfolg; Mai 2012 � Solidarität mit den Wiener

AbfallberaterInnen in ihrem Kampf für faire Arbeits- und Einkommensbedingungen; Juli 2012.

Zeitung der UG

Fest

Freitag, 28. September 2012,

Einlass: 18 Uhr, Schutzhaus

Zukunft, Verlängerte Gunt-

herstraße, (Öffentliche Ver-

kehrsmittel: Linien 9, 48A)

Programm:

> Reinhart Sellner (guitar &

vocals) & Ernst Eigenbauer

(lyrics)

> Wiener Beschwerdechor

> DJane Ulli Fuchs & guests

ALLE UG-LERINNEN UND

F R E U N D I N N E N S I N D

HERZLICH WILLKOMMEN!

JAHRE15

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Schnappschüsse

vom Fest

sind auf der

nächsten Seite

Am 28. September 2012 feierte die UGihr 15jähriges Bestehen als Fraktionim Gewerkschaftsbund mit einemrauschenden Fest.

Über 250 Gäste folgten der Einladung derUnabhängigen GewerkschaftInnen im ÖGB.Auch ÖGB-Präsident Erich Foglar, Vizeprä-sidentin Sabine Oberhauser sowie der lei-tende Sekretär Bernhard Achitz befandensich unter den GratulantInnen.

Durch den Abend führte Ulli Fuchs. BeateNeunteufel-Zechner und Fritz Schiller eröff-neten gemeinsam das Fest: „Wir freuen uns,Euch zum Fest 15 Jahre UnabhängigeGewerkschafterInnen zu begrüssen. Die UGhat es mittlerweile geschafft, ein wichtigerund allgemein akzeptierter Teil des ÖGB zusein. Wir freuen uns darüber sehr!“

Die KollegInnen der Abfallberatungberichteten über den aktuellen Stand ihresArbeitskampfes, den ÖGB-Präsident Foglar

mit seiner Unterschrift auf der Petitions-liste unterstützte. Vorgestellt wurde weitersdie neue Kampagne der UG „Null Bock aufNulllohnrunden“ gegen Nulllohnrunden imöffentlichen Dienst.

Anschließend startete mit dem Duo Rein-hart Sellner & Ernst Eigenbauer der künst-lerische Teil des Abends. Mit dem als lang-fristiges Kunstprojekt gegründete WienerBeschwerdechor ging der Abend seinemHöhepunkt entgegen. Der Chor, derBeschwerden in Musikstücke übersetzt undder nach Eigendefinition „als Sprachrohrder Stadtbevölkerung, als Ventil der typischwienerischen Unzufriedenheit und des sub-tilen Grants“ gesehen werden kann. Dasleibliche Wohl der BesucherInnen kamebenfalls nicht zu kurz.

Ab 22 Uhr sorgte die Djane-Line vonUlli Fuchs & Günther Moser für ausgelas-sene Stimmung bis in die Morgenstunden.

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GÖD-Demokratisierung:

Anerkennung Jetzt!Die Unabhängigen GewerkschafterInnen im Öffentlichen Dienst (UGöd) führen derzeit ein Zivilrechtsverfahren um die Anerkennung als Fraktion in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). Von Beate Neunteufel-Zechner.

Spendenaufruf

Zur Abdeckung der Verfahrenskosten ersucht die UGöd ihre Mitglieder, SympathisantInnen und alle demokratischgesinnten KollegInnen um eine Spende mit dem Vermerk:

„Spende für GÖD-Demokratisierung“ auf die Kontonummer 502 014 723 00, BLZ 12000, lautend auf „Unabhängige GewerkschafterInnen in der GÖD (UGöd)“.

Die Bundesleitung der UGöd wird die Spendeneinnahmen und Ausgaben gegenüber den SpenderInnen und im Rahmen des Finanzberichtes offenlegen. Sollte der Spendenbetrag höher als die Rechtshilfekosten sein, wird derDifferenzbetrag an „Asyl in Not“ (zur Betreuung von AsylwerberInnen und Flüchtlingen) und an das „Integrations-haus Wien“ weitergegeben.

Der Fraktionsstatus, die Vertretungim 18-köpfigen GÖD-Vorstand unddie damit verbundene Betrauungmit einem Referat samt Infrastruk-tur werden der UGöd verweigert.Seit mehr als 10 Jahren werden dieUnabhängigen GewerkschafterIn-nen im öffentlichen Dienst und inausgegliederten Betrieben von„ihrer“ Gewerkschaft hingehalten. Wiederholte Zusagen des Vorsitzen-den Kollegen Neugebauer – wegenGÖD-interner Widerstände beimGewerkschaftstag würde die Frakti-onsanerkennung über Kooption inden Vorstand in nächster Zeit erfol-gen – blieben ohne Ergebnis. Zwei Einsprüche beim GÖD-Schiedsgericht 2006 und 2011wurden abgelehnt.2012 haben der von der UGöd fürden GÖD-Vorstand nominierteReinhart Sellner und die Unabhän-gigen GewerkschafterInnen derUGöd Klage beim Landesgerichtfür Zivilrechtssachen in Wien einge-bracht, Verhandlungstermin ist der22. Oktober 2012.

Die Klage umfasst im Wesentlichenzwei aus dem Statut der GÖDabgeleitete Feststellungen:1. „Zwischen den Streitteilen wirdfestgestellt, dass der Vorstand derGewerkschaft Öffentlicher Dienstnicht statutengemäß zusammen-gesetzt ist und dass der Erstklägergemäß § 3 Abs 2 Z 4 und Abs 3der Geschäftsordnung der Gewerk-schaft Öffentlicher Dienst dem Vor-stand der GÖD angehört; 2. Zwischen den Streitteilen wirdfestgestellt, dass der Zweitklägerinauf allen Ebenen der GewerkschaftÖffentlicher Dienst der Status alsFraktion im Sinne der Fraktionsord-nung der GÖD zukommt.“In der Geschäfts- und Wahlord-nung der GÖD ist festgelegt, dassalle Organe entsprechend demStärkeverhältnis der WählerInnen-gruppen bei Personalvertretungs-,Betriebsrats- beziehungsweiseGewerkschaftswahlen zusammen-zusetzen sind. (§ 5 Abs. 3). DasGewerkschaftsorgan „Vorstand“(§ 3 Abs. 2) setzt sich aus den Mit-

gliedern des Organs „Präsidium“(Vorsitzender + 5 StellvertreterIn-nen) und 12 „weiteren Mitgliedern“zusammen, d.h. in Summe bestehtder GÖD-Vorstand aus 18 Mitglie-dern. Die „weiteren Mitglieder“werden mit „Referaten“ betraut(§ 8 Abs. 4).Die UGöd hat in den von der GÖDangestellten Berechnungen bei denletzten Wahlen in der GÖD dieWahlzahl 14 nach d’Hondt erreicht.Die Argumentation der GÖD, ihresSchiedsgerichtes und ihres Anwal-tes ignoriert einmal mehr die Fest-legungen des Statuts hinsichtlichder Zusammensetzung des Vorstan-des und nimmt die Tatsache, dassseit geraumer Zeit die Wahl desVorsitzenden und der Stellvertreter-Innen auf einem gesondertenStimmzettel und vor der Wahl der„weiteren Mitglieder“ erfolgt, zumVorwand, dass der UGöd weder einVorsitz noch eine StellvertreterIn,noch ein „weiteres Mitglied“zusteht.

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Hat die Wirtschaftskrise die „Atypisierung“ der Beschäftigungsverhältnisse in Österreichbefördert? Waren „Atypische“ stärker betroffen als „Normalarbeitsverhältnisse“? Diesen Fragen

geht ein Beitrag in den Statistischen Nachrichten 7/2012 nach. Von Markus Koza.

„ATYPISIERUNG“ INZEITEN DER KRISE

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Gewerkschaft & Betrieb

uer durch Europa – besondersaber in den schwer krisenge-schüttelten Staaten der Periphe-

rie – ist ein massiver Abbau vonArbeitnehmerInnenrechtengepaart mit einer zunehmenden

„Atypisierung“ der Beschäftigungzu beobachten: Arbeitszeiten werdenflexibilisiert, Überstundenregelungenliberalisiert, der Kündigungsschutzabgebaut, Lohnverhandlungen auf diebetriebliche Ebene verlagert, Löhnegekürzt. Gleichzeitig werden „neue“,atypische Beschäftigungsformen –insbesondere für jugendliche Arbeit-nehmerInnen – geschaffen, die nochweniger sozial- und arbeitsrechtlichenSchutz bieten und die Arbeitgebernoch weniger kosten.

Wie sieht es nun in Österreich aus?Ist auch hier eine Zunahme von „Atypi-sierung“ im Zuge der Krise zu beobach-ten? Käthe Knittler und Bettina Stadlerhaben Auswirkungen der Krise auf dieBeschäftigung untersucht.

Was ist „atypisch“?Bevor wir uns den Ergebnissen

zuwenden, sollte mensch vorerst ein-mal wissen, wovon überhaupt die Redeist, wenn von „atypischer Beschäfti-gung“ gesprochen wird. Grundsätzlicherfolgt die Definition von „atypischenBeschäftigungsverhältnissen“ über dieAbgrenzung zum „Normalarbeitsver-hältnis“1) – also der unbefristeten Voll-zeitanstellung. Atypische Beschäfti-gungsformen sind somit üblicherweiseTeilzeitarbeit, geringfügige Beschäfti-gung, Zeit- und Leiharbeit, befristete

Arbeitsverhältnisse sowie freie Dienst-verträge. Formen „selbständiger“ atypi-scher Beschäftigung („neue Selbstän-dige“) werden in dieser Analyse nichtberücksichtigt. Teilzeitarbeit wird in derUntersuchung dahingehend einge-grenzt, dass diese weniger als 36, abermehr als 12 Wochenstunden umfassenmuss. Geringfügige Beschäftigungsver-hältnisse – also Teilzeit unter12 Wochenstunden – fallen somit nichtunter „Teilzeit“, sondern „sonstige aty-pische Beschäftigung“. Weiters sindaus den befristeten Arbeitsverhältnis-sen Beschäftigungsverhältnisse, dieaufgrund ihrer Lehrausbildung befristetsind (zum Beispiel Lehrverträge), aus-genommen.

Auf Basis der Mikrozensus-Erhebungund erwähnter Abgrenzungen/Prinzi-pien werden drei überschneidungsfreieBeschäftigtenkategorien gebildet. Jedeunselbständig erwerbstätige Personwird nach ihrer „Haupttätigkeit“ exakteiner dieser Gruppen zugeordnet.Unterschieden werden• Beschäftigte im Normalarbeits-verhältnis, also Vollzeitbeschäftigteohne Befristung• „ausschließlich“ Teilzeitbeschäftigte,das sind alle Personen, die ausschließ-lich aufgrund ihrer Teilzeitbeschäfti-gung als „atypisch“ gelten und mehrals 12 Stunden – also über der statis-tischen Geringfügigkeitsgrenze –arbeiten. Nicht in dieses Kapitel fallenBeschäftigungsverhältnisse die zusätz-lich Merkmale von „Atypisierung“ auf-weisen – etwa zeitlich „befristete“Teilzeitverhältnisse, oder Leiharbeitauf Teilzeitbasis.

• alle sonstigen „unselbständig“, aty-pisch Beschäftigten, also freie Dienst-nehmerInnen, geringfügig Beschäftigte(Teilzeit unter 12 Wochenstunden),LeiharbeiterInnen, Befristungen –unabhängig ob Voll- oder Teilzeit.

Wie haben sich diese Beschäftigten-gruppen nun in der Krise entwickelt?Die AutorInnen stellen eingangs fest,dass im Vergleich zu den anderen EU-Staaten die „Krisenfolgen am österrei-chischen Arbeitsmarkt bisher relativglimpflich“ verlaufen sind. Allerdingshat auch am österreichischen Arbeits-markt die Wirtschaftskrise deutlicheSpuren hinterlassen.

51.000 Vollzeitjobs wenigerGeprägt war das Krisenjahr 2009

durch eine für Österreich ungewohnthohe Arbeitslosenrate von 4,8 Prozent(Labor force-Konzept), die allerdings2010 bereits wieder auf 4,4 Prozentzurückging. Die Zahl der unselbständigBeschäftigten stagnierte 2009 ebensowie im Folgejahr 2010. Von 2005 bis2008 war die unselbständige Beschäf-tigung noch deutlich gestiegen.

Markant war 2009 der Einbruch beiden Normalarbeitsverhältnissen:41.000 Vollzeitjobs gingen 2009 verlo-ren, 2010 noch einmal 29.000. Betrof-fen waren 2009 dabei überwiegendMänner – nämlich zu 90 Prozent. 2010war der Rückgang an Norm-Arbeits-plätzen zwar geringer, allerdings warenes diesmal zu 70 Prozent Frauen, derenJobs „abgebaut“ wurden. Insgesamtgingen 2008—2011 51.000 Normal-arbeitsverhältnisse verloren. Waren

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2008 noch 87,6 Prozent der unselb-ständig beschäftigten Männer ineinem 40-Stunden-Job, ging dieserAnteil bis 2011 leicht auf 86 Prozentzurück. Bei den Frauen sank der Anteilvon ohnehin nicht besonders hohen53,6 Prozent schon viel deutlicher aufniedrige 50,9 Prozent. Eine Entwick-lung, die zwar schon länger anhält(2005—2011 wuchsen Teilzeit und aty-pische Beschäftigung um 22 Prozent,Normalarbeitsplätze dagegen nur um2 Prozent), sich mit der Krise allerdingsbeschleunigte. Insgesamt ist der Anteilder in Normalarbeitsverhältnissen ste-henden ArbeitnehmerInnen seit 2005von 73 auf 69,3 Prozent (2011) gesun-ken, dabei alleine von 2008 bis 2011um 2,4 Prozent-Punkte.

Starkes Wachstum bei Teilzeit Beschäftigungszuwächse gab es

dagegen in der Kategorie „ausschließ-lich Teilzeit“. Die Stagnation derGesamtzahl der unselbständig Beschäf-tigten 2009/2010 lässt sich auf die

leichte Verschiebung von Normalar-beitsverhältnissen hin zu „atypischen“Beschäftigungsformen, vor allem aberauf die weiter wachsende Teilzeitbe-schäftigung zurückführen. Im Vergleichzu 2008 stieg die Gruppe „ausschließ-lich“ Teilzeit Arbeitender bis 2011 um61.000 Personen, von 592.000 aufüber 653.000. Die leichte Entspan-nung die 2011 auf dem Arbeitsmarktzu beobachten war, ist somit überwie-gend auf den Anstieg von „ausschließ-lich“ Teilzeit und anderen atypischenBeschäftigungsformen zurückzuführen.

Der Anteil der unselbständigbeschäftigten Frauen, die insgesamtTeilzeit (nicht „ausschließlich“ Teilzeit,sondern auch mit Merkmalen anderer„atypischer“ Beschäftigungsformen)arbeiten, ist seit Ausbruch der Krise2008—2011 von bereits hohen 42,1noch einmal auf 44,5 Prozent gestie-gen. Jener der Männer von niedrigen6,5 Prozent auf nicht wesentlichhöhere 7,6 Prozent. Von den 898.600Teilzeitbeschäftigten 2011 waren756.400 weiblich und nur 142.200

männlich. 2008 waren noch 697.000Frauen und 122.500 Männer Teilzeit inall ihren Formen beschäftigt.

Verschiebung, aber Stagnationbei „Atypischen“Relativ konstant ist die Anzahl der

sonstigen atypisch Beschäftigtengeblieben. Knittler/Stadler: „Leihar-beitskräfte waren von der Krise negativbetroffen, andere atypische Beschäfti-gungsformen, wie die geringfügigeBeschäftigung und in leichtem Aus-maß auch die Befristungen, nahmenhingegen zu. Somit kam es zu leichtenVerschiebungen hinsichtlich derZusammensetzung der atypischBeschäftigten. Die Gesamtgruppe(atypisch, sonstige Formen) blieb aller-dings, aufgrund der gegenläufigen Ent-wicklungen der einzelnen atypischenBeschäftigungsformen, im Jahr 2009gleich groß und verzeichnete 2010 wie-der einen Zuwachs.“

Bitte umblättern

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Auf die einzelnen Atypischen-Grup-pen bezogen heißt das: • Steigende geringfügige Beschäfti-gung seit 2005, auch seit Ausbruchder Krise. Die Zahl jener Personen,deren „Hauptbeschäftigungsmerkmal“eine geringfügige Beschäftigung ist,stieg seit 2008 von 151.500 auf170.900 Personen2).• Rückgang bei den freien Dienstneh-merInnen, wobei dieser allerdings nichtnur in der Krise begründet ist, sondernauch in der deutlichen Ausweitung dersozialen Absicherung seit 1. Jänner2008. Das hat es für Arbeitgeberschlichtweg unattraktiver gemacht,über die Umgehung „freier Dienstver-trag“ aus dem „teureren“ Sozial- undArbeitsrecht zu flüchten. • Rückgang bei der Leiharbeit von2008 auf 2009 (etwa 10 Prozent weni-ger Leiharbeitsverhältnisse), was demstrukturellen Charakter von Leiharbeitgeschuldet ist: „In Zeiten des (erwarte-ten) Aufschwungs werden zuerst Leih-arbeiterInnen angestellt, die im Falleines erneuten Einbruchs sehr leichtwieder freigesetzt werden können.“

Oder anders ausgedrückt: In Krisenzei-ten werden LeiharbeiterInnen ehergekündigt, als Stammpersonal. Wobeider Einbruch allerdings – vorerst ein-mal – nur von kurzer Dauer war und2010 schon wieder beinahe dasNiveau von 2008 erreicht, 2011dasselbe schon wieder deutlich über-schritten wurde (81.100 statt 71.100LeiharbeiterInnen)• Leichter Anstieg bei befristetenBeschäftigungsverhältnissen, der –laut AutorInnen – auch Folge der Kriseist („Gleichzeitig werden während einerKrise vermehrt tatsächlich befristeteBeschäftigung vergeben“). Insgesamtist über den Zeitablauf von 2005 bis2011 aber insgesamt nur eine geringeSteigerung (von 5,3 auf 5,6 Prozentaller unselbständig Beschäftigten) zubeobachten. Zusätzlich ist ein befriste-tes Arbeitsverhältnis – bevor dieses inein unbefristetes übergeht – inzwi-schen für viele neue Erwerbsverhält-nisse Realität geworden – unabhängigvon der Krise.

Keine „strukturelleVerschiebung“, aberBasierend auf beschriebenen Ent-

wicklungen und Beobachtung kommenKnittler/Stadler in ihrem Artikel zufolgenden Schlüssen:• In Österreich „kann derzeit … vonkeiner eindeutigen Verschiebung derBeschäftigtenstruktur in Richtung Aty-pisierung gesprochen werden.“ DerAnstieg bei atypischen Beschäftigungs-verhältnissen „rührt in erster Linie voneinem Anstieg der ausschließlich Teil-zeit und dies ist wiederum größtenteilsein Effekt der steigenden Erwerbsbetei-ligung von Frauen.“• Auf die Eingangfrage nach den Aus-wirkungen der Krise auf die Beschäfti-gungsstruktur, ist eindeutig ein Rück-gang von „Normalarbeitsverhältnissen“zu beobachten, dem ein Anstieg vonTeilzeitbeschäftigung – getragen über-wiegend von Frauen – gegenüberstandbeziehungsweise -steht.• Im Jahr 2010 ist auch wieder einAnstieg von „atypischen“ Beschäfti-gungsverhältnissen außerhalb der Teil-

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zeit beobachtbar, der vor allem aufwieder mehr werdende Leiharbeitzurückzuführen ist: Diese ging 2009zurück, stieg 2010 wieder leicht, 2011schließlich wieder deutlich an (mit denaktuellen krisenhaften Entwicklungenist wieder ein Rückgang zu verzeich-nen, Anm.)• Bezogen auf die Beschäftigungsformzeigen sich die größten Unterschiedezwischen Männern und Frauen in derKategorie „ausschließlich Teilzeit“:Frauen arbeiten zu 33 Prozent „aus-schließlich Teilzeit“, Männer zu 4 Pro-zent. Geringer aber immer noch deut-lich allerdings auch die Unterschiedebei allen anderen atypischen Beschäf-tigungsformen: Frauen arbeiten zu15 Prozent „atypisch“, Männer zu10 Prozent (geringfügige Beschäfti-gung: 7,5 Prozent der Frauen, 2,4 Pro-zent der Männer, Befristung: 6,4 Pro-zent der Frauen, 5 Prozent der Männer,freie Dienstverträge: 1,5 Prozent derFrauen, 1,3 Prozent der Männer, Aus-nahme Leiharbeit: 2 Prozent derFrauen, 3 Prozent der Männer). • Nach wie vor zeigen sich hinischtlichder Verbreitung atypischer Beschäfti-gungsformen deutliche Unterschiedezwischen dem Produktions- und demDienstleistungssektor. In der männer-dominierte Güterproduktion ist derAnteil „Atypischer“ jedenfalls geringer(wenn auch in diesem Sektor Frauendeutlich häufiger atypisch beschäftigtsind als Männer) als in der Dienstleis-tungsbranche mit hohem Frauenanteil:Hier ist der Anteil atypisch Beschäftig-ter bei Frauen wie Männern „tenden-ziell hoch“.

Hat in Österreich also „Atypisierung“als Krisenfolge bei weitem nicht sodurchgeschlagen wie in anderen euro-päischen Staaten, handelt es sich vor-erst einmal um einen „vorläufigenBefund“. Denn die Krise ist noch nichtzu Ende. Und: Die Zahl atypischBeschäftigter war auch schon in Vor-krisenzeiten hoch.

Selbst wenn „Atypisierung“ nichtprinzipiell „Prekarisierung“ – also Unsi-cherheit, Armutsgefährdung, Ungewiss-heit – bedeutet: Der Anteil atypischBeschäftigter in Niedriglohnbranchenbeziehungsweise -berufen ist jedenfallsdeutlich höher: 27 Prozent der „Atypi-schen“ aber „nur“ 8,7 Prozent der „nor-mal“ Beschäftigten arbeiten in Niedrig-lohnbranchen. Die Gefahr des „working

poor“ und, im Falle von Arbeitslosig-keit, in tiefe Armut zu rutschen istdamit bei „Atypischen“ ungleich höherals bei „Normal“-Beschäftigten. Und:Der Prozess der „Atypisierung“ und derdamit verbundenen Prekarisierungs-risken ist keineswegs gestoppt. Ganzim Gegenteil: Er setzt sich unvermin-dert fort. Die Herausforderung „Atypi-sierung“ bleibt also. Gerade auch inKrisenzeiten.

1) angemerkt sei hier insbesondere, dassdas „Normalarbeitsverhältnis“ hinsichtlichseiner „Normwirkung“ hinterfragenswertist. Die AutorInnen: „Was für Frauen typischist, ist für Männer untypisch und umge-kehrt gilt, was für Männer typisch ist, ist fürFrauen untypisch. Insofern stellt sich zuRecht die Frage, was als Norm und damitals normal beziehungsweise abweichendvon Norm und Normalität definiert wird.“Die AutorInnen haben nicht zuletzt auf-grund des hinterfragenswerten „Normbe-griffs“ neben der Kategorie „Normalarbeits-verhältnis“ die für Frauen viel typischere

Teilzeitarbeit als eigenständige Kategorieund „ausschließlich Teilzeit“ als weibliches„Normalarbeitsverhältnis“ in Abgrenzungzu anderen „atypischen“ Beschäftigungs-verhältnissen gesondert ausgewiesen.2) Die doch erhebliche Abweichung von denHauptverbandszahlen – der Hauptverbandweist für 2011 erwas über 307.000 gering-fügig Beschäftigte aus, während im Artikelvon Knittler/Stadler nur von knapp171.000 Geringfügigen die Rede ist. DieDifferenz ergibt sich daraus, dass derHauptverband alle Beschäftigungsverhält-nisse (unabhängig davon, wer dieseerbringt) zählt.. Während Knittler/Stadlernur jene Personen zählen, die als Haupt-beschäftigungsform (zumindest) ein gering-fügiges Beschäftigungsverhältnis aufwei-sen. Tatsächlich kann eine Person mehreregeringfügige Beschäftigungsverhältnissehaben, kann ein Teilzeitverhältnis miteinem geringfügigen Verhältnis kombiniertsein etc.

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Ende Oktober 2011 war ich mit 25 KollegInnen aus Vorarlberg, ElementarpädagogInnen und LehrerInnen aller Schultypen auf Finnland-Expedition in Jyväskylä.

Von Reinhart Sellner.

ENTSPANNTEGELASSENHEIT

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Gewerkschaft & Betrieb

rganisiert hatte diese Reisedie Vorarlberger LehrerInnen-initiative mit der Unabhängi-

gen Bildungsgewerkschaft. InKleingruppen haben wir Kinder-

gärten, Grundschulen, Gemein-schaftsschulen (Gesamtschule), gym-nasiale und Berufsbildende Oberstufenbesucht, mit Kolleginnen und Schüler-Innen gesprochen und sie in ihremAlltag begleitet und beobachtet.

Unaufgeregte Kultur derWertschätzungWas uns österreichischen Gästen vor

allem aufgefallen ist, hat nichts mitPISA-Ergebnissen oder besonderenUnterrichts- und Betreuungsformen zutun, sondern mit dem skandinavischenKlima: Vier Tage lang haben wir keineSchreien von Lehrpersonen gehört undkein aggressives Herumschreien vonKindern und Jugendlichen. In Kinder-gärten und Schulen haben wir ent-spannte Gelassenheit erlebt, einebeiläufige Kultur der Wertschätzung,Augenhöhe zwischen Kleinen undGroßen, SchülerInnen, Lehrpersonen,

Küchenpersonal, Krankenschwesternund Schulleitung. Wie die Schulauf-sicht agiert, haben wir nicht gesehenoder gehört, die hat sich nämlich1996 selber abgeschafft, weil dieSchulen nicht Aufsicht, Lob und Tadelvon oben brauchen, sondern Sozial-arbeiterInnen, PsychologInnen undKrankenschwestern.

Prävention und Support „in echt“Kuokkala Yläaste, Gemeinschafts-

schule mit Klassen 7—9, Tiina Impola,ist die „Nurse“, Schulkrankenschwester:„Zu mir kommen Schülerinnen beiRegelbeschwerden, ich bespreche Ver-hütungsmöglichkeiten (da kommen oftbeide), helfe bei persönlichen Krisen,auch bei Gewalt in der Familie. Es sindvon den älteren SchülerInnen, eher dieMädchen, die zu mir kommen, oft ausmigrantischen Familien.“ Sie ist wäh-rend der Unterrichtszeit in der Schule,die Tür zu ihrem Zimmer steht Schüler-Innen ohne Anmeldeformalitätenoffen, MitschülerInnen und Lehrer-Innen wissen nicht, wer die Hilfe inAnspruch nimmt.

„Niederschwellige“ Unterstützungbegleitet die Kinder und Jugendlichennicht erst in der Schule. Das finnische„Neuvola“, ein sehr engmaschiges, kos-tenloses, soziales System der Beglei-tung des Kindes und der Unterstüt-zung der Eltern in ihrer Elternschaft,das noch vor der Geburt einsetzt, spielteine sehr bedeutende Rolle. DerSchwerpunkt liegt auf der Prävention,und das setzt sich in der Schule fort,

wo LehrerIn, SonderpädagogIn, Nurse,DirektorIn der Schule, PsychologIn,Logopädin, SozialarbeiterIn derGemeinde/des Bezirkes in regelmäßi-gen Beratungen an der Schule Vor-schläge für individuell angepasste För-dermaßnahmen entwickeln. Eltern undKind werden in der Regel gemeinsamberaten, das Kind steht im Mittelpunkt.

Ruhig warten, freundlichplaudern, nicht ermahnen …Ristonmaan päiväkoti, ein Kindergar-

ten mit Vorschule, ein ebenerdiger Baumitten in einem Garten mit Spielplatz,Kletterbäumen und Herbstlaub. EineGruppe von Drei-, Vierjährigen zieht imVorraum Anoraks, Hauben und warmeStiefel an. Die Kindergärtnerin hat eineFingerpuppe übergestreift, das Eich-kätzchen erzählt, dass es Mutter undGeschwister verloren hat, die Kleinensollen suchen helfen. Einer wird mitdem Anziehen nicht fertig, sitzt amBoden vor seinen Stiefeln und mussviel erzählen und viel lachen. Die Kin-dergärtnerin und alle anderen Kinderplaudern mit ihm oder untereinander,bis er doch noch in seine Stiefel gefun-den hat, dann sind sie im Nu draußen.Ohne „Was soll das? Mach schon!Siehst du nicht, dass wir alle auf dichwarten müssen?“, auch ohne eine Lei-terin, die strenge Blicke wirft.

Es gibt in Finnland ein subjektivesRecht des Kindes auf einen Kindergar-tenplatz – die öffentliche Hand hat diePflicht zum Einlösen dieses Rechtes,zum Bereitstellung des Kindergarten-platzes. Ein nationaler Bildungsrahmen

Reinhart Sellner

UnabhängigerGewerkschafterder UGöd.

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legt Gruppengrößen, Personalschlüsselund Qualitätskriterien fest. Ein früh-kindlicher Erziehungsplan (VASO) wirdmindestens zweimal jährlich erstellt;dabei erfolgt eine individuelle Betrach-tung durch Kind, Eltern und KG-Päda-gogIn. Der Personalschlüssel: • 0–3 Jahre: 1:4,1 PädagogInnen,

2 PflegerInnen für bis zu 12 Kinder • 3–7 Jahre: 1:7,2 PädagogInnen,

1 PflegerIn für bis zu 21 Kinder. Die KindergartenpädagogInnen sindan der Universität ausgebildet undhaben ein 5-jähriges Studium absol-viert. KindergartenpflegerInnenmachen ab 16 Jahren eine dreijährigeBachelorausbildung.

Die Kindergärten sind ganztägiggeöffnet, von 6.30 bis 17 Uhr. Es gibt

eine Sprengelregelung, entscheidendist aber, welche Unterstützung dieEltern brauchen. So bezieht man zumBeispiel Berufsort und Arbeitszeitender Eltern (beispielsweise Schichtar-beit) ein. 85 Prozent der Frauen sindberufstätig, die meisten arbeiten Voll-zeit. Die Geburtenrate liegt bei 1,86(Ö: 1,4).Der Kindergarten ist nicht kos-tenlos. Die Tarife sind sozial gestaffeltund betragen von 250 bis 0 Euro (fürzum Beispiel StudentInnen oderArbeitslose) monatlich für einen ganz-tägigen Kindergartenplatz.

… oder doch ermahnen?Puistokoulu, Gemeinschaftsschule

mit Klassen 1—6, Mathematik-Unter-

richt, 6. Schulstufe. Nach dem Ende derPause kommen die SchülerInnen vomHof, verstauen Anoraks und warmesSchuhzeug in ihren Gangfächern undgehen in ihre Klassen, nach und nach.In dieser Klasse sind es wie in allenanderen nicht die PC und Beamer undSmartboards, auch nicht die Gitarreoder das E-Piano und der Lehnsessel(!) in einer Ecke, auf dem eine Studen-tin die Beine hochlagert, während sienoch ein SMS tippt. Der Lehrer istschon in der Klasse, bespricht kurz mitihr die Arbeitsteilung für die Stunde,die SchülerInnen haben ihre Unterla-gen auf die Tische gelegt und dieStunde beginnt. Nach fünf Minutenkommt eine Nachzüglerin, setzt sichmöglichst unauffällig auf ihren Platz.Der Lehrer macht weiter, steht aberdann doch auf, geht zur Schülerin,spricht ernsthaft mit ihr, sie steht auf,er verlässt mit ihr die Klasse. „Alsodoch“, denk ich mir. Als die beidenzurückkommen, bekommen wir mit,was da tatsächlich los war: Nach derHofpause hat das Mädchen gemerkt,

Bitte umblättern

Jedes Kind ist wichtig.

Kein Kind darf beschämt werden.

Kein Kind darf zurückgelassen werden.

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dass nicht nur die Schuhe, sondernauch die Socken durchnässt waren undist barfuß in den Unterricht. Der Lehrerhat das bemerkt und sich um warmeErsatzsocken gekümmert. Während sei-ner Abwesenheit haben die Schülerin-nen weitergearbeitet, die Zweitlehrerinhat zwei Kinder individuell betreut.

Fünf sind grade in derFörderstunde Anschließend wollte ich in eine

andere Klasse, in den Finnisch-Unter-richt. 15 SchülerInnen werkten anArbeitsblättern. Ich war überraschtüber die „kleine Klasse“, die LehrerInerklärte mir, dass fünf Kinder gradeFörderstunde haben.

Später meint ein Kollege im LehrerIn-nenzimmer:“Das ist doch selbstver-ständlich, dass ein Kind Schwächenhaben kann und ein Recht auf Hilfehat.“ Ein freundliches Mädchen führtemich in den Übungsraum, wo zweiSprachlehrerinnen mit den fünf Kin-dern gearbeitet haben, eine gingwenig später mit drei Kindern in einenanderen Raum, um bei der individuel-

len Förderarbeit die unterschiedlichenBedürfnissen der SchülerInnen besserzu berücksichtigen.

Zwischen 20 und 25 Prozent derSchulkinder beanspruchen besondereFördermaßnahmen, nicht in Form vonNachsitzen, sondern während der regu-lären Unterrichtszeit. Vor allem sind esKinder im Grundschulalter und in denersten Jahren der Gemeinschafts-schule. Diese schulischen Förderstun-den werden aufgrund von systemati-scher Beobachtung der LehrerInnenangeboten und als Hilfe wahrgenom-men und angenommen. Je älter dieSchülerInnen, desto geringer werdendie Fördermaßnahmen, private Nach-hilfe wie in Österreich ist in Finnlandkein Thema.

Das Unterstützungssystem funktio-niert dreistufig: Die Grundunterstüt-zung erfolgt in der Klasse, beispiels-weise durch KlassenlehrerIn und Assis-tenzen, wenn zum Beispiel ein Kindetwas langsamer ist oder etwas nichtverstanden hat. In der zweiten Stufeerfolgt eine intensivierte, zeitweise För-derung in kleinen Gruppen oder aucheinzeln. (zirka 22 Prozent der Kinder).

In der dritten Stufe wird diagnostiziertund es erfolgt eine spezielle Förderungin einem oder mehreren Fächern imSonderunterricht in Kleingruppen.(ungefähr 9 Prozent SchülerInnen).

Gemeinsam Mittagessenund „lonely homes“ In der Gemeinschaftsschule und im

Laukaan lukio, einem Gymnasium (3-jährig, aufbauend auf die Gemein-schaftsschule) wurden wir immer wie-der von SchülerInnen gefragt, wie dasin Österreich mit dem Mittagessen inder Schule ist. Für sie ist das gemein-same Essen mit den MitschülerInneneine wichtige Sache, dass die LehrerIn-nen hier mitessen, spielt keine Rolle,auch wenn es einige Gespräche undauch vereinzelt „gemischte“ Tischegibt. Auf den Orientierungsplänen derSchulen nehmen Küche und der Ess-bereich entsprechend viel Raum ein.Unsere umständlichen Erklärungen derösterreichischen Zustände haben sieeher befremdet. Zurück an meinerSchule ist mir bewusst geworden, wel-chen Unterschied es macht, wenn Kin-

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der und Jugendliche zwischen 11 und12 Mittagessen und Pause machenund nicht nach 5, 6 Stunden Unterrichtund ohne warme Mahlzeit nach Hausegeschickt werden. Finnland hat keineGanztagsschulen, die Kinder gehen um13 oder 14 Uhr aus der Schule, je älter;je Nachmittagsunterricht. Die sich ver-ändernden gesellschaftlichen Rahmen-bedingungen – Gemeinde-Bibliothekenund kirchliche Nachmittags-Einrichtun-gen verlieren an Akzeptanz, Handyund neue Medien verstärken das unddie „lonely homes“ werden zum sozia-len Problem. Finnland steht mit derEinführung von ganztägigen Schulenerst am Anfang.

Eine Gewerkschaft „for allteachers“, keine gesetzlichePersonalvertretungAn den Schulen haben wir den

KollegInnen jedes Mal die Fragegestellt, wie ihre Personalvertretungan der Schule organisiert ist, als Inte-ressensvertretung gegenüber derSchulleiterin oder dem Schulleiter, dergrad betont, dass er an der Schulealles entscheidet und für alles verant-wortlich ist. „Ja, natürlich, er ist schonder Verantwortliche, aber er entschei-det mit uns, und in sein Team wählenwir jedes Jahr eine Kollegin oder einenKollegen.“ „Und ihr habt keine selbst-herrlichen Chefs, die willkürlich ent-scheiden, die KollegInnen rücksichtlosbehandeln und fertig machen?“„Dafür braucht ihr eine Personalvertre-tung? In so einem Fall rufen wir beider Gewerkschaft an, einer von dengewählten Funktionären kommt zu unsund wir regeln das Problem. Habt ihroft solche Konflikte mit Vorgesetzen?“Obrigkeitsstaat, Parteienproporz undparteipolitisch dominierte Gewerk-schaften haben in Finnland und inden skandinavischen Ländern keineTradition: „Die Gewerkschaft hat unteruns LehrerInnen und in der Öffentlich-keit ein gutes Ansehen, auch in Fragender Bildungspolitik.“

Mit der Einführung der FinnischenGemeinschaftsschule kam es zur Grün-dung der OAJ (Opaetusan Ammattijär-jestö, der Trade Union of Education),einer Gewerkschaft aller Lehrenden, zudenen selbstverständlich auch die„teachers“ der Krabbelstuben und Kin-dergärten gehören. 1973 kam es zur

Vereinigung von „elementary schoolteachers“ (gegründet 1877) und „highschool teachers“, 1985 kamen die „col-lege and university teachers“ und die„adult education centre teachers, 1988die „vocational education teachers(vocational, business, music and tech-nical institutionell)“ und 1991 die„Assosiation of Kindergarten Teachersin Finland“ zur OAJ.

Und wo bleibt das Negative?Soviel fürs Erste. Wem der erste Ein-

druck eines österreichischen Lehrers zuoptimistisch erscheint, der hat Recht.Aber für uns haben bei unseren Schul-besuchen und in den Gesprächen mitKollegInnen, GewerkschafterInnen,LehrerInnenbildnerInnen die positivenEindrücke und der Kontrast zu unseremBerufs-, GÖD-Gewerkschafts- und Poli-tikalltag stark überwogen. Es sindnicht die Unterrichts- und Betreuungs-formen, es sind die gesellschaftlichenRahmenbedingungen in denen päda-gogisch-lehrerliches Arbeiten Tag fürTag passiert. Armut, Not und Fremd-herrschaft, solidarisches Aufbegehren,Autonomie und Frauenwahlrecht 1906(!), die Unabhängigkeit erst 1917, trau-

matische Bürgerkriegserfahrungen der1920er Jahre, aber keine obrigkeits-staatlichen Großmachttraditionen sindheute noch präsent. Die Gemein-schaftsschule als volkswirtschaftlichesNotprogramm und Erfolgsgeschichtealler Finnen. Vor ihr haben Neolibera-lismus und Finanzkrise nicht Haltgemacht. Die Gemeinden sparen beimtäglichen Mittagessen, der Staat beiden GrundschülerInnen, indem er Dorf-schulen zusperrt und Kindern unzumut-bar lange Schulwege zumutet. Auch fürdie Renovierung der in den 1970erJahren gebauten Gemeinschaftsschu-len fehlen Budgetmitteln. Allerdingshat das Bildungswesen einen unver-mindert hohen Stellenwert in derGesellschaft und für die Regierung,unabhängig von ihrer jeweiligen politi-schen Zusammensetzung.

Von 29. Oktober bis 3. Novembergeht die nächste PädagogInnen-Fort-bildung, diesmal bundesweit organi-siert von der ÖLI, finanziell unterstütztvon der UGöD/GÖD nach Jyväskylä.Bericht folgt in der Alternative.

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er Konzern will eine Bestim-mung des Patentrechts

ändern, die den Zugang zubezahlbaren Medikamenten

sichert anstatt des unternehmerischenProfits“, sagt Leena Menghaney vonder Medikamenten-Kampagne von„Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) in Indien.„Das gegenwärtige Patentsystem inIndien verhindert, dass Pharmaunter-nehmen Patentmonopole mit immerneuen Patenten auf das gleiche Medi-kament künstlich verlängern.“

Die Hilfsorganisation „Ärzte ohneGrenzen“ kritisiert das juristische Vor-gehen des Pharmakonzerns Novartisgegen das indische Patentrecht. EinErfolg der Klage, die vor dem OberstenGerichtshof des Landes gerade verhan-delt wird, hätte nach Einschätzung derOrganisation verheerende Auswirkun-gen auf den Zugang von Patientenweltweit zu lebenswichtigen Medika-menten. Indien gilt als „Apotheke derArmen“, weil Nachahmemedikamenteaus indischer Produktion die Versor-gung mit bezahlbaren Arzneimittelnsicherstellen.

Die Klage ist in einer langen Reihevon erfolglosen Prozessen der letzteVersuch des Konzerns, Abschnitt 3ddes indischen Patentrechts anzufech-ten. Die Klausel besagt im Einklangmit internationalen Welthandelsregeln,dass eine neue Formulierung einesbekannten Medikaments lediglichdann ein Patent verdient, wenn sieeine deutlich erhöhte therapeutischeWirksamkeit gegenüber existierenden

Wirkstoffkombinationen zeigt. DieBestimmung wurde speziell entwickelt,um der gängigen Praxis der Auswei-tung von Patentmonopolen für ledig-lich geringfügige Veränderungenbekannter Wirkstoffkombinationen –„Evergreening“ genannt – zu begeg-nen. Dadurch wird verhindert, dassPharmafirmen die Preise künstlichhoch halten und somit Patienten inärmeren Ländern den Zugang zubezahlbaren Medikamenten versperren.Auf der Grundlage des Abschnitts 3dwurde im Jahr 2006 einer Patentan-meldung von Novartis für das Krebs-medikament Glivec® nicht stattgege-

ben. Die Anmeldung bezog sich ledig-lich auf eine neue Formulierung des zuGrunde liegenden Moleküls, dasbereits patentiert war.

„Die Bedeutung des Falles für denZugang zu lebensnotwendigen Medika-menten in ärmeren Ländern geht weitüber Indien und über ein einzelnes Prä-parat hinaus“, erklärt Mario Thaler,Geschäftsführer von Ärzte ohne Gren-zen Österreich. „Wenn Indien inZukunft gezwungen sein sollte, deut-lich mehr Patente zu gewähren als bis-her, könnte eine wesentliche Quelle fürleistbare Medikamente versiegen. DieAusweitung der Behandlung vonHIV/Aids auf mittlerweile acht Millio-nen Menschen weltweit ist nur durchgenerische Medikamente aus Indienmöglich geworden, denn dadurchwurde der Preis um 99 Prozentgesenkt. Die Klage von Novartis stelltsomit eine ernsthafte Bedrohung fürdas Leben von Millionen Menschen inärmeren Ländern dar, die auf diebezahlbaren Medikamente aus Indienangewiesen sind.“

NOVARTIS-KLAGE GEFÄHRDET„APOTHEKE DER ARMEN“

Seit nunmehr sechs Jahren

versucht Novartis, Indien

unter Druck zu setzen.

Von Eva Hosp.

D

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International

Hintergrund

Im Jahr 2006 stellte Novartis die Verfassungsmäßigkeit des Abschnitt3d in Frage. Als Reaktion initiierte Ärzte ohne Grenzen die Kampagne„Novartis – Drop the Case“ mit dem Ziel, den Pharmakonzern dazu zubewegen, seine Klage zurückzuziehen.

Novartis ließ die Klage nicht fallen, verlor den Prozess aber 2007. Imgegenwärtigen Gerichtsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof ver-sucht der Pharmakonzern eine spezifische Auslegung des Abschnitts 3dherbeizuführen, um der Schutzklausel die Substanz zu entziehen. Es wirderwartet, dass das Urteil frühestens in einigen Wochen gefällt wird.

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Leserlich

Geschichte ist normalerweise dieGeschichte der Mächtigen. Die Einzig-artigkeit des Alltages hat darin wenigPlatz. Die Journalistin Gabriele Goettlelässt jetzt in einer Sammlung von 26„taz“-Artikeln Frauen zu Wort kommen:Es geht um die Frage, warum und wiesie wurden, was sie sind. Und umAutonomie. Schließlich sprechen dieFrauen selbst – über das, was sie tun,und darüber, woher sie kommen. Denndarum geht es: Um den Alltag von inDeutschland lebenden Frauen, die aufden ersten Blick Allerweltsfrauen sind,Frauen wie du und ich. Es geht um dieFrage, warum und wie sie wurden, wassie sind. Oft ist die Arbeit der vorge-stellten Frauen sehr wichtig, schlechtbezahlt und wenig angesehen – undwas erstaunt, ist die ungeheure Konse-quenz, mit der sie alle, ganz gleich, obsie am Ende Erfolg hatten oder nicht,ihre Wege gegangen sind. �

Renate Sova, Ursula Sova, Folgert Duit (Hg.),Promedia Verlag, Wien 2012, 224 Seiten,15,90 Euro. Fotos von Nadja Meister.

Antje Gabriele GoettleKunstmann-Verlag, München 2012, ISBN 978-3-888-97781-7, gebunden,395 Seiten, 22,95 Euro

25 persönliche Geschichten aus Sicht

der Asylwerbenden wurden jetzt in

Buchform veröffentlicht. Dorthin kann

ich nicht zurück erzählt Kindheitsge-

schichten, Fluchtgeschichten, Liebes-

geschichten und Lebensgeschichten.

Wie leben Flüchtlinge in Österreich?

Und warum haben sie ihre Heimat

verlassen? Hinter dem Schlagwort

„Asylwerbende“ stehen Menschen mit

ihren konkreten Schicksalen, Ängsten,

Träumen, Talenten und Visionen.

Mit einem Überblick über die recht-

liche Situation für Asylwerbende in

Österreich, Deutschland und der

Schweiz von Anny Knapp und Foto-

grafien von Nadja Meister. �

„Dorthin kann ich nicht zurück“ – Flüchtlinge erzählen

Der Augenblick – Reisen durch den unbekanntenAlltag. Reportagen

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Tipp

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Gleichzeitig findet ein attraktivesRahmenprogramm statt:

Soziale Bewegungengestern und heute Unter diesem Titel soll ein Erfahrungs-austausch von VertreterInnen früherersozialer Bewegungen mit AktivistInnenvon heute ermöglicht werden.

25. Oktober 2012, 19.30 Uhr, ETAP, Neulerchenfelderstraße 13, 1160 Wien.

Die Eröffnung derKritischen Literaturtage erfolgt am 26. Oktober 2012 durch denin Ottakring lebenden palästinensischenMusiker, Sänger und KomponistenMarwan Abado.

26. Oktober 2012, 12 Uhr, Brunnen-passage Yppenplatz, 1160 Wien.

Entsprechend gefeiertwird auch Jura Soyfer, der dieses Jahr seinen hundertstenGeburtstag gefeiert hätte, mit einerszenischen Lesung des EditionskollektivsMezzanin und Liedern von Jura Soyfer,vertont und mit Akkordeon vorgetragenvon Maren Rahmann.

26. Oktober, 20 Uhr, Weinhaus Sittl,Lerchenfelder Gürtel 51, 1160 Wien.

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Bereits zum dritten Mal finden in Wien am 26. und 27. Oktober 2012 die „Kritischen Literaturtage“ statt.Auch dieses Mal sind wir mit einem Infostand derUnabhängigen GewerkschafterInnen vor Ort vertreten.

Literaturmesse abseits des kommerziellen Mainstreams inder Brunnenpassage am Yppenplatz statt Bundesheer-Kriegsspielzeug am Heldenplatz. Oder – wie auch das zen-trales Motto der Kritischen Literaturtage lautet – „Bücherstatt Panzer“.

Ziel ist es, Verlagen mit alternativen, gesellschafts- undsozialkritischen Büchern, insbesondere aber unabhängigenund kleinen Verlagen aus Österreich und im deutschsprachi-gen Raum die Möglichkeit zu geben, ihr Sortiment zu bewer-ben und zu verkaufen.

Veranstaltungsort:

KunstSozialRaum BrunnenpassageBrunnengasse 71/Yppenplatz, 1160 Wien.

Öffnungszeiten:

Freitag, 26. Oktober: 12 bis 19 UhrSamstag, 27. Oktober: 10 bis 19 Uhr.

Nähere Informationen: www.krilit.at