Am 31. Oktober 1517 Martin Luther „Hier stehe ich und kann...

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Vorwort _______________________________________________________________________________________________________________________________ „Hier stehe ich und kann nicht anders…“ - Reformationstag, 31. Oktober Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther - so sagt es die Überliefe- rung - 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg an und rief zur Diskussion darüber auf. Dieser Thesenanschlag gilt als die Ge- burtsstunde der Reformation - daran erinnert der Reformationstag, den die evangelische Kirche jährlich am 31. Oktober feiert. „Martin Luther ist gewissermaßen zu einem Wegweiser in die Freiheit geworden ist. Er selbst kam auch aus einer Gefangenschaft. Er wollte für sich den Zu- gang zu Gott erzwingen. Er wollte Gott mit seinen Leistungen überzeu- gen. Und doch stellte er nur immer wieder fest, dass er damit nicht glücklicher, nicht sicherer wurde. Erst als er erfuhr und begriff: Die Zu- wendung und Liebe Gottes lässt sich nicht verdienen, musste er sich nicht mehr quälen,“ charakterisierte Christoph Kähler, stellvertre- tender Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland Mar- tin Luther. Martin Luther wurde am 10. November 1483 in Eisleben geboren. 1501 beginnt Martin Luther ein Studium an der Universität Erfurt. 1507 wird Luther im Erfurter Augustinerkloster zum Priester geweiht. Er studierte Theologie und kam 1512 als Professor an die Universität Wittenberg. 1517 lädt er mit seinen 95 Thesen zur Disputation ein - ein Schlüsseler- eignis für die Reformation. Er stirbt am 18. Februar 1546 in seiner Ge- burtsstadt Eisleben. Die Lutherbibel hat als starkes Glaubenszeugnis Martin Luthers nicht nur die Reformation entscheidend beeinflusst, sondern auch die Ent- wicklung der deutschen Sprache geprägt. In der revidierten Fassung von 1984 ist sie die für den Gebrauch im evangelischen Gottesdienst empfohlene Übersetzung. Verstärkt wird am 31.10. Halloween gefeiert… Halloween, steht im Zei- chen der Erneuerung allen Lebens durch den Tod hindurch. Es galt noch bei den weißen Frauen des ausgehenden Mittelalters als Jahres- beginn. Das zeigt, wie genau unsere Ahninnen wussten, dass Tod und Vergehen die Voraussetzung sind für neues Leben und Wachstum. Der Name Halloween erinnert an Holl, die um diese Zeit als „weiße Frau" (WEEN = weiß), als Tödin in die Jenseitswelt zieht und alles Leben, auch das Sonnenlicht, mit sich nimmt, um es zu erneuern und im nächs- ten Frühjahr wieder zu bringen.

Transcript of Am 31. Oktober 1517 Martin Luther „Hier stehe ich und kann...

Vorwort _______________________________________________________________________________________________________________________________

„Hier stehe ich und kann nicht anders…“

- Reformationstag, 31. Oktober

Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther - so sagt es die Überliefe-rung - 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg an und rief zur Diskussion darüber auf. Dieser Thesenanschlag gilt als die Ge-burtsstunde der Reformation - daran erinnert der Reformationstag, den die evangelische Kirche jährlich am 31. Oktober feiert. „Martin Luther ist gewissermaßen zu einem Wegweiser in die Freiheit geworden ist. Er selbst kam auch aus einer Gefangenschaft. Er wollte für sich den Zu-gang zu Gott erzwingen. Er wollte Gott mit seinen Leistungen überzeu-gen. Und doch stellte er nur immer wieder fest, dass er damit nicht glücklicher, nicht sicherer wurde. Erst als er erfuhr und begriff: Die Zu-wendung und Liebe Gottes lässt sich nicht verdienen, musste er sich nicht mehr quälen,“ charakterisierte Christoph Kähler, stellvertre-tender Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland Mar-tin Luther. Martin Luther wurde am 10. November 1483 in Eisleben geboren. 1501 beginnt Martin Luther ein Studium an der Universität Erfurt. 1507 wird Luther im Erfurter Augustinerkloster zum Priester geweiht. Er studierte Theologie und kam 1512 als Professor an die Universität Wittenberg. 1517 lädt er mit seinen 95 Thesen zur Disputation ein - ein Schlüsseler-eignis für die Reformation. Er stirbt am 18. Februar 1546 in seiner Ge-burtsstadt Eisleben. Die Lutherbibel hat als starkes Glaubenszeugnis Martin Luthers nicht nur die Reformation entscheidend beeinflusst, sondern auch die Ent-wicklung der deutschen Sprache geprägt. In der revidierten Fassung von 1984 ist sie die für den Gebrauch im evangelischen Gottesdienst empfohlene Übersetzung. Verstärkt wird am 31.10. Halloween gefeiert… Halloween, steht im Zei-chen der Erneuerung allen Lebens durch den Tod hindurch. Es galt noch bei den weißen Frauen des ausgehenden Mittelalters als Jahres-beginn. Das zeigt, wie genau unsere Ahninnen wussten, dass Tod und Vergehen die Voraussetzung sind für neues Leben und Wachstum. Der Name Halloween erinnert an Holl, die um diese Zeit als „weiße Frau" (WEEN = weiß), als Tödin in die Jenseitswelt zieht und alles Leben, auch das Sonnenlicht, mit sich nimmt, um es zu erneuern und im nächs-ten Frühjahr wieder zu bringen.

Vorwort Vorwort / Inhaltsverzeichnis _______________________________________________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________________________________________

In christlicher Zeit behielt Halloween mit dem Fest Allerheiligen und Allerseelen seine Bedeutung als Totengedenktag. Trotz des christlichen Charakters der Totenehrung in diesen Tagen haben die alten Volks-bräuche und Vorstellungen bis heute entschieden heidnischen Züge. Was Halloween und der Reformationstag gemeinsam haben? Es ist der Kampf gegen Gespenster. Gruselig beleuchtete Kürbisse und den The-senanschlag von Wittenberg miteinander in Verbindung zu bringen mag recht gewagt erscheinen. Aber beide wollen ja am Vorabend des Aller-heiligentages Gespenster bannen. Hier die Gespenster der umherirren-den Verstorbenen, dort die Gespenster einer in ihren Irrtümern alt und unbelehrbar gewordenen Kirche. Ob die Kürbisfratzen ihren Zweck er-füllen? Da der christliche Glaube nichts von Toten weiß, die sich dann und wann zu einer Erscheinungstournee aufmachen, um den Lebenden einen gehörigen Schrecken einzujagen, können wir die Frage auf sich beruhen lassen. Auch wenn Halloween, wie viele meinen, prima zum rheinischen Brauchtum passt. Ganz und gar nicht überflüssig ist hinge-gen der Reformationstag. An die Reformation dankbar zu erinnern und sie fröhlich zu feiern ist vor allem immer wieder notwendig, damit die Kirche nicht zum Opfer ihrer eigenen Lebenslügen und damit selber zum Gespenst wird. Zum Gespenst abgelebter Tradition, zum Gespenst verknöcherter Verkündigung, aber auch zum Gespenst trendiger Zeit-geistigkeit. Wie kann man dagegen angehen? Gespenster, das weiß jedes Kind, bannt man am besten mit Gesang. Auch da kann Martin Luther helfen. Ihm verdanken wir eine herrlich mitreißende Melodie und einen wunderschönen mutmachenden Text. Der Düsseldorfer Heinrich Heine nannte das Lied von der festen Burg begeistert die „Marseillaise der Reformation“. Heute, wie damals gilt:

„Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren; es streit für uns der rechte Mann, den Gott hat selbst erkoren. Fragst du, wer der ist? Er heißt Jesus Christ, der Herr Zebaoth, und ist kein andrer Gott, das Feld muss er behalten.“

Wir haben nun einige Informationen zusammengestellt, um in Gruppen den Reformationstag zu thematisieren, um sich mit Martin Luther und seine Frau, Katharina von Bora zu beschäftigen, um Gottesdienst mit-einander zu feiern.

Wir wünschen bei der Lektüre und Umsetzung viel Vergnügen und Er-folg!

Ihre Manuela Schunk

Reformationstag 31.10. - Die Wittenberger Tür 5 Martin Luthers 95 Thesen - Wortlaut 7 Reformations-Gottesdienst 14 Den Eltern Gewicht verleihen: Die Neuentdeckung 27 eines biblischen Gebotes - Gruppenarbeit Anlage 1: Gruppenarbeit: Das Gebot im Konfirmandenunterricht Anlage 2: Gruppenarbeit: Hintergrund des Elternehregebotes in biblischer Zeit Anlage 3: Gruppenarbeit: Hintergrund des Elternehregebotes in biblischer Zeit Anlage 4: Gruppenarbeit: Hintergrund des Elternehregebotes in biblischer Zeit Anlage 5: Gruppenarbeit: Hintergrund des Elternehregebotes in biblischer Zeit Anlage 6: Gruppenarbeit: Perspektivenwechsel Anlage 7: Auslegung des Elternehregebotes von Frank Crüsemann Das Leben Martin Luthers 48 Die Lutherrose - Das Wappen Luthers 49 Martin Luthers Gebete 50 Legenden um Martin Luther 51 Katharina von Bora. Ein Lebensbild in Bildern - Anspiel 57 Ein’ feste Burg 66

IMPRESSUM

Herausgeberin:

Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. Postfach 13 61, 59473 Soest

Telefon: 02921/371-0 Fax: 02921/4026

www.frauenhilfe-westfalen.de [email protected]

Zusammenstellung, Bearbeitung: Manuela Schunk Redaktionelle Arbeit und Druck: Manuela Beckheier, Martina König

Stand: 02/2009

Preis: 5,00 Euro zzgl. Porto und Verpackung Preis: 8,00 Euro zzgl. Porto und Verpackung Nicht-Mitglieder

„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Reformationstag 31.10. - Die Wittenberger Tür

Gerade die Kirchen - zumindest die evangelischen - hätten da An-lass, sich zu Wort zu melden. Schließlich haben sie eine Art Marken-recht auf das Wort Reform: Geboren wurden sie durch die Reforma-tion. Die Abstammung dieser Kirchen (wir wollen nicht behaupten: ihr Adel) leitet sich davon ab, dass Menschen den Mut hatten, auf-zubegehren und bestehende, vermeintlich heilige Dinge in Frage zu stellen. Und dann auch über Bord zu werfen. Reformation - den Dingen eine neue Form geben. Oder auch: ihnen den ursprünglich gemeinten Sinn zurückgeben. Das ist jetzt fast 500 Jahre her. Damals, im Jahr 1517, legte der jun-ge Augustinermönch Martin Luther den Grundstein dafür, was bald darauf die Welt erschüttern sollte: die Reformation. Er wollte sich nicht damit zufrieden geben, was die offizielle Kirche als ihre Version des christlichen Glaubens ausgab: Die christliche Botschaft wurde im ausgehenden Mittelalter von den Kirchenoberen irrwahrsten Sinne des Wortes verkauft. Um Macht anzuhäufen. Mit prunkvollen Gebäuden zu blenden. Der junge Mönch löste ein Erdbeben aus. Ob er es wollte oder nicht: Streit und Intrigen waren die Folge, grausamste Kriege, die den Kon-tinent verwüsteten. Folge war aber auch eine Neuordnung der bestehenden Verhältnis-se. Und die Geburt der Kirchen der Reformation, die sich selbst „e-vangelisch" nannten. Evangelisch, das heißt: auf dem Boden des Evangeliums, der Frohen Botschaft, der Guten Nachricht. Des Zent-rums der Bibel. Des christlichen Glaubens. Am 31. Oktober 1517 schlug Dr. Martin Luther 95 Thesen wider den Ablasshandel an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg.

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Zwar gehört dieser Anschlag wohl in den Bereich der Legende, aber Luther hat am 31. Oktober 1517 solche Thesen an seine Lehrer ver-schickt, und in gewisser Weise hat damit die Reformation begonnen, durch die wir heute zu einer evangelisch-lutherischen Kirche gehö-ren. Aber: „2006 fand Martin Treu von der Stiftung Luthergedenkstät-

ten in Sachsen-Anhalt einen handschriftlichen Vermerk von Luthers Sekretär Georg Rörer (1492 - 1557) in der Thürin-ger Universitäts- und Landesbibliothek Jena wieder auf, der obwohl gedruckt, bis dato in der Forschung keine Rolle ge-spielt hatte. Rörer notierte ganz am Ende des Arbeitsex-emplars zur Revision des Neuen Testaments von 1540: „Am Vorabend des Allerheiligenfestes im Jahre des Herren 1517 sind von Doktor Martin Luther Thesen über den Ab-lass an die Türen der Wittenberger Kirchen angeschlagen worden.““ aus: http://www.luther2017.de/luther_forschung_de.html

Diese Tür diente damals der Wittenberger Universität als so genann-tes Schwarzes Brett. Von daher ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich so zugetragen hat, obwohl es keine eindeutigen historischen Beweise für diese Tat gibt. Dennoch heißt seitdem diese Tür der Schlosskirche „Thesentür“. Die Protestanten in aller Welt feiern die-sen Tag als einen besonderen Feiertag der Erneuerung der Kirche. In Wittenberg wird der 31. Oktober jeden Jahres mit zahlreichen Veranstaltungen begangen. Festgottesdienste in der Stadt- und Schlosskirche, ein Mittelaltermarkt auf dem Marktplatz, eine wissen-schaftliche Disputation in der alten Universität „Leucorea“, der Aus-zug des Akademischen Senats der Martin Luther Universität Halle-Wittenberg, Konzerte in den Kirchen, Aktionen und Kabarett in den Cranach-Häusern und vieles mehr wartet auf ca. 15.000 Besucher in jedem Jahr.

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Martin Luthers 95 Thesen - Wortlaut

Aus Liebe zur Wahrheit und in dem Bestreben, diese zu ergründen, soll in Wittenberg unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Vaters Martin Luther, Magisters der freien Künste und der heiligen Theologie sowie deren ordentlicher Professor daselbst, über die folgenden Sätze dis-putiert werden. Deshalb bittet er die, die nicht anwesend sein und mündlich mit uns debattieren können, dieses in Abwesenheit schrift-lich zu tun. Im Namen unseres Herrn Jesu Christi, Amen. 1. Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht "Tut Buße"

usw. (Matth. 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.

2. Dieses Wort kann nicht von der Buße als Sakrament - d. h. von der Beichte und Genugtuung -, die durch das priesterliche Amt verwaltet wird, verstanden werden.

3. Es bezieht sich nicht nur auf eine innere Buße, ja eine solche wäre gar keine, wenn sie nicht nach außen mancherlei Werke zur Abtötung des Fleisches bewirkte.

4. Daher bleibt die Strafe, solange der Hass gegen sich selbst - das ist die wahre Herzensbuße - bestehen bleibt, also bis zum Ein-gang ins Himmelreich.

5. Der Papst will und kann keine Strafen erlassen, außer solchen, die er auf Grund seiner eigenen Entscheidung oder der der kirch-lichen Satzungen auferlegt hat.

6. Der Papst kann eine Schuld nur dadurch erlassen, dass er sie als von Gott erlassen erklärt und bezeugt, natürlich kann er sie in den ihm vorbehaltenen Fällen erlassen; wollte man das gering achten, bliebe die Schuld ganz und gar bestehen.

7. Gott erlässt überhaupt keinem die Schuld, ohne ihn zugleich de-mütig in allem dem Priester, seinem Stellvertreter, zu unterwer-fen.

8. Die kirchlichen Bestimmungen über die Buße sind nur für die Lebenden verbindlich, den Sterbenden darf demgemäß nichts auferlegt werden.

9. Daher handelt der Heilige Geist, der durch den Papst wirkt, uns gegenüber gut, wenn er in seinen Erlassen immer den Fall des Todes und der höchsten Not ausnimmt.

10. Unwissend und schlecht handeln diejenigen Priester, die den Sterbenden kirchliche Bußen für das Fegefeuer aufsparen.

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11. Die Meinung, dass eine kirchliche Bußstrafe in eine Fegefeuer-strafe umgewandelt werden könne, ist ein Unkraut, das offenbar gesät worden ist, während die Bischöfe schliefen.

12. Früher wurden die kirchlichen Bußstrafen nicht nach, sondern vor der Absolution auferlegt, gleichsam als Prüfstein für die Aufrich-tigkeit der Reue.

13. Die Sterbenden werden durch den Tod von allem gelöst, und für die kirchlichen Satzungen sind sie schon tot, weil sie von Rechts wegen davon befreit sind.

14. Ist die Haltung eines Sterbenden und die Liebe (Gott gegenüber) unvollkommen, so bringt ihm das notwendig große Furcht, und diese ist umso größer, je geringer jene ist.

15. Diese Furcht und dieser Schrecken genügen für sich allein - um von anderem zu schweigen -, die Pein des Fegefeuers auszuma-chen; denn sie kommen dem Grauen der Verzweiflung ganz na-he.

16. Es scheinen sich demnach Hölle, Fegefeuer und Himmel in der gleichen Weise zu unterscheiden wie Verzweiflung, annähernde Verzweiflung und Sicherheit.

17. Offenbar haben die Seelen im Fegefeuer die Mehrung der Liebe genauso nötig wie eine Minderung des Grauens.

18. Offenbar ist es auch weder durch Vernunft- noch Schriftgründe erwiesen, dass sie sich außerhalb des Zustandes befinden, in dem sie Verdienste erwerben können oder in dem die Liebe zu-nehmen kann.

19. Offenbar ist auch dieses nicht erwiesen, dass sie - wenigstens nicht alle - ihrer Seligkeit sicher und gewiss sind, wenngleich wir ihrer völlig sicher sind.

20. Daher meint der Papst mit dem vollkommenen Erlass aller Stra-fen nicht einfach den Erlass sämtlicher Strafen, sondern nur der-jenigen, die er selbst auferlegt hat.

21. Deshalb irren jene Ablassprediger, die sagen, dass durch die Ablässe des Papstes der Mensch von jeder Strafe frei und los werde.

22. Vielmehr erlässt er den Seelen im Fegefeuer keine einzige Stra-fe, die sie nach den kirchlichen Satzungen in diesem Leben hät-ten abbüßen müssen.

23. Wenn überhaupt irgendwem irgendein Erlass aller Strafen ge-währt werden kann, dann gewiss allein den Vollkommensten, das heißt aber, ganz wenigen.

24. Deswegen wird zwangsläufig ein Großteil des Volkes durch jenes in Bausch und Bogen und großsprecherisch gegebene Verspre-chen des Straferlasses getäuscht.

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25. Die gleiche Macht, die der Papst bezüglich des Fegefeuers im Allgemeinen hat, besitzt jeder Bischof und jeder Seelsorger in seinem Bistum bzw. seinem Pfarrbezirk im Besonderen.

26. Der Papst handelt sehr richtig, den Seelen (im Fegefeuer) die Vergebung nicht auf Grund seiner - ihm dafür nicht zur Verfügung stehenden - Schlüsselgewalt, sondern auf dem Wege der Fürbitte zuzuwenden.

27. Menschenlehre verkündigen die, die sagen, dass die Seele (aus dem Fegefeuer) emporfliege, sobald das Geld im Kasten klingt.

28. Gewiss, sobald das Geld im Kasten klingt, können Gewinn und Habgier wachsen, aber die Fürbitte der Kirche steht allein auf dem Willen Gottes.

29. Wer weiß denn, ob alle Seelen im Fegefeuer losgekauft werden wollen, wie es beispielsweise beim heiligen Severin und Pascha-lis nicht der Fall gewesen sein soll.

30. Keiner ist der Echtheit seiner Reue gewiss, viel weniger, ob er völligen Erlass (der Sündenstrafe) erlangt hat.

31. So selten einer in rechter Weise Buße tut, so selten kauft einer in der rechten Weise Ablass, nämlich außerordentlich selten.

32. Wer glaubt, durch einen Ablassbrief seines Heils gewiss sein zu können, wird auf ewig mit seinen Lehrmeistern verdammt wer-den.

33. Nicht genug kann man sich vor denen hüten, die den Ablass des Papstes jene unschätzbare Gabe Gottes nennen, durch die der Mensch mit Gott versöhnt werde.

34. Jene Ablassgnaden beziehen sich nämlich nur auf die von Men-schen festgesetzten Strafen der sakramentalen Genugtuung.

35. Nicht christlich predigen die, die lehren, dass für die, die Seelen (aus dem Fegefeuer) loskaufen oder Beichtbriefe erwerben, Reue nicht nötig sei.

36. Jeder Christ, der wirklich bereut, hat Anspruch auf völligen Erlass von Strafe und Schuld, auch ohne Ablassbrief.

37. Jeder wahre Christ, sei er lebendig oder tot, hat Anteil an allen Gütern Christi und der Kirche, von Gott ihm auch ohne Ablass-brief gegeben.

38. Doch dürfen der Erlass und der Anteil (an den genannten Gü-tern), die der Papst vermittelt, keineswegs gering geachtet wer-den, weil sie - wie ich schon sagte - die Erklärung der göttlichen Vergebung darstellen.

39. Auch den gelehrtesten Theologen dürfte es sehr schwer fallen, vor dem Volk zugleich die Fülle der Ablässe und die Aufrichtigkeit der Reue zu rühmen.

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40. Aufrichtige Reue begehrt und liebt die Strafe. Die Fülle der Ab-lässe aber macht gleichgültig und lehrt sie hassen, wenigstens legt sie das nahe.

41. Nur mit Vorsicht darf der apostolische Ablass gepredigt werden, damit das Volk nicht fälschlicherweise meint, er sei anderen gu-ten Werken der Liebe vorzuziehen.

42. Man soll die Christen lehren: Die Meinung des Papstes ist es nicht, dass der Erwerb von Ablass in irgendeiner Weise mit Wer-ken der Barmherzigkeit zu vergleichen sei.

43. Man soll den Christen lehren: Dem Armen zu geben oder dem Bedürftigen zu leihen ist besser, als Ablass zu kaufen.

44. Denn durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe und wird der Mensch besser, aber durch Ablass wird er nicht besser, sondern nur teilweise von der Strafe befreit.

45. Man soll die Christen lehren: Wer einen Bedürftigen sieht, ihn übergeht und statt dessen für den Ablass gibt, kauft nicht den Ab-lass des Papstes, sondern handelt sich den Zorn Gottes ein.

46. Man soll die Christen lehren: Die, die nicht im Überfluss leben, sollen das Lebensnotwendige für ihr Hauswesen behalten und keinesfalls für den Ablass verschwenden.

47. Man soll die Christen lehren: Der Kauf von Ablass ist eine freiwil-lige Angelegenheit, nicht geboten.

48. Man soll die Christen lehren: Der Papst hat bei der Erteilung von Ablass ein für ihn dargebrachtes Gebet nötiger und wünscht es deshalb auch mehr als zur Verfügung gestelltes Geld.

49. Man soll die Christen lehren: Der Ablass des Papstes ist nützlich, wenn man nicht sein Vertrauen darauf setzt, aber sehr schädlich, falls man darüber die Furcht Gottes fahren lässt.

50. Man soll die Christen lehren: Wenn der Papst die Erpressungs-methoden der Ablassprediger wüsste, sähe er lieber die Peters-kirche in Asche sinken, als dass sie mit Haut, Fleisch und Kno-chen seiner Schafe erbaut würde.

51. Man soll die Christen lehren: Der Papst wäre, wie es seine Pflicht ist, bereit - wenn nötig -, die Peterskirche zu verkaufen, um von seinem Gelde einem großen Teil jener zu geben, denen gewisse Ablassprediger das Geld aus der Tasche holen.

52. Auf Grund eines Ablassbriefes das Heil zu erwarten ist eitel, auch wenn der (Ablass-)Kommissar, ja der Papst selbst ihre Seelen dafür verpfändeten.

53. Die anordnen, dass um der Ablasspredigt willen das Wort Gottes in den umliegenden Kirchen völlig zum Schweigen komme, sind Feinde Christi und des Papstes.

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54. Dem Wort Gottes geschieht Unrecht, wenn in ein und derselben Predigt auf den Ablass die gleiche oder längere Zeit verwendet wird als für jenes.

55. Die Meinung des Papstes ist unbedingt die: Wenn der Ablass - als das Geringste - mit einer Glocke, einer Prozession und einem Gottesdienst gefeiert wird, sollte das Evangelium - als das Höchs-te - mit hundert Glocken, hundert Prozessionen und hundert Got-tesdiensten gepredigt werden.

56. Der Schatz der Kirche, aus dem der Papst den Ablass austeilt, ist bei dem Volke Christi weder genügend genannt noch bekannt.

57. Offenbar besteht er nicht in zeitlichen Gütern, denn die würden viele von den Predigern nicht so leicht mit vollen Händen austei-len, sondern bloß sammeln.

58. Er besteht aber auch nicht aus den Verdiensten Christi und der Heiligen, weil diese dauernd ohne den Papst Gnade für den in-wendigen Menschen sowie Kreuz, Tod und Hölle für den äußeren bewirken.

59. Der heilige Laurentius hat gesagt, dass der Schatz der Kirche ihre Armen seien, aber die Verwendung dieses Begriffes ent-sprach der Auffassung seiner Zeit.

60. Wohlbegründet sagen wir, dass die Schlüssel der Kirche - die ihr durch das Verdienst Christi geschenkt sind - jenen Schatz dar-stellen.

61. Selbstverständlich genügt die Gewalt des Papstes allein zum Erlass von Strafen und zur Vergebung in besondern, ihm vorbe-haltenen Fällen.

62. Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium von der Herrlichkeit und Gnade Gottes.

63. Dieser ist zu Recht allgemein verhasst, weil er aus Ersten Letzte macht.

64. Der Schatz des Ablasses jedoch ist zu Recht außerordentlich beliebt, weil er aus Letzten Erste macht.

65. Also ist der Schatz des Evangeliums das Netz, mit dem man einst die Besitzer von Reichtum fing.

66. Der Schatz des Ablasses ist das Netz, mit dem man jetzt den Reichtum von Besitzenden fängt.

67. Der Ablass, den die Ablassprediger lautstark als außerordentliche Gnaden anpreisen, kann tatsächlich dafür gelten, was das gute Geschäft anbelangt.

68. Doch sind sie, verglichen mit der Gnade Gottes und der Vereh-rung des Kreuzes, in der Tat ganz geringfügig.

69. Die Bischöfe und Pfarrer sind gehalten, die Kommissare des a-postolischen Ablasses mit aller Ehrerbietung zuzulassen.

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70. Aber noch mehr sind sie gehalten, Augen und Ohren anzustrengen, dass jene nicht anstelle des päpstlichen Auftrags ihre eigenen Phan-tastereien predigen.

71. Wer gegen die Wahrheit des apostolischen Ablasses spricht, der sei verworfen und verflucht.

72. Aber wer gegen die Zügellosigkeit und Frechheit der Worte der Ab-lassprediger auftritt, der sei gesegnet.

73. Wie der Papst zu Recht seinen Bannstrahl gegen diejenigen schleu-dert, die hinsichtlich des Ablassgeschäftes auf mannigfache Weise Betrug ersinnen,

74. So will er viel mehr den Bannstrahl gegen diejenigen schleudern, die unter dem Vorwand des Ablasses auf Betrug hinsichtlich der heiligen Liebe und Wahrheit sinnen.

75. Es ist irrsinnig zu meinen, dass der päpstliche Ablass mächtig genug sei, einen Menschen loszusprechen, auch wenn er - was ja unmög-lich ist - der Gottesgebärerin Gewalt angetan hätte.

76. Wir behaupten dagegen, dass der päpstliche Ablass auch nicht die geringste lässliche Sünde wegnehmen kann, was deren Schuld be-trifft.

77. Wenn es heißt, auch der heilige Petrus könnte, wenn er jetzt Papst wäre, keine größeren Gnaden austeilen, so ist das eine Lästerung des heiligen Petrus und des Papstes.

78. Wir behaupten dagegen, dass dieser wie jeder beliebige Papst grö-ßere hat, nämlich das Evangelium, „Geisteskräfte und Gaben, ge-sund zu machen" usw., wie es 1. Kor. 12 heißt.

79. Es ist Gotteslästerung zu sagen, dass das (in den Kirchen) an her-vorragender Stelle errichtete (Ablass-)Kreuz, das mit dem päpstli-chen Wappen versehen ist, dem Kreuz Christi gleichkäme.

80. Bischöfe, Pfarrer und Theologen, die dulden, dass man dem Volk solche Predigt bietet, werden dafür Rechenschaft ablegen müssen.

81. Diese freche Ablasspredigt macht es auch gelehrten Männern nicht leicht, das Ansehen des Papstes vor böswilliger Kritik oder sogar vor spitzfindigen Fragen der Laien zu schützen.

82. Zum Beispiel: Warum räumt der Papst nicht das Fegefeuer aus um der heiligsten Liebe und höchsten Not der Seelen willen - als aus ei-nem wirklich triftigen Grund -, da er doch unzählige Seelen loskauft um des unheilvollen Geldes zum Bau einer Kirche willen - als aus ei-nem sehr fadenscheinigen Grund -?

83. Oder: Warum bleiben die Totenmessen sowie Jahrfeiern für die Ver-storbenen bestehen, und warum gibt er (der Papst) nicht die Stiftun-gen, die dafür gemacht worden sind, zurück oder gestattet ihre Rückgabe, wenn es schon ein Unrecht ist, für die Losgekauften zu beten?

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84. Oder: Was ist das für eine neue Frömmigkeit vor Gott und dem Papst, dass sie einem Gottlosen und Feinde erlauben, für sein Geld eine fromme und von Gott geliebte Seele loszukaufen; doch um der eigenen Not dieser frommen und geliebten Seele willen erlösen sie diese nicht aus freigeschenkter Liebe?

85. Oder: Warum werden die kirchlichen Bußsatzungen, die „tatsäch-lich und durch Nichtgebrauch" an sich längst abgeschafft und tot sind, doch noch immer durch die Gewährung von Ablass mit Geld abgelöst, als wären sie höchst lebendig?

86. Oder: Warum baut der Papst, der heute reicher ist als der reichs-te Crassus, nicht wenigstens die eine Kirche St. Peter lieber von seinem eigenen Geld als dem der armen Gläubigen?

87. Oder: Was erlässt der Papst oder woran gibt er denen Anteil, die durch vollkommene Reue ein Anrecht haben auf völligen Erlass und völlige Teilhabe?

88. Oder: Was könnte der Kirche Besseres geschehen, als wenn der Papst, wie er es (jetzt) einmal tut, hundertmal am Tage jedem Gläubigen diesen Erlass und diese Teilhabe zukommen ließe?

89. Wieso sucht der Papst durch den Ablass das Heil der Seelen mehr als das Geld; warum hebt er früher gewährte Briefe und Ab-lässe jetzt auf, die doch ebenso wirksam sind?

90. Diese äußerst peinlichen Einwände der Laien nur mit Gewalt zu unterdrücken und nicht durch vernünftige Gegenargumente zu beseitigen heißt, die Kirche und den Papst dem Gelächter der Feinde auszusetzen und die Christenheit unglücklich zu machen.

91. Wenn daher der Ablass dem Geiste und der Auffassung des Papstes gemäß gepredigt würde, lösten sich diese (Einwände) al-le ohne weiteres auf, ja es gäbe sie überhaupt nicht.

92. Darum weg mit allen jenen Propheten, die den Christen predigen: „Friede, Friede", und ist doch kein Friede.

93. Wohl möge es gehen allen den Propheten, die den Christen pre-digen: „Kreuz, Kreuz“, und ist doch kein Kreuz.

94. Man soll die Christen ermutigen, dass sie ihrem Haupt Christus durch Strafen, Tod und Hölle nachzufolgen trachten

95. und dass die lieber darauf trauen, durch viele Trübsale ins Him-melreich einzugehen, als sich in falscher geistlicher Sicherheit zu beruhigen.

aus: http://www.theology.de/theologie/fachbereiche/kirchengeschichte/martinluthers95thesendeutsch.php

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Reformations-Gottesdienst

Zu Katharina von Bora Ablauf 1. Begrüßung 2. Lied 3. Psalm 4. Glaubensbekenntnis 5. Lied 6. Katharina, die Nonne 7. Liedstrophe 8. Katharina, die Ehefrau 9. Liedstrophe 10. Katharina, die Witwe 11. Liedstrophe 12. Internation( mit Glaubensbekenntnis) 13. Lied 14. Gebet (Fürbitte und Vater unser) 15. Segen Gestaltung: Die Abschnitte 6+ 8+ 10 sollen szenisch dar-

gestellt werden. Dabei steht jeweils ein Bibel-text zu Beginn der Szene. Außerdem wird mit unterschiedlichen Symbolen auf die Inhalte in Katharinas Leben hingewiesen. Diese Symbo-le/ Gegenstände werden auf einen Tisch/ Altar oder eine mit Tüchern verhüllte Stuhlgruppe gelegt, so dass sich allmählich mehr und mehr Aspekte aus ihrem Leben zu einem „Denkmal“ sammeln.

Liedvorschläge: EG 503 Geh aus, mein Herz und suche Freud

EG 262 Sonne der Gerechtigkeit EG 362 Eine feste Burg EG 395 Vertraut den neuen Wegen EG 607 Herr, wir bitten, komm und segne uns

Liturgiebausteine

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Votum: Wie feiern diesen Gottesdienst im Namen Got-tes. Gott nimmt uns so an, wie wir sind. Jesus Christus gibt uns Orientierung für unser Leben und Zusammenleben. Gottes Geist verbindet uns mit Menschen, die anders sind als wir.

Psalm: Gott ist und Licht und Heil, vor wem sollten wir uns fürchten? Gott gibt uns Kraft und Mut, wovor sollten wir Angst haben? Wenn etwas auf uns zukommt, drohend und gefährlich, dann verlieren wir nicht den Mut. Wenn wir meinen, wir schaffen es nicht, dann denken wir daran, dass Gott uns hilft. Gott, sei du immer bei uns. dann sind wir nicht allein. Lass uns den Weg deiner Güte gehen, denn wo Güte ist, da verschwindet die Angst, und das Leben kehrt wieder, das wir suchen. (nach Psalm 27, aus: Du Gott, Freundin der Menschen)

Aufforderung zum Kyrie: Wir kommen zu dir, Gott,

mit all unseren Ängsten und Sorgen. Manchmal klagen wir dich an, manchmal an-dere, manchmal suchen wir die Schuld bei uns. Doch auf der Suche nach Schuldigen für das, was uns widerfährt, verstellen wir uns oft den Weg für den Schritt aus der Schuld heraus. Den Weg aus der Klage zur Hoffnung, den Weg von der Anklage zur Versöhnung finden wir nicht immer allein. Gib und Kraft, beides zu tun: anzuklagen, wo es nötig ist, und zu versöhnen, wo es lebenswichtig ist. Erbarme dich unser!

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Aufforderung zum Gloria: Wir müssen nicht ratlos bleiben, sondern kön-

nen uns von Christus die Richtung weisen las-sen. Denn Christus spricht: “Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Ehre sei Gott in der Höhe (aus: Du, Gott, Freundin der Menschen, S.75)

Kollektengebet: Gott, der du Geist bist, deine Stimme ist im sanften Säuseln des Win-des zu hören, Und dein Atem gibt der Welt Leben, Wir brauchen deine Stärke und Weisheit. Lass und in der Schönheit wandeln. Der rot- purpurne Sonnenuntergang soll uns immer vor Augen sein. Mach uns weise, damit wir deine Lehre ver-stehen. Hilf uns, dass wir den Sinn begreifen, den du in jedem Blatt und in jedem Felsen verborgen hast. Mach uns immer bereit, zu dir zu kommen Mit reinen Händen und offenem Blick, Sodass dann, wenn unser Leben verlischt Wie die untergehende Sonne, Unser Geist zu dir kommen kann, Ohne sich zu schämen. Amen. (aus: Wenn Himmel und Erde sich berühren S.67f)

Glaubens- bekenntnis: Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus

dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst,

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irr-türmer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet antwortet. Amen. (Dietrich Bonhoeffer, zitiert nach: Mein Liederbuch für heute und morgen, S.25)

Fürbittengebet: Guter Gott, wir haben heute über Katharina von Bora nachgedacht, deine Dienerin in unterschiedlichen Rollen. Sie brauchte Kraft in ihrem Leben. Sie wusste immer, dass sie diese Kraft Die al-lein zu verdanken hatte. Gib uns von der Kraft der Katharina. Sie trat ein für die Obdachlosen und die Hung-rigen. Sie kümmerte sich um die Kranken und die Sterbenden. Gib und ihr Vertrauen in Dich bei allem, was geschieht. Gib uns die Kraft, da zu sein, wo wir gebraucht werden. Handeln und dir nah sein, Gott- so wie Katharina es oft konnte. Auch sie war manchmal erschöpft und schwach. Dann konnte sie sich auf die verlassen. Sie vertraute dir. Hilf uns zu ähnlichen Vertrauen, zu Sicherheit und Lust an Neuem. Amen.

E. Markmann

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Katharina, die Nonne

Katharina liest aus der lateinischen Bibel (Ex 20, 2 - 3: 1. + 2. Ge-bot), danach in deutsch, überlegt dann laut: „Nun bin ich schon so lange hier im Kloster. Als ich damals als klei-nes Mädchen hierher kam, war alles noch so fremd. Ich hatte Angst vor diesem dunklen Gemäuer, vor den strengen Schwestern und all dem Lernen. Heute kann ich vieles lesen, ich diskutiere gern mit den Schwestern über das Gelesene. Außerhalb des Klosters hätte ich ja nicht einmal lesen gelernt -und dann sogar Latein! Die Gelehrten sprechen so. Hat mein Vater so etwas geahnt, als er mich damals herbrachte? Er hatte vor allem im Sinn, mir eine gute Versorgung zu ermöglichen und nun muss ich sagen, dass das eine gute Entscheidung war. Ich habe viel gelesen und viel gearbeitet. Manchmal war es natürlich auch mühsam. Aber so kann ich Gott dienen, von morgens bis abends. Ich bin nur für ihn da. All meine Kraft stellte ich Gott zur Verfügung. Das ist ein gutes Leben. Ich sollte wieder einmal einen Brief an den Vater schicken. Sogleich werde ich mich daransetzen!“ Katharina nimmt Papier und Feder und schreibt. Nach einer Weile steht sie auf, legt die lateinische Bibel, die Feder und das Papier auf das „Denkmal“ und greift in einen Korb mit Kräu-tern. Kathrina holt Kräuter aus dem Korb und riecht an ihnen. Sie zerbrö-selt getrocknete Blätter in einem Mörser und spricht: „Gott, du bist doch der größte Arzt, den ich kenne. Die Pflanzen aus deinem Garten, von Feld und Wald, sie haben so gute Kräfte. Die Mutter Oberin wartet auf ein Elixier. Welch große Ehre, dass ich hier deine guten Kräfte, Gott, du Quelle alles Lebendigen, den Kranken weiterreichen kann. Die Heilung kommt von dir, aber ich darf mithel-fen.“

Zweite Nonne kommt herein. Katharina stellt den Korb und den Mör-ser auf das „Denkmal“. Nonne: „Hast du schon gehört? Da hat ein Mönch etwas ge-

schrieben, das fast schon ungeheuerlich ist. Hier schreibt er über die Ehe. Er schreibt, dass die Ehe auch für Mönche und Nonnen erlaubt sein sollte, weil sie Gottes Willen, Gottes Plan mit uns Menschen ist.

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Er schreibt, dass es falsch ist, wenn wir uns hier mit weltfremden Dingen die Zeit vertreiben.“

Katharina: „Warum denn weltfremd? Die Kräuter sind doch wich-tige Arzneien für die Menschen auch außerhalb des Klosters. Und lesen und schreiben schadet wohl auch nicht. Es macht Freude und bringt uns näher zu Gott, es ermöglicht uns Erkenntnis!“

Nonne: „Ja, aber stell dir einmal vor, wenn du mit deinem Wissen in einem Dorf leben könntest. Wenn du viel-leicht heiraten und Kinder bekommen könntest. Du könntest eine gute Mutter mit Heilwissen werden. Lie-bende Kinderhände, die sich dir entgegenstrecken, und kleine Stimmchen, die nach dir, ihrer Mutter ru-fen!“

Dritte Nonne kommt dazu. Nonne: „Pss“ Seid ihr denn von Sinnen? Ihr dürft über diesen

Luther und seine Ideen doch nicht so unbekümmert und laut sprechen! Er kritisiert die Kirche. Er schreibt eine Abhandlung nach der anderen und krempelt da-mit alle Ordnung um!“

Katharina: „Wir werden doch wohl noch seine Schriften diskutie-ren dürfen. Aber vielleicht sollten wir das lieber doch leise und heimlich machen. Spannend ist das ja schon, was er da schreibt. Vielleicht können wir noch mehr von ihm lesen.“

Die zweite Nonne legt eine Sammlung von klein und eng beschrie-benen Blättern auf das „Denkmal“

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Katharina, die Hausfrau und Mutter Katharina liest in der Bibel Spr. 31, 1+ 2 und bleibt nachdenklich stehen. „Ich muss mich in sieben Teile zerlegen, an sieben Orten zugleich sein und siebenerlei Ämter verwalten. Ich bin erstens Ackerbürgerin, zweitens Bäuerin, drittens Köchin, viertens Kuhmagd, fünftens Gärt-nerin, sechsten Winzerin und Almosengeberin an alle Bettler in Wit-tenberg, siebentens aber bin ich die Doktorissa, die sich ihres be-rühmten Gatten würdig zeigen und mit 200 Gulden Jahresgehalt viele Gäste bewirten soll.“ (Zeller, S. 82)

Magd kommt herein und trägt einen Wäschekorb mit Wäsche, Win-deln, Verbänden und einen großen Topf: „Herrin, könnt ihr mir sagen, wie viele Gäste wir heute erwarten? Die Köchin fragt nach besonderen Wünschen.“

Katharina: „Heute diskutiert der Doktor nicht nur mit seinen Stu-denten. Eine ganze Gruppe von Gelehrten kommt heute zusammen, um zunächst zu diskutieren, und sich dann hier bei uns verpflegen zu lassen. Wir brau-chen also nicht nur mehr zu essen, sondern auch ent-sprechende Betten und Waschschüsseln. Ich gehe jetzt erst in den Garten und kümmere mich um Gemü-se und Obst.“

Magd stellt den Topf auf das „Denkmal“. Während sie die Windeln legt, sagt sie: „Hoffentlich reicht dann alles, was wir da haben. Immer wieder ist es so. Immer kommen noch mehr Gäste. Und die Her-rin…! Sie kümmert sich immer selbst um den Garten und so vieles andere. Sie verlangt viel von uns, aber ist selbst immer überall gleichzeitig. Sie legt einen großen Schlüsselbund auf das „Denkmal“. Den hat sie anscheinend vergessen! Dabei hat sie doch noch die Kinder zu versorgen - die eigenen und die, die sie von den Verwandten aufgenommen hat.“ Die Magd legt die Windeln auf das „Denkmal“, wickelt einen Verband auf und redet weiter: „Außerdem scheint sie sich um alle Kranken selbst kümmern zu müssen. Sie geht zu den Pestkranken genauso wie zu den Alten mit eiternden Wunden oder den Müttern, die gera-de ihre Kinder bekommen haben. Und nun ist auch noch die kleine Magdalena krank.“

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Die Magd legt die Verbände auf das „Denkmal“ und geht mit leerem Wäschekorb.

Katharina kommt herein, stellt den Spaten an das „Denkmal“ und sieht sich die Kräuter an, die sie mit hereingebracht hat: „Hoffentlich wird die kleine Magdalena schnell wieder gesund! All meine Heilkunst konnte Elisabeth letztes Jahr nicht helfen. Nicht einmal ein Jahr ist sie geworden! Aber doch vertraue ich auf deine Apotheke, Gott. Deine Kräuter helfen dem Doktor Luther immer, wenn er wieder Schmerzen hat. Und bei so vielen anderen haben sie auch

schon geholfen.“ Katharina legt die Kräuter auf das „Denkmal“ und geht.

Luther und Katharina kommen zusammen nach vorn. Luther: „Käthe, hast Du noch etwas Geld für den armen Stu-

denten, der heute morgen zu uns kam? Er muss zu seinem Vater, und die Reise wird zu teuer für ihn.“

Käthe nimmt den Geldbeutel und gibt Luther eine Münze. „Geld ausgeben kannst du gut! Aber du nimmst für deine Arbeit zu wenig an. Wo soll ich denn alles hernehmen für das Haus, all die Gäste und dann noch die Gaben für andere. Hier hast du Geld, aber dann kümmere dich auch bald um ein neues Stück Land, damit ich uns noch mehr Lebensmittel selbst anbauen kann. Ich habe mir schon einen Acker draußen beim Tor angesehen. Der hat genau die richtige Größe für uns.“

Luther: „Käthe, du sollst nicht so grübeln. Gott wird uns schon ernähren und erhalten. Heute Abend werden wir bei Tisch über den ungeteilten Dienst an Gott reden. Weißt Du noch, im sechsten Kapitel bei Matthäus steht geschrieben: „Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?“ Da wirst du sicherlich einiges zu sagen haben. Vielleicht kannst du aber auch auf Gottes Wort hören und alles etwas mehr in seine Hand legen, statt immer wieder zu schaffen und zu tun. Du bist immer so auf das Geldverdienen aus und liest so selten in der Schrift.

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Wenn Du meinen Lieblingspsalm, den einunddrei-ßigsten auswendig lernst und dazu das Alte Testa-ment von Anfang bis Ende durchliest, so will ich Dir 50 Gulden geben. Lass uns heute Abend wieder gemein-sam über die biblischen Schriften diskutieren. Das wird bestimmt wieder sehr interessant.“

Käthe: „Ja, interessant wird es werden. Ich habe gerade vor ein paar Tagen in der Schrift in den Sprüchen gele-sen. Das Lob der tüchtigen Hausfrau hast Du diese Stelle einmal genannt. Darüber lass uns diskutieren!“

Luther geht und Katharina stellt einen Kerzenständer mit Kerzen auf das „Denkmal“. „Es wird bestimmt wieder spät werden!“

Käthe geht. Nach einem kurzen Moment kommt eine Magd mit ei-nem Brief herein: „Immer, wenn der Doktor unterwegs ist, schickt er ihr Briefe. Nun ist er schon eine Weile unterwegs, es sind schon einige Briefe ange-kommen, und heute kommt noch einer. Was da wohl drinsteht? Ich würde es ja gerne wissen. Ob er ihr so viele Liebesbriefe schreibt? Dass die beiden sich lieben, merkt man ja immer wieder.“

Magd legt Brief auf den Altar, geht. Katharina kommt und nimmt den Brief auf:

Marburg, 4. Oktober 1529 Meinem freundlichen lieben Herrn Katharina Luthe-rin, Doktorin, Predigerin zu Wittenberg, Gnade und Friede in Christus.

Lieber Herr Käthe, wisset, dass unser freundliches Gespräch zu Marburg ein Ende hat. Wir sind fast in allen Stücken eins, nur dass die Gegenseite nichts als Brot im Abendmahl behalten und Christus als geistlich darinnen gegenwärtig bekennen wollte. Heute verhandelt der Landgraf, ob wir eins werden, oder doch gleichwohl, so wir uneins bleiben, und dennoch als Brüder und Christi Glieder untereinan-der halten könnten. Darum müht sich der Landgraf heftig. Aber wir wollen das Brüdern und Gliedern nicht. Friedliches und Gutes wollen wir wohl.

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Ich nehme an, morgen oder übermorgen wollen wir aufbrechen, und zu Euer Gnaden Herrn nach Schleiz im Voigtland ziehen, wohin uns seine Kur-fürstliche Gnaden berufen hat. Sage dem Herrn Pommer, dass die besten Argumente des Zwingli gewesen sind, dass ein Leib nicht ohne bestimmten Ort sein könne, also sei Christi Leib nicht im Brat; des Oecolampad dies: das Sakrament sei ein Zei-chen für den Leib Christi. Ich meine, Gott habe sie verblendet, dass sie nichts haben vorbringen kön-nen. Ich habe viel zu tun und der Bote eilt. Sage al-len gute Nacht und betet für uns. Wir sind noch alle frisch und gesund und leben wie die Fürsten. Küsst mir Lenchen und Hänschen.

Euer williger Diener Martin Luther Katharina legt den Brief auf das Denkmal.

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Katharina, die Witwe Katharina tritt auf, in schwarz gekleidet. Sie geht ans Pult und schreibt, dabei redet sie laut: Brief an die Schwägerin: Gnade und Friede in Gott, dem Vater unsres lieben Herrn Jesus Christus, freundliche liebe Schwester. Dass ihr ein herzlich Mitleiden mit mir und meinen armen Kindern tragt, glaube ich leicht. Denn wer wollte nicht billig betrübt und bekümmert sein um einen solchen Mann als mein lieber Herr gewesen ist, der nicht allein einer Stadt oder einem einzigen Land, sondern der ganzen Welt viel gedient hat. Deshalb ich wahrlich so sehr betrübt bin, dass ich mein großen Herzeleid keinem Menschen sagen kann. Und weiß nicht, wie mir zu Sinn und Mute ist. Ich kann weder essen noch trinken. Auch dazu nicht schlafen. Und wenn ich hätte ein Fürstentum und Kaisertum gehabt, sollte mir so Leid nimmer geschehen sein, so ich’s verloren hätte, als nun unser lieber Herrgott mir, und nicht allein mir, sondern der ganzen Welt, diesen lieben und teuren Mann ge-nommen hat. Wenn ich daran denke, so kann ich vor Leid und Weinen (das Gott wohl weiß weder reden noch schreiben lassen. Wie ihr leicht selbst, liebe Schwester, zu ermessen habt.

Wittenberg, Freitag nach Oculi 1546 Katharina,

des Herrn Doktor Martinus Luther gelassene Wittfrau

Katharina legt den Brief auf das „Denkmal“; danach wendet sie sich um und spricht: Ach, Martin, es ist gut, dass du alles nicht mehr erlebt hast. Du hast es gut gemeint mit deinem Testament. Aber du warst nie ein Realist, du hast wie immer auf Gott vertraut und es nicht von einem Notar unterzeichnen lassen. Dein letzter Wille wurde so nicht erfüllt:

Ich, Martinus Luther, Doktor, bekenne mit dieser meiner eigenen Handschrift, , dass ich meiner lieben und treuen Hausfrau Katharina das Nachfolgende zum Leibgedinge gegeben habe (oder wie man das nennen kann) auf ihr Lebenslang, damit sie nach ihrem Gefallen und zu ihrem Besten damit verfahren könne, und gebe ihr das Kraft dieses Briefes, gegenwärtigen und heutigen Tages:

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Nämlich das Gütlein Zülsdorf, zum anderen das Haus Bruno, zum dritten die Becher und Kleinode, wie Ringe, Ketten, Schenkgroschen, golden und silbern, welche un-gefähr gegen tausend Gulden wert sein sollte. Ich will, sie müsse nicht den Kindern, sondern die Kinder sollen ihr in die Hände sehen, sie in Ehren haften und ihr unterworfen sind, wie Gott geboten hat.

Die Vormundschaft über unsere Kinder wurde mir genommen. Wie musste ich um unser Gut und unser Kloster kämpfen. Aber das bin ich ja gewohnt. Betteln musste ich bei deinen Freunden, dass unser Hans eine gute Ausbildung bekommt. Und dann, unser Kloster - die Arbeit wurde bedroht durch Kriege, ich musste mit den Kindern flie-hen. Und dann habe ich wieder von vorne angefangen in Wittenberg. Du weißt ja, wie ich bin, nicht klagen, sondern die Ärmel hochkrem-peln und arbeiten. Das Praktische - das hast du mir ja immer über-lassen. Jetzt wütet hier die Pest in Wittenberg. Wir können nicht länger blei-ben. Wieder ist das Notwendigste gepackt und ich werde mit den Kindern nach Torgau gehen. Hoffentlich werden wir wieder Men-schen finden, die uns aufnehmen. Ach, Martin, gebe Gott, es geht alles gut. Katharina legt Mundschutz auf das „Denkmal“ und geht ab. Pause Ein Sprecher tritt auf, setzt sich an einen Tisch: Torgau. Wie uns eben gemeldet wurde, verstarb heute am 20. De-zember 1552 Katharina von Bora an den Folgen eines schweren Unfalls, der sich vor drei Monaten ereignete. Auf ihrer Flucht vor der Pest scheuten die Pferde auf dem Weg nach Torgau. Bei dem Versuch, diese zu beruhigen, sprang Katharina von Bora vom Wagen und stürzte. Katharina von Bora war Witwe Martin Luthers. In Wittenberg unter-stützte sie ihren Mann bei seiner Reformation und erwarb sich durch ihre Tüchtigkeit und Klugheit einen Ruf über Wittenberg hinaus. Die letzten Jahre lebte sie isoliert, unterstützt von Kurfürsten. Sie hinter-lässt vier Kinder.

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In einem Nachruf sagte Philipp Melanchthon, ein Weggefährte ihres Mannes: „Als der Krieg ausbrach, irrte sie mit ihren verwaisten Kindern im Elend umher, unter sehr großen Beschwerden und Gefahren, und außer den Übelständen, die für eine Witwe vielfältig sind, erfuhr sie auch großen Undank von vielen, von denen sie wegen der ungeheu-ren öffentlichen Verdienste ihres Gatten um die Kirche Wohltaten erhoffte, aber in schändlicher Weise enttäuscht wurde." Die Trauerfeier mit anschließender Beisetzung findet in der Kirche zu Torgau statt. Sprecher legt Trauerflor /schwarze Schleife o. ä. auf das „Denkmal“ und geht ab. aus: Katharina von Bora - die Frau an Luthers Seite

Gottesdienstentwurf für den Reformationstag 1999 zu Katharina von Bora 500 Jahre Katharina von Bora Frauenreferat, Evangelischen Kirchenkreis Unna

- 26 - Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.

„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Den Eltern Gewicht verleihen:

Die Neuentdeckung eines biblischen Gebotes - Gruppenarbeit

Ziel: Die Teilnehmerinnen sollen

• eigene Erfahrungen bei Rollenwechseln in ih-rem Leben nachvollziehen.

• vergegenwärtigen, wie das Gebot der Eltern-ehre ihnen in ihrem Konfirmandenunterricht vermittelt worden ist und wie dieses Gebot ihr Handeln geprägt hat.

• erkennen, dass das biblische Gebot auf die soziale Absicherung der alten Eltern durch die erwachsenen Kinder zielte.

• die Strukturen der antiken Gesellschaft/ der antiken Hausgemeinschaft und ihre Funktion der sozialen Sicherung kennen lernen.

• bei der Übertragung des Gebotes in die Ge-genwart die Bedeutung der Übernahme von Verantwortung für die Perspektive der beiden beteiligten Generationen nachvollziehen.

• Möglichkeiten einer besseren Kommunikation zwischen den Generationen im Gruppenge-spräch formulieren.

Material: Basismaterial:

• DIN-A4-Blätter blanko • Stifte

Für jede Teilnehmerin: • Gruppenarbeit: Perspektivenwechsel (Anlage 6)

Für die Gruppenarbeiten: • Das Gebot im Konfirmandenunterricht (Anlage 1) • Hintergrund des Elternehregebotes in biblischer

Zeit (Anlage 2 - Anlage 5)

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Für die Leiterin: • Vorschlag für die zeitliche Gestaltung des Vor-

mittags • Auslegung zum Elternehregebot von Frank Crü-

semann (Anlage 7) Tageseröffnung Votum: Im Namen Gottes,

der alles Leben schenkt. Im Namen Jesu Christi, der Menschen in die Gemeinschaft gestellt hat. Im Namen Heiliger Geistkraft, die uns in Liebe und Verantwortung miteinander leben und hoffen lässt. Amen.

Lied: „Du hast uns, Herr, in dir verbunden“ (EG 240, 1 - 3) (nach der Melodie: O dass ich tausend Zungen hät-

te) Psalm: 111 (EG 748) Impuls: Was sind Sie nicht schon alles gewesen in Ihrem

Leben: Tochter, Kind, Heranwachsende, Umworbe-ne, Verliebte. Sie können die Liste erweitern und fortführen.

Mancher Rollenwechsel hat einen riesigen Schritt bedeutet. Welche Veränderung war es z.B., von zwei Einzel-nen zum Paar zu werden? Verantwortung für einen anderen Menschen zu ü-bernehmen?

Wie war es für diejenigen, die Kinder haben, vom Paar zu Eltern zu werden? Wie haben Sie das gelernt, Eltern zu sein?

Welche Hoffnungen, welche Ängste waren für Sie damit verbunden?

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Wie haben Sie die Situationen in Ihrem Leben ges-taltet, die neue, veränderte Anforderungen an Sie gestellt hat? Als Sie merkten, dass Sie jetzt zu der Generation gehörten, die Entscheidungen für andere traf… Als Ihre Kinder aus dem Haus gegangen sind… Als Sie sich entschieden haben, einen großen Schritt der Veränderung zu gehen… Rufen Sie sich den Rollenwechsel ins Gedächtnis, der für Sie in Ihrem Leben eine Herausforderung bedeutet hat. Erinnern Sie sich, welche Fragen da-bei für Sie wesentlich waren. Stille (etwa 2 Minuten) Austausch mit der Nachbarin (3 Minuten) Vielleicht haben Sie sich in den letzten Minuten ge-dacht: Ich bin in die neue Rolle hineingewachsen. Wenn ich mir alles vorher überlegt hätte… Vielleicht, hoffentlich konnten Sie auch schmunzeln über Sackgassen, in denen Sie gelandet sind. Und aus denen Sie wieder herausgetreten sind, um eine neue Richtung einzuschlagen. Und bestimmt konnten Sie sich auch an Momente erinnern, in denen Sie spürten: Ja, jetzt bin ich an-gekommen. Jetzt geht’s. Das, was Ihnen später selbstverständlich wurde, war es am Anfang noch nicht. Und bei vielen Entscheidungen war und blieb es nicht einfach abzuwägen, was richtig und falsch war. Gerade das aber war Ihr Alltagsgeschäft. Zeit hat-ten Sie dazu nie genug. Manche Folge Ihres Han-delns konnten Sie einfach nicht absehen. So haben Sie geschöpft aus dem, was Sie in Ihrer Kindheit gelernt haben. Sie haben sich orientiert an Grundlinien, die Ihrem Leben Richtung gegeben haben.

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Und trotz Erziehung und Bildung war die konkrete Entscheidung dann doch nicht einfach, sondern häufig mit einem Kompromiss verbunden. Gerade dann war es schwierig, wenn Ihre Entschei-dung nicht nur Sie betraf, sondern den Weg der Menschen, die Ihnen anvertraut waren. Welch eine Herausforderung Leben mit seinen not-wendigen Rollenwechseln und gestalteten Verände-rungen ist, wird uns deutlich, wenn wir die Schwel-lensituation bewusst begehen. In der Kirche gibt es dazu die so genannten Amts-handlungen, Taufe, Konfirmation, Trauung, Beerdi-gung und für diejenigen, die den Beruf einer Pfarre-rin oder eines Pfarrers ergreifen, die Ordination. In ihnen wird das zum Ausdruck gebracht, was wir erwarten, befürchten und erhoffen. Um Kraft für die vor uns liegenden Schritte zu bekommen, erbitten wir den tragenden Segen Gottes inmitten der offe-nen Zukunft. Wir vergewissern uns der Treue Gottes als verläss-licher Beständigkeit im Wandel. In Taufliedern spüren wir die Zuversicht, dass in al-ler Unsicherheit die Zusage Gottes, an unserer Sei-te zu bleiben - und an der Seite der Kinder, die wir nicht immer schützen können.

Lied: Wir singen: „Gott, der du alles Leben schufst“ (EG

211, 3 - 5) Mit solcher Ermutigung und unter dem Vorzeichen dieser Bitten kann ein Rollenwechsel gelingen. Auf solcher Grundlage können wir uns heranwagen an das, was unseren Alltag verändern wird - in allen Lebensphasen, im Großen wie im Kleinen. Amen.

Gebet: EG 966 Vaterunser

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Gesungene Segensbitte: „Wach auf, mein Herz, und singe“ (EG 446, 1. 8 - 9) Impuls: Von Rollenwechseln haben wir vorhin in der An-

dacht gesprochen. Damit ein solcher Wechsel ge-lingen kann, ist es nötig, sich eine neue Perspekti-ve, eine Sicht auf das Leben, zu erarbeiten. In der Bibelarbeit heute werden wir auf unterschiedliche Rollen Ihres Lebens Bezug nehmen. Die Sicht auf eine Alltagsfrage entscheidet sich aus der Position und Rolle, aus der heraus ich sie be-trachte. Anhand eines biblischen Gebotes werden wir das nachvollziehen. Bestimmt sind Ihnen diese Worte der Bibel seit frü-her Kindheit vertraut. Auch in vielen Familien, die nicht häufig in der Bibel lasen, war dieser Vers all-gemein bekannt und gehörte zum Alltagsleben mit dazu. „Du sollst Vater und Mutter ehren!“ Bevor wir uns mit dem Umfeld dieses Gebotes be-schäftigen, möchte ich Sie in Ihre Kindheit zurück-führen. Welche Rolle hat das Gebot in Ihrer Familie ge-spielt?

Gruppenarbeit: Austausch in Vierergruppen (10 Minuten) Hinweis für die Leiterin: Gehen Sie während der Gruppenphase von Gruppe

zu Gruppe, um einige Eindrücke der Frauen mitzu-bekommen.

Impuls: Auch im kirchlichen Unterricht ist Ihnen das Gebot

begegnet. Für die Frauen, die zu einer lutherischen Kirche gehören, gab es zusätzlich zum Gebot auch die Erklärung Martin Luthers zu lernen. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dir’s wohlgehe und du lange lebest auf Erden. Was ist das?

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Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsere Eltern und Herren nicht verachten noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ihnen dienen, gehor-chen, sie lieb und wert haben. Damals wurde Ihnen deutlich gemacht, wie Sie sich dem Gebot entsprechend verhalten sollten. Erin-nern Sie sich, wie das in Ihrem Alltag aussehen soll-te? Was hat es bedeutet gegenüber Ihren Eltern, was gegenüber den bei Luther in der Erklärung erwähn-ten „Herren“?

Gruppenarbeit: (20 Minuten) Bitte setzen Sie sich in den Vierergruppen von vor-hin zusammen, tauschen Sie sich aus und notieren Sie, welches Verhalten von Ihnen gegenüber Eltern und Herren verlangt wurde. In welchen Situationen sollte das Gebot besonders wichtig sein? Überlegen Sie sich eine Geste, eine Handbewe-gung, die den Inhalt des Gebotes, wie es Ihnen vermittelt wurde, verdeutlicht. Bestimmen Sie eine Frau, die Ihre Ergebnisse für die Gesamtgruppe zusammenfasst.

Für die Leiterin: Teilen Sie jeder Arbeitsgruppe ein Arbeitsblatt und

einen Stift aus. Fordern Sie die Gruppen nach zwanzig Minuten auf, nacheinander ihre Ergebnisse vorzustellen. Dazu sollte jede Gruppe mit der Geste beginnen und an-schließend die Notizen vortragen.

Plenum: Auswertung der Ergebnisse (15 Minuten)

Impuls: Vorhin sind Sie in die Rolle geschlüpft, die Sie in der Kindheit eingenommen haben. Dabei sind Ihnen auch die Gefühle von damals näher gekommen: Ih-re Position gegenüber den Erwachsenen, Ihre Auf-gabe als Tochter Ihrer Eltern in Ihrem Zuhause, Ihr Verhalten zu denjenigen, die Macht, die Einfluss hatten.

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Lassen Sie uns mit diesen Vergegenwärtigungen auf Spurensuche im Bibeltext gehen. Dabei wenden wir uns besonders den folgenden Fragen zu: • An wen richtet sich das Gebot? • Auf welches Verhalten zielt es? • Weshalb ist es notwendig? • Worin liegt seine Verheißung?

In heutigen Gesprächen entsteht manchmal der Eindruck: Damals war die Welt noch in Ordnung. Die Gebote waren jedem Menschen einsichtig; sie waren in aller Munde. Schließlich lesen wir in der Bibel davon, wie wichtig ein ehrendes Verhalten gegenüber den Eltern ist. In solcher Ordnung muss es weniger Erziehungsschwierigkeiten gegeben ha-ben. Die nähere Beschäftigung mit der Bibel lässt uns vorsichtiger werden. Ein pädagogisches Konzept finden wir in ihr nicht. Stattdessen geht es stärker um den Begriff der Verantwortung. Eltern sind dafür verantwortlich, dass ihre Kinder im Leben zurecht-kommen. Dazu gehören sowohl die Fertigkeiten für das tägliche Überleben als auch die Grundlage des Glaubens. Eltern haben die Aufgabe, ihre Kinder in die Geschichte Gottes mit seinem Volk mit hinein zu nehmen. Sie kennen es bereits aus der Beschäftigung mit anderen Bibeltexten: In biblischer Zeit waren Kinder so etwas wie eine Versicherung für das Alter. Ihnen gute Wege in das Leben zu bahnen hieß, später selbst davon profitieren zu können, wenn die eigenen Kräfte nachließen. So mag es gar nicht so erstaunen, dass das Gebot der Elternehre in der Bibel in einem ganz anderen Zusammenhang steht, als wir es gerade ausge-tauscht haben. In welchem Zusammenhang das Gebot steht, wer-den wir jetzt in Gruppen erarbeiten und im An-schluss zusammentragen.

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Für die Leiterin: Teilen Sie die Frauen in vier neue Gruppen ein und

geben Sie jeder Gruppe die entsprechenden Text-blätter. Die Gruppen haben die folgenden Arbeitsaufgaben: a) Was bedeutet das Wort „Familie“ in unserem

heutigen Verständnis, was in biblischer Zeit? b) Beschreiben Sie die Ordnung des „Hauses“ in

der Antike und die in ihm geltende Rangord-nung.

c) Welche Pflicht wird im Gebot beschrieben? Weshalb ist das Gebot für alte Menschen ü-berlebensnotwendig?

d) Beschreiben Sie die gegenseitige Verantwor-tung der Generationen.

Die Gruppen haben für die Bearbeitung der Texte 20 Minuten Zeit. Machen Sie an dieser Stelle die Kaffeepause. (15 Minuten) Lassen Sie die Frauen nach der Kaffeepause ihre Ergebnisse zusammen tragen. Planen Sie dazu 20 Minuten Zeit ein.

Impuls: Wir haben gehört, dass es beim Gebot der Eltern-

ehre im Kern um die Frage der Altersversorgung in-nerhalb einer Stammesgesellschaft ging. Der Theo-loge Frank Crüsemann unterstreicht die Notwendig-keit des Gebotes damit, dass es in biblischer Zeit keine außerhäusliche Altenversorgung gab. Die Al-ten, Kranken und Schwachen waren allein auf die Versorgung durch die Jüngeren angewiesen. Alte Frauen und Männer zu ehren bedeutet, sie „re-spektvoll zu behandeln“ und „materiell zu versor-gen“. - 34 - Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.

„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Crüsemann schärft den Blick in der Frage, wer ge-nau im Gebot angesprochen ist. Die Weisung richtet sich an die Söhne, die auf dem Erbland blieben; Töchter heirateten gewöhnlich nach außerhalb. Auch mit der Vorstellung, dass die gute Ordnung der Altenehre und -versorgung in biblischer Zeit selbstverständlich eingehalten wurde, räumt Crü-semann auf. Nicht von ungefähr lesen wir im 2. Buch Mose, den Propheten und in den Sprichwör-tern von Verboten, alte Menschen zu schlagen (2. Mose 21, 15), sie zu verachten (Ez 22, 7), zu ver-spotten (Spr 30, 17), zu berauben (Spr 28, 24), sie zu unterdrücken (Spr 19, 26) oder zu vertreiben (Spr 19, 26). Hinter dem Gebot und seinen vielen Konkretionen an den genannten Stellen steht ein bedeutsames Problem der Gesellschaft des Alten Israels. Notwendig war ein Gebot, das dazu anhielt, alten Menschen trotz nachlassender Kräfte und Fähigkei-ten Würde und Gewicht zu verleihen. In den Völkern der Umwelt Israels werden ähnliche Probleme genannt. Dort jedoch wirkte der Brauch der Ahnenverehrung dem Missbrauch und der Ver-nachlässigung alter Menschen entgegen, der in Is-rael jedoch verboten war. Crüsemann weist in seiner Auslegung der Zehn Gebote immer wieder darauf hin, dass die Grundla-ge der Weisungen Gottes die Erfahrung ist, von Gott aus der Sklaverei in Ägypten in die Freiheit ge-führt worden zu sein. Diese geschenkte Freiheit gel-te es weiterzugeben von Generation zu Generation. Im Blick auf alte Menschen heißt das: „Ihre Freiheit - ihnen wie den Söhnen von JHWH gewährt - reali-siert sich ausschließlich noch über das Verhalten der Söhne. Das Gebot regelt also die Weitergabe der Freiheit durch die Kette der Generationen an ih-rem schwächsten Glied.“ (Crüsemann, Bewahrung der Freiheit, S. 62)

Wie kann die Geltung des Gebotes auf unsere Zeit und die veränderten Lebensbedingungen bezogen werden?

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Der frühere Ratsvorsitzende der EKD, Manfred Kock, beschrieb in seiner Laudatio für die Bundes-ministerin Renate Schmidt am 25. August 2005 die Übertragbarkeit in folgender Weise: „Das Füreinander-Einstehen der in Ehe oder Le-benspartnerschaft miteinander verbundenen Men-schen und die Bereitschaft von Eltern und Kindern, lebenslang Verantwortung füreinander zu tragen, gehören zu den Existenzgrundlagen unserer Ge-sellschaft. Die Eltern zu ehren bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, alles zu sanktionieren, was sie getan und unterlassen haben. Es heißt aber, dass wir mit ihnen in einer Reihe, in einer Haftungs-gemeinschaft stehen. Würden wir Nachgeborenen uns aus dem Staube machen und die Verantwor-tung für die Geschichte unseres Volkes von uns weisen, wäre der Rückfall in rassistische Dunkelheit unausweichlich. Zugleich aber muss Verantwortung auch eine le-bendige, auf Gegenwart und Zukunft bezogene Gestaltungspflicht bleiben oder werden, damit das Zusammenleben der Menschen in unserem Land und der ganzen Menschheit besser gelingt.“ Damit stellt Kock die früher angemessene Versor-gung alter Menschen in den Wirtschaftssystemen der „Häuser“, wie wir sie vorhin kennen gelernt ha-ben, in den größeren gesellschaftlichen Zusam-menhang des Generationsvertrages, dessen Grund-lagen Sie in der Nachmittagseinheit vergegenwärti-gen werden.

Dennoch fragen viele erwachsene Kinder, wie sie angemessen mit ihren alt werdenden Eltern umge-hen können. Die amerikanische Psychologin Mary Pipher hat ein Buch geschrieben, in dem sie beide Positionen darstellt: Die der alten Eltern, die zunehmend auf die Pflege und Verantwortung ihrer Kinder angewiesen sind, und die der erwachsenen Kinder, die Verantwortung für ihre Eltern übernehmen inmitten eines pflichten-reichen Alltags.

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Auch wir werden gleich in der letzten Gruppenarbeit des Vormittags beide Seiten anschauen. Viele von Ihnen haben es selbst erlebt: Sie haben einen Elternteil oder beide gepflegt. Was ist Ihnen dabei gut gelungen? Was hätten Sie sich anders gewünscht? Wir alle gehen auf Situationen zu, in denen wir auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sein wer-den. Was wünschen Sie sich für diese Zeit? Für beide Gruppen gilt die Frage: Wie können wir eine bessere Kommunikation zwi-schen den Generationen und ihren Bedürfnissen er-reichen?

Für die Leiterin: Bilden Sie Gruppen zu beiden Arbeitsfragen. Wenn

es möglich ist, lassen Sie dabei den Frauen die Wahl, sich für eine der Perspektiven zu entschei-den. Die Gruppen haben 20 Minuten Zeit. Lassen Sie die Ergebnisse der Arbeitsgruppen im Plenum vorstellen. Jede Seite hat dazu zehn Minu-ten Zeit.

Impuls zum Abschluss: Vielfach haben Sie heute Vormittag die Seiten ge-

wechselt. Sie haben sich erinnert an Ihr eigenes Aufwachsen und an die Rolle, die das Gebot der El-ternehre in Ihrer Kindheit und Jugend gespielt hat. Wie stark trat dabei der Gehorsam gegenüber „El-tern und Herren“ in den Vordergrund! Mit diesen Erfahrungen sind wir dem biblischen Ge-bot auf den Grund gegangen. Sie haben erfahren, dass das Elternehregebot in seiner Zeit so etwas wie eine Versorgungsgarantie für alte Menschen darstellte.

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Ihnen, die auf kein staatliches System zurückgreifen konnten, wurde so Schutz im Alter ermöglicht. Am Schluss haben wir versucht, das Gebot trotz der gesellschaftlichen Veränderungen auf unsere Zeit zu übertragen. In den Gesprächen der Gruppen ist Ihnen manche gelungene und manche schwierige Situation vor Augen gekommen. Mit Ihren Erfahrungen haben Sie an den Fragen gearbeitet: Was ist hilfreich, dass die Generationen miteinander im Gespräch bleiben können? Was erleichtert den Austausch miteinander? Welche Hilfen können in Anspruch genommen wer-den? Welche Möglichkeiten der Unterstützung können Sie für sich nutzen? Diese Fragen werden uns auch am Nachmittag be-schäftigen, wenn wir uns mit dem Generationenver-trag beschäftigen werden. Leben - im Aufwachsen, im Erwachsenenalter und im hohen Alter - ist wert geachtet in Gottes Augen und steht unter seinem Schutz. So erinnern wir uns am Ende dieser Bibelarbeit an die Verheißung Gottes, die Jochen Klepper verdich-tet hat:

Lied: „Ja, ich will euch tragen“ (EG 380) aus: Niemand lebt für sich allein!? Vom Miteinander der Generationen - Bezie-

hungen der Generationen im gesellschaftlichen Wandel, Jahresthema 2007 Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V.

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Anlage 1

Gruppenarbeit: Das Gebot im Konfirmandenunterricht

Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dir’s wohlgehe und du lange lebest auf Erden. Was ist das? Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsere Eltern und Her-ren nicht verachten noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ih-nen dienen, gehorchen, sie lieb und wert haben.

(Martin Luther, 4. Gebot und Erklärung)

Bitte setzen Sie sich in den Vierergruppen von vorhin zusammen, tauschen Sie sich aus und notieren Sie, welches Verhalten von Ih-nen gegenüber Eltern und Herren verlangt wurde. In welchen Situationen sollte das Gebot besonders wichtig sein? Überlegen Sie sich eine Geste, eine Handbewegung, die den Inhalt des Gebotes, wie es Ihnen vermittelt wurde, verdeutlicht. Bestimmen Sie eine Frau, die Ihre Ergebnisse für die Gesamtgruppe zusammenfasst. Sie haben 20 Minuten Zeit. aus: Niemand lebt für sich allein!? Vom Miteinander der Generationen - Bezie-

hungen der Generationen im gesellschaftlichen Wandel, Jahresthema 2007 Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen e.V.

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Anlage 2

Gruppenarbeit: Hintergrund des Elternehregebotes in biblischer Zeit

a) Was bedeutet das Wort „Familie“ in unserem heutigen Ver-

ständnis, was in biblischer Zeit? Lesen Sie zur Beantwortung der Frage den folgenden Text von Bi-schof Christoph Kähler, Thüringen:

„Was haben wir als historische Realität und sozialge-schichtliche Grundform des Generationenverhältnisses in biblischen Zeiten anzusehen? Die kleinste Zelle der Ge-sellschaft in antiker Zeit ist nicht die "Familie” im heutigen Sinn, die im übrigen im Verlauf ihrer Geschichte erheb-lich an Mitgliedern und Aufgaben verloren hat. Erst seit-dem der französische Terminus "famille” als Fremdwort im Deutschland des 18. Jahrhunderts benutzt werden musste, wurde damit vor allem die uns bekannte kleine Gruppe aus Vater, Mutter, Kind, also die Zwei-Generationen-Familie beschrieben. Sie hausen im All-gemeinen in einer privaten Wohnung, die deutlich vom Produktionsstandort getrennt ist. Zu ihr gehören nicht mehr selbstverständlich weitere Familienangehörige (ganz zu schweigen vom "Gesinde”), sondern nur im Einzelfall kommt es zur Wohngemeinschaft mehrerer Generationen. Sie ist also nicht mehr das, was man dann später die "Großfamilie” genannt hat, die Generationen übergreifen kann und – vor allem - mehrere Verwandt-schaftsgrade auch in derselben Generation.“

Notieren Sie Ihre Antwort.

Sie haben für diese Gruppenarbeit 20 Minuten Zeit. aus: Christoph Kähler

Du sollst Vater und Mutter ehren – Generationengerechtigkeit in biblischer Perspektive – Vortrag bei der Jahrestagung des Arbeitskreises Evangeli-scher Unternehmer in Deutschland Veröffentlicht im Internet unter: www.ekd.de/familie/041030_kaehler_generationengerechtigkeit.html

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Anlage 3

Gruppenarbeit: Hintergrund des Elternehregebotes in biblischer Zeit

b) Beschreiben Sie die Ordnung des „Hauses“ in der Antike und die

in ihm geltenden sozialen Zuordnungen. Lesen Sie zur Beantwortung der Frage den folgenden Text von Bischof Christoph Kähler, Thüringen: „Die Bibel, jedenfalls die ursprüngliche Übersetzung Martin Luthers kennt das Stichwort Familie - natürlich - nicht, sondern spricht vom „Haus”. Damit ist das „ganze Haus“ als die grundlegende soziale und wirtschaftliche Einheit aller bäuerlichen und bäuerlich-adligen Kulturen gemeint. Es ließ sich, wie etwa Aristoteles lehrt, in drei zwischen-menschlichen Relationen beschreiben: Ehemann und Ehefrau, Vater und Kinder, Herr und Knecht / Sklave. Diese erfassten die elementaren sozialen Zuordnungen und Unterordnungsverhältnisse, wobei die fakti-sche Stellung der Gewaltunterworfenen (Frauen, Kinder, Sklaven bzw. Knechte) sehr verschieden ausgestaltet war. Immerhin konnten zu ih-nen die unverheirateten bzw. unselbständigen Mitglieder der Elternge-neration, also Onkel und Tanten, genauso gehören wie die Knechte und Mägde bzw. ihre Nachkommen. Das „Haus” (griechisch oikos) war die grundlegende Wirtschaftseinheit, d.h. auch die Denkform, in der Wirtschaft etwa in der griechischen Phi-losophie reflektiert wurde. Daher der Name „oiko-nomia”, die Lehre von der „Hauswirtschaft”. Was die - tendenziell autarke - Hauswirtschaft einer agrarischen Gesellschaft nicht im Laufe eines Jahres selbst pro-duzierte, konnte in der Regel kaum von außen ersetzt werden. Missern-ten führten (bis auf die berühmte Ausnahme der Getreidevorräte des biblischen Josef in Ägypten) zur nackten materiellen Not, die alle Glie-der betraf. In diesem Rahmen musste auch die Versorgung der Alten, Kranken und Behinderten geleistet werden. Das Haus war die zumeist einzig funktionierende Solidargemeinschaft für die Blutsverwandten bzw. für die dem Haus zugeordnete Klientel. Es schützte alle Angehöri-gen (im Rahmen seiner Potenzen), selbst die Sklaven (also die „Fest-angestellten”). Nahezu ungeschützt, also aus der Solidargemeinschaft ausgeschlossen, blieben lediglich die Tagelöhner. Sie traf das schlimmste denkbare Los.“ Notieren Sie Ihre Antwort. Sie haben für diese Gruppenarbeit 20 Minuten Zeit.

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Anlage 4

Gruppenarbeit: Hintergrund des Elternehregebotes in biblischer Zeit

c) Welche Pflicht wird im Gebot beschrieben?

Weshalb ist das Gebot für alte Menschen überlebensnotwen-dig?

Lesen Sie zur Beantwortung der Fragen den folgenden Text von Bischof Christoph Kähler, Thüringen:

„In seinem Kern beschreibt es die Pflicht, Vater und Mut-ter zu ehren, ihnen wie man auch übersetzen könnte, Gewicht zu verleihen bzw. zuzumessen. Das ist weithin und immer wieder so verstanden worden, als ob es vor-wiegend um die immaterielle Ehre, die Autorität der El-tern ging. Das ist nicht falsch, aber einseitig. Die Ehrung lässt sich aber von der einzulösenden materiellen Ver-pflichtung nicht lösen. Mit dem Gebot dürfte auch die Aufgabe der erwachsenen Kinder beschrieben sein, die alten Eltern angemessen zu versorgen. Diese Form der elementarsten Pflicht dürfte der Anerkennung als Autori-tät, wie man das hebräische Wort auch verwendet findet, vor- bzw. zuzuordnen sein. Da die antike Wirtschaft des Alten wie die des Neuen Testaments keine außerhäusli-che Altersversorgung kennt, sind die Alten, die Kranken und die sozial Schwachen darauf angewiesen, dass sich der Sozialverband um sie kümmert. Es gibt für sie keinen anderen sozialen Ort als das Haus, in dem sie materiell versorgt werden. Dies umfasst „konkret die angemesse-ne Versorgung der alten Eltern mit Nahrung, Kleidung und Wohnung, bis zu ihrem Tod, darüber hinaus einen respektvollen Umgang und eine würdige Behandlung, die trotz der Abnahme ihrer Lebenskraft ihrer Stellung als El-tern entspricht. Dazu gehört schließlich eine würdige Be-erdigung."

Notieren Sie Ihre Antwort. Sie haben für diese Gruppenarbeit 20 Minuten Zeit.

aus: Christoph Kähler Du sollst Vater und Mutter ehren – Generationengerechtigkeit in biblischer Perspektive – Vortrag bei der Jahrestagung des Arbeitskreises Evangeli-scher Unternehmer in Deutschland

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Anlage 5

Gruppenarbeit: Hintergrund des Elternehregebotes in biblischer Zeit

d) Beschreiben Sie die gegenseitige Verantwortung der Generatio-

nen. Lesen Sie zur Beantwortung der Frage den folgenden Text von Bischof Christoph Kähler, Thüringen:

Die Voraussetzung dieses Gebots ergibt sich aus den Pflichten der Eltern. Sie sind verpflichtet, Kinder durch Belehrung und Unterweisung in das gemeinsame Leben, die Geschichte des Gottesvolkes und damit in die Ehrfurcht vor Gott einzuführen. Vater und Mutter haben auf den hinzuweisen, bei dem Menschenkinder ihre letzte Zuflucht finden kön-nen. „Der Tor verschmäht die Zucht seines Vaters; wer aber Zurecht-weisung annimmt, ist klug. ... Wer Zucht verwirft, der macht sich selbst zunichte; wer sich aber etwas sagen lässt, der wird klug”, heißt es in den Sprüchen Salomos. Kinder zu haben und sie angemessen zu erziehen, ist in der Antike die einzige mögliche und denkbare Lebensversicherung, insofern braucht es keine gesonderte Mahnung zum Kinderwillen. Psalm 127, 3 - 5 stellt die unbestreitbare Tatsache fest: „Siehe, Kinder sind eine Gabe des HERRN, und Leibesfrucht ist ein Geschenk. Wie Pfeile in der Hand eines Starken, so sind die Söhne der Jugendzeit. Wohl dem, der sei-nen Köcher mit ihnen gefüllt hat! Sie werden nicht zuschanden, wenn sie mit ihren Feinden verhandeln im Tor.” So ergibt sich eine klare gegenseitige Verantwortung der Generatio-nen: Das vierte Gebot setzt voraus, dass die Älteren die Lebensmög-lichkeiten der Nachkommen um ihrer selbst willen im Auge haben müs-sen. Das Gebot selbst „besagt, dass die Jüngeren die ‚Ausgebrauch-ten’ nicht als Entsorgungsfälle betrachten dürfen, weil sie sonst die Humanität ihrer Gesellschaft beschädigen. Überträgt man das Gebot auf unsere modernen Verhältnisse, dann erinnert es daran, das Egois-mus – der dem anderen die Würde abspricht – die Substanz einer menschenwürdigen Gesellschaft zerstört.” Die Verheißung dieses Ge-bots „auf dass du lange lebest und dir’s wohlgehe in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, geben wird” verweist darauf, dass unser Ver-halten heute direkte und indirekte Folgen für unsere Zukunft haben wird.“

Notieren Sie Ihre Antwort. Sie haben für diese Gruppenarbeit 20 Minuten Zeit.

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Anlage 6

Gruppenarbeit: Perspektivenwechsel

Lesen Sie zur Einstimmung für sich den folgenden Text der amerikanischen Psychologin Mary Pipher: „Es ist schwer für ein erwachsenes Kind, zuzuschauen, wie die Mutter, die einen zur Welt gebracht hat, alt und hilflos wird. Es ist schmerzhaft, zu beo-bachten, wie der Vater, der immer wusste, was zu tun war, ein verwirrter und unsicherer alter Mann wird. Wenn Kinder sich um kranke Eltern kümmern, werden sie mit bestimmten allgemeinen Problemen konfrontiert: sie schlafen zu wenig, die liegen ge-bliebene Arbeit türmt sich auf, sie haben keine Zeit für sich selbst und sie haben den Eindruck, dass nichts eigentlich richtig angepackt wird. Die meisten leiden unter dem Gefühl, dass sie sich, wo immer sie sind, schuldig fühlen, und empfinden eine Mischung aus Schuld und Wut über die ganze Situation. Oft sind sie ausgebrannt und schämen sich dann dafür. Auch für die Eltern ist diese Umkehrung der Rollen schwer. Kein Vater bittet seine Tochter gern darum, auf die Toilette gebracht zu werden, oder erklärt seinem Sohn gern, dass er vergessen hat, den Arzt etwas Wichtiges zu fragen. Sie fürchten um ihre Würde und ihre Selbständigkeit. Alle sind durcheinander gebracht. Erwachsene Kinder möchten nicht zu viel tun und haben gleichzeitig Angst, zu wenig zu tun. Sie fürchten den Unmut ihrer Eltern oder die Peinlichkeit, und sie haben Sorge, die falsche Entscheidung zu treffen, wenn es wirklich darauf ankommt. (…) Die Informationen reichen oft nicht aus, und jeder möchte doch ganz ver-zweifelt nur das Richtige tun.“

(Mary Pipher, Das Land des Alterns: Ein Wegweiser für die Verständigung mit den Eltern, Frankfurt 2003, S. 161f.; erschienen als Taschenbuch bei Fischer, Preis: 9,90 €)

Gruppe a): Viele von Ihnen haben es selbst erlebt: Sie haben einen Elternteil oder beide gepflegt. Was ist Ihnen dabei gut gelungen? Was hätten Sie sich anders gewünscht?

Gruppe b): Wir alle gehen auf Situationen zu, in denen wir auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sein werden. Was wünschen Sie sich für diese Zeit?

Für beide Gruppen gilt die Frage: Wie können wir eine bessere Kommunikation zwischen den Generationen und ihren Bedürfnissen erreichen?

Für Ihre Gespräche und die Beantwortung der Fragen haben Sie 20 Minu-ten Zeit. Bitte bestimmen Sie eine Sprecherin, die Ihre Ergebnisse im Ple-num vorstellt.

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Anlage 7

Auslegung des Elternehregebotes von Frank Crüsemann

„Ehre deinen Vater und deine Mutter ...“ Mit dem Elterngebot setzt die Reihe der Sozialgebote ein. Diese Stel-lung ist oft kritisiert und - durch Umstellung - beseitigt worden. Warum steht nicht das gewichtigere und viel grundsätzlichere Tötungsverbot an der Spitze? Zudem wird durch die jetzige Reihenfolge angeblich Zu-sammengehöriges auseinander gerissen: Das Tötungsverbot steht zwi-schen den beiden auf den Bereich „Familie“ bezogenen Geboten. Vor allem der Versuch von Hartmut Gese im Dekalog [= den Zehn Geboten] eine paarweise Anordnung der Gebote zu finden, scheitert an dieser Stelle und mit ihm die weit reichenden Konsequenzen, die daran hän-gen sollen. Gese kann sich nur noch durch Umstellung retten. Und die ist durch nichts begründet - als durch unsere heutigen Vorstellungen von Rang und Zusammengehörigkeit der Gebote. Denn die Spitzenstel-lung des Elterngebotes ist sicher kein Zufall. Einmal stehen auf diese Weise die einzigen beiden positiv formulierten Gebote zusammen in der Mitte. Nur sie fordern ein bestimmtes Tun, alle anderen nur die Unter-lassung von etwas. Zum anderen entspricht die Spitzenstellung der Tatsache, dass es auch im Blick auf die Häufigkeit der Belege an der Spitze der ethischen Weisungen im Alten Testament steht. In allen Rechtssammlungen (Exodus [= 2. Mose] 21, 15.17; Deuteronomium [= 5. Mose] 27, 16; Leviticus [= 3. Mose] 19, 3; 20, 9) in den Sprichworten der Weisheit (z. B. Proverbien [= Sprüche] 1, 8; 19, 26; 20, 20; 23, 22; 28, 24; 30, 11.17; Jesus Sirach 3, 1-16) wie in der Prophetie (Ezechiel 22, 7; Micha 7, 6; Maleachi 1, 6) spielt das Verhalten gegenüber den Eltern eine überaus große Rolle.

Die Häufigkeit wie die Stellung im Dekalog lassen die überragende Be-deutung des damit angesprochenen Problems in der Gesellschaft des Alten Israel erahnen. Worum geht es? Schlicht gesagt, ist der Kern-punkt die Frage der Altersversorgung. Es geht ja hier nicht um das Ver-hältnis von Kindern zu Eltern, sondern von Erwachsenen zu Alten. Eine ganze Reihe von neueren Arbeiten, am deutlichsten R. Albertz, haben diesen Inhalt des Elterngebotes herausgestellt. Es gab damals keinerlei außerhäusliche Altersversorgung. Die Alten, Kranken, Schwachen wa-ren allein auf die Versorgung durch die Jüngeren angewiesen. Und zwar kamen dafür vor allem die Söhne in Frage, denn die Töchter heira-teten in der (…) Gesellschaft des Alten Israel normalerweise nach aus-wärts. Im Hause und auf dem Erbland blieben die Söhne.

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Auch der so häufige und dringende Wunsch nach männlichen Nach-kommen und die Nöte, die beim Ausbleiben entstanden, haben diesen Hintergrund. Söhne waren lebensnotwendig für die Zeit des Alters.

Offenbar war diese Versorgung oft und vielfältig gefährdet. Das zeigt die Häufigkeit der Mahnungen. Und die in ihnen angesprochenen Möglich-keiten negativen Umgangs mit den alten Eltern kann man sich wohl kaum drastisch genug vorstellen: schlagen (Exodus 21, 15), fluchen (Exodus 21, 17 u. ö.), verachten (Ezechiel 22, 7 u. ö.), verspotten (Pro-verbien 30,17), berauben (Proverbien 28, 24), unterdrücken (Proverbien 19, 26), vertreiben (Proverbien 19, 26). Dahinter wird nicht einfach nur Bosheit und Zynismus gestanden haben. Um die Nöte und Probleme in den Blick zu bekommen, muss man nur für einen Moment einen Text wie Nehemia 5 oder einige Prophetentexte daneben stellen. In Nehemia 5, einem Text, der sicher Typisches auch schon für frühere Zeiten ent-hält, wird deutlich, dass in Zeiten der Not zunächst die Söhne und Töch-ter verpfändet, d. h. in Schuldsklaverei gegeben wurden, ja schließlich sogar in Dauersklaverei an fremde Völker verkauft werden mussten. Bei solchen nicht eben seltenen Vorgängen, wo zuerst die Kinder, dann der Familienvater und seine Frau selbst in die Sklaverei zogen - lag es da nicht nahe und ist gewiss auch oft so praktiziert worden, zunächst über-flüssige und inzwischen unnütze Esser loszuwerden?

Parallelen zu diesem Gebot und den dahinter stehenden Problemen finden sich zahlreich in den Nachbarkulturen Israels. Dort allerdings kommt ein weiterer religiöser Faktor dazu: die verbreitete Ahnenvereh-rung. In Israel, wo jede religiöse Verklärung der Ahnen verboten war (vgl. nur Deuteronomium 18, 11), musste ihre soziale Sicherheit erst recht und anders religiös begründet werden. Auch das macht die Son-derstellung des Elterngebotes verständlich.

Es sind nun auch altorientalische Texte, die mit Sicherheit erkennen lassen, dass das im Gebot benutzte Wort „ehren“ nicht nur etwas Geis-tig-Spirituelles bedeutete, sondern die ganz konkrete materielle Versor-gung mit umschloss. Mit verwandten akkadischen Verben wird in Adop-tions- und Erbverträgen die Versorgung im Alter geregelt. [Akkadisch war die Volks- und Amtssprache in Mesopotamien.] Diese Texte hat vor allem R. Albertz zur Deutung des biblischen Eltern-gebotes herangezogen.

Nur einer der vielen Texte sei beispielhaft angeführt: „Adoptionsvertrag des Hanadu, Sohn des Kussija. Hutija, seinen Kompanion/Bruder hat er adoptiert.

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Folgendermaßen (hat) Hanadu (erklärt): „Alle Felder, alle Häuser, alle Güter, mein Erbteil, das Kus-sija, mein Vater, mir gegeben hatte, gebe ich jetzt hiermit - (indem) ich meinen Anspruch aufhebe - an Hutija (meinen Bruder).“ Solange Hanadu lebt, wird Hutija ihn respektvoll behandeln. Hutija wird Jahr für Jahr ein Gewand zu seiner Bekleidung, 5 imeru Gerste (und) 2 imeru Weizen zu seiner Ernährung geben. Wenn Hanadu stirbt, wird Hutija ihn be-weinen und begraben.

Folgendermaßen (hat) Hanadu (erklärt): „Meine Erbschaftsurkunde habe ich an Hutija ausgehändigt.“

Hier wird ganz deutlich, was mit „ehren“ bzw. „respektvoll behandeln“ gemeint ist: „nämlich die jährliche Versorgung mit Kleidung und Nah-rung bis zu seinem Tod und danach ein würdiges Begräbnis.“ Andere Texte lassen noch weiteres erkennen. So gehört dazu der Verzicht auf Prozesse gegen die (Adoptiv-)Eltern.

Das Elterngebot im Dekalog meint also „konkret die angemessene Ver-sorgung der alten Eltern mit Nahrung, Kleidung und Wohnung bis zu ihrem Tod, darüber hinaus einen respektvollen Umgang und eine wür-dige Behandlung, die trotz der Abnahme ihrer Lebenskraft ihrer Stellung als Eltern entspricht. Dazu gehört schließlich eine würdige Beerdigung.“

Nun entspricht das nicht nur ihrer Stellung als Eltern, sondern, hinein-gestellt in einen Zusammenhang mit dem Prolog [die Einleitung der Zehn Gebote: „Ich bin Adonai, dein Gott, der ich dich aus Ägypten, dem Haus der Sklavenherrschaft, geführt habe.] , auch ihrer Stellung als von Jahwe befreite Israeliten. Es geht darum, denen, die im Alter das Land nicht mehr selbst bebauen können, ein ihrem Status entsprechendes Leben zu gewährleisten. Sie können die Freiheit und das Land, auf dem sie beruht, nicht mehr selbst wahrnehmen. Ihre Freiheit - ihnen wie den Söhnen von Jahwe gewährt - realisiert sich ausschließlich noch über das Verhalten der Söhne. Das Gebot regelt also die Weitergabe der Freiheit durch die Kette der Generationen an ihrem schwächsten Glied.

Der Nachsatz, in dieser Form nur hier auftretend, deutet die realen, auf der Hand liegenden Konsequenzen an. Die Tage auf der von Jahwe verliehenen Ackererde (adama) können und werden in ihrer Länge dem Verhalten gegen die Eltern entsprechen. Damit wird das zukünftige ei-gene Schicksal den Angeredeten vor Augen gestellt.

aus: Bewahrung der Freiheit, S. 58 - 62 Das Thema des Dekalogs in sozialgeschichtlicher Perspektive Frank Crüsemann Kaiser Taschenbücher 128, ISBN: 3-579-05128-8

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Das Leben Martin Luthers

Der Charakter der Schriften und Reden Luthers sowie das Verhältnis des Reformators zu seiner Umwelt haben während seiner Lebenszeit starke Veränderungen erfahren. Luthers Leben lässt sich grob in vier große Ab-schnitte unterteilen. • Der erste Lebensabschnitt, der Luthers Kindheit, seine Universitätszeit und

seine Zeit als Augustinermönch umfasst, ist vor allem durch die Suche nach religiöser Erkenntnis gekennzeichnet. Luther wird später Universitäts-professor in Wittenberg.

• Als er endlich zur entscheidenden Erkenntnis gelangt, sieht er, dass in der Welt und der Kirche viele Fehler entstanden sind. Er begehrt gegen die Missstände in der Kirche auf und löst dabei heftige Reaktionen aus.

• Daraufhin muss sich Luther auf Weisung seines Kurfürsten auf der Wart-burg verstecken, die Bewegung der Reformation hat aber schon einige der Mächtigen des Landes erfasst und ist nicht mehr aufzuhalten. Luther kann nach Wittenberg zurückkehren, um seine Widersacher zu bekämpfen und seine Ideen praktisch umzusetzen.

• In den letzten Jahren ist der Reformator zwar nicht weniger tatkräftig, je-doch zeigen sich nun auch Resignation und seine Neigung zum Jähzorn in den Schriften und Worten des alternden Reformators.

Kurzbiographie 1483 (10.11.) Geburt in Eisleben 1505 Mönch in Erfurt 1512 Doktor der Theologie in Wittenberg 1517 Thesenanschlag 1521 Ächtung und Flucht auf die Wartburg 1522 Rückkehr nach Wittenberg 1525 Heirat mit Katharina von Bora 1534 Herausgabe der Bibel in deutscher Übersetzung 1546 (18.2.) Tod in Eisleben

aus: http://www.luther.de/leben/

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Die Lutherrose – Das Wappen Luthers

In einem Brief am 8. Juli 1530 beschreibt Martin Luther sein Wap-pen:

„Das erste sollte ein Kreuz sein - schwarz - im Herzen, das

seine natürliche Farbe hätte. Denn so man von Herzen

glaubt, wird man gerecht ... Solch Herz soll mitten in einer

weißen Rose stehen, anzeigen, dass der Glaube Freude,

Trost und Friede gibt ... darum soll die Rose weiß und nicht

rot sein; denn weiße Farbe ist der Geister und aller Engel

Farbe. Solche Rose steht im himmelfarbenen Feld, dass

solche Freude im Geist und Glauben ein Anfang ist der

himmlische Freude zukünftig .... Und um solch ein Feld ei-

nen goldenen Ring, dass solche Seligkeit im Himmel ewig

währt und kein Ende hat und auch köstlich über alle Freu-

de und Güter, wie das Gold das edelste köstlichste Erz ist

...“ - 49 - Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.

Martin Luthers Gebete

Die Segensworte des Reformators von 1529 haben bis heute ihre Aus-druckskraft behalten.

Der Morgensegen

Des Morgens, wenn du aufstehst, kannst du dich segnen mit dem Zei-chen des heiligen Kreuzes und sagen:

Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist! Amen

Darauf kniend oder stehend das Glaubensbekenntnis und das Vaterun-ser. Willst du, so kannst du dies Gebet dazu sprechen:

Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast, und bitte dich, du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel, dass dir all mein Tun und Leben gefalle. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hän-de. Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.

Alsdann mit Freuden an dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesun-gen oder was dir deine Andacht eingibt.

Der Abendsegen

Des Abends, wenn du zu Bett gehst, kannst du dich segnen mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes und sagen: Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist! Amen

Darauf kniend oder stehend das Glaubensbekenntnis und das Vaterun-ser. Willst du, so kannst du dies Gebet dazu sprechen:

Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diesen Tag gnädiglich behütet hast, und bitte dich, du wollest mir vergeben alle meine Sünde, wo ich Unrecht getan habe, und mich diese Nacht auch gnädiglich behüten. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hän-de. Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.

Alsdann flugs und fröhlich geschlafen. aus: Worauf es ankommt

Die wichtigsten Bibeltexte, Lieder und Gebete Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg, Stuttgart

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Legenden um Martin Luther

Der Blitz „Hilf du, Heilige Anna, ich will ein Mönch werden!" Ein Ereignis, das Luthers Leben tiefgreifend veränderte, fand am 2. Juli 1505 bei Stotternheim statt. Es sollte aus dem lebensfrohen Ju-rastudenten einen demütigen, nach der Gnade Gottes suchenden Mönch machen. Der gerade Magister gewordene Luther, der nun ein Jurastudium an der Universität Erfurt begonnen hatte, war auf der Rückreise von einem Besuch bei seinen Eltern, als er in einen schweren Sturm geriet. Nur noch ein paar Stunden von Erfurt entfernt, ereilte ihn ein schwe-res Gewitter. In seiner Nähe schlug ein Blitz ein, und er wurde sogar vom Luftdruck zu Boden geschleudert. In diesem Augenblick rief er die Heilige Anna an und gelobte: „Ich will ein Mönch werden." Luther äußerte sich später noch mehrmals über dieses Ereignis. Auch gilt es als sicher, dass er schon vor dem Erlebnis im Sturm mit dem Gedanken, Mönch zu werden, gespielt hat. Zum Zorn seines Vaters löst er das Gelübde auch ein: am 17.07. begibt sich Luther in das Schwarze Kloster zu Erfurt und wird Mönch.

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Der Wurf mit dem Tintenfass Seit seiner Kindheit wurde Luther von Teufeln, bösen Geistern und Dämonen belästigt... Er berichtet auch in späteren Zeiten häufig von derlei Ereignissen, vor allem in der Einsamkeit der Wartburg nahmen die Ängste vor solchen Angriffen stark zu. Luther schrieb ihnen seine Depressionen und Stimmungsschwankungen zu. Die Begründung für die ständige Angst vor dem Satan kann in der spätmittelalterlichen Religiosität im Elternhaus und während der Ausbildung gesehen werden. Luther wehrte sich gegen die ständigen Anfeindungen durch Gebet, „fröhliches Singen“ oder auch rigoroser: durch den Wurf mit dem Tintenfass: Luther soll sich, des Nachts durch den Teufel geweckt, mit einem beherzten Wurf mit dem Tintenfässchen gegen den Satan verteidigt haben. Luther selbst berichtet, dass er auf der Wartburg vom Teufel beläs-tigt worden sei. Seine Aussage aber, er habe „den Teufel mit Tinte vertrieben“, wird heute jedoch eher auf Luthers Bibelübersetzung bezogen, als auf die nächtlichen Kämpfe auf der Wartburg. Der Tintenfleck, der im letzten Jahrhundert noch in der Lutherstube auf der Wartburg zu sehen war, scheidet als Beweismittel jedoch aus - es gibt nicht wenige Berichte, nach denen der Fleck in den letzten Jahrhunderten oftmals nachgebessert, neu angebracht und nachgefärbt worden sein soll...

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Kaiser Karl am Grabe Luthers

Nach der Niederlage der Protestanten im Schmalkadischen Krieg (1546/47) der Schlacht bei Mühlberg stand das kaiserliche Heer vor den Toren Wittenbergs. So war der Kurfürst gezwungen, die „Wit-tenberger Kapitulation" zu unterzeichnen, in der er die Stadt übergab und auf die Kurwürde verzichtete. Der Kaiser ritt am 23. Mai 1547 in die Stadt und weilte dort auch in der Schlosskirche am Grabe seines großen Widersachers Luther. Über diese Begebenheit sind im Laufe der Jahrhunderte einige Le-genden entstanden, die jedoch nicht historisch belegt werden konn-ten. So spricht eine davon, dass der Kaiser am geöffneten Grab des Reformators dazu aufgefordert wurde, die Überreste dieses Ketzers noch nachträglich dem Scheiterhaufen zu übergeben. Der Kaiser soll darauf geantwortet haben: „Er hat seinen Richter gefunden. Ich führe Krieg mit den Lebenden und nicht mit den To-ten." Diese Aussage ist jedoch nicht durch Fakten belegt: Es findet sich in den Berichten Johannes Bugenhagens, der ansonsten ausführlich über den Besuch des Kaisers berichtet, kein Wort darüber. Eine andere Legende berichtet, man habe den Leichnam Luthers vorsorglich vor dem Anrücken des kaiserlichen Heeres aus dem Grabe entnommen und ihn an einem nur wenigen bekannten Ort beerdigt. Klarheit brachte eine am 14. Februar 1892 vorgenommene Öffnung des Grabes in der Schlosskirche: Das dort befindliche Grab ist die letzte Ruhestädte des Reformators.

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Luther und die Bäume

Luthereichen, Lutherlinden, Lutherbuchen und ein Ap-felbäumchen Bäume sind in allen Zeiten und in allen Religionen zu mythologischer Bedeutung, ja geradezu Verklärung gekommen - es sei nur an den 'Baum der Erkenntnis' erinnert. Auch in neuerer Zeit wurden viele Ereignis-se, die sich mit Bäumen oder deren Früchten befas-sen, zu Legenden - so der unter dem Apfelbaum sit-zende Newton. So beschäftigen sich auch viele 'Baumlegenden' mit Martin Luther, der sich in seiner freien Zeit gern in

Gärten aufhielt und sich an Bäumen und Blumen erfreute. Überall wurden und werden Luthereichen, Lutherbuchen oder Lu-therlinden gezeigt, die mit mehr oder weniger verbrieften Legenden verbunden sind. Eine der bekanntesten ist die Luthereiche in Wittenberg, über sie werden ebenfalls mehrere Legenden berichtet. Die Stelle, an der sich heute in Wittenberg die Luthereiche befindet, beschreibt den Platz, an dem Luther am 10. Dezember 1520 das Kirchengesetzbuch, die päpstliche Bannandrohungsbulle und Bü-cher seiner Gegner verbrannte. Die Legende berichtet nun folgendes: Ein Wittenberger Student - ein eifriger Anhänger Luthers - liebte ein Mädchen, dessen Großmutter jedoch der alten Kirche anhing.

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Am Tage der Verbrennung soll die Frau nun mit ihrer Enkelin aus Neugier zu besagter Stelle gewandert sein. Dort trafen sie auch auf den Studenten, der von Luthers Taten begeistert berichtete. Die Großmutter geriet darüber in Zorn, rammte ihren Spazierstock in die Erde und versprach dem Studenten, dass er nicht eher ihre Enkelin haben könne bis dieser Stock zu grünen begonnen habe. Der Student pflanzte nun an genau dieser Stelle eine junge Eiche. Im nächsten Frühjahr berichtete er der Großmutter von dem "Wun-der“... Die ursprüngliche Wittenberger Luthereiche - wie und von wem auch immer sie gepflanzt wurde - fällte man während der Napoleonischen Kriege, um dem Brennstoffmangel abzuhelfen. Die heutige Luthereiche wurde 1830 gepflanzt, sie wurde 1904 von einem Unbekannten angesägt. Heute leidet sie vor allem unter der Luftverschmutzung, aber auch unter den Spätfolgen dieses Anschlages“.

Luther und das Apfelbäumchen

Es ranken sich noch weitere Legenden um Luther und die Bäume. Eine der bekanntesten sei noch erwähnt: Der berühmte Spruch: „WENN ICH WÜSSTE, DASS MORGEN DIE WELT UNTERGINGE, WÜRDE ICH HEUTE EIN APFELBÄUMCHEN PFLANZEN!“ wird Luther in den Mund gelegt. Allerdings mag zu denken geben, dass der erste schriftliche Nach-weis dieses Spruches erst 1944 zu finden ist...

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Luther in Worms

„Hier stehe ich!“ - Luther auf dem Reichstag zu Worms

Die Vorgeschichte zum Reichstag Luther zieht mit einem Triumphzug in Worms ein. Jedoch auf dem Reichstag erwartet der Kaiser und Kirche von ihm den Widerruf seiner Thesen. Luthers Bücher werden auf einem Tisch platziert. Er wird nun gefragt, ob es sich um seine Schriften handele und ob er etwas daraus widerru-fen wolle. Luther erbittet sich Bedenkzeit, danach lehnt er jedoch mit der bekannt gewordenen Rede einen Widerruf ab: „Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, dass sie öfter geirrt und sich selbst wider-sprochen haben, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!“ Das Luther dem die berühmt gewordenen Worte „Hier stehe ich und kann nicht anders! Gott helfe mir, Amen!“ hinzugefügt haben soll, ist Legende. Es wurde wahrscheinlich nur hinzugefügt um die Geschichte interessanter zu machen und sie als große 'Pressesensation' darzustel-len.

Die Giftanschläge Ob in Worms oder zurück in Wittenberg - viele Legenden berichten da-von, dass Luthers Feinde ihn mit allen Mitteln aus dem Weg schaffen wollten. So sind einige Geschichten über Versuche, Luther mit Gift zu ermorden, überliefert. Diese Versuche scheiterten jedoch - bekanntlich - alle, ent-weder erholte sich der Reformator wieder oder die Gefäße mit den töd-lichen Getränken zerfielen kurz vor dem Genuss... aus: http://www.theology.de/theologie/fachbereiche/kirchengeschichte/reformationmartinlutherlegenden.php

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Katharina von Bora - Ein Lebensbild in Bildern

Anspiel 1. Szene

Ort: Kloster Marienthron in Nimbschen Zeit: 1517 Personen: Katharina von Bora, Ave von Schönfeld, Magdalena

von Bora Katharina: Ach Ave, wie schwer fällt mir heute mein Tagewerk. Ave: Bis zum Abendläuten müssen wir uns noch mühen.

Erst der Chorgesang beendet unser Tun für heute. Katharina: Das Sticken geht mir schwer von der Hand. Meine

Finger sind nicht so geschickt wie deine. Ave: Wir sticken diese Decke zur Ehre Gottes. Eines Ta-

ges wird sie unseren Altar schmücken. Katharina: Gewiss, unser Werk ist ein wahrer Gottesdienst.

Dennoch sehne ich mich nach einer anderen Aufga-be. Ich möchte...

Ave: Was möchtest du? Katharina: Ich möchte im Klostergarten arbeiten, möchte säen

und ernten. Ich möchte Heilkräuter wachsen sehen, die Sonne, den Wind und den Regen spüren.

Ave: Unsere ehrwürdige Mutter teilt uns unsere Aufgaben

zu. Vielleicht gibt sie dir den Auftrag. Katharina: Am liebsten möchte ich noch etwas anderes, aber

das darf ich nicht sagen. Ave: Mir kannst du es sagen. Ich werde schweigen.

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Katharina: Ich möchte aus der Klosterpforte schreiten, aus der Enge in die Weite, immer weiter, immer weiter gehen.

Ave: Und wohin? Katharina: Das Ziel kenne ich nicht. Ave: Wohin verlaufen sich deine Gedanken? Wir sind

Bräute Christi. Katharina: Mein Vater hat mich fürs Kloster bestimmt. Wie jung

war ich, als ich hierher kam! Ich habe später zuge-stimmt, Nonne zu werden, weil es keinen anderen Weg für mich gab. Doch sieh, da kommt Schwester Magdalena, meine Tante. Wie viel Trost hat sie mir schon gegeben. Als ich krank wurde, hat sie mich ge-pflegt. Muhme Lene hat gewiss eine Botschaft für uns.

Magdalena: Meine Kinder, so fleißig bei der Arbeit! Unsere ehr-

würdige Mutter sieht das gerne. Soeben habe ich sie gebeten, dass du, liebe Katharina, eine andere Auf-gabe bekommst, weil ich Hilfe brauche. Du sollst mir im Garten zur Hand gehen und Heilkunde in der Apo-theke lernen. Ich hoffe, es fällt dir nicht allzu schwer, dich von der Stickerei zu lösen.

Katharina: O Muhme Lene, ich danke dir. Aber was wird aus

Ave? Ave: Ich möchte lieber sticken. Die Arbeit im Garten ist zu

schwer für mich. Doch geh du mit Schwester Magda-lena. Gott will, dass wir nach unseren Gaben einge-setzt werden.

Magdalena: Ja, wir wollen Gottes Willen tun. Horcht, die Abend-

glocke ruft zum Gebet. Gelobt sei Jesus Christus. Alle: In Ewigkeit Amen.

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

2. Szene

Ort : Der Marktplatz zu Wittenberg Zeit: 1525 Zwei junge Frauen in bürgerlicher Kleidung sprechen miteinander. Sie haben Einkaufskörbe am Arm. Es sind Katharina und Ave, die mit sieben anderen Nonnen die Flucht aus dem Kloster wagten. Ave ist bei dem Maler Lukas Cranach, der auch Apothekenbesitzer ist, untergebracht. Katharina wohnt bei dem Stadtschreiber Reichen-bach. Katharina: Ave, du siehst so glücklich aus. Es muss dir Wohlge-

hen im Hause unseres Meisters Lukas Cranach. Ave: Gewiss, nun arbeite ich in der Apotheke und tue es

gerne. Katharina: Auch ich bin gerne bei Magister Reichenbach. Doch

gibt es in seinem Hause zu viele fleißige Hände. Ei-gentlich habe ich kaum etwas zu tun. Sag Ave, ob ihr mich wohl als Helferin in der Apotheke gebrauchen könnt? Du weißt doch, dass mich meine Muhme Lene im Kloster so manches gelehrt hat.

Ave: Gewiss doch. Ich will Meister Lukas fragen, zumal ich

ja auch bald andere Aufgaben zu erfüllen habe. Katharina: Du, Ave...? Ave: Ja, unser Arzt Dr. Basilius hat um mich geworben. Er

ist ein lieber, feiner Mann. Ich habe ihm mein Wort gegeben. Wir werden bald einen Hausstand gründen. Und du, Katharina? Man hört so allerlei. Hast du kei-ne Nachricht von Nürnberg?

Katharina: Du weißt von Hieronymus Baumgärtner? Er war mir

zugetan, hat mir die Ehe versprochen. Er fuhr nach Nürnberg, um die Erlaubnis der Eltern zu holen. Nie hat er mir geschrieben. Manchmal träume ich von ihm, dann ist er mir wieder fern gerückt. Ich kann mir ein Leben mit ihm noch gar nicht recht vorstellen.

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Ave: Habe Geduld, Katharina. Vertraue auf Gott. Hat er uns aus dem Kloster geführt, wird er auch unser wei-teres Leben begleiten.

Katharina: Eine unverheiratete Frau hat es nicht leicht, ein bür-

gerliches Leben zu führen. Die Klostermauern gaben uns wenigstens Schutz. Nun ist meine Zukunft unsi-cher geworden. Der Vater lebt nicht mehr, zur Stief-mutter kann ich nicht, die Brüder sind arm. So bin ich hier in Wittenberg heimat- und mittellos.

Ave: Und wenn Hieronymus nicht wiederkommt? Katharina: Magister Glatz hat um meine Hand angehalten. Doch

ihn will ich nicht. Ave: So wählerisch, Käthe? Katharina: Es kann nicht der Wille Gottes sein, einen ungeliebten

Mann zu heiraten. Eher bleibe ich alleine und übe die Heilkunst wie im Kloster. Da ist freilich einer, wenn er mich fragen würde...

Ave: Darf ich raten? Katharina: Still, da kommt Doktor Luther. Martin Luther: Gott zum Gruß, meine lieben Jungfrauen. Der Tag ist

so schön, aber die Welt voller Aufruhr. Die Bauern haben sich zusammengerottet. Sie brandschatzen und morden. Das viele Blutvergießen!! Ich habe es nicht gewollt. Ich habe von der Freiheit gesprochen, gemeint, dass der Mensch frei sein sollte für Gottes Werk. Wie schwer ist es doch, frei zu leben, ohne dem anderen zu schaden.

Ave: Lieber Doktor, ich muss jetzt gehen, Katharina lebe

wohl. Komm morgen zu Meister Lukas und frage ihn, ob er dich in der Apotheke gebrauchen kann.

Martin Luther: Katharina, Ihr wollt in der Apotheke arbeiten?

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Katharina: Das habe ich im Kloster Nimbschen auch getan. Es wird mir Freude machen.

Martin Luther: Katharina, ich habe keine gute Botschaft für Euch.

Baumgärtner wird nimmermehr zurückkommen. Die Eltern leiden es nicht.

Katharina: Nun ist auch diese Hoffnung zunichte. Was wird aus

mir? Martin Luther: Sorget nicht für Euer Leben, sagt unser Herr Jesus

Christus. Katharina: Ihr sorgt Euch doch auch Herr Doktor, Ihr sorgt Euch

um die ganze Welt. Martin Luther: Verehrte Jungfrau Katharina. Kommt bald einmal ins

Schwarze Kloster. Wir wollen Eure Zukunft bedenken. Gott hat immer einen Weg.

3. Szene

Ort: Das Schwarze Kloster zu Wittenberg, Wohnhaus der Familie Luther.

Zeit: 1530 Personen: Katharina, die Muhme Lene, ein Bote, Hänschen,

Martin Luther Katharina und ihre Muhme Lene sitzen in der Wohnstube mit Flick-zeug beschäftigt. Muhme Lene: Käthe, hast du Nachricht von unserem lieben Marti-

nus? Katharina: Schon lange nicht mehr. Seit Wochen weilt er nun

schon auf der Veste Coburg. Anfangs hat er ge-schrieben. Recht munter und fröhlich.

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Von der gewaltigen Burg, in der er wiederum wie ein Gefangener lebt wie weiland auf der Wartburg, ob-wohl er die Veste jederzeit verlassen kann. Er möchte freilich nicht, denn ganz in der Nähe, in der Stadt Augsburg, sind die Herren vom Reich und die Großen der Kirche zusammengekommen, um über das Schicksal der Evangelischen zu beraten. Seine Freunde wollten unseren Doktor nicht bei den Ver-handlungen haben. Sie hatten Sorge um sein Leben. Denn noch liegt der Bann über ihm. So ist er zu sei-nem eigenen Schutz auf der Veste Coburg geblieben, um auf dem Laufenden zu bleiben. Da hat er nun Zeit, die Krähen zu beobachten, die - wie er schreibt - mit viel Geschrei auch einen großen Reichstag wie den in Augsburg veranstalten. Ja, immer hat Martinus noch einen Scherz bereit. Aber jetzt kein Wort mehr, ob er krank ist?

Muhme Lene: Wir haben ihm doch allerhand Tränklein und Kräuter

mit auf den Weg gegeben. Aber unser gelehrter Herr ist manchmal sehr unvernünftig. Tagelang fastet er, und dann isst er zu üppig. Das Bier bekommt ihm auch nicht immer.

Katharina: Ihm schmeckt eigentlich nur mein Bier, sagt er. Muhme Lene: Das kann er freilich nicht immer bei sich haben. Katharina: Die Kinder wachsen heran. Hans hat sein viertes Jahr

vollendet, und Lenchen ist bald ein Jahr. Hans kennt den Vater bald nicht mehr. Ich habe Martinus ge-schrieben, er solle Hans einen besonderen Brief schi-cken. Lenchen habe ich malen lassen, damit er sein Töchterchen immer anschauen kann.

Muhme Lene: Es klopft an der Tür. Katharina: Wer mag es sein?

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Muhme Lene: Ich öffne. Es ist gewiss ein Bettler, der die Wahrheit

über Katharinas Gefühle zu Luther gestalten mag, mit diesem Brief findet sich ein bis heute erschütterndes Zeugnis der innigen Verbundenheit. Zu der Trauer kamen alsbald häusliche Sorgen hinzu, kannte das 16. Jahrhundert doch keine allgemein geregelte Wit-wenrente. Katharinas letzte Worte auf ihrem Sterbe-bett in Torgau. „Ach, mein Herr Christus, wenn du vorübergingest, ich wollte nicht nur den Saum deines Kleides berüh-ren, ich wollte wie eine Klette an deinem Kleid kleben. Hilf mir doch, so hilf mir doch! Will es denn gar nicht Morgen werden?“ Wer eine warme Suppe möchte. Immer kommen die Brüder zu uns, weil unsere Tür of-fen ist.

Muhme Lene geht und kommt zurück. Ein Bote steht vor der Tür. Er hat Nachricht von Martinus. Katharina: Lass ihn herein. Bote: Gott zum Gruß, gnädige Frau Lutherin. Unser Herr

Doktor lässt Euch grüßen. Diese Briefe schickt er Euch. Hänschen hat auch einen Brief bekommen.

Katharina: Hänschen, wo ist Hans? Holt ihn herein! Hans: Mutter, Mutter, schaut das schöne Spiel! Katharina: Ja, lieber Hans, dein Vater hat Briefe gesandt. Wir

wollen hören, was er schreibt. Lies vor, lieber Bote. Bote: Ja gewiss. Katharina: Den Brief musst du aufbewahren, lieber Hans, er ist

zu schön. Einige Zeit später in derselben Stube. Katharina: Horch, ein Wagen. Wer kommt?

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Muhme Lene: o wenn es doch Martinus wäre! Luther kommt persönlich und umarmt Katharina, auch die Muhme Lene bekommt einen Kuss: Meine Käthe, meine Käthe, ich bin wieder da. Gottlob, es ist alles zu einem guten Ende gekommen. Wir werden weiter das Evangelium verkünden. Kaiser und Reich können uns nichts anhaben. Danken wir Gott, dass ich wieder in meiner Stadt Wittenberg und bei dir, mei-ner lieben Käthe, und unserer treuen Muhme und den Kindern bin.

4. Szene Ort: Das Schwarze Kloster in Wittenberg Zeit: Februar 1546 Personen: Katharina Luther, Hans Luther, Melanchton (Mitrefor-

mator und Freund Luthers) Katharina steht allein in der Wohnstube. Die Muhme Lene lebt nicht mehr. Katharina: Mir ist so bang. Ich weiß nicht warum. Martinus und

die Söhne sind trotz der Eiseskälte nach Eisleben ge-fahren. Martinus soll den Streit der Grafen von Mans-feld schlichten. Ich wollte ihn nicht ziehen lassen. Doch er hat gelacht. Käthe, ich muss diesen Ruf hö-ren. Ich kann nicht anders. Lass mich ziehen. Es ge-schieht alles nach Gottes Willen. Und von unterwegs hat er mir sechs Briefe gesandt. Ich soll ihn nicht mit meinen Sorgen quälen, sonst falle noch ein Ziegel auf sein Haupt und erschlage ihn. Rau ist seine Sprache, aber herzlich. Aus allen Briefen ersehe ich, dass er mich liebt. Ich fürchte um sein Leben. Was wird, wenn er nicht mehr ist? Was wird aus der Kirche? Was wird aus den Kindern und mir? Glocken läuten, ich höre Menschen auf der Straße (schaut hinaus). Viele kommen auf das Kloster zu. Da ist Hans.

Hans: Mutter! Katharina: Wo ist der Vater?

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Hans: Er ist nicht mehr... Katharina: Das kann nicht sein! Was soll werden? (klammert sich

an Hans) Melanchthon: (dahinter viele Menschen)

Er starb im Frieden Gottes. Seine Gedanken waren bei der Kirche, aber auch bei Euch. Er hat für Euch gesorgt. Wir, seine Freunde, werden Euch nicht ver-lassen. Ihr müsst nun sehr tapfer sein. Gott wird mit Euch sein, wie er mit uns ist.

Katharina: Nun ist es wie am Anfang. Ich bin allein. Mein Gott,

verlass uns nicht ... Ich kann weder essen noch trin-ken (1546 - 1550).

Obwohl oft befürchtet, traf die Nachricht vom Tode ihres Ehemannes Katharina tief. Nur zu diesem Zeitpunkt überliefert uns ein Brief ihre Gefühle und ihren inneren Zustand. An ihre Schwägerin Christine, die Mutter des Florian, schrieb sie am 25. April 1546:

„Dass Ihr ein herzliches Mitleiden mit mir und meinen armen Kindern habt, glaube ich leicht. Denn wer sollte nicht billig betrübt und beküm-mert sein wegen eines solchen teuren Mannes, wie es mein lieber Herr gewesen ist, der nicht allein einer Stadt oder nur einem Land, sondern der ganzen Welt viel gedient hat. Deswegen bin ich wahrhaftig so sehr betrübt, dass ich mein großes Herzeleid keinem Menschen sagen kann und ich weiß nicht, wie mir zu Sinn und zu Mut ist. Ich kann weder essen noch trinken. Auch dazu nicht schlafen. Und wenn ich ein Fürstentum oder Kaisertum gehabt hätte, hätte es mir darum nicht so leid getan, falls ich es verloren hätte, als dass nun unser lieber Herr Gott mir und nicht alleine mir, sondern der gan-zen Welt diesen lieben und teuren Mann ge-nommen hat. Wenn ich daran denke, so kann ich vor Leid und Weinen (was Gott wohl weiß) weder reden noch schreiben lassen.“

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Ein’ feste Burg

„Ein feste Burg ist unser Gott“ ist ein Kirchenlied, das 1529 von Mar-tin Luther geschrieben und komponiert wurde. Der Text ist angelehnt an den Psalm 46, „Gott ist unsre Zuversicht und Stärke“. Die Frage, ob Luther die Melodie tatsächlich komponiert hat, spaltete im 19. Jahrhundert die Musikwissenschaftler. Die Au-torschaft Luthers gilt heute jedoch als gesichert. Ursprünglich von Luther als Kampflied gegen die osmanischen Invasoren verfasstes Lied (Prof. Dr. Korn, FAZ 27.10.2008, Seite 8). Das Lied ist für den Protestantismus von großer Symbolkraft; Heinrich Heine bezeichne-te es als „Marseillaisehymne der Reformation“. Johann Sebastian Bach legte die Melodie des Lieds seiner Kantate BWV 80 zugrunde; Felix Mendelssohn Bartholdy verwendete sie im letzten Satz seiner 5. Sinfonie, der „Reformations-Sinfonie“. In Gia-como Meyerbeers Oper Die Hugenotten ist die Melodie ein häufig wiederkehrendes Motiv. Auch in Richard Strauss' Oper Friedenstag, die am Ende des Dreißigjährigen Kriegs spielt, klingt sie an. Max Reger verwendet die Melodie in seinem Choralvorspiel Ein feste Burg ist unser Gott op. 135 a, Nr. 5.

Ein’ feste Burg ist unser Gott, Ein gute Wehr und Waffen;

Er hilft uns frei aus aller Not, Die uns jetzt hat betroffen.

Der alt’ böse Feind, Mit Ernst er’s jetzt meint, Gross’ Macht und viel List

Sein’ grausam’ Ruestung ist, Auf Erd’ ist nicht seingleichen.

Mit unsrer Macht is nichts getan,

Wir sind gar bald verloren; Es steit’t für uns der rechte Mann,

Den Gott hat selbst erkoren. Fragst du, wer der ist?

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„Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober „Hier stehe ich und kann nicht anders“ – Reformationstag, 31. Oktober

Er heißt Jesu Christ, Der Herr Zebaoth,

Und ist kein andrer Gott, Das Feld muss er behalten.

Und wenn die Welt voll Teufel wär’

Und wollt’ uns gar verschlingen, So fürchten wir uns nicht so sehr,

Es soll uns doch gelingen. Der Fürst dieser Welt, Wie sau’r er sich stellt, Tut er uns doch nicht,

Das macht, er ist gericht’t, Ein Wörtlein kann ihn fällen.

Das Wort sie sollen lassen stahn

Und kein’n Dank dazu haben; Er ist bei uns wohl auf dem Plan

Mit seinem Geist und Gaben. Nehmen sie den Leib,

Gut, Ehr’, Kind und Weib: Lass fahren dahin,

Sie haben’s kein’n Gewinn, Das Reich muss uns doch bleiben.

aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Ein_feste_Burg_ist_unser_Gott

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