Ambulante Versorgung von Patienten mit...

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Ambulante Versorgung von Patienten mit Dekubitus Leitfaden der Deutschen Dekubitus Liga e.V. – ddl - 2009

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Ambulante Versorgung von Patienten mit Dekubitus

Leitfaden der Deutschen Dekubitus Liga e.V. – ddl - 2009

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I

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Impressum

© Deutsche Dekubitus Liga e.V. 1. Auflage, Stand April 2009 Alle Rechte vorbehalten einschließlich Übersetzung in andere Sprachen. Kein Be-standteil dieses Leitfadens darf außerhalb des Urheberrechts in gedruckter Form, als Kopie oder in anderer Weise vervielfältigt werden. Gleiches gilt für die Ver-wendung in Datenbanken, Übertragung in andere Dateisysteme und den Verkauf ohne schriftliche Genehmigung durch die ddl. Kontakt: Deutsche Dekubitus Liga e.V. Dovestraße 6 D-10587 Berlin Tel: 030 / 314-25111 Fax: 030 / 314-23719 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.deutsche-dekubitusliga.de

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Vorwort Die Deutsche Dekubitus Liga (ddl) ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Berlin. Sie gründete sich 2006 zunächst als interdisziplinärer Zusammenschluss von Ärzten, Ingenieuren, Pflegewissenschaftlern, Pflegepraktikern und Therapeuten, die sich seit vielen Jahren je-weils aus ihrer Perspektive mit dem Thema Dekubitus befassen. In regelmäßigen Treffen diskutierten die Mitglieder die unterschied-lichsten Aspekte aus Forschung, Wissenschaft und Praxis, die im vorliegenden Leitfaden zusammengefasst sind.

Berlin, 22. April 2009

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III

Inhalt

Impressum, Vorwort, Inhaltsverzeichnis I, II, III-VI

1.

1.1.

1.2.

Einleitung

Vorbemerkungen

Erläuterungen zum Leitfaden

„Ambulante Versorgung von Patienten mit Dekubitus“

1

1

3

2. Dekubitus als gesellschaftliches Problem 5

3.

3.1.

3.2.

3.2.1.

3.2.2.

3.3.

3.3.1.

3.3.2.

3.4.

3.4.1.

3.4.2.

3.4.2.1.

3.4.2.2.

3.4.2.3.

3.4.2.4.

3.5.

3.5.1.

3.5.1.1.

3.5.1.2.

3.5.1.3.

3.5.1.4.

3.5.1.5.

3.5.1.6.

3.5.1.7.

3.5.1.8.

3.5.1.9.

3.5.2.

3.5.2.1.

3.5.2.2.

Grundlagen aus Forschung und Praxis

Dekubitus: Definition, Physiologie und Pathophysiologie

Gewebsdurchblutung und Zellversorgung

Selbstregulierungsmechanismen des Körpers

Mechanismen der Druckverteilung

Klassifizierung von Dekubitalulzera

Klassifizierung nach EPUAP

Numerische Klassifizierung nach ICD 10 GM

Epidemiologie von Dekubitalulzera in Deutschland

Bundesweite Prävalenzerhebung

Lokale Prävalenzraten

Universitätsklinikum Essen

Kreiskrankenhäuser Landkreis Ostalbkreis

Erhebung in Bayern

Wie mit den verwirrenden Zahlen umgehen?

Dekubitusrisiko

Risikofaktoren

Immobilität

Herabgesetzte Gewebetoleranz

Reibung und Scherkräfte

Ungünstige Kraftverteilung

Eingeschränkte sensorische Wahrnehmung

Medikamente

Schmerz als Risikofaktor bei der Dekubitusprophylaxe

Schmerz- und Wahrnehmungsverlust bei chronischen Erkran-

kungen

Kognitive Wahrnehmungsstörungen

Risikoeinschätzung

Standardisierte Risikoeinschätzung (Risikoskalen)

Kritische Anmerkungen zur Verwendung von Skalen

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IV

3.6.

3.6.1.

3.6.2.

3.6.3

3.6.4.

3.6.5.

3.6.6.

3.6.7.

3.6.8.

3.6.9.

3.6.9.1.

3.6.9.2.

3.6.9.3.

3.6.9.4.

Prophylaktische Maßnahmen

Maßnahmen zur Druckverteilung / Druckentlastung

Maßnahmen zur Verminderung von Reibung und Scherkräften

Maßnahmen zur Erhöhung der Haut- und Gewebetoleranz

Ernährung

Medizinische Hautpflege

Dekubitusprophylaxe unter schmerztherapeutischen Aspekten

- Schmerzdokumentation und Schmerzmessung -

Fazit zur Schmerztherapie

Schlussfolgerungen

Bewegungs- und Wahrnehmungsförderung als Maßnahmen der

Dekubitusprophylaxe

Einführung

Negative Auswirkungen des dauerhaften Liegens

Maßnahmen zur Bewegungs- und Wahrnehmungsförderung im

Hinblick auf die Dekubitusprophylaxe

Bewegungsfördernde Maßnahmen im pflegetherapeutischen

Prozess – bezogen auf die Dekubitusprophylaxe

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4.1.

4.2.

4.2.1.

4.3.

4.3.1.

4.3.2.

4.3.3.

4.3.4.

4.3.4.1.

4.3.4.2.

4.3.4.3.

4.3.4.4.

4.3.5.

4.3.6.

4.3.6.1.

4.3.6.2.

Therapie des bestehenden Dekubitus

Vorbemerkungen

Wundspezifische Datenerhebung (Assessment)

Wundbeschreibung

Therapeutische Maßnahmen

Wundspezifische Maßnahmen zur Dekubitusbehandlung

Hygienische und fachgerechte Wundversorgung

Verbandmittelversorgung

Schulung – Beratung – Anleitung

Sicht des Patienten

Sicht der Pflegekraft

Sicht des Arztes

Sicht der Kostenträger

Verlaufsdokumentation der Wundsituation

Antidekubitus-Hilfsmittel zur Prophylaxe und Therapie

Auswahl von Antidekubitus-Hilfsmitteln

Arbeitsprinzipien der Hilfsmittel gegen Dekubitus

a) Entwicklungsgeschichtlicher Hinweis

b) Die Wirkung der Arbeitsprinzipien im Einzelnen

- Weichlagerung –

- Luftgefüllte Weichlagerungssysteme –

- Kritische Anmerkungen zur Weichlagerung –

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V

4.3.6.3.

4.3.6.4.

4.4.

- Wechseldruck bzw. Umlagerung –

- Intermittierende Belastung (Wechseldrucksysteme)

und luftgefüllte Seitenlagerungssysteme –

- Dynamische Lagerung –

- Kritische Anmerkungen zu Wechseldruck und Umlagerung -

- Temporäre Freilagerung –

- Kritische Anmerkungen zu Freilagerungshilfsmitteln –

- Wahrnehmungsförderung –

- Aktive Belüftung der Auflagefläche –

- Kritische Anmerkungen zur aktiven Belüftung –

Anti-Dekubitushilfen

- Liegehilfen –

- Sitzhilfen –

- Statische Positionierungshilfen –

Obsolete Produkte / Maßnahmen

Empfehlungen aus nationalen und internationale Leitlinien

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5.1.1.

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5.1.1.5.

5.2.

5.3.

5.4.

5.5.

5.6.

5.6.1.

5.6.2.

5.6.3.

5.6.4.

5.6.5.

5.6.6.

Juristische Aspekte der Dekubitusversorgung

Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)

Hilfsmittelversorgung

Anspruchsgrundlage

Definitionen Hilfsmittel

Ziele der Hilfsmittel

Ordnungssysteme – aber keine „Positivlisten“: -

Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelverzeichnis

Kostentragung

Heilmittelversorgung

Arzneimittelversorgung

Verbandmittelversorgung

Häusliche Krankenpflege

Pflegerecht – Verantwortlichkeiten für alle Beteiligten

Allgemeines

Definitionen: Grund- und Behandlungspflege

Delegationsrecht und Kontrollpflicht des Arztes

Standpunkt der Krankenkassen

Dokumentation von Leistungen und Beobachtungen

Dekubitus - grundsätzlich ein Pflegefehler ?

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6.

6.1.

6.2.

6.3.

6.4.

Leitsätze - gerichtet an die Beteiligten

Leitsätze – gerichtet an Politiker

Leitsätze – gerichtet an Kostenträger

Leitsätze – gerichtet an Pflegende –

Leitsätze – gerichtet an den Hausarzt

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7. Schlußwort 99

8.

8.1.

8.2.

8.3.

8.4.

8.5.

8.6.

8.7.

8.8.

8.9.

8.10.

8.11.

8.12.

8.13.

8.14.

8.15.

Anhang

Braden Skala (englisch)

Braden Skala (deutsch)

Braden Q (englisch)

Braden Q (deutsch)

Norton Skala (englisch)

Norton Skala (deutsch)

Norton Skala - modifiziert (englisch)

Norton Skala - modifiziert(deutsch)

Waterlow Skala (englisch)

Waterlow Skala (deutsch)

Dokumentationssystem

Pflegestandard Prophylaxe eines Dekubitus (DekuPr)

(UKT, Auszug)

Fingerdrucktest Ferse

Erhebungsbogen BVMed

Erhebungsbogen PG 11 - Anlage zum Hilfsmittelverzeichnis

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9. Stichwortverzeichnis / Glossar 139

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1. Einleitung

1.1. Vorbemerkungen Die Vielzahl aktueller Initiativen, Studien und Publikationen zum Thema „Dekubitus“ belegen, dass die Behandlung von Dekubitalul-zera nach wie vor zu der wichtigsten Herausforderung in der am-bulanten und stationären Pflege zählt. Die ethische und gesund-heitsökonomische Dimension wird mit jeder neuen Prävalenzstudie, zuletzt durch den 2. Bericht des MDK zur „Qualität in der ambulan-ten und stationären Pflege“, dokumentiert (1). Die Herausforderung „Dekubitus“ besteht darin, ihn zu vermeiden, und wenn doch eingetreten, ihn effektiv und nachhaltig zu bessern und zu heilen. Denn trotz medizinischer Erkenntnisse und vieler statistischer Daten über die Ursachen und Zusammenhänge bei der Entstehung eines Dekubitus und trotz technologischer Weiterentwi-cklung von Hilfsmitteln und zunehmender Professionalisierung der Pflege ist die Situation in der Versorgungspraxis mangelhaft. Fehlende oder fehlerhafte Einschätzung von Dekubitusrisiken, eine ungenügende Steuerung der Versorgung durch die jeweiligen Ver-antwortlichen (2) hoher bürokratischer Aufwand mit zu langen Be-arbeitungszeiten bei der Genehmigung von Hilfsmitteln (3) sowie mangelnde Verantwortung und Wissensdefizite bei der Auswahl und Anwendung von Therapien sind nur einige Gründe, die zu dieser un-zureichenden Versorgung der betroffenen Patienten führen. Der Verweis auf den allgegenwärtigen Kostendruck ist angesichts der physischen und psychischen Belastungen eines Patienten mit Dekubitus inakzeptabel. Die Versorgung eines Patienten erfordert angemessene Ressourcen. Allerdings ist die wichtigste Vorausset-zung für eine erfolgreiche Versorgung die konsequente Umsetzung vorhandenen Wissens und ein verantwortungsvolles, kooperatives Zusammenwirken aller Beteiligten. Aus diesem Grund bildet der vorliegende Leitfaden zunächst noch einmal das Wissen zum Thema „Dekubitus“ ab. Auf der Basis dieser Wissensgrundlage werden dann in einem zweiten Schritt konkrete Umsetzungs- und Handlungsempfehlungen für die am Versorgungs-prozess Beteiligten abgeleitet. Querverweise in den jeweiligen Handlungsempfehlungen heben die Notwendigkeit der Kommunika-tion zwischen den einzelnen Berufsgruppen hervor. Neben geson-derten Handlungsempfehlungen für Pflegekräfte, für Ärzte in der ambulanten Versorgung, für Hilfskräfte in stationären Einrichtungen und für Sachbearbeiter bei den Kostenträgern wird auch den Emp-fehlungen für Patienten und Angehörige besondere Beachtung ge-schenkt.

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Der an der Pflege beteiligte Angehörige soll für die kritischen As-pekte der Dekubitusprävention und -therapie sensibilisiert und da-durch in die Lage versetzt werden, die Versorgung mitzugestalten. Die Verbindung aus Leitfaden und Handlungsempfehlungen soll dem nach allen Beteiligten Orientierung und Anstoß geben, die schwieri-ge Lebenssituation der unter Dekubitalulzera leidenden Patienten zu verbessern. Literatur: 1) Qualität in der ambulanten und stationären Pflege - 2. Bericht des MDS nach

§ 118 Abs. 4 SGB XI, Essen 2007; S.17, S. 20 2) Expertise Hilfsmittelversorgung, Deutsche Vereinigung für Rehabilitation

(DVfR), Heidelberg, Oktober 2006, S. 9,10 3) „Pflege ohne Druck“, Fraunhofer Institut, München 2005

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1.2. Erläuterungen zum Leitfaden „Ambulante Versorgung von Patienten mit Dekubitus“

Die Deutsche Dekubitus Liga (ddl) hat sich zum vordringlichen Ziel gesetzt, die prophylaktische und therapeutische Versorgung von Patienten mit oder mit drohendem Dekubitus in Deutschland zu verbessern. Ziel des Leitfadens ist es, die medizinische, pflegeri-sche und medizintechnische Versorgung von Menschen mit Deku-bitusrisiko oder mit bereits bestehendem Dekubitus zu verbessern. Dieser Leitfaden richtet sich vornehmlich an den nicht-klinischen Bereich. Er soll helfen, vor allem an den Schnittstellen zwischen Klinik und ambulanter Betreuung, also bei Aufnahme und Entlassung eines Risikopatienten, eine Dekubitusprophylaxe und –therapie lü-ckenlos fortzuführen. Er ist eine Auswahl von Handlungsempfehlun-gen für den täglichen Gebrauch und richtet sich an folgende Ziel-gruppen:

- professionelle Pflegekräfte, - Ärzte in der ambulanten Versorgung, - Hilfskräfte in stationären Einrichtungen, - Sachbearbeiter bei den Kostenträgern, - an der Pflege beteiligte Angehörige, - Patienten

und - Sozialpolitiker.

Der Leitfaden soll Anregungen und Hinweise zum eigenen Handeln für den jeweiligen Nutzer einer Zielgruppe geben und bei der Wei-terentwicklung von Versorgungsstandards Unterstützung bieten. Ein weiteres Ziel des Leitfadens ist es, die Zusammenarbeit zwischen Pflegenden und Ärzten zu optimieren. Der Leitfaden ersetzt nicht ein Lehrbuch oder medizinische Leit-linien. Es ist aber erklärtes Ziel der Deutschen Dekubitus Liga, eine interdisziplinäre Diskussion zu initiieren sowie auch die wissen-schaftlichen Fachgesellschaften hierzu anzuregen. Fachgesellschaften geben „Leitlinien“ mit offiziellem Charakter zu ihren jeweiligen Fachthemen heraus. Wir benutzen den Begriff „Fa-den“, um uns deutlich von evidenzbasierten Leitlinien abzusetzen und haben dabei nach bestem Wissen und Gewissen vor, den jewei-ligen Nutzer einer Zielgruppe aus dem Labyrinth der unzähligen wissenschaftlichen Empfehlungen und Gesetzesvorlagen heraus-zuführen und ihm Anweisungen für den täglichen Gebrauch an die Hand zu geben. Soweit möglich, wurden die Handlungsempfehlun-gen auf Basis der Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Untersuchun-gen erstellt. Dort, wo keine oder nur unzureichende Erkenntnisse vorlagen, stehen die Empfehlungen auf der Basis eines Konsensus.

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Dieser Leitfaden soll ein lebendes Dokument sein, das durch ak-tuelle Informationen ständig auf dem Laufenden gehalten wird. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass in diesem Basisdokument die Kapitel Verbandmaterialien und Ernährung nur gestreift wer-den. Hier sind einige Untersuchungen angekündigt, die wir in einer Ergänzungslieferung nachreichen. Damit der Leitfaden eine breite Basis abdeckt und möglichst alle Aspekte der Versorgung beinhaltet, wurde in der ddl eine interdis-ziplinär besetzte Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Auch wurde – wo Expertise nötig - externer Sachverstand zu Rate gezogen. Der Leitfaden richtet sich ausdrücklich an Anwender aller Berufs-gruppen (Pflege, Medizin, Technik) und Ausbildungsgrade (profes-sionelle Kräfte, Patienten, pflegende Laien). Er enthält pflegeri-sche, ärztliche und rechtliche Handlungsempfehlungen zur Dekubi-tusprophylaxe und -therapie, die in der täglichen Versorgung von Patienten mit Dekubitus und Patienten mit Dekubitusrisiko benötigt werden.

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2. Dekubitus als gesellschaftliches Problem Dekubitalulzera sind ein großes Gesundheitsproblem (1), welche trotz beständiger Aufmerksamkeit viele Grunderkrankungen immer wieder begleiten. Ein Dekubitus ist eine schmerzhafte Komplikation mit erheblichen zusätzlichen Beeinträchtigungen (2). Die durch die Grunderkrankung schon eingeschränkte Selbstständigkeit wird wei-ter beschnitten. Die soziale Isolation des Patienten schreitet fort, die Lebensqualität schwindet weiter (3). Auch belastet die schlech-te Prognose den Betroffenen enorm. Sind Druckgeschwüre erst ein-mal entstanden, ist deren Heilung schwierig und langwierig (4). Trotz gut verfügbarer wissenschaftlicher Erkenntnisse werden heute noch veraltete und sogar schädliche Behandlungsmethoden ange-wandt. Ein manchmal mangelhafter Informationsfluss und verschie-dentlich ungenügende Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflege-kräften und Kostenträgern verlängern das Leiden der Betroffenen oft unnötig. Diese Verlängerung führt auch zu erheblichen Mehrkos ten. Eine komplizierte Verschreibungs-, Antrags- und Bewilligungs praxis von vorbeugenden Maßnahmen und Hilfsmitteln erschwert die Situation (5). In Deutschland leiden ca. 750 Tausend bis 1,5 Millionen Menschen an einem Dekubitus (6). Diese eigenständige Erkrankung erscheint leider oft nur als untergeordneter Nebenbefund in medizinisch-pfle-gerischen Aufzeichnungen. Sie stigmatisiert in mehrerer Hinsicht sowohl den Patienten als auch die pflegerische Umgebung. Immo-bile, kranke und ältere Menschen aller Einrichtungen des Gesund-heitswesens, aber auch Pflegebedürftige in der häuslichen Umge-bung erkranken daran (7). In deutschen Kliniken liegt die Dekubitus-prävalenz bei 15,1 %. Ein substantieller Teil der Patienten entwi-ckelt einen Dekubitus während des Krankenhausaufenthalts (8). Da im Krankenhaus die Heilung eines Dekubitus oft nicht abgewar-tet werden kann, entstehen die Folgekosten in der ambulanten Wei terbetreuung (7). In der häuslichen Umgebung wird nach Schät-zungen von Experten eine Dekubitusprävalenz von 20% erreicht (7). Infolge ansteigender Alterung der Bevölkerung und Zunahme chroni-scher Erkrankungen wird die Anzahl von Dekubitalulzera zukünftig weiter ansteigen (7). Die Behandlung des Dekubitus verursacht in Deutschland jährlich Kosten in Höhe von 1 bis 4 Milliarden Euro (3). Nach dem Gesundheitsbericht des Bundes (9) kann die Hälfte dieser Kosten durch standardisierte Prophylaxemaßnahmen und optimierte Therapie eingespart werden.

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Literatur: 1. Quality Improvement Program to Reduce the Prevalence of Pressure Ulcers in

an Intensive Care Unit. Rosalind Elliott, RN, MN; Sharon McKinley, RN, PhD; Vicki Fox, RN, BN, Intensive Care Nursing Cert; Journal Article, Am J Crit Care, July 2008

2. 2Pressure ulcer pain. Rastinehad D.; J Wound Ostomy Continence Nurs. 2006 May-Jun;33(3):252-7.

3. Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege, Entwicklung – Konsen-tierung – Implementierung (Februar 2004), Deutsches Netzwerk für Qualitäts-entwicklung in der Pflege (DNQP), ISBN-13: 978-3-00-009033-2, (ISBN-10: 3-00-009033-9)

4. Comparison of pressure ulcer treatments in long-term care facilities: clinical outcomes and impact on cost. Narayanan S, Van Vleet J, Strunk B, Ross RN, Gray M.;J Wound Ostomy Continence Nurs. 2005 May-Jun;32(3):163-70.

5. Quality management in decubitus prevention. Leffmann, CJ.; Z Gerontol. Geriatr. 2004 Apr;37(2):100-8.

6. Pressure ulcer prevalence in Germany: results of a cross-sectional study in 2006.; Kottner J, Mertens E, Dassen T.; Pflege Z. 2007 Jan;60(1):28-31. German.

7. "Leistungserfassung in der Pflege" (LEP) nursing interventions relevant for the situation of acute .; BMC Nurs, January 2008

8. Pressure ulcer: Prevention protocols and prevalence. National standard of the Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) and the European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP).J Eval Clin Pract. Dezember 2006

9. Gesundheitsbericht des Bundes; Dekubitus, Heft 12, Dezember 2002 Robert- Koch-Institut, ISBN 3-89606-137-2

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3. Grundlagen aus Forschung und Praxis Schwerpunkte dieses Kapitels sind die physiologischen Grundlagen der Entstehung des Dekubitus sowie der aktuelle Stand der Pflege. 3.1. Dekubitus:

Definition, Physiologie und Pathophysiologie Unter „Dekubitus“ im Sinne dieses Leitfadens wird jede Form von Haut- und Gewebeschädigung verstanden, die beim liegenden und/ oder sitzenden Patienten durch Einwirkung von Druck-, Scher- und Reibungskräften oder einer Kombination dieser Kräfte entsteht (10). Vom deutschen Netzwerk für die Qualitätsentwicklung in der Pflege (s. Kap. 2, Lit. 3) wird ein Dekubitalulkus als eine Schädigung der Haut und des darunter liegenden Gewebes infolge eines länger an-haltenden Drucks (2) definiert. Vor allem an Knochenvorsprüngen wie Steißbein, Ellbogen und Hüfte (Ansatz der Glutäalmuskulatur; großer Rollhügel) zerstört länger anhaltender Druck die Haut und tieferliegendes Gewebe um den Knochenvorsprung. Im „Pschyrembel®“ Klinisches Wörterbuch (Standardwerk der medi-zinischen Lexika) wird 1969 in der 250. Auflage unter Dekubitus ver-kürzt ausgeführt, was im Prinzip heute noch gilt: „Wundliegen eines bettlägerigen Patienten durch mangelhafte Gewebsernährung (trophische Schädigung)“(Unterstreichung durch den Verfasser). Dekubitus ist somit gleich in mehrfacher Hinsicht ein Versorgungs-problem. Auf zellulärer Ebene ist die unzureichende Versorgung von lebenswichtigen Stoffwechselprodukten die pathophysiologische Ur-sache für das Entstehen, zum zweiten kann Wundliegen ein Hinweis für mangelhafte Versorgung sein und drittens ist gehäuftes Auftre-ten von Dekubitalulzera ein Hinweis auf Defizite in der Organisation der administrativen, pflegerischen und medizinischen Versorgung im Gesundheitswesen. Die Wurzel des Wortes Dekubitus kommt aus dem Griechischen (= ku biton) und ist mit unserem Wort Hüfte verwandt. Es ist auch im englischen Wort recumbent für liegend enthalten. Im Lateinischen bedeutet decumbere sich niederlegen. Der Begriff pressure sore, wie er im angloamerikanischen Sprachraum gebräuchlich ist, be-schreibt das Pflegeproblem des Wundliegens wohl am Umfassend-sten. Der Begriff Druckgeschwür (engl. oftmals auch pressure ulcer) enthält eine physikalische Ursache. Das Körpergewicht verformt Ge-webe, drückt Blutgefäße zusammen und bringt so die Versorgung in den betroffenen Gewebeabschnitten zum Erliegen. Insbesondere wenn weitere Risiken dazukommen und die Stoffwechselreserven aufgebraucht sind, beginnt der Zerfall. Die Zellfunktion kommt zum

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Erliegen, Zellen zersetzen sich und lösen sich auf. Zellfragmente, z.B. roter Blutfarbstoff, gelangen in den Zwischenzellraum. Der Zell abfall verändert das biochemische Milieu im Gewebe, führt zu Ent-zündungsreaktionen und greift benachbarte Zellen an. Die Abwärts-spirale beginnt. Am Ende steht die Nekrose des betroffenen Areals. Dekubitalulzera gehen i.d.R. mit Schmerzen, Einschränkung der Selbstständigkeit, sozialer Isolation, reduzierter Lebensqualität und einer Beeinträchtigung der Selbstwahrnehmungsfähigkeit (insbeson-dere des Körperschemas) einher. Der Dekubitus kann je nach Lokali-sation, Grunderkrankung, Alter usw. unterschiedlich stark ausge-prägt sein, Größe und Tiefe variieren dabei von Fall zu Fall erheb-lich. Zusätzlich kann sich die Wunde infizieren. Der Heilungsprozess zieht sich oft über Monate hin. Generell sind insbesondere die Kör-perstellen gefährdet, an denen die Haut unmittelbar dem Knochen anliegt, z.B. Ferse, Trochanter, Kreuzbein oder Schulterblatt. 3.2.Gewebsdurchblutung und Zellversorgung Bei der Berührung z.B. eines Teeglases sieht man, dass die Finger-spitzen, die das Glas berühren, heller werden. Das Kapillarnetz kol-labiert, die roten Blutkörperchen werden aus der Kontaktzone weg-gedrückt. Bei dieser Berührung beträgt der Kontaktdruck nur rund 20 mmHg. Man könnte meinen, dass der arterielle Druck (im Mittel 100 mmHg), den das Herz Schlag für Schlag aufbaut, doch eigent-lich ausreichen müsse, um Weichteilgewebe auch unter Druckbelas-tung zu versorgen. Aus der Ersten Hilfe ist bekannt, dass man für eine spritzende arterielle Wunde einen Druckverband braucht, um mit hohem Gegendruck die Blutung zum Stillstand zu bringen. Mit Blick auf den Stoffaustausch auf zellulärer Ebene muss gesagt wer-den, dass die arteriellen Gefäße dafür ungeeignet sind. Denn alle Stoffe, auch der Sauerstoff, müssen die letzten Millimeter zur ein-zelnen Zelle via Diffusion zurücklegen. Dazu sind die Wände der Ar-terien viel zu dick und die Fließgeschwindigkeit im Innern zu hoch. Die korpuskulären Teile, z.B. die roten Blutkörperchen, werden zu-dem durch die Strömungsgeschwindigkeit vom Gefäßrand ferngehal-ten. Erst in den Kapillaren, durch die sich die roten Blutkörperchen einzeln hindurchzwängen müssen, kann Stoffaustausch stattfinden. Um die Diffusion zu erleichtern, sind die Wände der Kapillaren dünn und gefenstert. Doch dadurch sind sie leicht zusammendrückbar. Sie kollabieren schon bei sehr geringen Druckwerten. *

* Anmerkung: Knebelverbände, wie früher in Erste-Hilfe-Kursen vermittelt, sind heute kontraindiziert, weil - abgesehen von seltenen Ausnahmen - durch eine lokale Kompression immer eine Blutstillung erreicht werden kann. Das Gewebe soll nicht durch Knebelverbände von der Blutversorgung völlig abgeschnitten werden. Auch soll eine venöse Stauung, die die Blutung noch verstärken würde, vermieden werden.

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Ein zweiter Begriff im Zusammenhang mit Dekubitus ist von Bedeu-tung: Zeit! Zellen besitzen zwar gewisse Reserven, um Versorgungs-engpässe zu überbrücken. Bei Nervenzellen liegt diese Toleranz bei wenigen Minuten, Knorpelzellen tolerieren Stunden. Doch auch Knorpelzellen müssen immer wieder mit Nahrung versorgt werden. Eine andauernde gleichförmige Gewichtsbelastung tolerieren auch sie nicht. 3.2.1. Selbstregulierungsmechanismen des Körpers Wie löst ein gesunder Körper dieses Problem mit der Gewichtsbe-lastung? Beim Stehen beschreiben wir unwillkürlich eine Pendelbe-wegung, die abwechselnd die Fußsohlen, angespannte Muskulatur und Knorpelflächen entlastet und belastet. Im Sitzen verändern wir in kurzen zeitlichen Abständen die Haltung unseres Oberkörpers und selbst im Schlaf ändern wir immer wieder unsere Lage. Im Schwere-feld der Erde gibt es keine Körperposition, in der auf Gewichtsver-lagerung und somit Bewegung verzichtet werden kann. Nur Bewe-gungen - und seien es Mikrobewegungen - erzeugen die Wechselbe-lastungen, welche druckbelastete Bezirke mit kollabierten Kapilla-ren zeitweilig entlasten und so Sauerstoff und Substrate heranfüh-ren und Stoffwechselabbauprodukte entsorgen. In stetigem Wechsel werden so von der Versorgung abgeschnittene Bereiche in Abstän-den immer wieder reperfundiert. Es lässt sich nachweisen, dass im Schwerefeld der Erde selbst im Wasserbett der kritische Kollaps-druck (ca. 20 - 30 mmHg) überschritten wird. Im Wasserbett wird die Gewichtskraft auf die größtmögliche Oberfläche verteilt und da-bei ergeben sich, da Druck sich aus Kraft pro Fläche errechnet, die niedrigsten Druckwerte auf der Hautkontaktfläche. Aber selbst da-bei kollabieren Hautgefäße in Körperabschnitten mit hohem Ge-wichtsanteil. Nur im Weltraum – in weightlessness (Gewichtslosig-keit ist die korrekte Übersetzung) - entsteht kein Druckgeschwür. 3.2.2. Mechanismen der Druckverteilung Der Druck in Gasen und Flüssigkeiten verteilt sich in alle Richtungen gleichförmig. Im Liegen ist der arterielle Blutdruck, den das schla-gende Herz erzeugt, in allen Arterien gleich (ca. 100 mmHg). Er wird nur unwesentlich durch die Gleitreibung beim Strömen in Rich-tung Peripherie verringert. In den Widerstandsgefäßen, die den Zu-fluss zu den Kapillarnetzen regeln, fällt dieser Druck auf wenige mmHg ab. Im Kapillarnetz ist eine eindeutige Strömungsrichtung nicht mehr auszumachen. Die roten Blutkörperchen bewegen sich je nach Druckbelastung, ausgelöst durch Gewichtsverlagerung, Muskel-kontraktion oder den Volumenpuls der Arterien mal in die eine und dann wieder in die andere Richtung.

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Wird der Kollapsdruck (ca. 20 - 30 mmHg) erreicht, kommt diese Bewegung zum Erliegen. Es kommt nicht zum Stau, da Blut um die komprimierten Bereiche herumfliesst. Aber die Blutkörperchen in den komprimierten Kapillaren werden eingeschlossen. Im Gebiet der kollabierten Kapillaren erschöpfen sich die Energiereserven, bis der Zellstoffwechsel schließlich zum Erliegen kommt. Das Gewebe wird ischämisch. Dauert dieser Zustand an, beginnen die Zellen zu zerfallen (trophische Schädigung). Die Zellwände (z.B. Kapillarwän-de) lösen sich auf. Roter Blutfarbstoff wird freigesetzt. Auch andere Funktionselemente aus dem Zellinneren ergießen sich in den Zell-zwischenraum und führen zu Entzündungsreaktionen = Dekubitus Grad I. Druck erzeugt Gegendruck. Dass an der Kontaktfläche zwischen Ma-tratze und Haut durch das Körpergewicht Druck entsteht, ist leicht nachvollziehbar. Wo aber wird der Druck aufgefangen? Die Wider-lager sind die Knochen. Somit muss bedacht werden, dass andau-ernder Kontaktdruck auf der Haut auch auf der Gegenseite, an den Knochen, Kapillargefässe zum Kollabieren bringt. Dekubitus ent-steht also nicht nur in der Haut. Auch im Innern, insbesondere an Knochenvorsprüngen, kann Nekrose beginnen. Ein Dekubitus entsteht durch das Zusammenwirken von mindestens zwei Faktoren, nämlich durch das Produkt von Druck und Zeit. Der Schaden tritt ein, wenn entweder der Auflagedruck zu hoch ist, so dass er sowohl die arterielle Blutzufuhr als auch den venösen Blut-abfluss unterbricht, oder die Zeiten der Druckbelastung zu lang und die Entlastungsphasen zu kurz sind. Deshalb können erste Schädi-gungen des Hautgewebes schon nach zwei bis drei Stunden auftre-ten! Bei besonderen Hochrisikopatienten besteht die Gefahr ernster Schädigungen wesentlich früher. In der Haut gibt es Mechanorezeptoren (Meissnersche Tastkörper, Merkelsche Tastscheiben, Ruffini Körperchen, Vater-Pacini Lamel-len und freie Nervenendigungen von C-Fasern). Diese Sensoren sind zuständig für feinste Druckempfindungen. So kann z.B. ein Mensch durch deren Reizung ausmachen, ob er auf Falten eines Bettlakens oder auf dem Katheter liegt. Leider nimmt mit der Alterung der Haut (ca. ab 65 Jahren) auch die Fähigkeit der Druckwahrnehmung (bis zu 55 %) ab (4). Deshalb kann man beobachten, dass ältere Menschen oft stundenlang unbeweglich in einer Position, ohne sichtbare Druckausgleichsbewegung sitzen bleiben. Es sind aber nicht nur mangelhafte Bewegungen am Tag, sondern auch in der Nacht, während des Schlafes für ein Dekubitusrisiko von Bedeutung. Schlafstudien belegen, das Patienten, die in 7 Stunden Schlaf weniger als 20 Bewegungen (dazu gehören auch Mikrobewe-gungen) durchführen, ein 90%-iges Risiko eines Dekubitus haben (5).

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3.3. Klassifizierung von Dekubitalulzera Unter einem Dekubitalulkus versteht man die trophische Schädigung von Gewebe, d.h. das betroffene Körpergewebe wird nicht ausrei-chend durchblutet (Ischämie) und so unzureichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Die so entstehende Wunde kann von den oberflächlichen Hautschichten über die tiefer liegenden Bindege-websschichten bis zum Knochen reichen. 3.3.1. Klassifizierung nach EPUAP Entsprechend der Definition des European Pressure Ulcer Advisory Panel (1) z.B. werden die Dekubitalulzera in vier Stadien eingeteilt, wobei die Zuordnung zu den verschiedenen Stadien oft nur sehr schwer möglich ist und die Grenzen fließend ineinander übergehen (Abb. 1,2,3, 4a bis 4c, s. Seite 12, 13). 3.3.2. Numerische Klassifizierung nach ICD 10 GM In der internationalen Kodierung zur statistischen Klassifikation von Krankheiten - ICD-10 GM - (1) wird der Dekubitus im Kapitel der Hautkrankheiten unter dem Code L89.x1x2 geführt und dort als De-kubitus, Druckgeschwür oder Ulkus bei medizinischer Anwendung von Gips bezeichnet. Mit Hilfe der vierten Stelle (x1) werden die Dekubitusgrade unterschieden, so dass sich folgende Codierungen ergeben: L89.1- Dekubitus 1. Grades Umschriebene persistierende Rötung

bei intakter Haut L89.2- Dekubitus 2. Grades Hautdefekt L89.3- Dekubitus 3. Grades Tiefer Hautdefekt, Muskeln und Seh

nen sind sichtbar und eventuell be-troffen

L89.4- Dekubitus 4. Grades Tiefer Hautdefekt mit Knochenbeteili gung

L89.9- Dekubitus, Grad nicht näher bezeichnet Kann die Tiefe eines Dekubitalulkus nicht sicher bestimmt werden, so ist gemäß ICD 10 GM der jeweils niedrigere Grad zu kodieren. Die fünfte Stelle (x2) des ICD-Codes beschreibt die Lokalisation des Dekubitus: 0 = Kopf 1 = Obere Extremität 2 = Dornfortsätze 3 = Beckenkamm,

Spina iliaca 4 = Kreuzbein, Steißbein 5 = Sitzbein

6 = Trochanter 7 = Ferse 8 = Sonstige Lokalisationen

der unteren Extremität 9 = Sonstige und nicht näher

bezeichnete Lokalisationen

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Abb.1 - Dekubitus Stadium / Grad 1: Persistierende, umschriebene Hautrötung, bei (noch) intakter Hautoberfläche. Weitere klinische Zeichen können sein: Ödembildung, Verhärtung und lokale Überwärmung .

Abb. 2 - Dekubitus Stadium / Grad 2: Teilverlust der Haut. Die Epidermis bis hin zu Anteilen der Dermis (Korium) ist geschädigt. Der Druckschaden ist ober-flächlich und kann sich klinisch als Blase, Hautabschürfung oder flaches Ge-schwür darstellen.

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Abb. 3 - Dekubitus Stadium / Grad 3: Die Hautschäden vertiefen sich und rei-chen bis hin zum Verlust aller Hautschichten und Schädigung oder Nekrose des subkutanen Gewebes, die sich bis auf die darunter liegende Faszie erstre-cken können. Muskelgewebe, Sehnen und Bänder sind betroffen. Der Dekubitus zeigt sich klinisch als tiefes, offenes und nässendes Geschwür.

Abb. 4 - Dekubitus Stadium / Grad: Verlust aller Hautschichten mit ausgedehn ter Zerstörung, Gewebsnekrose oder Schädigung von Muskeln, Knochen oder unterstützenden Strukturen (Sehnen, Gelenkkapsel). Quelle: Coloplast GmbH, Hamburg

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Literatur: 1. (in Anlehnung an EPUAP, http://www.epuap.org/gltreatment.htm vom

05.05.2008). 2. Etiology of decubitus ulcers. Kosiak M.; Arch Phys Med Rehabil. 1961

Jan;42:19-29. 3. International Classification of Diseases (ICD 10 ) Internationale statistische

Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision - German Modification; Deutsches Institut für Medizinische Doku-mentation und Information (DIMDI)

4. Geriatric syndromes. Schwab WS.; J Am Geriatr. Soc. 2008 Feb;56(2):363-4. No abstract available.

5. Evaluation of comfort in bedridden older adults using an air-cell mattress with an automated turning function: measurement of parasympathetic activity during night sleep. Futamura M, Sugama J, Okuwa M, Sanada H, Tabata K.;J Gerontol Nurs. 2008 Dec;34(12):20-6.

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3.4. Epidemiologie von Dekubitalulzera in Deutschland Im Folgenden werden Zahlen zur Häufigkeit von Dekubitalulzera aus Deutschland vorgestellt. Aufgrund der Anwendung - unterschiedlicher Raten (Prävalenz, Inzidenz), - unterschiedlicher Schweregrade von Dekubitus (I,II,III,IV), - unterschiedlicher Körperstellen/Lokalisationen, - unterschiedlicher Versorgungsbereiche (Krankenhaus, Pflege-

heim, häusliche Pflege) und

- unterschiedlicher Methoden der Datenerhebung ist es nahezu unmöglich, die Daten untereinander zu vergleichen. Daher erfolgt die Darstellung der reinen Zahlen zur Dekubitushäu-figkeit hier immer in Verbindung mit einer kurzen Erläuterung, wel-che Daten und Angaben zur Berechnung der jeweiligen Dekubitus-häufigkeit verwendet wurden. 3.4.1. Bundesweite Prävalenzerhebung Von einer Forschergruppe an der Berliner Charité, Institut für Me-dizin-Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft, wird seit 2001 jähr-lich eine bundesweite Prävalenzerhebung von Dekubitus in Kliniken und Pflegeheimen durchgeführt. Die Berliner Forschergruppe definiert Prävalenz wie folgt:

Unter Prävalenz versteht man den Anteil dekubitusge-fährdeter Personen, die mindestens ein Dekubitalulkus zum Zeitpunkt der Erhebung hatten.

Die Daten wurden an einem Tag in den teilnehmenden Einrichtun-gen erhoben. Der Umfang der Risikogruppe erfolgte durch Risikoer-mittlung, wobei alle als Risikopatienten gezählt wurden, die 20 und weniger Punkte an Hand der Braden-Skala (s.S.27 ff) hatten. Ge-zählt wurden alle Dekubitalulzera ab Grad 1. Die Gradeinteilung (s.S.11 ff) wurde nach dem Schema der Europäischen Dekubitusge-sellschaft (EPUAP) vorgenommen. Die Bestimmung, ob ein Dekubi-tus vorlag, erfolgte durch eine körperliche Untersuchung der an der Studie teilnehmenden Personen. Die Abbildung 5 sagt aus, dass 2007 in den Pflegeheimen, die an der Studie teilnahmen, 8,4 % der gefährdeten Bewohner einen De-kubitus hatten; in den teilnehmenden Kliniken hatten im gleichen Jahr 15,7% der gefährdeten Patienten einen Dekubitus.

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17,3

12,5

9,18,4 8,3 8,4

25,124,2

18,1

21,3

15,1 15,7

0

5

10

15

20

25

30

2002 2003 2004 2005 2006 2007

Pro

zent

Pflegeheime Kliniken

Abb. 5: Dekubitusprävalenz gefährdeter Patienten pro Erhebungsjahr [1] 3.4.2. Lokale Prävalenzraten 3.4.2.1. Universitätsklinikum Essen Im Essener Universitätsklinikum wurden seit April 2003 ein Jahr lang regelmäßig Messungen zur Prävalenz durchgeführt (3). Dabei lagen folgende Definitionen für die Prävalenz zu Grunde : Im Zähler steht die Anzahl der erwachsenen Patienten (559), die während ihres Auf-enthaltes im Krankenhaus einen Dekubitus hatten. Im Nenner steht die Anzahl der Fälle (29.303). Häufigkeiten von Dekubitus im Universitätsklinikum Essen 2003

Wert in %

Prävalenz 1,9 %

Abb.6: Häufigkeiten von Dekubitus bei Erwachsenen im Universitätsklinikum Essen 2003 (3)

3.4.2.2. Kreiskrankenhäuser Landkreis Ostalb Im Ostalbkreis wurde in den Jahren 2001 bis 2003 die Perioden-prävalenz aller Dekubitalulzera in der ambulanten und stationären Altenpflege und in den Kreiskrankenhäusern des Landkreises ermit-telt (4), die die Anzahl der Pflegetage und davon die Pflegetage mit Dekubitus erfassten. Gezählt wurden Dekubituswunden leider erst ab Grad II. Als Periodenprävalenz wurde hier der Quotient von Pfle-getagen insgesamt und Pflegetagen mit Dekubitus berechnet. Der Zeitraum der Periode war auf drei Monate festgelegt.

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Häufigkeiten von Dekubitus im Ostalbkreis

Periodenprävalenz in %

2001 1,96

2002 1,74

2003 1,62

Abb. 7: Häufigkeiten von Dekubitus im Ostalbkreis (4) Häufigkeiten von Dekubitus im Ostalbkreis

Periodenprävalenz in %

Stationäre Altenpflege 1,40

Ambulante Altenpflege 1,76

Kreiskrankenhäuser 1,86

Abb. 8: Auftreten von Dekubitus im Ostalbkreis in 2003 (4) 3.4.2.3. Erhebung in Bayern Aus Bayern liegen seit August 2005 aus der Studie „Pflege ohne Druck“ (2) Zahlen zur Dekubitushäufigkeit aus dem ambulanten und stationären Pflegebereich vor. So wurde in ambulanten Einrichtun-gen eine Prävalenz von 5,41 % und in der stationären Langzeitver-sorgung eine Prävalenz von 4,38 % ermittelt. Die bayrischen Prävalenzangaben berechneten die Autoren, indem sie die Anzahl der Pflegebedürftigen mit Dekubitus auf die Anzahl aller Pflegebedürftigen bezogen. Die Zahl der Erhebung in Bayern (2) scheint niedriger als der Pro-zentsatz der bundesweiten Prävalenzerhebung (1). Das liegt daran, dass in Bayern alle Pflegebedürftigen einer Einrichtung als Refe-renzwert herangezogen wurden und nicht nur die auf dem Boden einer Risikoskala ermittelte dekubitusgefährdete Risikogruppe. Weiß man - wie unten ausgeführt -, dass nur etwa zwei Drittel aller Pflegeheimbewohner dekubitusgefährdet sind, verdoppeln sich in etwa die Prozentsätze für die ambulanten Einrichtungen und sie verdreifachen sich für den stationären Bereich (ein Drittel aller Patienten sind gefährdet). Damit liegen die bayrischen Zahlen dann fast genau im Bereich der bundesweit ermittelten Werte. Auch der Prozentsatz der Universitätsklinik Essen Klinik (3) steigt dann auf ca. 6%. Das gilt ebenso für die Erhebungen der klinischen Zahlen im Ostalbkreis (4). Der Prävalenzwert hätte sich sicherlich in der Datenerhebung von Essen und aus dem Ostalbkreis weiter erhöht, wenn auch Dekubitus Grad I Fälle einbezogen worden wären.

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Der Dekubitus Grad I scheint irgendwie ausgeblendet zu werden, obwohl er definitiv eine Gewebsschädigung darstellt, die dringend behandlungsbedürftig ist. Wenn man weiß, dass dieser Dekubitus-grad etwa 50% aller Fälle ausmacht (5), dann verdoppeln sich die Werte aus Essen und dem Ostalbkreis. Sie liegen dann ebenfalls im Bereich der bundesweiten Erhebung. Diese vier Beispiele verdeutlichen bedauerlicherweise, dass die rei-nen Zahlen nicht ohne Weiteres miteinander vergleichbar sind und nicht ohne Kenntnis der Art und Zusammensetzung des Untersu-chungskollektivs sowie der jeweiligen Definition von Prävalenz in-terpretiert werden können. Legt man einen Braden-Wert von 20 zugrunde, sind ungefähr ein Drittel aller Krankenhauspatienten und zwei Drittel aller Pflege-heimbewohner dekubitusgefährdet. In der deutschlandweiten Deku-bitusprävalenzstudie ist dieser Anteil auch über die letzten Jahre stabil geblieben (1). 3.4.2.4. Wie mit den verwirrenden Zahlen umgehen? „Lieber auf eine richtige Frage eine nur annährend richtige Ant-wort, als eine präzise Zahl als Antwort auf eine falsche Frage.“ (6) Eine richtige Frage könnte lauten: „Wie viele Intensivpatienten ha-ben ein Dekubitalulkus am Sakrum?“ Die Antwort lautet: etwa 60% ±10% aller Dekubituspatienten haben ein Dekubitalulkus am Sa-krum. Diese Antwort ist nicht genau, aber sie sagt aus, dass eine Dekubituswunde an dieser Körperstelle keine Ausnahme ist. Sie wird informativer, wenn die Prävalenz und die Definition der Risi-kopopulation bekannt sind. In diesem Fall lautet die Antwort ca. 20% aller Risikopersonen mit einem Braden-Wert von 20 oder klei-ner entwickelt ein Dekubitalulkus am Sakrum. Das heißt, dass 60% von 20% also ungefähr 12%±3% aller Risikopatienten eine Dekubitus-wunde im Bereich des Kreuzbeins (Os sacrum) haben. Des Weiteren ist es wichtig zu sehen, ob eine Krankheit sich „aus-rotten“ lässt. Es zeigt sich, dass die Häufigkeit des Auftretens von Dekubitalulzera eine Funktion der Aufmerksamkeit ist. Die Dekubituszahlen der Untersuchungen zur bundesweiten Prävalenzerhebung (1) wie auch bei der Datenerhebung im Ostalbkreis waren zu Beginn der Untersu-chung höher. Mit der Wiederholung der Datenerhebung in der Folge-zeit begannen sie zu sinken, um sich in den letzten Jahren bei der bundesweiten Prävalenzerhebung auf Werte von etwa 8% für Pfle-geheime bzw. 16% für Kliniken einzupendeln.

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Daraus lässt sich ableiten, dass Dekubitalulzera immer auftreten werden und dass ständige Aufmerksamkeit und Schulung nötig ist, um die Inzidenz (Zahl der Neuerkrankungen) niedrig zu halten. Literatur 1. Dassen et al. Prävalenzbericht 2007. Institut für Medizin-Pflegepädagogik und

Pflegewissenschaft. Berlin 2007 2. Klein B, Gaugisch P, Weiss V, Wolfsteiner C. Pflege Ohne Druck. Fraunhofer

Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart. August 2005 3. Stausberg et al. Pressure ulcers in Secondary Care: Incidence, Prevalence and

Relevance. Advances in Skin & Wound Care 2005; Vol. 18 No.3; 140-145 4. Steingaß S. et al. 2004 Transparenz in der Pflege – Dekubituserfassung auf

Landkreisebene als Instrument der Qualitätssicherung. Gesundheitswesen, 66; 802-805

5. Halfens R, Bours G, Ast W van. Relevance of the diagnosis „Stage 1 pressure ulcer”: an empirical study of the clinical course of stage 1 ulcers in acute care and long-term hospital populations. J Clin Nurs 2001; 10:748–757.

6. Tukey, John Wilder (1915 –2000), US-amerikanischer Statistiker, gilt als Be-gründer der Explorativen Datenanalyse. Diese Methode beschäftigt sich mit der Zusammenfassung und Darstellung von Daten. Ihre Ziele sind das Aufspü-ren, Erkennen und Aufzeigen der den Daten zugrunde liegenden Strukturen und Abweichungen hiervon. Sie arbeitet mit Visualisierung und komplexen statistischen Modellen. (http://www.utb-stuttgart.de/2832_Einfuehrung.pdf)

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Raum für persönliche Notizen

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3.5. Dekubitusrisiko Dekubitalulzera stellen für die Betroffenen ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem dar (1,2). Ihre Vermeidung gilt als Indikator für gute pflegerische Qualität (3,4). Die einzigen aktuellen, wissen-schaftlich abgesicherten und in deutscher Sprache zur Verfügung stehenden Handlungsempfehlungen finden sich im „Expertenstan-dard Dekubitusprophylaxe in der Pflege“ (5) und im HTA-Bericht „Dekubitusprophylaxe und –therapie“ (6). Die nachfolgenden Aus-führungen lehnen sich an Struktur und Inhalt des „Nationalen Ex-pertenstandards“ an. Ziel dieses Kapitels ist es, Hintergründe und allgemeine Informa-tionen zum Thema Dekubitusprophylaxe aufzuzeigen (detaillierte Handlungsempfehlungen s. Kapitel 4.4. Empfehlungen aus nationalen und internationalen Leitlinien, Seite 67 ff). Dekubitus entsteht durch Kräfte, die Druck, Reibung und Scherung im Gewebe bewirken (5). Wie es aufgrund dieser mechanischen Reize zur Gewebsschädigung mit Zelltod und Nekrose kommt, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Vier pathophysiologische Prozesse werden benannt:

1. Ischämie durch Kapillarverschluss, 2. Reperfusionsschädigung, 3. Störung des lymphatischen Abflusses, 4. lang anhaltende mechanische Zelldeformation (7).

Wahrscheinlich entwickeln sich die Gewebsdefekte durch eine Kom-bination aller vier Prozesse (7). 3.5.1.Risikofaktoren Man kennt heute etwa 120 Faktoren, die für Patienten das Risiko erhöhen, ein Druckgeschwür zu entwickeln. Unterschieden werden dabei intrinsische, extrinsische und zusätzliche, verschlimmernde Randbedingungen, die im Zusammenwirken mit in- und extrinsi-schen Faktoren das Risiko erhöhen:

Intrinsische Faktoren sind all die Faktoren, die von Veränderungen der eigenen Körperlichkeit herrühren, z.B.:

- Akute Erkrankung, - chronische Erkrankung (z. B. Diabetes), - Fieber, - Nebenwirkungen von Medikamenten, - altersbedingter Verschleiß (z.B. Gewebetoleranz der Haut), - Eintrübung des Bewusstseins, - Eingeschränkte Mobilität (z. B. Arthritis), - Fehlernährung, - Sensorische und kognitive Wahrnehmungsstörungen.

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Extrinsische Faktoren sind Faktoren, die von außen auf das Gewebe einwirken, z.B.: - Gewichtskraft, - Gewebsdruck, - Scherkräfte, - Haft- und Gleitreibung, - Keratolyse (z.B. Waschdetergenzien). Faktoren, die verschlimmernd wirken können, sind z.B.: - Inkontinenz, - Sopor (narkoseähnlicher Schlaf mit herabgesetzten Muskelrefle-

xen), - Kachexie. Die Vielzahl der Risikofaktoren und deren unterschiedliche Ursa-chen machen deutlich, wie wichtig das Ermitteln des individuellen Risikos eines Betroffenen ist. Nur so kann eine Präventionsstrategie richtig geplant und erfolgreich durchgeführt werden. Dekubitalulzera sind i.d.R. eine Folge von Erkrankungen und Be-hinderungen, die den Betroffenen teilweise oder vollständig in sei-ner Bewegungsfähigkeit einschränken. Infolgedessen sind Patienten, die krankheits- oder behinderungsbedingt ständig sitzen oder lie-gen, dekubitusgefährdet. Die Dekubitusentstehung ist aber kein mo-nokausales Geschehen. Vielmehr ist ein Zusammenwirken mehrerer ungünstig wirkender Faktoren (sogenannte Risikofaktoren) Auslöser für die Entstehung eines Dekubitalulkus. Immer sind aber Kräfte, Scherung, Druck und Reibung beteiligt. Die nachfolgend aufgeführ-ten Risikofaktoren begünstigen die Entwicklung, müssen aber nicht zwangsläufig zu einem Dekubitus führen: - Immobilität und Bewegungsmangel (hieraus resultierend lang an-

haltende Krafteinwirkung auf immer dieselben, gefährdeten Körperstellen),

- herabgesetzte Gewebstoleranz, - Reibungs- und Scherkräfte, - Bewusstseins- und Sensibilitätsstörungen, neurologische Störun-

gen, - schlechter Allgemeinzustand durch z.B. Exsikkose, Anämie, Ka-

chexie, - bereits bestehende Hautdefekte, z.B. Ekzeme, Allergien, Nar-

ben, - Inkontinenz.

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Dekubitalulzera bilden sich vorwiegend bei permanent sitzenden oder liegenden immobilen Patienten. Vor allem behinderte, ältere Menschen sind aufgrund reduzierter Beweglichkeit, Sensibilitätsver-lusten und Hautveränderungen besonders stark gefährdet. 3.5.1.1. Immobilität Immobilität ist das Unvermögen eines Menschen, sich zu bewegen. Dieses kann äußere Ursachen haben oder an intraindividuellen Fak-toren liegen. Durch Immobilität ist es dem Patienten oft gar nicht oder nur noch unzureichend möglich, seine Lage im Sitzen oder Lie-gen zu verändern. Er kann daher die Wirkung der Gewichtskraft im Gewebe nicht mehr in ihrer Richtung verändern, um so die betrof-fenen Körperregionen von Druck und Scherung zu entlasten. Immobilität kann die Folge z.B. von Lähmungen, Schmerzstarre, Me-dikamenten und Fixierungen sein. Aber auch Schmerzunempfindlich keit und Depressionen können ursächlich sein. 3.5.1.2.Herabgesetzte Gewebetoleranz Die Gewebetoleranz ist die Fähigkeit eines Gewebes (z.B. der Haut mit ihren unterschiedlichen Schichten und Stützstrukturen), Druck und Scherung eine bestimmte Zeit ohne schädigende Folgen zu tole-rieren. Die Gewebetoleranz kann beispielsweise durch Infektionen, Dehy-dratation, Gefäßsklerose oder auch durch äußere Hautschädigungen abnehmen. Auch Narbengewebe, insbesondere solches, das durch einen bereits abgeheilten Dekubitus entstanden ist, hat eine gerin-ge Gewebetoleranz. 3.5.1.3. Reibung und Scherkräfte Reibung entsteht dort, wo Schichten sich aneinander bewegen. Wenn Haut beispielsweise über ein Bettlaken gezogen/bewegt wird, entsteht Gleitreibung. Aber auch wenn die Haut auf der Unterlage ruht bzw. haftet, werden über Haftreibung und Gewicht Scher-kräfte im Gewebe wirksam, die die Blutversorgung von Hautarealen unterbinden. Unter Scherung wird im pflegerisch-medizinischen Sprachgebrauch die Verschiebung von Schichten gegeneinander ver-standen. Scherung bewirkt u.a. den Verschluss von Blutgefäßen und verhindert auf diese Weise die Blutzirkulation. Bei größeren Kräften kann es zu Ablederung von Hautpartien oder gar zur Ruptur von Blutgefäßen kommen. Reibung und Scherkräfte können unter schlechten Hebe- und Mobili sierungstechniken, durch falsche Lagerung oder durch Herunterrut-schen im Bett oder auf dem Stuhl entstehen.

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3.5.1.4. Ungünstige Kraftverteilung

Die Gewichtskraft, die auf den Körper eines Menschen einwirkt, ist nicht gleichmäßig über die gesamte Körperoberfläche verteilt. Un-terhautfettgewebe wirkt als Lagerfett und verteilt in Abhängigkeit der Schichtdicke die Kräfte. Die Unterhautfettschicht ist in der Glu-täusregion normalerweise dicker als an Armen und Beinen. Die Haut liegt auch nicht gleichmäßig der Unterlage auf. Es gibt Körperregio-nen (z.B. Becken und Ferse), die aufgrund innerer Knochenvor-sprünge im Gewebe einen erhöhten Druck erzeugen. Verändert sich die Körperform und/oder schwindet Lagerfett, werden diese Regi-onen verstärkt druckbelastet. Schon geringe Kräfte bringen die ka-pillare Blutströmung zum Erliegen. Die Gewebetoleranz ist herab-gesetzt. Aufgrund körperlicher Deformationen, z.B. Kontrakturen, Tumore, Amputationen, Unterernährung, extreme Rückgratverkrümmungen etc., können sich Gewebsdrücke in Körperregionen mit Knochenvor-sprüngen kritisch erhöhen. 3.5.1.5. Eingeschränkte sensomotorische Wahrnehmung Das sensomotorische Wahrnehmungsvermögen eines Menschen ist seine Fähigkeit, lagebedingte sowie künstliche Reize wahrzunehmen und darauf adäquat zu reagieren. Die meisten Lageänderungen, z.B. die Körperverlagerung im Schlaf, erfolgen unbewusst. Beim Stehen, Sitzen und Liegen bewirken unwillkürliche Mikrobewegungen eine immer wieder unterschiedliche Ausrichtung der Gewichtskraft, was zu einem ständigen Wechsel von Belastung und Entlastung im Ge-webe führt. Der Druck im Gewebe ändert sich ständig. Komprimierte Kapillaren öffnen sich immer wieder und versorgen so auch belaste-tes Gewebe. Ist der Mensch in diesen sensorischen Wahrnehmungen beispiels-weise aufgrund von Neuropathien, Lähmungen oder Bewusstseins-eintrübung, z.B. durch Sedierungen bzw. Schmerztherapie, einge-schränkt, bleiben die Reize aus. Der Druck wird nicht mehr wahr-genommen und ein notwendiger Lagewechsel unterbleibt. 3.5.1.6. Medikamente Die Nebenwirkungen von eingenommenen Medikamenten können das individuelle Dekubitusrisiko erhöhen. Im Wesentlichen sind hier drei Gruppen zu unterscheiden: a) Schmerzmittel - Analgetika, z.B. Tramadol, Fentanyl, Tilidin, Codein oder Meta-

mizol, können Reize abschwächen, die normalerweise zu Mikro-bewegungen führen würden.

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- Nichtsteroidale Antiphlogistika, z.B. Acetylsalicylsäure, Diclofe-nac, Indomedacin oder Phenylbutazon können die entzündliche Antwort auf Gewebsschädigungen durch Druckeinwirkung beein-trächtigen, also Schmerzen unterdrücken, welche ebenfalls ei-nen Lagewechsel auslösen würden.

b) Sedativa und Hypnotika Sedativa und Hypnotika, z.B. Barbiturate, Benzodiazepine und Chlo ralhydrat, die zu vermehrter Schläfrigkeit führen, unterdrücken die körperliche Wahrnehmung und setzen die Reizschwelle herab. Sie beeinträchtigen somit die autonomen Mikrobewegungen. c) Kreislaufaktive Medikamente Kreislaufaktive Medikamente, z.B. Adrenalin, Dopamin, Doputamin oder Arterenol, die zur Blutdruckerhöhung eingesetzt werden, wir-ken über eine Vasokonstriktion der Blutgefäße. Diese Vasokonstrik-tion kann so zu geringerer Durchblutung der Endstrombahn - also zu einer schlechteren Versorgung des Gewebes führen. 3.5.1.7. Schmerz als Risikofaktor bei der Dekubitusprophylaxe Die Internationale Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (Inter-national Association for the Study of Pain) definiert den Begriff Schmerz folgendermaßen:

Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserleb-nis, das mit einer Gewebeschädigung verknüpft ist, aber auch ohne sie auftreten kann oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird. Schmerz ist subjek-tiv.

D. McCafferey sagt in ihrem Schmerz-Handbuch für die Pflegepraxis deutlich vereinfacht aber verständlich:

Schmerz ist, was immer der Patient so bezeichnet und wann immer er dies zum Ausdruck bringt.

Menschen mit anhaltenden Schmerzen laufen in besonderem Maße Gefahr, einen Dekubitus zu entwickeln, denn: - Schmerz führt zur Schonhaltung und somit zu reduzierter Bewe-

gung bis hin zur Unbeweglichkeit (Schmerzstarre). Dies hat zur Folge, dass der Betreffende über einen längeren Zeitraum weder größere Lageänderungen noch kleinere Mikrobewegungen vor-nimmt. Die Kraftrichtungen werden nicht mehr in den indivi-duell notwendigen Zeitabständen umverteilt. Scherung und Druck an immer derselben Stelle im Gewebe verhindert die Kapillar-strömung. Die Gewebetoleranz wird unterschritten und ein De-kubitus entsteht im belasteten Gewebe.

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- Die Gefahr der Scherung von Versorgungsarealen der Haut be-steht besonders bei Menschen in geschwächtem und reduziertem Allgemeinzustand, speziell dann, wenn sie zusätzlich durch star ke Schmerzen in der Veränderung ihrer Position eingeschränkt oder gehindert werden. In Folge der Scherung kommt es zur Min-derversorgung von Gewebeanteilen und ein Dekubitus entsteht. Das gilt für Hautareale wie für innere Gewebebereiche rund um Knochenvorsprünge.

- Bei starker Schmerzbelastung ist vermehrte Schweißbildung

(Schwitzen) eine der möglichen vegetativen Reaktionen. Liegt der Betreffende längere Zeit auf feuchten Laken, besteht die Ge fahr der Hautmazeration. In Verbindung mit dem Unvermögen, die eigene Position zu verändern oder die Haut bei der Lagekor rektur vom Laken zu lösen, kommt es zur Reibung auf dem La-ken und in der Folge zu Abschürfungen der aufgeweichten Haut. Intertrigo entsteht! Bei Intertrigo liegt allerdings kein Defekt durch Druckschädigung vor. Häufig jedoch werden diese Hautde-fekte fälschlicherweise als Dekubitus Stadium I betrachtet, weil sie gerötet erscheinen. Bei Dekubitus Stadium I ist aber die Haut oberfläche noch intakt und die Rötung lässt sich nicht wegdrü-cken, im Gegensatz zum Intertrigo. Die Prädilektionsstellen für Intertrigo sind zudem weniger bis gar nicht gewichtsbelastete Hautregionen, z.B. Hautfalten der Leistengegend, unter den Brüsten, im Anal- und Skrotalbereich und die innenseitigen, ein-ander anliegenden Hautpartien der Oberschenkel.

3.5.1.8. Schmerz- und Wahrnehmungsverlust

bei chronischen Erkrankungen.

- Vorgeschädigte Bereiche wie Hautareale mit Narbengewebe

oder verheilte Brandwunden oder Dekubitalulzera verfügen nicht mehr über die ursprüngliche Dichte von Rezeptoren. Die Sensibilität ist herabgesetzt.

- Die diabetische Neuropathie geht mit dem Verlust von Sensibi-

lität in den betroffene Hautpartien einher Die Sensoren versagen aufgrund des Nervenzerfalls. Der Reflexkreis zur Stimulation von Mikrobewegungen wird unterbrochen und Lageänderungen unter bleiben.

3.5.1.9. Kognitive Wahrnehmungsstörungen Grundsätzlich kann ein dekubitusgefährdeter Patient selbst viel da-zu beitragen, dass ein Dekubitus ausbleibt. Um das Risiko zu ver-mindern, muss er allerdings körperlich und kognitiv dazu fähig sein. Die Kooperationsfähigkeit des Patienten kann beispielsweise bei kog nitiven Einschränkungen oder Kommunikationsstörungen, die Verste hen und Handlungsfähigkeit betreffen, eingeschränkt sein.

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3.5.2. Risikoeinschätzung Obwohl die Vorbeugung druckbedingter Hautschädigungen ein „klas sisches“ Aufgabengebiet der Pflege ist, kann eine effiziente Dekubi-tusprophylaxe nur interdisziplinär realisiert werden. 3.5.2.1. Standardisierte Risikoeinschätzung (Risikoskalen) Können Personen auf die äußeren (extrinsischen) Faktoren Druck, Reibung und Scherkräfte nicht mehr adäquat reagieren, wird die Ge webetoleranz überstrapaziert. Daraus resultiert ein individuelles De kubitusrisiko (5). Für eine adäquate Dekubitusprophylaxe sollte das Risiko zur Beginn eines jeglichen Versorgungs- bzw. Pflegeauftrags eingeschätzt werden. Zur standardisierten Risikoeinschätzung existieren weltweit über 30 verschiedene Assessmentinstrumente (8,9). Diese sind grundsätzlich ähnlich aufgebaut. Es werden bestimmte Fähigkeiten oder Eigen-schaften einer Person (z.B. Bewegungsfähigkeit) und auf einer Skala abgestuft eingeschätzt. Je nach Ausprägung wird jedem Merkmal ein bestimmter Punktwert zugewiesen. Aus mehreren Kategorien wird eine Summe gebildet. Diese Summe soll Auskunft über das De kubitusrisiko geben. Die in Deutschland verbreiteten Risikoskalen sind derzeit - die Braden-, - die Norton- und - die Waterlow- Skala. Obwohl einige Risikoskalen auf ihre Gütekriterien wie Reliabilität und Validität wissenschaftlich getestet wurden, sind die Ergebnisse uneinheitlich (8,9). Ihre unqualifizierte Verwendung wird zuneh-mend kritisch gesehen. Es fehlt der wissenschaftliche Beweis, dass die Handhabung von Risikoskalen die Dekubitusinzidenz senken kann (9) bzw. einer klinischen Einschätzung des Dekubitusrisikos überlegen ist (30). Dies wird besonders evident, wenn ungeschulte Pflegekräfte die Skalen anwenden. Es kann aber vermutet werden, dass die richtige Verwendung von Risikoskalen die Sensibilität für das Problem Dekubitus erhöht (5). Die Skalen sind Assessmentinstrumente und kein Diagnostikum. Die ermittelten Summenwerte sollen nur als Orientierung dienen und nicht als absolutes Entscheidungskriterium. Die Risikoskalen sollen das pflegerische Urteil unterstützen, dieses aber nicht ersetzen! Die Punktbewertung ist leider nicht einheitlich. Bei der Braden- und Norton-Skala bedeuten wenige Punkte ein hohes Dekubitusrisiko; bei der Waterlow-Skala steigt das Dekubitusrisiko mit zunehmender Punktzahl.

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a) Braden-Skala (s. Anhang 1 und 2) Die Braden-Skala umfasst sechs Kategorien. Den Bereichen „Senso-risches Empfindungsvermögen“, „Feuchtigkeit“, „Aktivität“, „Mobi-lität“ und „Ernährung“ werden 1 („am ungünstigsten“) bis 4 („am günstigsten“) Punkte zugewiesen. Der Bereich „Reibung & Scher-kräfte“ kann mit 1 („Problem“) bis maximal 3 („kein Problem“ be-wertet werden. Somit ergibt sich eine mögliche Summe von 6 („ma-ximales Dekubitusrisiko“) bis 23 („kein Dekubitusrisiko“). Bei weniger als 20 Punkten kann von einem Dekubitusrisiko ausge-gangen werden (10). Verstärkte prophylaktische Maßnahmen wer-den in der Praxis bei Punktwerten unter 16 durchgeführt. Wie bereits dargelegt, kann es einen „richtigen“ oder „falschen“ Trennwert nicht geben (s. 3.5.2.2. Kritische Anmerkung, S. 34). Die Braden-Skala wurde bis heute am häufigsten auf ihre Gütekrite-rien hin wissenschaftlich untersucht. Geschulte Pflegekräfte erziel-ten bei der Einschätzung von Pflegeheimbewohnern mit der deut-schen Version der Braden-Skala eine hohe Übereinstimmung der Er-gebnisse (= Interrater-Reliabilität; gemessen nach dem sogenannten Intra-Class-Korrelationskoeffizienten = ICC(2,1) = 0,9). Trotz dieses hohen Wertes traten klinisch relevante Unterschiede von 3 und mehr Punkten auf (11).

b) Norton-Skala (s. Anhang 5 bis 8) In der deutschsprachigen Version (17) werden neun Bereiche einge-schätzt: Bereitschaft zur Kooperation, Alter, Hautzustand, Zusatz-erkrankung, körperlicher Zustand, geistiger Zustand, Aktivität, Be-weglichkeit, Inkontinenz. Pro Bereich sind 1 bis 4 Punkte zu vergeben. Daraus resultiert für ein „maximales Dekubitusrisiko“ ein Punktwert von 9 und für „kein Dekubitusrisiko“ ein Punktwert von 36. Es wird davon ausgegangen, dass bei 25 Punkten und weniger eine Dekubitusgefahr besteht. Die Werte für Sensitivität und Spezifität werden als akzeptabel cha-rakterisiert (9). Nach Testung der originalen und erweiterten Nor-ton-Skala im deutschsprachigen Raum kamen die Autoren zu dem Schluss, dass das Instrument das Dekubitusrisiko überschätzt (Sensi-tivität: 91%-95%, Spezifität: 6,2%-20,6%) (18). c) Waterlow-Skala (s. Anhang 9,10) In ihrer neueren Version umfasst die Waterlow-Skala zehn Katego rien: Körperbau, Kontinenz, Hauttyp, Mobilität, Geschlecht und Al-ter, Appetit, Mangelversorgung des Gewebes, neurologische Defizi-te, operative Eingriffe und Trauma, Medikation (12). Nach Kottner

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et al. (12) deuten 10 und mehr Punkte auf ein Dekubitusrisiko hin, 20 und mehr Punkte entsprechen einem sehr hohen Risiko. Es wird oft kritisiert, dass die Waterlow-Skala eine zu hohe Sensiti-vität hat, das heißt, Personen werden als risikogefährdet einge-stuft, obwohl sie das nicht sind (9). Darüber hinaus wird die Validi-tät angezweifelt, da Kategorien erfasst werden, die nicht als Risiko-faktoren gelten (13). Waterlow selbst stellt die Skala als Hilfsmittel vor, welches Pflegende für die Dekubitusgefahr lediglich sensibili-sieren soll (14). Dementsprechend sind auch deren Punktwerte nicht als zu genau zu interpretieren (12). Die Interrater-Reliabilität ist gering (15). Über psychometrische Eigenschaften der Skala im deutschen Umfeld ist bislang wenig bekannt. Eine deutsche Studie, welche auf einer Auswertung der Patientendokumentation im Inten-sivbereich beruhte, ermittelte eine unzureichende Sensitivität und Spezifität (16) 3.5.2.2. Kritische Anmerkung zur Verwendung von Skalen Die Anwendung einer Risikoskala beinhaltet die Ermittlung eines Gesamtpunktwertes, der beispielsweise bei der Braden-Skala zwi-schen 6 und 23 Punkten liegt. Nur allein diesen Summenwert als Ausgangsbasis für die Auswahl eines Hilfsmittels zu nehmen, reicht als Entscheidungsgrundlage nicht aus, eine differenzierte Betrach-tung des individuellen Risikos ist erforderlich, wie die folgenden Beispiele deutlich machen: 1) Eine Person mit einem Diabetes mellitus Typ II erkrankt an einer schweren Infektion und wird stationär im Krankenhaus behandelt. Der Braden-Wert setzt sich aus einem stark eingeschränkten senso rischen Empfindungsvermögen (2 Punkte), einer oft feuchten Haut (2 Punkte), hinreichend aktiv (3 Punkte), nur leicht eingeschränkter Mobilität (3 Punkte), einer sehr schlechten Ernährung (1 Punkt) und einem potenziellen Problem bei Reibung und Scherkräften (2 Punk te) zusammen. Macht 13 Punkte nach Braden. 2) Eine zweite Person, beispielsweise nach einer Hüft-OP (TEP), hat ein ungestörtes sensorisches Empfindungsvermögen (4 Punkte), die Haut ist selten feucht (4 Punkte), die Person ist bettlägerig (1 Punkt), ist komplett immobil (1 Punkt), hat eine mäßige Ernährung (2 Punkte) und ein Problem bei Reibung und Scherkräften (1 Punkt). Macht ebenfalls 13 Punkte nach Braden. Für beide Fälle werden verstärkte prophylaktische Maßnahmen wie die Beschaffung von Hilfsmitteln empfohlen. Die Auswahl der Hilfs-mittel muss allerdings am individuellen Risikoprofil erfolgen, das hier deutlich unterschiedlich ist und demzufolge unterschiedliche Maßnahmen bzw. Hilfsmittel erfordert.

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Für den Fall zu 1) mag ein Antidekubitus-Hilfsmittel dringend indi-ziert sein, weil u.a. bekannt ist, dass Typ II - Diabetiker sich sehr bewegungsarm verhalten und Mechanorezeptoren der Haut durch eine diabetogene Neuropathie geschädigt sein können. Für den Fall zu 2) kann eine erhöhte Aufmerksamkeit genügen, da bei korrekter postoperativer Schmerztherapie eigenständige Bewegungen sicher erhalten bleiben und Nahziel eine frühzeitige Mobilisierung ist. 3.6. Prophylaktische Maßnahmen Ausgehend von dem „Dekubitusrisiko-Modell“ (5) zielen prophylakti-sche Maßnahmen darauf ab, die konstante bzw. unveränderte Ein-wirkung von Druck, Reibung und Scherkräften an gefährdeten Kör-perregionen zu vermeiden oder zu minimieren und die Haut- und Gewebetoleranz zu erhöhen. 3.6.1. Maßnahmen zur Druckverteilung/ Druckentlastung Wenn Personen nicht mehr selbstständig in der Lage sind (z.B. bei Immobilität oder unterdrückten bzw. fehlenden Mikrobewegungen), auf eine druckbedingte Belastung des Gewebes ausreichend zu rea-gieren, dann sind diese auf pflegerische Hilfe angewiesen.

Zeitlich begrenzte Druckentlastung ist möglich durch Frei- und/oder Weichlagerung.

Der Sinn der Freilagerung (s. Seite 60 ff.) besteht darin, dass die Kör-perregionen, auf die längere Zeit Druck eingewirkt hat, über eine Folgezeit druckentlastend gelagert werden. Die Lagerung muss nicht immer passiv durch eine Pflegekraft erfolgen, sondern sollte sich nach den vorhandenen Bewegungsmöglichkeiten des Pflegebedürfti-gen richten, sie sind bewusst in die Pflege einzubeziehen. So kann beispielsweise eine sitzende Person aufgefordert werden, in regel-mäßigen Abständen aufzustehen oder die Sitzhaltung zu ändern (ggf. mit wiederkehrender Aufforderung). Die Lagerungsintervalle richten sich nach der Gewebetoleranz. des jeweiligen Patienten. Allerdings gibt es für die Lagerungsintervalle kaum wissenschaftlich fundierte Empfehlungen (5,6,19). Ein wichtiges Lagerungsprinzip ist, dass die Auflagefläche so groß wie möglich sein sollte, damit das Körpergewicht auf eine größere Fläche verteilt wird. Die Last über Knochenvorsprüngen sollte mini-miert werden (20). So ist beispielsweise die 30°-Lagerung der 90°-Lagerung vorzuziehen (5). Weichlagerung bedeutet, dass das Gewebe nicht gänzlich druckent-lastet wird, der Druck jedoch durch den Einsatz von weichen Hilfs-mitteln auf eine größere Auflagefläche verteilt wird. Gebräuchlich ist der Einsatz von Antidekubitusprodukten (Matratzen, Sitzkissen und Auflagen). Bei Weichlagerung ist zu beachten, dass durch das

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Einsinken in das weiche Hilfsmittel ggf. eine Fixierung der betroffe-nen Körperregion (= Immobilisation) entsteht. Selbst im Wasser-bett, das naturgemäß die Gewichtskraft auf die größtmögliche Hautfläche verteilt, wird der kapillare Verschlussdruck im Gewebe erreicht und überschritten. Also auch hier kommt man ohne Umla-gerung und somit regelmäßige Veränderung der Krafteinwirkung nicht aus. Es gibt eine unüberschaubare Fülle sogenannter Antidekubitus-Hilfs mittel. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass dekubitusge-fährdete Personen, die auf Spezialmatratzen (z.B. Wechseldruck oder viskoelastische Schaummatratzen), gelagert werden, im Ver-gleich zu gefährdeten Personen, die auf „Standardmatratzen“ gela-gert werden, weniger häufig Dekubitus entwickeln (19,21).

Antidekubitus-Hilfsmittel befreien nicht von einer indivi-duellen, regelmäßigen Lagerung. Auch auf Antidekubitus-Hilfsmitteln muss der Patient gelagert werden!

3.6.2.Maßnahmen zur Verminderung von Reibung und Scherkräften

Gewichtsbelastetes Gewebe führt immer auch zu Scherung beson-ders in den Übergangszonen. Demzufolge wird Gewebe nicht nur durch anhaltenden Druck, sondern auch durch Scherkräfte geschä-digt. Des Weiteren entstehen Scherkräfte auch dann, wenn sich der Kör-per oder einzelne Körperteile aufgrund der Schwerkraft in eine be-stimmte Richtung bewegen, die äußere Haut jedoch am Lagerungs-mittel „festklebt“. Das ist typischerweise dann der Fall, wenn bett-lägerige Personen, die ihre eigene Körperlage nicht mehr selbst-ständig kontrollieren können, bei aufgestelltem Kopfteil zum Fuß-ende rutschen. Das Gewebe wird ähnlich wie beim Vorgang des „Waschlappenauswringens“ gequetscht, Gewebeschichten gegen-einander verschoben und der Kapillarfluss verlegt. Es sind meist in-nenliegende, tiefere Gewebsschichten betroffen (7). Eine sinnvolle Prophylaxe besteht darin, die Lagerung korrekt (z.B. Hüftabkni-ckung) und gewebeschonend durchzuführen (5,20). Jede Lagerung sollte so abgeschlossen werden, dass sie von den Betroffenen ak-zeptiert wird. Es ist regelmäßig zu kontrollieren, dass in der ver-änderten Position wenige Scherkräfte auftreten. Reibung wirkt insbesondere durch mechanische Beanspruchung der äußeren Hautschichten. „Schleift“ beispielsweise das Gesäß oder die Ferse über das Laken, dann kann es zum Abrieb der Epidermis kommen. Danach ist diese Hautstelle empfindlicher gegenüber wei-teren Reizen (z.B. Feuchtigkeit). Reibung ist insbesondere durch adäquate Mobilisations- und Lagerungstechniken vermeidbar. Es gibt Hinweise, dass schädliche Lagerungstechniken (z.B. Hochzie-

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hen im Bett ohne Assistenz) die Dekubitusinzidenz erhöhen (23). Hautschäden durch Reibung betreffen insbesondere die oberen Hautschichten (7). 3.6.3. Maßnahmen zur Erhöhung

der Haut- und Gewebetoleranz Es gibt theoretische Überlegungen, die Haut und/oder das darunter liegende Gewebe gegen Druck, Reibung und Scherkräfte wider-standsfähiger zu machen. In der Folge soll sich die Toleranz des Ge webes gegenüber diesen extrinsischen Faktoren erhöhen (5,23). Da-für werden im Wesentlichen zwei Maßnahmen diskutiert: Ausgleich von Ernährungs- und Flüssigkeitsdefiziten und Hautpflege (5,23). 3.6.4. Ernährung Es gibt bislang wenig wissenschaftliche Belege dafür, dass der Er-nährungszustand einen Einfluss auf die Dekubitusinzidenz hat (18, 23,24). Häufig wird jedoch eine direkte kausale Beziehung zwischen Ernährung und Dekubitusentstehung angenommen. Die wissenschaft liche Grundlage für diese Annahme fehlt, da bisher keine qualitativ hochwertigen Studien vorliegen, die einen Zusammenhang zwischen Mangelernährung und erhöhter Dekubitusinzidenz nachweisen. Denn noch scheint die Annahme plausibel, dass es einen Zusammenhang zwischen Ernährung und Dekubitusentstehung gibt (5,25). Schwindet Lagerfett, so vermindert sich die Gewebetoleranz.* 3.6.5. Medizinische Hautpflege Der medizinischen Hautpflege wird im Rahmen der Dekubitusprä-vention ebenfalls hohe Bedeutung beigemessen. Dabei soll zum ei-nen die Haut vor keratolytischen Reizen (z.B. Feuchtigkeit) ge-schützt und zum anderen durch die Applikation von Pflegemitteln die extrazelluläre Matrix der Dermis widerstandfähiger gemacht werden. Dass die Haut durch anhaltende Feuchtigkeit (z.B. starkes Schwitzen, Urin- und/oder Stuhlinkontinenz) in ihrer Toleranz ge-genüber mechanischen Faktoren geschwächt und/oder geschädigt wird, steht außer Zweifel. Die Studienlage zur Bedeutung der Haut-feuchtigkeit für die Dekubitusentstehung ist jedoch uneinheitlich. So ist es beispielsweise umstritten, ob Inkontinenz zu Dekubitus führt oder nicht (5,25). Unabhängig davon tragen prophylaktische Maßnahmen, die permanenter Hautfeuchtigkeit vorbeugen, zur För-derung der Hautgesundheit bei.

* Hinweis: Zur weiteren Information siehe „Grundsatzstellungnahme Ernährung und Flüssigkeitsversorgung älterer Menschen“, Juli 2003, Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS), Download in der dortigen Datenbank SINDBAD unter www.mds-ev.de.

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Evidenzbasierte Aussagen zum Einsatz bestimmter Hautpflege- und Hautreinigungsmittel sind kaum möglich (5,27). Es gibt Hinweise, dass Stuhlgang und/oder Urin bei inkontinenten Personen nicht mit alkalisch wirkenden Seifen entfernt werden sollten, da diese den pH-Wert der Haut zusätzlich negativ beeinflussen und die Haut aus-trocknen (27,28). Die derzeitigen Empfehlungen zur Hautpflege führen aus, die Haut sauber und trocken zu halten. Bei sehr trockener Haut sollen feuch tigkeitsspendende Cremes oder Lotionen aufgetragen werden; die Reinigung nur unter Verwendung pH-neutraler Produkte (5,19,27) erfolgen. Manipulationen an der Haut (z.B. Massage, „Anregung“ der Durchblutung) sollen unterbleiben, da dadurch die Haut mit schon geschädigter Basalmembran weiter geschwächt wird (5,23). 3.6.6. Dekubitusprophylaxe unter

schmerztherapeutischen Aspekten Nicht nur der Schmerz selbst kann in direkten Zusammenhang mit der Dekubitusentstehung gebracht werden, sondern auch die Schmerztherapie. Dies ist ein Grund, warum Schmerztherapie mit äußerster Sorgfalt gewählt und der Betroffene auch nach der Er-stellung eines erfolgreichen Therapiekonzeptes (s. Kasten S. 36) hin sichtlich der Dekubitusprophylaxe sorgfältig betreut werden muss. Bei chronischem Schmerz ist daher zu beachten: - Zu Beginn einer Schmerzmedikation kann es möglich sein, dass

der Betroffene nach längerem schmerzbedingtem Schlafentzug in einen tiefen Erschöpfungsschlaf fällt. Unter opioiden wie nichtopioiden Schmerzmittel muss beobachtet werden, ob der Patient eigenständig Lagekorrekturen vornimmt; wenn nicht, sind Lagerungsmaßnahmen durchzuführen.

- Bei opioiden Schmerzmitteln ist die sedierende Wirkung - bei

einer Dosierung über den schmerzlindernden Bedarf hinaus - zu beachten. Bei Patienten mit chronischen Schmerzen ist ein langsames Herantasten an die Bedarfsdosis durch vorsichtiges Höherdosieren erforderlich. Es wird angestrebt, eine Kombina-tionstherapie von nichtopioiden mit opioiden Schmerzmitteln zu erstellen.

- Fällt der Betroffene im Verlauf der Therapie durch zunehmende

Apathie und Müdigkeit auf, dann ist die Dosierung der opioiden Schmerzmittel zu hinterfragen. Es ist möglich, dass Veränderun-gen im Krankheitsverlauf das Ausmaß der Schmerzen reduziert und dadurch der Bedarf an Schmerzmitteln sinkt. Die Schmerz-therapie muss immer dem aktuellen Bedarf angepasst werden!

- Oral verabreichte Medikamente sind generell nach einem festen

Zeitschema einzunehmen, um die Medikamentenkonzentration

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im Blut im therapeutischen Bereich zu halten und Konzentrations-spitzen oder Unterversorgung zu vermeiden. Bei oral verabreich-ten Opioiden können Konzentrationsspitzen zu zeitweiliger Apa-thie führen und in der Folge zu reduzierter Bewegung.

- Bei Betroffenen mit akuten Schmerzen, z.B. als Folge von Ope-

rationen oder Verletzungen, ist im Verlauf des Heilungsprozesses mit einer Abnahme der Schmerzen zu rechnen. Im Allgemeinen wird der Bedarf an Schmerzmitteln bei diesen Patienten im Ver-lauf der Heilung geringer. In einigen Kliniken gibt es für die ers-ten postoperativen Tage ein Schema, nach welchem Schmerz-mittel verabreicht werden. Es ist immer darauf zu achten, dass der Betroffene bedarfsgerecht mit Schmerzmitteln versorgt ist!

- Für eine patientenkontrollierte Analgesie werden i.d.R. PCA-

Pumpen eingesetzt, die mit einem opioiden Schmerzmittel ge-füllt sind. Der Patient kann sich über einen intravenös liegenden Zugang eine bestimmte Menge des Schmerzmittels verabreichen. PCA bedeutet patientenkontrollierte Analgesie. Der Patient fordert immer dann eine Dosis ab, wenn er den Bedarf sieht. Pflegekräfte oder Angehörige sollten keinesfalls in guter Absicht bei einem schlafenden oder vermeintlich schmerzgeplagten Pa-tienten eine Applikation auslösen. Es besteht die Gefahr des Dekubitus, weil der Patient keine Empfindung mehr wahrnimmt, die ihn zur Lageänderung motiviert, des Weiteren besteht das Risiko der Überdosierung von Schmerzmitteln, was im schlimms-ten Fall eine Atemdepression zur Folge hat.

- In vielen Kliniken wird inzwischen zur postoperativen Schmerz-

therapie ein Periduralkatheter gelegt. Dies erfolgt häufig bei Operationen im Bauchraum oder der unteren Extremitäten. Die sorgfältige Dosierung und die Wahl der Medikamente führt dazu, dass der Patient in seiner Motorik nicht eingeschränkt wird, aber schmerzfrei ist. Ein Vorteil ist, dass der Patient keinen weiteren Schmerzmittelbedarf hat und er mit vergleichsweise geringen Schmerzmitteldosen schmerzfrei ist. Folge der Schmerzfreiheit ist, dass er sich sehr gut selbst bewegen kann. Ein möglicher Nachteil ist, dass der Patient durch die reduzierte Sensibilität im Bereich des Gesäßes oder der unteren Extremitäten die Not-wendigkeit einer Lagekorrektur nicht spürt. So besteht Gefahr, an den Fersen oder dem Gesäß einen Dekubitus zu entwickeln. Der Patient sollte aufgefordert werden, Lagekorrekturen selbst vorzunehmen. Wenn ihm dies nicht möglich ist, müssen Lage-rungsmaßnahmen durchgeführt werden! Hier ist es wichtig, regelmäßig die Mobilitätsbereitschaft des Patienten zu prüfen, um eine Einschränkung der Bewegungsfä higkeit, etwa infolge einer Lageveränderung des Periduralkathe ters, frühzeitig zu erkennen und den zuständigen Schmerz-therapeuten zu benachrichtigen.

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Schmerzdokumentation und Schmerzmessung*

Schmerz kann, bedingt durch Schonhaltung und reduzierte Ei-genbewegungen, ein Risikofaktor für Dekubitus sein. Deshalb muss nach Schmerzen gefragt und bei Bedarf eine angemesse-ne Schmerztherapie angestrebt werden. Um Schmerz angemessen therapieren zu können, muss die Art, die Qualität, der Charakter und der Ort des Schmerzes ermit-telt werden. Eine klare Fragestellung hat sich bei der Schmerz-anamnese bewährt:

- Wo tut es weh? - Beschreiben Sie den Schmerz? - Wann tritt er auf? - Was verändert den Schmerz?

Als Instrumente zur Erfassung der Schmerzintensität und zur Verlaufsdokumentation können z.B. die VRS Schmerzskala (VRS = Verbal Rating Scale), die Visuelle Analogskalen (VAS) oder die numerische Rangskala (NRS) eingesetzt werden. Bei der VRS beschreibt der Patient anhand von fünf Begriffen die Schmerzstärke:

1 = kein Schmerz, 2 = leichter Schmerz, 3 = mäßiger Schmerz, 4 = starker Schmerz, 5 = sehr starker Schmerz.

Auf Begriffe, wie „unerträglich“, „erträglich“, „schrecklich“ usw., die die mit dem Schmerz verbundenen Gefühle wider-spiegeln, wird hierbei bewusst verzichtet. Bei begrenztem Sprachverständnis ist die VRS Schmerzskala jedoch nur be-schränkt einsatzfähig. Hier lässt sich die VAS in Form eines Li-neals mit beidseitiger Beschriftung und Schieber verwenden. Auf der einen Seite ist ein 10 cm langer Balken, auf dem sich die Schmerzintensität angeben lässt. Wird das Lineal gedreht, so kann auf der Rückseite die Schmerzintensität als Zahlen-äquivalent abgelesen und in der Dokumentation vermerkt wer-den. NRS ist ein Verfahren mit einer gedachten Zahlenreihe von 0 bis 10 oder 0 bis 100, wobei 0 kein Schmerz und 10 oder 100 maximal vorstellbarer Schmerz ist. Dieses Verfahren kommt ohne Hilfsmittel aus. *Literatur: F. Nauck, E. Klaschik: Schmerztherapie – Kompendium für Aus-bildung und Praxis. Wiss. Verl-Ges. mbH Stuttgart, 2002

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3.6.7. Fazit zur Schmerztherapie Schmerzpatienten haben ein höheres Risiko einen Dekubitus zu ent-wickeln. Um Schmerzen zu vermeiden, bewegen sie sich weniger. Schmerzmittel sind aber nicht zwangsläufig als Ursache für das Ent-stehen eines Dekubitus zu betrachten. Die Schmerztherapie sollte immer wieder auf ihre Effizienz hin überprüft werden, um Unter sowie Überdosierung zu vermeiden. Eine unkontrollierte Schmerz-therapie wirkt sich negativ auf den Erfolg einer Dekubitusprophy-laxe aus. Schmerz ist nicht nur mit Hinblick auf das Dekubitusrisiko zu the-rapieren. Weitere Komplikationen, die sich aus der Schonhaltung und der damit verbundenen Immobilität ergeben können, sind Thrombosen oder Kontrakturen. Schmerzbedingte Schonatmung führt ebenso wie die Schonhaltung zu einem erhöhten Pneumonie-risiko. Aus all diesen Gründen muss eine adäquate Schmerztherapie angestrebt werden. Der mit Schmerzen einhergehende Stress - wirkt belastend auf das Herz-Kreislaufsystem. Blutdruck und

Herzfrequenz steigen.

- wirkt auf den Magen-Darmtrakt durch verminderte Darmtätig-keit, bis hin zur Verstopfung. Es besteht die Gefahr eines Ma-gengeschwürs bzw. Ileus.

- wirkt auf den Gesamtstoffwechsel. Cortisol wird ausgeschüttet, der Blutzuckerspiegel steigt, die Stoffwechsellage wird katabo-lisch, was die Wundheilung negativ beeinflusst.

- belastet die Psyche. Anhaltender Schmerz kann ohne adäquate Therapie chronisch wer-den. Er muss bereits aus diesem Grund therapiert werden. Ethisch-humanitäre und rechtliche Gründe untermauern den Anspruch eines jeden Patienten auf adäquate Schmerztherapie. Unterlassene Schmerztherapie kann wie auch die nicht adäquate Dekubitusthe-rapie als unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB) oder vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassung (§§ 223, 230 StGB) bewertet werden. 3.6.8. Schlussfolgerungen Basierend auf diesen Hintergrundinformationen wird deutlich, dass viele Interventionen zur Dekubitusprophylaxe auf dem Evidenzni-veau der tradierten Expertenmeinung oder des Konsens beruhen. Diese Tatsache sollte bei der Formulierung von konkreten Hand-lungsanweisungen bedacht werden. So ist zum Beispiel das oft praktizierte Vorgehen, ab einem bestimmten Cut-Off-Punkt einer

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Dekubitusrisikoskala bestimmte prophylaktische Maßnahmen vorzu-schreiben (z.B. Einsatz einer Wechseldruckmatratze) nicht logisch begründbar. Stattdessen muss vor dem Hintergrund der bekannten ätiologischen Faktoren individuell entschieden werden, welche prophylaktischen Maßnahmen in welchem Umfang durchgeführt werden sollen. Die kontinuierliche Hautinspektion ist dabei die wichtigste Maßnahme, den Erfolg der Interventionen zu überprüfen. Dazu muss der Patient umgedreht werden, weil nur so die kritischen Stellen eingesehen werden können. Literatur:

1. Collier, M. Moore, Z. Etiology and Risk Factors. In M. Romanelli (Ed.), Science and practice of pressure ulcer management (pp. 27-36). London: Springer

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3.6.9. Bewegungs- und Wahrnehmungsförderung als Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe

3.6.9.1. Einführung Dass langanhaltender Druck und hohe Scherkräfte die Entstehung eines Dekubitus verursachen ist sicherlich unumstritten. Insofern zielen auch einige der vorbeugenden Maßnahmen traditionell genau auf diese Faktoren ab. So werden gefährdete Menschen in individu-ellen Zeitintervallen gelagert und es werden Hilfsmittel eingesetzt, die nach dem Arbeitsprinzip der Weichlagerung oder der Wechsella-gerung (s. Seite 57 ff.) funktionieren. Grundsätzlich sollen demnach der Druck und die Scherkräfte, die auf das Gewebe wirken, entwe der auf eine größere Fläche oder im Falle der Wechsellagerung, in entsprechenden Zeitintervallen von den gefährdeten Hautpartien auf anderen Gewebeareale verteilt werden. Durch diese und andere präventive Maßnahmen wird die Entstehung eines Dekubitus in aller Regel durchaus verhindert. Es stellt sich die Frage, warum der schädigende Druck und die ein-hergehenden Scherkräfte überhaupt die Möglichkeit haben, über ei-nen entsprechend langen Zeitraum auf den Patienten wirken zu können. Die Antwort liegt in den meisten Fällen in der unzureichenden Ei-genbeweglichkeit der Patienten und / oder in ihrem Unvermögen, entsprechende Reize, z.B. Schmerzen, wahrnehmen zu können. Aus diesem Grund sollte dem Bereich der Bewegungs- und Wahrneh-mungsförderung als Dekubitusprophylaxe besondere Aufmerksam-keit im Versorgungsprozess der betroffenen Menschen geschenkt werden. Auch bei Anwendung von Hilfsmitteln zur Dekubituspro-phylaxe und –therapie muss weiterhin individuell gelagert werden!

Bewegung und Wahrnehmung stehen in einem engen kau-salen Zusammenhang - sie bedingen sich gegenseitig!

Die enge Wechselwirkung von Bewegung und Wahrnehmung wird normalerweise tagtäglich am eigenen Leib erfahren. Sie bilden ein Paar, in dem das eine Element nicht auf das andere verzichten kann. Bewegungslosigkeit wird auch schnell zur Wahrnehmungs-losigkeit. Denn Informationen über den Körper erhält der Mensch über den Körper. Diese Erfahrung verschafft er sich über körperli-che Aktivität, also durch Bewegung. Das heißt: Handlungen bieten dem Menschen eine Rückmeldung über den eigenen Körper - er ist somit sein eigener „Körperbewusstseinunterhalter“. Unumstritten ist, dass ohne Bewegung Leben nicht möglich ist. Die Entwicklung der menschlichen Funktionen ist - beginnend mit der ersten Zellteilung - abhängig von Bewegung. Die Unabdingbarkeit von Bewegung bei der Herztätigkeit, Atmung, Verdauung und Blut-

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zirkulation ist hinlänglich bewiesen. Die Funktion der Sinnesorgane, geistige und interaktionelle Fähigkeiten sind ebenfalls von Bewe-gung abhängig (jedoch weniger offensichtlich). Durch Bewegung be-zieht sich der Mensch auf seine Umgebung und verändert sie. Ernstzunehmende Folgen von Bewegungseinschränkungen sind ne-ben den schwerwiegenden somatischen Störungen der Verlust des Selbstbildes, Hilflosigkeit und Abhängigkeit. Die Einschränkung der Eigenbewegung bewirkt darüber hinaus sehr schnell eine dramati-sche Veränderung der Selbstwahrnehmung. Langes Liegen, insbe-sondere auf sehr weichen Unterlagen, führt zu einem unmittelbaren Verlust von Körpergefühl. Die eigenen Körperkonturen verschwin-den – sie werden nicht mehr gespürt. Der Körper verliert sich und wird unbestimmt. Reizdeprivation führt zu einer Verstärkung dieses Prozesses bezüglich des eigenen Körpers und infolgedessen der ei-genen Person. Sie wirkt sich folgeschwer auf die Gesamtpersön-lichkeit aus. Die Signalgeber des neuronalen Netzwerkes adaptieren und verhindern somit Selbstorganisation und Selbststabilisierung des Menschen. 3.6.9.2. Negative Auswirkungen des dauerhaften Liegens In den letzten Jahren sind die negativen Auswirkungen von Immo-bilität auf Organsysteme, die Sensorik und die Psyche weitreichend erforscht worden. Nachfolgend werden die entsprechenden Auswir-kungen kurz dargestellt. a) Physiologische Auswirkungen des dauerhaften Liegens Dauerhaftes Liegen hat negative Auswirkungen auf alle Organsys-teme! - Kardiovaskuläres System: Erhöhung des Risikos venöser Throm-

bosen, Steigerung des Risikos von Orthostaseintoleranz und Hy-potension, Kontraktilitätsveränderungen des Herzens, Schwä-chung der Herzrhythmusdynamik.

- Atmungssystem: Abflachung der Atmung, Senkung der Atemfre-

quenz, Sekretstau, Behinderung des Gasaustausches. - Gastrointestinales System: Appetitlosigkeit, Pathologische Ver-

änderung des Proteinstoffwechsels, negative Veränderung der Verdauung, Obstipation.

- Harnwegssystem: Gefahr der Stase des Urins, Steigerung des

Entzündungsrisikos der ableitenden Harnwege, Inkontinzent-wicklung.

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- Muskuloskelettales System: Erhöhung der Sturzgefahr, Hyperkal-ziämie, Abnahme von Muskeltonus/ -volumen, Knochendemine-ralisation, Gefahr der Kontrakturenbildung.

- Haut: Anstieg des Dekubitusrisikos, Änderung der Schweißsekre-

tion, tylotische, schwielenartige Verdickung, keratotische Ver-änderungen.

- Verminderte Körperabwehr (Abwehrlage gegenüber Infekten)

- Störungen des Gleichgewichtes

- Koordinationsschwierigkeiten - Veränderungen des Stoffwechsels: Blutvolumenverlust mit Re-

duktion von Plasma- und Erythrozytenvolumen, Hypovolämie, Gerinnungsveränderungen, Hormonstörungen, Austrocknung.

b) Sensorische & psychische Auswirkungen dauerhaften Liegens

Sensorische Deprivation, Habituation, Veränderung vom Körper-bild, negative Auswirkungen auf Gefühle, Kognition und Wahr-nehmung, Angst, Furcht, Depression, Stimmungswechsel, Men-schen fühlen sich wertlos, Halluzinationen, Verlust des Zeitge-fühls, Konzentrationsschwierigkeiten, negative Auswirkungen auf die Perzeption, Minderwertigkeitsgefühle, Verlust von Le-bensfreude, Beeinträchtigung der sozialen Interaktion, Verände-rungen des Schlaf-Wach Rhythmus.

c) Kognitive Einbußen: Abnahme der Gedächtnisleistung 3.6.9.3. Maßnahmen zur Bewegungs- und Wahrnehmungsförderung

im Hinblick auf die Dekubitusprophylaxe Wie bereits oben beschrieben, sind die meisten Patienten mit Deku-bitus in ihrer aktiven Bewegungsfähigkeit und/oder Wahrnehmung reduziert. Das Unvermögen der Bewegung und Wahrnehmung be-trifft einzelne Körperteile, oft jedoch den ganzen Körper. Durch Immobilität fehlen wichtige Voraussetzung zur Gesunderhaltung der Haut. Die Hautgesundheit und ihre Widerstandsfähigkeit stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit Bewegung. Bewegung und Mobili-sation nach gewebeschonenden Prinzipien stabilisieren die Hautsi-tuation. Durch die Bewegungsförderung: - werden Muskelgruppen aktiviert, - wird Durchblutung verbessert, - erhöht sich Hautsensibilität.

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Zur Bewegungs- und Wahrnehmungsförderung existieren mehrere, in den pflegerischen Prozess hervorragend integrierbare therapeuti-sche Konzepte. Einige dieser Konzepte sind im deutschsprachigen Raum seit vielen Jahren in vielen Bereichen der Pflege, Rehabili-tation und Sonderpädagogik etabliert und erfreuen sich immer grö-ßerer Akzeptanz. Für die Pflege wesentliche Konzepte sind: - die Kinästhetik, - das Bobath-Konzept, - die Basale Stimulation und - das Aktivitas-Pflegekonzept. 3.6.9.4. Bewegungsfördernde Maßnahmen im pflegetherapeuti

schen Prozess bezogen auf die Dekubitusprävention Folgende Aspekte und Maßnahmen dienen der Förderung von Eigen-bewegung: - Die Bewegungsressourcen des Patienten müssen gründlich und

standardisiert ermittelt und dokumentiert werden. Bei der Er-mittlung der Beweglichkeit sind alle Bewegungsebenen zu über-prüfen.

- Die motorischen Angebote müssen sich primär an physiologi-

schen Bewegungsmustern orientieren. Ausnahmen können sich beispielsweise durch Bewegungseinschränkungen aufgrund fri-scher Operationswunden und Schmerzen darstellen.

- Durch die Anbahnung von physiologischen Bewegungsmustern

findet motorisches Lernen statt. Entsprechende neuronale Netze werden geknüpft.

- Sobald der Patient nicht mehr zu einer effizienten Eigenbewe-

gung in der Lage ist oder diese nur noch unzulänglich selbst-ständig durchführen kann, muss ein passives Bewegen auf allen Gelenkebenen erfolgen.

- Positionswechsel (Lagerungen) müssen stets unter Einbeziehung

von Bewegungen auf allen Bewegungsebenen stattfinden. - Die Gelenke des Patienten müssen nach Möglichkeit freigehalten

werden. Das bedeutet: auf die Nutzung von Lagerungsmateria-lien unter den Gelenken ist zu verzichten, um einerseits einen größtmöglichen Raum für die vorhandene Restmobilität zu ge-währen und andererseits eine unphysiologische Stellung der Ge-lenke zu verhindern. Es besteht die Gefahr der Kontrakturenbil-dung!

- Es muss dem Patienten eine Position angeboten werden, die ihm

eine möglichst große Auflagefläche bietet.

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Last but not least: Lagerungsmaterialien sind unter dem Aspekt der Körperbildorientierung auszuwählen, um eine gute Ausgangslage für die Eigenbewegung zu schaffen. Literatur: 1. Affolter, Félicie, Bischofberger, Walter: Wenn die Organisation des zentralen

Nervensystems zerfällt – und es an gespürter Information mangelt. Neckar-Verlag, 1996

2. Urbas, Lothar: Die Pflege des Hemiplegiepatienten nach dem Bobath-Konzept. Thieme Verlag, 1994

3. Hülshoff, Thomas: Das Gehirn. Hans Huber Verlag , 2000 4. Davies, Patricia M.: Wieder Aufstehen. Springer Verlag, 1995 5. Beckmann, Marlies: Die Pflege von Schlaganfallbetroffenen. Schlütersche

(vergriffen) Hogrefe Verlag, 2000, 6. Hatch, Frank et al.: Kinästhetik. DBfK, 1992 7. Bobath, Berta: Die Hemiplegie Erwachsener. Thieme Verlag, 1998 8. Hatch, Frank et al.: Kinaesthetica Infant Handling. Huber Verlag , 2004 9. Asmussen, Maren: Praxisbuch Kinaesthetics. Urban & Fischer, 2006 10. Bienstein, Christel, Fröhlich, Andreas: Basale Stimulation in der Pflege - Die

Grundlagen. Kallmeyer, 2007 11. Fröhlich, Andreas: Basale Stimulation in der Pflege Das Arbeitsbuch.

Kallmeyer, 2007 12. Bienstein, Christel, Fröhlich, Andreas: Basale Stimulation - Pflegerische Mög-

lichkeiten zur Förderung von wahrnehmungsbeeinträchtigten Menschen. Verlag Selbstbestimmtes Leben, 1991

13. Pickenhain, Lothar: Basale Stimulation, Neurowissenschaftliche Grundlagen. Verlag Selbstbestimmtes Leben, 2000

14. Buchholz, Thomas et al.: Begegnungen Basale Stimulation in der Pflege – ausgesuchte Fallbeispiele. Huber Verlag, 2001

15. Friedhoff, Michaela, Schieberle, Daniela: Praxis des Bobath-Konzeptes -Grundlagen – Handlings – Fallbeispiele. Thieme Verlag, 2007

16. Rüegg , Johann Caspar: Gehirn, Psyche und Körper - Neurobiologie von Psychosomatik und Psychotherapie. Schattauer Verlag, 2006

17. Spitzer, Manfred: Geist im Netz Modelle für Lernen, Denken und Handeln. Spektrum Akademischer Verlag, 2000

18. Spitzer,Manfred: Lernen. Spektrum Akademischer Verlag, 2004

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Raum für persönliche Notizen:

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4. Therapie des Dekubitus 4.1. Vorbemerkungen Diesen Handlungsanweisungen liegt der Expertenstandard Pflege chronischer Wunden DNQP 2008 (nachfolgend DNQP 2008) zu Grunde. Grundsätzlich werden Dekubitalulzera als chronische Wunden be-trachtet, ähnlich dem diabetischen Fußsyndrom und den Ulzera cruris. Auch bei bestehendem Dekubitus sind alle Maßnahmen der Prophy-laxe weiterzuführen. Zusätzlich werden aber weitere, spezielle Maß nahmen zur Therapie der Wunde erforderlich. Vor der Planung und Durchführung therapeutischer Maßnahmen ist die Anamnese, hier die wundspezifische Datenerhebung, erforder-lich. 4.2. Wundspezifische Datenerhebung (Assessment) Eine korrekte Wundanamnese setzt ein hohes Maß an Fachwissen voraus. Aus diesem Grund soll die erste Wundbeurteilung, -erfas sung und –vermessung gemeinsam mit einem Wundexperten durch-geführt werden. 4.2.1. Wundbeschreibung Bei der erstmaligen Datenerhebung sind folgende Kriterien zu er-fassen: 1. Wundbeurteilung:

- Grunderkrankung - Wundart mit Schweregradeinteilung - Bisherige diagnostische und therapeutische Maßnahmen

2. Wundlokalisation: Sie ist sowohl graphisch auf einem Bogen mit einem Körperschema eingetragen werden als auch unter Zuhilfenahme klassischer Be-zeichnungen von Körperregionen zu beschreiben. 3. Wundgröße Hier sind Länge, Breite und Tiefe festzuhalten. Zusätzlich sind mit-tels Knopfsonde mögliche Taschen, Fisteln und Unterminierungen zu untersuchen. 4. Wunddauer Es ist die Zeit von ersten Anzeichen eines Dekubitus bis zur aktuel-len Datenerhebung festzuhalten.

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5. Rezidive Zu dokumentieren ist die Häufigkeit des Wiederauftretens. 6. Beschreibung des Wundgrundes

Auflisten sind folgende Gewebe und Gewebezustände: - Granulationsgewebe, - Fibringewebe, - Epithelgewebe, - Nekrose, - Muskel, Faszie, Sehne, - Knochen, - Fettgewebe, - Dermis.

7. Beschreibung des Wundrandes

Hier sind Eigenschaften festzuhalten wie: - intakt, - nekrotisch, - unterminiert, - wulstig, - mazeriert.

8. Einschätzung des Hautzustandes der Wundumgebung

Zu achten ist auf Symptome wie: - Rötung, - Schwellung, - Mazeration, - Trockenheit, - Feuchtigkeit, - Farbe, - Wärme.

9. Anzeichen von Infektionen Anzeichen von Infektionen (siehe vorstehend, Punkt 8.) sind zu be-achten. Liegt eine Infektion vor, muss diese dokumentiert werden. 10. Flüssigkeit Austretende Flüssigkeiten - Exsudat / Transsudat – sind hinsichtlich ihrer Qualität und Menge zu beurteilen und zu dokumentieren. 11. Wundgeruch Auftretender Wundgeruch ist zu beschreiben. Er weist z.B. auf die Ursache – etwa der Infektion zugrunde liegende Keime - hin. In einigen Leitlinien sowie in juristischen Urteilen wird eine Foto-dokumentation der Wunde gefordert. Eine Fotodokumentation er-setzt jedoch nicht die schriftliche Dokumentation. Werden Fotogra fien erstellt, ist auf eine Standardisierung (Maßstab, Farbskala, Lichttemperatur etc) der Aufnahmen zu achten.

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4.3. Therapeutische Maßnahmen Nach der Datenerhebung wird das therapeutische Vorgehen geplant. Die wichtigsten Maßnahmen sind: - Wundabdeckung, - Schmerzlinderung, - Mobilitätsförderung, - Geruchsbindung, - Absorption des Wundexsudates, - Inkontinenzbehandlung. Die Planung der Maßnahmen muss mit dem betroffenen Patienten und u.U. mit den Angehörigen gemeinsam besprochen werden. Die Planung der Dekubitusbehandlung muss die individuellen wund und therapiebedingten Beeinträchtigungen und die therapeutischen Maßnahmen der Grunderkrankung berücksichtigen. Um weitere Schäden zu vermeiden, sind Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe ein-zuplanen. Ebenfalls gemeinsam besprochen werden muss, wie die medizinischen Verordnungen für wundspezifische Erfordernisse um-gesetzt werden können. Es empfiehlt sich, die am Krankenbett tätigen Pflegekräfte in die Maßnahmenplanung einzubeziehen, da sie die therapiebedingten Einschränkungen und Belastungen des Patienten kennen. Sie können die Besonderheiten des Einzelfalles am besten ins Wundteam ein-bringen und so Diskussionen um Wohlverhalten (Stichwort: „man-gelhafte Compliance“) vermeiden helfen. Oberste Priorität ist die Linderung der Beschwerden. Dabei ist es wichtig, dass sich die resultierenden Maßnahmen angemessen in den Alltag des Dekubituspatienten integrieren lassen. 4.3.1. Wundspezifische Maßnahmen zur Dekubitusbehandlung Die wichtigsten Maßnahmen der Dekubitusbehandlung sind: – Zeitgemäße Lagerung, – Druckentlastung, – Förderung der Eigenbewegung, – Ernährungsoptimierung, – Phasengerechte feuchte Wundversorgung, – Rezidivprophylaxe, – Schutz der an die Wunde angrenzenden Hautbereiche, – Behandlung von Inkontinenz. Die Pflegekraft, wie jeder Partner im Team, muss sich hier der Her-ausforderung stellen, interdisziplinär und interprofessionell zu arbei ten, da die Versorgung eines Patienten mit Dekubitus die Zusam-

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menarbeit von Pflegefachkräften, Ärzten, Ernährungsberatern, Phy-siotherapeuten, Orthopädietechnikern, Apothekern und ggf. Psycho logen erfordert. 4.3.2. Hygienische und fachgerechte Wundversorgung Zur fachgerechten Wundversorgung durch Pflegepersonen gehört: 1. Infektionsprävention, 2. Infektionsbekämpfung, 3. Débridement (ausgenommen: chirurgisch), 4. Wundreinigung, 5. Anlegen der Wundauflagen, 6. Sachgerechter Verbandwechsel, 7. Hautschutzmaßnahmen. Gemäß den Ausführungen des Expertenstandards Chronische Wun-den (DNQP 2008) folgt die Vorgehensweise bei der Wundversorgung den Prinzipien der Antiseptik. Beim Verbandwechsel müssen sterile Handschuhe, sterile Verbandmaterialien und sterile Pinzetten ver-wendet werden. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt 2005 folgende Vorgehensweise: 1. Vor dem Verbandwechsel Händedesinfektion. 2. Zum Entfernen des durchfeuchteten Verbandes keimarme Ein-

malhandschuhe tragen. 3. Festsitzende Wundauflagen mit steriler Pinzette entfernen. 4. Anschließend Einmalhandschuhe entsorgen. 5. Erneute Händedesinfektion. 6. Wundbehandlung in Non-Touch-Technik mit sterilen Instrumen-

ten oder sterilen Handschuhen. 7. Spülen der Wunde nur mit sterilen Lösungen (Haltbarkeit beach-

ten!). 8. Instrumente unter Vermeidung einer Kontamination der Umge-

bung sofort sicher entsorgen Angebrochene Sterilverpackungen sind nach dem Verbandwechsel zu verwerfen.

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4.3.3.Verbandmittelversorgung Zur Abdeckung der Wunde kommen folgende Mittel unterschiedli-cher Hersteller zum Einsatz: Alginate, Hydrokolloide, Hydrogele, Schaumverbände, silberhaltige Hydrokolloide und Schaumverbände, analgetikahaltige Schäume und antibakteriell wirkende Wundauflagen. Die entsprechenden Verord-nungen sollten vom Arzt so ausgestellt werden, dass der Verbrauch auch bei eventuellen Therapieanpassungen ökonomisch vertretbar bleibt. Welche Wundabdeckung im individuellen Fall richtig ist, wird in Schulungsprogrammen und Fortbildungsveranstaltungen vermittelt (z.B. Dortmunder Wundforum, Akademie für zertifiziertes Wundma-nagement etc.) 4.3.4. Schulung – Beratung - Anleitung Um den betroffenen Patienten und dessen Angehörige in die The-rapie aktiv einbeziehen zu können, muss ihnen Wissen und Infor-mation über die Erkrankung bzw. ihre Wunde vermittelt werden. – Die Schulung muss allgemeine und krankheitsspezifische Bera-

tung umfassen. – Zu den allgemeinen Beratungsinhalten zählen beim Dekubitus

beispielsweise der Bewegungsmangel als Wundursache, die Ver-wendung sterilen Verbandmaterials beim Verbandwechsel, die richtigen Erwartungen zum zeitlichen Verlauf der Wundheilung, Bedeutung der Schmerzbehandlung, die Pflege angrenzender Hautregionen, Fragen der Ernährung sowie die Erschwernis der Wundheilung durch Entleerungsstörungen von Blase und Darm (Inkontinenz).

– Die speziellen, krankheitsspezifischen Inhalte befassen sich u.a.

mit Empfindungsstörungen als Folge der Grunderkrankung, mit Lagerungsmaßnahmen und der Bewegungsförderung sowie dem richtigen Umgang mit Antidekubitus-Hilfsmitteln.

– Erlernen des berührungsfreien Arbeitens (Non-Touch-Technik),

das heißt, das Entfernen der Wundauflage ohne die Wunde mit der Hand oder den Instrumenten zu berühren, selbst wenn mit sterilen Handschuhen und steriler Pinzette gearbeitet wird.

– Die Pflegefachkraft kann ggf. den Betroffenen und seine Familie

bei der Kontaktaufnahme zu anderen Organisationen, Experten und Selbsthilfegruppen unterstützen.

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4.3.4.1. Sicht des Patienten Die Therapie soll vom Patienten als partnerschaftlich erlebt wer-den. Patient und Angehörigen dürfen nicht überfordert werden. Sollten Patient bzw. pflegende Angehörigen nicht mit der Wundver-sorgung wie Verlaufskontrolle, Lagerungsmaßnahmen und Verband-wechsel zurechtkommen, muss die Pflegefachkraft dies kurz- oder auch längerfristig übernehmen. 4.3.4.2. Sicht der Pflegekraft Pflegefachkräfte tragen die Durchführungsverantwortung für die ärztlich angeordnete Wundversorgung. Sollten die ärztlichen Anord-nungen allerdings nicht dem aktuellen Wissenstand entsprechen, sind derartige Maßnahmen zurückzuweisen. So ist beispielsweise die Nutzung von unsterilen Verbandstoffen strikt abzulehnen. - Die Koordination der Maßnahmen zur Dekubitusbehandlung kann

durch die Pflegekraft erfolgen. - Durch die Verantwortung für die Koordination der eigenen, aber

auch der anderen Fachkräfte gewährleistet die Pflegefachkraft eine nachhaltige Versorgung bei der Dekubitusbehandlung.

- Im Rahmen dieser Verantwortung integriert sie die Bedürfnisse

des Betroffenen und seiner Angehörigen, da heutzutage nur die Pflegefachkraft über umfassende Kenntnisse über die individuel-le Lebenssituation des Patienten verfügt.

- Unter der Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände

des Patienten sorgt die Pflegefachkraft so für eine abgestimmte Umsetzung der therapeutischen Maßnahmen. Dazu zählen bei-spielsweise auch Schmerzmittelgaben und Therapiezeiten z.B. bei Lagerungsmaßnahmen.

4.3.4.3. Sicht des Arztes Der Arzt ist Verordner der Therapiemaßnahmen. Er wird seine Ver-ordnung entsprechend dem Schweregrad der Dekubitalulzera z.B. auf der Basis einer modernen feuchten Wundbehandlung aufbauen. Idealerweise werden die Wundauflagen/Verbandmittel entspre-chend den Wundverhältnissen und Wunderfordernissen ausgewählt und in Kooperation mit den Wundexperten der Pflege angewendet. Die regelmäßige kritische Beurteilung des Heilungsverlaufs muss einmal durch die ausführende Pflegekraft und in regelmäßigen Ab-ständen auch vom Arzt erfolgen.

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Zu den Aufgaben des Arztes gehören: - Durchführung eines mechanischen Débridements unter ausrei-

chender Schmerzbehandlung (suffizienter Analgesie), ggf. durch einen Chirurgen, wenn es sich ärztlich/allgemeinmedizinisch nicht durchführen lässt.

- ggf. Zuführung zur plastischen Deckung, - Verordnung/Organisation von Behandlungspflege, - Verordnung aller indizierten Verbandmaterialien und notwendi-

gen Hilfsmittel, - Regelmäßige Überprüfung der Wunddokumentation bzw. des Hei

lungsverlaufs und ggf. Anpassung der Behandlungsstrategie - Die Verordnungen zu Hilfsmitteln und Hilfs- und Verbandmate-

rialien sowie zu Lagerungsmaßnahmen sollten gemäß dem ak-tuellen Wissenstand (DNQP 2008) und der aktuellen Richtlinien erfolgen und im Team kommuniziert werden.

- Eine der wesentlichsten „Maßnahmen“ ist die enge Information und Kooperation im Team, um die optimale Wundbehandlung zu gewährleisten.

4.3.4.4. Sicht der Kostenträger Der Kostenträger bzw. die Einrichtung muss dafür Sorge tragen, dass Hilfs- und Verbandmaterialien gemäß der Verordnung durch den Arzt zeitnah zur Verfügung stehen. Es empfiehlt sich für alle Einrichtungen, mit einer speziell weiter-gebildeten Fachkraft im Bereich der Wundversorgung zusammen zu arbeiten. Diese sollte die vor Ort tätigen Pflegekräfte durch ihre Fachkompetenz unterstützen. Weiterhin ist der Träger einer Einrichtung dazu verpflichtet, Mate-rialien für einen hygienischen Verbandwechsel, z.B. sterile Instru-mente, Schutzkleidung und Desinfektionsmittel vorzuhalten. Zur hy-gienisch fachgerechten Versorgung eines Dekubitus gehören folgen-de Materialen und Maßnahmen: 1. Schutzkleidung für alle am Patienten tätigen Personen, 2. Keimarme Einmal – Handschuhe, 3. Handdesinfektion, 4. Sterile Instrumente, 5. Sterile Wundauflagen, 6. Sterile Spülflüssigkeiten, 7. Korrekter Umgang mit Einmalprodukten, 8. berührungsfreies Arbeiten (Non-Touch-Technik). Der Erfolg der Dekubitusbehandlung ist nicht nur von der Kompe-tenz der einzelnen Partner im Wundteam abhängig, sondern auch von ihrer Verfügbarkeit! Daher ist eine entsprechende Personalpla-nung unabdingbar.

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4.3.5. Verlaufsdokumentation der Wundsituation Die Verlaufsdokumentation verdeutlicht, ob die Gesamtheit der Maßnahmen zu einer Verbesserung der Wundsituation geführt hat. - Nach jedem Verbandwechsel muss der Wundzustand dokumen-

tiert werden. Eine Verlaufsdokumentation soll spätestens inner-halb eines Zeitraumes von zwei Wochen erfolgt sein. Die Ab-stände können individuell festgelegt werden, um beispielsweise zwischendurch durchgeführte wundbezogene Maßnahmen, etwa ein chirurgisches Débridement, zu dokumentieren.

- Die Pflegekraft soll regelmäßig pflegerische Fachexperten in die

Begutachtung der Wunde einbeziehen. Die Verlaufsbeobachtung ist für das weitere Vorgehen bei der Dekubitustherapie von maß-geblicher Bedeutung.

- Spätestens alle vier Wochen muss überprüft werden, ob die Maß

nahmen zur Wundversorgung erfolgreich waren und zur Reduk tion der wund- und therapiebedingten Einschränkungen geführt haben. Dabei ist eine engmaschige Verlaufsdokumentation beson ders hilfreich.

- Eine Änderung des Maßnahmenplans wird erforderlich, wenn :

1. sich die Wundsituation verschlechtert hat, 2. sich die persönliche Situation oder das Befinden des

Betroffenen oder seiner Familie verschlechtert hat, 3. der Betroffene und seine Angehörigen die geplanten

Maßnahmen nicht unterstützen oder 4. ein Behandlungsziel erreicht wurde und nun weitere, darauf

aufbauende Schritte, und / oder prophylaktische Maßnahmen zur Vermeidung eines Rezidivs geplant werden müssen.

Leider sind die Fortschritte bei der Dekubitustherapie manchmal nur sehr gering und kaum wahrnehmbar. Aber selbst wenn kaum Fortschritte messbar geworden sind, ist durch eine glaubwürdige Zuwendung zum Patienten eine Steigerung seiner Lebensqualität erreichbar. 4.3.6. Antidekubitus-Hilfsmittel zur Prophylaxe und Therapie

Um dem Entstehen eines Dekubitus entgegen zu wirken, muss ein in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkter Patient so oft wie mög-lich gelagert werden. Wenn Zuwendungen durch pflegerische Maß-nahmen nicht ausreichen bzw. aus medizinischen Gründen nicht konsequent genug ausgeführt werden können (z.B. Lagerung bei Schmerzpatienten), so können zur Prävention und zur Unterstüt-zung der therapeutischen Maßnahmen Hilfsmittel gegen Dekubitus eingesetzt werden. Diese sollen die bereits erwähnten begünstigen-

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den und ursächlichen Faktoren der Dekubitusentstehung vermeiden bzw. abschwächen. Hilfsmittel gegen Dekubitus dienen folglich der Vorbeugung bzw. unterstützen (begünstigen) die Behandlung von Dekubitalulzera bei immobilen bettlägerigen oder ständig sitzenden Menschen. Angeboten werden Hilfsmittel in unterschiedlichsten Ausführungen und Qualitäten . Für einen sinnvollen Einsatz und um eine therapiegerechte Versorgung zu gewährleisten, müssen die Produkte allerdings individuell, den jeweiligen Anforderungen ge-mäß ausgewählt werden. Keines der genannten Hilfsmittel kann allerdings eine regelmäßige Zuwendung wie beispielsweise eine individuelle Lagerung eines immobilen Patienten ersetzten.

4.3.6.1.Auswahl von Antidekubitus-Hilfsmitteln Aufgrund der vielfältigen Ursachen für die Entstehung von Dekubi-talulzera kann keine einheitliche Empfehlung zur Verwendung be-stimmter Produktarten, z.B. in Abhängigkeit bestimmter Risikostu-fen oder Dekubitusstadien, gegeben werden. Die Hilfsmittel dienen nicht isoliert der Wundbehandlung. Vielmehr soll durch die Entlas-tung der gefährdeten Stellen einem weiteren Fortschreiten eines Dekubitus vorgebeugt und bei bereits vorhandenen Dekubitalulzera durch Vermeidung bzw. Verminderung von Risikofaktoren der Hei-lungsprozess unterstützt werden. Auch ist – wie leider von Kostenträgern häufig zur Vertragsgestal-tung genutzt - eine Auswahl des Produktes allein nach dem Deku-bitusstadium (auch Dekubitusgrad genannt) nicht sinnvoll. Der me-dizintechnische, prophylaktische oder therapeutische Aufwand lässt sich nicht anhand eines Dekubitusstadiums festlegen. Das Dekubi-tusstadium beschreibt nur das Ausmaß der Wunde und lässt keine Rückschlüsse auf die durchzuführende Hilfsmittelversorgung oder gar Pflege bzw. Therapie zu. Vielmehr müssen für die Auswahl des Hilfsmittels dessen Funktionseigenschaften auf den Verlust der Fä-higkeiten des jeweiligen Patienten, auf die Funktionseinschränkun-gen der Grunderkrankung und auf die individuellen Behinderungen abgestimmt werden. Gleiches gilt analog für das Einschätzen eines Risikos, auch hier ist der ermittelte numerische Wert (s. Anhang, Risikoskalen) differenziert zu bewerten.

Ein allwirksames Antidekubitus-Hilfsmittel gibt es nicht! Kein Hilfs-mittel kann die pflegetherapeutische Zuwendung ersetzen! Der Einsatz eines Hilfsmittels richtet sich nach dem persönlichen, medizinischen und pflegerischen begründbaren Bedarf des Betrof-fenen. Für die Entscheidung, welches Hilfsmittel zum Einsatz kommt, sind nicht nur die druckentlastenden Eigenschaften rele-vant. Insbesondere sind die Pflege- und Therapieziele sowie die Grunderkrankung einzubeziehen. Dabei geht es z.B. um Wahrneh-

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mungs- und Bewegungsförderung, Schmerzreduktion, Haltungsun-terstützung sowie Sitz- und Liegequalität. Die Antidekubitus-Hilfsmittel (= Hilfsmittel gegen Dekubitus) sollten nach folgenden Kriterien ausgewählt werden:

1. Prioritäten der Pflege- und Therapieziele unter Beachtung der Grunderkrankung und der körperlichen Fähigkeiten des Patien-ten,

2. Reserven der Eigenbeweglichkeit, so noch vorhanden, 3. Gewicht sowie der Konstitution des Betroffenen, 4. Soziales und pflegerisches Umfeld (z.B. Pflegesituation), 5. Akzeptanz des Patienten bezüglich seiner aktuellen Situation

(= Compliance), 6. Bedienbarkeit und Anwenderfreundlichkeit

sowie 7. Abwägung des zu erwartenden Nutzens. Eine Hilfestellung können spezielle Erhebungsbögen zur Auswahl von Hilfsmitteln geben (s. Anhang, S. 115 ff). Die US-amerikanische Versicherungsgesellschaft Aetna bietet unter www.aetna.com eine englischsprachige Auswahlhilfe für Anti-Deku-bitus-Hilfsmittel an. 4.3.6.2. Arbeitsprinzipien der Hilfsmittel gegen Dekubitus Hilfsmittel gegen Dekubitus verwenden unterschiedliche Arbeits-prinzipien, um das Risiko der Entstehung eines Dekubitus zu senken bzw. seine Heilung zu beschleunigen / die Pflege des Patienten zu unterstützen. Hilfsmittel versuchen, die lokale mechanische Ge-wichtsbelastung zu verringern bzw. die Risikofaktoren der Deku-bitusentstehung zu vermindern. Die marktgängigen Hilfsmittel kom-binieren manchmal mehrere Arbeitsprinzipien, um einen möglichst hohen prophylaktischen und therapeutischen Nutzen zu erreichen. Da die Optimierung eines Arbeitsprinzips aber andere Risikofak-toren verstärken kann, stellt ein Hilfsmittel gegen Dekubitus oft nur einen Kompromiss dar. Orientiert man sich an den Ursachen und den Risikofaktoren für Dekubitalulzera, sind folgende Arbeitsprinzi-pien zu definieren: - Weichlagerung, - Wechseldruck, - Freilagerung, - Wahrnehmungsförderung.

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a) Entwicklungsgeschichtlicher Hinweis Alle Arbeitsprinzipien haben einen kleinsten gemeinsamen Nenner: Sie müssen versuchen, die nachfolgend beschriebene Wirkung der Schwerkraft als Grundproblem für die Entstehung des Dekubitus auszugleichen. Seit vor Millionen von Jahren die Bildung unseres blauen Planeten aus Sternenstaub zum Abschluss gekommen ist, ist seine Masse und somit seine Schwerkraftwirkung in etwa gleich geblieben. Diese Schwerkraft hat u.a. verhindert, dass das sich bildende Wasser in den Weltraum verdampft ist. Somit konnte sich Leben in den Was-sern der Ozeane entwickeln. In Folge der Interaktion von Räubern und Beute, fressen und gefressen werden, haben Fische wie Ein-zeller „Aktuatoren“ von Zilien (Wimpern) bis Muskeln entwickelt, um Bewegung zu ermöglichen, sei es um zu jagen oder sei es um dem Fressfeind zu entrinnen. Leben war und ist somit elementar auf Bewegung angelegt:

Leben ist Bewegung / Bewegung ist Leben

Muskeln erlaubten den ersten Amphibien, auf das Land zu entkom-men. Entwicklungsgeschichtlich hatte sich die Komplexität eines le-benden Organismus zum damaligen Zeitpunkt schon zu Blutkreislauf und Sauerstofftransportvehikeln (rote Blutkörperchen) entwickelt. An Land musste nun zusätzlich die Scherkraftwirkung beherrscht werden, die im Wasser kaum eine Rolle gespielt hatte (kaum Dich-teunterschiede zwischen Zellflüssigkeit und umgebenden Wasser). Auf dem Trockenen in der Luft drückt die Gewichtskraft der flüssig-keitsgefüllten Zellen an den Kontaktstellen zwischen Boden und Stützskelett die Kapillaren in der Endstrombahn des Blutkreislaufs zusammen und verhindert das Strömen der roten Blutkörperchen. Die Kapillaren kollabieren und die Zellen werden von der Versor-gung abgeschnitten. Da man dem Naturgesetz Schwerkraft nicht entrinnen kann, hat die Evolution eine Art Vorratswirtschaft entwickelt, die Phasen von Stillstand im Kapillarbett zu überbrücken hilft. Aber die Toleranz-zeiten sind endlich. Eine belastete Stelle muss durch Verlagerung des Körpergewichts regelmäßig entlastet werden. Nur durch den ständigen Wechsel zwischen Belastung und Entlastung wird die Versorgung der Zellen aufrecht erhalten. Somit zeigt sich auch hier, dass die Lebewesen elementar auf Bewegung angewiesen sind. Man könnte nun meinen, dass der hohe arterielle Blutdruck beim Menschen schon für Durchströmung sorgt. Doch weit gefehlt. Um die Strecke zwischen Kapillarwand und Funktionszelle, die nach wie vor zur Versorgung aller Zellen durch einen Diffusionsgradienten überwunden werden muss, für die Moleküle so kurz wie möglich zu halten, sind die Kapillarwände dünn und gefenstert.

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Der Blutdruck wird durch Drosseln (Arteriolen) im zuführenden Schenkel zum Kapillarbett stark heruntergeregelt. Daher bringen schon geringe Druckunterschiede die Kapillaren zum Kollabieren und das Blut fließt einfach in anderen nicht belasteten Bereichen um den zusammengedrückten Bereich herum. Das alles bedeutet, dass wir selbst im Schlaf ständig in Bewegung sind und Körperregionen relativ zum Schwerkraftvektor völlig unbe-wusst immer wieder verlagern. Diese Bewegung wird u.a. von Sen-soren in der Haut angestoßen. All das bedeutet allerdings auch, wenn Empfindungen durch eine Grunderkrankung wie z.B. der dia-betogenen Neuropathie gestört werden und die Gewichtsverla-gerung unterbleibt, werden die Toleranzzeiten überschritten, was zum Funktionsverlust der Zellen bis hin zum Absterben (Nekrose) führt (Dekubitus Grad I bis IV). Hier liegt das Risiko der Hilfsmittel, die den Patienten zu Immobilität verleiten. In jedem Fall muss sorgfältig überlegt werden, welches Prinzip zur Anwendung kom-men soll. b) Die Wirkung der Arbeitsprinzipien im Einzelnen: • Weichlagerung Bei der Weichlagerung bewirkt die Gewichtskraft, dass an den Auf-lageflächen das Material der Matratze nachgibt und der Patient in das Hilfsmittel einsinkt. Die Auflagefläche vergrößert sich dadurch. Durch die größere Fläche nimmt der Druck auf der Haut und im Ge-webe ab. Das Gewebe wird weniger stark komprimiert und gezerrt (Scherung), wodurch die Durchblutung in der Endstrombahn besser werden kann. Allerdings verschlechtert sich durch das Arbeitsprin-zip Weichlagerung (Abb.9) gleichzeitig die Möglichkeit für den Pa-tienten, Spontanbewegungen auszuführen. Weichlagerung fixiert die eingesunkenen Körperregionen durch zunehmende Umschlin-gung und behindert dadurch die Eigenbewegung.

Abb. 9 Arbeitsprinzip Weichlagerung

Die Produkte unterscheiden sich hinsichtlich der Materialbeschaf-fenheit, der Materialqualität sowie der Oberflächengestaltung. Das Zusammenwirken von Raumgewicht (Materialeinsatz; Gewicht der Matratze) und Stauchhärte bestimmt die Festigkeit einer Weichla-gerung. Stauchhärte und Raumgewicht sind voneinander unabhän-gige Größen.

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Je niedriger das Raumgewicht desto mehr Zeit vergeht, bis nach einer Verformung wieder die ursprüngliche Form erreicht wird - mit anderen Worten: Niedrige Raumgewichte fördern Kuhlenbildung. Die Stauchhärte beschreibt die Kraft, die das jeweilige Material bei einer bestimmten Verformung der verformenden Kraft entgegen-setzt. Die Stauchhärte bestimmt also den Festigkeitsgrad bzw. den Weichheitsgrad. Meist werden Schaumstoffe (z.B. Polyurethanschaum) unterschiedli cher Raumgewichte (30 – 60 maximal bis 110 kg/m³) mit verschie-denen Stauchhärten - z.B. fester Kaltschaum-Kern mit mehrschich-tiger Viskoschaum-Liegefläche - kombiniert. Wird jedoch die Stauchhärte benutzt, um eine weiche Matratze mit einem Raumgewicht von unter 50kg/m³ stauchhärter zu machen, hat das Nachteile. Sie reagiert im Laufe der Zeit auf Druck mit Kuh-lenbildung und zwar umso schneller und stärker, je niedriger das Raumgewicht ist. In der Praxis hat sich gezeigt, dass nach derzeiti-gem Wissenstand aus Gründen der Haltbarkeit von Matratzen mit einem Raumgewicht unter 40 kg/m³ Abstand genommen werden

sollte. Des Weiteren sind Schaumstoffsysteme sind nur schwer zu reinigen und durch Materialermüdung bedingt nur zeitlich begrenzt nutzbar. Die Produkte müssen über eine gewisse Mindestdicke ver-fügen um den Körper einsinken zu lassen und so wirken zu können. Auch aus diesem Grund sind zu dünne Auflagen kritisch zu be-trachten. Bei temperatursensitiven Schaumstoffe zeigt die Stauchhärte eine Abhängigkeit von der Temperatur. Diese geben an den Kontaktflä-chen, auf denen wärmere Körperteile aufliegen, gemäß der dort höheren Temperatur stärker nach und formen sich so den Körper-konturen noch nachhaltiger an. • Luftgefüllte Weichlagerungssysteme Diese Produkte werden (zum Teil mit Spezialgebläsen) mit un-terschiedlichen Drücken aufgeblasen. Die Stauchhärte kann somit dem Gewicht des Patienten angepasst werden bzw. passt sich au-tomatisch an. Sie wirken also nach dem gleichen Prinzip wie Weich-lagerungssysteme aus Schaumstoff, ihr Vorteil ist die Anpassungs-fähigkeit an das Patientengewicht und Patientenposition sowie die platzsparende Aufbewahrungsmöglichkeit. Es wird zwischen manu-ell zu regelnden und sich automatisch regelnden Systemen unter-schieden. Letztere verfügen über unterschiedliche Sensortechnolo-gien, die eine kontinuierliche, automatische Anpassung der Innen-drücke der Hilfsmittel bei Lage- oder Positionierungsveränderungen der Patienten ermöglichen. Bei den manuell zu regelnden Systemen muss bei Positionswechsel die Druckeinstellung vom Anwender an

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gepasst werden. Die Systeme verursachen ggf. Geräusche durch den Füllkompressor, bei Beschädigung der Luftzellen werden sie mit so-fortiger Wirkung unbrauchbar. • Kritische Anmerkungen zur Weichlagerung Die Gewichtskraft ist im Schwerefeld der Erde so groß, dass selbst im Wasserbett bei größtmöglicher Auflagefläche einer Hälfte des Körpers der Kollapsdruck im Kapillarbett der Sakralregion immer er-reicht wird. Nur in der Schwerelosigkeit (besser Gewichtslosigkeit) kann man dieser Massenwirkung entrinnen. Dies gilt besonders für kachektische Patienten, deren subdermale Fettschicht stark redu-ziert ist. Die Fixierung durch Einsinken behindert zudem die Eigen-bewegungen, was bei Gebrechlichkeit und Schwäche die Dekubitus-entstehung geradezu forciert. • Wechseldruck bzw. Umlagerung Unter Wechseldrucklagerung versteht man allgemein eine wech-selnde Belastung und Entlastung quer zur Körperlängsachse, wäh-rend Umlagerung üblicherweise eine Drehung oder Kippung um die Körperlängsachse bedeutet (Abb. 10).

Abb. 10 Arbeitsprinzip Wechsellagerung

Hilfsmittel, die das Arbeitsprinzip des Wechseldrucks bzw. der Um-lagerung verwenden, ändern zeitlich und örtlich die Belastung auf die Auflageflächen der Haut. Dabei wird jeweils ein Bereich be-lastet während ein anderer Bereich entlastet wird. Diese Vorgehensweise stützt sich auf die Vorstellung, dass im ent-lasteten Bereich die Perfusion im Gewebe ermöglicht wird und in den belasteten Regionen die stärkere mechanische Belastung des Gewebes keine nachteiligen Folgen hat. Hieraus resultierend kommt es im Mittel zu einer Abnahme (Verschlechterung) des Sauerstoff-angebotes. Bei einem regelmäßigen Wechsel von Belastung und Ent-

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lastung könnte allerdings erreicht werden, so die Protagonisten der Methode, dass die Sauerstoffversorgung in ausreichendem Maße erhalten bleibt. • Intermittierende Entlastung (Wechseldrucksysteme)

und luftgefüllte Seitenlagerungssysteme Ein Pumpaggregat befüllt bzw. entlüftet unterschiedliche Luftkam-mern, die quer zur Hauptkörperachse angeordnet sind, wechselwei-se mit Raumluft, so dass es ständig zu lokalen Druckentlastungen durch Freilagerung und verstärkter Druckbelastungen an den Kon-taktflächen der aufgeblasenen Luftkammern kommt. Für eine rich-tige Wirksamkeit bedarf es einer ausreichenden Kammerhöhe von mehr als 10 cm. Es wird zwischen manuell zu regelnden und sich automatisch re-gelnden Systemen unterschieden. Letztere verfügen über unter-schiedliche Sensortechnologien, die eine kontinuierliche, automati-sche Anpassung der Innendrücke der Hilfsmittel bei Lage- oder Posi-tionsveränderungen der Patienten ermöglichen. Bei den manuell zu regelnden Systemen muss bei Positionswechsel die Druckeinstellung vom Anwender angepasst werden. • Dynamische Umlagerung Diese Matratzen sind in der Längsrichtung zur Hauptkörperachse beweglich und ermöglichen es z.B. durch Aufblasen verschiedener Luftkammern und Wendemechanismen, den Patienten automatisch und regelmäßig von rechts nach links und umgekehrt zu kippen. Der Patient kann dabei in etwa bis zu 30° in Schräglage kommen. • Kritische Anmerkungen zu Wechseldruck und Umlagerung Da die Wechseldrucksysteme mit Druckluft arbeiten, dessen Druck meist für alle Kammern gleich ist, kommt es auch hier zum Ein-sinken und somit zur teilweisen Fixierung des Patienten in Regionen hoher Körpermasse, z.B. der Glutäusregion. Wenn der Luftkammerdruck erhöht, die Unterlage also „härter“ ein gestellt wird, wird das oft als unbequem empfunden und in der Fol-ge das System zu weich eingestellt. Die Zwischenlage einer Decke oder einer dünnen Auflage zwischen Kammersystem und Haut hat wiederum Weichlagerungseffekte, die einen Teil der Wirkung dämpfen bzw. unwirksam machen. Bei der dynamischen Umlagerung lässt häufig die „Compliance“ für diese Art Hilfsmittel sehr schnell nach, da der Patient das Gefühl bekommen kann, „seekrank“ zu werden.

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Alle diese Produkte können einen regelmäßigen Lagerungswechsel des Patienten nicht ersetzen! • Temporäre Freilagerung Die zeitlich begrenzte Frei- oder Hohllagerung ist ein Sonderfall der Umlagerung, bei der ein Bereich vollständig entlastet und damit frei gelagert wird. Das Gewicht dieses Teils des Körpers muss dann von umliegenden Arealen aufgenommen werden. Im Unterschied zur Umlagerung wird bei der Freilagerung die Lagerung aber zeitlich nicht verändert, die Entlastung erfolgt andauernd. Freilagerung wird insbesondere bei der Ferse (Abb. 11) eingesetzt, da hier, wie Untersuchungen mit Laser-Doppler-Sauerstoffperfu-sionsmessungen zeigten, auch durch eine Wechsellagerung keine adäquate Sauerstoffversorgung erfolgen kann (1).

Abb. 11 Arbeitsprinzip Freilagerung am Beispiel der Ferse

• Kritische Anmerkungen zu Freilagerungshilfsmitteln Je nach Konstruktion fixieren Freilagerungshilfsmittel die Bewegung z.B. der Beine und verlagern, ja provozieren gerade zu Dekubital-ulzera an den neuen Kontaktstellen, wenn nicht in regelmäßigen Abständen gelagert wird. Anderenfalls wird die stärkere Belastung des die Belastung aufnehmenden Gewebes zu einer Schädigung füh-ren, die mit dem Auftreten eines sogenannten Fensterödems be-ginnt. • Wahrnehmungsförderung Im Unterschied zu den vorgenannten Arbeitsprinzipien orientiert sich die Wahrnehmungsförderung nicht an der mechanischen Belas-tung durch Körpergewicht, sondern an dem Risikofaktor „einge-schränkte Mobilität und Aktivität“.

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Die dynamischen Systeme zur Stimulation von Mikrobewegungen bestehen zunächst aus einer Schaumstoffmatratze, welche aber um spezielle Aktuatoren und Steuergeräte ergänzt wird. Die Produkte sollen die Patienten über verschiedene Bewegungsmuster wieder zu Eigenbewegungen animieren und so präventiv sowie therapeutisch begleitend wirken. Ziel dieses Arbeitsprinzips ist es, durch eine vom Hilfsmittel unter-stützte Stimulation der sensorischen Nervenzellen im Kontaktbe-reich der Haut die Eigenmobilität des Patienten - und seien es Mikrobewegungen - anzuregen und dadurch das Dekubitusrisiko zu senken bzw. die Heilung zu fördern, z.B. umgesetzt im Prinzip der Stimulation von Mikrobewegungen. • Aktive Belüftung der Auflagefläche Aufgrund des Risikofaktors „Feuchtigkeit“, der in vielen Risikoska-len bewertet wird, haben einige Produkte die zusätzliche Eigen-schaft, die Auflagefläche aktiv zu belüften. Bei diesem Prinzip sind einzelne Bereiche der Druckluftkammern eines Wechseldrucksystems laserperforiert, wodurch ständig gerin-ge Luftmengen austreten können (Low-Air-Loss oder Air-Flow). Die entweichende Luft ist trocken und nimmt Wasserdampf auf. Hier wird der Transport von Feuchtigkeit vom Patienten weg ge-fördert. Auch soll das Risiko der Mazeration der Haut verringert werden. Feuchte Haut klebt an der Auflagefläche bzw. am Schlaf-anzug. Trockene Haut hat einen deutlich kleineren Haftreibungs-koeffizienten als feuchte Haut. So gleitet trocken Haut leichter auf den Stoffen der Auflagefläche, wodurch die Möglichkeit zur Einlei-tung von Querkräften in die Haut (Scherung) vermindert wird.

Luft

Abb. 12 Arbeitsprinzip aktive Belüftung

• Kritische Anmerkungen zur aktiven Belüftung Grundsätzlich ist zu bedenken, dass durch die Verdunstung von Wasser dem Körper Energie entzogen wird (Verdampfungsenergie des Wassers). Ein permanenter Luftstrom verdunstet zudem auch den natürlichen Feuchtigkeitsfilm der Haut. Im Mikroklima nahe der Hautoberfläche ist die Wasserdampfsättigung deutlich höher. Das soll auch so sein und wird durch die Behaarung der Haut (und der Kleidung) stabilisiert und aufrecht erhalten. Ein forcierter Luft-

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strom stört dieses Mikroklima und führt zu Wasserverlust (perspira-tio insensibilis), was schon innerhalb von 24 Stunden zu gefährli-chen Dehydratisierungsproblemen führen kann. Im Gegensatz zu dieser aktiven Belüftung spricht man von passiver Belüftung, wenn z.B. durch offenporige Schaumstoffe bzw. die Struktur der Oberfläche der Liegefläche ein gemäßigter Abtransport von Feuchte und Wärme durch Diffusionsprozesse erfolgen kann.

Hinweis: Für alle aufgeführten Arbeitsprinzipien liegt nur eine schwache Evidenz der Wirksamkeit vor, so dass be-stimmte Prinzipien nicht bestimmten Dekubitusgraden / -stadien zugeordnet werden können.

4.3.6.3. Anti - Dekubitushilfen Unterschieden wird zwischen Sitz- und Liegehilfen. Sitz- und Liegehilfen können sowohl zur Prophylaxe als auch zur Therapieergänzung eingesetzt werden. Sie funktionieren entweder - nach dem Prinzip der Druckverteilung (Weichlagerung, statische

Systeme, Systeme zur Vergrößerung der Auflagefläche), - nach dem Prinzip der Verkürzung der Druckeinwirkungszeit

(Wechseldruck, dynamische Systeme, intermittierende Systeme), - nach dem Prinzip der Frei- oder Hohllagerung (zur gezielten

dauerhaften Druckentlastung) - oder sie kombinieren die unterschiedlichen Wirkungsweisen. Auch bei den Hilfssystemen finden sich mobilitätsfördernde Produk-te (Mikrostimulationssysteme). • Liegehilfen Liegehilfen werden für bettlägerige Patienten verwendet und so-wohl bei der Prävention als auch zur Unterstützung der Behandlung von Dekubitalulzera eingesetzt. Technisch werden Auflagen von Matratzen unterschieden, wobei die Auflagen auf herkömmliche - i.d.R. auch bereits vorhandene – Ma-tratzen aufgelegt werden und nicht isoliert zu benutzen sind. Eine bestimmte Mindestdicke ist aus den bereits beschriebenen Haltbar-keitsgründen erforderlich.

Matratzen, oft auch als Matratzenersatz bezeichnet, werden statt der herkömmlichen Matratze in das Bett eingelegt und ersetzen die-se folglich. Sie werden somit auch eigenständig genutzt.

!

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• Sitzhilfen Sitzhilfen kommen z.B. bei Menschen zum Einsatz, die zwar noch Sitzen, aber nicht mehr Stehen oder Laufen können; u.a. Menschen, die mit dem Rollstuhl leben müssen. Letztere müssen ebenfalls sorgfältig versorgt werden, um Motivation und vorhandene Restmo-bilität nicht durch die inadäquate Versorgung einzuschränken.

• Liege- und Sitzhilfen werden hauptsächlich aus Weichlagerungs-materialien hergestellt.

• Zum Teil sind auch Kombinationsprodukte, z.B. mit Gelanteilen erhältlich.

• Gelgefüllte Hilfen enthalten synthetische Gele und dienen der Druckverteilung sowie Stoßdämpfung (insbesondere Rollstuhlkis-sen). Mit Gel gefüllte Hilfen zeigen nahezu gleiche physikalische Eigenschaften wie menschliches Fettgewebe. Es wird also ein „künstliches Fettpolster“ untergelegt, das die Gewichtskräfte verteilen und so den Druck im Gewebe mindern soll. Auch Scher kräfte lassen sich durch die Gleitfähigkeit der Gele vermindern. Spontanbewegungen bleiben möglich, weil kein tiefes Einsinken des Patienten, wie z.B. bei Weichpolsterkissen, erfolgt.

• Statische Positionierungshilfen Bei diesen Produkten handelt es sich um speziell geformte Kissen und Polsterelemente, welche zur hautschonenden Positionierung und Umlagerung der Extremitäten bzw. des Rumpfes oder des ge-samten Körpers dienen. Auch sogenannte Fersenschoner, Gelenk-schoner etc. gehören zu dieser Produktgruppe. Sie werden als vor-konfektionierte Hilfsmittel in einer sehr hohen Vielfalt von Größen, Formen und individuellen Anpassungsmöglichkeiten angeboten. Zur Verbesserung der mikroklimatischen und hygienischen Eigen-schaften und zur Verminderung von Scher- und Reibungskräften werden alle Produkte immer mit speziellen Bezügen angeboten. Diese sind elementarer Bestandteil des Produktes und bestimmen häufig die Wirkung des Hilfsmittels wesentlich mit. 4.3.6.4. Obsolete Produkte / Maßnahmen Zur Vorbeugung von Druckgeschwüren werden von Pflegenden und pflegenden Angehörigen unterschiedlichste Methoden und Haus-mittel verwendet. Im Kapitel 3.6. – Prophylaktische Maßnahmen (s. Seite 31 ff) wurden bereits die wirksamen und fachlich fundierten Möglichkeiten der Prophylaxe beschrieben. Dennoch wird darüber hinaus eine Vielzahl von Handlungen durchgeführt, die keinerlei de-kubitusprophylaktische Wirkungen haben, ja sogar manches Mal eher einen negativen Effekt auf die Haut haben.

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Die meisten der unmoderaten Maßnahmen werden mit dem Ziel ver folgt die Haut schützen zu wollen oder die Durchblutung des Haut-gewebes anzuregen. Die Liste dieser Maßnahmen ist lang; an dieser Stelle werden einige genannt, denen in der Praxis oft zu begegnen ist. • Die Verwendung von Heftpflastern zum Hautschutz Pflaster dienen der Abdeckung offener Wunden. Ihre Aufgabe be-steht nicht darin, ihre Entstehung zu verhindern. Das Entfernen eines Pflasterverbandes bedeutet eine unnötige Irritation mögli-cherweise schon vorgeschädigter Haut. Zudem ist die prophylakti-sche Verwendung eines Pflasters teuer und unwirtschaftlich • Die Einreibung mit alkoholischen Lösungen Alkoholische Lösungen trockenen die Haut aus und machen sie spröde. • Die Applikation von färbenden, desinfizierenden Substanzen Durch die Verwendung färbender Substanzen ist keine adäquate Beobachtung der Haut möglich, da farbliche Veränderungen der Haut kaum und oft zu spät erkannt werden. Desinfizierende Sub-stanzen, gelöst in Alkohol, trocknen die Haut nur aus. • Das Massieren der gefährdeten Hautregionen Die fehlende Wirksamkeit von Hautmassagen zur Dekubituspro-phylaxe ist nachgewiesen. • Das Eisen & Föhnen Die abwechselnde Kälte-Wärme-Behandlung ist zur Förderung der Hautdurchblutung ungeeignet. Im Gegenteil, diese Methode redu-ziert die Hautdurchblutung in vorgeschädigtem Gewebe. • Einreibungen mit hyperämisierenden Salben Hyperämisierende Salben haben einen anderen Indikationsbereich. Sie dienen u.a. der Behandlung von rheumatischen Erkrankungen. Die Anwendung dieser Substanzen wird vom Patienten als unange-nehm empfunden. Es ist bisher nicht nachgewiesen, welche Effekte diese Substanzen bei vorgeschädigter, ödematöser Haut haben. • Einreibungen mit reinen Fettsubstanzen, z.B. Vaseline, Melkfett Eine reine Fettsubstanz vermag nicht in die Haut einzuziehen. Sie bleibt als feuchtigkeitsundurchdringlicher Film auf der Haut und be-

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hindert dadurch die Wärmeregulation des gesamten Organismus über die Haut. • Die Verwendung von Puder / Talkum Talkum trocknet die Haut aus und macht sie rissig und spröde. Die Verbindung mit Hautfeuchtigkeit macht Puderpartikel scharfgratig und können Mikroverletzungen der Haut verursachen. • Einreibungen mit Pasta zinci Die Hauptbestandteile von Pasta zinci sind Talkum und Fett. Beide Bestanteile sind zur Dekubitusprophylaxe ungeeignet, da reines Fett nicht in die Haut einziehen kann und Talkum die Haut zusätzlich austrocknet. Zudem stellt das Entfernen von Pasta zinci eine zu-sätzliche und unnötige Belastung der Haut dar. • Einsatz von Lebensmitteln, z.B. Kohl, Honig, Zucker, Obst Jegliche Anwendung von Lebensmitteln zur Wundbehandlung ist kontraindiziert. Nicht zweckdienlich und sinnvoll sind: • Wassergefüllte Produkte Wasserkissen, Wassermatratzen (Wasserbetten) und ähnliche Pro-dukte sind zur Dekubitusprophylaxe und -therapie im häuslichen Be-reich nicht oder nur bedingt geeignet, da der gesamte auf dem Kis-sen lastende Druck ständig auf die aufliegende Haut übertragen wird, so dass die Druckbelastung immer kontinuierlich stark bleibt. Es kommt zu einer absoluten Immobilisation des Patienten. Weiter-hin besteht die Gefahr von Beugekontrakturen. Auch zeigen die Pro-dukte in der täglichen Anwendung weitere Nachteile wie Ausküh-lung und hohes Gewicht. Die Produkte werden schon bei leichten Beschädigungen unbrauchbar. • Felle Felle – sowohl künstliche als auch natürliche – die vermeintlich zur Verminderung der Scherkräfte dienen, tragen nicht zur Verminde-rung des Auflagedruckes bei. Weder für die Prophylaxe noch für die Therapie wurde ein Nutzen als Hilfsmittel gegen Dekubitus belegt. • Sitzringe, Lagerungsringe Sitzringe (-kränze) und Lagerungsringe arbeiten nach dem Prinzip der Hohllagerung bzw. Freilagerung. Sie bieten zwar eine gute Ent-lastung des betroffenen Bereiches, haben allerdings gravierende Anwendungsnachteile. So wird die gesamte Gewichtskraft lediglich

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auf die aufliegenden Flächen übertragen. Das heißt, der primär ge-fährdete Bereich wird zwar entlastet, der Kontaktbereich dafür um-so stärker belastet. Es kann das aufliegende und das umliegende freie Hautareal bereits nach wenigen Stunden geschädigt werden. Auch wird die Immobilität des Patienten durch diese Systeme wei-ter verstärkt. Derartige Produkte könnten ggf. bei anderen Indika-tionen eingesetzt werden. • Kleinzellige Wechseldruck-Systeme Gemeint sind Wechseldruckmatratzen, deren Höhe meist etwa 4 bis 6 cm beträgt. Um einen druckentlastenden Effekt zu erreichen, müssen die Zellen jedoch genügend Volumen bieten und eine aus-reichende Einsinktiefe ermöglichen. Gerade dies ist bei den veralte-ten kleinzelligen Wechseldruckmatratzen nicht möglich. Die Druckreduktion ist bei diesen Lagerungshilfsmitteln nicht aus-reichend. Auch liegen keine aktuellen medizinischen und pflegeri-schen Erkenntnisse vor, die belegen, dass die voraufgeführten Produkte als Hilfsmittel gegen Dekubitus sinnvoll und zweckdienlich sind. Deshalb sollten derartige Produkte nicht mehr zum Einsatz kommen. • Watteverbände Watteverbände sind anderen Indikationen vorbehalten, z.B. als Auf-lage bei akutem Entzündungsgeschehen. Gedeckt mit einem Pflas-ter oder einer Binde verteilen sie die Kräfte ungleichmäßig und forcieren eher das Entstehen weiterer Dekubitalulzera, als dass sie den Heilungsprozess unterstützen. Literatur:

1. Deutsches Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege (Hrsg.) (2004)

Expertenstandrad Dekubitusprophylaxe in der Pflege (2. Aufl.). Osnabrück 2. Bienstein, Chr., Schröder, G., et al., (1993) Dekubitus Prophylaxe Therapie

(3.Aufl.). Eschborn 3. Bienstein, Chr., Schröder, Braun, M., Neander, K.-D., (1997) Dekubitus die

Herausforderung für die Pflege. Stuttgart 4. IGAP (Hrsg.) (2006), Dekubitus ein drückendes Problem (10. Aufl.). Bremer-

vörde 5. Rote Liste Service GmbH, (2008), Rote Liste. Aulendorf Quelle Abb. 9 – 12: Diesing, P., (2006) Prüf- und Bewertungsmethoden für Anti-dekubitus-Systeme, Dissertation an der TU Berlin

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4.4. Empfehlungen aus nationalen und internationalen Leitlinien Zum Thema Dekubitusprophylaxe und -therapie liegen von nationa-len Gremien und Organisationen ein Expertenstandard und Leit-linien vor, die auf Grund der Auswertung der vorhandenen Literatur Empfehlungen zur Vermeidung bzw. Behandlung von Dekubitus geben. Es sind: - Nationaler Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege

(DNQP, Deutschland, 2000) - Leitlinie Dekubitusprävention (Evidence.de, Deutschland, 2001) Des Weiteren stellt ein HTA-Bericht der Deutschen Agentur für Health Technologie Assessment des DIMDI eine ausführliche Infor-mationssammlung zur Vorbereitung von Leitlinien dar (2). Diese D-okumente (Leitlinie und HTA-Bericht) und der Expertenstandard empfehlen inhaltlich übereinstimmend: 1. die Ermittlung der Gefährdung mittels Risikoskala als Ergänzung

zur klinischen Einschätzung, 2. die sofortige Druckentlastung mittels Veränderung der Körper-

positionen im Liegen und im Sitzen, 3. den Einsatz druckreduzierender Hilfsmittel, 4. weitere Maßnahmen gemäß Risikoeinschätzung, z.B. Hautpflege, 5. regelmäßige Hautinspektionen 6. Beratung/Schulung von Betroffenen, Mitarbeitern und Angehöri-

gen, 7. Kooperation mit an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen. Während die Leitlinie von Evidence.de als zehnten Punkt die Fort-bildung und Schulung von Ärzten, Pflegenden, Betroffenen und Betreuern empfiehlt, fehlt dieser Punkt im Expertenstandard. Dort werden Fachkenntnisse der Pflegenden als notwendige Vorausset-zungen in den Strukturkriterien festgelegt, nicht aber Fortbildungen und Schulungen empfohlen. Eine Empfehlung zur Fortbildungen und Schulungen findet sich auch in den internationalen Leitlinien. Zwischen den Leitlinien und dem Expertenstandard gibt es derzeit folgende strukturelle Unterschiede: Die Empfehlungen in den Leitlinien sind mit Evidenzgraden gekenn-zeichnet, wobei die meisten Empfehlungen mit dem Evidenzgrad C - also der Expertenmeinung - gekennzeichnet sind. Bei der Bewertung der Literatur kommen die Autoren der verschiedenen Arbeitsgrup-pen zu unterschiedlichen Ergebnissen, so dass die Auflistung der einzelnen Evidenzgrade hier vernachlässigt wird. In der 2. Auflage des Expertenstandards des DNQP wurden die Evidenzgrade ergänzt. Ein weiterer Unterschied zwischen den nationalen Leitlinien und dem Expertenstandard besteht darin, dass die Leitlinien konkrete Handlungsempfehlungen als Entscheidungshilfe für den Einzelfall

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formulieren, im Expertenstandard aber in der tabellarischen Über-sicht nur sehr abstrakte Formulierungen zu finden sind, die von den Einrichtungen dann in den hausinternen Standards konkretisiert werden müssen. Entsprechend der WHO-Definition von Standard folgt, dass DNQP bei der Definition des Expertenstandards Aussage trifft, ein Standard lege das zu erreichende Leistungsniveau der Be-rufsgruppe fest (DNQP, 2007). Somit verfolgt dieses Dokument ei-nen weitergehenden Anspruch als ärztliche Leitlinien. Die Leitlinie von Evidence.de wird in der Zukunft nicht mehr überarbeitet. Für die nationalen Expertenstandards strebt DNQP ein Überarbeitungs zeitpunkt von fünf Jahren nach der ersten Publikation an. Die medizinischen Leitlinien stehen im Internet zur Verfügung, der Expertenstandard ist nur als Kurzversion im Netz erhältlich, die Vollversion kann gegen eine Gebühr beim DNQP bestellt werden. Seit dem 01.07.2008 sind gemäß Gesetz zur strukturellen Weiter-entwicklung der Pflegeversicherung – Pflege-Weiterentwicklungs-gesetz vom 28. Mai 2008, die Einrichtungen der ambulanten Ver-sorgung und alle Einrichtungen der stationären Langzeitversorgung verpflichtet, alle bisherigen und zukünftigen Expertenstandards in ihren Einrichtungen zu implementieren. Zum Thema Dekubitusprophylaxe liegen von internationalen Gre-mien und Organisationen Leitlinien vor, die auf Grund der Aus-wertung der vorhandenen Literatur Empfehlungen zur Vermeidung von Dekubitus aussprechen. Nachfolgend sind einige der Leitlinien ohne weitere Kommentierung nebst Internetadresse aufgeführt: - Pressure Ulcer Prevention Guidelines (EPUAP, Europa, 1998)

http://www.epuap.org - Pressure Ulcer Risk Assessment and Prevention (RCN, UK, 2000)

http://www.rcn.org.uk/ - Pressure Ulcer Prevention Points (NPUAP, USA, 1993)

http://www.npuap.org - AHCPR Clinical Practice Guideline Pressure Ulcer in Adults:

Prediction and Prevention (AHCPR, USA, 1992) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/bv.fcgi?rid=hstat2.chapter.4409

- Pressure Sores – Part 1: Prevention of Pressure Related Damage (Joanna Briggs Institute, Australia) http://www.joannabriggs.edu.au/about/home.php

- Guideline for prevention and management of pressure ulcers (National Clearinghouse, USA, 2003) http://www.guideline.gov/

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Die Themenschwerpunkte der Empfehlungen, auf die sich auch der vorliegenden Leitfaden der ddl stützt, lauten: - Generelles Assessment von Risikofaktoren, - Erhalten und Fördern der Gewebetoleranz, - Schutz gegen ungünstige Effekte durch äußere mechanische

Kräfte, Druck, Reibung und Scherung, - Schulungs- und Bildungsprogramme für Patienten, Angehörige,

Pflegende und weitere relevante Gruppen im Gesundheitswesen. Literatur: 1. DNQP (Hrsg.) Methodisches Vorgehen zur Entwicklung und Einführung von

Expertenstandards in der Pflege. Osnabrück, 2007 2. Vollmar H C, Butzlaff M, Koneczny N, Floer B, Püllen R, Bouhalhal H, Mohr

VD. Dekubitusprävention Evidenzbasierte Leitlinie des Wissensnetzwerkes ”evidence.de” der Universität Witten/Herdecke Evidence.de. http://www.evidence.de/Leitlinien/leitlinien-intern/Dekubitus_Leitlinie_Evidence_d/Dekubitus_Volltext/dekubitus_volltext.html Zugriff am 5. März, 2008

3. Eberhardt S., Heinemann W., Kulp W., Greiner C., Leffmann C., Leutenberger M., et al. (2005) Dekubitusprophylaxe und –therapie. Deutsche Agentur für Health Technology Assessment des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information. Köln. http://gripsdb.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta128_bericht_de.pdf, Zugriff am 5. März 2008

4. DNQP (Hrsg.) Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege DNQP. Osnabrück 2004

5. Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) 28. Mai, 2008, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008, Teil I, Nr. 20, Bonn

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Raum für persönliche Notizen

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5. Juristische Aspekte der Dekubitusversorgung

Die Rechte eines Kranken bzw. Patienten sind überwiegend Rechte, die sich aus seiner Pflicht zur Krankenversicherung ableiten. Über 90% der Bevölkerung sind in der Gesetzlichen Krankenversicherung (= GKV) pflichtversichert. Die rechtlichen Festlegungen eines Patien ten finden sich somit im Sozialgesetzbuch (SGB) und hier wiederum im Buch V zur gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V). Die So-zialgesetzgebung wird ständig erweitert bzw. „reformiert“, was in letzter Zeit zu deutlichen Leistungseinschränkungen für die Patien-ten geführt hat. Das letzte große Buch (SGB XI) wurde 1994 für die Pflegeversicherung geschrieben. Der Begriff Pflege taucht somit so-gar im neuen eigenständigen Zweig der Sozialversicherung auf. Man könnte glauben, dass hier die rechtlichen Verpflichtung zu Hil-fen stehen, die darauf ausgerichtet sein sollen „... die körperli-chen, geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen wieder-zugewinnen oder zu erhalten.“ (§ 2 Selbstbestimmung; Absatz 2 SGB XI); doch für die Behandlung von hier angesprochenen Dekubi-talulzera ist dies weit gefehlt. Bei Behandlung eines Dekubitus handelt es sich i.d.R. immer um Maßnahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) und nicht um Aktivitäten im Rahmen der Pflegeversicherung (SGB XI), weil Dekubitus eine Krankheit ist. 5.1. Leistungsrecht der

Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Die Rechte des Versicherten der GKV umfassen allgemein den ge-setzlichen Anspruch auf qualitative und wirksame Leistungen, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Ver-sicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, um die Krankhei-ten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. In § 27 SGB V sind die einzelnen Leistungen aufgeführt. Leistungserbringer (z.B. Ärzte, Therapeu-ten, Hilfsmittellieferanten) und Krankenkassen sind nach § 70 SGB V verpflichtet, eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allge-mein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspre-chende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versor-gung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss in der fach-lich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden. Leis-tungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Ver-sicherte nach § 12 SGB V nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs-erbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

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5.1.1. Hilfsmittelversorgung 5.1.1.1. Anspruchsgrundlage Gemäß § 33 SGB V steht den gesetzlich Krankenversicherten eine Vielfalt an medizinisch wirkenden und behinderungsausgleichenden oder behinderungsvorbeugenden Hilfsmitteln zu. Die Versicherten haben Anspruch auf die Versorgung ...mit orthopädischen und an-deren Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind - um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, - einer drohenden Behinderung vorzubeugen

oder - eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind oder gemäß Rechtsverordnung nach § 34 SGB V von der Leistungspflicht ausgeschlossen sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsaus-gleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Um-fang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist. Die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebe-trieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Pflegebedürftige haben zusätzlich Anspruch auf Versorgung mit Pfle gehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversiche-rung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Bei Hilfsmitteln zur Vorbeugung eines unmittelbar drohenden Deku-bitus oder Behandlung eines bereits bestehenden Dekubitus handelt es sich i.d.R. immer um ein Hilfsmittel der GKV und nicht um ein Pflegehilfsmittel. 5.1.1.2. Definitionen: Hilfsmittel Hilfsmittel sind sächliche Mittel oder technische Produkte, die indi-viduell gefertigt oder als serienmäßig hergestellte Ware in unver-ändertem Zustand oder als Basisprodukt mit entsprechender hand-werklicher Zurichtung, Ergänzung bzw. Abänderung von den Leis-tungserbringern abgegeben werden. Zu den Hilfsmitteln zählen auch Zubehörteile, ohne die die Basisprodukte nicht oder nicht zweck-entsprechend betrieben werden können. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die im Einzelfall erforderliche Ausbildung in deren Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unver

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tretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der techni-schen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrol-len. Produkte, die von der Konzeption her für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt wer-den und die ausschließlich bzw. ganz überwiegend von diesen Per-sonen genutzt werden, können Hilfsmittel im Sinne der GKV sein. Dies gilt selbst dann, wenn sie millionenfach verbreitet sind (z.B. Hörgeräte) oder wenn sie einen Gebrauchsgegenstand beinhalten (z.B. orthopädische Schuhe). Von der Leistungspflicht explizit aus-geschlossen sind aber reine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens (§ 33 Abs. 1 SGB V). Zu den Gebrauchsgegenständen des täg-lichen Lebens gehören die Mittel, die allgemein Verwendung finden und üblicherweise von einer großen Zahl von nicht behinderten oder kranken Personen benutzt werden bzw. in einem Haushalt vor-handen sind, hier z.B. sogenannte Bandscheiben-Matratzen. Die Ei-genschaft als Gebrauchsgegenstand geht nicht schon dadurch ver-loren, dass dieser durch gewisse Veränderungen (z.B. andere For-men) oder durch bestimmte Qualität oder Eigenschaft behinderten gerecht gestaltet wird. Daher sind speziell geformte Kissen (z.B. Venenkissen, Nackenkis-sen und -rollen, sogenannte „orthopädische“ Spezialkissen, Na-ckenheizkissen, Entspannungskissen, Hodenkissen, Kopfkissen mit luftbefüllbaren Kammern, Schwangerschaftskissen und auch Sitz bzw. Liegesäcke) unabhängig davon, ob sie mit weichpolsternden Materialien gefüllt, aus festem Schaumstoff oder luftbefüllbar sind, als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Diese Gebrauchsgegenstände begründen in keinem Falle eine Leistungs-pflicht der GKV als Hilfsmittel gegen Dekubitus. Gemäß der einschlägigen Rechtsprechung sind nur solche techni-schen Hilfen als Hilfsmittel anzusehen, die vom behinderten Men-schen getragen oder mitgeführt und bei einem Wohnungswechsel auch mitgenommen und weiter benutzt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elemen-taren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Hilfs-mittel müssen folglich von der Funktion her transportabel sein, d.h. auch bei einem Wohnungswechsel mitgenommen und weiter ge-nutzt werden können. 5.1.1.3. Ziele der Hilfsmittel Hilfsmittel sollen die behinderten oder ausgefallenen Körperfunk-tionen des Patienten ersetzen, ergänzen oder verbessern, die für die möglichst selbstständige Durchführung der Alltagsverrichtungen notwendig sind. Wesentlich für die Hilfsmitteleigenschaft ist, dass der behinderte Mensch durch das Hilfsmittel an die Erfordernisse

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der Umwelt angepasst, nicht aber das Umfeld an die Bedürfnisse des behinderten Menschen angeglichen wird (1). Die Hilfsmittelei-genschaft eines Produktes hängt nicht von den jeweiligen Wohn-verhältnissen der Versicherten ab. Hilfsmittel sind bauart- bzw. konstruktionsbedingt primär auf die Eigenanwendung durch die Ver-sicherten ausgerichtet und werden in deren allgemeinen Lebensbe-reich bzw. im häuslichen Umfeld eingesetzt. Nach der Rechtspre-chung des Bundessozialgerichts (2) sind Hilfsmittel alle ärztlich ver-ordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Die Hilfsmittel müssen im jeweils individuell zu prüfenden Einzelfall, d.h. nach den individuellen (körperlichen und geistigen) Verhältnis sen des Versicherten, erforderlich sein, um den Erfolg einer Kran-kenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen. Ein Versorgungsanspruch kann auch dann bestehen, wenn die Produkte dazu dienen, einer drohenden Behinderung, einer Krankheit bzw. deren Verschlimmerung oder dem Eintritt von Pflegebedürftigkeit vorzubeugen (3). Die Leistungspflicht der GKV setzt auch für Hilfsmittel nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine „Krankheit“ voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Men-schen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (4). Soweit § 33 Abs. 1 SGB V eine „Behinderung“ bzw. eine „drohende Behinderung“ genügen lässt, um in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V einen Anspruch auf Krankenbehandlung auszulösen, ist nichts wesentlich anderes als eine Krankheit ge-meint; es wird lediglich ein anderer Akzent gesetzt (5). Indem § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V neben der Heilung ausdrücklich auch die Lin-derung von Krankheitsbeschwerden zu den möglichen Zielen einer Krankenbehandlung zählt, macht das Gesetz keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Krankheiten im engeren Sinne, bei denen die Betonung auf dem regelmäßig nur vorübergehenden Charakter einer als überwindbar angesehenen Gesundheitsbeeinträchtigung liegt, und Behinderungen, die als weitgehend unabänderlich vor allem un-ter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für eine dauerhaft regelwi-drige Körperfunktion die Leistungspflicht begründen können (6). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre kör-perliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sofern das Stadium der Krankheit oder Behinderung noch nicht erreicht ist, besteht ein Versorgungsanspruch auf Hilfsmittel nur, wenn die Krankheit oder Behinderung in absehbarer Zeit bevorsteht. Das heißt, prophylakti-sche Hilfsmittel können dann in die Leistungspflicht der GKV fallen, wenn diese geeignet sind, eine konkret drohende Krankheit oder Be

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hinderung zu verhindern, z.B. wenn ein spezifisches Dekubitusri-siko (z.B. hohes Risiko gemäß Braden-Skala) besteht. Bei unspezifi-schem Risiko (z.B. hochbetagter Patient ohne weitere Risiken) be-steht dagegen keine Leistungspflicht der GKV (siehe Kasten).

Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur

Versorgung von Patienten mit Hilfsmitteln gegen Dekubitus: Mit Urteil vom 24.09.2002 hat das Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen - B 3 KR 15/02 R - entschieden, dass pflegebedürftige Krankenversicherte von der Krankenkasse mit einer behinderungsgerechten Dekubitusmatratze auszustatten sind, wenn diese nach ärztlicher Verordnung zur Behandlung eines akuten oder zur Vermeidung eines unmittelbar drohenden Druckgeschwürs erforderlich ist. Bei Antidekubitushilfsmitteln handele es sich um ein „anderes Hilfsmittel“ im Sinne des § 33 SGB V, das zum einen erforderlich ist, um den Erfolg einer Kran-kenbehandlung zu sichern, und zum anderen auch dem Ausgleich einer Behinderung dient, die hier in der ausgefallenen Fähigkeit des Körperlagewechsels besteht. Wird das Dekubitushilfsmittel dabei im Zuge eines ärztlichen Behandlungskonzepts zur Be-handlung von oder zur Nachsorge nach akuten Dekubitalge-schwüren eingesetzt, so steht der Aspekt der Behandlungspflege im Vordergrund und begründet deshalb auch die Leistungspflicht der Krankenkasse. Die Leistungspflicht der Krankenkasse ent-steht in solchen Fällen aber nicht erst dann, wenn es um die Be-handlung eines akuten Druckgeschwürs geht, sondern stets, wenn nach ärztlicher Einschätzung die Entstehung eines Deku-bitus ohne den Einsatz einer speziellen Dekubitus-Matratze un-mittelbar droht. Für die erforderliche Prognose stehen standar-disierte Parameter zur Verfügung (z.B. die Braden-Skala), die eine verlässliche Beurteilung der Frage zulassen, in welchen Fällen der Einsatz bestimmter Hilfsmittel zur Vermeidung eines krankhaften Zustandes erforderlich ist. In diesen Fällen kann die KK dem Anspruch des Versicherten auch nicht entgegen halten, der Dekubitus sei durch einen Pflegefehler in der Einrichtung entstanden. Außerdem muss beim Auftreten eines Druckge-schwürs nicht notwendigerweise ein Pflegedefizit zu Grunde lie-gen - so das Bundessozialgericht.

Versicherte können bei stationärer Pflege auch dann Anspruch auf die individuelle Versorgung mit Hilfsmitteln zu Lasten der GKV ha-ben, wenn eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft beispielswei-se nur passiv oder sehr eingeschränkt möglich ist. Die Pflicht der Heimträger zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln in stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI (Pflegeheime), die für den üblichen Pflegebetrieb notwendig sind

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und/oder der Erfüllung des Versorgungsauftrags entsprechend der konzeptionellen Ausrichtung eines Pflegeheimes und der dafür er-forderlichen Sachausstattung dienen, bleibt hiervon unberührt (7). 5.1.1.4. Ordnungssysteme - aber keine Positivlisten:

Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelverzeichnis Die Vielfalt und Heterogenität der Hilfsmittel aber auch der leis-tungsrechtlichen Grundlagen führt leicht zur Unüberschaubarkeit und erschwert die Aufgabe, die medizinische Wirksamkeit, die vom

Gesetzgeber geforderte Wirtschaftlichkeit und die technische Qua-lität der Versorgung zu sichern. Zur Erleichterung des täglichen Prüf und Bewilligungsgeschäftes der Krankenkassen erstellt daher der Spitzenverband Bund der Krankenkassen – auch handelnd als Spit-zenverband Bund der Pflegekassen – ein Hilfsmittelverzeichnis und als Anlage dazu ein Pflegehilfsmittelverzeichnis, vgl. § 139 SGB V. Das Sozialgesetzbuch regelt in § 139 SGB V auch, dass der Spitzen-verband Bund ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis erstellt und regelmäßig fortschreibt. In diesem Verzeichnis sind Hilfsmittel aufzuführen, die von der Leistungspflicht der GKV er-fasst werden, ohne dabei aber abschließend zu sein. Das Bundes-sozialgericht hat in zahlreichen Urteilen (z.B.: AZ - B 3 KR 3/00 R -) auch hierzu Stellung genommen und festgehalten, dass das Hilfs-mittelverzeichnis keine Positivliste darstellt und der Leistungsan-spruch sich ausschließlich aus dem § 33 SGB V ableitet. Es ist daher ggf. auch im Sinne der Vorordnungsfähigkeit unschädlich, dass ein konkret benötigtes Hilfsmittel dort nicht erwähnt ist. Die Vor-schriften zum Hilfsmittelverzeichnis ermächtigen nämlich nicht da-zu, den Anspruch des Versicherten einzuschränken, sondern nur da-zu, eine unverbindliche Auslegungs- und Orientierungshilfe zur Er-leichterung des Arbeitsalltages der Krankenkassen zu schaffen. Im Hilfsmittelverzeichnis finden sich dennoch Auslegungshilfen und Hinweise zum Leistungsrecht der GKV, zur Wirtschaftlichkeit be-stimmter Versorgungen, zur Qualität der aufgeführten Hilfsmittel, zur Art der Produkte und zu deren jeweiligen Indikationsbereichen sowie Beschreibungen der Produkte selbst. Das Verzeichnis ist sys-tematisch strukturiert in Produktgruppen, Untergruppen und Pro-duktarten. Regelungen zu Antidekubitus-Hilfsmitteln finden sich in-nerhalb der Produktgruppe 11 – Hilfsmittel gegen Dekubitus. Diese untergliedert sich weiter nach Liege-, Sitz- und Positionierungs-hilfen und weiter in den Untergruppen bzw. Produktarten nach dem technischen Aufbau der jeweiligen Hilfsmittelarten. Man erhält so eine differenzierte Darstellung mit zur Zeit insgesamt 97 Produkt-arten. Innerhalb dieser Produktarten wird auch nach Hilfsmitteln zur Regelversorgung und zur Sonderversorgung, z.B. bei adipösen Patienten oder Kindern, gegliedert. Obwohl die Einteilung zunächst nach technischen Gesichtspunkten erfolgt, können je Produktart bestimmte Funktionseigenschaften festgelegt werden. Diese bestim-

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men dann auch den in den Produktartbeschreibungen festgelegten Indikationsbereich. Grundlage für einen Leistungsantrag für ein Hilfsmittel der GKV ist eine vertragsärztliche Verordnung. Im Bereich der Pflegeversiche-rung ist eine ärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Abga-be eines Pflegehilfsmittels durch die Pflegekasse nicht vorgesehen. Es ist dann jedoch in der Regel erforderlich, dass eine Pflegefach-kraft oder der Medizinische Dienst die Notwendigkeit des Pflege-hilfsmittels feststellt. Bei Antidekubitus-Hilfsmitteln zur Behandlung eines bereits beste-henden Dekubitus handelt es sich i.d.R. immer um ein Hilfsmittel der GKV und nicht um ein Pflegehilfsmittel. Der Inhalt der ärztlichen Verordnung richtet sich nach den Richtli-nien des Gemeinsamen Bundesausschusses G-BA) über die Verord-nung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmit tel-Richtlinien). Nach den Hilfsmittel-Richtlinien hat der Vertrags-arzt unter Nennung der Diagnose bei der Bezeichnung des Hilfsmit-tels vorrangig entweder die Produktart (z.B. Luftgefüllte Wechsel-druckmatratzen, manuell geregelt) oder die siebenstellige Positions nummer (z.B. 11.29.08.0) des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V anzugeben. Die Verordnung eines Einzelproduktes kann da-nach nur im Ausnahmefall erfolgen, ist aber grundsätzlich möglich. Wird ein Einzelprodukt durch den Vertragsarzt verordnet, entbindet das den Vertragsleistungserbringer und die Krankenkasse nicht von der Verpflichtung nach § 12 SGB V, die Versorgung mit einem wirt-schaftlicheren Produkt zu prüfen. Die abschließende Entscheidung über die Auswahl eines Einzelproduktes trifft die Krankenkasse (8). Die vertragsärztliche Verordnung eines bestimmten Hilfsmittels stellt sich im Ergebnis rechtlich lediglich als ärztliche Empfehlung dar, sie bindet die Krankenkasse im Verhältnis zum Versicherten nicht (9) und begründet keinen Anspruch auf Versorgung. Dies folgt schon dar aus, dass nach § 275 Abs. 3 Nr. 1 SGB V die Krankenkassen vor Be-willigung eines Hilfsmittels in geeigneten Fällen durch den MDK be-ratend prüfen lassen können, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (10). 5.1.1.5 Kostentragung Die Versicherten können nur die Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten in Höhe der jeweils ver-traglich vereinbarten Preise (11). Dies gilt auch für Hilfsmittel, für die ein Festbetrag festgesetzt wurde. Der Festbetrag ist ein Höchst-preis; Aufpreisforderungen zu Lasten der Versicherten können ver-traglich ausgeschlossen sein. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinaus-

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gehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Fol-gekosten selbst zu tragen. In der Gesetzesbegründung wird deut-lich, dass zur wirkungsvollen Nutzung der Vertragsinstrumente grundsätzlich die Versorgung durch einen von der Krankenkasse zu benennenden Leistungserbringer (z.B. ein Ausschreibungsgewinner) vorgesehen wird, damit den vertraglich vereinbarten Abnahmever-pflichtungen Rechnung getragen werden kann. Dies schließt nicht aus, dass den Versicherten bei mehreren vorhandenen Vertragspart-nern ein Wahlrecht zwischen diesen eingeräumt wird. Bei berech-tigtem Interesse – dieses wird aber nicht näher durch den Ge-setzgeber definiert - kann der Versicherte nach § 33 Abs. 6 Satz 3 ausnahmsweise auch einen anderen Leistungserbringer als den benannten Vertragspartner wählen, wenn er die Mehrkosten selbst trägt. Ob ein berechtigtes Interesse besteht, kann nur auf Basis der individuellen Situation des Einzelfalls und der gewünschten Versor-gung beurteilt werden. Liegt kein berechtigtes Interesse vor, ist eine Versorgung ausschließlich durch den oder die von der Kranken-kasse benannten Leistungserbringer möglich. Bei nicht ausgeschrie-benen Verträgen steht grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen even-tuell mehreren Vertragspartnern zu. Sind Festbeträge festgesetzt worden, so sind diese zu beachten. Über Hilfsmittel ohne Festbe-träge oder Vertragspreise kann die Krankenkasse nur nach Vorlage eines Kostenvoranschlages entscheiden. Die Krankenkassen haben ihre Versicherten über die zur Versorgung berechtigten Vertragspartner und auf Nachfrage über die wesentli-chen Inhalte der Verträge zu informieren. Sie können auch den Ver-tragsärzten entsprechende Informationen zur Verfügung stellen. Nach § 40 Abs. 1 Satz 4 SGB XI gelten die Regelungen des § 33 Abs. 6 und 7 SGB V entsprechend für Pflegehilfsmittel der sozialen Pflege-versicherung. 5.2. Heilmittelversorgung Heilmittel kommen in Betracht, wenn sie notwendig sind, eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krank-heitsbeschwerden zu lindern. Eine Schwächung, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, soll beseitigt und Pflegebedürftigkeit vermieden oder gemindert werden. Heil-mittel kommen im Gegensatz zu Hilfsmitteln, Arzneien und Medika-menten zur äußerlichen Anwendung, etwa in Form von Maßnahmen der physikalischen Therapie (z.B. Bäder, Massagen, Krankengymnas-tik) und Sprach- und Beschäftigungstherapie. Sie werden vom Ver-tragsarzt verordnet und von speziellen Leistungserbringern (z.B. Physiotherapeut) erbracht.

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5.3. Arzneimittelversorgung Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichti-gen Arzneimitteln. Die Verordnungsfähigkeit bzw. die Leistungs-pflicht der Krankenkasse für das jeweilige Arzneimittel ist jedoch ergänzend geregelt durch die §§ 31, 34 und 35 sowie durch § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 im SGB V (und durch das in § 12 SGB V festge-schriebene Wirtschaftlichkeitsgebot) sowie durch das Arzneimittel-gesetz (AMG) und die Arzneimittel-Richtlinie (AMR). Zu unterschei-den ist dabei zwischen verschreibungspflichtigen und nicht ver-schreibungspflichtigen Arzneimitteln. Ausgeschlossen von der Leis-tungspflicht sind ausnahmslos Präparate, die auf der sogenannten Negativliste stehen und sogenannte Lifestyle-Medikamente. Mit Ausnahmen, in begründeten Einzelfällen, sind weiterhin unwirt-schaftliche Arzneimittel ausgeschlossen. Ebenfalls von der Leis-tungspflicht der GKV ausgenommen sind Arzneimittel zur Behand-lung sogenannter Bagatellerkrankungen mit Ausnahme von versi-cherten Kindern bis zum vollendeten 12. Lebensjahr bzw. versicher-ten Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs. Für nicht in Deutschland bzw. EU-weit zugelassene verschreibungspflichtige Arzneimittel sind die Kriterien des BSG-Urteils zum off-label-use (12), zu Importarzneimitteln (13) und die Inhalte des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (14) sowie andere aktuelle Urteile zu berücksichtigen. 5.4. Verbandmittelversorgung Angelehnt an die früher in § 4 Abs. 9 Arzneimittelgesetz (AMG) ent-haltene Definition sind Verbandmittel Textilien oder ähnliche Stof-fe, die dazu bestimmt sind, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken oder deren Körperflüssigkeit aufzusaugen. Dies sind z.B. Mullkompressen, Nabelkompressen, Stütz-, Entlastungs-, Steif- oder Kompressionsverbände sowie Verbandmittel zum Fixieren oder zum Schutz von Verbänden. Zu den Verbandmitteln zählt auch das Trä-germaterial, das arzneilich wirkende Stoffe für oberflächengeschä-digte Körperteile enthält. Verbandmittel sind keine Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V. Aber auch wenn der betroffene Körperteil nicht oberflächengeschädigt ist, sondern nur eine innere Verletzung (z.B. Zerrung, Muskelfaserriss, Rippenprellung oder Knochenbruch) vorliegt, kann es erforderlich sein, Verbände, z.B. Mull- und Fixier-binden, anzulegen. § 31 SGB V erfasst deshalb über die Definition des AMG hinausgehend auch solche Mittel, die zur Anlegung von Stützverbänden an Körperteilen verwendet werden, die nicht ober-flächengeschädigt sind. Es geht danach um das „Binden“ bzw. „Verbinden" von Körperstellen oder Gliedmaßen zu therapeutischen Zwecken, und zwar durch individuell von Ärzten oder medizinisches Hilfspersonal angefertigte, nur einmal verwendbare Produkte (15).

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5.5. Häusliche Krankenpflege Leistungen der häuslichen Krankenpflege durften bisher nur im Haushalt der Versicherten erbracht werden. Seit dem 01.04.2007 ist die kassenfinanzierte Pflege auch in Wohngemeinschaften sowie Hei men möglich. Im ambulanten Bereich können zugelassene Pflege dienste Leistungen der häuslichen Krankenpflege (HKP) nach § 37 SGB V erbringen. Voraussetzung ist eine vertragsärztliche Verord-nung (16) und dass weitere Voraussetzungen erfüllt sind (z.B. Siche-rung des Zieles der ärztlichen Behandlung, eine im Haushalt leben-de Person kann im erforderlichen Umfang nicht pflegen, etc.). Die Leistungen sind auf bis zu vier Wochen beschränkt. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse einen längeren Zeitraum be-willigen, wenn der MDK festgestellt hat, dass dies aus den in Satz 1 des § 37 genannten Gründen erforderlich ist. Zukünftig sind im Einzelfall auch Pflegemaßnahmen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege zu Lasten der GKV verordnungsfähig, die nicht im Leistungsverzeichnis der „Häusliche Krankenpflege-Richt-linien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)“ enthalten sind, so z.B. im Einzelfall Maßnahmen wie etwa spezielle Bewegungs-übungen oder kontinuierliche Blutzuckermessungen, wenn sie medi-zinisch erforderlich, wirtschaftlich und Bestandteil des ärztlichen Behandlungsplans sind. Um die Versorgung kranker Kinder zu verbessern, hat der G-BA am 16.03.2007 noch eine weitere Änderung der Richtlinien vorgenom-men. Demnach können die speziellen Belange von Kindern bei der Verordnung von häuslicher Krankenpflege in Zukunft besser und ge zielter berücksichtigt werden. So sieht der Beschluss vor, dass bei spielsweise umfangreichere Anleitungs- und Schulungsmaßnahmen der häuslichen Krankenpflege von Kindern und deren Eltern oder Betreuungspersonen zu Lasten der GKV erbracht werden können.

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Literatur: 1. Vgl. BSG-Urteil vom 6. April 1998 – B 3 KR 14/97 R (USK 98101) 2. Vgl. Beschluss des BSG - 3. Senat - vom 16. September 1999 - B 3 KR 2/99 B

(USK 9940), Beschluss des BSG - 1. Senat - vom 8. Februar 2000 - B 1 KR 3/99 S (USK 2000-20); BSG-Urteil des 6. Senats vom 28. Juni 2000 - B 6 KA 26/99 R (USK 2000-72)

3. Vgl. §§ 23 Abs. 1 und 33 Abs. 1 SGB V und BSG-Urteil vom 6. August 1998 - B 3 KR 14/97 R (USK 98101)

4. BSG-Urteil vom 30. September 1999 - B 8 KN 9/98 KR R und vom 10. Februar 1993 - 1 RK 14/92, USK 9324)

5. Vgl. auch Schmidt in Peters, Handbuch der KV, Stand Juni 2004, § 27 SGB V, RdNr. 122 ff

6. Vgl. auch § 2 Abs. 1 SGB IX und BSG-Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R (USK 2004-92) und B 1 KR 28/02 R (USK 2004-90)

7. Vgl. zu weiteren Einzelheiten: Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenver-bände zur Umsetzung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) im Hilfsmittelbereich vom 27. März 2007

8. BSG-Urteil vom 17. Januar 1996 - 3 RK 39/94 (USK 9676) 9. Vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. BSG-Urteil vom 23. Juli 2002 - B 3 KR

66/01 R (USK 2002-85) 10. Vgl. BSG-Urteil vom 10. Oktober 2000 - B 3 KR 29/99 (USK 2000-62) 11. BSG-Urteil vom 19.03.2002, B 1 KR 37/00 12. BSG-Urteil vom 18.05.2004 B 1 KR 21/02 R 13. 1 BvR 347/98 vom 6.12.2005 14. Vgl. BSG-Urteil vom 28. September 2006 - B 3 KR 28/05 R 15. siehe hierzu auch Bundesmantelvertrag § 2 (1) 10. 17. Vgl. § 275

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5.6. Pflegerecht – Verantwortlichkeiten für alle Beteiligten

5.6.1. Allgemeines Aus dem Rechtshistorie und den aktuell gültigen Rechtsnormen er-gibt sich, dass in Deutschland die berufsmäßige Heilkunde nur von solchen Personen ausgeübt werden darf, denen dafür eine beson-dere behördliche Erlaubnis (Zulassung) erteilt wurde. Wie sich aus der gefestigten Rechtsprechung ergibt, tragen Ärzte die Gesamt-verantwortung für die Behandlung des jeweiligen Patienten. Weil sie aber naturgemäß nicht alle für die Behandlung erforderlichen Tätigkeiten selbst ausüben können, können und müssen sie arbeits-teilig vorgehen und Tätigkeiten auf Mitarbeiter anderer Gesund-heitsberufe übertragen (= delegieren). Das bedeutet, dass die Mit-arbeiter anderer Gesundheitsberufe (z.B. Pflegekräfte) im Rahmen einer Gesamtbehandlung nur auf Anordnung des zur Behandlung ei-nes kranken Menschen Zugelassenen tätig werden können, wenn ein Gesamtziel – Heilung oder größtmöglicher Gesundheitszustand des Patienten - erreicht werden soll. Aus der Gesamtverantwortung für die Behandlung des Patienten resultiert, dass es im Rahmen der Behandlung kranker Menschen keinen arztfreien Bereich gibt (1). Die berufspolitische Diskussion um die Abgrenzung von pflegeri-schen und ärztlichen Tätigkeiten bis hin zu sogenannten Vorbe-haltstätigkeiten, d.h. Pflegetätigkeiten ohne ärztlichen Auftrag, wird seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts geführt und ist immer noch nicht abgeschlossen. Aus dem Pflegeprozess ergibt sich aber, dass komplexere Pflegetätigkeiten, auch in der Dekubi-tusprophylaxe, nur von Pflegepersonen ausgeübt werden sollten, die die Systematik des Pflegeprozesses beherrschen, d.h. welche eine adäquate Ausbildung im Bereich der Pflege aufweisen können. 5.6.2. Definitionen: Grund- und Behandlungspflege Pflegetätigkeiten werden i.A. unterschieden nach grundpflegeri-schen und behandlungspflegerischen Tätigkeiten. Diese Untertei-lung geht auf Eichhorn zurück, der 1967 aus betriebswirtschaftli-chen Aspekten auf dem Boden einer angelsächsischen Studie zur Arbeit von Krankenschwestern auf Krankenhausstationen (DKI 1954: Schwesternarbeit auf der Station) die dort als „basic nursing“ aufge führten patientennahen Tätigkeiten mit „Grundpflege“ bezeichnete und das ebenfalls dort aufgeführte „technical nursing“ mit „Behand ungspflege“. Diese Aufteilung findet sich auch heute noch in SGB XI und V. Nach Eichhorn entspricht die Grundpflege den normalen Lebensbedürfnissen und den Bedürfnissen nach psychischer und so-zialer Betreuung, die unabhängig von einer Krankheit für alle Pa-tienten gleich sind. Arbeitsanalytisch sind danach die wichtigsten Aufgaben der Grundpflege:

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- Persönlicher Kontakt und persönliche Hilfeleistungen, - Körperpflege, - Betten und Lagern, - Speisenversorgung, - sonstige Grundpflegearbeiten (2). In der Pflege werden unter Prophylaxe Maßnahmen verstanden, die meist im Zusammenhang mit Immobilität / Bettlägerigkeit oder Be-wegungseinschränkung stehen. Diese Maßnahmen sind Bestandteil der Grundpflege. Die Behandlungspflege entspricht nach Eichhorn dem Bedürfnis der Patienten, im Krankenhaus diagnostiziert, therapiert und ggf. auch rehabilitiert zu werden. Art und Umfang hängen in erster Linie von Art und Schwere der Erkrankung ab. Arbeitsanalytisch ergeben sich als wichtigste Aufgaben der Behandlungspflege: - Begleitung der Arztvisite (einschließlich Vorbereitung) und Be-

sprechung mit Ärzten, - Behandlungsmaßnahmen im Auftrage des Arztes, - Reinigen, Sterilisieren und Aufräumen von Instrumenten und

Pflegegerät, - sonstige Behandlungspflege (3). Therapie ist die Behandlung einer Erkrankung mit dem Ziel, die Krankheit möglichst zu heilen, zumindest einer Verschlechterung vorzubeugen. Daraus ergibt sich, dass Prophylaxen Bestandteil der Behandlungspflege sind. 5.6.3. Delegationsrecht des Arztes Das System der Aufgabenübertragung durch Delegation folgt einem streng hierarchischen Prinzip und verläuft grundsätzlich von oben nach unten (= vertikal), während Arbeitsteilung auf gleicher Ebene (= horizontal) verläuft. Bei der Arbeitsteilung tragen zwei oder auch mehr vom Prinzip her gleichberechtigte Personen ihre spezielle (Teil-)Verantwortung dafür, dass ein Ergebnis zustande kommen kann. Aus der gefestigten Rechtsprechung ergibt sich, dass dem Arzt die Gesamtverantwortung für den Behandlungserfolg obliegt, den er dem Patienten aus dem (in der Regel nicht ausdrücklich aus-formulierten) Behandlungsvertrag, auf dem die Einwilligung bzw. der Auftrag des Patienten zur Behandlung basiert, schuldet. Vor diesem Hintergrund werden die Überwachungs- und Kontrollpflich-ten des Arztes verständlich. Denn vom Prinzip her üben Pflegeper-sonen rechtlich gesehen auf Anordnung des Arztes und unter dessen Verantwortung eine unter den Begriff Heilkunde fallende Tätigkeit aus. Der Arzt muss sich aber in jedem Einzelfall von der tat-sächlichen Qualifikation der Person, der er eine Aufgabe überträgt, überzeugen. Die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung als Qualifikationsnachweis oder eine Zusatzausbildung (z.B. Wundma-

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nager) reicht allein nicht aus, zumal Mitarbeitern nachgeordneter Dienste die Fähigkeit, bestimmte Tätigkeiten auszuüben, nicht von Vornherein abgesprochen werden kann (4). Das heißt im Klartext, dass im Ernstfall der Arzt, der eine Aufgabe delegiert, als für die Behandlung des Patienten Gesamtverantwortlicher auch für die nichtärztlichen Mitarbeiter haftet. Es ist nachvollziehbar, wenn er sich vor einem Haftungsfall schützen will und seinen Überwachungs- und Kontrollpflichten nachkommt. Im Falle der Übertragung einer Aufgabe auf einen Mitarbeiter trifft den Arzt also sowohl die Verantwortung dafür, den geeigneten Mit arbeiter ausgesucht zu haben, als auch für die Richtigkeit seiner An ordnung (= Anordnungsverantwortung) und resultierend die vorbe-schriebene Überwachungs- und Kontrollpflicht. Telefonisch erteilte Anordnungen müssen von demjenigen, der die Anordnung annimmt, schriftlich notiert, zur Vermeidung von Übertragungsfehlern vorge-lesen und später vom Anordnenden gegengezeichnet werden, denn derjenige, der die Aufgabe übernimmt, übernimmt so auch die Ver antwortung für die sachgemäße Ausführung der Anordnung (= Durch führungsverantwortung). Dies gilt auch für die häusliche Pflege. Übernimmt ein Mitarbeiter eine Arbeit, der er nicht gewachsen ist, z.B. weil ihm die erforderlichen Kenntnisse fehlen, dann verletzt er seine eigene Sorgfaltspflicht. Daraus kann ihm der Vorwurf des Übernahmeverschuldens gemacht werden, mit ggf. haftungsrechtli-chen Folgen. Er muss die Aufgabe ablehnen, wenn ihm bewusst ist, dass er nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt oder aus den Arbeitsbedingungen heraus die Tätigkeit mit hohem Risiko ver-bunden ist. Die Verpflichtung, die Durchführung einer Anordnung abzulehnen, wenn man sich ihr nicht gewachsen fühlt, wird durch die Stellung-nahme der Bundesärztekammer vom 27.04.1978 gestützt. Dort heißt es:

„… dass das Hilfspersonal die Befolgung von Anforderungen stets dann verweigern muss, wenn es fachlich nicht ausrei-chend qualifiziert ist oder sich fachlich nicht qualifiziert fühlt und die Durchführung von intravenösen Injektionen grundsätzlich ablehnen kann.“ (5)

Im Zusammenhang mit der Dekubitusbehandlung kann sich solch eine Ablehnung z.B. auf den Umgang mit Wundversorgung beziehen, wenn der Mitarbeiter diese Therapieform aus der Praxis noch nicht kennt. Auch Pflegepersonen, insbesondere Abteilungs- bzw. Stationsleite-rinnen und deren Stellvertreter, dürfen Tätigkeiten an nachgeord-nete Mitarbeiter, z.B. Mitarbeiter mit der Ausbildung zur Kranken-

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pflegehilfe, delegieren. Dabei sind zunächst der Ausbildungsstand, die faktische Qualifikation und der Aufgabenbereich: - Unterstützende Tätigkeiten in der Pflege des Kranken, - Hilfeleistungen am Kranken zur Befriedigung seiner Grundbe-

dürfnisse, - Erhaltung der Sauberkeit in der unmittelbaren Nähe des Kran-

ken, Reinigung und Desinfektion aller Pflegeutensilien, - Aufräumungs- und Reinigungsarbeiten, - Maßnahmen treffen zur gesunden Lebensführung in Bezug auf

Ernährung, Bewegung und Genussmittel, - Mitverantwortung bei der Verhütung von Infektionen und Unfäl-

len, zu berücksichtigen. Der Aufgabenbereich ergibt sich aus dem Aus-bildungsziel sowie den Hinweisen der Anlage 1 der Ordnung für die Ausbildung und Prüfung in der Krankenpflegehilfe (6). Aus dieser Vorschrift ergeben sich insbesondere in der ambulante Pflege für Pflegefachkräfte, wenn auch auf einer anderen Stufe, dieselben Pflichten wie für den Arzt. In der ambulanten Pflege gibt es ein besonderes Problem. Da ist zum einen der Hausarzt, der die häusliche Pflege verordnet, zum anderen der Patient bzw. dessen Angehöriger als Auftraggeber des Pflegedienstes. Delegiert ein behandelnder Arzt z.B. eine Wundbe-handlung an eine Pflegekraft, so trägt er die Verantwortung für das Durchführen (und die Vergütung gemäß Richtlinie des BA über die „Verordnung von häuslicher Krankenpflege“ nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 und Abs. 7 SBG V) (7). Hinsichtlich der Durchführung der vom Arzt aus dem „Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege“ an-geordneten Pflegemaßnahmen sind aber den Pflegepersonen Gren-zen durch ihre Auftraggeber gesetzt. Im häuslichen Bereich macht der Pflegebedürftige stärker als im Krankenhaus von seinem Selbst-bestimmungsrecht Gebrauch. Das heißt, er hat – als Auftraggeber - das Recht, der Pflegeperson hinsichtlich der praktischen Durchfüh-rung der Pflegetätigkeiten Anweisungen zu geben, wie sich eben diese Pflegetätigkeiten aus seiner Erfahrung mit dem zu Pflegenden am besten durchführen lassen, zumal dieses Verzeichnis die Deku-bitusprophylaxe nur im Zusammenhang mit der Körperpflege kennt. Die entsprechende Leistungsbeschreibung lautet: 4. Körperpflege beinhaltet: - Duschen, Baden, Waschen … - ggf. Pflege einer Augenprothese …, - ggf. Mundpflege als Prophylaxe …, - An- und Auskleiden …,

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ggf. einschließlich pflegerische Prophylaxen …., Dekubitusprophy-laxe, wenn Hautdefekt noch nicht besteht (z.B. wirksame Druck-entlastung, Hautpflege, ausreichende Flüssigkeitszufuhr) …. In den Vorbemerkungen zu diesem Verzeichnis heißt es: „Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege (Behandlungspflege, Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung) können von der Kran kenkasse nur genehmigt werden, soweit sie weder vom Patienten selbst noch von seinen im Haushalt lebenden Personen durchge-führt werden können (vgl. Nr. 4 der Richtlinien).“ Die Verantwortlichkeiten für Hilfsmittelversorgung, die auch das Recht der Delegation begründen, ergeben sich der nachstehenden Übersicht von Ausbildung und zu erwartenden Kenntnissen: a) Verordner (Arzt) - Patient und Grunderkrankung kennen, soziales Umfeld

abschätzen, - Wundeinschätzung, - Interprofessionelle Verfahrensregelungen, Verantwortlichkeiten, - Wissen über Verfahren prophylaktischer und therapeutischer

Maßnahmen, - Kenntnisse über Hilfsmittel und Materialien und deren

Verordnungsfähigkeit. b) Versorger (Leistungserbringer, Hersteller, Lieferant,

Vertragspartner) - Medizinische / pflegerische / therapeutische Grundausbildung

mit spezialisierten Kenntnissen über Dekubitus, - Kenntnisse über Hilfsmittel und Materialien und deren

Verordnungsfähigkeit zur bedarfsgerechten Hilfsmittel-Auswahl, - Medizinprodukteberater für das jeweilige Produkt, - Medizinproduktrechtlichen Vorschriften, - Hygienevorschriften. c) Anwender (Pflege, Angehörige, Patienten)

1. Mitarbeiter der Gesundheitsberufe: - Dokumentationspflichten kennen, - Expertenstandard, insbesondere hinsichtlich der Ausführungen

zu den Hilfsmitteln, - Produktkenntnisse.

2. Laien - Produktkenntnisse - Grundwissen über Dekubitus, - Rechte und Pflichten gegenüber dem Kostenträger.

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5.6.4. Position der Krankenkassen Die Krankenkassen und deren Pflegekassen betrachten die Maßnah-men zur Dekubitusprophylaxe als Bestandteil der Grundpflege, wie sie sich aus den Risikofaktoren der Risikoskalen darstellen. Diese Risikofaktoren, insbesondere Feuchtigkeit, Aktivität, Mobilität, all-gemeines Ernährungsverhalten, Reibungs- und, Scherkräfte sowie Beeinträchtigung der Wahrnehmungsfähigkeit können nach Meinung der Kostenträger von den Angehörigen bzw. Betreuenden vor Ort besser und dem Patienten angepasster beeinflusst werden als von professionellen Pflegediensten, weil sich die pflegenden Angehöri-gen rund um die Uhr beim Pflegebedürftigen bzw. in dessen Nähe aufhalten, während eine einmal täglich durch den Pflegedienst durchgeführte Dekubitusprophylaxe nicht ausreicht. Hier werden von häuslichen Pflegediensten entsprechende, von den Krankenkas-sen / Pflegekassen finanzierte Kurse angeboten. 5.6.5. Dokumentation von Leistungen und Beobachtungen Die Dokumentation von ärztlicher und pflegerischer Tätigkeiten ist Bestandteil des Informationsmanagements. Hierzu gehören z.B. auch Informationen über Ablehnung von Leistungen oder nicht ab-gesprochene Änderungen vereinbarter Leistungen, etwa wenn ein Patient oder sein Angehöriger die Notwendigkeit dieser Leistungen nicht einsehen will oder kann. Denn aus Sicht der Rechtsprechung gilt immer noch der Grundsatz: Was nicht dokumentiert ist, wurde auch nicht gemacht. Das hat im Schadensfall besonderes Gewicht, denn zunächst liegt die Beweislast beim Kläger, dass ein Schaden verursacht wurde. Ist der angegriffene Sachverhalt nicht dokumen-tiert, dann muss der Beklagte darlegen und beweisen, dass er alles Erforderliche getan hat, damit dieser Schadensfall nicht eintreten kann (sogenannte Beweislastumkehr). Dokumentationssysteme bestehen in der Regel aus dem Stammblatt mit Patientendaten, der chronologisch geführten Fieberkurve mit gemessenen Werten wie Blutdruck, Puls, Temperatur, aber auch verordneten und verabreichten Medikamenten, dem Pflegebericht mit geplanten und durchgeführten Pflegemaßnahmen und Informa-tionen über das Befinden des Patienten, insbesondere über Verän-derungen des Zustands und Reaktionen auf die Pflege, dem Durch-führungsnachweis mit allen erbrachten Leistungen nebst Datum, Uhrzeit und Handzeichen des Eintragenden, sowie einer Befund-mappe zum Abheften von Krankengeschichte, Berichten und Unter-suchungsergebnissen. Zu den Anforderungen an die Dokumentation gehört: - Authentizität: Keine Eintragungen mit Bleistift, kein Übermalen

mit Korrekturstift oder Überkleben, sondern im Falle einer Falscheintragung diese durchstreichen und die korrekte Eintra-

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gung nachholen. Alle Eintragungen müssen persönlich vorgenom-men und mit Handzeichen abgezeichnet werden.

- Sicherheit: Dokumentationssysteme müssen schnell und an glei-cher Stelle zugänglich sein.

- Eindeutigkeit: Doppeldokumentationen sind zu vermeiden. - Datenschutz: Die Persönlichkeit des Patienten und seiner Daten

darf nicht verletzt werden. Das Dokumentationssystem ist so auf zubewahren, dass unbefugte Dritte keinen Zugriff haben (was in der häuslichen Pflege durchaus problematisch sein kann, weil der Pflegedienst die Unterlagen im Haushalt des Patienten be-lassen muss).

- Zeitliche Nähe: Ereignisse / Maßnahmen müssen unverzüglich dokumentiert werden (8).

5.6.6. Dekubitus – grundsätzlich ein Pflegefehler? In der berufspolitischen Auseinandersetzung wird immer wieder darauf hingewiesen, ein Arzt könne als „Außenstehender“ Notwen-digkeit und Qualität von Pflege nicht beurteilen, weil er keine be-rufspezifischen Kenntnisse habe. Was er mit Sicherheit beurteilen kann, ist das Ergebnis pflegerischer Arbeit und er kann aus dem Er-scheinungsbild der Wunde Rückschlüsse auf die schädigenden No-xen, die sich aus den in den international anerkannten Skalen als Risikofaktoren ergeben, ziehen und damit auf die Ursachen. Das heißt, der Arzt, aber auch der medizinische Dienst und ggf. sogar Angehörige der Patienten können feststellen, ob ein Pflegefehler vorliegt oder nicht. Das ist etwa der Fall, wenn eine chronische Wunde im Bereich einer Prädilektionsstelle auftritt und als Ursache Nässeeinwirkung durch Leckagen im Kathetersystem festgestellt wird. Auch ausgedehnte Pilzinfektionen oder die sogenannte Win-deldermatitis deuten auf unzureichende Pflege hin. Das Auftreten dieser Komplikationen bei Immobilität an sich sollte nicht als Pflegefehler gewürdigt werden. Der Fehler ist die nicht beachtete Ausbreitung, die sich vor allem auf mangelnde Hygiene und unzureichende Behandlung zurückführen lässt. Hieraus ergibt sich die Pflicht der Pflegeperson aus den mehrfach zitierten Rechts-vorschriften: Sie muss bei Auffälligkeiten immer den Arzt informie-ren, bevor sie tätig wird und darf keinesfalls ohne Anordnung Medi-kamente, zu denen auch Salben und Tinkturen gehören, anwenden. Hilfreich ist hier mit Sicherheit für alle an der Behandlung der Er-krankten Beteiligten das Vereinbaren und Einhalten verbindlicher Standards. Es ist eine bedauerlich , dass im Lichte der Rechtsprechung jeder Dekubitus als Pflegefehler definiert wird. Eine Differenzierung der – auch aus organisatorischen Ursachen entstandenen - als Dekubitus identifizierten, chronischen Wunden findet oftmals nicht statt.

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Nachfolgend werden einige Urteile zitiert, denen das Thema Deku-bitus aus den verschiedensten Blickwinkeln zugrunde liegt. Alle Ur-teile können über die jeweiligen Gerichte bzw. Internetseiten unter dem Link Entscheidungen und dem Stichwort Dekubitus bzw. mit den hier angegebenen Aktenzeichen komplett abgerufen werden. 1. Organisation Grundpflege: Organisatorisch sichergestellt sein muss, dass die Dekubitus-Pro-phylaxe und –pflege ärztlich ausreichend überwacht und die Durch-führung der allgemein oder für den speziellen Fall angeordneten Maßnahmen in irgendeiner Weise schriftlich festgehalten wird. „Die Entscheidung über das, was zu tun ist, durfte nicht allein dem Pfle gepersonal überlassen bleiben.“ (BGH, MedR 1988, 96). 2. Dokumentation bei vorhandenen Dienstanweisungen: Im Falle eines Dekubitusrisikos darf von der Dokumentation einer angeordneten Pflegemaßnahme dann abgesehen werden, wenn eine allgemeine schriftliche Anweisung besteht, die deutlich aussagt, wel che einzelnen prophylaktischen Maßnahmen in den Fällen des Deku-bitusrisikos unbedingt durchzuführen sind (BGH, MedR 1986, 324). 3. Fehlt bei einem (später eingetretenen) Dekubitus die ärztliche Diagnose und Verordnung, sind alle Maßnahmen ebenso zu doku-mentieren wie die Entwicklung des Dekubitus selbst (OLG Olden-burg, Az.: 1 U 121/98). 4. Dekubitusbehandlung: Auch bei Schwerstkrankheitsfällen sind Dekubitalulzera im Regelfall vermeidbar, wenn die entsprechenden Pflegemaßnahmen sorgfältig ergriffen werden. Dazu zählen häufige Lageänderungen, Einsatz von Spezialbetten, sowie regelmäßiges Säubern und Eincremen. Werden derartige Maßnahmen nicht, nicht rechtzeitig oder nicht entspre-chend dem Pflegestandard durchgeführt, stellt dies eine sträfliche Vernachlässigung der gebotenen Sorgfaltspflichten dar (OLG Köln, Az.: 5 U 19/99). 5. Dekubitusprophylaxe: Die Anforderungen der Dekubitusprophylaxe an das Pflegepersonal gelten selbstverständlich auch in Pflegeheimen (OLG Oldenburg, Az.: 1 U 121/98). Dabei kann bereits in der nicht ausreichenden Betrachtung des Betroffenen – insbesondere bei inkontinenten Pa-tienten – auf mögliche Dekubitusanzeichen, z.B. erste Hautrötun-gen, ein Sorgfaltsverstoß liegen; ebenfalls als Verletzung der Sorg-faltspflichten ist die nicht rechtzeitige Vorstellung beim Hausarzt zu bewerten. 6. Verletzung der Sorgfaltspflicht Zu den häufigen Sorgfaltspflichtverletzungen zählen im Zusammen-hang mit der Dekubitusprophylaxe mangelhafte oder gar unterlasse ne Dokumentationen (BGH, MedR 1986, 324).

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7. Als grob fehlerhaft ist zu werten, wenn Pflegekräfte eines Hei-mes eine Dekubituspatientin, deren Zustand sich trotz Behandlung nicht verbessert, nicht einem Arzt vorstellen (OLG Oldenburg, Az.: 1 U 121/98) (27). Literatur: 1. Brenner, G., Adelhardt, M.: Rechtskunde für das Krankenpflegepersonal, 2.

Aufl. 1983, Gustav Fischer Verlag Stuttgart New York, S. 233 ff. 2. Eichhorn, S.: Krankenhausbetriebslehre. Theorie und Praxis des Kranken-

hausbetriebes, Band I, 3. Aufl. 1975, Kohlhammer, Stuttgart, S. 364. 3. a.a.O., S. 367. 4. Schneider, A.: Staatsbürger-, Gesetzes- und Berufskunde für Fachberufe im

Gesundheitswesen, 6. Aufl. 2003, Springer, Berlin, Heidelberg, S. 125. 5. Schneider, A. a.a.O., S. 126 6. (22) Ordnung für die Ausbildung und Prüfung in der Krankenpflegehilfe ,

RdErl. d. MK v. 2.9.2005 - 45-80009/10/7-1/05 (Nds.MBl. Nr.37/2005 S.762) - VORIS 21064 - Bezug: RdErl. v. 14.1.2004 - 404-80006/5/1-103 - (n.v.) , Anlage 1

7. Schneider, A.: a.a.O., S. 126 8. Pflege heute. 3. Aufl., S. 90 ff, Elsevier München 2004

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6. Leitsätze, gerichtet an der Versorgung von Patienten mit Dekubitus Beteiligte

Vorbemerkung Die Deutsche Dekubitus Liga hat Leitsätze formuliert, die ebenso an das Verantwortungsbewusstsein der an der nicht ausschließlich ambulanten Versorgung von Patienten mit Dekubitus Beteiligten appellieren wie an die wechselseitige Verantwortlichkeit der Han-delnden füreinander. Der ddl ist bekannt, dass die meisten von ih-nen im Rahmen ihrer Möglichkeiten nahezu das Äußerste leisten. Es ist der ddl aber auch bekannt, dass die Rahmenbedingungen – wer immer dafür verantwortlich ist – diese Leistung erschweren. Daher richten sich die Leitsätze eben auch an diejenigen, die die Rahmenbedingungen schaffen oder beeinflussen können.

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6.1. Leitsätze – gerichtet an Politiker - Das Thema Dekubitus hat große gesellschaftliche und volkswirt-

schaftliche Bedeutung. Es betrifft in Deutschland zurzeit jähr-

lich ca. 1,5 Mill. Wähler und verursacht ca. 2 Mrd. € an Kosten

für die GKV und zusätzlich noch ca. 2 Mrd. € an Kosten für die

Volkswirtschaft (krankheitsbedingter Ausfall, etc.).

- Infolge der Alterung der Bevölkerung wird die Anzahl der De-

kubitusfälle steigen.

- In der Sozialgesetzgebung bedarf es frischen Engagements, um

die Versorgung von dekubitusgefährdeten Pflegebedürftigen zu

gewährleisten.

- Interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit in der

Medizin und Pflege ist zwingend erforderlich. Schaffe die ge-

setzliche Grundlage für eine neue und klare Kompetenzvertei-

lung zwischen den einzelnen Professionen.

- Sorge dafür, dass Daten zur Häufigkeit und Ressourcenaufwand

im Bereich der Dekubitusprophylaxe und –behandlung aktuell er-

hoben und veröffentlicht werden.

- Sorge für eine ausreichende Qualifizierung aller am Pflegepro-

zess beteiligten Personen!

- Besuche regelmäßig Einrichtungen der stationären und

ambulanten Pflege im eigenen Wahlkreis!

- Auch Pflegequalität hat ihren Preis.

- Ein Pflegefall ist keine Ware zur Profitmaximierung sondern ein

hilfloser Mensch.

- Begründe Entscheidungen nachvollziehbar!

- Übernimm Verantwortung!

- Handle im Sinne Deines Gewissens, ansonsten tritt zurück!

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6.2. Leitsätze – gerichtet an Kostenträger - Die Dekubitusversorgung beginnt mit der adäquaten, indivi-

duellen Prophylaxe!

- Dekubitushilfsmittel dienen nicht der Pflegeerleichterung, es

muss weiterhin individuell gelagert werden!

- Ein Dekubitushilfsmittel ersetzt niemals die individuelle Lage-

rung und andere Prophylaxemaßnahmen, z.B. Hautpflege.

- Die Dekubitusversorgung ist immer individuell und kann nicht

pauschal, z.B. anhand von Dekubitusgraden oder Risikostufen,

bestimmt werden.

- Die Ermittlung eines individuellen Dekubitusrisikos dient dem

Aufzeigen von Defiziten und damit der Ermittlung von notwendi-

gen Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind aber unabhängig vom

ermittelten Punktwert einer Risikoskala. Gleiches gilt analog für

Dekubitusgrade bei einem manifesten Dekubitus.

- Jedes Dekubitushilfsmittel hat unterschiedliche Einsatzgebiete

(Zweckbestimmung) und Indikationsbereiche. Diese können sich

auch innerhalb einer Produktart unterscheiden. Bei der Auswahl

von Dekubitus-Hilfsmitteln müssen Erhebungsbögen genutzt wer-

den, um eine nachvollziehbare und zweckdienliche Versorgung

zu erreichen. Bei der Auswahl von Dekubitushilfsmitteln müssen

die Defizite am Patienten auf die jeweils erforderlichen Pro-

dukteigenschaften abgestimmt werden. Auch dafür bieten

standardisierte Erhebungsbögen Hilfestellung.

- Ein drohender Dekubitus ist eine Notfallsituation, auf die un-

mittelbar – ggf. auch innerhalb weniger Stunden - adäquat

reagiert werden muss.

- Wundversorgung beinhaltet auch immer Schmerztherapie und

beschränkt sich nicht auf Lagerungshilfsmittel. Wundversorgung

erfordert die wundphasengerechte und jeweils individuelle, auf

die Wunde abgestimmte Materialversorgung (z.B. moderne

feuchte Wundversorgung).

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- Dekubitusversorgung bedeutet neben Materialaufwand für Ver-

band- und/oder Lagerungshilfsmittel immer auch Dienstleistun-

gen (z.B. für individuelle Auswahl, Einstellung und Einweisung)

sowie Pflegeleistungen (z.B. für Lagerung des Patienten).

- Bei Dekubitushilfsmitteln gibt es erhebliche Qualitätsunterschie-

de zwischen den verschiedenen Produkten. Bei der Vertragsge-

staltung, aber auch bei der Einzelversorgung sollte dies beach-

tet werden.

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6.3. Leitsätze – gerichtet an Pflegende - - Bedenke stets die Dekubitusgefährdung des Patienten!

- Inspiziere regelmäßig die Haut in dekubitusgefährdeten Zonen!

- Dokumentiere regelmäßig Ist-Zustand und Veränderungen!

- Auch Dekubitus Grad I ist behandlungsbedürftig!

- Behandlung schließt Prophylaxe nicht aus!

- Jede weitere Verschlechterung des Gesundheitszustands kann zu

Veränderungen führen, die selbstständiges Bewegen einschrän-

ken!

- Erörtere umgehend solche Veränderungen mit dem Hausarzt, um

frühzeitig zusätzliche prophylaktische und therapeutische Maß-

nahmen einzuleiten!

- Ziehe bei bestehenden Dekubituswunden eine in der Behandlung

von chronischen Wunden spezialisierte Pflegekraft zu Rate!

- Kläre Patienten und Angehörige über Entstehung, Vorbeugung

und Behandlung des Dekubitus auf! Nutze dazu Informationsbro-

schüren, z.B. des DNQP!

- Bilde Dich weiter! Praktiziere neues Wissen! Überprüfe Alther-

gebrachtes und ändere ggf. die Vorgehensweise!

- Begründe Entscheidungen!

- Übernimm Verantwortung!

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6.4. Leitsätze – gerichtet an den Hausarzt

- Allgemein -

- Sei beispielhaft, ein Vorbild an Verlässlichkeit, Gründlichkeit

und Gelassenheit!

- Stärke das Vertrauen in ärztliche Kompetenz auch durch

Wahrung einer angemessenen Distanz!

- Führe eine körperliche Untersuchung durch und sei gründlich

dabei!

- Prüfe bei jedem Hausbesuch bettlägeriger Patienten dekubitus-

gefährdete Stellen!

- Exploriere zusätzliche Risikofaktoren (z.B. Diabetes).

- Bilde Dich regelmäßig fort. Bilde Dich weiter! Praktiziere neues

Wissen! Überprüfe Althergebrachtes und ändere ggf. die Vorge-

hensweise!

- Kläre Patienten und Angehörige über Entstehung, Vorbeugung

und Behandlung des Dekubitus auf! Nutze dazu Informationsbro-

schüren!

- Begründe Entscheidungen!

- Übernehme Verantwortung!

- Zum Zeitpunkt der Entdeckung eines Dekubitus -

- Prüfe Umfeld und Alltagssituation des jeweiligen Patienten!

- Wenn Angehörige überfordert sind, eröffne den Weg zur profes-

sionellen Pflege bzw. professionellem Wundmanagement!

- Beruhige überängstliche Anverwandte!

- Versuche Indolente zu aktivieren!

- Zeige Empathie aber bewahre Distanz.

- Verdeutliche die positive Wirkung von Bewegung sowie die Not-

wendigkeit, die zeitlichen Abstände von Lagerungsmaßnahmen

einzuhalten!

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- Verordne rechtzeitig geeignete und notwendige Hilfsmittel so-

wie Verbandmaterialien und Behandlungspflege mit einer auch

für den Leistungsträger und MDK nachvollziehbaren Diagnose,

Indikation und Begründung auf Basis der Regelwerke der Kosten-

träger (z.B. Hilfsmittelrichtlinien, Hilfsmittelverzeichnis)!

- Vermittle eine positive Erwartung bei richtigem therapeutischen

Vorgehen!

- Benutze einfache Worte bei der Aufklärung zu Therapiemaß-

nahmen, wiederhole beim nächsten Hausbesuch das Gesagte!

- Gib klare Anweisungen:

- hinsichtlich Lagerung,

- hinsichtlich Hautpflege,

- bezüglich des Verbandwechsels.

- Betreuung eines Patienten mit Dekubitus -

- Überprüfe die Schmerztherapie, denn Schmerzarmut ermöglicht

Bewegung Sedierung behindert Bewegung!*

- Lass Dir über den Zeitraum seit der letzten Inspektion berichten,

überprüfe die Dokumentation und mach Dir ein Bild über Fort-

schritt bzw. Verschlechterung der Wundheilung!

- Hinterfrage, wie und wie häufig gelagert wurde!

- Stelle jedes Mal fest, in wieweit sich der Patient noch mit eige-

ner Kraft bewegen kann und ob nicht z.B. Weichlagerungs-

hilfsmittel ihn daran hindern. Schon geringste Gewichtsverlage-

rungen verbessern die Durchblutung, wirken prophylaktisch und

beschleunigen den Heilungsprozess!

- Bleibe beim Wortlaut Deiner Anweisungen und Medikation, auch

wenn sie wiederholt werden müssen!

- Wenn sich etwas ändern muss, gib eine kurze, klare und für alle

einleuchtende Begründung!

* Ein wehriger, unruhiger Patient mag zwar eine Belastung für die Pflegenden sein, ein wacher Patient ist aber weniger dekubitusgefährdet. „Selbstgefähr-dung“ ergibt sich auch bei inadäquater Ruhigstellung durch Sedierung.

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- Zeige Dich unbeeinflusst von der Zahlungs-, Abrechnungs-, und

Versicherungsart des Patienten!

- Halte Deine Standesvertreter über Fortschritte, Misserfolge und

Art und Weise der Zusammenarbeit mit Institutionen der profes-

sionellen Pflege auf dem Laufenden.

- Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der professionellen Pflege -

- Sorge für Transparenz und Gleichheit der Information zwischen

den am Pflegeprozess Beteiligten!

- Prüfe das Verständnis für den jeweiligen Einzelfall!

- Stärke richtiges Handeln, unterbinde Aktionismus!

- Ermutige Initiativen, disqualifiziere hohles Gerede!

- Bahne bei betreuenden Personen aus dem häuslichen Umfeld die

Mitarbeit bei der Versorgung chronischer Wunden und den Lage-

rungsmaßnahmen.

- Achte beim Einsatz von Hilfsmitteln auf hinreichendes techni-

sches Verständnis, richtigen Gebrauch des Hilfsmittels und Ein-

haltung der Hygienemaßnahmen.

- Kläre darüber auf, dass ein Hilfsmittel nur zur Unterstützung da

ist und nicht von regelmäßig wiederkehrenden Lagerungsmaß-

nahmen und pflegerischer Versorgung der chronischen Wunde

entbindet.

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7. Schlusswort Wie eingangs beschrieben, ist der Leitfaden „Ambulante Versorgung von Patienten mit Dekubitus“ der ddl ein lebendes Projekt, das – wie die Erkenntnisse aus (Pflege-)Forschung und Wissenschaft – ständigen Ergän-zungen und Änderungen unterliegen wird. Aus diesem Grund kann das vor-liegende Basispapier nicht so vollkommen sein, wie es sich mancher Leser wünschen würde. An dieser Stelle sei bereits darauf hingewiesen, dass Erweiterungen in Vorbereitung sind. Die ddl dankt an dieser Stelle bereits jetzt all den Mitgliedern und exter-nen Beratern, die die vorliegende Arbeit betreut haben und auch in Zu-kunft betreuen wollen. Die ddl wird auch weiterhin gern jede Anregung in die Arbeit einbeziehen, sofern sie geeignet ist, das Thema Dekubitus zu auf dem Weg zu Lösungsvorschlägen für die anstehenden Probleme zu ak-tualisieren.

Berlin, 22. April 2009

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8. Anhang Durchgehend wurde im Leitfaden die Bedeutung von Assessmentin-strumenten, d.h. von bekannten Risikoskalen, aber auch Standards, und die Notwendigkeit der Inspektion des Patienten hinsichtlich seiner Dekubitusgefährdung betont. Die im Text erwähnten Risikoskalen sind sowohl in der Originalspra-che als auch in Übersetzungen beigefügt, die Quellen ergeben sich aus den Fußnoten des jeweiligen Dokuments. Des Weiteren hat uns die Kinderklinik der Universitätsklinik Tübingen – Abteilung Quali-tätsmanagement – einen Pflegestandard Dekubitusgefährdung bei Kindern zur Verfügung gestellt, der auf dem nationalen Experten-standard des DNQP basiert und in den die Braden – Q – Skala inte-griert ist. Der „schwarze Balken“ im Kopf des Dokuments beruht darauf, dass dieser Standard im Internet nicht verfügbar ist und dass das Dokument einen Tag vor Abschluss der Arbeit per Fax übermittelt wurde. Der nicht erkennbare Text lautet: „Prophylaxe eines Dekubitus (DekuPr)“. Im Oktober 2009 wird dieser Standard überarbeitet und aktualisiert. Kontaktaufnahme über: www.universitaetsklinikum-tuebingen.de / Einrichtungen, dort Buchstabe K. Weil die Braden Q – Skala - für Kinder - im deutschsprachigen Raum zunehmend Anwendung findet, ist sie auch in beiden Sprachen bei-gefügt. (Original s.a. Curley, Martha A.Q., Razmus, Ivy S., Roberts, Kathryn E., Wypij, David: Predicting Pressure Ulcer Riskin Pediatric Patients - The Braden Q Scale, Nursing Research January/February 2003 Vol 52, No 1 22ff)

Es folgt eine Fotodokumentation des „Fingertests“, der z.B. auch im Tübinger Standard aufgeführt wurde, nebst Erläuterungen. Des Weiteren wurden uns freundlicherweise die Genehmigungen erteilt, die Erhebungsbögen sowohl des BVMed als auch des MDS in diesen Leitfaden zu integrieren (siehe Quellenangaben).

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Quellenangaben: Hinsichtlich der Literatur sei auf die Angaben am Ende der einzel-nen Kapitel verwiesen. Übersetzung der Nortonskala: Brunsch, D.: Jakobs, Birgit: Skalen zur Einschätzung des Dekubitusrisikos – Reliabilität und Validität der Norton- und Bradenskala. Schlütersche 2000 (pflege kolleg) Der Erhebungsbogen des BVMed ist zu beziehen über: (s.a. www.bvmed.de/downloads/ErhebungsbogenAntidekubitushilfsmittel) Die Erhebungsbögen des MDS als Anlagen zum Hilfsmittelverzeichnis – dort PG 11 – Hilfsmittel gegen Dekubitus – finden sich unter https://www.gkv-spitzenverband.de/Fortschreibungen_Archiv.gkvnet

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Einschätzung des Dekubitus – Risikos nach Braden (=Braden - Skala) * 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte PZ Sensorische Wahrnehmung Fähigkeit, lagebe-dingte wie künstliche Reize wahrzunehmen und adäquat zu reagieren

1. Vollständig ausgefallen − Keine Reaktion auf Schmerzreize (auch kein Stöhnen,

Zucken, Greifen) aufgrund verminderter (nervaler) Wahrnehmungsfähigkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit, oder Sedierung, oder

− Mißempfindungen / Schmerzen werden über den größten Körperanteil nicht wahrgenommen.

2. Stark eingeschränkt − Reaktion nur auf starke Schmerzreize, Mißempfindungen

können nur über Stöhnen oder Unruhe mitgeteilt werden oder

− sensorisches Empfinden stark herabgesetzt. Mißempfindungen / Schmerzen werden über die Hälfte des Körpers nicht wahrgenommen.

3. Geringfügig eingeschränkt − Reaktion auf ansprechen; Mißempfindungen bzw.

das Bedürfnis nach Lagerungswechsel können nicht immer vermittelt werden.

oder − sensorisches Empfinden teilweise herabgesetzt.

Mißempfindungen / Schmerzen werden in 1 oder 2 Extremitäten nicht wahrgenommen.

4. Nicht eingeschränkt − Reaktion auf ansprechen.

Mißempfindungen / Schmerzen werden wahrgenommen und können benannt werden.

Feuchtigkeit Ausmaß, in dem die Haut Feuchtigkeit ausgesetzt ist

1. Ständig feucht − Die Haut ist ständig feucht durch Schweiß, Urin usw. − Nässe wird bei jedem Bewegen festgestellt.

2. Oft feucht − Die Haut ist oft, aber nicht ständig feucht. Die Wäsche

muss mindestens einmal pro Schicht gewechselt werden.

3. Manchmal feucht − Die Haut ist hin und wieder feucht, die Wäsche

muss zusätzlich einmal täglich gewechselt werden.

4. Selten feucht − Die Haut ist normalerweise trocken.

Wäschewechsel nur routinemäßig.

Aktivität Grad der körperlichen Aktivität

1. Bettlägerig − Das Bett kann nicht verlassen werden.

2. Sitzt überwiegend – kaum gehfähig − Gehfähigkeit ist stark eingeschränkt oder nicht vorhanden. − Kann sich selbst nicht aufrecht halten

und /oder − braucht Unterstützung beim Hinsetzen bzw. Transfer vom

Bett in Sessel / Rollstuhl und umgekehrt.

3. Gehen −−−− Geht mehrmals am Tag, aber nur kurze Strecken,

teils mit, teils ohne Hilfe. − Verbringt die meiste Zeit im Bett / Lehnstuhl /

Rollstuhl.

4. Regelmäßiges Gehen − Verlässt das Zimmer mindestens

zweimal am Tag. − Geht tagsüber im Zimmer etwa alle

zwei Stunden auf und ab.

Mobilität Fähigkeit, die Körperposition zu halten und zu verändern

1. Vollständige Immobilität − Selbst die geringste Lageänderung des Körpers oder

Extremitäten wird nicht ohne Hilfe durchgeführt.

2. Stark eingeschränkt − Eine Lageänderung des Körpers oder von Extremitäten

wird hin und wieder selbständig durchgeführt, aber nicht regelmäßig.

3. Geringfügig eingeschränkt − Geringfügige Lageänderungen des Körpers oder

der Extremitäten werden regelmäßig und selbständig durchgeführt.

4. Nicht eingeschränkt − Lageänderungen werden

regelmäßig und ohne Hilfe durchgeführt.

Ernährung Allgemeines Ernährungsverhalten

1. Schlechte Ernährung − Isst die Portionen nie auf. − Isst selten mehr als 1/3 jeder Mahlzeit. − Isst 2 eiweißhaltige Portionen (Fleisch oder

Milchprodukte) oder weniger täglich. − Trinkt zu wenig. − Trinkt keine Nahrungsergänzungskost

oder − darf oral keine Kost zu sich nehmen

oder nur klare Flüssigkeiten bzw. i.v. – Substitution mehr als fünf Tage

2. Wahrscheinlich unzureichende Ernährung − Isst selten eine ganze Mahlzeit auf, in der Regel nur die

Hälfte. − Die Eiweißzufuhr erfolgt über nur 3 Portionen

(Milchprodukte, Fleisch) täglich. − Hin und wieder wird Ergänzungskost zu sich genommen.

oder − erhält weniger als die erforderliche Menge Flüssigkost bzw.

Sondenernährung.

3. Ausreichende Ernährung − Isst mehr als die Hälfte der meisten Mahlzeiten,

mit insgesamt 4 eiweißhaltigen Portionen (Milchprodukte, Fleisch) täglich.

− Lehnt hin und wieder eine Mahlzeit ab, nimmt aber Ergänzungsnahrung, wenn angeboten, an. oder

− wird über eine Sonde ernährt und erhält so die meisten erforderlichen Nährstoffe.

Gute Ernährung − Isst alle Mahlzeiten, weist keine

zurück. − nimmt normalerweise 4

eiweißhaltige Portionen (Milchprodukte, Fleisch) zu sich, manchmal auch eine Zwischenmahlzeit.

− Braucht keine Nahrungsergänzungskost.

Reibungs- und Scherkräfte

1. Problem − Mäßige bis erhebliche Unterstützung bei jedem

Positionswechsel erforderlich. − (An-) heben (z.B. auch Richtung Kopfende) ist nicht

möglich, ohne über die Unterlage zu schleifen. − Rutscht im Bett oder Stuhl regelmäßig nach unten und

muss wieder in die Ausgangsposition gebracht werden. − Spastik, Kontrakturen und Unruhe verursachen fast

ständige Reibung.

2. Potentielles Problem − Bewegt sich ein wenig und braucht selten Hilfe. − Die Haut scheuert während der Bewegung weniger intensiv

auf der Unterlage (kann sich selbst ein wenig anheben), − Verbleibt relativ lange in der optimalen Position im Bett

( Sessel/ Rollstuhl /Lehnstuhl), − Rutscht nur selten nach unten.

3. Kein feststellbares Problem − Bewegt sich unabhängig und ohne Hilfe in Bett

und Stuhl. Muskelkraft reicht aus, um sich ohne Reibung anzuheben.

− Behält optimale Position in Bett oder Stuhl aus eigener Kraft bei.

* Übersetzung von Heidi Heinhold, autorisiert von Barbara Braden, Juli 2001. Überarbeitete Version Dezember 2008 aufgrund von Leser- / Anwenderreaktionen: In der Rubrik Aktivität sei die bisherige, zwar korrekte Formulierung „an Stuhl / Rollstuhl gebunden“ nicht mehr zeitgemäß und könne mit Fixieren gleichgestellt werden. Auch fanden sich fremde Überarbeitungen, in denen gerade dieses Feld mit der Überschrift „Braucht Unterstützung beim Sitzen“ versehen ist. Diese Formulierung würde in die Rubrik Mobilität – Feld 2 – gehören. In der Rubrik „Allgemeines Ernährungsverhalten“ war ursprünglich in Feld 1 aufgrund eines Druckfehlers die letzte Zeile nicht korrekt wiedergegeben. Sie wurde, wie ersichtlich, ergänzt.

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www.oegkv.a t ÖSTERREICHISCHE PFLEGEZEITSCHRIFT33 12/08

N E U & A K T U E L L

Einschätzung des Dekubitus-Risikos bei Kindern bis zur Vollendung des 5. Lebensjahrs – Modifizierte Braden Q Scale – Vanderbilt Universitätskinderklinik Nashville2

1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte Punkte-zahl

MobilitätFähigkeit, die Position

des Körpers insgesamt

oder der Gliedmaßen zu

verändern.

1.Vollständige ImmobilitätFührt nicht die geringste

Positionsänderung des Körpers

oder einzelner Gliedmaßen

ohne Hilfe aus.

2. Stark eingeschränktFührt gelegentlich geringfügige

Positionsänderungen des

Körpers oder einzelner Glied-

maßen aus, ist aber unfähig, den

Körper selbständig zu drehen.

3. Leicht eingeschränktFührt oft, jedoch geringfügige

Positionsänderungen des

Körpers oder einzelner

Gliedmaßen aus.

4. Nicht eingeschränktFührt oft große

Positionsveränderungen ohne

Unterstützung aus.

AktivitätAusmaß der körperli-

chen Aktivität

1. BettlägerigkeitKann/darf das Bett nicht

verlassen

2.An Lehnstuhl/Sessel/Rollstuhl gebundenFähigkeit, ein wenig zu gehen, ist

eingeschränkt oder nicht vor-

handen. Kann das Eigengewicht

nicht tragen und/oder braucht

Hilfe sich in den Lehnstuhl,

Sessel oder Rollstuhl zu setzen.

3. Geht gelegentlichGeht tagsüber gelegentlich, aber

nur kurze sehr Strecken, mit

oder ohne Hilfe.Verbringt die

meiste Zeit jeder Schicht im

Bett oder im Stuhl.

4. Alle Patienten, die zu jung

sind, um laufen zu können

oder geht oft – tagsüber wenig-

stens zweimal außerhalb des

Zimmers und wenigstens einmal

alle zwei Stunden innerhalb des

Zimmers.

SensorischeWahrnehmungFähigkeit, Reize durch

Berührung, passive

Lageveränderung, z.B.

einer Gliedmaße,

Vibrationen, Schmerz,

Temperatur wahrzuneh-

men und zu verarbeiten

1.Vollständig ausgefallenUnfähigkeit, auf Schmerzreize

zu reagieren (auch nicht durch

Stöhnen, Zurückzucken, Grei-

fen). Ursache: Herabgesetzte

Wahrnehmungsfähigkeit (bis zur

Bewusstlosigkeit) oder

Sedierung oder Fähigkeit des

Schmerzempfindens über den

größten Anteil der Körper-

oberfläche herabgesetzt

2. Stark eingeschränktReagiert nur auf schmerzhafte

Reize. Kann Unbehagen weder

durch Stöhnen noch durch

Unruhe mitteilen oder über

mehr als die Hälfte des Körpers

liegen Störungen der sensori-

schen Wahrnehmung vor, die

die Fähigkeit, Schmerz oder

Unbehagen zu empfinden, herab-

setzen.

3.Wenig eingeschränktReagiert auf verbale Aufforde-

rungen, kann aber nicht immer

Unbehagen oder die Notwen-

digkeit des Positionswechsels

mitteilen, oder es liegen wenige

Störungen der sensorischen

Wahrnehmung vor, die die

Fähigkeit, Schmerz oder Unbe-

hagen zu empfinden, in ein oder

zwei Gliedmaßen herabsetzen.

4. Nicht eingeschränktReagiert auf verbale Aufforde-

rungen. Hat keine sensorischen

Defizite, die die Fähigkeit,

Schmerz oder Unbehagen zu

empfinden und mitzuteilen, her-

absetzen.

NässeAusmaß, in dem die

Haut der Nässe

(Schweiß, Urin)

ausgesetzt ist.

1. Ständig feuchtDie Haut ist ständig feucht

durch Schweiß, Urin und Drai-

nageflüssigkeit. Nässe wird jedes

Mal festgestellt, wenn der Pati-

ent bewegt oder gedreht wird.

2. Sehr feuchtDie Haut ist oft, aber nicht stän-

dig feucht. Bettlaken

müssen mindestens alle 8

Stunden gewechselt werden.

3. Gelegentlich feuchtDie Haut ist gelegentlich feucht,

Wäschewechsel ist etwa alle 12

Stunden

erforderlich.

4. Selten feuchtDie Haut ist meistens trocken.

Windelwechsel routinemäßig,

Lakenwechsel nur alle 24

Stunden erforderlich.

Reibung undScherkräfteReibung entsteht, wenn

die Haut über das Bett-

laken schleift, Scher-

kräfte entstehen, wenn

sich Haut und angren-

zende Oberflächen der

Knochen gegeneinander

verschieben

1. Erhebliches ProblemSpastik, Kontraktur, Juckreiz

oder Unruhe verursachen fast

ständiges Herumwerfen, Um

sich schlagen und Reiben

2. Bestehendes ProblemBraucht mittlere bis maximale

Unterstützung beim

Positionswechsel.Vollständiges

Anheben ohne über die Laken

zu rutschen ist nicht möglich.

Rutscht im Bett oder Stuhl oft

nach unten und braucht oft

maximale Hilfe, um in die

Ausgangsposition zu gelangen.

3. Mögliches ProblemBewegt sich schwach oder

benötigt geringe Hilfe.Während

des Positionswechsels schleift

die Haut etwas über Laken,

Stuhl, Kopfstützen oder anderes

Zubehör. Behält die meiste Zeit

relativ gut die Position in Stuhl

oder Bett, rutscht aber gele-

gentlich herab.

4. Kein auftretendes ProblemIst fähig, sich während des

Positionswechsels vollständig

anzuheben, bewegt sich in Bett

und Stuhl unabhängig und hat

ausreichend Muskelkraft, um

sich während des Positions-

wechsels zu heben. Erhält in

Stuhl oder Bett jederzeit eine

gute Position aufrecht.

ErnährungAllgemeines

Ernährungsverhalten

1. Sehr schlechtKeine orale Ernährung und/

oder nur klare Flüssigkeitszu-

fuhr, oder intravenöse Flüssig-

zufuhr über mehr als 5 Tage

oder Eiweißzufuhr < 2,5 mg/dl

oder isst nie eine vollständige

Mahlzeit. Isst selten mehr als die

Hälfte der angebotenen Mahl-

zeit. Eiweißzufuhr beträgt nur 2

fleischhaltige Portionen oder

Milchprodukte täglich.Trinkt

wenig Flüssigkeit. Erhält keine

Ernährungsergänzungskost.

2. Nicht ausreichendErhält flüssige Nahrung oder

Sondenkost / intravenöse

Ernährung, die eine für das Alter

nicht ausreichende Menge an

Kalorien und Mineralien enthält,

oder Eiweißzufuhr < 3 mg/dl

oder ist selten eine vollständige

Mahlzeit und allgemein nur die

Hälfte der jeweils angebotenen

Portion. Eiweißzufuhr umfasst

nur 3 fleischhaltige Portionen

oder Milchprodukte täglich. Ge-

legentlich wird Nahrungsergän-

zungskost zu sich genommen.

3.AusreichendErhält flüssige Nahrung oder

Sondenkost., die eine für das

Alter ausreichende Menge an

Eiweiß und Mineralien enthält

oder isst mehr als die Hälfte

jeder Mahlzeit. Isst insgesamt 4

oder mehr fleischhaltige und

eiweißhaltige Portionen täglich.

Lehnt gelegentlich eine Mahlzeit

ab, nimmt aber Ergänzungskost

zu sich, sofern sie angeboten

wird.

4. Sehr gutNimmt eine normale Ernährung

zu sich, die genügend Kalorien

für das Alter enthält. Isst bei-

spielsweise fast jede Mahlzeit

vollständig auf. Lehnt nie eine

Mahlzeit ab. Isst im Allgemeinen

4 und mehr Portionen täglich,

die Fleisch oder Milchprodukte

enthalten. Isst gelegentlich zwi-

schen den Mahlzeiten. Braucht

keine Nahrungsergänzungskost.

Gewebedurchblutung und Sauerstoffversorgung

1. Extrem gefährdetHypotonie, MAP = Mittlerer

Arterieller Blutdruck < 50

mmHg, < 40 mmHg beim Neu-

geborenen) oder der Patient

toleriert keinen Positionswechsel

2. GefährdetNormotonie, Sauerstoffsättigung

bei < 95 %, Hämoglobin bei <

10 mg/dl, kapilläre

Wiederauffüllzeit bei > 2

Sekunden, Serum pH < 7,40

3.AusreichendNormotonie, Sauerstoffsättigung

bei < 95 %, Hämoglobin bei <

10 mg/dl, kapilläre

Wiederauffüllzeit etwa 2

Sekunden, Serum-pH normal

4. Sehr gutNormotonie, Sauerstoffsättigung

> 95 %, Hämoglobin normal,

kapilläre Wiederauffüllzeit < 2

Sekunden

GesamtbewertungGeringes Risiko: scores 23 - 28mittleres bis hohes Risiko: scores 7 - 231 Für Kinder ab dem 6. Lebensjahr wird die empfohlen, die Braden Skala für Erwachsene zu verwenden.

2. Modifizierte Braden Q Scale – Vanderbilt Universitätskinderklinik NashvilleOnline zu beziehen über www.mc.vanderbilt.edu/leraning-center/publist.html

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The Norton Scale NOTE: Scores of 14 or less rate the patient as ‘at risk’

Physical Mental Activity Mobility Incontinence Total Condition Condition Score

Good Alert Ambulant Full NotFair Apathetic Walk/help Slightly OccasionalPoor Confused Chairbound Limited Usually-urineVery bad Stupor Bedridden Very limited, Doubly

Immobile

Name: Date:

Name: Date:

Name: Date:

Name: Date:

Name: Date:

Name: Date:

Name: Date:

Name: Date:

Source: Doreen Norton, Rhoda McLaren, and A.N. Exton-Smith. An Investigation of Geriatric Nursing Problems in the Hospital. London. National Corporation for the Care of OldPeople (now the Centre for Policy on Ageing); 1962. Adapted with permission of the publisher.

1234

1234

1234

1234

1234

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Modified Norton-Scale

Readiness for co-operation / motivation

full

less

partly

none

Age

< 10

< 30

< 60

> 60

Condition of skin

o.k.

scaly, dry

moist

wounds, allergic lacerations

Additional diseases

none

undermine of resistance, fever, diabetes

multiple scleroses, adiposisartery occlusion

Physical condition

good

fair

poor

very bad

Mental condition

alert

apathetic

confused

stupor

Activity

ambulant

walk-help

chair-bound

stupor

Mobility

full

slightly limited

very limited

immobile

Inconti-nent

not

occasional

usually urine

doubly

Points

4

3

2

1

Please assign the condition of the patient to one of the 4 possible descriptions stated in the scale. The single points shall be added up. At a sum of 25 or less, a risk for pressure ulcers is existing. The less points reached, the higher the risk. In order to avoid the development of pressure ulcers, the necessary caring measurements shall be planned, initiated and executed.

Risk for pressure ulcersacc. to modified Norton-Scale:

low (25 - 24 points)medium (23 - 19 points)

high (18 - 14 points)very high (13 - 9 points)

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Bereitschaft zurKooperation /Motivation

Alter

Hautzustand

Zusatz-erkrankungen

KörperlicherZustand

Geistiger Zustand

Aktivität

Beweglichkeit

Inkontinenz

Punkte

voll

<10

in Ordnung

keine

gut

klar

geht ohne Hilfe

voll

keine

4

wenig

<30

schuppig, trocken

Abwehrschwäche,Fieber, Diabetes

leidlich

apathisch,teilnahmslos

geht mit Hilfe

kaum eingeschränkt

manchmal

3

teilweise

<60

feucht

MS, Adipositas

schlecht

verwirrt

rollstuhlbedürftig

sehr eingeschränkt

meistens Urin

2

keine

>60

Wunden, Allergie-risse

Arterielle Ver-schlusskrankheit

sehr schlecht

stumpfsinnig

bettlägerig

voll eingeschränkt

Urin und Stuhl

1

Modifizierte Norton-Skala

Der Zustand des einzuschätzenden Patienten muss in jeder Spalte der Skala einer der vier möglichen Beschreibungen zugeordnet werden. Die einzelnen Punktwerte werden addiert. Sollte eine Summe von 25 oder weniger Punkten resultieren, besteht ein Dekubitusrisiko.Je weniger Punkte, desto größer das Risiko. Zur Verhinderung eines Druckgeschwürs sind daraufhin die notwendigen pflegerischen Maßnahmen zu planen, einzuleiten und durchzuführen.

Dekubitusrisiko nach modifizierter Norton-Skala:

niedrig (25 - 24 Punkte)

mittel (23 - 19 Punkte)

hoch (18 - 14 Punkte)

sehr hoch (13 - 9 Punkte)

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PunktzahlKörperbau/Gewicht im Verhältniss zur Länge• durchschnittlich �• überdurchschnittlich �• fettleibig �• unter Durchschnitt �

Hauttyp/optische Kriterien• gesund �• Abschürfungen/trocken/ödematös/feuchtkalt �• blaß �• geschädigt/wund �

Geschlecht/Alter• männlich �• weiblich �• 14-49 Jahre �• 50-64 Jahre �• 65-74 Jahre �• 75-80 Jahre �• > 80 Jahre �

Kontinenz• total kontinent/katheterisiert �• gelegentliche Inkontinenz �• Stuhlinkontinenz �• Stuhl- und Harninkontinenz �

Appetit• durchschnittlich �• kaum �• Sonderernährung/nur Flüssigkeit �• Anorexie �

PunktzahlMobilität• normal �• ruhelos/nervös �• apathisch �• eingeschränkt �• träge/rutscht unkontrolliert nach unten �• stark behindert �

Besondere RisikenMangelversorgung• terminale Kachexie �• Herzversagen �• periphere Gefäßerkrankung �• Anämie �• Rauchen �

Neurologische Defizite• Diabetes, MS, motorische und sensorische Paraplegie � - • orthopädische, gynäkologische OP, Wirbelsäulenerkrankung �• OP > 2 Stunden �

Medikation• Steroide, Zytostatika, hochdosierte entzündungshemmende Präparate �

Gesamtpunktzahl/HZ/Datum

Hohes Dekubitusrisiko ab 15 Punkten und mehr!

Johnson & Johnson-WunddokumentationssystemWaterlow-Skala zur Einschätzung der Dekubitusgefahr

Name: Vorname: Blatt-Nr.:

00

0

0

0

KOPIERVORLAGE

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Früherkennung der Dekubitusgefährdung

Hochrisikobereich Ferse – Überprüfen der Mikrozirkulation:

Anästhesisten orientierten sich im OP oft mit einer Druck-probe im Fingernagelbereich grob über die Qualität der Mikrozirkulation. Dieser einfach durchzuführende Test ist selbstverständlich am ganzen Körper anwendbar und gibt z.B. erste Hinweise auf die Dekubitusgefährdung eines Areals.

Der Fingerdruck unterbricht die Mikrozirkulation, es entsteht eine blasse, umschriebene Zone (Abb. 1,2); je nach Gewebezustand leicht vertieft (Abb. 3). Bei normalen Durchblutungsverhältnissen stellt sich nach Druckentlastung die ursprüngliche Hautfärbung innerhalb von 0,5 bis 1 Sekunde (buchstäblich innerhalb eines Pulsschlags) wieder her – die Kapillaren sind gefüllt, ebenso die Vertiefung (Abb. 4), die Mikrozirkulation und damit Sauerstoffversorgung, Ernährung des Gewebes und Ab-transport von Stoffwechselendprodukten funktionieren wieder wie zuvor. Bleibt das Areal längere Zeit blässer als seine Umgebung, ist es kühler, ggf. sogar mit einer deutlich kühleren Kernregion als die Umgebung, so deuten anhaltende Blässe und Kälte auf eine Zirkulationsstörung von der arteriellen Seite vor dem Kapillarsystem ausgehend hin. Es empfiehlt sich neben der Druckentlastung das Fußende des Bettes zusenken, um die Blutzufuhr zu unterstützen. Eine überschießende Rötung nach Druckentlastung, die nicht sofort wieder verblasst und sogar in einen Violettton umschlägt, deutet auf eine Zirkulationsstörung im venösen und lymphatischen Bereich hinter den Kapillaren hin. Es empfiehlt sich, das Fußende – so irgend möglich, leicht anzuheben, um den Abfluss der Stauung zu fördern. Dieser Test ist an allen Prädilektionsstellen, auch am proximalen Bereich der Analfurche, durchführbar. Dort ist insbesondere für Trockenheit des Areals und der Unterlage zu sorgen, wenn die obersten Hornschichten der Haut nicht durch den Schweiß und die Feuchte des Bettklimas aufquellen und rissig werden sollen und so eine ideale Eintrittspforte für Keime und Materialabriebpartikel bilden.

Abb. 1 – 4 (von oben nach unten) Quelle: Heidi Heinhold

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Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed)

1

Erhebungsbogen für die Versorgung mit Antidekubitus-Hilfsmitteln (Liegehilfen)

Ersterhebung – Datum: Folgeerhebung – Datum:

1. Stammdaten des Versicherten a) Name des/der Patienten/in:

Krankenkasse: Krankenversicherungs-Nr:

Alter: _____ Jahre Geschlecht: männl. weibl. Aktueller Wohnort des/der Patienten/in: Tel.-Nr.:

Größe: Gewicht:

b) Name, Tel.-Nr. der Hauptpflegeperson, Ansprechpartner oder Einrichtung: Angehörige(r) Pflegedienst stationäre Pflegeeinrichtung behandelnder Hausarzt c) Hauptdiagnose/n des/der Patienten/in: d) Wurde vor dieser Erhebung mit einem Antidekubitus-Hilfsmittel versorgt?

nein ja Mit welchem? Bitte nennen Sie den Produktnamen und die Art des Antidekubitus-

Hilfsmittels (z. B. Wechseldruck, Weichlagerung etc.) Gab es Probleme damit? nein ja Welche?

R 1 R 2

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Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed)

2

Auswertung: Bitte addieren Sie die Gesamtsumme des Patienten und wer-ten das Ergebnis nach dem Gefährdungsgrad „kein Risiko“ bis „sehr hohes Risiko“ aus.

2. Braden-Skala zur Bewertung des Dekubitusrisikos Übersetzung: Heidi Heinhold; autorisiert durch Barbara Braden

1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte sensorisches Wahr-nehmungsvermögen Fähigkeit, lagebedingte wie künstliche Reize wahrzuneh-men und adäquat zu reagie-ren

vollständig ausgefallen Keine Reaktion auf Schmerz-reize (auch kein Stöhnen, Zucken, Greifen) auf Grund verminderter (nervaler) Wahrnehmungsfähigkeit bis hin zur Bewusstlosig-keit oder Sedierung ODER Missempfindun-gen/Schmerzen wer-den über den größten Körperan-teil nicht wahrgenom-men.

stark eingeschränkt Reaktion nur auf starke Schmerzreize, Missempfin-dungen können nur über Stöhnen oder Unruhe mit-geteilt werden ODER sen-sorisches Empfinden stark herabgesetzt. Missemp-findugen/Schmerzen wer-den über die Hälfte des Körpers nicht wahrgenom-men.

geringfügig eingeschränkt Reaktion auf Ansprechen, Missempfindungen bzw. das Bedürfnis nach Lage-rungswechsel können nicht immer vermittelt werden ODER sensorisches Emp-finden teilweise herabge-setzt. Missempfindungen/ Schmerzen werden in ein oder zwei Extremitäten nicht wahrgenommen.

nicht eingeschränkt Reaktion auf Ansprechen, Missempfindungen ODER Schmerzen werden wahr-genommen und können benannt werden.

Feuchtigkeit Ausmaß, in dem die Haut Feuchtigkeit ausgesetzt ist

ständig feucht Die Haut ist ständig feucht durch Schweiß, Urin usw. Nässe wird bei jedem Be-wegen festgestellt.

oft feucht Haut ist oft feucht, aber nicht immer. Bettwäsche muss mindestens einmal pro Schicht gewechselt werden.

manchmal feucht Die Haut ist hin und wie-der feucht, die Wäsche muss zusätzlich einmal täg-lich gewechselt werden.

selten feucht Die Haut ist normalerwei-se trocken. Wäschewech-sel nur routinemäßig.

Aktivität Grad der körperlichen Akti-vität

bettlägerig Das Bett kann nicht ver-lassen werden.

sitzt auf Kann mit Hilfe etwas lau-fen. Kann das eigene Ge-wicht nicht alleine tragen. Braucht Hilfe um aufzusit-zen (Bett, Stuhl, Rollstuhl).

Gehen Geht mehrmals am Tag, a-ber nur kurze Strecken. Teils mit, teils ohne Hilfe. Ver-bringt die meiste Zeit im Bett/Lehnstuhl/Rollstuhl.

regelmäßiges Gehen Verlässt das Zimmer mindestens zweimal am Tag. Geht tagsüber im Zimmer etwa alle zwei Stunden auf und ab.

Mobilität Fähigkeit, die Körperpositi-on zu wechseln und zu verändern

vollständige Immo-bilität Selbst die geringste Lage-änderung des Körpers oder von Extremitäten wird nicht ohne Hilfe durchgeführt.

stark eingeschränkt Eine Lageänderung des Kör-pers oder von Extremitäten wird hin und wieder selbst-ständig durchgeführt, aber nicht regelmäßig.

geringfügig einge-schränkt Geringfügige Lageände-rungen des Körpers oder der Extremitäten werden regelmäßig und selbst-ständig durchgeführt.

nicht eingeschränkt Lageänderungen werden regelmäßig und ohne Hil-fe durchgeführt.

Ernährung Allgemeines Ernährungs-verhalten

schlechte Ernäh-rung Isst die Portion nie auf. Isst selten mehr als 1/3 jeder Mahlzeit. Isst zwei eiweißhaltige Portionen (Fleisch oder Milchproduk-te) oder weniger täglich. Trinkt zu wenig. Trinkt kei-ne Nahrungsergänzungs-kost oder wird per Sonde oder seit mehr als fünf Tagen intravenös ernährt.

wahrscheinlich unzu-reichende Ernährung Isst selten ganze Mahlzeit auf, in der Regel nur die Hälfte. Die Eiweißzufuhr er-folgt über nur drei Portionen (Milchprodukte, Fleisch) täg-lich. Hin und wieder wird Ergänzungskost zu sich ge-nommen ODER erhält we-niger als die erforderliche Menge Flüssigkeit bzw. Sondenernährung.

ausreichende Er-nährung Isst mehr als die Hälfte der meisten Mahlzeiten, mit insgesamt vier eiweißhalti-gen Portionen (Milchpro-dukte, Fleisch) täglich. Lehnt hin und wieder eine Mahl-zeit ab, nimmt aber Ergän-zungsnahrung an ODER wird über eine Sonde ernährt und erhält so die meisten er-forderlichen Nährstoffe.

gute Ernährung Isst alle Mahlzeiten, weist keine zurück. Nimmt nor-malerweise vier eiweiß-haltige Portionen (Milch-produkte, Fleisch) zu sich, manchmal auch eine Zwi-schenmahlzeit. Braucht keine Nahrungsergän-zungskost.

Reibungs- und Scher-kräfte

Problem Mäßige bis erhebliche Un-terstützung bei jedem Positionswechsel erfor-derlich. (An-)Heben (z. B. auch in Richtung Kopfen-de ist nicht möglich, ohne über die Unterlage zu schleifen. Rutscht im Bett oder Stuhl regelmäßig nach unten und muss wieder in die Ausgangs-position gebracht wer-den. Spastik, Kontrakturen und Unruhe verursachen fast ständige Reibung.

potenzielles Problem Bewegt sich ein wenig und braucht selten Hilfe. Die Haut scheuert wäh-rend der Bewegung we-niger intensiv auf der Un-terlage (kann sich selbst ein wenig anheben). Ver-bleibt relativ lange in der optimalen Position im Bett (Sessel/Rollstuhl/Lehn-stuhl). Rutscht nur selten nach unten.

kein feststellbares Problem Bewegt sich unabhängig und ohne Hilfe in Bett und Stuhl. Muskelkraft reicht aus, um sich ohne Reibung anzuheben. Behält optimale Position in Bett oder Stuhl aus ei-gener Kraft bei.

>18 Punkte = kein Risiko 18-15 Punkte = geringes Risiko 14-12 Punkte = mittleres Risiko 11-9 Punkte = hohes Risiko < 9 Punkte = sehr hohes Risiko

SUMME:

R 4 R 5 R 3

R 6

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3

3. Angaben zur Patientensituation bezogen auf die Auswahl des Hilfsmittels Zu berücksichtigende Kriterien zur Auswahl eines Antidekubitus-Systems nach dem Expertenstan-dard zur Dekubitusprophylaxe: Für die Entscheidung zu einem druckreduzierenden Hilfsmittel ist wesentlich, welche prioritären Pflege- und Therapieziele mit dem Patienten/Betroffenen angestrebt werden (z. B. Schmerzreduk-tion, Bewegungsverbesserungen, Ruhigstellung). Um die angestrebten Ziele zu erreichen, müssen die Hilfsmittel so ausgewählt werden, dass sie die Zielerreichung unter der Prämisse einer vorge-nommenen Prioritätensetzung unterstützen. Die einzusetzenden Lagerungshilfsmittel sollen nach folgenden Kriterien ausgewählt werden: :: den prioritären Pflege- und Therapiezielen :: den Möglichkeiten der Eigenbewegung des Patienten/Betroffenen :: den gefährdeten Körperstellen :: dem Gewicht des Patienten/Betroffenen :: der Abwägung von Kosten und Nutzen Bitte berücksichtigen Sie bei der Auswahl des Hilfsmittels zusätzlich, welches aktuelle Dekubitusrisi-ko der Patient nach der Braden-Skala hat und ob der Patient in der Vergangenheit bereits einen hö-hergradigen Dekubitus besaß. (Quelle: www.dnqp.de/ExpertenstandardDekubitusprophylaxe.pdf). 1. Leidet der/die Patient/in an dauerhaften Schmerzen, die durch (aktive/passive) Bewegung ge-

steigert werden?

nein ja

Hat er/sie in der Vergangenheit bereits auf den Einsatz eines entsprechenden Hilfsmittels mit Schmerzen reagiert?

nein ja

Schmerzerhebung als Anlage beigefügt nein ja 2. Sind noch Eigenbewegung (regelmäßige, kleine Positionswechsel des Körpers und der Extremi-

täten) des Patienten vorhanden?

nein ja 3. Nimmt der Patient längere Zeit eine sitzende Position im Bett ein oder sitzt der Patient durch?

nein ja 4. Sind häufigere Positionswechsel zur Sekretmobilisation mit dem Ziel der Atemerleichterung

erforderlich?

nein ja 5. Besitzt der Patient aktuell einen Dekubitus?

nein ja Dekubitus Stadium I (EPUAP) Dekubitus Stadium II (EPUAP) Dekubitus Stadium III (EPUAP) Dekubitus Stadium IV (EPUAP)

Wunddokumentation als Anlage vorhanden? nein ja 6. Hatte der Patient in der Vergangenheit einen Dekubitus höher als Stadium II?

nein ja Dekubitus Stadium III (EPUAP) Dekubitus Stadium IV (EPUAP)

R 7

R 8

R 9

R 10

R 7

Bei Patienten, die in der Vergangenheit einen Dekubitus Grad III oder IV hatten, wird das Gewebe über den knö-chernen Erhebungen nie wieder gleichartig aufgebaut. Die Gefahr der Erkrankung an einem Dekubitus ist in diesem Bereich ungleich höher als im Bereich unbelasteten Gewebes.

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4

Hinweis: Mögliche Nebenwirkungen der Wirkprinzipien „Weichlagerung und Wechseldruck“

Weichlagerung Wechseldruck

:: mögliche Reduzierung der Spontanbewegung :: möglicher Verlust des Körperschemas

:: mögliche Verstärkung vorhandener Schmerzen :: mögliche Verstärkung von Spastiken :: mögliche Verstärkung von Wahrnehmungs- und Kör- perbildstörungen

4. Zusammenfassung der Anforderungen Durch Übertragung der Relevanzpunkte in diese Tabelle ergeben sich die für eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung notwendigen Bedingungen zur Auswahl eines geeigneten Lagerungssys-tems.

Ergebnis Relevanz-nummer

Patientenbedingung Bedingung an das Hilfsmittel

R 1 Körpergröße über 190 cm

Muss eine physiologische Liegeposition er-möglichen, also ausreichend lang sein. Sonder-größe ist notwendig! Körpergröße + 10 cm Systemlänge = ________________

R 2 Körpergewicht über 120 kg

Hilfsmittel muss für das Patientengewicht geeignet sein und eine ausreichende Ein-sinktiefe gewährleisten. Herstellerangaben beachten!

R 3 manchmal feuchte Haut

Möglichkeit, dass die Feuchtigkeit verduns-ten kann. Es darf keine Dampfsperre durch die Materialen des Systems entstehen. Materialien müssen atmungsaktiv sein!

R 4 oft feuchte Haut

Die Hautfeuchtigkeit muss verdunsten kön-nen. Es darf keine Dampfsperre durch die Materialen des Systems entstehen. Luftstromsystem in Betracht ziehen!

R 5 ständig feuchte Haut

Die Hautfeuchtigkeit muss aktiv verduns-tet werden. Es darf keine Dampfsperre durch die Materialen des Systems entstehen. Luftstromtherapiesystem ist notwendig!

R 6 Reibungs- und Scherkräfte

Reibungskräfte und Scherkräfte müssen mi-nimiert werden, um Gewebeschäden zu verhindern. Material der Bezüge muss aus Textilfasern bestehen, die den Reibungswi-derstand verringern.

R 7 anhaltende Schmerzen Dynamische Bewegungen des Lagerungs-systems müssen vermieden bzw. minimiert werden.

R 8 regelmäßige Eigenbewegung vorhanden Hilfsmittel soll die noch vorhandenen Res-sourcen erhalten.

R 9 überwiegend sitzende Position Das Durchsinken des Patienten auf den Un-tergrund muss verhindert und gleichzeitig die Auflagefläche so groß wie möglich sein.

R 10 Lungenbefund des Patienten erfordert eine Sekretmobilisation durch kurze Lagerungs-

intervalle

Seitenlagerungssystem ist zu empfehlen.

Nicht geeignet zur Dekubitusprophylaxe und Therapie sind kleinzellige Wechseldrucksysteme, Stan-dard-Schaumstoffmatratzen, Felle, Sitzringe und Wassermatratzen.

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5

5. Ergänzende Angaben zu Sitzhilfen Erhebung weiterer Risikofaktoren für Sitzhilfen Kann der Patient sensitive Reize im Sitzbereich nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen? nein ja Entlastet der Patient bewusst den Sitzbereich? nein ja Liegt ein dauerhaft niedriger Blutdruck (diastolisch <60 mmHg) vor? nein ja Ist der Patient Diabetiker? nein ja Patient sitzt auf bestehenden Wunden/abgeheiltem Dekubitus Stadium III/IV? nein ja Spezielle Anforderungen für Sitzhilfen

Wie lange wird der Patient durchschnittlich auf der Sitzhilfe verweilen? 1. ununterbrochen am Stück ____ Stunden 2. insgesamt pro Tag ____ Stunden

Besteht Sitzstabilität oder ist z. B. das Gleich- gewicht des Benutzers eingeschränkt? nein ja Kann der Benutzer die Sitzposition passiv oder aktiv adäquat verändern? nein ja Sitzt der Benutzer asymmetrisch, z. B. wegen Beckenschiefstand, Amputation, Skoliose, Hemiplegie? nein ja Besteht eine Gelenkeinsteifung der Hüfte? nein ja Ist die Adduktion/Abduktion beeinträchtigt? nein ja Liegt ein progressiver Krankheitsverlauf vor (z. B. Multiple Sklerose – MS, Amyotrophe Lateralsklerose – ALS), der Einfluss auf die Sitzposition nehmen kann?

nein ja Wird das Kissen auf verschiedenen Sitz- gelegenheiten genutzt? nein ja

Beachte: Die Eigenschaften des Kis-sens können sich mit zunehmender Nutzungsdauer verändern.

Beachte: Wenn „nein“ muss eine Unterstützung durch z. B. Pelotten, Rückensysteme, Kissen mit Positio-nierungshilfen gewährleistet sein.

Beachte: Wenn „ja“ und bei fixierter Asymmetrie muss das Kissen unter-stützend wirken. Wenn „ja“ und bei flexibler Asymme-trie muss das Kissen anpassbar sein.

Beachte: Wenn „ja“, muss das Kis-sen in Richtung der Längsachse, d. h. nach anterior bzw. posterior einstellbar sein.

Beachte: Wenn „ja“, muss ein ent-sprechend vorgeformtes oder ein anpassbares Kissen genutzt werden.

Beachte: Wenn „ja“, muss ein ent-sprechend anpassbares Kissen ge-nutzt werden.

Beachte: Wenn „ja“ beachte, dass der jeweilige Untergrund die Eigen-schaften des Kissens beeinflussen kann und das Kissen entsprechend gewählt werden muss.

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6 © Copyright by BVMed – Bundesverband Medizintechnologie e.V., Mai 2006

6. Versorgungsvorschlag Gemäß den erhobenen Bedingungen des Patienten wird für die Versorgung folgendes Hilfsmittel vorgeschlagen: Produktbezeichnung: HMV-Nr.: Grundsätzlich können auch Medizinprodukte ohne HMV-Nr. eingesetzt werden!

Versorgung kann aus Wiedereinsatzlager erfolgen.

Kostenvoranschlag für Neuversorgung – Siehe Anlage.

Erhebung durchführende Person (Name, Anschrift, Telefon) Arzt: Pflegekraft: Sonstige (Funktion): Datum Unterschrift/Stempel Einverständniserklärung des Versicherten/Betreuers für die Weitergabe der Daten: _________ Name, Vorname Unterschrift

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Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed)

7

R 1

Anleitung zur Benutzung des Erhebungsbogens In diesem Erhebungsbogen sind für die Auswahl des Hilfsmittels relevante Fragen mit einer Relevanznummer, z. B. gekennzeichnet. Übertragen Sie die Ergebnisse dieser Fragen in die entsprechenden Felder der Tabelle auf Seite 4. Jeder Relevanznummer sind Bedingungen zu-geordnet. Gehen Sie wie folgt vor: Erfassen Sie die Stammdaten des Patienten. Bewerten Sie die Patientensituation anhand der Braden-Skala (Seite 2) und werten das individuelle Dekubitusrisiko durch Addition der Ergebnisse aus. Sind zutreffende Patientenmerkmale in der Bradenskala mit einem Relevanznummer versehen, kreuzen Sie diese im Ergebnisfeld der Tabelle auf Seite 4 an. Bewerten Sie die weiteren Fragen zur Patientensituation (Seite 3). Sind hier weitere Fragen mit einer Relevanznummer versehen und diese werden mit „ja“ beantwortet, übertragen Sie diese bitte auch in die Ergebnistabelle auf Seite 4. Gemäß den Bedingungen in der Tabelle „Zusammen-fassung der Anforderungen“ erstellen Sie Ihren Versorgungsvorschlag für das Antidekubitus-Hilfsmittel.

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ERHEBUNGSBOGEN ZUR VERSORGUNG MIT LIEGEHILFEN ALS HILFSMITTEL GEGEN DEKUBITUS DER PRODUKTGRUPPE 11 DES HILFSMITTELVERZEICHNISSES

- ANZUWENDEN AB DER VOLLENDUNG DES FÜNFTEN LEBENSJAHRES -

1. PERSONENDATEN

Vor- und Zuname des Patienten: ___________________________________________________________________________ Adresse des Patienten: Straße: _______________________________ PLZ/Ort: ______________________________

Tel.-Nr.: ______________________________ 埖"männlich 埖"weiblich

Krankenversicherungs-Nr.: _____________________________________ Geburtsdatum: ___________________ ______ Hausarzt: ______________________________________ Verordner: _____________________________________________ Gewicht: __________ kg Größe: _____________cm Ggf. Betreuungspersonen: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________

2. WER FÜHRT DIE PFLEGE DURCH? (Name, Anschrift, Telefon) Angehörige / Laien: _____________________________________________________________________________________ Ambulanter Pflegedienst: _________________________________________________________________________________ Stationäre Pflege: _______________________________________________________________________________________

3. DIAGNOSEN UND BESONDERHEITEN DER PFLEGESITUATION

_____________________________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________________________

4. LOKALISATION BESONDERS GEFÄHRDETER KÖRPERSTELLEN BZW. BEREITS BESTEHENDER WUNDEN Liegt aktuell ein Dekubitus vor ?

埖 nein 埖 ja î Dekubitus Stadium I 埖

Dekubitus Stadium II 埖

Dekubitus Stadium III 埖

Dekubitus Stadium IV 埖

î Einteilung nach EPUAP (s. Anhang) Lokalisation(en) in Schema einzeichnen

Lag in der Vergangenheit ein Dekubitus Stadium III oder IV (EPUAP) vor?

埖 nein 埖 ja î ehem. Dekubitus Stadium III 埖

ehem. Dekubitus Stadium IV 埖

Muss der Patient auf bestehenden Wunden oder abgeheil-tem Dekubitus Stadium III oder IV gelagert werden ?

埖"nein 埖"ja, Begründung:

___________________________________________ ___________________________________________ ___________________________________________

Stand: 28.10.2005

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5. BRADEN-SKALA ZUR BEWERTUNG DES DEKUBITUSRISIKOS (nach B.Braden übersetzt von H.Heinhold; Heilberufe Spezial - Dekubitus 2001/2002) 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte

Sensorisches Wahrnehmungsvermögen

Fähigkeit, lagebe-dingte wie künstli-che Reize wahrzu-nehmen und adäquat zu reagie-ren

1. Vollständig ausgefallen

Keine Reaktion auf Schmerzreize (auch kein Stöhnen, Zucken, Greifen) auf Grund verminderter (nervaler) Wahnehmungsfä-higkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit oder Sedierung,

ODER Missempfindungen / Schmerzen werden über den größten Körperanteil nicht wahr-genommen

2. Stark eingeschränkt

Reaktion nur auf starke Schmerzreize, Missempfindungen können nur über Stöh-nen oder Unruhe mitgeteilt werden

ODER Sensorisches Empfinden stark herabge-setzt. Missempfindungen/Schmerzen wer-den über die Hälfte des Körpers nicht wahr-genommen.

3. Geringfügig eingeschränkt

Reaktion auf Ansprechen; Missempfindun-gen bzw. das Bedürfnis nach Lagerungs-wechsel können nicht immer vermittelt werden,

ODER sensorisches Empfinden teilweise herabge-setzt. Missempfindungen/Schmerzen wer-den in ein oder zwei Extremitäten nicht wahrgenommen.

4. Nicht eingeschränkt

Reaktion auf Ansprechen.

Missempfindungen oder Schmerzen werden wahrgenommen und können benannt wer-den.

Feuchtigkeit

Ausmaß, in dem die Haut Feuchtig-keit ausgesetzt ist.

1. Ständig feucht Die Haut ist ständig feucht durch Schweiß, Urin usw. Nässe wird bei jedem Bewegen festgestellt.

2. Oft feucht Haut ist oft, aber nicht ständig feucht. Die Wäsche muss mindestens einmal pro Schicht gewechselt werden.

3. Manchmal feucht Die Haut ist hin und wieder feucht, die Wäsche muss zusätzlich einmal täglich gewechselt werden.

4. Selten feucht Die Haut ist normalerweise trocken. Wä-schewechsel nur routinemäßig.

Aktivität

Grad der körperli-chen Aktivität

1. Bettlägerig

Das Bett kann nicht verlassen werden.

2. An den Stuhl / Rollstuhl gebunden

Gehfähigkeit ist stark eingeschränkt oder nicht vorhanden. Kann sich selbst nicht aufrecht halten und/oder braucht Unterstüt-zung beim Hinsetzen.

3. Gehen

Geht mehrmals am Tag, aber nur kurze Strecken, teils mit, teils ohne Hilfe. Verbringt die meiste Zeit im Bett / Lehnstuhl / Roll-stuhl

4. Regelmäßiges Gehen

Verlässt das Zimmer mindestens zweimal am Tag. Geht tagsüber im Zimmer etwa alle zwei Stunden auf und ab.

Mobilität

Fähigkeit, die Körperposition zu halten und zu verändern

1. Vollständige Immobilität

Selbst die geringste Lageänderung des Körpers oder Extremitäten wird nicht ohne Hilfe durchgeführt.

2. Stark eingeschränkt Eine Lageänderung des Körpers oder von Extremitäten wird hin und wieder selbstän-dig durchgeführt, aber nicht regelmäßig.

3. Geringfügig eingeschränkt

Geringfügige Lageänderungen des Körpers oder der Extremitäten werden regelmäßig und selbständig durchgeführt.

4. Nicht eingeschränkt Lageänderungen werden regelmäßig und ohne Hilfe durchgeführt.

Ernährung

Allgemeines Ernäh-rungsverhalten

1. Schlechte Ernährung Isst die Portion nie auf. Isst selten mehr als 1/3 jeder Mahlzeit. Isst zwei eiweißhaltige Portionen (Fleisch oder Milchprodukte) oder weniger täglich. Trinkt zu wenig. Trinkt keine Nahrungsergänzungskost

ODER Wird per Sonde oder seit mehr als fünf Tagen intravenös ernährt.

2. Wahrscheinlich unzureichende Ernäh-rung

Isst selten eine ganze Mahlzeit auf, in der Regel nur die Hälfte. Die Eiweißzufuhr erfolgt über nur drei Portionen (Milchproduk-te, Fleisch) täglich. Hin und wieder wird Ergänzungskost zu sich genommen

ODER Erhält weniger als die erforderliche Menge Flüssigkeit bzw. Sondenernährung.

3. Ausreichende Ernährung Isst mehr als die Hälfte der meisten Mahl-zeiten, mit insgesamt vier eiweißhaltigen Portionen (Milchprodukte, Fleisch) täglich. Lehnt hin und wieder eine Mahlzeit ab, nimmt aber Ergänzungsnahrung, wenn angeboten, an.

ODER Wird über eine Sonde ernährt und erhält so die meisten erforderlichen Nährstoffe.

4. Gute Ernährung Isst alle Mahlzeiten, weist keine zurück. Nimmt normalerweise vier eiweißhaltige Portionen (Milchprodukte, Fleisch) zu sich, manchmal auch eine Zwischenmahlzeit. Braucht keine Nahrungsergänzungskost

Reibungs- und Scherkräfte

1. Problem Mäßige bis erhebliche Unterstützung bei jedem Positionswechsel erforderlich. Anhe-ben (z.B. auch Richtung Kopfende) ist nicht möglich, ohne über die Unterlage zu schlei-fen. Rutscht im Bett oder Stuhl regelmäßig nach unten und muss wieder in die Aus-gangsposition gebracht werden. Spastik, Kontrakturen und Unruhe verursachen fast ständige Reibung.

2. Potenzielles Problem

Bewegt sich ein wenig und braucht selten Hilfe. Die Haut scheuert während der Be-wegung weniger intensiv auf der Unterlage (kann sich selbst ein wenig anheben). Ver-bleibt relativ lange in der optimalen Position im Bett (Sessel / Rollstuhl / Lehnstuhl). Rutscht nur selten nach unten.

3. Kein feststellbares Problem

Bewegt sich unabhängig und ohne Hilfe in Bett und Stuhl. Muskelkraft reicht aus, um sich ohne Reibung anzuheben. Behält optimale Position in Bett oder Stuhl aus eigener Kraft bei.

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5.1 ERHEBUNG WEITERER RISIKOFAKTOREN

Ist der Patient unterernährt (siehe auch Abschnitt 5) ? 埖"nein 埖"ja

Hat der Patient Spastiken / Kontrakturen ? 埖"nein 埖"ja

Ist der Patient hochbetagt (d.h. 80 Jahre und älter) ? 埖"nein 埖"ja

Liegt ein dauerhaft niedriger Blutdruck (diastolisch <60 mmHg) vor ? 埖"nein 埖"ja

Ist der Kreislauf des Patienten dauerhaft instabil ? 埖"nein 埖"ja

Ist der Patient Diabetiker ? 埖"nein 埖"ja

Patient muss auf bestehenden Wunden/abgeheiltem Dekubitus Stadium III / IV gelagert werden

(siehe Abschnitt 4) 埖"nein 埖"ja

Liegen weitere, bisher nicht erfasste Risiken vor ? 埖"nein 埖"ja

Beschreibung der Risiken: ______________________________________________________________________

______________________________________________________________________

5.2 AUSWERTUNG DER RISIKOERHEBUNG Gesamtsumme aller erreichten Punktwerte gemäß Braden-Skala: ________ Punkte

埖 kein Risiko (19 – 23 Punkte, Stufe 0)

埖 allgemeines Risiko (15 – 18 Punkte, Stufe 1)

埖 mittleres Risiko (13 – 14 Punkte, Stufe 2)

埖 hohes Risiko (10 – 12 Punkte, Stufe 3)

埖 sehr hohes Risiko ( 9 – 6 Punkte, Stufe 4)

Es liegt mindestens ein weiteres Risiko nach 5.1 vor, so dass die

ermittelte Risikostufe um eine Stufe zu erhöhen ist 埖"nein 埖"ja

Beachte:

Liegen weitere bedeutende Risikofak-toren vor (siehe Abschnitt 5.1),

die nicht durch die Braden-Skala erfasst werden, muss der Patient in die jeweils nächsthöhere Risikostufe ein-

gruppiert werden.

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6. ZUSAMMENFASSUNG ALLER ANFORDERUNGEN UND AUSWAHLHILFE FÜR HILFSMITTEL

Patientensituation zutref-fend

nicht zutref-fend

Wenn zutreffend, dann sind folgende Bedingungen an das Hilfsmittel zu stellen:

Bemerkung

Körpergewicht < 40 kg 埖 埖 Das Produkt muss auf das Gewicht ausgelegt sein. Ggf. Produkt zur Sonderversorgung verwenden. Auf Einzelproduktbeschreibung achten.

Körpergewicht > 90 kg 埖 埖 Das Produkt muss auf das Gewicht ausgelegt sein. Ggf. Produkt zur Sonderversorgung verwenden. Auf Einzelproduktbeschreibung achten.

Körpergröße > 1,90 m 埖 埖 Ggf. Produkt zur Sonderversorgung erforderlich Berechnung der erforderlichen System-länge Körpergröße m + 0,1 m = ______m

Manchmal feuchte Haut 埖 埖 Die Feuchtigkeit muss verdunsten können. Strukturierte Liegeflächen sind indiziert.

Oft feuchte Haut 埖 埖 Die Feuchtigkeit muss verdunsten können, Verwendung eines Luftstromsystems kann bereits indiziert sein.

Ständig feuchte Haut 埖 埖 Die Feuchtigkeit muss aktiv abgeführt (verdunstet) werden. Verwendung eines Luftstromsystems indiziert.

Flüssigkeitszufuhr unzureichend 埖 埖 Bei drohender bzw. vorliegender Exsikkose Luftstromsystem vermeiden

Reibungs- und Scherkräfte können auftreten

埖 埖

Reibungs- und Scherkräfte müssen weitestgehend vermieden werden. Das Material der Bezüge muss aus besonders glatten Textilien bestehen. Auf Einzelproduktbeschreibung achten.

Regelmäßige Eigenbewegungen vorhanden

埖 埖 Superweichlagerung ist zu vermeiden. Es sind Systeme zur Förderung der Eigenbewe-gung, z.B. Mikrostimulationssysteme, zu bevorzugen.

Patient häufig in sitzender Position

埖 埖

Die Auflagen-/Matratzenstärke so wählen, dass kein Durchsinken möglich ist. Das Produkt soll über eine Randverstärkung verfügen. Auf korrekte Positionierung der Knickstellen achten (siehe Einzelproduktbeschreibung). Wechseldrucksysteme geeignet, wenn automa-tische Anpassung bzw. Statikfunktion vorhanden.

Patient muss auf bestehenden Wunden

gelagert werden 埖 埖

Ein direkte Lagerung auf den Wunden ist möglichst zu vermeiden. Ggf. freilagernde Pro-dukte (Matratzen- /Auflagen mit austauschbaren Elementen) verwenden. (Cave: Fenster-ödeme, lokale Druckerhöhung!) Wechseldrucksysteme können indiziert sein.

Pulmologischer Befund erfordert eine Sekretmobilisation

埖 埖 Seitenlagerungssysteme können unterstützend wirken. Spezielle Perkussionssysteme können sinnvoll sein. Auf Einzelproduktbeschreibung achten.

Es liegen Spastiken vor 埖 埖 Statische Systeme sind zu bevorzugen. Wechseldrucksystem eher ungeeignet.

Anhaltende Schmerzen 埖 埖 Statische Systeme sind zu bevorzugen. Ggf. kann zur Unterstützung der Lagerung ein Seitenlagerungssystem sinnvoll sein.

Allgemeines Risiko (siehe 5.2) 埖 埖 Produkte verwenden die eine Mobilisation erlauben.

Mittleres Risiko (siehe 5.2) 埖 埖 Produkte verwenden die eine Mobilisation erlauben und regelmäßige Lagerung unterstüt-zen.

Hohes Risiko (siehe 5.2) 埖 埖 Ergänzend dynamische Systeme zur aktiven Lagerungsunterstützung nutzen.

Sehr hohes Risiko (siehe 5.2) 埖 埖 Ergänzend dynamische Systeme zur aktiven Lagerungsunterstützung nutzen

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7. VERSORGUNGSEMPFEHLUNG Unter Berücksichtigung des zuvor erhobenen und dokumentierten Status wird die Versorgung mit

埖"einem Anti-Dekubitushilfsmittel der Produktart ______________________________________________

埖"dem konkreten Hilfsmittel (Name) ________________________________________________________

und der Hilfsmittel-Positionsnummer

empfohlen. Falls ein konkretes Produkt benannt wird, bitte begründen, warum dieses erforderlich ist: ___________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________

8. WER FÜHRT DIE BEURTEILUNG DURCH? (Name, Anschrift, Telefon)

Arzt: _________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________ Pflegekraft: _________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________ Sonstige (Funktion angeben): _________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________ Datum: ___________________ Unterschrift / Stempel: __________________________

9. ERKLÄRUNG DES VERSICHERTEN / PATIENTEN / GESETZLICHEN BETREUERS Ich bin mit der Erhebung und Weitergabe der Befunddaten an die zuständige Krankenkasse und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einverstanden. Vor- und Zuname: _________________________________________________________________ Ort / Datum: ___________________________ Unterschrift: ______________________________

PG Ort UG Art Laufende Nr.

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ERHEBUNGSBOGEN ZUR VERSORGUNG MIT LIEGEHILFEN ALS HILFSMITTEL GEGEN DEKUBITUS DER PRODUKTGRUPPE 11 DES HILFSMITTELVERZEICHNISSES

- ANZUWENDEN BIS ZUR VOLLENDUNG DES FÜNFTEN LEBENSJAHRES -

1. PERSONENDATEN

Vor- und Zuname des Patienten: ___________________________________________________________________________ Vor- und Zuname des Versicherten: ________________________________________________________________________ Adresse des Patienten: Straße: _______________________________ PLZ/Ort: ______________________________

Tel.-Nr.: ______________________________ 埖"männlich 埖"weiblich

Krankenversicherungs-Nr.: _____________________________________ Geburtsdatum: ___________________ ______ Hausarzt: ______________________________________ Verordner: _____________________________________________ Gewicht: __________ kg Größe: _____________cm Ggf. Betreuungspersonen: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________

2. WER FÜHRT DIE PFLEGE DURCH? (Name, Anschrift, Telefon) Angehörige / Laien: _____________________________________________________________________________________ Ambulanter Pflegedienst: _________________________________________________________________________________ Stationäre Pflege: _______________________________________________________________________________________

3. DIAGNOSEN UND BESONDERHEITEN DER PFLEGESITUATION

_____________________________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________________________

4. LOKALISATION BESONDERS GEFÄHRDETER KÖRPERSTELLEN BZW. BEREITS BESTEHENDER WUNDEN Liegt aktuell ein Dekubitus vor ?

埖 nein 埖 ja î Dekubitus Stadium I 埖

Dekubitus Stadium II 埖

Dekubitus Stadium III 埖

Dekubitus Stadium IV 埖

î Einteilung nach EPUAP (s. Anhang) Lokalisation(en) in Schema einzeichnen

Lag in der Vergangenheit ein Dekubitus Stadium III oder IV (EPUAP) vor?

埖 nein 埖 ja î ehem. Dekubitus Stadium III 埖

ehem. Dekubitus Stadium IV 埖

Muss der Patient auf bestehenden Wunden oder abgeheil-tem Dekubitus Stadium III oder IV gelagert werden ?

埖"nein 埖"ja, Begründung:

___________________________________________ ___________________________________________

Stand: 28.10.2005

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5. BRADEN Q - SKALA ZUR BEWERTUNG DES DEKUBITUSRISIKOS

1

1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte

Sensorische Wahrnehmung Fähigkeit, Reize durch Berührung, passive Lagever-änderung, z.B. einer Gliedmaße, Vibrationen, Tem-peratur, Schmerz wahrzunehmen und zu verarbeiten

1. Vollständig ausgefallen Unfähigkeit, auf Schmerzreize zu reagieren (auch nicht durch Stöhnen, Zurückzucken, Greifen). Ursache: Herabgesetzte Wahr-nehmungsfähigkeit (bis zur Bewusstlosig-keit) oder Sedierung

ODER Fähigkeit des Schmerzempfindens über den größten Anteil der Körperoberfläche herab-gesetzt

2. Stark eingeschränkt Reagiert nur auf schmerzhafte Reize. Kann Unbehagen weder durch Stöhnen noch durch Unruhe mitteilen,

ODER

über mehr als die Hälfte des Körper liegen Störungen der sensorischen Wahrnehmung vor, die die Fähigkeit, Schmerz oder Unbehagen zu empfinden, herabsetzen.

3. Wenig eingeschränkt Reagiert auf verbale Aufforderungen, kann aber nicht immer Unbehagen oder die Not-wendigkeit des Positionswechsels mitteilen,

ODER es liegen wenige Störungen der sensori-schen Wahrnehmung vor, die die Fähigkeit, Schmerz oder Unbehagen zu empfinden, in ein oder zwei Gliedmaßen herabsetzen.

4. Nicht eingeschränkt Reagiert auf verbale Aufforderungen. Hat keine sensorischen Defizite, die die Fähig-keit, Schmerz oder Unbehagen zu empfin-den und mitzuteilen, herabsetzen.

Feuchtigkeit Ausmaß, in dem die Haut Feuchtig-keit (Schweiß, Urin) ausgesetzt ist.

1. Ständig feucht

Die Haut ist ständig feucht durch Schweiß, Urin und Drainageflüssigkeit. Feuchte wird jedes Mal festgestellt, wenn der Patient bewegt oder gedreht wird.

2. Sehr feucht Die Haut ist oft, aber nicht ständig feucht. Bettlaken müssen mindestens alle 8 Stun-den gewechselt werden.

3. Gelegentlich feucht Die Haut ist gelegentlich feucht, Wäsche-wechsel ist etwa alle 12 Stunden erforder-lich.

4. Selten feucht Die Haut ist meistens trocken. Windelwech-sel routinemäßig, Lakenwechsel nur alle 24 Stunden erforderlich.

Aktivität Ausmaß der kör-perlichen Aktivität

1. Bettlägerigkeit Kann/darf das Bett nicht verlassen

2. An Lehnstuhl/Sessel/ Rollstuhl gebunden

Fähigkeit, ein wenig zu gehen, ist einge-schränkt oder nicht vorhanden. Kann das Eigengewicht nicht tragen und/oder braucht Hilfe sich in den Lehnstuhl, Sessel oder Rollstuhl zu setzen.

3. Geht gelegentlich Geht tagsüber gelegentlich, aber nur kurze sehr Strecken, mit oder ohne Hilfe. Ver-bringt die meiste Zeit im Bett oder im Stuhl.

4. Geht oft Tagsüber wenigstens zweimal außerhalb des Zimmers und wenigstens einmal alle zwei Stunden innerhalb des Zimmers.

ODER

Patient ist zu jung um laufen zu können

Mobilität Fähigkeit, die Position des Kör-pers insgesamt oder der Gliedma-ßen zu verändern.

1. Vollständige Immobilität Führt nicht die geringste Positionsänderung des Körpers oder einzelner Gliedmaßen ohne Hilfe aus.

2. Stark eingeschränkt Führt gelegentlich geringfügige Positions-änderungen des Körpers oder einzelner Gliedmaßen aus, ist aber unfähig, den Körper selbständig zu drehen.

3. Leicht eingeschränkt Führt oft, jedoch geringfügige Positionsän-derungen des Körpers oder einzelner Gliedmaßen aus.

4. Nicht eingeschränkt Führt oft große Positionsveränderungen ohne Unterstützung aus.

Gewebedurch-blutung und Sauerstoffver-sorgung

1. Extrem gefährdet Hypotonie, MAP = Mittlerer Arterieller Blut-druck < 50 mmHg, < 40 mmHg beim Neu-geborenen) ODER der Patient toleriert keinen Positionswechsel

2. Gefährdet Normotonie, Sauerstoffsättigung < 95 %, Hämoglobin bei < 10 mg/dl, kapilläre Wie-derauffüllzeit bei > 2 Sekunden, Serum pH < 7,40

3. Ausreichend Normotonie, Sauerstoffsättigung < 95 %, Hämoglobin bei < 10 mg/dl, kapilläre Wie-derauffüllzeit etwa 2 Sekunden, Serum-pH normal

4. Sehr gut Normotonie, Sauerstoffsättigung > 95 %, Hämoglobin normal, kapilläre Wiederauffüll-zeit < 2 Sekunden

Summe Übertrag

1 . Modifizierte Braden Q Scale – Vanderbilt Universitätskinderklinik Nashville

, Online zu beziehen über www.mc.vanderbilt.edu/learning-center/publist.html

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Ernährung Allgemeines Er-nährungsverhalten

1. Sehr schlecht Keine orale Ernährung und/oder nur klare Flüssigkeitszufuhr, oder intravenöse Flüs-sigzufuhr über mehr als 5 Tage ODER Eiweißzufuhr < 2,5 mg/dl ODER isst nie eine vollständige Mahlzeit. Isst selten mehr als die Hälfte der angebotenen Mahlzeit. Eiweißzufuhr beträgt nur 2 fleisch-haltige Portionen oder Milchprodukte täg-lich. Trinkt wenig Flüssigkeit. Erhält keine Ernährungsergänzungskost.

2. Nicht ausreichend Erhält flüssige Nahrung oder Sondenkost / intravenöse Ernährung, die eine für das Alter nicht ausreichende Menge an Kalorien und Mineralien enthält, ODER Eiweißzufuhr < 3 mg/dl ODER isst selten eine vollständige Mahlzeit und allgemein nur die Hälfte der jeweils angebo-tenen Portion. Eiweißzufuhr umfasst nur 3 fleischhaltige Portionen oder Milchprodukte täglich. Gelegentlich wird Nahrungsergän-zungskost zu sich genommen.

3. Ausreichend Erhält flüssige Nahrung oder Sondenkost., die eine für das Alter ausreichende Menge an Eiweiß und Mineralien enthält ODER isst mehr als die Hälfte jeder Mahlzeit. Isst insgesamt 4 oder mehr fleischhaltige und eiweißhaltige Portionen täglich. Lehnt gele-gentlich eine Mahlzeit ab, nimmt aber Er-gänzungskost zu sich, sofern sie angeboten wird.

4. Sehr gut Nimmt eine normale Ernährung ein, die genügend Kalorien für das Alter enthält. Isst beispielsweise fast jede Mahlzeit vollständig auf. Lehnt nie eine Mahlzeit ab. Isst im Allgemeinen 4 und mehr Portionen täglich, die Fleisch oder Milchprodukte enthalten. Isst gelegentlich zwischen den Mahlzeiten. Braucht keine Nahrungsergänzungskost.

Reibung und Scherkräfte Reibung entsteht, wenn die Haut über das Bettlaken schleift, Scherkräfte entstehen, wenn sich Haut und angrenzende Oberflächen der Knochen gegen-einander ver-schieben

1. Erhebliches Problem Spastik, Kontraktur, Juckreiz oder Unruhe verursachen fast ständiges Herumwerfen, um sich schlagen und Reiben

2. Bestehendes Problem Braucht mittlere bis maximale Unterstützung beim Positionswechsel. Vollständiges An-heben ohne über die Laken zu rutschen ist nicht möglich. Rutscht im Bett oder Stuhl oft nach unten und braucht oft maximale Hilfe, um in die Ausgangsposition zu gelangen.

3. Mögliches Problem Bewegt sich schwach oder benötigt geringe Hilfe. Während des Positionswechsels schleift die Haut etwas über Laken, Stuhl, Kopfstützen oder anderes Zubehör. Behält die meiste Zeit relativ gut die Position in Stuhl oder Bett, rutscht aber gelegentlich herab.

4. Kein auftretendes Problem Ist fähig, sich während des Positionswech-sels vollständig anzuheben, bewegt sich in Bett und Stuhl unabhängig und hat ausrei-chend Muskelkraft, um sich während des Positionswechsels zu heben. Erhält in Stuhl oder Bett jederzeit eine gute Position auf-recht.

Summe Übertrag

Gesamtsumme

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5.1 ERHEBUNG WEITERER RISIKOFAKTOREN

Ist der Patient unterernährt (siehe auch Abschnitt 5) ? 埖"nein 埖"ja

Hat der Patient Spastiken / Kontrakturen ? 埖"nein 埖"ja

Ist der Kreislauf des Patienten dauerhaft instabil ? 埖"nein 埖"ja

Ist der Patient Diabetiker ? 埖"nein 埖"ja

Patient muss auf bestehenden Wunden/abgeheiltem Dekubitus Stadium III / IV gelagert werden

(siehe Abschnitt 4) 埖"nein 埖"ja

Liegen weitere, bisher nicht erfasste Risiken vor ? 埖"nein 埖"ja

Beschreibung der Risiken: ______________________________________________________________________

______________________________________________________________________

5.2 AUSWERTUNG DER RISIKOERHEBUNG Gesamtsumme aller erreichten Punktwerte gemäß Braden Q - Skala: ________ Punkte

埖 kein Risiko (25 – 28 Punkte, Stufe 0) "埖 allgemeines Risiko (22 – 24 Punkte, Stufe 1)

埖 mittleres Risiko (14 – 23 Punkte, Stufe 2)

埖 hohes Risiko ( 7 – 13 Punkte, Stufe 3)

Es liegt mindestens ein weiteres Risiko nach 5.1 vor, so dass die

ermittelte Risikostufe um eine Stufe zu erhöhen ist 埖"nein 埖"ja

Beachte:

Liegen weitere bedeutende Risiko-faktoren vor (siehe Abschnitt 5.1),

die nicht durch die Braden Q - Skala erfasst werden, muss der Patient in die jeweils nächsthöhere Risikostufe ein-

gruppiert werden.

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6. ZUSAMMENFASSUNG ALLER ANFORDERUNGEN UND AUSWAHLHILFE FÜR HILFSMITTEL

Patientensituation zutref-fend

nicht zutref-fend

Wenn zutreffend, dann sind folgende Bedingungen an das Hilfsmittel zu stellen:

Bemerkung

Manchmal feuchte Haut 埖 埖 Die Feuchtigkeit muss verdunsten können. Strukturierte Liegeflächen sind indiziert.

Oft feuchte Haut 埖 埖 Die Feuchtigkeit muss verdunsten können, Verwendung eines Luftstromsystems kann bereits indiziert sein.

Ständig feuchte Haut 埖 埖 Die Feuchtigkeit muss aktiv abgeführt (verdunstet) werden. Verwendung eines Luftstromsystems indiziert.

Flüssigkeitszufuhr unzureichend 埖 埖 Bei drohender bzw. vorliegender Exsikkose Luftstromsystem vermeiden

Reibungs- und Scherkräfte können auftreten

埖 埖

Reibungs- und Scherkräfte müssen weitestgehend vermieden werden. Das Material der Bezüge muss aus besonders glatten Textilien bestehen. Auf Einzelproduktbeschreibung achten.

Regelmäßige Eigenbewegungen vorhanden

埖 埖 Superweichlagerung ist zu vermeiden. Es sind Systeme zur Förderung der Eigenbewe-gung, z.B. Mikrostimulationssysteme, zu bevorzugen.

Patient häufig in sitzender Position

埖 埖

Die Auflagen-/Matratzenstärke so wählen, dass kein Durchsinken möglich ist. Das Produkt soll über eine Randverstärkung verfügen. Auf korrekte Positionierung der Knickstellen achten (siehe Einzelproduktbeschreibung). Wechseldrucksysteme geeignet, wenn automa-tische Anpassung bzw. Statikfunktion vorhanden.

Patient muss auf bestehenden Wunden

gelagert werden 埖 埖

Ein direkte Lagerung auf den Wunden ist möglichst zu vermeiden. Ggf. freilagernde Pro-dukte (Matratzen- /Auflagen mit austauschbaren Elementen) verwenden. (Cave: Fenster-ödeme, lokale Druckerhöhung!) Wechseldrucksysteme können indiziert sein.

Pulmologischer Befund erfordert eine Sekretmobilisation

埖 埖 Seitenlagerungssysteme können unterstützend wirken. Spezielle Perkussionssysteme können sinnvoll sein. Auf Einzelproduktbeschreibung achten.

Es liegen Spastiken vor 埖 埖 Statische Systeme sind zu bevorzugen. Wechseldrucksystem eher ungeeignet.

Anhaltende Schmerzen 埖 埖 Statische Systeme sind zu bevorzugen. Ggf. kann zur Unterstützung der Lagerung ein Seitenlagerungssystem sinnvoll sein.

Allgemeines Risiko (siehe 5.2) 埖 埖 Produkte verwenden die eine Mobilisation erlauben.

Mittleres Risiko (siehe 5.2) 埖 埖 Produkte verwenden die eine Mobilisation erlauben und regelmäßige Lagerung unterstüt-zen.

Hohes Risiko (siehe 5.2) 埖 埖 Ergänzend dynamische Systeme zur aktiven Lagerungsunterstützung nutzen.

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7. VERSORGUNGSEMPFEHLUNG Unter Berücksichtigung des zuvor erhobenen und dokumentierten Status wird die Versorgung mit

埖"einem Anti-Dekubitushilfsmittel der Produktart ______________________________________________

埖"dem konkreten Hilfsmittel (Name) ________________________________________________________

und der Hilfsmittel-Positionsnummer

empfohlen. Falls ein konkretes Produkt benannt wird, bitte begründen, warum dieses erforderlich ist: ___________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________

8. WER FÜHRT DIE BEURTEILUNG DURCH? (Name, Anschrift, Telefon)

Arzt: _________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________ Pflegekraft: _________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________ Sonstige (Funktion angeben): _________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________ Datum: ___________________ Unterschrift / Stempel: __________________________

9. ERKLÄRUNG DES VERSICHERTEN / PATIENTEN / GESETZLICHEN BETREUERS Ich bin mit der Erhebung und Weitergabe der Befunddaten an die zuständige Krankenkasse und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einverstanden. Vor- und Zuname: _________________________________________________________________ Ort / Datum: ___________________________ Unterschrift: ______________________________

PG Ort UG Art Laufende Nr.

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ERHEBUNGSBOGEN ZUR VERSORGUNG MIT SITZHILFEN ALS HILFSMITTEL GEGEN DEKUBITUS DER PRODUKTGRUPPE 11 DES HILFSMITTELVERZEICHNISSES

1. PERSONENDATEN Vor- und Zuname des Patienten: ___________________________________________________________________________ Adresse des Patienten: Straße: _______________________________ PLZ/Ort: ______________________________

Tel.-Nr.: ______________________________ 埖"männlich 埖"weiblich

Krankenversicherungs-Nr.: _____________________________________ Geburtsdatum: ___________________ ______ Hausarzt: ______________________________________ Verordner: _____________________________________________ Gewicht: __________ kg Größe: _____________cm Ggf. Betreuungspersonen: ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________

2. WER FÜHRT DIE PFLEGE DURCH? (Name, Anschrift, Telefon) Angehörige / Laien: _____________________________________________________________________________________ Ambulanter Pflegedienst: _________________________________________________________________________________ Stationäre Pflege: _______________________________________________________________________________________

3. DIAGNOSEN UND BESONDERHEITEN DER PFLEGESITUATION _____________________________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________________________

4. LOKALISATION BESONDERS GEFÄHRDETER KÖRPERSTELLEN BZW. BEREITS BESTEHENDER WUNDEN Liegt aktuell ein Dekubitus vor ?

埖 nein 埖 ja î Dekubitus Stadium I 埖

Dekubitus Stadium II 埖

Dekubitus Stadium III 埖

Dekubitus Stadium IV 埖

î Einteilung nach EPUAP (s. Anhang) Lokalisation(en) in Schema einzeichnen

Lag in der Vergangenheit ein Dekubitus Stadium III oder IV (EPUAP) vor?

埖 nein 埖 ja î ehem. Dekubitus Stadium III 埖

ehem. Dekubitus Stadium IV 埖

Muss der Patient auf bestehenden Wunden oder abgeheil-tem Dekubitus Stadium III oder IV gelagert werden ?

埖"nein 埖"ja, Begründung:

___________________________________________ ___________________________________________ ___________________________________________

Stand: 01.12.2005

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5. BRADEN-SKALA ZUR BEWERTUNG DES DEKUBITUSRISIKOS (nach B.Braden übersetzt von H.Heinhold; Heilberufe Spezial - Dekubitus 2001/2002) 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte 4 Punkte

Sensorisches Wahrnehmungs-vermögen

Fähigkeit, lagebe-dingte wie künstli-che Reize wahrzu-nehmen und adäquat zu reagie-ren

1. Vollständig ausgefallen

Keine Reaktion auf Schmerzreize (auch kein Stöhnen, Zucken, Greifen) auf Grund verminderter (nervaler) Wahnehmungsfä-higkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit oder Sedierung,

ODER Missempfindungen / Schmerzen werden über den größten Körperanteil nicht wahr-genommen

2. Stark eingeschränkt

Reaktion nur auf starke Schmerzreize, Missempfindungen können nur über Stöh-nen oder Unruhe mitgeteilt werden

ODER Sensorisches Empfinden stark herabge-setzt. Missempfindungen/Schmerzen wer-den über die Hälfte des Körpers nicht wahr-genommen.

3. Geringfügig eingeschränkt

Reaktion auf Ansprechen; Missempfindun-gen bzw. das Bedürfnis nach Lagerungs-wechsel können nicht immer vermittelt werden,

ODER sensorisches Empfinden teilweise herabge-setzt. Missempfindungen/Schmerzen wer-den in ein oder zwei Extremitäten nicht wahrgenommen.

4. Nicht eingeschränkt

Reaktion auf Ansprechen.

Missempfindungen oder Schmerzen werden wahrgenommen und können benannt wer-den.

Feuchtigkeit

Ausmaß, in dem die Haut Feuchtig-keit ausgesetzt ist.

1. Ständig feucht Die Haut ist ständig feucht durch Schweiß, Urin usw. Nässe wird bei jedem Bewegen festgestellt.

2. Oft feucht Haut ist oft, aber nicht ständig feucht. Die Wäsche muss mindestens einmal pro Schicht gewechselt werden.

3. Manchmal feucht Die Haut ist hin und wieder feucht, die Wäsche muss zusätzlich einmal täglich gewechselt werden.

4. Selten feucht Die Haut ist normalerweise trocken. Wä-schewechsel nur routinemäßig.

Aktivität

Grad der körperli-chen Aktivität

1. Bettlägerig

Das Bett kann nicht verlassen werden.

2. An den Stuhl / Rollstuhl gebunden

Gehfähigkeit ist stark eingeschränkt oder nicht vorhanden. Kann sich selbst nicht aufrecht halten und/oder braucht Unterstüt-zung beim Hinsetzen.

3. Gehen

Geht mehrmals am Tag, aber nur kurze Strecken, teils mit, teils ohne Hilfe. Verbringt die meiste Zeit im Bett / Lehnstuhl / Roll-stuhl

4. Regelmäßiges Gehen

Verlässt das Zimmer mindestens zweimal am Tag. Geht tagsüber im Zimmer etwa alle zwei Stunden auf und ab.

Mobilität

Fähigkeit, die Körperposition zu halten und zu verändern

1. Vollständige Immobilität

Selbst die geringste Lageänderung des Körpers oder Extremitäten wird nicht ohne Hilfe durchgeführt.

2. Stark eingeschränkt Eine Lageänderung des Körpers oder von Extremitäten wird hin und wieder selbstän-dig durchgeführt, aber nicht regelmäßig.

3. Geringfügig eingeschränkt

Geringfügige Lageänderungen des Körpers oder der Extremitäten werden regelmäßig und selbständig durchgeführt.

4. Nicht eingeschränkt Lageänderungen werden regelmäßig und ohne Hilfe durchgeführt.

Ernährung

Allgemeines Ernäh-rungsverhalten

1. Schlechte Ernährung Isst die Portion nie auf. Isst selten mehr als 1/3 jeder Mahlzeit. Isst zwei eiweißhaltige Portionen (Fleisch oder Milchprodukte) oder weniger täglich. Trinkt zu wenig. Trinkt keine Nahrungsergänzungskost

ODER Wird per Sonde oder seit mehr als fünf Tagen intravenös ernährt.

2. Wahrscheinlich unzureichende Ernäh-rung

Isst selten eine ganze Mahlzeit auf, in der Regel nur die Hälfte. Die Eiweißzufuhr erfolgt über nur drei Portionen (Milchproduk-te, Fleisch) täglich. Hin und wieder wird Ergänzungskost zu sich genommen

ODER Erhält weniger als die erforderliche Menge Flüssigkeit bzw. Sondenernährung.

3. Ausreichende Ernährung Isst mehr als die Hälfte der meisten Mahl-zeiten, mit insgesamt vier eiweißhaltigen Portionen (Milchprodukte, Fleisch) täglich. Lehnt hin und wieder eine Mahlzeit ab, nimmt aber Ergänzungsnahrung, wenn angeboten, an.

ODER Wird über eine Sonde ernährt und erhält so die meisten erforderlichen Nährstoffe.

4. Gute Ernährung Isst alle Mahlzeiten, weist keine zurück. Nimmt normalerweise vier eiweißhaltige Portionen (Milchprodukte, Fleisch) zu sich, manchmal auch eine Zwischenmahlzeit. Braucht keine Nahrungsergänzungskost

Reibungs- und Scherkräfte

1. Problem Mäßige bis erhebliche Unterstützung bei jedem Positionswechsel erforderlich. Anhe-ben (z.B. auch Richtung Kopfende) ist nicht möglich, ohne über die Unterlage zu schlei-fen. Rutscht im Bett oder Stuhl regelmäßig nach unten und muss wieder in die Aus-gangsposition gebracht werden. Spastik, Kontrakturen und Unruhe verursachen fast ständige Reibung.

2. Potenzielles Problem

Bewegt sich ein wenig und braucht selten Hilfe. Die Haut scheuert während der Be-wegung weniger intensiv auf der Unterlage (kann sich selbst ein wenig anheben). Ver-bleibt relativ lange in der optimalen Position im Bett (Sessel / Rollstuhl / Lehnstuhl). Rutscht nur selten nach unten.

3. Kein feststellbares Problem

Bewegt sich unabhängig und ohne Hilfe in Bett und Stuhl. Muskelkraft reicht aus, um sich ohne Reibung anzuheben. Behält optimale Position in Bett oder Stuhl aus eigener Kraft bei.

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5.1 ERHEBUNG WEITERER RISIKOFAKTOREN

Kann der Patient sensitive Reize im Sitzbereich nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen ? 埖"nein 埖"ja

Entlastet der Patient bewusst den Sitzbereich ? 埖"nein 埖"ja

Ist der Patient unterernährt (siehe auch Abschnitt 5) ? 埖"nein 埖"ja

Hat der Patient Spastiken / Kontrakturen ? 埖"nein 埖"ja

Ist der Patient hochbetagt (d.h. 80 Jahre und älter) ? 埖"nein 埖"ja

Liegt ein dauerhaft niedriger Blutdruck (diastolisch <60 mmHg) vor ? 埖"nein 埖"ja

Ist der Kreislauf des Patienten dauerhaft instabil ? 埖"nein 埖"ja

Ist der Patient Diabetiker ? 埖"nein 埖"ja

Patient sitzt auf bestehenden Wunden/abgeheiltem Dekubitus Stadium III / IV (siehe Abschnitt 4) ? 埖"nein 埖"ja

Liegen weitere, bisher nicht erfasste Risiken vor ? 埖"nein 埖"ja

Beschreibung der Risiken: ______________________________________________________________________

______________________________________________________________________

5.2 AUSWERTUNG DER RISIKOERHEBUNG Gesamtsumme aller erreichten Punktwerte gemäß Braden-Skala: ________ Punkte

埖 kein Risiko (19 – 23 Punkte, Stufe 0)

埖 allgemeines Risiko (15 – 18 Punkte, Stufe 1)

埖 mittleres Risiko (13 – 14 Punkte, Stufe 2)

埖 hohes Risiko (10 – 12 Punkte, Stufe 3)

埖 sehr hohes Risiko ( 9 – 6 Punkte, Stufe 4)

Es liegt mindestens ein weiteres Risiko nach 5.1 vor, so dass die

ermittelte Risikostufe um eine Stufe zu erhöhen ist 埖"nein 埖"ja

Beachte:

Liegen weitere bedeutende Risikofak-toren vor (siehe Abschnitt 5.1),

die nicht durch die Braden-Skala erfasst werden, muss der Patient in die jeweils nächsthöhere Risikostufe ein-

gruppiert werden.

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6. Spezielle Anforderungen Wie lange wird der Patient durchschnittlich auf der Sitzhilfe verweilen

1. ununterbrochen am Stück ____ h

2. insgesamt pro Tag ____ h Besteht Sitzstabilität oder ist z.B. das Gleichgewicht des

Benutzers eingeschränkt ? 埖"nein 埖"ja

Kann der Benutzer die Sitzposition passiv oder aktiv

adäquat verändern ? 埖"nein 埖"ja

Sitzt der Benutzer asymmetrisch, z.B. wegen Becken-

schiefstand, Amputation, Skoliose, Hemiplegie ? 埖"nein 埖"ja

Besteht eine Gelenkeinsteifung der Hüfte ? 埖"nein 埖"ja

Ist die Adduktion / Abduktion beeinträchtigt ? 埖"nein 埖"ja

Liegt ein progressiver Krankheitsverlauf vor (z.B. Multiple

Sklerose - MS, Amyotrophe Lateralsklerose – ALS), der

Einfluss auf die Sitzposition nehmen kann ? 埖"nein 埖"ja

Wird das Kissen auf verschiedenen Sitzgelegenheiten genutzt ? 埖"nein 埖"ja

Beachte:

Die Eigenschaften des Kissens können sich mit zunehmender

Nutzungsdauer verändern.

Beachte:

Wenn „Nein“ muss eine Unterstüt-zung durch z.B. Pelotten, Rü-

ckensysteme, Kissen mit Positio-nierungshilfen gewährleistet sein.

Beachte:

Wenn „ja“ und bei fixierter Asym-metrie muss das Kissen unterstüt-zend wirken. Wenn „ja“ und bei flexibler Asym-metrie muss das Kissen anpass-bar sein.

Beachte:

Wenn „ja“, muss das Kissen in Richtung der Längsachse, d.h.

nach anterior bzw. posterior ein-stellbar sein.

Beachte:

Wenn „ja“, muss ein entsprechend vorgeformtes oder ein anpassba-

res Kissen genutzt werden.

Beachte:

Wenn „ja“, muss ein entsprechend anpassbares Kissen genutzt wer-

den.

Beachte:

Wenn „ja“ beachte, dass der je-weilige Untergrund die Eigen-

schaften des Kissens beeinflus-sen kann und das Kissen entspre-

chend gewählt werden muss.

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7. VERSORGUNGSEMPFEHLUNG Unter Berücksichtigung des zuvor erhobenen und dokumentierten Status wird die Versorgung mit

埖"einem Anti-Dekubitushilfsmittel der Produktart ______________________________________________

埖"dem konkreten Hilfsmittel (Name) ________________________________________________________

und der Hilfsmittel-Positionsnummer

empfohlen. Falls ein konkretes Produkt benannt wird, bitte begründen, warum dieses erforderlich ist: ___________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________

8. WER FÜHRT DIE BEURTEILUNG DURCH? (Name, Anschrift, Telefon)

Arzt: _________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________ Pflegekraft: _________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________ Sonstige (Funktion angeben): _________________________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________________________ Datum: ___________________ Unterschrift / Stempel: __________________________

9. ERKLÄRUNG DES VERSICHERTEN / PATIENTEN / GESETZLICHEN BETREUERS Ich bin mit der Erhebung und Weitergabe der Befunddaten an die zuständige Krankenkasse und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einverstanden. Vor- und Zuname: _________________________________________________________________ Ort / Datum: ___________________________ Unterschrift: ______________________________

PG Ort UG Art Laufende Nr.

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102

9. Glossar / Stichwortverzeichnis Seite Die Nummerierung orientiert sich an den Seitenzahlen des Abschnitts 2 = Textteil. Die ersten 7 Seiten = Titel, Impressum und Inhaltsverzeichnisses sind nicht berücksichtigt. Verzichtet wurde auf die Erklärung von Begriffen, die nur einmal erwähnt sind oder an der angegebenen Stelle im Text erläutert werden.

Aktive Belüftung der Auflagefläche (z.B. mit Low-Air-Loss oder Air-Flow – Systemen) Motorisierte, luftgefüllte Weichlagerungssysteme mit Zusatzfunktion: Kontinuierlicher, definierter Austritt von Luft aus den Zellen oder dem Schlauchsystem. Luft- und/oder wasserdampfdurchlässige Bezüge sollen dabei das Mikroklima verbessern.

61

Aktivität Fähigkeit, Bedürfnisse selbst ganz oder teilweise selbst zu erfüllen

28,39,60,71,87

Analgetika (s.a. Schmerzmittel) 24

Anordnungsverantwortung Verantwortung für die Richtigkeit und Verständlichkeit der Anord-nung. Der Anordnende muss sich davon überzeugt haben, dass derjenige, dem die Anordnung erteilt wurde, diese auch verstanden hat und durchführen kann.

84

Assessment Verfahren zur Beurteilung von Sachverhalten, Eignungen

45

Assessmentinstrument Material, mit dessen Hilfe das Assessment durchgeführt wird

27,99

Auflagen (Auflagensysteme) Antidekubitus-Hilfsmittel. Werden auf eine Matratze - i.d.R. vorhandene Standardmatratze – gelegt. Entfalten ihre Wirkung nur in Kombination mit der unteren Matratze

30,57,62

Behandlungspflege Krankheitsbezogene Pflegemaßnahmen, gerichtet auf Mitwirkung bei Diagnostik und Therapie

51,75,82,83,86,97

Beugekontrakturen (s.a. Kontrakturen) 65

Braden-Skala Weiterentwicklung der Norton – Skala (s.u.) durch Barbara Braden, Creighton – University, Nebraska, USA als Assessment-Instrument zur Ermittlung des Dekubitusrisikos

15,18,27,28, 29,75

C-Fasern Nervenfasern, deren Endigungen der Reizleitung dienen 10

Delegationsrecht / Delegation Hier: Übertragen von Aufgaben; an betriebliche Strukturen gebunden

83,86

Dekubitalulkus (Synonym für Dekubitus) 7,11,15,18,22

Dekubitalulzera (Mehrzahl von Dekubitalulkus)

1,2,5,7,8,11,15-19,21,26,45, 50, 53,54,60,62,66,

71,89

Dekubitusanzeichen Symptome, die auf das Entstehen eines Dekubitus hindeuten, z.B. verbleibende Rötung nach Druckeinwirkung

89

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103

Dekubitus Druckbedingte Schädigung der Haut und des darunter liegenden Gewebes. (Anm.: Weil der Begriff Dekubitus auf nahezu jeder Seite erwähnt wird, werden hier nur die Seite aufgeführt, auf denen der Begriff in einer Überschrift erscheint. Im Übrigen erfolgt die Auflistung in den Wortkombina-tionen, z.B. Dekubitusbehandlung)

5,7,45,90

Dekubitusbehandlung Maßnahmen, die zur Heilung eines Dekubitus beitragen sollen – s.a. Dekubitustherapie

47,50,51,84,89

Dekubitusentstehung Folge von Mechanismen und / oder Voraussetzungen, aus denen ein Dekubitus hervorgehen kann

22,32,33,53, 54,58

Dekubitusgefahr (s.a. Dekubitusrisiken) 28,29

Dekubitushäufigkeit 15,17

Dekubitusinzidenz Anzahl der neu auftretenden Dekubitusfälle (z.B. innerhalb eines bestimmten Zeitraums)

27,33

Dekubitusmatratze Hilfsmittel, das dem Entstehen eines Dekubitus entgegen wirken soll

75

Dekubitusprävalenz Anzahl der auftretenden Dekubituserkrankungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums

15,16,18

Dekubitusprävention Maßnahmen (auch politische), gerichtet auf Vorbeugung eines Dekubitus 2,32,42,67

Dekubitusprophylaxe Maßnahmen, die dem Entstehen eines Dekubitus entgegen wirken sollen

3,4,21,25,27,33,36,39,41,64,65,67,68,82,85,86,

87,89,92

Dekubitusrisiko (s.a. Risikofaktoren)

3,4,10,21,24,27-30, 36,37,41,

61,89,93

Dekubitusstadien / Grade Ausmaße der Gewebsschädigungen

1,11,12,13, 53,62,93

Dekubitustherapie Maßnahmen, gerichtet auf Heilung eines Dekubitus

52

Dekubitusversorgung Maßnahmen zur Versorgung eines Patienten, z.B. mit adäquaten Hilfsmitteln gegen Dekubitus

71,93,94

Dermis (= Korium / Lederhaut) bindegewebiger Anteil der Haut zwischen Epidermis (= Oberhaut) und Subkutis (= Unterhaut, welche Bindegewebssepten mit Fettzellhaufen, Blutgefäßen und Nerven enthält)

12,32,46

Diffusion Physikalischer Ausgleichsprozess, in dessen Verlauf Teilchen (z.B. Atome, Moleküle) vom Ort höherer Konzentration zum Ort niedrigerer Konzentration gelangen, bis ein Konzentrationsausgleich erfolgt ist.

8

Diffusionsgradienten Konzentrationsgefälle, Voraussetzung zur Diffusion

55

Diffusionsprozesse Physikalische Abläufe der Diffusion

62

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104

Dokumentation Maßnahmen, mit deren Hilfe Sachverhalte beschrieben und nachvoll-zogen werden können, z.B. formularmäßig, mit Hilfe der EDV oder auch Fotos (s.a. Wunddokumentation)

35,46,87,89,97

Druckausgleichsbewegung Willkürlich, aber auch unwillkürlich durchgeführte Bewegung, um eine druckbelastete Region zu entlasten

10

Druckbelastete Bezirke Körperregionen, die aufgrund der Körperhaltung / -lage einem Druck ausgesetzt sind, aufgrund dessen Kapillaren kollabieren.

9

Druckempfindungen / Druckwahrnehmung Feststellungen, auch unbewusste Wahrnehmung von Druck. Lösen den Reiz zur Positionsänderung / Druckausgleichsbewegung aus.

10

Druckentlastung Maßnahme, um druckbelastete Bezirke zu entlasten, z.B. durch Frei- oder Weichlagerung (= bessere Druckverteilung)

30, 47,59,62,67,89

Druckverteilung 1) s.a. Diffusion 2) Möglichst gleichmäßige Verteilung eines Körpers auf eine Fläche

1) 92) 30,62,63

Durchführungsverantwortung Verantwortung für die richtige Durchführung einer übertragenen Aufgabe. Setzt voraus, dass die Anordnung verstanden wurde und die faktische Qualifikation vorliegt. Liegt sie nicht vor, darf die Aufgabe nicht angenommen werden. Zumindest ist auf diesen Mangel hinzuweisen. Sachverhalt ist zu dokumentieren.

50

Dynamisches System Schaumstoffmatratze, wird um spezielle Aktuatoren und Steuergeräte ergänzt. Soll die Patienten über verschiedene Bewegungsmuster wieder zu Eigenbewegungen animieren und so präventiv sowie therapeutisch begleitend wirken.

61,62

Einsinktiefe Gibt an, wie tief ein Patient aufgrund seines Eigengewichts in ein Antidekubitus-System einsinkt; stellt die Differenz zwischen maximaler Höhe des Hilfsmittels im unkomprimierten Zustand und tatsächlicher Höhe bei Belastung dar.

66

EPUAP (European Pressure Ulcer Advisory Panel) Europäische wissenschaftliche Fachgesellschaft, in der Dekubitus-Experten verschiedener europäischer Staaten vertreten sind. Ziel ist, betroffene Patienten und deren Angehörige, Pflegende und Ärzte fachgerecht zu beraten sowie die Dekubitusforschung zu koordinieren und voranzutreiben.

11,15

extrinsische Faktoren Faktoren, die von außen auf etwas einwirken

22

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105

Frei- / Hohllagerung Zeitweilige oder komplette Druckentlastung von Knochenvorsprüngen (z.B. Fersen / Sakralbereich). Je nach System durch Entleeren oder Entfernen einzelner Kammern (z.B. luftgefüllte Systeme) oder Entfernen von Schaumstoffelementen (z.B. Würfel bei Würfelmatratzen) oder durch Lagerung mit speziell geformten Positionierungshilfen. Erreicht wird eine vollständige Druckentlastung der gefährdeten Areale. Achtung: Insbesondere in den Randbereichen der Freilagerungszone entstehen erhöhte Drücke, die ihrerseits ursächlich für Gewebeschädigungen sein können.

60,62,65

Gewebetoleranz Fähigkeit des Gewebes, Druck und Scherung eine bestimmte Zeit ohne schädigende Folgen zu tolerieren.

23-25,30,32,69

Grundpflege Pflegemaßnahmen, bezogen auf normale Lebensbedürfnisse und Bedürfnissen nach psychischer und sozialer Betreuung, unabhängig von einer Krankheit

82,83,86,87,89

GKV = Gesetzliche Krankenversicherung Gesetzlich vorgeschriebene Pflichtversicherung für Arbeiter und Angestellte zwecks Versorgung im Krankheitsfall, bis zu einer Beitragshöchstgrenze (Beitragsbemessungsgrenze); auch z.B. für Handwerker, Landwirte sowie einige Freiberufler, etwa Schriftsteller, Künstler Journalisten.

71 – 77, 79,80,92

Hautmazeration (s.a. Mazeration) 26

Heilmittelversorgung Äußerlich anwendbare Maßnahmen, z.B. der Physiotherapie, dazu bestimmt, um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern

76

Hilfsmittel gegen Dekubitus = Antidekubitus-Hilfsmittel Materialien, die dem Entstehen eines Dekubitus vorbeugen sollen bzw. zur Behandlung eines bestehenden Dekubitus eingesetzt werden.

1) 52,53,54,65,66,73,76

2) 30,31,49,52,53,54,76,77

Hilfsmittelverzeichnis Gemäß SGB V vorgeschriebenes, systematisch strukturiertes Verzeich-nis. Enthält alle von der Leistungspflicht der GKV erfassten Hilfsmittel

76,77,97

Hilfsmittelversorgung Maßnahmen zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln, die den Erfolg einer Krankheit sicherstellen, dem Ausgleich einer Behinderung dienen oder vorbeugen sollen

72

Immobilität Unvermögen, sich aus eigener Kraft ganz oder teilweise zu bewegen

22,23,30,36,40,41,56,66,83,88

Inkontinenz Unfähigkeit der Kontrolle über Urin- / Stuhlabgang aus Blase bzw. Darm 22,28,32,47,49

Inkontinenzbehandlung 47

Intertrigo („Wolf“) Rote, umschriebene, juckende, brennende Hauterkrankung in den Hautfalten. Ursache: z.B. Reibung, Mazeration, ggf. mit sekundärer Pilzinfektion. Darf nicht mit Dekubitus verwechselt werden!

26

intrinsische Faktoren Faktoren, die von innen heraus – also vom Körper ausgehen

21

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106

Ischämie / ischämisch Unzureichende Durchblutung, mit der Folge der Mangelernährung von Gewebe

11,21,/10

Kapillaren Feinste Blutgefäße, dienen dem Gas- und Stoffaustausch

8,9,10,24,55,56

Kapillarverschluss Verschluss der Kapillare, z.B. durch Druck, aber auch durch Thrombose, führt zur Ischämie (s.o.)

21

Kleinzellige Wechseldruck - Systeme Luftgefüllte Systeme, verfügen nicht über Luftkammern, die die gesamte Breite des Produktes reichen. Risiko: Diesen Systemen wird – im Gegensatz zu großzelligen Systemen mit angeblich therapeutischer Wirksamkeit - oftmals eine prophylaktische Wirkung unterstellt. Willkürliche Zuordnung, keine Evidenz nachgewiesen.

66

Knochenvorsprünge (s.a. Prädilektionsstellen) Skelettteile, an denen sich mangels Polstergewebes der Auflagedruck besonders schädigend auswirkt

7,10,24,26,30

Kontaktdruck entsteht bei Berührung = Kontakt mit einem Gegenstand/ einer Auflage, führt zum Kollaps von Kapillaren (bereits bei 20 mmHg)

8,10

Kontrakturen / -bildung Dauerhafte Verkürzung eines Muskels / Funktions- und Bewegungseinschränkung von Gelenken, bedingt z.B. durch Fehlhaltung, aber auch ischämisch / elektrolytisch

24,36 41/42

Kraftverteilung, ungünstige Gewichtskraft, die auf den Körper eines Menschen einwirkt, ist nicht gleichmäßig über die gesamte Körperoberfläche verteilt.

24

lymphatisch - zum Lymphsystem gehörend - 21

Maßnahmen, obsolete Alle nicht mehr zeitgemäßen Handlungen am Patienten, z.B. Eisen & Föhnen, Nahrungsmittel usw., die zum Teil schädigend wirken können.

63-66

Mazeration Gewebeschädigung durch Nässeeinwirkung – kein Dekubitus! 46,61

Mechanorezeptoren Rezeptoren (reizaufnehmende Sinneszellen) u.a. in der Haut, die z.B. auf Druck reagieren

10,30

Medikamente Hier: Medikamente, deren Einnahme das Entstehen eines Dekubitus begünstigen können

21,23,24,25,33,34,87,88

Meissnersche Tastkörperchen 10

Merkelsche Tastscheiben 10

Mikrobewegungen Kleinste, noch autonom durchgeführte Bewegungen zur Druckentlastung, unterstützt durch Systeme zur Mikrostimulation.

9,10,24,25,26,30,61

Mikroklima Bezeichnung für relative Feuchte und Temperatur zwischen zwei Kon-taktflächen (z.B. zwischen Haut und Hilfsmittel).

61,62

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107

Mikrostimulation Konstruktionsbedingtes Verfahren des Mikrostimulationssystems zur Motivation des Patienten, kleinste Bewegungen selbst durchzuführen. Dient der Wahrnehmungsförderung. Soll auf den Grundlagen der basalen Stimulation, dem Bobath-Konzept und der Kinästhetik basieren und die taktil-kinästhetische Sensorik des Patienten stimulieren, woraus eine Förderung der Körperwahrnehmung und Eigenbewegung resultieren soll.

62

Nekrose irreversibler – also nicht rückgängig zu machender Ausfall der Zell-funktionen = Zelltod, z.B. durch Mangelernährung des Gewebes aufgrund von Druck

8,10,12,21,46,63

Norton-Skala Wohl die erste, von Doreen Norton (England) entwickelte Skala zur Ermittlung des Dekubitusrisikos

27,28

Opioide (s.a. Schmerzmittel, Schmerztherapie) Stark wirksame Schmerzmittel, kontraindiziert z.B. bei Bewusstseins-störung, Störung des Atemzentrums, Asthma bronchiale.

34

PCA –Analgesie, pumpengesteuert über Periduralkatheter Schmerzausschaltung, zu der ein Katheter in den Rückenmarkskanal eingeführt wird. Über diesen erfolgt die Zufuhr des Analgetikums, die auch der Patient beeinflussen kann.

34

Pflegehilfsmittel Materialien, die die Pflege erleichtern sollen, ggf. auch Körperpflege

72,75-78

Pflegehilfsmittelverzeichnis Anlage zum Hilfsmittelverzeichnis, listet durch die Pflegekassen erstattungsfähige Materialien auf

76,77,78

Prädilektionsstelle(n) Besonders dekubitusgefährdete Körperbezirke – vor allem Knochenvorsprünge

26,88

Prognose Voraussicht auf Krankheitsverlauf / Heilungsaussichten

5,75

Reibung Widerstand, der in der Berührungsfläche zweier sich berührender Körper bei ihrem Bewegen gegeneinander auftritt (äußere Reibung) und dabei Schäden verursachen kann. Zwischen einem Hilfsmittel und der Kontaktfläche eines Patienten ist sie vorwiegend durch die Oberflächenstrukturen und die Feuchte im Grenzflächenbereich bedingt. Beeinflusst die Ausbildung der Scherkraft.

21,22,23,26,27,28,29,30,31,32,

69

Risikoeinschätzung Maßnahme zur Feststellung des Dekubitusrisikos anhand einer Risikoskala – kein Diagnoseverfahren!

27,67

Risikofaktoren Faktoren, die das Entstehen eines Dekubitus als wahrscheinlich erscheinen lassen

21,22,29,53,54,69,87,88,96

Risikoskala/ Risikoskalen Assessmentinstrumente, mit deren Hilfe die Wahrscheinlichkeit, dass ein Dekubitus eintreten kann, eingeschätzt werden soll und muss. Aus dem Ergebnis leiten sich die notwendigen Maßnahmen der Grund- und Behandlungspflege ab. Es sind keine Diagnostika – darauf weisen auch die Autoren hin (s.a. Braden-, Norton-, Waterlow-Skala)

17,29,37,67,93

27,53,61,87,99

Ruffini-Körperchen 10

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108

Scherung / Scherkräfte Kraft, resultiert auf Grenzflächen im Kontaktbereich durch Verschiebung. Bei Verschiebung von Haut gegenüber darunter liegenden Schichten, kann eine Scherkraft bedingte Hautschädigung resultieren.

10,22,23,27,2831,32,39,65,87

Schmerz Komplexe Sinneswahrnehmung unterschiedlicher Qualität, von Bedeutung durch Störung des Wohlbefindens. Kann eigenständigen Krankheitswert erlangen.

25,26,33,36

Schmerzintensität Ausmaß des empfundenen Schmerzes

36

Schmerzmittel Schmerzlindernde Medikamente, die einerseits die Lebensqualität des Betroffenen steigern, andererseits mitursächlich für das Entstehen eines Dekubitus sein können.

24,33,34,36,50

Schmerzskala Assessmentinstrument zur Einschätzung des Schmerzempfindens

35

Schmerztherapie Verabreichung von Medikamenten zur Linderung / Stillung von Schmerzen. Kann – wie der Schmerz selbst - zu Immobilität und mithin zum Dekubitus führen.

24,30,33,34,35,36,93,97

Schwerefeld der Erde 9,58

Sozialgesetzbuch = SGB Gesetzeswerk. Regelt u.a. die Versorgung der Patienten mit Hilfs- und Heilmitteln. (z.B. 1) SGB V und 2) SGB XI)

1) 71-80

2) 71,75,78,72

Standard Verbindliche, schriftlich festgelegte Vorgehensweise

68,88,99

Stuhlinkontinenz 32

Vater-Pacini-Lamellen 10

Verlaufsdokumentation Dokumentation, die den Verlauf der Wundsituation beschreibt

35,52

Volumenpuls 9

Wahrnehmungsförderung Maßnahmen, z.B. Mikrostimulation, die dem Patienten ermöglichen, den eigenen Körper wahrzunehmen. Dienen u.a. auch der Selbstorien-tierung im Raum und im Verhältnis zum Raum.

39,41,42,54,60

Wahrnehmungsstörung Beeinträchtigung bis Verlust der Fähigkeit, sich selbst z.B. durch Körperwahrnehmung und die Umgebung wahrzunehmen und adäquat auf Reize zu reagieren.

21,26

Wasserbett Mit Wasser gefülltes System zur Druckentlastung, das die größtmögliche Auflagefläche bietet. Risiko: Selbst hier wird ein kritischer Kapillardruck erreicht.

9,31,58,65

Waterlow-Skala Von Judy Waterlow 1985 entwickelte Skala zur Einschätzung des Dekubitusrisikos (Revision 2005)

27,28,29

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109

Wechseldruck- / lagerung - /system Lagerung auf Wechseldrucksystem, d.h. einer Anordnung von luftbefüllbaren Kammern mit regelmäßig, rhythmisch wechselndem Füllungszustand, der die aufliegende Körperoberfläche automatisch be- und entlastet.

38,54,58,59,62,66

Weichlagerung Prinzip, bei dem der Patient durch sein Eigengewicht weitest möglich in das Material und so die Auflagefläche des Körpers vergrößert. Risiko: Kann die Körperwahrnehmung negativ beeinflussen, schränkt ggf. den Patienten in der Restmobilität ein.

30,39,54,56,57,58,59,62,63,97

Widerlager 10

Wundabdeckung Verbandmaterialien für Wunden, die die Wundheilung begünstigen sollen

45,47,49,

Wundanamnese Erhebung und Beschreibung der Ausgangssituation nebst Informationen über Ursache und zusätzliche Erkrankungen

45

Wundbeschreibung Schriftliche Darstellung der Wundsituation; Bestandteil der Wunddokumentation

45

Wunddokumentation 51

Wundsituation Jeweiliger Zustand der Wunde, wird in der Verlaufsdokumentation beschrieben. Zieht weitere Wundbehandlung – ggf. Änderung nach sich.

52

Wundversorgung Alle Maßnahmen, die zur optimalen Versorgung einer Wunde beitragen

47,48,50,51,52,84,93

Zellabfall 8

Zwischenzellraum 8